Russland
Russland (russisch Rossija [rɐˈsʲijə]), amtlich die Russische Föderation (oder der russischen Bezeichnung entsprechend Russländische Föderation; russisch Rossijskaja Federazija),[A 3] ist ein Bundesstaat in Osteuropa sowie in Nordasien, mit der Exklave Kaliningrad in Mitteleuropa. Mit etwa 17 Millionen Quadratkilometern ist Russland flächenmäßig der größte Staat der Welt und umfasst etwa ein Neuntel der Landmasse der Erde. Mit 144,5 Millionen Einwohnern (2019) steht es an 9. Stelle der bevölkerungsreichsten Staaten und ist zugleich einer der am dünnsten besiedelten.
Der europäische Teil des Staatsgebiets ist viel dichter besiedelt und verstädtert als der über dreimal so große asiatische Teil: Etwa 77 % der Bevölkerung (110 Millionen Einwohner) leben westlich des Urals. Die Hauptstadt Moskau ist eine der größten Städte und Metropolregionen der Welt; als weiteres wichtiges Zentrum gilt Sankt Petersburg, das zwischen 1712 und 1918 Hauptstadt war und eine Brücke für Kunst und Kultur aus Westeuropa bildete. Die nächstgrößten Millionenstädte Russlands sind Nowosibirsk in Sibirien, Jekaterinburg am Ural und Nischni Nowgorod an der Wolga. Weitere Großstadtregionen sind Tscheljabinsk, Ufa, Kasan und Samara. Insgesamt gibt es in Russland 15 Millionenstädte und fast 70 Agglomerationen mit mehr als 500.000 Einwohnern. Die föderale Gliederung Russlands besteht aus acht Föderationskreisen und 85 Föderationssubjekten.
Die Russische Föderation entwickelte sich aus dem Großfürstentum Moskau, einem Teilfürstentum des früheren ostslawischen Reiches Kiewer Rus, zu einem über 100 Ethnien zählenden Vielvölkerstaat, wobei ethnische Russen heute fast 80 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Sie ist „Fortsetzerstaat“[7] der Sowjetunion in internationalen Organisationen und ständiges Mitglied des Weltsicherheitsrates. Sie gehört zu den anerkannten Nuklearmächten und besitzt das weltgrößte Arsenal an Massenvernichtungswaffen. Russland ist Groß- und Regionalmacht und wird teilweise als potentielle Supermacht betrachtet.[8] Es ist zudem Mitglied des Europarates, der APEC, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), der OSCE, der WTO; es ist führendes Mitglied in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) und der Eurasischen Wirtschaftsunion (mit Armenien, Belarus, Kasachstan und Kirgisistan).
Russland ist ein Schwellenland im Bereich des oberen mittleren Einkommens.[9] Nach der Erholung von der postkommunistischen Transformationskrise der 1990er Jahre wurde Russland die nach Kaufkraftparität sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt, zwischen Deutschland und Brasilien (Schätzung für 2016).[10] Nominal war Russland im Jahr 2020 die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt.[11] Russlands Rohstoffreserven sind mit etwa 20 bis 30 % die wahrscheinlich größten der Welt,[12][13][14] mit erheblichen Vorkommen von Primärenergieträgern, vor allem Erdgas.
Das Regierungssystem Russlands wird von Politikwissenschaftlern entsprechend dem Wortlaut der Verfassung meist formal als Verbindung präsidentieller und parlamentarischer Formen eingeordnet. Die Verfassungswirklichkeit des politischen Systems entspricht jedoch eher den Modellen defekter Demokratien oder der Postdemokratie, zumal der Präsident fast autokratische Macht ausübt.[15][16][17] Für die politische Ordnung wird in Russland gelegentlich von offizieller Seite der Begriff „Gelenkte Demokratie“ im affirmativen Sinne gebraucht.[18]
Die Annexion der Krim sowie der Krieg in der Ostukraine belasten die Beziehungen zwischen Russland und „dem Westen“.[A 4]
Geographie
Russland ist mit 17.075 Millionen Quadratkilometern das mit Abstand flächengrößte Land der Erde. Es umfasst elf Prozent der Weltlandfläche, das entspricht in etwa der Fläche Australiens und Europas zusammen. Bis auf die Tropen sind alle Klimazonen vertreten.
Von Westen nach Osten erstreckt sich Russland auf einer Gesamtlänge von 9000 Kilometern, von 19° östlicher bis 169° westlicher Länge über zwei Kontinente. Auf Europa entfallen 23 Prozent der Landfläche, auf Asien 77 Prozent. Von Süden nach Norden beträgt die Ausdehnung bis zu 4000 Kilometer, vom 41. bis zum 81. Grad nördlicher Breite.
Auf dem Gebiet Russlands befinden sich einige der längsten Flüsse sowie der älteste und tiefste Binnensee der Welt (Baikalsee). Wenn man die Reliefstruktur und die Flusssysteme Russlands miteinander vergleicht, so entsteht ein Gitternetz aus breitenparallel verlaufenden Wasserscheiden bzw. dem Steppengürtel im Süden und den meridional ausgerichteten Stromwegen.
Lage und Grenzen
Russland hat neben der Volksrepublik China mit 14 die größte Anzahl Nachbarstaaten mit einer gemeinsamen Landgrenze. Die Gesamtlänge der Landesgrenzen beträgt 20.027 Kilometer. Russland grenzt des Weiteren an fünf Meere, wobei die Küstenlinie 37.653 km umfasst.
Das russische Kernland grenzt an die Staaten Norwegen (196 km) und Finnland (1340 km), gefolgt von einem kurzen Küstenstreifen zur Ostsee. Zudem teilt sich Russland eine Grenze mit den baltischen Ländern Estland (334 km) und Lettland (217 km), weiter südlich gefolgt von Belarus (959 km) und der Ukraine (1586 km, mit Landgrenze der Krim). Das Schwarze Meer trennt die europäischen Grenzen Russlands von den asiatischen. Im Kaukasus grenzen Georgien (723 km) und Aserbaidschan (284 km) an. Es folgt ein Küstenstreifen am Kaspischen Meer und eine lange gemeinsame Grenze mit Kasachstan (6846 km). In Ostasien grenzt Russland erstmals an die Volksrepublik China (etwa 40 km) und dann an die Mongolei (3485 km). Danach trifft das russische Hoheitsgebiet zum zweiten Mal mit chinesischem zusammen (3605 km). Mit Nordkorea (19 km) besteht die letzte Landverbindung zu einem anderen Staat.
Danach folgen die Küstenlinien zum Japanischen Meer, dem Ochotskischen Meer, zum Pazifischen Ozean und schließlich zur Beringsee. Über die nur etwa 85 km schmale und 30 bis 50 Meter tiefe Beringstraße ist Russland im äußersten Osten von Alaska getrennt. Die inmitten der Beringstraße befindliche russische Große Diomedes-Insel liegt nur vier Kilometer von der US-amerikanischen Kleinen Diomedes-Insel entfernt. Der gesamte nördliche Teil des Landes grenzt an den Arktischen Ozean. Dort liegen verschiedene zu Russland gehörende Inseln, als nördlichste Franz-Josef-Land. Russland betrachtet zudem noch weitere Gebiete des Arktischen Ozeans und der Eisfläche als Teil seines Hoheitsgebietes.
Neben dem Kernland besitzt Russland noch eine Exklave, den nördlichen Teil des ehemaligen Ostpreußen, die heutige Oblast Kaliningrad. Dieses Gebiet, über das 1945 die Sowjetunion die territoriale Souveränität beanspruchte, grenzt an Litauen (227 km) und den südlichen Teil des früheren Ostpreußen, der jetzt zu Polen gehört (206 km). Es ist somit vollständig von EU-Ländern umgeben.
Russland ist in elf Zeitzonen eingeteilt (von UTC+2 bis UTC+12), wobei mit der Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr 2011 bis 2014 überall ganzjährig die Sommerzeit galt. Nach anhaltender Kritik aus der Bevölkerung kehrte Russland am 26. Oktober 2014 zur Normalzeit zurück.
Großlandschaften und Relief
Russland umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Naturräume, die vielfältige Potenziale, aber auch sehr verschiedenartige Nutzungen aufweisen. Russland gliedert sich geographisch betrachtet hauptsächlich in die acht Großlandschaften (etwa in West-Ost-Richtung):
- Die Osteuropäische Ebene nimmt den größten Teil des europäischen Russlands ein. Es besteht aus weiten Niederungen, die von schwach gegliederten Höhenrücken unterbrochen werden. Nur wenige Erhebungen erreichen Höhen von mehr als 300 Metern. In Karelien und auf der Halbinsel Kola, die geologisch zum Baltischen Schild gehören, ist das Relief im Norden differenzierter. Dort wird in den Chibinen der zentralen Kola-Halbinsel eine maximale Höhe von 1191 Metern erreicht. Im Süden geht das Osteuropäische Tiefland in die unterhalb des Meeresspiegels gelegene Kaspische Senke über. Während der letzten Eiszeit entstand eine Kette von Endmoränen, die vom Grenzgebiet zu Belarus aus nach Osten und nördlich von Moskau zur arktischen Küste westlich des Flusses Petschora verläuft. Die Region nördlich davon besteht aus vielen Seen und Sümpfen.
- Östlich des Uralgebirges setzt sich bis zum Jenissei die weit gespannte Ebene im Westsibirischen Tiefland fort. Dieses überaus flache Gebiet wird von weiträumigen Sumpflandschaften eingenommen.
- Das Nordsibirische Tiefland schließt sich nördlich des Mittelsibirischen Berglands an, das nach Norden zur Taimyrhalbinsel bis südlich des Arktischen Ozeans ansteigt.
- Östlich des Jenissei erstreckt sich bis zur Lena das wellige Mittelsibirische Bergland mit durchschnittlichen Höhen zwischen 500 und 700 Metern. Im Nordwesten dieser Region erhebt sich das Putorana-Gebirge, das eine maximale Höhe von 1701 Metern erreicht. Flüsse prägten die Gestalt der Landschaft, an einigen Stellen haben sich tiefe Canyons eingeschnitten.
- Im Süden von Mittel- und Ostsibirien setzen sich weitere Gebirgszüge ostwärts bis zum Pazifischen Ozean fort (Südsibirische Gebirge). Dazu gehören Altai, Sajangebirge, Jablonowygebirge, Stanowoigebirge und Dschugdschur.
- Die Mitteljakutische Niederung umfasst vor allem die Unterlaufstäler von Lena und Wiljui, aber auch das untere Aldantal. Die etwa 1 Million km² umfassende Niederung wird im Westen vom Mittelsibirischen Bergland begrenzt und im Osten vom Ostsibirischen Bergland.
- Östlich von Lena und Aldan schließt sich das Ostsibirische Bergland an, das aus verzweigten Gebirgsketten besteht. Die höheren Gebirge in dieser Region, wie das Werchojansker Gebirge, das Tscherskigebirge und das Kolymagebirge, erreichen Höhen zwischen etwa 2300 und 3200 Metern. Auf der Halbinsel Kamtschatka gibt es etwa 160 Vulkane. Die vulkanische Gebirgskette von Kamtschatka setzt sich im Süden auf den Kurilen fort. Dort gibt es rund 100 Vulkane.
- Südlich der Ostsibirischen See erschließt sich das weitläufige Ostsibirische Tiefland, welches sich ausschließlich nördlich des Polarkreises befindet. Die Landschaft umfasst die Unterläufe der Flüsse Jana, Indigirka und Kolyma. Der westliche Teil ist das Jana-Indigirka-Tiefland, der östliche das Kolyma-Tiefland. Im Westen, Süden und Osten grenzt das Ostsibirische Tiefland an das Ostsibirische Bergland.
Flüsse und Seen
Mit 120.000 Flüssen und Strömen und fast zwei Millionen Seen ist Russland sehr wasserreich. Der Waldgürtel, der zwei Drittel der Fläche einnimmt, wirkt zusammen mit dem Niederschlagsüberschuss als riesiger Wasserspeicher, der ein ganzes Netz an Wasserläufen speist.
Im europäischen Teil Russlands ist der wichtigste Fluss die Wolga. Sie ist der längste Fluss Europas und verläuft ausschließlich in Russland. Zusammen mit ihren beiden Nebenflüssen Kama und Oka entwässert sie einen großen Teil der Osteuropäischen Ebene nach 3534 Kilometern zum Kaspischen Meer im Südosten. Als Wasserweg hat die Wolga besondere Bedeutung, da sie Osteuropa mit Zentralasien verbindet. Der Nordrussische Landrücken bildet die Wasserscheide zwischen Wolgabecken und Weißem Meer bzw. Barentssee im Norden. Eine große Bedeutung für die slawischen Staaten besitzt der Dnepr (auch Dnjepr genannt). Der Strom entsteht westlich von Moskau und fließt anschließend durch Belarus und die Ukraine, wo er ins Schwarze Meer mündet. Über den Dnepr-Bug-Kanal ist er mit den polnischen Flüssen Bug und Weichsel sowie mittelbar über das Oginskische Kanalsystem mit der Memel verbunden, was den Dnepr zu einer wichtigen Wasserstraße macht.
Die längsten Flüsse Russlands liegen in Sibirien und dem fernöstlichen Russland. Der Ob entspringt im südsibirischen Altai und mündet in das Nordpolarmeer. Der mit seinem Quellfluss Katun über 4300 Kilometer lange Fluss bildet – zusammen mit dem Irtysch – eines der längsten Flusssysteme Asiens mit einer Gesamtlänge von über 5400 Kilometern. Eine noch etwas längere Fließstrecke hat das Flusssystem des Jenissei, dessen Wasser (teilweise) aus der Mongolei nach Norden durch Westsibirien zum Nordpolarmeer fließt. Sein Hauptzufluss, die Angara, stellt den einzigen Abfluss des Baikalsees dar. Der Jenissei führt dem Nordpolarmeer jährlich etwa 600 Kubikkilometer Wasser zu. Damit verzeichnet er die höchste Durchflussmenge aller russischen Flüsse. Die rund 4300 Kilometer lange Lena, der längste Strom, der ausschließlich in Russland verläuft und dessen Einzugsgebiet sich ausschließlich in Russland befindet, entspringt nur 5 Kilometer vom Baikalsee entfernt. Sie fließt zunächst in nordöstliche Richtung, biegt nach dem Einmünden des Aldan nach Norden und mündet in einem ausgedehnten Delta in die Laptewsee, ein Nebenmeer des Nordpolarmeers. Weitere wichtige Flüsse, die ins Nordpolarmeer münden, sind die Petschora, die Nördliche Dwina, die Chatanga sowie die Kolyma und die Indigirka.
Ein weiteres wichtiges Flusssystem bildet der Amur mit seinem Zufluss Schilka. Mit dessen Quellfluss Onon hat es eine Gesamtlänge von etwa 4400 Kilometern und führt vom Nordosten der Mongolei in östlicher Richtung entlang der chinesischen Grenze zur Pazifikküste. Amur und Anadyr sind die größten russischen Flüsse, die in den Pazifischen Ozean fließen.
Viele andere Ströme sind als Verkehrswege und als Energiequellen bedeutend, oder sie dienen in trockenen Regionen der Bewässerung. Der Don nimmt dabei eine herausragende Stellung ein. Er liegt im bevölkerungsreichen Osteuropäischen Tiefland und entwässert nach Süden in das Asowsche Meer. Andere wichtige Flüsse sind Moskwa, Selenga, Tobol, Steinige Tunguska, Untere Tunguska, Ural und Ussuri.
In Russland gibt es, besonders im ehemals vergletscherten nordwestlichen Teil des Landes, viele natürliche Seen. Das Kaspische Meer ist mit 386.400 km² der weltgrößte Binnensee. Der Seespiegel des Salzwassersees befindet sich etwa 28 Meter unterhalb des Meeresniveaus. Da das Kaspische Meer keinen Abfluss hat, entweicht Wasser nur durch Verdunstung, wodurch es bei dem hier herrschenden trockenen Klima zur Auskristallisation von Salzen kommt. Der Baikalsee hat als ältester Süßwassersee eine Tiefe von 1642 Metern, womit er nicht nur der tiefste See, sondern zugleich auch das größte Reservoir flüssigen Süßwassers weltweit (ca. ein Fünftel aller flüssigen Süßwasserreserven) ist. Weitere wichtige und große Seen sind Ladogasee (größter Binnensee Europas), Onegasee und Taimyrsee.
Gebirge und Naturschutzgebiete
Rund 40 Prozent der Fläche Russlands ist von Gebirgen überzogen. Dabei bildet der Ural die Trennlinie zwischen dem europäischen und asiatischen Teil des Landes; er stellt allerdings wegen seiner geringen Höhe von knapp 2000 Metern (Narodnaja, 1895 m) keine wirkliche Barriere dar.[19] Östlich des Ural erstreckt sich das sehr flache Westsibirische Tiefland, das bis zum Fluss Jenissej reicht und von weiträumigen Sumpflandschaften durchzogen ist. Südöstlich wird das Westsibirische Tiefland durch das Mittelsibirische Bergland abgeschlossen, das sich bis zum Fluss Lena erstreckt und im Norden zum schmalen Nordsibirischen Tiefland abfällt. Zum Mittelsibirischen Bergland gehören die Gebirge Sajan (Munku Sardyk, 3491 m) und das höchste Gebirge Sibiriens, der Altai (Belucha, 4506 m), im russisch-kasachisch-chinesisch-mongolischen Grenzgebiet. Östlich der Lena erhebt sich das Ostsibirische Bergland, das sich in verschiedene Gebirgsketten, wie das Werchojansker Gebirge (2389 m in Orlugan) und Tscherskigebirge (Pobeda, 3003 m), verzweigt und Höhen bis gut 3000 m erreicht. Die Halbinsel Kamtschatka ist durch ihre 160 Vulkane mit Höhen bis zu 4688 m geprägt, von denen 29 noch aktiv sind.
Weitere Gebirge in Russland sind: Baikalgebirge, Chibinen, Kaukasus, Kolymagebirge, Putorana-Gebirge, Stanowoigebirge, Stanowoihochland, Tannu-ola-Gebirge. Der höchste Berg in Russland ist der Elbrus (5642 Meter) im Kaukasus. Neben weiteren 5000ern im Kaukasus sind der Kasbek mit 5047 Meter und die Kljutschewskaja Sopka mit 4750 Meter bekannte Gipfel.
Russland besitzt ein ausgeprägtes Naturschutzsystem mit einer langen Tradition. Zu den klassischen russischen Schutzgebietskategorien wie den streng geschützten Sapowedniki oder den Sakasniki kamen seit den 1980er Jahren die nach internationalen Kriterien errichteten Nationalparks und andere internationale Schutzgebietsklassen hinzu. Russland besitzt flächenmäßig eines der größten Schutzgebietssysteme der Welt:
- Sapowedniki (streng geschützte Gebiete): Ist die wichtigste nationale Schutzgebietskategorie in Russland, die international zur höchstmöglichen Schutzgebietskategorie gehört. In ihnen darf keinerlei Nutzung und keine menschliche Beeinflussung der natürlichen Prozesse erfolgen. Daher ist das Betreten der Kernzone eines Sapowedniks durch Besucher verboten, wobei es für Wissenschaftler in beschränktem Umfang Ausnahmegenehmigungen gibt. Derzeit gibt es 100 von diesen Totalreservaten in Russland, die in ihrer Fläche von 2,31 bis 4169 km² reichen und insgesamt 27.000 km² umfassen.
- Sakasniki (Wildschutzgebiete): Hierbei handelt es sich um Gebiete die bis zu 6000 km² Fläche umfassen, in denen Beschränkungen für die wirtschaftliche Nutzung gelten. Sie dienen als Landschaftsreservate dem Schutz und der Regeneration natürlicher Ökosysteme, dem Schutz von seltenen Tier- und Pflanzenarten, von Fossilienfundstellen oder auch dem Schutz hydrologisch, bzw. geologisch bedeutender Stätten. Insgesamt gibt es etwa 3000 Sakasniki in Russland mit einer Gesamtfläche von etwa 78.000 km².
- Nationalparks in Russland: Erst seit Anfang der 1980er Jahre gibt es in Russland auch die in anderen Ländern schon länger bekannte Schutzgebietskategorie der Nationalparks. Diese besitzen einen geringeren Schutzstatus als die Sapowedniki und dienen neben dem Schutz von Natur- und Kulturschätzen auch der Forschung und Bildung sowie dem kontrollierten Tourismus. Derzeit gibt es 35 Nationalparks in Russland, die in ihrer Fläche von 7 km² bis 18.900 km² reichen und zusammen 90.000 km² des Staatsgebietes umfassen.
- Naturparks: Sie sind eine relativ neue Schutzkategorie und dienen neben dem Naturschutz auch der Erholung.
- Naturerbe: 1972 wurde die Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt verabschiedet, der Russland 1988 beigetreten ist. Als Naturerbe gelten einzigartige physikalische, biologische und geologische Formationen oder Gebiete, deren Erhaltung für die Wissenschaft oder wegen ihrer natürlichen Schönheit von außergewöhnlichem Wert sind, sowie Lebensräume bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Bisher wurden folgende Gebiete von der UNESCO als Naturerbe aufgenommen:
- 1995 – Urwälder von Komi
- 1996 – Baikalsee
- 1996 – Vulkanregion von Kamtschatka mit Naturpark
- 1998 – Altai-Gebirge
- 1999 – Westlicher Kaukasus
- 2001 – Naturschutzgebiet Zentral-Sichote-Alin
- 2003 – Uws-Nuur-Becken
- 2004 – Naturreservat Wrangelinsel
- 2010 – Putorana-Gebirge
Klima- und Vegetationszonen
Die Jahresdurchschnittstemperatur für Russland wird mit -5,5 °C angegeben.[20] Große Teile des Landes sind vom Kontinentalklima mit heißen Sommern und sehr kalten Wintern geprägt. Je weiter man in Richtung Osten des Landes reist, desto deutlicher spürt man die prägenden Temperaturen zu den verschiedenen Jahreszeiten, das heißt, der Sommer ist extrem heiß und die Temperaturen in den Wintermonaten mitunter eisig kalt. Kaum ein anderes Land bietet solche Temperaturunterschiede wie Russland. Die südliche Hälfte des Fernen Ostens hat Monsunklima. Die durchschnittlichen Januartemperaturen liegen mit Ausnahme der Schwarzmeerküste überall unter dem Gefrierpunkt. In Ostsibirien sinken sie bis auf −35 bis −60 °C ab, sind aufgrund der meist sehr niedrigen Luftfeuchtigkeit jedoch leichter auszuhalten. Die Sommertemperaturen sind sehr unterschiedlich. Die Durchschnittstemperaturen im hohen Norden liegen bei +1 bis +2 °C, in den Halbsteppen und Steppengebieten des Südens hingegen bei +24 bis +25 °C.
Die Klima-, Vegetations- und Ökozonen verlaufen in Russland weitgehend breitenkreisparallel, so dass eine Nord-Süd-Abfolge entsteht:
Im Nördlichen Eismeer herrscht die lebensfeindliche Kältewüste. Dies betrifft unter anderen den nördlichen Teil der Taimyrhalbinsel und weitere dort befindliche Inseln. Es herrscht ein ausgeprägtes Eisklima, in dem es kaum Pflanzen gibt. In dieser Zone gibt es nur wenige ständige Siedlungen. Die Durchschnittstemperaturen steigen nur für drei Monate knapp über den Gefrierpunkt und in den kältesten Monaten Januar und Februar erreichen sie bis −30 °C. Die jährlichen Niederschlagsmengen in Form von Schnee steigen selten über 250 Millimeter.
Beginnend vom nördlichsten Eurasischen Festland schließt sich ein baumloser und durch Permafrost gekennzeichneter Landschaftsgürtel an, der eine Nord-Süd-Ausdehnung zwischen 200 und 800 Kilometer aufweist und sich etwa bis zum Polarkreis, im Mittelsibirischen Bergland bis 70° nördlicher Breite erstreckt. Die Küstenlandschaft im Norden ist mit Ausnahme der Bucht um das Weiße Meer von der Tundra geprägt. Die Sommer sind dort zu kurz und zu kühl, als dass sich Wald ausbilden könnte. Die Durchschnittstemperaturen liegen nur vier bis fünf Monate im Jahr über dem Gefrierpunkt, wobei die wärmsten Monate in den Randgebieten ein Mittel über 10 °C aufweisen. Daher taut auch der Boden nur an der Oberfläche auf, sodass sich die reichlichen Niederschläge auf dem gefrorenen Unterboden stauen und die Tundra im Sommer in ein Meer von Sümpfen und Mooren mit einer Vegetation aus Flechten, Gräsern und Zwergsträuchern verwandeln. Landwirtschaft ist nicht möglich, nur die indigenen Rentiernomaden finden dort ihr Auskommen. Daher gibt es nur wenige menschliche Siedlungen. Weiter südwärts der Kältesteppe beginnen Fichten zunächst einzeln zu wachsen, um dann zusammen mit Moor-Birken und Espen von Sümpfen durchsetzte Waldtundra zu bilden. An ihrer Südgrenze geht die Waldtundra dann fließend in die Waldzone über.
Diese 1000 bis 2000 Kilometer breite Zone verläuft nördlich entlang der Linie St. Petersburg–Ufa–Irkutsk–Sachalin und bildet die boreale Zone bzw. die Taiga. Die Waldzone durchzieht ganz Nordeurasien. Wegen dieser gewaltigen Ausdehnung gliedert sie sich in mehrere breitenparallele Unterzonen: In den der Fläche nach bei weitem dominierenden Nadelwaldgürtel (eigentliche Taiga) im Norden, in Mittelsibirien weiter in die Sub-Taiga als Übergangszone zur Steppe sowie in einen Mischwaldgürtel, der sich jedoch lediglich im europäischen Russland südlich anschließt. Die Taiga ihrerseits bildet drei breitenparallel hintereinander geschaltete Unterzonen:
- Westlich des Urals besteht die nördliche Taiga aus niedrigen Fichtenwäldern mit vereinzelten Birken. Nur in Karelien herrscht die Kiefer vor.
- Die mittlere Taiga bildet dunkle Fichtenwälder mit Einschlüssen von Birken, nach Süden hin zunehmend auch Kiefern sowie ersten Vorboten von Laubhölzern wie der Winterlinde. Geringe Fruchtbarkeit des Bodens und Artenarmut der Vegetation macht diese Landschaft für eine Landwirtschaft ungeeignet.
- Die südliche Taiga zeichnet sich durch einen hohen Anteil von Laubhölzern am Unterwuchs aus, bedingt durch ergiebigere Böden. Die Taiga Sibiriens ist durch lichte Wälder, bestehend aus Sibirischen Lärchen, Fichten und Zirbelkiefern gekennzeichnet.
Die Waldzone ist durch kontinentales Klima mit einem starken Temperaturgefälle zwischen heißen Sommern und kalten Wintern geprägt. Die mittlere Jahrestemperatur nimmt von Westen nach Osten deutlich ab. In Pskow beträgt sie noch 5,1 °C, sinkt aber bis zum Ural auf 2,3 °C ab und erreicht im westsibirischen Tomsk nur noch 0,1 °C. Im ostsibirischen Jakutsk liegt sie dann bei −10 °C. Die niedrigen Jahresmittel sind auf den langen und sehr kalten Winter in Sibirien zurückzuführen. Dagegen entsprechen die durchschnittlichen Sommertemperaturen dem mitteleuropäischen Mittel.
In den von kühlgemäßigten Klimaten beherrschten Gebieten, die sich der Taiga südlich anschließen, wächst sommergrüner Laub- und Mischwald. Diese Zone verläuft innerhalb Europas im Dreieck St. Petersburg–Odessa–Ufa, in Westsibirien in einem Streifen von Tscheljabinsk bis Krasnojarsk sowie im Amur-Gebiet. Die Mischwaldzone verläuft damit in einem nach Osten hin sich verjüngenden Dreieck von den mittleren Karpaten und von der baltischen Küste bis an den Südural. Die Vegetation besteht primär aus Fichten, Kiefern und Eichen, ehe sie weiter südwärts in reinen Laubwald übergeht. Leithölzer bilden dort die Eiche sowie in der Westukraine Buche und Hainbuche. Kiefern wachsen, wie auch im Mischwaldbereich, vor allem in sandigen Senken wie im Pripjetbecken. Östlich des Urals gibt es aus klimatischen Gründen keinen Mischwald. Stattdessen leiten in Westsibirien Birkenhaine unmittelbar von der Taiga in die Waldsteppe über. Der Mischwald tritt dann wieder im Fernen Osten auf. Die Mischwaldzone bietet für die Landwirtschaft im Allgemeinen akzeptable, die Laubwaldzone gute Existenzbedingungen.
Weiter südlich folgt ein Steppengürtel, der am Unterlauf von Don und Wolga, Nordkaukasus, Kaspische Senke und Tuwa verläuft. Der Steppengürtel untergliedert sich im Norden in die Waldsteppe und im Süden in die eigentliche Steppe. Der Wald löst sich von Norden nach Süden in Inseln auf und verschwindet schließlich fast ganz. Das hängt mit dem nach Südosten abnehmenden Niederschlag bei gleichzeitig wachsender Verdunstungsintensität zusammen. Außer in Flusstälern (als Auwald) oder in Senken mit günstigen Grundwasserverhältnissen reicht das im Lössboden gespeicherte Wasser nicht aus, um den Flüssigkeitsbedarf von Laubhölzern zu decken. Daher bilden in der Waldsteppe Wiesen-, in der eigentlichen Steppe Federgrasformationen die Pflanzendecke. Der Steppengürtel ist aufgrund der fruchtbaren Schwarzerdeschicht ideal für den Getreideanbau.
An der Schwarzmeerküste zwischen Noworossijsk und Sotschi folgt eine Hartlaubwaldzone. An der Schwarzmeerküste herrschen im Durchschnitt um die 20 Grad Celsius. Dieser subtropische Teil Russlands ist geprägt von dichten Wäldern.
Russland beherbergt nach Kanada die größten noch verbliebenen nordischen Wildnisregionen. Nach Global Forest Watch sind rund 26 Prozent der Wälder noch intakte Urwälder. Sie liegen zum allergrößten Teil in Sibirien. Im europäischen Teil haben noch 9 Prozent der Wälder diesen Status.[21]
Fauna
Das polare Klima an der Nordküste Russlands ist Lebensraum für Polarbären, Robben, Walrosse und Seevögel. In der sich südwärts anschließenden Tundra leben Polarfüchse, Eulen, Schneehasen und Lemminge. Im Sommer wandern große Herden von Rentieren und Wölfen in die Tundra ein. Diese Tiere sind an die lebensunfreundlichen Umstände dieser Zone perfekt angepasst. In den Wäldern von Russland nimmt die Artenvielfalt in der Tierwelt zu. So leben in der Taiga und den borealen Nadelwäldern Russlands Elche, Rentiere, Wölfe, Bären, Zobel, Eichhörnchen, Füchse und der Vielfraß. Weiter südlich haben sich Wildschweine, Nerze und Hirsche ausgebreitet. Vereinzelt gibt es auch Sibirische Tiger. Die Steppenzone Russlands ist der Lebensraum für Hamster, Ziesel sowie für den Iltis und den Steppenfuchs.
Bevölkerung
Bevölkerungsdichte
Die Bevölkerung Russlands ist sehr ungleichmäßig verteilt. 85 Prozent der Einwohner (etwa 123 Millionen Menschen) leben im europäischen Teil, der dabei lediglich 23 Prozent des russischen Territoriums umfasst. Dementsprechend leben nur 15 Prozent (etwa 22 Millionen Menschen) im flächenmäßig weit größeren asiatischen Teil, der 77 Prozent der Gesamtfläche ausmacht. Die Bevölkerungsdichte variiert von 362 Einwohner/km² in der Hauptstadt und ihrer Umgebung (Gebiet Moskau) und unter 1 Einwohner/km² im Nordosten und im russischen Fernen Osten. Im Schnitt beträgt sie 8,3 Einwohner/km². Da in vielen Fällen ein beträchtlicher Bevölkerungsanteil im jeweiligen Gebietshauptort lebt, liegt die Bevölkerungsdichte im ländlichen Raum auch in den relativ dicht besiedelten zentralrussischen Verwaltungsgebieten selten höher als 40 bis 50 Einwohner/km².
Demografische Entwicklung
Jahr | Lebendgeburten | Todesfälle | Differenz |
---|---|---|---|
1999 | 1.214.689 | 2.144.316 | − 929.627 |
2000 | 1.266.800 | 2.225.332 | − 958.532 |
2001 | 1.311.604 | 2.254.856 | − 943.252 |
2002 | 1.396.967 | 2.332.272 | − 935.305 |
2003 | 1.477.301 | 2.365.826 | − 888.525 |
2004 | 1.502.477 | 2.295.402 | − 792.925 |
2005 | 1.457.376 | 2.303.935 | − 846.579 |
2006 | 1.479.637 | 2.166.703 | − 687.066 |
2007 | 1.610.122 | 2.080.445 | − 470.323 |
2008 | 1.713.947 | 2.075.954 | − 362.007 |
2009 | 1.761.687 | 2.010.543 | − 248.856 |
2010 | 1.788.948 | 2.028.516 | − 239.568 |
2011 | 1.796.629 | 1.925.720 | − 129.091 |
2012 | 1.902.084 | 1.906.335 | − 4.251 |
2013 | 1.895.800 | 1.871.809 | + 24.000 |
2014 | 1.942.683 | 1.912.347 | + 30.336 |
2015 | 1.940.579 | 1.908.541 | + 32.038 |
2016 | 1.888.729 | 1.891.015 | − 2.286 |
2017 | 1.690.307 | 1.826.125 | -135.800 |
2018 | 1.604.344 | 1.828.910 | -224.566 |
Quelle: Rosstat[22] |
Russlands Bevölkerungszahl sank von 147,0 Millionen bei der Volkszählung im Januar 1989 bis 2007 auf 142,2 Mio.[23] Danach verlangsamte sich der Bevölkerungsrückgang, so dass die Einwohnerzahl 2010 bei 141,9 Mio. lag.[24] Durch die Ergebnisse der Volkszählung 2010 wurde die Bevölkerungszahl korrigiert. Diese lag für 2011 bei 142,9 Mio. Die Fertilitätsrate sank zwischen 1988 und 1999 von zwei auf 1,16 Geburten pro Frau. Gleichzeitig verdoppelte sich bei den Männern die Sterblichkeitsrate von 9,4 (1970) auf 18,7 pro 1000 Einwohner (2005). Die Durchschnittslebenserwartung der Männer sank von 63,9 Jahren 1986 auf 57,5 Jahre (1994). Bis 2004 stieg sie auf 58,9 Jahre an; 2011 lag sie bei 64,3 Jahren, 2014 bei 70,36 Jahren.[25] Die höhere männliche Sterberate führt zu einem Frauenüberschuss. 2010 gab es in Russland 10,7 Millionen mehr Frauen als Männer. Hauptursache: Ungesunde Lebensweise durch Alkohol, Rauchen sowie Verkehrsunfälle, Suizid und Mord.[26][27] Als häufigste Todesursache gelten mit 56,7 Prozent diverse Herzkrankheiten,[28] sehr häufig sind auch Krebserkrankungen. Die Zahlen von Todesfällen infolge Drogenkonsums, Tuberkulose und HIV sind seit dem Ende der Sowjetunion merklich gestiegen. 2015 war von einer jährlichen Zunahme von 10 Prozent bei den HIV-Ansteckungen die Rede, vor allem durch Drogenkonsum. Der Leiter der Föderalen Zentrale für die Prävention und Kontrolle von AIDS Wadim Pokrowski sprach Mitte 2015 von fünfzehn Regionen Russlands mit einer generalisierten Epidemie mit mehr als einem Prozent angesteckter Bevölkerung, ähnlich wie in Südafrika.[29] Laut Angaben zu Beginn der Welt-Aids-Konferenz 2018 nahmen die Neuinfektionen in Osteuropa und Zentralasien als einziger Weltregion zwischen 2010 und 2016 zu, zu 80 Prozent betreffe dies Russland,[30] wo die Anzahl der Neuinfektionen 2017 laut UNAIDS doppelt so hoch lag wie 2005.[31] Im Jahr 2019 zählte die Verbraucherschutzbehörde knapp über eine Million Infizierte und zirka 80 tägliche Neuansteckungen, so Wadim Pokrowski.[32]
Die russische Regierung hat mehrere nationale Programme eingeleitet, die helfen sollen, die Geburtenrate zu steigern. Seit 2007 erhielten Eltern ab ihrem zweiten neugeborenen Kind eine einmalige staatliche Beihilfe (Mutterschaftskapital) in Höhe von fast 10.000 Euro (2012).[33] So hatten sich die Geburtenzahlen in Russland von 1,48 Mio. (2006) auf 1,9 Mio. (2012) erhöht.[34] 2018 erhielten Familien vergünstigte Hypotheken und Zuschüsse teils schon ab dem ersten Kind; für 3 Jahre wurden 9 Milliarden Dollar budgetiert.[35] Im Februar 2019 erklärte Präsident Putin, sich nicht mit der sinkenden Geburtenrate abzufinden, und kündigte weitere Erleichterungen für Familien mit Kindern an.[36]
Der Anteil der Stadtbevölkerung blieb konstant bei 73 Prozent.[37]
Zur Auswanderung neigten besonders höher Gebildete, teilweise wegen der herrschenden Rechtsunsicherheit.[38] Auch infolge der demografiepolitischen Anstrengungen der Regierung verlangsamte sich dieser Trend zeitweise.[39] Nach der Annexion der Krim 2014 verließen während des folgenden Wirtschaftseinbruchs wieder deutlich mehr Hochqualifizierte das Land. Im Frühjahr 2018 beklagte der Chef der Russischen Akademie der Wissenschaften eine Zahl von 44.000 Auswanderern, welche der russischen Forschung fehlten.[40]
Russland ist das zweitwichtigste Einwanderungsland der Welt. 2017 waren 8,1 % der Bevölkerung Migranten.[41] Herkunftsregionen sind hierbei vor allem die ärmeren, südlichen ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens und des Kaukasus, aber in zunehmender Zahl auch Afrika und Südostasien. Die Mehrheit der Einwanderer stellen bisher jedoch die Nachkommen von Russen, die im Kaiserreich und der Sowjetzeit in anderen Teilrepubliken angesiedelt wurden und meist mit ihren Familien gemeinsam nach Russland zurückkehrten. Der Zustrom dämpfte sich nach der Annexion der Krim durch die Wirtschaftsflaute, aber auch durch Protektionismus und Nationalismus – im ersten Halbjahr 2017 glich die Immigration die Sterblichkeit nicht mehr aus.[35]
Die Bevölkerung Russlands wird ähnlich wie in anderen Ländern Europas in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich weiter abnehmen, die ILO erwartet bis 2050 einen Rückgang auf 130 Millionen Einwohner.[35] Unter Annahme einer Nettozuwanderung von jährlich 300.000 Personen wäre der Rückgang nur schwach ausgeprägt. Bis 2012 stabilisierte sich die Lage etwas, die Einwohnerzahl stieg sogar leicht an und lag bei etwa 143,5 Millionen.[42] Für die Zeit ab 2015 war aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge der 1990er-Jahre eine Verschlechterung der demografischen Situation erwartet worden. Dieses leichte Bevölkerungswachstum schwenkte im weiteren Verlauf der 2010er Jahre wieder zu einer negativen demografischen Entwicklung um.[43] 2020 umfasste der Rückgang der russischen Bevölkerung laut Rosstat erstmals seit 2005 wieder mehr als 500.000 Menschen in einem Jahr. 2021 rechneten die russischen Behörden mit einem Bevölkerungsrückgang von 1,2 Millionen Menschen bis 2024.[44]
Städte
„Sankt Petersburg ist der Kopf, Moskau das Herz, Nowgorod ist der Vater, Kiew die Mutter Russlands.“
Schon ab 800 war die Kiewer Rus von vielen städteähnlichen Siedlungen gekennzeichnet, weshalb die skandinavischen Waräger das Gebiet Gardarike („Reich der Städte“) nannten. Zu den ältesten erhaltenen Städten in diesem Bereich zählen Nowgorod, Smolensk, Pskow, Rostow, Murom und Beloosero, die alle noch im ersten Jahrtausend nach Christus gegründet wurden. Im 11. und 12. Jahrhundert wurden weitere Städte im Zentrum Russlands von slawischen Siedlern gegründet. In dieser Zeit entstanden Moskau, Jaroslawl, Twer, Wladimir, Wologda, Kirow, Tula, Kursk, Kostroma, Rjasan und etwas später Nischni Nowgorod. Aufgrund der Landesgröße war eine Vielzahl großer Städte als Stützpunkte notwendig. Mit der Eroberung Kasans und Astrachans zur Mitte des 16. Jahrhunderts gründeten russische Kolonisten weitere Städte im Osten, Südosten und Süden. Zahlreiche Städte wurden zunächst als Grenzfestungen gegründet. Im Süden waren dies Stützpunkte der Verhaulinie gegen die Krimtataren, wie Orjol (1566) und das heutige Woronesch (1586). Weiter östlich, an der Wolga entstanden in dieser Zeit weitere Städte wie Samara (1586), Zarizyn (1589) und Saratow (1590). In Sibirien entstanden nach dessen Eroberung zahlreiche Kosakenforts, sogenannte Ostrogs. Aus ihnen wuchsen später Städte wie Tobolsk, Irkutsk, Bratsk, Tomsk und Jakutsk heran. Städte im Ural- und Altai-Gebirge wie Perm (1723), Jekaterinburg (1723) oder Barnaul (1730) entstanden in der Epoche Peters des Großen im Zusammenhang mit den dort vorhandenen Erzen und kostbaren Mineralen. Mit dem Niedergang der Krimtataren und dem weiteren Vorstoßen Russlands in den Kaukasus entstanden im 18. Jahrhundert neue Festungen und Städte. 1784 wurden Stawropol und Wladikawkas gegründet, 1793 Krasnodar, 1805 Nowotscherkassk, 1818 Grosny, 1844 Port Petrowsk.
Trotz der Gründungen behielten große Teilräume ihren ländlichen Charakter. Der Bauer gehörte einem Mir (Bauerngemeinde) an. Städte stellten außerhalb der Agglomerationen isolierte Erscheinungen dar und bildeten ein nur weitmaschiges Netz. Bis 1712 fungierte Moskau als Hauptstadt und wurde dann nach dem Willen Peters I. vom 1703 neugegründeten Sankt Petersburg abgelöst, um 1918 wieder offiziell den Status der Hauptstadt anzunehmen. Im 19. Jahrhundert war sogar häufig von den beiden Hauptstädten die Rede. Die Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts brachte in allen Landesteilen einen bedeutenden Impuls für die nachfolgende Urbanisierung. Sie führte zur Entstehung zahlreicher neuer Städte und zum raschen Wachstum alter Städte. Viele russische Städte entstanden als Folge einer administrativen Umstrukturierung mehrerer benachbarter Dorfsiedlungen zu einer Stadtsiedlung. Neugründungen von Städten und Stadterhebungen sind bis heute ein Charakteristikum der russischen Urbanisierung.
Mehr als die Hälfte aller russischen Städte sind erst in den letzten 90 Jahren, besonders in den 1960er-Jahren gegründet worden. Deshalb gibt es unter den 160 russischen Großstädten, in denen die Hälfte der russischen Bevölkerung lebt, viele neue Städte (etwa ein Viertel). Die russischen Großstädte sind in erster Linie Industrie- und Verwaltungszentren, besitzen aber auch andere hochrangige Funktionen. Beispiele neuer Großstädte sind Magnitogorsk, Nowokusnezk oder Bratsk, zu den gewachsenen zählen unter anderem Samara und Tambow.
Zu Zeiten der Sowjetunion wurde die städtische Entwicklung zentral geplant und gesteuert. Es herrschte der Typus der Sozialistischen Stadt vor. Dazu zählt beispielsweise die Herausbildung neuer Stadttypen, etwa der Hauptstädte kleiner nationaler Republiken (u. a. Tscheboksary, Naltschik) oder der Wissenschaftsstädte (z. B. Dubna). Die in der Sowjetzeit betriebene massive Verstädterungspolitik führte dazu, dass heute 73 Prozent der Bevölkerung in städtischen Siedlungen leben. Aus den politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen im Russland der 1990er-Jahre gingen die Städte als eigenständige und selbstverantwortliche kommunale Einheiten hervor. Dazu erhielten sie lokale und regionale Steuerungsinstanzen. Mit den neuen Staatsgrenzen brachen aber auch stark arbeitsteilig organisierte, spezialisierte Produktions- und Distributionsabläufe zusammen. Viele Städte waren plötzlich von den bisherigen Netzwerken abgeschnitten. Ehemals zentral gelegene Städte stellten plötzlich Grenzstädte dar und waren geopolitisch peripher gelegen. Dadurch veränderten sich grundlegend die funktionale Struktur und die wirtschaftliche Entwicklungsbasis der russischen Städte und führte zu Verschiebungen im Städtesystem Russlands, mit Auf- und Absteigern. Zu den Gewinnern der Transformation gehören bisher vor allem die Metropolen, allen voran Moskau. Weil Kapital zur Gewinnung und zum Transport von Rohstoffen unter extremen Bedingungen fehlte, gerieten viele Bergbaustädte des Nordens in eine Überlebenskrise.
Die zehn größten Städte Russlands (ehemalige Namen aus sowjetischer Zeit in Klammern):
- Moskau – Zentralrussland (12,23 Mio. Einwohner)
- Sankt Petersburg (Leningrad) – Nordwestrussland (5,28 Mio. Einwohner)
- Nowosibirsk – Sibirien (1,60 Mio. Einwohner)
- Jekaterinburg (Swerdlowsk) – Ural (1,46 Mio. Einwohner)
- Nischni Nowgorod (Gorki) – Wolga (1,26 Mio. Einwohner)
- Kasan – Wolga (1,23 Mio. Einwohner)
- Tscheljabinsk – Ural (1,20 Mio. Einwohner)
- Omsk – Sibirien (1,18 Mio. Einwohner)
- Samara (Kuibyschew) – Wolga (1,17 Mio. Einwohner)
- Rostow am Don – Südrussland (1,13 Mio. Einwohner)
Völker
Streng genommen würde Rossijskaja Federazija wörtlich übersetzt „Russländische Föderation“ (von Rossija „Russland“) und nicht „Russische Föderation“ heißen. Man hat bewusst nicht Russkaja Federazija („Russische Föderation“) als Staatsbezeichnung gewählt, um auch die nichtrussischen Nationalitäten mit einzubeziehen. Ist von dem russischen Volk oder der russischsprachigen Kultur die Rede, spricht man daher im Russischen von russkij (russisch), für den russischen Staat hingegen verwendet man das Adjektiv rossijskij (russländisch). Trotzdem wird im Deutschen in beiden Fällen zumeist das Adjektiv „russisch“ verwendet. Der Gebrauch des Wortes „russländisch“ beschränkt sich weitgehend auf Fachpublikationen. Auch die amtliche Übersetzung der Verfassung Russlands verwendet diese Variante.
Die Russische Föderation begreift sich auch heute noch als Vielvölkerstaat. Die größte Gruppe sind die Russen, die mit 79,8 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung stellen, doch leben nahezu 100 weitere Völker auf dem Gebiet des Landes. Trotz der Heterogenität ist die russische Bevölkerung in allen städtischen und industriell geprägten Räumen landesweit dominant und die Titularnationen bilden auch in ihren „eigenen“ Territorien häufig die Minderheit.[45] So zählen nur 23 Völker bzw. Titularnationen mehr als 400.000 Personen. Der Grad der ethnischen Identifikation variiert.
Größere Minderheiten sind die Tataren (4,0 Prozent), die Ukrainer (2,2 Prozent), die Armenier (1,9 Prozent), die Tschuwaschen (1,5 Prozent), die Baschkiren (1,4 Prozent), die Deutschen (0,8 Prozent) und andere. Zu den kleineren Minderheiten zählen beispielsweise die Mescheten und verschiedene Minderheiten jüdischen Glaubens. Die nichtrussischen Minderheiten sprechen überwiegend Sprachen aus dem Kreis der Turksprachen, kaukasische Sprachen, uralische Sprachen (samojedische Sprachen), altaische oder paläosibirische Sprachen. Für viele nichtrussische Völker wurden Republiken mit weitgehender Autonomie errichtet. Während manche Minderheiten, wie etwa Armenier, Koreaner und Deutsche, auf die verschiedensten Regionen Russlands verteilt sind, gibt es auch im europäischen Russland mehrere indigene Völker. Groß ist die Zahl der Nationalitäten im Kaukasusgebiet, das erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zu Russland kam.
Die zahlenmäßig bedeutendsten indigenen Minderheiten Russlands | ||||||||
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Name | Nationalität in: Russ. Föderation / Föderationskreis / eigener Republik 1 | Sprache | Sprachfamilie | Religion | Bevölkerungsanteil in der eigenen Republik | Historischer Bezug | ||
Wolga-Tataren | 5,6 Mio. | 4 Mio. (Wolga) | 2 Mio. | Tatarisch | Turksprache | Islam | Tatarstan (52,9 %) | Nachfahren der Kiptschaken, Wolgabulgaren, Tataren und Mongolen |
Baschkiren | 1,7 Mio. | 1,4 Mio. (Wolga) | 1,2 Mio. | Baschkirisch | Turksprache | Islam | Baschkortostan (30 %, zusammen mit Tataren 54 %) | eng verwandt mit Wolgabulgaren |
Tschuwaschen | 1,6 Mio. | 1,4 Mio. (Wolga) | 890.000 | Tschuwaschisch | Turksprache | Russisch-Orthodox | Tschuwaschien (67,7 %) | Nachkommen der Wolgabulgaren und anderer Gruppen |
Tschetschenen | 1,4 Mio. | 1,3 Mio. (Süd) | 1,0 Mio. | Tschetschenisch | nordostkaukasisch | Islam | Tschetschenien (93 %) | |
Mordwinen | 977.000 | 788.000 (Wolga) | 410.000 | Mordwinisch | finnougrisch | Russisch-Orthodox | Mordwinien (36,2 %) | |
Awaren | 814.000 | 785.000 (Süd) | 758.000 | Awarisch | nordostkaukasisch | Islam | Dagestan (29,44 %) | |
Osseten | 515.000 | 477.000 (Süd) | 446.000 | Ossetisch | iranisch | Russisch-Orthodox, Islam | Nordossetien-Alanien (62,70 %) | Alanen; dazu etwa 70.000 in Südossetien außerhalb Russlands |
Tscherkessen, 700.000 einschl. Kabardinern und Adyge |
(61.000) | 58.000 (Süd) | 50.000 | Kabardinisch | nordwestkaukasisch | Islam | Karatschai-Tscherkessien (11 %, zusammen mit Karatschaiern 50 %) | 1864 zur Mehrheit ins Osmanische Reich vertrieben, heute 1,5 Mio. in der Türkei |
(512.000) | 512.000 (Süd) | 499.000 | Kabardinisch | Islam | Kabardino-Balkarien (48 bis 55 %, zusammen mit Balkaren 67 %) | |||
(128.000) | 126.000 (Süd) | 108.000 | Adygeisch | Islam | Adygeja (24 %) | |||
Mari | 604.000 | 512.000 (Wolga) | 312.000 | Mari | finnougrisch | Russisch-Orthodox | Mari El (43 %) | |
Udmurten | 637.000 | 273.000 (Wolga) | 461.000 | Udmurtisch | finnougrisch | Russisch-Orthodox | Udmurtien (37 %) | |
Burjaten | 445.000 | 423.000 (Sibirien) | 273.000 | Burjatisch | mongolisch | Buddhismus | Burjatien (28 %) | |
Jakuten | 443.000 | 441.000 (Sibirien) | 432.000 | Jakutisch | Turksprache | Russisch-Orthodox | Jakutien (46 %) | |
Komi (Syrjänen) | 309.000 | 281.000 (Nordwest) | 269.000 | Komi | finnougrisch | Russisch-Orthodox | Republik Komi (35 %) | |
Komi-Permjaken | 125.000 | 107.000 (Wolga) | 80.000 | Russisch-Orthodox | Kreis der Komi-Permjaken | |||
Darginer | 510.000 | 489.000 (Süd) | 425.526 | Darginisch | nordostkaukasisch | Islam | Dagestan (16,52 %) | |
Krimtataren | ca. 500.000 | Kiptschakische Sprachen | Turksprachen | Islam | Autonome Republik Krim und Sewastopol (ca. 11–12 %) | |||
Inguschen | 413.000 | 392.000 (Süd) | 360.000 | Inguschisch | nordostkaukasisch | Islam | Inguschetien (79 %) | |
Lesgier | 412.698 | 360.000 (Süd) | 337.000 | Lesgisch | nordostkaukasisch | Islam | Dagestan (13,07 %) | dazu etwa 300.000 außerhalb Russlands in Aserbaidschan |
Kumyken | 422.000 | 399.000 (Süd) | 366.000 | Kumykisch | Turksprache | Islam | Dagestan (14,20 %) | |
Kalmücken | 176.000 | 167.000 (Süd) | 156.000 | Kalmückisch | Mongolisch | Buddhismus | Kalmückien (53 %) | nahe den Oiraten (Mongolei und China) verwandt |
Anmerkung: 1 Die unter „Nationalität“ genannten Zahlen stehen für die Identifikation, also wie viele Bürger Russlands und seiner autonomen Gliederungen sich bei der Volkszählung von 2002[46] zu der jeweiligen Nationalität bekannt haben. In der amtlichen Statistik sind bei den Mordwinen und Osseten jeweils zwei, bei den Komi eine Splittergruppe getrennt aufgeführt, die aber mehrheitlich in derselben Teilrepublik wohnen. |
Sprachen
Russisch ist die einzige überall geltende Amtssprache, parallel dazu wird in den einzelnen autonomen Republiken jedoch häufig die jeweilige Volkssprache als zweite Amtssprache verwendet. In einigen Republiken existieren auch drei oder mehr offizielle Sprachen; in Dagestan, wo mehr als 30 einheimische Volksgruppen leben, gibt es sogar 14 offizielle Sprachen.
Die Verwendung der regionalen Sprachen wird im Unterricht, in den Massenmedien und in der Kulturpolitik gefördert. Die Regierungen und Parlamente der Republiken betrachten dies als unabdingbare Voraussetzung, um ein Aussterben von Volksgruppen zu verhindern. Allerdings nimmt die Beherrschung der indigenen Muttersprache unter vielen nicht-russischen Volksgruppen ab.
Russisch wird, ebenso wie fast alle regionalen Amtssprachen in Russland, im kyrillischen Alphabet geschrieben. Es besteht die Richtlinie, dass alle jeweiligen Sprachen kyrillisch zu schreiben sind. Ausnahmen bilden das Jiddische in der Jüdischen Autonomen Oblast, welches dort aber bereits seit Jahrzehnten kaum noch gesprochen wird, sowie das Karelische, Finnische und Wepsische in Karelien, welche dort jedoch nur einen untergeordneten offiziellen Status besitzen.
In Tatarstan wurde Tatarisch als einzige Ausnahme von 2001 bis 2004 gegen den Widerstand der in Tatarstan ansässigen russischsprachigen Bevölkerung ausschließlich in lateinischer Schrift geschrieben. Diese Praxis verbot das russische Verfassungsgericht im November 2004 mit der Begründung, dass für die Einigkeit Russlands eine einheitliche Schrift notwendig sei.[47]
Religionen
Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem damit verbundenen Verschwinden der atheistischen Staatsideologie des Marxismus-Leninismus fand eine Rückbesinnung auf religiöse Werte statt. Die in Russland am weitesten verbreiteten Religionen sind das Christentum – vor allem der russisch-orthodoxe Glaube – sowie der Islam (→ Islam in Russland). Vertreten sind darüber hinaus zahlreiche andere Konfessionen wie der römisch-katholische Glauben, der Protestantismus, das Judentum, der Buddhismus sowie traditionelle Glaubensrichtungen einiger Volksgruppen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung bezeichnet sich als Atheisten oder Konfessionslose.[A 5]
Orthodoxe | 40–75 % | |||
Religionslose und Atheisten | 25–35 % | |||
Agnostiker | 20–25 % | |||
Muslime | 7–15 % | |||
Andere Christen | 2 % | |||
Buddhisten | 0,7 % | |||
Juden | 0,35 % | |||
Was die Zugehörigkeit zu einzelnen Religionsgruppen angeht, gibt es keine zuverlässigen Zahlen, da die Mitglieder von Kirchen und Gemeinden in Russland nicht registriert werden und keine Kirchensteuer erhoben wird. Umfragen weichen oft erheblich voneinander ab. So hat die Stiftung für öffentliche Meinung (FOM) 2012 nur noch 41 Prozent Orthodoxe festgestellt, gegenüber 13 Prozent Atheisten und nur 6,5 Prozent Muslimen. Weitere 25 Prozent aber bezeichneten sich als Agnostiker bzw. gaben an, an eine höhere gottähnliche Macht zu glauben.[48] Das Gesamtrussische Zentrum für Meinungsforschung (VCIOM) ging hingegen 2010 von 75 Prozent Orthodoxen und nur 8 Prozent Atheisten aus, seine Zahlen werden auch von der Russischen Botschaft in Deutschland zitiert.[49]
Abweichend von den genannten Umfragen wird der Anteil der Orthodoxen meist zwischen 51[50][51] und 72[A 6][52][53] Prozent angegeben, die der anderen Christen mit zusammen kaum 2 Prozent, die der Buddhisten mit knapp 1 Prozent und die der Juden mit etwa 0,35 Prozent.[54] Der Fischer Weltalmanach und der Religious Freedom Report des US-Außenministeriums geben 14 Prozent Muslime an.[53][55]
Das CIA World Factbook ging 2006 von folgenden groben Schätzungen für praktizierende Gläubige aus, also von solchen, die ihren Glauben aktiv ausüben: 15 bis 20 Prozent Russisch-Orthodoxe, 10 bis 15 Prozent Muslime, 2 Prozent andere christliche Konfessionen.[56]
Russisch-Orthodoxe Kirche
Der russisch-orthodoxe Glaube reicht bis ins frühe Mittelalter zurück. Die engen Kontakte zu dieser Glaubensrichtung resultierten aus dem hauptsächlich auf Konstantinopel ausgerichteten Handel und den damit engen Kontakten mit Byzanz. Die Fürstin Olga von Kiew (893–924) ließ sich als erste Herrscherin aus der rurikidischen Dynastie taufen, konnte den christlichen Glauben im Reich aber nicht durchsetzen. Nach der Belagerung von Konstantinopel (860) kamen ab 911 verstärkt orthodoxe Missionare ins Land, angeblich sollen bereits Waräger und Russen, die am Angriff von 860 teilgenommen hatten, getauft zurückgekehrt sein. Unter Olgas Enkel, Wladimir dem Heiligen, begann 988/989 die Christianisierung der Rus, wobei die Kiewer Bevölkerung in Massentaufen bekehrt wurde. Nach Wladimirs Tod 1015 wurden die bisher heidnischen Völker noch jahrzehntelang weiter christianisiert. Byzanz betrieb zu dieser Zeit seine Kirchenpolitik im bewussten Gegensatz zu Rom und vermittelte den Ostslawen bei ihrer Bekehrung antirömische Tendenzen.[57] Die Kirche Kiews wurde als Teilkirche des Patriarchates von Konstantinopel zunächst von Exarchen verwaltet, was keine Auswirkungen auf die politische Selbständigkeit der Kiewer Großfürsten hatte. Die Orthodoxe Kirche und ihre Werte bilden bis heute eine tragende gesellschaftliche Säule des russischen Reiches.
Nach der Vernichtung der Kiewer Rus im Mongolensturm und unter der nachfolgenden Goldenen Horde übersiedelte der Kiewer Metropolit im 14. Jahrhundert zunächst nach Wladimir, dann 1328 nach Moskau. Im 15. Jahrhundert löste sich die Russisch-Orthodoxe Kirche endgültig vom griechisch-orthodoxen Patriarchat in Konstantinopel, nachdem sich dieses infolge des politischen Niedergangs von Byzanz zu Zugeständnissen an den Papst bereit erklärt hatte. Die Konzeption von Moskau als Drittem Rom, das als einziges den „wahren christlichen Glauben“ aufrechterhalte, war geboren. 1589 wurde ein eigenes Patriarchat gegründet. Peter I. hob dieses auf und setzte 1721 stattdessen an die Spitze der Kirche den Heiligsten regierenden Synod, der 1918 in Sowjetrussland abgeschafft wurde. Die Sowjets stellten zunächst das Patriarchat wieder her, ehe 1988 ein Heiliger Synod der Russisch-Orthodoxen Kirche wiedererrichtet wurde.
Im Russland vor 1917 durften Anhänger der Russisch-Orthodoxen Kirche nicht zu einer anderen Konfession, auch wenn sie christlich war, übertreten und durften keine „Nichtchristen“ heiraten. Dieser Kirche war es als einziger Religion erlaubt, zu missionieren; Kinder aus „gemischten“ Ehen mit Nicht-Orthodoxen galten als orthodox. Erst mit der Revolution von 1905 wurden die Gesetze gelockert. Nach der Herrschaftsübernahme der Kommunisten wurden hauptsächlich Mitglieder dieser Kirche unterdrückt, da sie als Symbol der Autokratie galt. Zwischen 1918 und 1939 wurden ca. 40.000 orthodoxe Geistliche hingerichtet. Die 77.800 Gemeinden von 1917 wurden bis 1941 auf etwa 3100 reduziert.
Heute erlebt die Russisch-Orthodoxe Kirche eine Wiederbelebung, insbesondere in ländlichen Gebieten. Viele Klöster wurden gegründet oder wiedererrichtet. Die Kirche zählt gegenwärtig etwa 100 Millionen Mitglieder, von denen jedoch nur fünf bis zehn Prozent regelmäßige Gottesdienstbesucher sind. Religionsunterricht an Schulen wurde 2006 wieder eingeführt. Die Russisch-Orthodoxe Kirche sieht sich als Vertreter der Interessen des Volkes, ohne im Gegensatz zur Regierung zu stehen. Der Staat selbst hingegen sieht die Kirche als Garant für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Mehrheit der Bevölkerung vertraut der Kirche und sieht in ihr eine Institution, die Werte vermittelt und den inneren Zusammenhalt in der Gesellschaft stärkt.[58]
Daneben haben sich im Verlauf der Geschichte Abspaltungen vom orthodoxen Glauben vollzogen. Die älteste Abspaltung sind die Altorthodoxen oder Altgläubigen. Weitere aus der Orthodoxie hervorgegangene Glaubensrichtungen sind die Molokanen. Aus ihnen gingen wiederum die Duchoborzen hervor. Beide Religionsgemeinschaften lehnen Reichtum ab, versuchen ein Leben in Bescheidenheit zu führen und suchen nach einer wahrhaft biblischen Gemeinschaft. Von einigen Leibeigenen wurde die Gemeinschaft der Subbotniki gegründet. Diese berufen sich in erster Linie auf das Alte Testament. Viele dieser Sekten oder Gruppierungen waren im Zarenreich willkürlichen Verfolgungen ausgesetzt.
Andere christliche Konfessionen
In Russland gibt es neben der russisch-orthodoxen Ausrichtung weitere christliche Konfessionen:
- Die Römisch-katholische Kirche in Russland war durch die byzantinischen Einflüsse unbeliebt. So dauerte es bis 1705, bis Peter I. erstmals den Bau einer römisch-katholischen Kirche erlaubte. Die Katholiken waren sehr strengen staatlichen Kontrollen unterstellt. Kümmerten sich die Bolschewiki in erster Linie nach der Oktoberrevolution um die Kontrolle der orthodoxen Kirche, wurden die Katholiken später wieder stärker beobachtet. Bis 1930 waren alle Strukturen der Kirche aufgelöst. Nach 1945 gab es im russischen Teil der Sowjetunion nur 20 Gemeinden, denen es untersagt war, Verbindungen untereinander aufzubauen. Heute existieren ungefähr 200 katholische Gemeinden mit etwa 400.000–800.000 Mitgliedern in Russland. Die Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis (Moskau) wurde restauriert und wieder ihrer Bestimmung zugeführt. Seit 2010 gibt es wieder einen Apostolischen Nuntius in Moskau.
- Die evangelische Kirche in Russland war früher fast nur unter den Russlanddeutschen und in ihren Kolonien verbreitet. Erst nach der Revolution von 1905 wurden auch für Russen und Ukrainer andere Konfessionen legalisiert. Jedoch gab es auch durch die russlanddeutschen Adventisten und Baptisten erfolgreiche Missionierungsversuche unter der einheimischen Bevölkerung vor der Lockerung der Religionsgesetze. Der Protestantismus erlebte in den 1920er-Jahren trotz des Atheismus der Regierung der Sowjetunion eine Blütezeit (insbesondere die Baptisten, Siebenten-Tags-Adventisten und die Pfingstler). Jedoch wurden die Baptisten, Evangeliums-Christen und die Pfingstler zu zentralistischen Ordnungen gezwungen, um sie besser kontrollieren zu können. Mit den Siebenten-Tags-Adventisten und den Mennoniten geschah dasselbe im Jahr 1963. In der Zeit des Stalinismus wurden viele evangelische Christen aller Strömungen hingerichtet und verfolgt.
- Wie den meisten Konfessionen war es auch der Neuapostolischen Kirche (NAK) unmöglich vor dem Fall der Berliner Mauer (1989) und des eisernen Vorhangs in Russland zu missionieren. Seitdem wächst die Zahl der neuapostolischen Christen in Russland stetig. Während es um die Jahrtausendwende 23.500 waren, zählt die Neuapostolische Kirche heute beinahe 40.000 Gläubige. Auch ist sie seit Beginn der 1990er-Jahre staatlich anerkannt.[59][60]
- Mit Stand vom April 2017 gibt es etwa 170.000 aktive Zeugen Jehovas in Russland. In der Sowjetunion wurden insbesondere vom Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bis 1965 viele Zeugen Jehovas inhaftiert und nach Sibirien deportiert (siehe Operation Nord).[61] Seit einigen Jahren führte der russische Staat insgesamt sieben Verbotsklagen gegen die Zeugen Jehovas.[62] Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte Russland mehrfach zu Schadenersatzzahlungen wegen seines Vorgehens gegen die Religionsgruppe.[63] Am 20. April 2017 wurde die Gemeinschaft von Russlands oberstem Gericht als extremistische Organisation eingestuft und verboten. Der Besitz aller Regionalverbände wurde beschlagnahmt.[64] Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte die Gerichtsentscheidung.[63]
Islam
Der Islam in Russland ist im Nordkaukasus schon seit dem 7. Jahrhundert verbreitet und damit auf dem heutigen russischen Staatsgebiet älter als die erste russische Staatsgründung und die Christianisierung des Landes. Im Jahr 922 traten auch die Wolgabulgaren zum Islam über und gaben ihn im 13. Jahrhundert an die Tataren weiter. Die einheimischen Völker des Kaukasus und die Turkvölker sind zumeist sunnitische Gläubige. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts waren im Russischen Reich 11,1 Prozent der Gesamtbevölkerung muslimischer Herkunft. Im heutigen Russland ist der Anteil der Muslime mit rund 14 Prozent etwa ebenso groß wie einst in der Sowjetunion. Von 1990 bis 1994 bestand in Russland die „Islamische Partei der Wiedergeburt“. Daneben gibt es auch eine „Islamische Partei der Wiedergeburt Tadschikistans“ sowie zahlreiche weitere Organisationen und Abspaltungen. Zentren des Islam in Russland sind heute neben Kasan und Moskau auch Ufa und Dagestan. Die zunehmende Bedeutung des Islam im Kaukasus gehe gemäß Recherchen der Nowaja Gaseta im Jahr 2018 einher mit dem Vertrauensverlust in den Staat.[65]
Judentum
Die Geschichte der Juden in Russland lässt sich seit dem 4. Jahrhundert nachweisen, als Juden aus Armenien und von der Krim sich auch in Tmutarakan niederließen. Im späten 8. oder frühen 9. Jahrhundert konvertierte ein Großteil der Chasaren zum Judentum. Nach der Vernichtung des Chasaren-Reiches durch Swjatoslaw I. (969) beschränkte sich das Judentum im Wesentlichen auf Kiew, die Krim und den Kaukasus. Im Großfürstentum Moskau wurden Juden 1471 das erste Mal erwähnt. Bis zur Zeit Iwans des Schrecklichen (1533–1584) wurden Juden bis auf einige gegen sie gerichtete Gesetze toleriert. Ab 1721 wurden sie aus dem Russischen Kaiserreich ausgewiesen, bis dies durch die Eingliederung der östlichen Teile Polens (1793 und 1795) unmöglich wurde. Die Juden mussten ab 1791 innerhalb des Ansiedlungsrayons leben, das sich auf dem heutigen Gebiet der Ukraine, Belarus’ und des Baltikums befand.
Im 19. Jahrhundert unterstützten führende Beamte wie Konstantin Pobedonoszew antisemitische Strömungen in der Bevölkerung. So kam es im südlichen Russland 1881 zu vielen Pogromen, nachdem den Juden fälschlich der Anschlag auf Alexander II. unterstellt wurde. Die Maigesetze von 1882 vertrieben die Juden selbst im Ansiedlungsrayon aus den ländlichen Gebieten; mit Quoten begrenzte man die Anzahl der Juden, die zu höherer Bildung zugelassen wurden, auf drei bis zehn Prozent. Zwischen 1880 und 1920 flohen mehr als zwei Millionen Juden aus Russland, besonders nach Amerika. 1903 brachen neue Pogrome aus, die sich in der Russischen Revolution nochmals verstärkten und zu zwischen 70.000 und 250.000 Opfern in der jüdischen Zivilbevölkerung führten. Während des Stalinismus wurde in Russisch-Fernost die Jüdische Autonome Oblast mit dem Hauptort Birobidschan gegründet, wo sich nur wenige Juden ansiedelten. Im Vergleich zu den Jahrzehnten davor gibt es heute nur noch wenige Juden, da viele von ihnen nach Deutschland oder nach Amerika, die meisten aber nach Israel ausgewandert sind. Heute gibt es in Russland 87 Synagogen, die meisten davon in Sankt Petersburg und in Moskau, darunter die Moskauer Gedenksynagoge. Die Juden im europäischen Russland sind meist Aschkenasim, östlich davon leben daneben auch einige Bergjuden und Bucharische Juden, die zu den Mizrachim gezählt werden.
Buddhismus
In Russland ist auch die tibetische Form des Buddhismus verbreitet, wobei er sich ursprünglich auf die asiatischen Völker (Kalmücken, Tuwiner) beschränkte. Ebenso wie Geistliche und Anhänger praktisch aller anderen Religionen wurden in der Sowjetunion während der kommunistischen Herrschaft auch buddhistische Mönche verfolgt und unterdrückt. Seit der politischen Wende in Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion verzeichnen die buddhistischen Gemeinschaften hingegen wieder Mitgliederzuwachs unter den Angehörigen der traditionell buddhistischen Völker, aber auch seitens der Russen und anderen Nationalitäten.
Schamanismus
Der Schamanismus ist unter der indigenen Bevölkerung in Sibirien wieder weit verbreitet; insbesondere bei den kleinen Völkern des russischen Nordens. Zwar sind heute die meisten Bewohner Sibiriens Christen, dennoch sehen sie es nicht als Widerspruch, die Rituale ihrer Vorfahren zu praktizieren.
Gesellschaft und Mentalität
Bekannt gewordenes Bonmot von 1866 von Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew, das den Nationalcharakter des russischen Volkes beschreibt.
Die Sowjetunion war ein imperial geeinter Nationalitätenstaat, d. h., Nationalität war dabei ein politisches Instrument zur Konsolidierung der Sowjetmacht,[66] und auch im heutigen Russland treffen sich viele unterschiedliche Mentalitäten. Die Verschmelzung dieser Völker und Konfessionen sowie Einflüsse westlicher wie östlicher Prägungen schufen aber auch markante Eigenarten, die sich im Stereotyp der „russischen Seele“ manifestieren. Dieser Begriff prägt bis heute das Russlandbild; im westlichen Ausland diente der Begriff Russophilen und Kritikern der westlichen Lebensweise als Projektion zu der als gefühlskalt empfundenen eigenen Zivilisation.[67] Die „russische Seele“ wird als ein Hang zu extremen Gegensätzen beschrieben, der sich aus der geschichtlichen Entwicklung der russischen Volkskultur ergeben hat. Diese Extreme äußern sich z. B. in dem Streben nach dem absolut Äußersten, verbunden mit der Bereitschaft zu einer plötzlichen Richtungsänderung;[68] dazu kommen eine ausgeprägte Schicksalsergebenheit, ein Hang zur Geduld, Neigung zum Aberglauben, Leidensfähigkeit oder auch eine sehr starke Heimatverbundenheit. Die bereits erwähnte Alles-oder-nichts-Mentalität kennt keinen Kompromiss und keine goldene Mitte. Bekannt ist auch die Offenheit von Gefühlsäußerungen, positiven wie negativen, denen im Vergleich mit rationalen Erwägungen häufig mehr Gewicht zugemessen wird, was westliche Ausländer oft irritiert. Wichtig ist zudem weiterhin ein starkes Solidaritäts- und Gemeinschaftsgefühl.
Die russische Gesellschaft ist traditionell kollektivistisch geprägt, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe sehr wichtig. Dieses Wertesystem beruht ursprünglich auf der Lebensweise der bäuerlichen Dorfgemeinschaft, dem Mir. Da auch Grund und Boden lange Zeit Gemeingut waren, definiert man sich in Russland seit jeher über die Gemeinschaft und achtet auf die Stimmigkeit von eigenem Verhalten und eigener Meinungsäußerung mit denen des Kollektivs.
Die Familie ist für viele Russen eine wichtige Bezugsgruppe, besonders auf dem Land lebt man in jeder Beziehung eng zusammen. Dort wohnen oft mehrere Generationen in einer Wohnung oder in einem Haus. Die traditionelle Familie unterstützt sich finanziell und hilft einander bei der Kinderbetreuung und Seniorenpflege. Die Kollektivorientierung zeigt sich bisweilen auch heute noch im Berufsalltag. Das Kollegium wird als Gemeinschaft erlebt und es ist sehr wichtig, diese Gruppenorientierung zu stärken. Vetternwirtschaft (Nepotismus) bei der Stellen- oder Auftragsvergabe ist dabei eine Nebenwirkung.
Seit der Auflösung der Sowjetunion orientieren sich nun aber insbesondere gebildete Bevölkerungsschichten in den Großstädten, die von der neu gewonnenen Reisefreiheit profitieren können, an Prinzipien des Individualismus, was inzwischen ein massives innergesellschaftliches Spannungsverhältnis zur Folge hat und zu einem zentralen Thema im zeitgenössischen Literatur- und Filmschaffen geworden ist. Bildungsnahe, ehrgeizige und kritische Menschen suchten nach dem markanten Bruch mit der westlichen Welt 2014 vermehrt Lebensmöglichkeiten im Ausland; die Duma diskutierte 2015 gar ein Verbot von Fremdsprachenunterricht, weil dieser die Abwanderung fördere.[69][70][71]
Gesundheitswesen
Artikel 41 der Verfassung Russlands garantiert allen Bürgern das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung. Dieser seit Sowjetzeiten bestehende Grundsatz ist zum Teil die Ursache dafür, dass Russland im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl Ärzte und Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung aufweist.[72][73] Dennoch ist der gesundheitliche Zustand der russischen Bevölkerung schlecht. Gerade beim wirtschaftlichen Niedergang der 1990er Jahre in Russland wurde das Gesundheitswesen stark getroffen.[74] Infolge äußerst niedriger Entlohnungen der Ärzte und Krankenschwestern wurde die medizinische Versorgung der breiten Öffentlichkeit massiv verschlechtert. So ist inzwischen jede dritte Klinik der 7000 Krankenhäuser im Land dringend renovierungsbedürftig. Schrittweise werden in letzter Zeit die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Einrichtung neuer und Modernisierung bestehender Kliniken investiert. Zwischen 1999 und 2003 betrugen die Gesamtausgaben für den Gesundheitssektor in Russland im Verhältnis zum BIP durchschnittlich 5,70 Prozent.
In Russland ist der Gesundheitssektor dezentral organisiert. Das Gesundheitsministerium ist auf föderaler Ebene für den gesamten Sektor zuständig. Konkrete medizinische Leistungen (inklusive die Bereitstellung von Krankenhäusern) obliegen aber den Föderationssubjekten und Gemeinden, die rund zwei Drittel der gesamten Budgetausgaben bestreiten. Das russische Gesundheitssystem wird durch einen Mix aus Budgetmitteln und Mitteln aus der Sozialversicherung finanziert. Auf die Verschlechterung der Beziehungen zum Westen folgten ab 2015 Zulassungsbeschränkungen für medizinische Geräte aus dem Ausland.[75]
Kennzahl | 2000 (nach Rosstat[76]) | 2010 (nach Rosstat[76]) | Veränderung |
---|---|---|---|
Geburten in Tsd. | 1267 | 1790 | +41,3 % |
Sterbefälle in Tsd. | 2225 | 2031 | −8,7 % |
Natürl. Bevölkerungsabnahme in Tsd. | 959 | 241 | −74,9 % |
Säuglingssterblichkeit in Tsd. | 19,3 | 13,4 | −30,6 % |
Lebenserwartung in Jahren | 65,3 | 69 | +5,7 % |
Selbsttötungen in Tsd. | 56,9 | 33,3 | −41,5 % |
Alkoholvergiftungen in Tsd. | 37,2 | 14,4 | −61,3 % |
Abtreibungen pro 100 Geburten | 168,8 | 66,3 | −60,8 % |
Lebenserwartung (2010)* | 69,0 Jahre | ||||
Lebenserwartung (Männer) (2010)* | 63,0 Jahre | ||||
Lebenserwartung (Frauen) (2010)* | 74,9 Jahre | ||||
Säuglingssterblichkeit (2010)* | 7,5 von 1000 | ||||
Kindersterblichkeit (2004) | 2,1 % | ||||
Müttersterblichkeit (2005)** | 28 / 100.000 Geb. | ||||
Ärzte* | 4,9 / 1000 Einw. | ||||
Krankenhausbetten* | 10,7 / 1000 Einw. | ||||
Zugang zu sauberem Trinkwasser (gemäß WHO Kriterien)** | 88 % (Land); 100 % (Stadt) | ||||
Geburtenrate (2010)* | 12,6 / 1000 Einw. | ||||
Sterblichkeit (2010)* | 14,3 / 1000 Einw. | ||||
Suizide (pro 100.000 Einwohner)* | 23,5 | ||||
Bevölkerungswachstum (2009) | +0,008 % | ||||
Fruchtbarkeit (2009) | 1,54 Kinder / Frau | ||||
HIV-Infektionsrate (2005)** | 0,78 % | ||||
HIV/AIDS-Infizierte (2015) | 986.657 | ||||
Öffentliche Ausgaben für Gesundheit (1997) | 4,6 % des BIP | ||||
Öffentliche Ausgaben für Altersversorgung (1996) | 5,7 % des BIP | ||||
Öffentliche Ausgaben für Bildung und Erziehung | k. A. | ||||
Schulpflicht | 7–18 Jahre | ||||
Analphabetenquote (2002) ** | 0,6 % | ||||
Armutsquote | 13,0 % | ||||
Kinderunterernährung | 3 % | ||||
Quelle: Rosstat (*); WHO (**) |
Armut
Nach dem Zerfall der UdSSR stieg die Armut bis 1999 auf über 40 % Bevölkerungsanteil und sank danach spürbar. 2002 betrug der Anteil 19,6 % und reduzierte sich bis 2011 auf 12,8 % der Bevölkerung oder 18 Millionen Russen. Offiziell lag dabei das Existenzminimum bei 170 Euro für einen Menschen im arbeitsfähigen Alter; bei Kindern liegt der Wert unwesentlich niedriger, bei Rentnern beträgt er 125 Euro.[77] Der Lebensstandard verbesserte sich regional sehr unterschiedlich. Während besonders in Moskau und St. Petersburg einige Viertel in neuem Glanz zu erstrahlen begannen, war in Regionen die Armut nach wie vor groß. In Tschetschenien und Dagestan lebten mehr als die Hälfte der Menschen in Armut; weitere arme Regionen sind Inguschetien, Tuwa und Kabardino-Balkarien, Mari El, Kalmückien, Burjatien und Altai und Mordwinien. 2011 betrug der Durchschnittslohn 576 € pro Monat. Die großen Einkommensdifferenzen konnten ab 2005 verringert werden, insbesondere die mittlere Einkommensschicht nahm prozentual erheblich zu. Die Renten lagen 2010 das erste Mal seit vielen Jahren über dem Existenzminimum und sollten gemäß Prognosen bis 2014 auf 268 Euro steigen. 2012 zählte etwa die Hälfte der Bevölkerung zu der einkommensschwachen Schicht, die zentrale soziale Bedürfnisse wie Wohnraum oder zusätzliche Ausbildung nicht finanzieren kann.[78] Tatsächlich betrug im Jahr 2014 die durchschnittliche Rente 10.000 Rubel, was 160 Euro entsprach.[79] Renten und Gehälter mussten eingefroren werden. Seit 2014 wurden Gelder der zweiten, kapitalgedeckten Säule der Altersvorsorge zur Deckung des Finanzbedarfs herangezogen.[80]
Die Verringerung der Armut zählte im Frühjahr 2019 zu einem der Fünfjahresziele des Präsidenten Putin: Fast 19 Millionen Russen galten als arm, das entsprach 12,9 % der Bevölkerung.[81][82]
Die ärmeren Bevölkerungsschichten litten bis 2009 unter zweistellig steigenden Verbraucherpreisen, die sich bis 2012 wieder verringerten. Von 2014 bis 2019 verringerte sich das Realeinkommen.[82]
Die Arbeitslosenquote hatte mit der Überwindung der Finanzkrise 2008 zu sinken begonnen. In Wachstumsregionen wie Moskau, Kaluga und St. Petersburg tendierte die Erwerbslosigkeit gegen Null. Die Arbeitslosigkeit betrug nach Berechnung nach Standards der Internationalen Arbeitsorganisation 2005 7,1 %, 2010 7,6 % und 2011 6,6 %. Bis 2014 sank sie auf 5,2 % und begann wieder zu steigen. Das Arbeitslosengeld betrug zwischen 60 und 70 Euro im Monat.[83] Die Arbeitslosigkeit ist aber aufgrund einer Besonderheit des russischen Arbeitsrechts ein problematischer Indikator für die Konjunkturlage: Betriebsbedingte Kündigungen sind in Russland zumeist unzulässig, stattdessen dürfen Arbeitgeber einseitig Arbeitsentgelte reduzieren. Daher verbleiben russische Arbeitnehmer auch bei Auftragsmangel lieber in ihrem Betrieb und nehmen hohe Lohneinbußen in Kauf, anstatt die mit 20 bis 110 Euro im Jahr 2019 eher symbolische Arbeitslosenunterstützung in Anspruch zu nehmen.[84]
Im Human Development Index der Vereinten Nationen stand Russland 2016 mit 0,8 (von 1) auf Platz 49,[85] der Gini-Koeffizient lag bei 37,7.
Umweltschutz
Zur Zeit der Sowjetunion wurde die russische Natur schwer belastet: von Fabrikabfällen vermüllt, chemisch und radioaktiv verunreinigt. Auch heute gibt es ernsthafte Umweltprobleme in Russland – aber auch ein wachsendes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung. Das Recht des Bürgers auf gesunde Umwelt und auf verlässliche Informationen über ihren Zustand ist im Artikel 42 der russischen Verfassung verankert. Allerdings hat der Umweltschutz in der russischen Politik eine vergleichsweise niedrige Priorität, was von internationalen Umweltorganisationen wie WWF oder Greenpeace immer wieder kritisiert wird.[86] So wurden in der Vergangenheit oft gängige Umweltstandards bei der Erschließung neuer Erdöl- oder Erdgasvorkommen nur unzureichend eingehalten. Ein bekanntes Beispiel der jüngsten Zeit ist die Erschließung der Fördergebiete Sachalin II, bei der in höherem Maße gegen Umweltauflagen verstoßen worden sein soll.[87] Hinzu kommt eine verbreitete Korruption[88] innerhalb staatlicher Umweltbehörden, die mehrfache Verstöße gegen Umweltauflagen beim Bau von Häusern oder massenhaften illegalen Holzeinschlag ermöglicht. Auch eine Vielzahl von Altlasten aus den Sowjetzeiten, darunter marode Fabriken, die die heutigen Umweltstandards nicht einhalten können, belasten die Umwelt in Teilen des Landes erheblich. Einige Städte mit solchen Fabriken, wie Norilsk oder Dserschinsk, gelten als ökologisches Notstandsgebiet.[89]
Je stärker die Lebensqualität steigen wird, um so wichtiger und dringlicher werden in Zukunft Umweltfragen in Russlands Öffentlichkeit und Politik diskutiert. Seit 2004 werden vereinzelte Bemühungen der russischen Staatsmacht zum Vorantreiben des Umwelt- und Klimaschutzes sichtbar. So wurde in Russland die Ratifizierung des Kyoto-Abkommens am 5. November 2004 mit der Zustimmung des Präsidenten zum Beschluss der Staatsduma abgeschlossen.[90] Am 30. Januar 2008 äußerte sich der designierte Präsident Dmitri Medwedew für eine schnelle Entwicklung des einheimischen Marktes für Innovationstechnik im Umweltschutz.[91] Inzwischen gibt es Pläne der Regierung, die Energieeffizienz in Russland zu steigern, um den erheblichen Verlust an Wärmeenergie für den Wohnungssektor zu begrenzen.
Geschichte
Russlands Geschichte erlebte seit ihrem Beginn im 9. Jahrhundert vielfältige Brüche. So ist die russische Geschichte eine Eigenentwicklung, die sich von der Entwicklung seiner Nachbarn in Europa deutlich unterscheidet. Ursächlich dafür ist ein ständiges In- und Gegeneinanderspiel typisch russischer Merkmale aus sozialen Begebenheiten und geographischen Einflüssen, die seine Geschichte auf weiten Strecken begleiteten. So gab die erdräumliche Lage Russland eine Brückenstellung zwischen Europa und Asien, die je nach Kräftelage die Aggression fremder Mächte (größere Einfälle u. a. 1240, 1242, 1609, 1709, 1812, 1917, 1941) oder die eigene Expansion begünstigte. Dazu trug das Fehlen von natürlichen Grenzen bei, was Russland im Wechselspiel mit der Erfahrung fremder Einfälle dazu veranlasste, die Grenzen so weit auszudehnen, bis natürliche Grenzen einen wirksamen Schutz bilden konnten (vgl. Russische Kolonisation).[92] Dieses starke, aus historischen Einfällen resultierende Sicherheitsbedürfnis Russlands setzt sich bis heute fort.
Die Spannung zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten und der Bewältigung bzw. Nichtbewältigung durch die jeweils herrschenden Gruppen gehört ebenso zu den Konstanten der russischen Geschichte. Beispielhaft zu nennen sind die Nichtbewältigung der sozialen Unruhen im Zuge des Industriezeitalters mit ihren Höhepunkten in der Revolution 1905, der Februar- und der Oktoberrevolution 1917 oder die postkommunistische Systemtransformation der 1990er-Jahre.
Die aus der byzantinischen Orthodoxie übernommenen Denkweisen führten zu Spannungen mit modernistischen Tendenzen und begründeten das markante Spannungsverhältnis zwischen Beharrung und Fortschritt, das sich z. B. bei der Kirchenspaltung 1666/1667 oder den Petrinischen Reformen 1700–1720 deutlich zeigte. Aufgrund der fehlenden römischen Rechtstradition fehlte lange Zeit ein Widerstandsrecht gegen herrscherliche Übergriffe, so dass die Beziehung zwischen Staatsgewalt und der wirtschaftlichen und politischen Freiheit des Einzelnen belastet blieb. Dies zeigte sich besonders im 19. Jahrhundert, als liberale Ideen in Russland vermehrt Anhänger fanden und sich in mehreren Attentaten gegen den russischen Selbstherrscher äußerten (z. B. Dekabristenaufstand).
Die bis zum Ende der Sowjetunion ausgeprägte Verbindung von genossenschaftlichen mit herrschaftlichen Elementen liegt ursprünglich in der orthodoxen Kirche begründet, wo die Gemeinschaft der Gläubigen eine viel größere Rolle spielte als das Gott gegenüber verantwortliche Individuum. An diese Vorstellungen des Kollektivs knüpften im 19. und 20. Jahrhundert Marxisten und Sozialisten an und setzte diese in der Sowjetunion fort. Der Ausgleich zwischen zentralistischer und dezentraler Herrschaft war in der Geschichte Russlands ein konstantes Problem. Insbesondere in Übergangszeiten (z. B. zwischen 1240 und 1480, nach 1917 und nach 1994) nahmen separatistische Strömungen an den Rändern des Landes zu.
Altrussland, Mongolensturm und Aufstieg Moskaus
Der alte ostslawische Name für das Gebiet des von Slawen bewohnten Teils des europäischen Russlands, Belarus’ und der Ukraine war Rus (siehe Kiewer Rus), auf Griechisch Rossia. Auf diese Form geht der heutige russische Landesname Rossija zurück. Die früheste Geschichte des europäischen Russlands (zur Geschichte des asiatischen Teils siehe Geschichte Sibiriens) ist im Norden geprägt von finno-ugrischen Völkern und Balten, im Süden von den indogermanischen Steppenvölkern des Kurganvolks, der Kimmerer, Skythen, Sarmaten und Alanen; später kamen hier noch Griechen, Goten, Hunnen und Awaren hinzu. In die Mitte, zwischen Dnepr und Bug, kamen die slawischen Völker, die sich ab dem 6. Jahrhundert auch nach Norden und Osten auszudehnen begannen.
Ab dem 8. Jahrhundert befuhren skandinavische Wikinger die osteuropäischen Flüsse und vermischten sich später mit der slawischen Mehrheitsbevölkerung. Diese auch Waräger oder Rus genannten Kriegerkaufleute waren maßgeblich an der Gründung des ersten ostslawischen Staates, der Kiewer Rus mit Zentren in Kiew und Nowgorod, beteiligt. Im südlichen Steppengebiet und an der Wolga waren hingegen Reiche der aus Asien eingeströmten Turkvölker der Chasaren und Wolgabulgaren entstanden, mit denen die Rus Handel trieben, aber auch Kriege führten. Intensive Kontakte mit dem Byzantinischen Reich führten schließlich 988 zur orthodoxen Christianisierung der Kiewer Rus.
Das mangelhafte Senioratsprinzip zur Regelung der Erbfolge förderte die Zersplitterung der Kiewer Rus im 12. Jahrhundert und erleichterte die Unterwerfung der zerstrittenen russischen Fürstentümer im Mongolensturm. Die mongolische Invasion der Rus begann 1223 mit der Schlacht an der Kalka; die Übergangsphase bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts wird als „dunkles“ Zeitalter bezeichnet.[93] Die russische Nationalhistoriographie spricht vom „Tatarenjoch“ dieser Zeit. Die mongolische Fremdherrschaft führte demnach für zwei Jahrhunderte zu einem Abbruch der Beziehungen zum Westen und förderte die Abkapselung des orthodoxen Russlands.[94] Die russischen Fürstentümer lagen im Machtbereich der Goldenen Horde, konnten jedoch eine gewisse innere Autonomie bewahren. Derweil mussten die russischen Fürstentümer im Norden und Westen Angriffe von Schweden, Ordensrittern und Litauern abwehren. Unter den zersplitterten und verfeindeten russischen Fürstentümern erwies sich das kleine und unbedeutende Fürstentum Moskau als das durchsetzungsstärkste. Dmitri Donskoi, der verschiedene russische Fürstentümer einen konnte, besiegte im Jahre 1380 die Goldene Horde in der Schlacht auf dem Schnepfenfeld.
Der Moskauer Großfürst Iwan der Große beendete die Mongolenherrschaft und wurde de facto zum Begründer eines zentralisierten russischen Staates, indem er Schritt für Schritt die umliegenden russischen Länder „einsammelte“ (russisch собирание земель, sobiranije semel), darunter die Republik Nowgorod. Sein Titel „Herrscher der ganzen Rus“ drückte auch den Anspruch auf den vom Großfürstentum Litauen im 14. Jahrhundert beherrschten westlichen Teil der Rus aus. Dies führte zu langanhaltenden Kriegen im 16. und 17. Jahrhundert mit Polen und Litauen (vgl. Russisch-Litauische Kriege). Unter Iwan dem Großen wurde die russische Gesetzgebung reformiert und der Großteil des heutigen Moskauer Kremls erbaut. Sein Enkel Iwan IV. begründete 1547 das Zarentum Russland. Unter seiner Herrschaft begann nach der Einnahme der Tatarenhauptstadt Kasan auch die Eroberung Sibiriens, die russische Kosaken erstmals im 17. Jahrhundert bis an den Pazifik brachte.
Öffnung Russlands unter Peter dem Großen und Aufstieg zur europäischen Großmacht
An der Wende zum 18. Jahrhundert öffnete Zar Peter der Große das in den alten Strukturen erstarrte Zarentum Russland westeuropäischen Einflüssen und förderte Wissenschaft und Kultur. 1703 gründet er die Stadt Sankt Petersburg, die – seit 1712 als neue Hauptstadt – das Symbol für den russischen Fortschritt werden sollte. Mit dem Sieg gegen Schweden im über 20 Jahre währenden Großen Nordischen Krieg erlangte Russland nach mehr als 150 Jahren der Auseinandersetzung mit Schweden die Vormachtstellung im Ostseeraum (vgl. Nordische Kriege). Russland übernahm die Position Schwedens als nordische Großmacht in Europa. Zur Unterstreichung des neuen Status im diplomatischen Ranggefüge Europas ließ Zar Peter das Russische Zarentum in „Russisches Kaiserreich“ umbenennen und änderte den Monarchentitel offiziell von „Zar“ in „Kaiser“ (russisch Император, Imperator).
Katharina die Große führte Peters Expansionspolitik weiter. Unter ihrer Regierung wurde das Krimkhanat („Neurussland“) erobert. Durch die Beteiligung an den drei Teilungen Polens wurde die Westgrenze Russlands weit in Richtung Mitteleuropa vorgeschoben. 1812 fielen Napoleons Truppen in Russland ein und eroberten Moskau, wurden schließlich jedoch vernichtend geschlagen. Dies gab den Auftakt zu den Befreiungskriegen, bei denen russische Truppen mit ihren Verbündeten (Preußen, Österreich, Vereinigtes Königreich u. a.) Napoleon endgültig besiegen und zur Abdankung zwingen konnten. Alexander I. zog als „Befreier Europas“ in Paris ein. Nach dem Wiener Kongress 1814/15 erlangte Russland eine dominierende Rolle auf dem europäischen Festland, die bis zum Krimkrieg 1853–1856 andauerte. Aufgrund der festgefahrenen gesellschaftlichen Strukturen wie der Autokratie und der Leibeigenschaft konnte das agrarisch geprägte Reich jedoch mit den sich rasant entwickelnden Industriestaaten immer weniger Schritt halten. Der verlorene Krimkrieg gegen die Westmächte legte die inneren Schwächen des Reiches offen und gab Anstoß zu einer Phase der inneren Reformen. Diese beschleunigten Russlands wirtschaftliche Entwicklung, doch das Land wurde immer wieder von inneren Unruhen destabilisiert, da die politischen Veränderungen nicht weitreichend genug waren und große Teile der Bevölkerung ausgeklammert wurden. Den „Westlern“, die eine Übernahme westeuropäischer Lebensformen und politischer Institutionen propagierten, standen aber immer auch die nationalromantisch geprägten „Russophilen“ oder „Slawophilen“ gegenüber, die einen eigenen, spezifisch russischen Weg in die Moderne forderten und die pauschale Übernahme westlicher Werte ganz oder zum großen Teil ablehnten.
In den großen Städten entstand um die Jahrhundertwende ein Industrieproletariat, aber sehr rasch auch eine bürgerliche Mittelschicht. Diese forderte ihren Anteil an der Verfügung über die Staatseinnahmen und die Mitverantwortung für die öffentlichen Angelegenheiten. Die Angehörigen der Mittelschicht besaßen aber kein gemeinsames politisches Bewusstsein. Sie verstanden unter politischer Freiheit kein moralisches Ziel, sondern meinten damit die Freiheit der materiellen Entfaltung und gerechte Besteuerung.[95] So ließ sich die Mittelschicht auch nicht auf Dauer von den utopischen Entwürfen der Intelligenzija leiten. Eine Anpassung der Verfassungswirklichkeit des Staates, der die Mittelschicht näher eingebunden hätte, fand aber nicht statt. Stattdessen flammte der Terror wieder auf. Die Niederlage im Russisch-Japanischen Krieg führte letztlich zur Russischen Revolution von 1905. Der russische Kaiser Nikolaus II. war jedoch nicht bereit, grundlegende Reformen einzuleiten und ließ ein weitgehend funktionsloses Parlament, die Duma, das er notgedrungen genehmigt hatte, nur kurze Zeit später wieder auflösen.
Russische Revolution und Sowjetunion
Als im Jahre 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, erfasste Russland als Mitglied der Entente eine patriotische Welle – eine Stimmung, die anfänglich alle Kriegsparteien bestimmte, einschließlich des Deutschen Kaiserreichs und dessen Verbündeten (Mittelmächte). Die anfänglichen Erfolge, vor allem gegen Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich, wurden bald abgelöst von einem Stellungskrieg, bis 1917 die Moral der russischen Soldaten nachgab und die Front zusammenbrach. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung und die trostlose Versorgungslage führten in der Hauptstadt Petrograd zu Demonstrationen der Arbeiter und Bauern. Nach blutiger Niederschlagung der Demonstranten stürmten diese den Winterpalast und Kaiser Nikolaus II. wurde zum Abdanken gezwungen.
In Folge kam im Februar 1917 eine provisorische Regierung (unter Beteiligung der Menschewiki und von Sozialrevolutionären) an die Macht, die als Doppelregierung mit Arbeiter- und Soldatensowjets amtierte. Die radikalrevolutionären Bolschewiki stellten hier zunächst eine Minderheit dar. Da die provisorische Regierung zur Enttäuschung weiter Teile der Bevölkerung den Krieg nicht beendete und nötige innenpolitische Reformen nicht in Angriff nahm, gewannen die Bolschewiki unter dem im April aus dem Exil zurückgekehrten Wladimir Iljitsch Lenin an Zulauf und stürzten diese im Oktober 1917.
Nach der Februarrevolution 1917 erlangten die Frauen in Russland das aktive und passive Wahlrecht.[96] Sie waren sowohl an den Wahlen zu den Sowjets als auch zu den Stadtdumas zugelassen. Im Mai 1917 wurde ein Gesetz beschlossen, das russischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern über 20 das Recht verschaffte, die Konstituierende Versammlung zu wählen. Nach der Oktoberrevolution wurde das aktive und passive Frauenwahlrecht in der Verfassung der RSFSR vom 10. Juli 1918 festgeschrieben.[97][98][99]
Aus dem der Oktoberrevolution folgenden Bürgerkrieg zwischen den sozialistischen „Roten“ und den gegenrevolutionären „Weißen“ gingen die Bolschewiki als Sieger hervor. Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, wie auch Finnland, errangen dagegen durch Abwehr der Roten Armee bzw. durch längere Bürgerkriege ihre Unabhängigkeit von Russland. Im Laufe des Bürgerkriegs sowie des darauf folgenden Polnisch-Russischen Kriegs verlor Russland 1920 Teile Belarus’ und der Ukraine („Ostpolen“) an Polen. 1921 wurde die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) ausgerufen, die den wichtigsten Teil der späteren Sowjetunion darstellte.
Am 30. Dezember 1922 wurde aus dem bisher bestehenden Sowjetrussland die Sowjetunion gegründet und eine staatlich kontrollierte Wirtschaftspolitik ausgerufen. Die Sowjets wurden als Eigentümer von Boden und Produktionsmitteln erklärt. Lenins Tod am 21. Januar 1924 führte zu einem erbitterten Nachfolgekampf, in dem sich Josef Stalin gegen Leo Trotzki durchsetzte. Der Stalinismus zeichnete sich durch gezielten Terror aus. Seit 1928 wurde die staatliche Wirtschaft Fünfjahresplänen unterworfen und die Industrialisierung der Sowjetunion vorangetrieben. Die Zwangskollektivierung in der Sowjetunion wurde von der Kampagne der „Entkulakisierung“ begleitet.
Im August 1939 schloss die Sowjetunion einen Nichtangriffspakt mit dem NS-Staat, wobei in einem geheimen Zusatz auch eine einvernehmliche Aufteilung Osteuropas aufgenommen wurde. Dies ermöglichte Hitler Anfang September 1939 den geplanten Angriffskrieg gegen Polen, der mit einem sowjetischen Angriff gegen Ostpolen Mitte September abgestimmt war. Im Winterkrieg überfiel die Sowjetunion Finnland und gewann kleinere Teile des Landes. 1940 wurden Litauen, Lettland und Estland besetzt.
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, der zum Deutsch-Sowjetischen Krieg führte (in der Sowjetunion Großer Vaterländischer Krieg genannt), trat das Land der Anti-Hitler-Koalition bei. Allein während der Leningrader Blockade verhungerten über eine Million Menschen in Leningrad. Insgesamt starben in diesem Krieg geschätzt 27 Millionen Sowjetbürger, davon 14 Millionen Zivilisten.[100] Sie konnte aber im Kriegsverlauf den deutschen Truppen schwere Niederlagen zufügen und siegte im Mai 1945 in der abschließenden Schlacht um Berlin. Nach dem Krieg sicherte sich die Sowjetunion großen Einfluss in den angrenzenden Ländern Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Albanien und in der DDR. In diesen Ländern blieben Hunderttausende sowjetischer Soldaten stationiert. Der Kalte Krieg dominierte bis 1989 die Weltpolitik.
Der letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow leitete ab 1987 mit der „Perestroika“ einen Umbau des politischen und wirtschaftlichen Systems in der Sowjetunion ein und förderte mit der Politik der „Glasnost“ die Transparenz und Offenheit der Staatsführung gegenüber der Bevölkerung, worauf einzelne Unionsrepubliken die Unabhängigkeit von der Sowjetunion anstrebten. Nach dem misslungenen Augustputsch in Moskau 1991 konservativer Kommunisten beschlossen der Präsident Russlands Boris Jelzin und Vertreter der Sowjetrepubliken die Auflösung der UdSSR zum 31. Dezember 1991.
Russische Föderation seit 1992
Die Russische Föderation übt seit 1992 als größte ehemalige Sowjetrepublik (Russische SFSR) die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten der UdSSR aus.[101] In den ersten Jahren ergaben sich innenpolitische Konflikte über den einzuschlagenden Kurs: In der russischen Verfassungskrise 1993 löste Jelzin per Ukas den Volksdeputiertenkongress sowie den Obersten Sowjet Russlands auf, die sich seinen Bemühungen und den Resultaten einer Volksbefragung am 25. April 1993 widersetzt hatten, Wirtschaftsreformen durchzusetzen. Jelzin ordnete eine gewaltsame Stürmung des Parlamentsgebäudes (Weißes Haus) an, in dem sich etwa 100 Parlamentarier und weitere Anhänger verbarrikadiert hatten. Bei der gewaltsamen Niederschlagung eines weiteren Aufstandes gegen ihn am 3. und 4. Oktober gab es in Moskau 190 Tote. Im Dezember billigte die russische Bevölkerung per Volksabstimmung die neue Verfassung der Russischen Föderation (Zweikammersystem, Präsidialverwaltung).
Unter Jelzin wurden in Russland Teile der Wirtschaft privatisiert und Reformen versucht. Dabei gelangten wertvolle Unternehmen in die Hände von Leuten, die gute Beziehungen zu Herrschenden hatten bzw. diesen Schmiergelder und Schutzgelder zahlten („Oligarchen“).[102]
1991/92 gab es eine Rubelkrise. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) lag 1993 um 12 % unter dem von 1992 und um 29 % unter dem von 1991. Die Industrieproduktion war 1993 um 31,3 %, die Konsumgüterproduktion um 24,8 % und die Nahrungsmittelproduktion um 27,3 % niedriger als 1991. Im Oktober 1993 waren 2400 Produktionsbetriebe vorübergehend stillgelegt, im Februar 1994 4280. Wegen Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern kam es zu gesamtwirtschaftlich folgenschweren Streiks, z. B. in den Kohlerevieren.[103]
Die Inflation war jahrelang hoch und große Teile der Bevölkerung verarmten. 1998 rutschte das Land in die Zahlungsunfähigkeit (→ Russlandkrise). Insbesondere in der Übergangszeit nahmen aufgrund des Erstarkens regionaler Autonomien nach dem Ende der stark zentralistischen Sowjetzeit zentrifugale Strömungen an den Rändern des Landes zu. So sah sich seit Mitte der 1990er Jahre die russische Regierung mit Unabhängigkeitsbewegungen und Machtkämpfen in zahlreichen Teilrepubliken konfrontiert, insbesondere im Ersten Tschetschenienkrieg 1994/96, bei dem zehntausende Menschen starben. Von Frühherbst 1999 bis Anfang 2000 brachten russische Truppen den Großteil Tschetscheniens wieder unter ihre Kontrolle (vgl. Zweiter Tschetschenienkrieg).
Die chaotischen Jahre unter Jelzin verunsicherten viele Menschen. Die Geburtenrate war niedrig; Kriminalität, Alkoholismus etc. waren verbreitet. In der Endphase von Jelzins Herrschaft bestand die russische Außenpolitik fast nur noch aus leeren Drohungen und Reaktionen. Dies betraf z. B. die NATO-Osterweiterung und den Kosovokrieg. Auch einige markante Ereignisse wie der Untergang der Kursk im August 2000, der tagelange Brand des Moskauer Fernsehturms Ostankino und das Ende der Mir im März 2001 förderten bei vielen Russen das Gefühl, Russland sei von der Rolle einer Supermacht auf die eines Schwellenlands zurückgefallen.[104]
Hohe Rohstoffpreise (Öl, Gas, Stahl), eine Steuerreform und Kapitalrückfluss förderten die wirtschaftliche Erholung nach dem Amtsantritt Wladimir Putins. Nach der Geiselnahme von Beslan im September 2004 leitete Putin einen grundlegenden Umbau des Staatswesens ein, der Macht und Kontrolle in noch stärkerem Maß als bisher in den Händen des Präsidenten konzentrierte. „Für Putin ging es später darum, mit Hilfe einer ‚Machtvertikale‘ der Exekutive auf allen staatlichen Ebenen die Alleinherrschaft des Kreml zu sichern.“ Die Machtvertikale wird von westlichen Beobachtern wie z. B. Margareta Mommsen (2012) als in jeder Hinsicht unvereinbar mit Vorstellungen einer eigenständigen Rolle des Parlaments, von wechselnden parlamentarischen Mehrheiten sowie vom freien Wettbewerb politischer Parteien gesehen.[105] Selbst die höchsten politischen Amtsträger verfügten über kein klares Verfassungsverständnis; mit diesem Ansatz könne weder eine Verfassungslegitimität noch eine Verfassungskultur entstehen. „Unterdessen wird der praktizierte Autoritarismus als ein notwendiges Provisorium gerechtfertigt. So beruft sich Putin gerne auf eine ‚Herrschaft per Handsteuerung‘. […] Damit gab er sich überzeugt, dass der politische Prozess weiterhin der persönlichen Lenkung und der ad hoc-Arrangements anstatt der Verfassung folgen müsse.“[105]
Am 21. März 2014 wurde der Föderationskreis Krim gegründet, nachdem pro-russische Kräfte in der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol im Zuge der Krimkrise ihre Unabhängigkeit von der Ukraine erklärt und am 18. März 2014 einen Beitrittsantrag an Russland gestellt hatten. Die völkerrechtliche Legitimität dieser Schritte ist außerhalb Russlands, aber auch in Russland selbst umstritten.[106][107] Ebenfalls am 18. März 2014 stellte auch Transnistrien einen Beitrittsantrag.[108][109] Der über mehrere Jahre schwelende Konflikt um die Gebiete mündete am 24. Februar 2022 im russischen Überfall auf die Ukraine.
Politik
Föderale Gliederung
Föderationskreis | Fläche in km² | Einwohner insgesamt | Einwohner je km² |
---|---|---|---|
Fernost | 6215900* | 6692865* | 1* |
Nordwestrussland | 1677900 | 13974466 | 8 |
Sibirien | 5114800* | 20062938* | 4* |
Südrussland (mit Krim) | 442920 | 15689400 | 35 |
Nordkaukasus | 170439 | 9108737 | 53 |
Ural | 1788900 | 12373926 | 7 |
Wolga | 1038000 | 31154744 | 30 |
Zentralrussland | 650700 | 38000651 | 58 |
Russland gesamt (mit Krim) | 17101480 | 147056131 | 8 |
* Im November 2018 wechselten die Republik Burjatien und die Region Transbaikalien vom Föderationskreis Sibirien zum Föderationskreis Ferner Osten. Dies ist in den obenstehenden Zahlen noch nicht berücksichtigt. |
Der russische Föderalismus ist sehr asymmetrisch geprägt, da das föderale System eine Kombination aus ethnoföderalen Republiken und territorial-föderalen Gebieten darstellt. Die Einteilung des Landes wurde im Wesentlichen aus der Sowjetzeit übernommen, sieht man von der Statusanhebung der meisten Autonomen Gebiete zu Republiken und der Aufteilung der vormaligen Tschetscheno-Inguschetischen ASSR in zwei Republiken ab. Russland gliedert sich laut Artikel 65 der russischen Verfassung in 85 Föderationssubjekte. Dazu zählen 22 Republiken, 9 Regionen (Krai), 46 Gebiete (Oblast), 3 Städte föderalen Ranges (Moskau, Sankt Petersburg und Sewastopol), 1 Autonomes Gebiet und 4 Autonome Kreise. Dass die Völkerrechtssubjekte Krim und Sewastopol zu Russland gehören, ist international nicht anerkannt. Die Republiken wurden nach den jeweils dominierenden nichtrussischen Volksgruppen definiert, wenngleich ihre Grenzen nicht immer mit den ethnischen übereinstimmen, während die Gebiete in den übrigen, mehrheitlich von Russen bewohnten Teilen des Landes nach rein administrativen Gesichtspunkten gebildet wurden. Territorien, in denen kleinere nichtrussische Minderheiten leben, erhalten den niedrigeren Rang eines Autonomen Gebietes, beziehungsweise Autonomen Kreises. Bezogen auf Bevölkerung, Fläche und relativen Wohlstand unterscheiden sich die Föderationssubjekte mitunter erheblich.
Obwohl alle Föderationssubjekte formal gleichgestellt sind, sind nur die Republiken berechtigt, eine eigene Verfassung zu erlassen. Sie können zudem internationale Verträge unterzeichnen, solange sich diese an die russische Verfassung halten. Besonderheiten der Republiken bestehen zudem in der traditionellen Namensgebung, der Anzahl der Abgeordneten in Regionalparlamenten und spezifischen Gesetzgebungskompetenzen.
Die Oblaste und Kraje sind im Unterschied zu den Republiken keine Staaten. Sie verfügen nur über Statuten anstelle von Verfassungen. An der Spitze der Republiken steht meist ein Präsident. Die übrigen Föderationssubjekte werden von dem Leiter der Administration geführt, dem Gouverneur. Die gesetzgebenden Körperschaften in den Republiken sind sowohl Einkammer- als auch Zweikammersysteme. In den Gebieten besteht die parlamentarische Vertretung nur aus einer Kammer.
Seit 2005 werden die Republikpräsidenten und Gouverneure nicht mehr von der Bevölkerung, sondern vom regionalen Parlament gewählt. Die Kandidaten schlägt der Präsident vor.
Im Jahr 2000 schuf Präsident Putin per Dekret sieben Föderationskreise, welche jeweils mehrere Föderationssubjekte zu einer größeren Einheit zusammenfassen. Ziel dieser Reform war die Stärkung der vertikalen Machtverteilung und eine Verschärfung der Kontrolle über die regionalen Machthaber. Die Einwohnerzahlen in der folgenden Tabelle beziehen sich auf die Volkszählung vom 9. Oktober 2002. Im Jahr 2010 wurde zudem der Föderationskreis Nordkaukasus, durch Ausgliederung aus dem Föderationskreis Südrussland, als achter Föderationskreis geschaffen.
Die Krim bildete nach ihrem (umstrittenen) Beitritt zur Föderation ab dem 21. März 2014 einen eigenen (neunten) Föderationskreis, der per 28. Juli 2016 aufgelöst und dem Föderationskreis Südrussland angeschlossen wurde.
Neben den genannten zwei hierarchischen föderalen Ebenen (1. Föderationskreis, 2. Föderationssubjekt) gibt es noch eine dritte eigenständige Verwaltungsebene, die der kommunalen Selbstverwaltung (Rajon). Deren administrative Leiter werden von der Bevölkerung direkt gewählt. Die Regionen sind gegenüber den kommunalen Selbstverwaltungsorganen administrativ höherstehend und weisungsberechtigt.
Politische Geschichte
Mit dem Untergang der Sowjetunion Ende 1991 kam die Chance für demokratische und liberale Reformen. Diese wurden durch den kommunistisch dominierten Volksdeputiertenkongress blockiert. Präsident Boris Jelzin griff deswegen zu harten und verfassungswidrigen Mitteln und löste den Volksdeputiertenkongress im Herbst 1993 durch den Einsatz des Militärs auf. Es wurde eine Verfassung geschaffen, die den Präsidenten weitgehend der Kontrolle von Volk und Parlament entzog. Die gültige Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 durch eine Volksabstimmung angenommen und trat am 25. Dezember 1993 in Kraft. Sie stellt einen Bruch mit der sowjetischen Vergangenheit dar. Im Mittelpunkt steht gemäß der Verfassung der Mensch: Menschenrechte und Freiheitsrechte wie Rede-, die Presse- und die Reisefreiheit sind die höchsten Werte. In der seither umgesetzten Praxis wird wegen der Einschränkung von Grundrechten Russland als Gelenkte Demokratie bezeichnet oder aber mit dem Fachbegriff Autoritarismus umschrieben. Die Kluft zwischen Rhetorik und Handlungen in diesen Sphären ist eklatant.[110]
Die Bilanz der Ära Jelzin war gespalten: Zwar konnten in Russland demokratische und liberale Reformen eingeführt werden. Doch wurden Liberalisierung und Privatisierung in einem derartigen Ausmaß betrieben, dass die Verbraucherpreise in die Höhe schnellten und eine neue Oberschicht von Oligarchen entstand, die aktiv politische Macht ausübten.[111] In der Bevölkerung wurde diese Demokratisierungs- und Liberalisierungsphase jedoch eher als Auflösung einer gesicherten und berechenbaren staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung empfunden. Hinzu kam, dass der mit der Privatisierung verbundene Gang an die Börse von der internationalen Finanzkrise ab 2007 überschattet wurde. Während 2007 neun Aktiengesellschaften an der internationalen Londoner Börse neues Kapital einwerben konnten, gelang 2009 auf dem Höhepunkt der Krise mit RusHydro nur noch einem russischen Unternehmen der Gang an die Börse.[112] Erst ab der Jahrzehntwende stabilisierten sich die politischen Verhältnisse nach und nach, nicht zuletzt aufgrund der fortschreitenden Konzentration der Staatsmacht auf einen starken Präsidenten, die allerdings auch zu Lasten von Pluralismus und demokratischen Freiheiten ging.
Politisches System
Russland ist nach der Verfassung vom 12. Dezember 1993 ein „demokratischer föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform“[113] und einem semipräsidentiellen Regierungssystem. So ist das Staatsoberhaupt der Präsident Russlands, der vom Volk für jeweils sechs Jahre direkt gewählt wird. Der Präsident gehört unmittelbar keiner der drei Staatsgewalten an, sichert aber ihr Funktionieren und Zusammenwirken. Die Haupteinwirkungsform des Präsidenten ist das Dekret, mit dem er jeden Sachverhalt mit unmittelbarer Rechtswirkung regeln kann. Der Präsident bestimmt die Hauptrichtungen der Außenpolitik und kann internationale Verträge unterzeichnen. Er ist der Oberste Befehlshaber der Streitkräfte Russlands, ernennt und entlässt das Oberkommando der Streitkräfte.
- Die Legislative wird durch die Föderationsversammlung ausgeübt, die aus zwei Kammern besteht. Der Föderationsrat ist das Oberhaus und der Vertreter der Föderationssubjekte. Alle von der Staatsduma verabschiedeten Gesetze müssen dem Föderationsrat vorgelegt werden, dem es frei steht, sie innerhalb von zwei Wochen zu behandeln oder nicht, was als Zustimmung gilt. Die Staatsduma ist das Unterhaus und besteht aus 450 Abgeordneten, die für fünf Jahre nach Parteilisten gewählt werden. Um im Parlament Einzug zu halten, muss eine Partei bei der Wahl mindestens 7 Prozent der Stimmen erhalten. Die Hauptaufgabe der Staatsduma ist die Verabschiedung von Gesetzen.
- Die exekutive Gewalt liegt bei der Regierung der Russischen Föderation, deren Ministerien aber teilweise direkt dem Präsidenten und nicht dem Parlament unterstellt sind. Das bedeutet, dass die Regierungszusammensetzung nicht die politischen Kräfteverhältnisse der Staatsduma widerspiegeln muss. Deshalb ist sie im Allgemeinen keine politische Regierung, sondern ein Technokratenkabinett, das hauptsächlich für Wirtschafts- und Finanzfragen und für Verwaltungsaufgaben zuständig ist. Das Kabinett tagt wöchentlich öffentlich. Der Präsident hat das Recht des Kabinettsvorsitzes, das er aber nicht immer wahrnimmt. Der Ministerpräsident von Russland, auch als Premierminister bezeichnet, wird vom Präsidenten vorgeschlagen und muss von der Duma bestätigt werden. Die Regierung ist nicht an die Legislaturperiode des Parlaments, sondern an die Amtszeit des Präsidenten gebunden, denn bei einem neu gewählten Präsidenten legt die Regierung ihre Vollmachten nieder. Die Staatsduma kann der Regierung mit der Mehrheit aller Abgeordneten das Misstrauen aussprechen oder die Vertrauensfrage der Regierung abschlägig bescheiden. Die Regierung hat die Budgethoheit und gewährleistet eine einheitliche Finanz-, Kredit- und Geldpolitik. Die weiteren Politikfelder sind Kultur-, Wissenschafts-, Bildungs-, Gesundheits-, soziale Sicherheits- und Ökologiepolitik.
- Die judikative Gewalt bildet das oberste Verfassungsschutzorgan, das Verfassungsgericht der Russischen Föderation, an dem sich staatliche Organe und auch Bürger wenden können (vgl. Rechtsgeschichte Russlands). Häufig wird vom Verfassungsgericht zugunsten des Bürgers entschieden.
De facto stellt das politische System Russlands eine Mischung aus instabilen demokratischen Institutionen und autoritären Praktiken dar. Seit der Jahrtausendwende lässt sich dabei eine deutliche „Ent-Demokratisierung“ dieses Systems und eine Zentralisierung der politischen Macht beim Präsidenten und seiner Verwaltung beobachten.[114]
Unter Präsident Putin (2000 bis 2008 und erneut seit 2012) wurde die Macht des Staatsoberhaupts durch die Schaffung einer „Machtvertikale“ ausgebaut: Der Präsident Russlands schlug ab 2005 bis Mai 2012 die Gouverneure vor – die Regionalparlamente konnten diese nur noch bestätigen. Diese von Russland „souveräne Demokratie“ genannte Variante beschnitt politische Rechte[115] der Regionen, die unter Präsident Jelzin ein politisches Gegengewicht aufgebaut hatten. Die Gouverneure wiederum ernannten (seit 2002 anstelle der regionalen Parlamente) die Vertreter für den Föderationsrat und auch lokale Vertreter wie Bürgermeister.[116] Kritische Beobachter sprachen nach der Entmachtung der Regionen auch von einer „Surrogatsföderation“ anstelle einer richtigen Föderation.[117]
Nach Protesten wegen der Parlamentswahlen im Dezember 2011 wurde das Gesetz geändert. Die Gouverneure werden seit Oktober 2012 wieder gewählt. „Im Ergebnis entstand“, so Margareta Mommsen, „ein autoritäres System mit der Besonderheit förmlich fortbestehender demokratischer Einrichtungen. Diese gaukeln demokratische Verhältnisse lediglich vor. Nicht zufällig sprechen kritische Beobachter von einer ‚simulierten Demokratie‘.“[118] So enden polizeiliche und staatsanwaltliche Ermittlungen dort bzw. werden erst gar nicht begonnen, wo sie einflussreiche Politiker berühren.[119]
Im Demokratieindex der britischen Zeitschrift The Economist belegt Russland unter den 167 untersuchten Staaten den 124. Rang und wird als „autoritäres Regime“ eingestuft (Stand 2020).[120] 2007 wurde er noch als hybrides System eingestuft.[121] Etwas weniger negativ ist die Einstufung im Transformationsindex der Bertelsmann-Stiftung, wo Russland 2017 (bezogen auf Demokratie) auf Platz 70 von 129 Ländern zwischen der Elfenbeinküste und Guinea liegt.[122]
Politische Parteien
Seit dem Verzicht der KPdSU auf ihre verfassungsmäßige Führungsrolle 1990 vollzog sich ein Wandel von einem totalitären Einparteienstaat zu einer Mehrparteiendemokratie. Es bildeten sich Hunderte von politischen Gruppierungen, Splittergruppen, Bewegungen und Parteien, die ein breites politisches Spektrum von Monarchisten bis hin zu Kommunisten abdecken. Die russischen Parteien sind eher schwach und verfügten selten über eine stabile Identität.
Seit der Parlamentswahl in Russland 1995 unterstützt die Regierung jeweils eine neue, eigene Hausmacht. Diese administrativen, von oben gegründeten „Parteien der Macht“ (партии власти, Regierungspartei, „Präsidentenwahlverein“) sind lose Ad-hoc-Bündnisse, die sich auf Bürokraten stützen, die dem Präsidenten loyal ergeben sind.
Seit der Jahrtausendwende funktionieren einige wenige Parteien als gesellschaftliche Netzwerke, die spezifische Wählergruppen mobilisieren können. Von 2008 bis 2011 bestanden in Russland nur sieben Parteien. Im Zuge der Demonstrationen zur Parlamentswahl im Dezember 2011 wurde ein neues Parteiengesetz verabschiedet, das die Zulassung neuer Parteien ab einer Mitgliederzahl von 500 Personen vorsieht (bisher 40.000). Nach einer Entscheidung des EGMR zugunsten der regierungskritischen Partei der Volksfreiheit stieg die Zahl der russischen Parteien bis Jahresende 2012 auf 48 an.
Gegenwärtig wird die Politik Russlands von einer einzigen Partei, Einiges Russland, dominiert. Einiges Russland entstand 2001 aus den Parteien Einheit (Jedinstwo) und Vaterland – ganz Russland (Otetschestwo – wsja Rossija), die sich wiederum zum Teil aus der untergegangenen Partei Unser Haus Russland rekrutierten (der Partei von Putins Vorgänger Boris Jelzin).
Neben dieser großen Partei existieren weitere und Splitterparteien. Zu ihnen zählen die Kommunistische Partei der Russischen Föderation, die Liberal-Demokratische Partei Russlands und die sozialdemokratische Partei Gerechtes Russland. Daneben gibt es noch außerhalb der Duma die Partei Jabloko, die Patrioten Russlands und Rechte Sache.
Nichtregierungsorganisationen
Bis zum Amtsantritt des neuen Präsidenten Wladimir Putin hatten sich die russischen NGOs weitgehend frei von staatlichen Einflüssen entwickeln können. Wahrscheinlich war ihr Einfluss auf den Staat größer als umgekehrt. Das sollte sich schnell ändern. Putin ging sofort daran, die bis dahin zwar nicht autonom agierenden, aber von unterschiedlichen Machtzentren kontrollierten Bereiche der russischen politischen Öffentlichkeit systematisch der Regierung zu unterwerfen. Er nannte das, die „Machtvertikale stärken“ und eine „Diktatur des Rechts“ aufbauen. Hinter diesem Vorgehen steckt die Überzeugung, dass der russische Staat in den 1990er-Jahren kurz vor dem Zerfall gestanden habe und dass das ursächlich mit der Schwäche der Zentralmacht zusammengehangen habe.
Der erste Versuch, die NGOs einzubinden, war die Initiative zu einer großen Bürgerversammlung 2001 im Kreml. Bei dieser Versammlung wurden ausgewählte Themen diskutiert. Allerdings wurden aus Regierungssicht nicht konstruktive NGOs, die sich nicht einfach unterordnen wollten, ausgeschlossen. Dies sollte eine Art „Burgfrieden“ zwischen NGOs und der russischen Regierung darstellen. Jedoch wurde Anfang 2002, trotz Protesten und Verhandlungen, die steuerliche Gleichsetzung von „kommerziellen“ und „nichtkommerziellen“ Unternehmen verabschiedet. Endgültig brach der „Frieden“, als Michail Chodorkowskij verhaftet wurde. Dieser hatte mit seiner Stiftung „Offenes Russland“ begonnen, in großem Maße Projekte von NGOs zu finanzieren, und war somit die letzte Hoffnung auf langfristige und nachhaltige Finanzierung von NGOs im Inland gewesen. Der zweite Bruch war die „Rosenrevolution“ in Georgien, die als Misserfolg der russischen Politik gewertet wurde und in der Wahrnehmung der russischen Regierung ein Werk der vom Westen finanzierten NGOs war. Dies wurde auch beim Machtwechsel in der Ukraine vermutet. Putin drückte das am 26. Mai 2004 in seiner alljährlichen Ansprache vor beiden Parlamentskammern so aus:
„Es gibt Tausende konstruktiv arbeitende zivilgesellschaftliche Vereinigungen in unserem Land. Aber längst nicht alle orientieren sich daran, die wirklichen Interessen der Menschen zu verteidigen. Für einen Teil dieser Organisationen ist es zu vorrangigen Aufgabe geworden, Finanzierung von einflussreichen ausländischen Stiftungen zu bekommen, für andere, zweifelhafte Gruppen und kommerzielle Interessen zu bedienen. Gleichzeitig interessieren sie die dringendsten Probleme des Landes und seiner Bürger nicht.“
Letztlich blieb das Verhältnis zwischen Regierung und NGOs ambivalent in Putins erster Amtszeit, was aus der Tatsache resultiert, dass marktwirtschaftliche Systeme ein gewisses Maß an Freiheit erfordern. Das Taktieren der Regierung mit den NGOs ist Ausdruck dessen, das man verhindern möchte, dass diese Freiheit ins Politisch-Gesellschaftliche übergreift.
Die zweite Amtszeit war in Bezug auf die NGOs in erster Linie geprägt durch das NGO-Gesetz mit dem der russischen Regierung weitreichende Kontroll- und Sanktionsinstrumente in die Hand gegeben wurde. Die Rosregistracija überwacht nun die Tätigkeiten der NGOs. Sich dagegen zu beschweren, ist in einer hoch korrupten Gesellschaft, wie der russischen, in der Beschwerde- und Berufungsinstanzen insbesondere gegen staatliches Handeln, etwa Gerichte, nur sehr eingeschränkt funktionieren mit hohem administrativen Aufwand verbunden.[123][124] Die Registrierungsbehörden setzen verstärkt auf Bestimmungen des Arbeitsrechts, Steuerrechts, Arbeitsschutzes oder Brandschutzes um staatliches Vorgehen gegen die NGOs zumindest teilweise zu kaschieren.[123]
Am 23. Mai 2015 unterschrieb Präsident Putin ein Gesetz, dank dem es russischen Behörden ohne Vorwarnung möglich ist, internationale NGOs auf eine schwarze Liste zu setzen. Hohe Strafen drohen jedermann, der mit solchen „unerwünschten Organisationen“ in Kontakt tritt.[125] Das Gesetz schränkt die Arbeit der Medien und der Zivilgesellschaft ein. Als ein Fall der Anwendung dieses Gesetzes wurde der Entzug des Abgeordnetenmandates des Jabloko-Politikers Lew Schlosberg bekannt, der 2014 von den Beisetzungen wohl in der Ukraine gefallener russischer Soldaten berichtet hatte.[126][127]
Menschenrechte
Von internationalen Bürgerrechtsorganisationen und dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland werden die Einschränkungen der Pressefreiheit seit dem Jahr 2001 kritisiert. Die staatliche Einflussnahme im Bereich des Fernsehens ist komplett, alle landesweit sendenden TV-Stationen sind entweder direkt in staatlichem Besitz oder unter staatlicher Kontrolle. Im Radiobereich ist die Situation ähnlich. Offiziell gibt es keine Zensur durch die Regierung – durch die Eigentumsverhältnisse ist die Zensur in den Köpfen der Leute.[128] Drei von insgesamt sechs Voten beim Treffen des Menschenrechtsrates des Präsidenten im Oktober 2017 hatten den durch die staatlichen Medien und deren Propaganda geschürten Hass in der Gesellschaft beklagt.[129][130]
Die Tötungsrate in Russland unterlag zwischen 1990 und 2017 ausgeprägten Schwankungen zwischen 30.5 Tötungen (im Jahr 1995) und 9.2 Tötungen (im Jahr 2017), je 100.000 Einwohner. Der Staat schütze die Bürger nicht, klagte 2017 die Nowaja Gaseta sowie die geflüchtete Julija Latynina.[131] Auch ist häusliche Gewalt in Russland ein gesellschaftliches Problem. 40 Prozent aller Gewaltverbrechen in Russland werden in den eigenen vier Wänden, innerhalb der Familie, begangen.[132] Diese Gewalt richtet sich insbesondere gegen Frauen. So sterben dadurch in Russland laut Angaben des Innenministeriums 12.000 bis 14.000 Frauen jährlich.[132][133]
Wiederholt kommt es zu Anschlägen auf Oppositionelle oder Brandanschläge auf deren Eigentum. Wiederholt kursierten Listen mit Adressangaben von Oppositionellen im Internet.[134] Polizeiliche und staatsanwaltliche Ermittlungen enden dort bzw. werden erst gar nicht begonnen, wo sie einflussreiche Politiker berühren.[119] Seit 2015 drohen auch jeder Einzelperson, die sich mit einem improvisierten Protestplakat auf die Straße stellt, bis zu fünf Jahre Haft.[135] In Russland saßen im Jahr 2013 geschätzte 600.000 Menschen in „strenger Lagerhaft“,[136] darunter nicht nur nach Meinung der Menschenrechtsorganisation Memorial auch politische Gefangene.[137] Etwa 140.000 Gefangene waren im Frühjahr 2019 in Haft aufgrund des Paragraphen 228.2 zu Drogen, dessen Missbrauchsmöglichkeiten schon länger bekannt waren[138][139] und der durch den Skandal um den Journalisten Iwan Golunow international bekannt wurde.[140] Im August 2020 ist die Zahl der inhaftierten Sträflinge, Verdächtigen und Angeklagten in russischen Straf- und Untersuchungshaftanstalten laut dem Bundesgefängnisdienst (FSIN) erstmals auf weniger als 500.000 gesunken. Dies ist den Angaben der FSIN zufolge auf den Einsatz alternativer, nicht-inhaftierender Strafen sowie die allgemeine Liberalisierung des Strafvollzugssystems zurückzuführen.[141]
Im Dezember 2015 unterschrieb Putin ein Gesetz, wonach das russische Verfassungsgericht auf Antrag der Regierung Urteile internationaler Gerichte außer Kraft setzen kann, was in erster Linie Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) betreffen könnte.[142] Auch für den Kulturbereich wurde eine „nicht greifbare Zensur“ beschrieben.[143]
Homosexualität in Russland ist weitgehend tabuisiert. Die gesetzlichen Regelungen beinhalten unter anderem ein Verbot „homosexueller Propaganda“, was von Kritikern als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die Versammlungsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit gewertet wird.
Unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung werden die Freiheiten religiöser Minderheiten stark eingeschränkt.[144] 2016 wurde es Angehörigen nicht registrierter Religionsgemeinschaften verboten, mit anderen über ihre religiöse Überzeugung zu sprechen.[145] Im März 2017 beantragte das russische Justizministerium ein Verbot der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas und all ihrer Aktivitäten,[146][147] das im April 2017 umgesetzt wurde.[148]
Auf der Krim hat sich die Menschenrechtslage seit der Besetzung durch Russland erheblich verschlechtert. Laut einem Bericht des UNHCHR kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen und Folter, auch eine außergerichtliche Hinrichtung ist dokumentiert.[149] Am brisantesten ist die Menschenrechtslage seit Jahren im Kaukasus, namentlich in Tschetschenien. Die Überprüfung von Bürgerrechten, z. B. bei Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, findet vor dem Obersten Gerichtshof Russlands statt.
Korruption
Im Corruption Perception Index von Transparency International lag Russland mit 29 von möglichen 100 Punkten im 2017er-Ranking weltweit auf Platz 135 unter 180 Staaten und an letzter Stelle aller europäischen Staaten.[150] Im Jahr 2016 ordnete Präsident Putin persönlich für Kontrollbehörden eine „Kontrollpause“ an. Die angeblichen Sicherheitskontrollen hatten kaum je der Sicherheit gedient, sondern zum größeren Umfang der Bereicherung. Ein Durchbrechen der Korruptionsketten sei auch deshalb kaum möglich, weil saubere Beamten kein Geld nach oben abgeben können und deshalb aus dem Amt gedrängt werden oder Posten für ehrliche Beamte wegen Ablösesummen erst gar nicht zugänglich seien, schreibt Jens Siegert.[151] Die Nähe zur Staatsmacht ermöglicht Geld und Privilegien:[152] Jelena Tschischowa beschreibt denn auch nicht nur die alltägliche Korruption, sondern auch, wie der Umfang mit der Nähe zur Macht im Kreml zunimmt, und nennt die Gemeinsamkeit: „In einem autoritären Land ist «Freund» ein Schlüsselbegriff.“[153]
Währung
Die russische Währung ist der russische Rubel (Рубль; Kürzel RUB) zu 100 Kopeken (Копейка). Ein Euro entspricht gegenwärtig 117,2 Rubel. Nach starker Inflation in den 1990er-Jahren wurde im Jahr 1998 eine Währungsreform durchgeführt, bei der 1000 alte Rubel (RUR) durch je einen neuen Rubel (RUB) ersetzt wurden. Seitdem war der Rubel bis 2008 gegenüber US-Dollar und Euro im Wesentlichen stabil, die Inflation betrug 2006 8,2 Prozent. Dazu hat bisher vor allem die Wechselkurspolitik der russischen Zentralbank beigetragen. Um eine rasche Aufwertung des Rubels mit einer Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit russischer Produzenten zu verhindern, intervenierte sie am Devisenmarkt. Sie kaufte die Russland mit den hohen Leistungsbilanzüberschüssen zufließenden Devisen gegen Rubel auf. Die umlaufende Rubelgeldmenge stieg stark an. Das Inflationspotential wuchs. Im Zuge der Internationalen Wirtschaftskrise verlor der Rubel im zweiten Halbjahr 2008 rund 20 Prozent seines Wertes gegenüber dem Euro.[154] Seit der Annexion der Krim 2014 verlor der Rubel mehr als die Hälfte seines Wertes gegenüber Euro, US-Dollar oder Renminbi.
Neben dem Rubel finden im Alltag auch US-Dollar und Euro Verwendung. Bis zum Januar 2007 wurden Preise auch oft in Verrechnungseinheiten angegeben, die je einem US-Dollar entsprachen. Da die Verwendung von Drittwährung in Russland nicht erlaubt ist, wurde dennoch in Rubel gezahlt. Diese Praxis ist aber seit Januar 2007 verboten. Wegen häufiger Bankeninsolvenzen und Finanzkrisen sind viele Russen dazu übergegangen, ihre Ersparnisse als Bargeld in Euro- und Dollar-Scheinen oder in Immobilien anzulegen.
Staatshaushalt
Der Staatshaushalt umfasste 2016 Ausgaben von umgerechnet 236,6 Mrd. Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 186,5 Mrd. Dollar gegenüber. Damit hatte das Land ein Haushaltsdefizit in Höhe von 3,9 Prozent des BIP.[155] Der Abschluss der Duma- und Präsidentenwahl gibt ab Mitte 2012 Anlass zu neuen umfangreichen Modernisierungsausgaben zugunsten der Infrastruktur, Wirtschaft und der Landesverteidigung. Angekündigt ist auch eine weitere Steigerung der Sozialausgaben. Somit werden die Ausgaben tendenziell weiter steigen, was aufgrund einer geringen Verschuldungsquote kein Problem darstellt. Die Staatsverschuldung betrug 2016 17,0 Prozent des BIP.[155]
2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben vom BIP folgender Bereiche:
Außenpolitik
Außenpolitische Situation
Nach dem Ende der Sowjetunion ist Russland darum bemüht, seinen Einfluss in der Welt, aber insbesondere in seiner direkten Nachbarschaft zu konsolidieren. Hierbei verfolgt Russland die Idee einer multipolaren Weltordnung, in der Großmächte eigenverantwortlich ihre nationalen Interessen vertreten. Russland ist in eine Anzahl regionaler Konflikte verstrickt, von denen viele kriegerischen Charakter haben und nur teilweise oder noch gar nicht gelöst wurden – darunter die Tschetschenienkriege (1994 bis 2009), die Kriege um Abchasien und Südossetien (Georgienkrieg), der Konflikt in Transnistrien und zuletzt der Krieg in der Ukraine und die Besetzung der Krim.
Im außenpolitischen Konzept sieht sich Russland als Großmacht, die selbstständig nationale Interessen verfolgt. Der Großmachtanspruch leitet sich in erster Linie aus Russlands imperialem Erbe und zweitens aus seinem bedeutenden Arsenal an Atomwaffen ab. Seinen Einfluss generiert Russland daneben über die militärischen Streitkräfte (derzeit ca. 1.000.000 Soldaten, Militärbasen in verschiedenen ehemaligen Sowjetrepubliken und in Syrien (Marinebasis Tartus)), Rüstungsexporte, die Vollmitgliedschaft mit Vetorecht im UN-Sicherheitsrat und die Stellung als bedeutender Energielieferant. Darüber hinaus bestehen jedoch enorme Schwierigkeiten, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Dies rührt insbesondere aus der ökonomischen Schwäche her. Daneben verfügt es im Gegensatz zur Sowjetunion nicht mehr über ein attraktives Herrschafts- und Kultursystem. Die Möglichkeit, militärische Macht in politischen Einfluss umzuwandeln, ist auf Russlands unmittelbare Umgebung beschränkt. Es fehlt Russland an verlässlichen Verbündeten, wie die Nichtanerkennung Abchasiens und Südossetiens durch die restlichen GUS-Staaten zeigt.
Die politische Führung in Moskau drängt auf die Prärogative des UN-Sicherheitsrats. Ein Beispiel hierfür ist die Forderung, dass die NATO nur mit Zustimmung des UN-Sicherheitsrats tätig werden soll. Selbst besteht die Führung Russlands aber auf dem Recht, unilateral handeln zu dürfen, was das Verhalten im Georgienkrieg belegt. Um seinem Ziel näher zu kommen, sieht sich Russland nach Gegenpolen zu den USA um. Besonders Asien gewinnt dabei eine stetig wachsende Bedeutung. Die BRICS werden im außenpolitischen Konzept als strategische Partner betrachtet. Während Russland und Indien traditionell gute Beziehungen pflegen und diese weiter ausgebaut haben, hat sich das russisch-chinesische Verhältnis durch die Lösung alter Spannungen stetig verbessert. Abgesehen vom gemeinsamen Ziel, der weltpolitischen Dominanz des Westens etwas entgegenzusetzen, stehen vor allem Wirtschafts- und Rüstungsprojekte sowie russische Rohstofflieferungen im Vordergrund der Kooperation.[157][158][159][160]
Russland gewährte 2013 dem US-amerikanischen Whistleblower Edward Snowden eine Aufenthaltserlaubnis.
Mitgliedschaften
Russland ist ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, aller UN-Unterorganisationen, der OSZE und des Europarates und zudem Mitglied der EBRD sowie des IWF und der Weltbank. Beim G8-Gipfel im Mai 1998 wurde Russland formal in die damalige Gruppe der Sieben (G7) aufgenommen; diese wurde dadurch zur G8. Im März 2014 schlossen diese sieben Russland wegen des Kriegs in der Ukraine aus der G8 aus.
Unter Putin gewannen zwei Sicherheitsorganisationen besonderes Gewicht – die Organisation des Vertrages über Kollektive Sicherheit (OVKS) und die Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SOZ):
- Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit zielt auf eine engere Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen, wie auch auf eine gemeinsame Verteidigung im Falle eines Angriffes (Artikel 4 des Vertrags) ab. Ursprünglich eine sicherheitspolitische Institution der GUS, wurde die OVKS 2002 zu einer eigenständigen sicherheitspolitischen Organisation mit dem Fokus auf Zentralasien aufgewertet. Mitgliedstaaten neben Russland sind: Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan. Auf russische Initiative wurde 2009 im Rahmen der OVKS eine schnelle Eingreiftruppe geschaffen, die in Krisensituationen eingesetzt werden kann.
- Hauptziel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, zu der auch China gehört, ist die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und guter nachbarschaftlicher Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten. Neben dem Ausbalancieren der sicherheitspolitischen Interessen Russlands und Chinas in Zentralasien soll sie auch der Durchsetzung gemeinsamer Sicherheitsinteressen in der Region dienen. Ursprüngliches Ziel Russlands und Chinas war es, durch sicherheitspolitische Kooperation die USA aus der Region herauszuhalten.[161]
Beziehung zum „Nahen Ausland“
Die Auflösung der Sowjetunion stellte Russland zunächst vor die Aufgabe, das Verhältnis zu den aus Russlands Sicht oft als „Nahes Ausland“ (ближнее зарубежье) bezeichneten Nachfolgerepubliken neu zu gestalten. Die aus der Sowjetzeit geerbten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Republiken erforderten eine neue rechtliche Form der Kooperation und der Integration. Zugleich waren für Russland zahlreiche Objekte von strategischem Interesse, die nun außerhalb der Russischen Föderation lagen. Hierzu zählten u. a. der Weltraumbahnhof Baikonur, militärstrategische Einrichtungen in Aserbaidschan und Belarus sowie der Flottenstützpunkt der Schwarzmeerflotte in Sewastopol.
Zur Nachfolgeorganisation der Sowjetunion wurde die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), der zunächst 12 der 15 ehemaligen Sowjetrepubliken beitraten. Dieser eher lockere Staatenbund hat jedoch bis zur heutigen Zeit seine Bedeutung weitgehend eingebüßt. Mit Belarus hat sich Russland in der Russisch-Belarussischen Union zusammengeschlossen, auf die sich Boris Jelzin mit Aljaksandr Lukaschenka (belarussischer Staatspräsident seit 1994) verständigte. Nach Einschätzung von Politologen hing ihre Entwicklung jedoch stark mit persönlichen Ambitionen Lukaschenkas zusammen, der Nachfolger Jelzins in einem künftigen Unionsstaat zu werden. Als nach Jelzin 1999 Wladimir Putin russischer Präsident wurde, kühlte sich das Verhältnis zu Belarus ab, dem Putin einen Beitritt zur Russischen Föderation vorschlug. Bis 2011 verlief die weitere Integration sehr schleppend, viele Projekte wie die gemeinsame Währung wurden nicht umgesetzt. Die Beziehungen waren vielmehr von Energiekonflikten überschattet. 2011 trat Belarus jedoch der gemeinsamen Zollunion mit Russland und Kasachstan bei, die bereits seit 2000 im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft in Planung war. Zu den weiteren Zielen dieser Gemeinschaft zählt ein gemeinsamer Wirtschaftsraum und die Schaffung einer politischen Union, die für weitere Staaten des postsowjetischen Raumes offensteht.
Beziehungen zur Ukraine
Ein ambivalentes Verhältnis hat Russland mit der Ukraine. Trotz enger historischer und kultureller Verbindungen und einer fortbestehenden wechselseitigen Abhängigkeit, vor allem in den Energiefragen, haben geschichtsbezogene Meinungsverschiedenheiten (vgl. Holodomor) sowie der erklärte Westkurs der Ukraine das Verhältnis schwer belastet. Vor allem westlich orientierte Regierungen der Ukraine wurden von Russland wiederholt unter Druck gesetzt, so zum Beispiel nach der Präsidentschaftswahl in der Ukraine 2004, als es zum Russisch-ukrainischen Gasstreit kam. Nach der Abwahl des russlandfreundlichen Politikers Wiktor Janukowytsch und dem Euromaidan, bei dem sich die Demonstranten für eine Westorientierung der Ukraine aussprachen, kam es zur Annexion der Krim durch Russland und zum Krieg in der Ukraine seit 2014, wobei sogenannte Separatisten für eine Autonomie des Donbass kämpften. Diese wurden durch Russland personell und militärisch unterstützt. Bereits im Jahr 2009 war in ukrainischen Medien offen über die Möglichkeit eines militärischen Angriffs durch Russland diskutiert worden.[162]
In diesem Konflikt kam es auch zum Abschuss des Fluges MH17.
Beziehung zur Europäischen Union
Als Antwort auf die Annexion der Krim 2014 wurden von der Europäischen Union Sanktionen gegen Russland ergriffen. Dabei geht es vorwiegend um bestimmte Ausrüstungen für die russische Öl- und Gasindustrie, zudem wird verschiedenen russischen Finanzinstituten der Zugang zum Finanzmarkt erschwert. Der Beschluss dieser Sanktionen erfolgt jeweils befristet für ein halbes Jahr (letztmals bis Januar 2019) und bedarf der Einstimmigkeit des Rates der Europäischen Union.[163]
Deutsch-russische Beziehungen
Welche Verwandtschaft in dem Verhältnis der beiden nationalen Seelen zu Europa, zum Westen, zur Zivilisation, zur Politik, zur Demokratie!“
von Thomas Mann: Betrachtungen eines Unpolitischen (1917).[164]
Deutsche waren die ersten „westlichen“ Europäer, mit denen Russland intensiver in Kontakt kam. Seit Mitte des 13. Jahrhunderts bestand der Peterhof in Nowgorod als Handelsniederlassung der Hanse. Zu militärischen Auseinandersetzungen kam es seit dem 12. Jahrhundert mit dem Schwertbrüderorden in Livland. Die kulturellen Beziehungen zwischen Deutschen und Russen waren besonders eng unter Peter dem Großen. Russische Deutsche haben einen großen Beitrag zur Entwicklung der russischen Kultur geleistet, beispielsweise Kaiserin Katharina II., Admiral Adam Johann von Krusenstern, der Militäringenieur Graf Eduard Iwanowitsch Totleben, der Musiker Swjatoslaw Teofilowitsch Richter und viele andere. Der historische Beitrag Deutschlands wird daher bis heute in Russland anerkannt und geschätzt. Auch politisch blickten Deutschland und Russland bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf lange Bündnistraditionen zurück. Insbesondere das Königreich Preußen lehnte sich seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 bis zur Deutschen Reichsgründung von 1871 eng an das russische Zarenreich an, da es zweimal in seiner Geschichte letztlich durch Russland vor der fast völligen Vernichtung bewahrt worden war – 1762 durch den Seitenwechsel Zar Peters III. im Siebenjährigen Krieg und 1807 durch die Fürsprache Zar Alexanders I. bei Napoleon im Frieden von Tilsit. Während der Befreiungskriege kämpften Russen und Deutsche gemeinsam gegen die französische Fremdherrschaft. So waren russische Soldaten maßgeblich an der Befreiung Deutschlands beteiligt. Die „Allianz der drei Schwarzen Adler“ – Russland, Österreich und Preußen –, die bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bestanden hatte, setzte sich in der Folge nach dem Wiener Kongress als Heilige Allianz fort. Die schweren kriegerischen Auseinandersetzungen im 20. Jahrhundert haben bis heute Nachwirkungen. Die rechtliche Grundlage der Beziehungen des wiedervereinigten Deutschlands und der Russischen Föderation bilden der Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12. September 1990, der Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 9. November 1990 sowie die Gemeinsame Erklärung des Präsidenten der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik und des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland vom 21. November 1991. Im Zeichen der friedlichen deutschen Wiedervereinigung war die deutsche Seite einerseits dankbar für die problemlose Abwicklung der Folgeauswirkungen, andererseits fühlte sich Deutschland als Impulsgeber und Motor für eine stärkere Integration Russlands in europäische Strukturen und warb für Kredite und Investitionen in Russland.[165] Ab der Kanzlerschaft Gerhard Schröders und dem Wirtschaftsaufschwung in Russland unter Wladimir Putin intensivierten sich die deutsch-russischen Beziehungen insbesondere im Bereich der Wirtschaft, aber auch beim politischen Dialog. Ab 1998 fanden jährlich bilaterale Regierungskonsultationen auf höchster Ebene unter Beteiligung beider Regierungen statt.
Es gab in Russland zwischenzeitlich mehr als 6000 Unternehmen mit deutscher Beteiligung, einschließlich mehr als 1350 russisch-deutscher Joint Ventures.
Zwischen Deutschland und Russland entwickelte sich ein enger kultureller und bildungspolitischer Austausch. 2003 wurde ein Regierungsabkommen zur Förderung des gegenseitigen Erlernens der Partnersprache abgeschlossen. Rund 12.000 junge russische Staatsbürger studierten an deutschen Hochschulen. Im April 2005 wurde eine gemeinsame Erklärung für eine strategische Partnerschaft auf dem Gebiet der Bildung, Forschung und Innovation unterzeichnet. Ab 2006 gab es Koordinierungsbüros in Hamburg und Moskau für den bilateralen Schüler- und Jugendaustausch. Das Goethe-Institut ist an vielen Orten in Russland präsent, in Moskau, St. Petersburg und seit Frühjahr 2009 in Nowosibirsk. Daneben sind zahlreiche weitere deutsche Kulturmittler in Russland vertreten.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier stellte 2014 klar, dass eine im Jahre 2008 vorgeschlagene Modernisierungspartnerschaft aufgrund der formulierten Voraussetzungen von der russischen Seite ausgeschlagen worden war.[166]
Obwohl die Tendenz stieg, hatten 2011 trotz starker Wirtschaftsbeziehungen und eines bedeutenden Austausches zwischen den Zivilgesellschaften nur ein Drittel der Deutschen Russland als Partnerland vertraut. Dies lässt sich auf die Rolle der Medien zurückführen, die einen entscheidenden Einfluss bei der Wahrnehmung Russlands haben (vgl. Russlandberichterstattung in Deutschland). Bis zum Amtsantritt Wladimir Putins herrschte in den deutschen Medien das Bild eines „armen“ und „unberechenbaren“ Russlands vor. Durch die wirtschaftliche Stabilisierung nach der Jahrtausendwende und hohe Einkommen aus den Ölvorkommen verschwand dieses Bild allmählich. An seine Stelle rückte die Angst vor Putins Energie-Imperium und der Abhängigkeit von ihm. Die Berichterstattung der politischen Situation in Russland wurde durch die Stagnation der Medien und deren Personalabbau zuweilen als zu wenig differenziert wahrgenommen; Präsident Medwedew galt den Einen als „liberal“, den anderen als Präsident eines Landes, welchem ein Umsturz bevorstand.[167]
Die Abkühlung der russisch-deutschen Beziehungen begann schon im Herbst 2012, als der Bundestag eine Resolution mit Kritik an Russlands Innenpolitik verabschiedete.[168] Die Putin-Regierung betreibt seit Mai 2012 eine „nationalpatriotische und gegen westliche Einflüsse gerichtete Politik“.[169]
Im Februar 2014 kritisierte Russland die deutsche Rolle beim Euromaidan in der Ukraine. Im Verlauf der Ukraine- und Krimkrise zeigte sich, dass russische Geheimdienste zunehmend versuchen, mittels gezielter Infiltration sozialer Netzwerke wie Facebook sowie der Kommentarbereiche westlicher, auch deutscher Onlinemedien (betroffen sind etwa die Deutsche Welle und die Süddeutsche Zeitung), die öffentliche Meinung im Ausland zu Gunsten Russlands zu manipulieren. Wie die Süddeutsche berichtet, sind zu diesem Zweck hunderte bezahlte Manipulatoren im Einsatz.[170][171]
Unmittelbar nach der Annexion der Krim 2014 wurden in der Europäischen Union Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt.[172] Als Folge brach der deutsch-russische Handel binnen Monaten um rund ein Drittel ein. Im Sommer 2017 wurden die Sanktionen wiederum verschärft.[173]
Im Februar 2020 warf der deutsche Außenminister Heiko Maas der russischen Regierung angesichts des russischen Militäreinsatzes im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs vor, das humanitäre Völkerrecht gebrochen und Kriegsverbrechen im Gouvernement Idlib begangen zu haben.[174]
Beziehung zu den Vereinigten Staaten
Rolle im Syrischen Bürgerkrieg
Der Syrienkonflikt ist einer der wenigen internationalen Konflikte, in denen die russische Regierung eine zentrale Rolle spielt. Dabei brachte ihre Verweigerungshaltung gegenüber jeglichen Versuchen, im Rahmen des UN-Sicherheitsrats internationalen Druck auf die Regierung Assad auszuüben, der russischen Regierung scharfe Kritik westlicher und regionaler Akteure ein und beschädigte das Ansehen Russlands in der arabischen Welt. Russland nahm von Anfang an die klare Haltung ein, dass die Kämpfe zwischen Regierung und Opposition nur innersyrisch zu lösen sei. Dies sei erstens durch ergebnisoffene Verhandlungen zwischen beiden Seiten zu erreichen und sollte zweitens ohne externe Einmischung geschehen, sei es durch Waffenlieferung an die Rebellen oder durch militärische Intervention. Dementsprechend blockierte Russland nicht nur Resolutionsentwürfe im UN-Sicherheitsrat, die Sanktionen vorgesehen hätten (Oktober 2011, Juli 2012), sondern auch solche, die lediglich die Gewaltanwendung durch die syrische Regierung verurteilt hätten, ohne dass zugleich die Regimegegner ebenfalls verurteilt und zum Gewaltverzicht aufgerufen würden (Februar 2012).[175]
Die Führung Russlands gibt vor, damit eine neutrale Haltung einzunehmen. Mehrmals betonten Präsident Putin, Außenminister Lawrow und Ministerpräsident Medwedew, dass ihr Land – im Gegensatz zu den westlichen Staaten oder den Golfmonarchien – nicht einseitig Partei ergreife.[175]
Jedoch unterstützt die russische Regierung die Regierung Assads auf vielfältige Weise. Erstens stützt man auf internationaler Bühne die Legitimationsstrategie der syrischen Führung. Durch eine Darstellung der Opposition primär als einer Gruppe von „Fanatikern“, Islamisten oder Terroristen wird die Schuld am Gewaltausbruch implizit ihr zugewiesen. Zweitens liefert Russland weiterhin Waffen an die syrische Regierung, darunter Luftabwehrsysteme (Buk-M2 [Nato-Code: SA-17 Grizzly] und Panzir-S1 [Nato-Code: SA-22 Greyhound]) und Helikopter. Russland verweist darauf, dass die Exporte nach internationalem Recht zulässig seien. Schließlich hat der UN-Sicherheitsrat – aufgrund russischer und chinesischer Weigerung – bislang kein Waffenembargo verhängen können. Als verlässlicher Exporteur – so die russische Rechtfertigung – sei die russische Regierung daher verpflichtet, bestehende Verträge zu erfüllen. „Neue Lieferungen“ seien aber suspendiert worden, erklärte Wjatscheslaw Dsirkaln vom Föderalen Dienst für Militärtechnische Zusammenarbeit im Juli 2012. Drittens hilft die russische Regierung der Regierung Assad auch, indem sie Banknoten für die syrische Regierung druckt.[175]
Die Motive der russischen Syrienpolitik gehen über materielle Interessen hinaus. Sie betreffen grundlegende Fragen der internationalen Ordnung und regionalen Machtbalance, aber auch konkrete sicherheitspolitische Risiken für Russland selbst. Der „arabische Frühling“ warf für die internationale Gemeinschaft erneut die Frage auf, wie mit dem Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Souveränität und Schutzverantwortung („responsibility to protect“ – „R2P“) umzugehen ist. Es geht um konträre Ansichten zur Ausgestaltung der internationalen Ordnung und den Anspruch Russlands, diese mitzubestimmen. Die russische Regierung lehnt die „R2P“ nicht prinzipiell ab, will es aber an enge Grenzen gebunden wissen, ohne das Ziel eines „Regime Change“ von außen. Dahinter steht eine traditionelle Interpretation staatlicher Souveränität. Diese hat auch eine innenpolitische Begründung. Schließlich stellt eine Aufweichung des Nichteinmischungsgebots für die autoritäre Führung in Moskau auch aus Gründen des eigenen Machterhalts ein Gefahrenszenario dar.[176]
Nach den Giftgas-Angriffen von Ghuta und der Drohung der US-amerikanischen Regierung mit einem Militärschlag gelang es Russland, zwischen der US-amerikanischen und der syrischen Regierung zu vermitteln. Am 14. September 2013 wurde vereinbart, dass die syrische Regierung zunächst binnen einer Woche das gesamte Giftgasarsenal offenlegen und den UN-Inspektoren uneingeschränkten Zugang zu den Lagerstätten gewähren muss. Mitte November sollen die UN-Inspekteure die Arbeit aufnehmen. Die Chemiewaffen sollen außerhalb von Syrien vernichtet werden.[177] Am 16. September sprach sich Russland erneut gegen eine UN-Resolution aus, die eine Drohung im Falle einer Nicht-Erfüllung der Vereinbarung gegen die syrische Regierung vorsah.[178]
Humanitäre Hilfe leistet Russland in dem Konflikt hingegen kaum,[179] so stellte die Regierung im Jahr 2015 für das UN-Hilfsprogramm zur Versorgung der rund 4 Millionen Syrer, die vor dem Krieg in die Nachbarländer geflohen sind, bislang einen Betrag von 300.000 US-Dollar zur Verfügung, was 0,02 % der für die Hilfsmaßnahmen veranschlagten Gesamtkosten deckt.[180] In Russland selbst halten sich Schätzungen zufolge zwischen 8000 und 12.000 syrische Flüchtlinge auf, viele davon illegal. Im Jahr 2015 wurde kein einziger Syrer in Russland offiziell als Flüchtling anerkannt, 482 Asylsuchende wurden geduldet.[181]
Durch den russischen Militäreinsatz sind bis Ende September 2019 laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte etwa 19.000 Menschen (davon ca. 8300 Zivilisten) ums Leben gekommen.[182] Insbesondere im Gouvernement Idlib sind durch die Offensiven der russischen und syrischen Streitkräfte hunderttausende Menschen zur Flucht genötigt worden. Auch hinterließ die Offensive einen immensen Schaden der lokalen Infrastruktur. So sind laut einem Bericht von Amnesty International zwischen Mai 2019 und Februar 2020 mindestens 18 Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen in Syrien durch die russischen und syrischen Streitkräfte verübt worden.[183] In der Folge haben fünf Kliniken darum schließen müssen.[183] Im Juli 2020 blockierte die russische Regierung mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat den Fortbestand eines Großteils der UN-Hilfslieferungen von medizinischen Gütern und Nahrungsmitteln nach Syrien,[184] sodass das UN-Hilfsprogramm für Syrien nur noch eingeschränkt fortgesetzt wurde.[185]
Militärdoktrin
Mit der Unterschrift Präsident Putins trat am 31. Dezember 2015 Ukas 683 und damit eine neue Militärdoktrin in Kraft, welche erstmals die USA sowie deren Alliierte, die NATO und die EU als Bedrohung für Russland und seine Nachbarn benannte.[186][187] Im März 2018 widmete Präsident Putin ein Drittel seiner Rede an die Nation der Präsentation angeblich unbesiegbarer Nuklearwaffen.[188]
Militär
Der russische Staat besitzt den 1949 noch als Sowjetunion erlangten Status einer Atommacht und verfügt mit 6500 Stück über das weltweit größte Arsenal an nuklearen Sprengköpfen, vor den Vereinigten Staaten mit 6185 (Stand: 2019).[189]
In Russland gilt eine allgemeine Wehrpflicht für wehrfähige Männer ab 18 bis maximal 27 Jahren. 2007 wurde sie von 24 auf 18, 2008 dann auf 12 Monate verkürzt. Da die wehrpflichtigen Soldaten früher auch in Krisengebieten wie Tschetschenien eingesetzt wurden und es im Rahmen der Dedowschtschina nicht selten zu Misshandlungen von jungen Rekruten durch Vorgesetzte kommt, gibt es in der Bevölkerung, besonders durch die Mütter Wehrpflichtiger, immer wieder Kritik an der Wehrpflicht.
Die Stärke der Streitkräfte betrug 2001 1.183.000 Mann, davon 321.000 Landstreitkräfte, 171.500 Marine, 184.600 Luftstreitkräfte und 149.600 Atomstreitkräfte. 40.000 dienen in Staaten der GUS als Friedenstruppen und 316.900 werden als „sonstige Militärs“ geführt.
Im Jahr 2018 gab Russland 61,4 Mrd. Dollar für sein Militär aus. Es liegt damit im internationalen Vergleich hinter den Vereinigten Staaten mit 649 Mrd. Dollar, der Volksrepublik China mit 250 Mrd. Dollar, Saudi-Arabien mit 67,6 Mrd. Dollar, Indien mit 66,5 Mrd. Dollar und Frankreich mit 63,8 Mrd. Dollar auf Platz 6, gefolgt vom Vereinigten Königreich und Deutschland.[190] Die schon ab 2000 massiv gestiegenen[191] Rüstungsausgaben Russlands hatten sich noch von 2004 bis 2014 verdoppelt[192] und sollen ab 2014 rund ein Fünftel der gesamten Staatsausgaben betragen.[193] Für 2016 wurde gar mit einem Anteil von beinahe 25 Prozent an den Staatsausgaben gerechnet unter Annahme eines späteren Sinkens.[194] Mittels einer grundlegenden Reform wird versucht, die russische Armee den Erfordernissen einer modernen Kriegführung und den finanziellen Möglichkeiten des Landes anzupassen. Elemente dieser Militärreform waren: Vorrang der konventionellen vor der nuklearstrategischen Rüstung, personelle Verkleinerung der Armee auf 835.000 Soldaten, schrittweiser Übergang zur Berufsarmee, Vereinfachung der Kommandostrukturen sowie Erhöhung des Verteidigungsbudgets, das je zur Hälfte für den Unterhalt der Streitkräfte und für Forschung, Entwicklung, Unterstützung der Rüstungsindustrie sowie Beschaffung neuer Waffen ausgegeben werden soll. Vorgesehen war, für die Modernisierung der Armee und die Instandsetzung von Waffen und Militärtechnik bis 2020[veraltet] insgesamt ungefähr 400 Mrd. Euro bereitzustellen. Im Jahr 2015 wurden neue Raketen für die Nuklearstreitkräfte angekündigt.[195] Die „stationierten“ Atomsprengköpfe stiegen von 1400 im Jahr 2013 auf 1796 im Jahr 2016. Paradoxerweise ist die Zahl der stationierten Sprengköpfe damit aufgrund neu eingeflotteter U-Boote größer als beim Inkrafttreten des New-START-Abkommens im Jahr 2011 (jedoch absehbar wieder sinkend).[196]
Spezialeinheiten
Es gibt in Russland eine Reihe von Spezialeinheiten (SpezNas), welche dem Innenministerium (MWD) unterstellt sind. Die Streitkräfte des MWD umfassten im Jahre 2007 insgesamt 170.000 Mann. Ihr Oberbefehlshaber, ein Armeegeneral, ist gleichzeitig Stellvertreter des Innenministers. Die Inneren Truppen gliederten sich 2007 in fünf Divisionen (ODON), zehn Brigaden (OBRON) und eine Anzahl selbständiger Einheiten. Sie sind mit Schützenpanzern und eigener Artillerie ausgerüstet. Dem MWD unterstehen mit der Polizija (полиция) außerdem die regulären Polizeikräfte, welche bis März 2011 als Miliz bezeichnet wurden. Diese sind z. B. für die Aufsicht über die Staatsstraßen zuständig. Daneben gibt es die rund 20.000 Mann der Polizei-Spezialeinheit OMON (ОМОН), die für Notfälle, Großlagen und den Schutz des Nukleararsenals zuständig sind. Dem MWD untersteht schließlich auch der russische Inlandsgeheimdienst, FSB. Dem Föderalen Sicherheitsdienst FSB wurden unter Präsident Putin die von Jelzin geschaffenen selbstständigen Sicherheitsdienste – die Grenztruppen Russlands – untergeordnet, die etwa 160.000 Mann ausmachen.[197]
Wirtschaft und Infrastruktur
Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsgeschichte
Allgemeines
Jahr | BIP (in Mrd. USD KKB) |
BIP pro Kopf (in US-Dollar KKB) |
BIP Wachstum (real) |
Inflationsrate (in Prozent) |
Arbeitslosenquote (in Prozent) |
Staatsverschuldung (in % des BIP) |
Haushaltsbilanz (in % des BIP) |
Handelsbilanz (in % des BIP) |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1992 | 1.703,0 | 11.482 | k. A. | k. A. | 5,2 % | k. A. | k. A. | −1,3 % |
1993 | 1.591,9 | 10.724 | −8,7 % | 874,6 % | 5,9 % | k. A. | k. A. | 1,3 % |
1994 | 1.419,3 | 9.563 | −12,7 % | 307,6 % | 8,1 % | k. A. | k. A. | 2,6 % |
1995 | 1.389,5 | 9.370 | −4,1 % | 197,5 % | 9,4 % | k. A. | k. A. | 2,1 % |
1996 | 1.363,8 | 9.210 | −3,6 % | 47,7 % | 9,7 % | k. A. | k. A. | 2,6 % |
1997 | 1.406,3 | 9.517 | 1,4 % | 14,8 % | 11,8 % | k. A. | k. A. | 0,0 % |
1998 | 1.345,6 | 9.130 | −5,3 % | 27,7 % | 13,3 % | k. A. | −7,4 % | 0,1 % |
1999 | 1.452,9 | 9.889 | 6,4 % | 85,7 % | 13,0 % | 92,1 % | −3,6 % | 12,6 % |
2000 | 1.635,3 | 11.170 | 10,0 % | 20,8 % | 10,6 % | 55,7 % | 3,1 % | 16,3 % |
2001 | 1,757.7 | 12,054 | 5,1 % | 21,5 % | 9,0 % | 44,3 % | 3,0 % | 9,7 % |
2002 | 1.869,3 | 12.875 | 4,7 % | 15,8 % | 8,0 % | 37,5 % | 0,7 % | 7,4 % |
2003 | 2,046.7 | 14,156 | 7,3 % | 13,7 % | 8,2 % | 28,3 % | 1,3 % | 7,2 % |
2004 | 2,253.9 | 15,647 | 7,2 % | 10,9 % | 7,7 % | 20,8 % | 4,6 % | 9,2 % |
2005 | 2.474,8 | 17.232 | 6,4 % | 12,7 % | 7,2 % | 14,8 % | 7,6 % | 10,3 % |
2006 | 2.758,8 | 19.249 | 8,2 % | 9,7 % | 7,1 % | 14,8 % | 7,8 % | 8,7 % |
2007 | 3.073,9 | 21.473 | 8,5 % | 9,0 % | 6,0 % | 8,0 % | 5,6 % | 5,2 % |
2008 | 3,298.7 | 23,054 | 5,2 % | 14,1 % | 6,2 % | 7,4 % | 4,5 % | 5,8 % |
2009 | 3.063,8 | 21.411 | −7,8 % | 11,7 % | 8,2 % | 9,9 % | −5,9 % | 3,8 % |
2010 | 3.240,9 | 22.639 | 4,5 % | 6,9 % | 7,4 % | 10,6 % | −3,2 % | 4,1 % |
2011 | 3.475,4 | 24.259 | 5,0 % | 8,4 % | 6,5 % | 10,8 % | 1,4 % | 4,7 % |
2012 | 3.670,4 | 25.592 | 3,7 % | 5,1 % | 5,5 % | 11,5 % | 0,4 % | 3,2 % |
2013 | 3.796,8 | 26.440 | 1,8 % | 6,8 % | 5,5 % | 12,7 % | −1,2 % | 1,5 % |
2014 | 3.892,0 | 27.072 | 0,7 % | 7,8 % | 5,2 % | 15,6 % | −1,1 % | 2,8 % |
2015 | 3.835,8 | 26.658 | −2,5 % | 15,5 % | 5,6 % | 15,9 % | −3,4 % | 4,9 % |
2016 | 3.877,0 | 26.930 | −0,2 % | 7,1 % | 5,5 % | 15,7 % | −3,6 % | 1,9 % |
2017 | 4.007,8 | 27.834 | 1,5 % | 3,7 % | 5,2 % | 17,4 % | −1,5 % | 2,2 % |
Russland ist ein entwickeltes Industrie- und Agrarland. Das Land ist zudem Gründungsmitglied der seit dem 1. Januar 2015 existierenden Eurasischen Wirtschaftsunion. Die führenden Industriebranchen sind Maschinenbau sowie die Eisen- und Nichteisenmetallverarbeitung. Gut entwickelt sind auch die chemische und petrolchemische Industrie sowie die Holz-, Leicht- und Nahrungsmittelindustrie.
Das russische Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2015 ca. 1.192 Mrd. EUR. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrug im selben Jahr 8.137 Euro.[199] Der Dienstleistungssektor steuert 62,6 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Auf den industriellen Sekundärsektor entfallen rund 32,7 Prozent, auf den Agrarsektor (Bauwirtschaft und Landwirtschaft) 4,7 Prozent.[200] Die Weltbank schätzte, dass rund ein Viertel der gesamtwirtschaftlichen Produktion von der Rohstoffproduktion gestellt wird.
Laut einer Studie der Bank Credit Suisse beträgt der durchschnittliche Vermögensbesitz je erwachsene Person in Russland 16.773 US-Dollar. Im Median liegt er jedoch bei nur 3.919 US-Dollar (Weltdurchschnitt: 3.582 US-Dollar), was auf eine hohe Vermögensungleichheit hindeutet. Mehr als 70 % der russischen Bevölkerung besitzen weniger als 10.000 US-Dollar an Vermögen. Russland belegte Platz 19 in der Rangliste der Länder nach totalem Privatvermögen, einen Platz vor Indonesien und einen hinter Schweden. Russland war 2017 das Land mit der fünfthöchsten Anzahl an Milliardären (insgesamt 96). Die sogenannten Oligarchen im Land sind teilweise zum Symbol für korrupte Strukturen und Ungleichheit geworden.[201]
Die Gesamtzahl der Beschäftigten beträgt 73,5 Millionen (2006). 30 Prozent der Erwerbstätigen arbeiteten 2005 in der Industrie. In der Landwirtschaft waren 10 Prozent, im Dienstleistungsbereich 22 Prozent und im öffentlichen Sektor nochmals 22 Prozent aller Erwerbstätigen beschäftigt. Im Jahr 2013 sagte die russische Vize-Ministerpräsidentin Olga Golodez, nur 48 Millionen (statt 86 Millionen) Arbeitsfähige seien für die Regierung sichtbar,[202] je nach Schätzung macht die Schattenwirtschaft die Hälfte der Wirtschaftsleistung aus. Kleine und mittlere Betriebe leisteten ein Fünftel, wohingegen die staatlichen Konzerne 70 Prozent beitrugen.[203] Auch aufgrund der minimalen Renten weiterhin arbeitstätige Rentner gehörten zum Heer der selbständig erwerbenden Kleinverdiener, welche ihr Einkommen kaum je deklarierten: Die Steuermoral lag angesichts der bekannten korrupten Ausschweifungen der Politiker darnieder.[204]
Nach Jahren des Aufschwungs steckte die russische Wirtschaft um die Jahre 2015/16 in der Rezession. Nachdem das russische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2014 noch um 0,6 % gewachsen war[205], schrumpfte die russische Wirtschaft 2015 um 3,7 %.[199] Für das Jahr 2016 wurde offiziell ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 % vermeldet.[206] Als Hauptgründe für die Rezession wurden zumeist der sehr niedrige Ölpreis, der Verfall des Rubels sowie die westlichen Sanktionen im Zuge der Ukraine-Krise genannt. Allerdings werden der russischen Wirtschaft auch grundsätzliche strukturelle Probleme bescheinigt. Des Weiteren hatte Russland mit erhöhten Inflationsraten im Falle des Jahres 2015 von bis zu 15 Prozent zu kämpfen.[207] Die Inflation fiel 2018 wieder auf um drei Prozent.[208] Im Global Competitiveness Index, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes misst, belegt Russland Platz 38 von 137 Ländern (Stand 2017/18).[209] Im Index für wirtschaftliche Freiheit belegt das Land 2017 Platz 114 von 180 Ländern.[210]
Nach der Transformationskrise
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Russlands nach der Auflösung der Sowjetunion war zunächst von einem drastischen Einbruch der Produktion geprägt. Dazu trug der Wegfall eingespielter Handelsbeziehungen im Verbund der Sowjetunion bei. Der Übergang von der Planwirtschaft zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung war schwierig und gelang nur in Teilbereichen. Insgesamt verringerte sich das Bruttoinlandsprodukt um gut 40 Prozent. Kurz nach Beginn der Asienkrise begann im Herbst 1997 die Russlandkrise. Am 17. August 1998 erklärte Russland den Staatsbankrott und musste die Dollarbindung des Rubel aufgeben. Die „Politik des Minimalstaates“ unter Jelzin führte dazu, dass die föderale Regierung nicht imstande war, Steuern einzutreiben und für Rechtssicherheit zu sorgen. Dies änderte sich unter der Präsidentschaft von Wladimir Putin ab dem Jahr 2000. Um die politische Kontrolle im Staat wieder zu erlangen, stärkte er den Staatsapparat auf Kosten des Einflusses der Oligarchen.
Putin führte in Russland bis 2008 eine staatlich geführte korporatistische Wirtschaft. Im Jahr 2007 führte er per Gesetz sechs Institutionen zur Bündelung von Staatsaktivitäten in strategisch wichtigen Bereichen ein, unter alleiniger Führung des Präsidenten. Darunter fallen die Nukleartechnik bei Rosatom, die Bank für Außenwirtschaft VEB, der Reformfonds für Immobilien[211], Rusnano oder das Rüstungsgüter-Konglomerat Rostec, dazu Olimpstroi, die 2014 aufgelöste Staatsgesellschaft für Bauten der Olympischen Spiele in Sotschi 2014.[212] Die VEB war aus der Außenhandelsbank der UdSSR hervorgegangen. An diesen durch Gesetz geschaffenen Staatskonglomeraten kritisierte unter anderem Ministerpräsident Medwedew die Verwendung von Staatseigentum oder Staatsmitteln zur Gründung, was zu einer versteckten Privatisierung führe.[213][214] Bei einer Prüfung der Korporationen im Jahr 2009 durch Medwedew wurden Missbrauch und Ineffizienz festgestellt.[215] Präsident Medwedew nannte in seiner Rede an die Nation im November 2009 die Organisationsform der Korporationen „ohne Perspektive“.[216] Wenige Tage später erwiderte Ministerpräsident Putin, Staatskorporationen seien schlicht eine Notwendigkeit, und betonte, dass darüber in der Staatsführung Einigkeit herrsche.[217]
In den ersten vier Jahren von Putins Präsidentschaft folgte die Einführung einer Flatrate bei der Einkommensteuer (vgl. Steuerrecht (Russland)), der vollen Konvertibilität des Rubels und eines Drei-Jahres-Budgets (dies bis zu den Finanzproblemen im Jahr 2015[218]). Um von den Einnahmen des Energiesektors zu profitieren, wurden private Unternehmen aus diesem Bereich zurückgedrängt. Auch außerhalb des Energiesektors baute der Staat seinen Einfluss aus. Die Regierung förderte die Bildung staatlicher Großkonzerne, die strategische Branchen dominieren sollen. So wurden beispielsweise private Unternehmen für Maschinen- und Automobilbau von Staatsbetrieben übernommen und durch Subventionen gestützt, um modernisiert werden zu können.
Große Produktionskapazitäten aus der Zeit der UdSSR waren nicht ausgelastet, so dass sich die russische Regierung daran orientierte, durch eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik mittels expansiver, wachstumsorientierter Geldpolitik diese Kapazitäten wieder voll auszulasten. Dies brachte eine zweistellige Inflationsrate mit sich. Das von Präsident Putin gesetzte Ziel, das Bruttoinlandsprodukt innert zehn Jahren zu verdoppeln, sollte mittels staatlichem Ausgabenprogramm erreicht werden. Dafür wurden Gehälter im öffentlichen Dienst sowie Renten, sonstige Sozialleistungen und Ausgaben für den Wohnungsbau erhöht. Möglich wurde das Sozialprogramm durch den Ölboom, der neben hohen Mehreinnahmen für den Staat eine Reduzierung der Auslandsverschuldung ermöglichte, die 2000 noch 166 Mrd. Dollar betrug. Ein Teil der Öleinnahmen floss in den 2004 errichteten Stabilisierungsfonds, der sinkende Staatseinnahmen abfedern und eine mögliche Inflation abschwächen sollte. Dieser Stabilisierungsfonds wurde 2008 in einen Reservefonds und einen Wohlstandsfonds (zur Rentensicherung) aufgegliedert. Der Wohlstandsfonds betrug 2011 68,4 Mrd. Euro, der Reservefonds 19,9 Mrd. Euro.[219]
Die russische Wirtschaft hatte sich vom Produktionseinbruch im Zuge der Finanzkrise des Jahres 1998 rasch erholt, da die 1998 eingetretene deutliche Abwertung des Rubels der russischen Wirtschaft Auftrieb verschaffte und ausländische Güter verteuerte, so dass Produkte aus Russland dort wettbewerbsfähiger wurden. Außenwirtschaftlich verstärkte sich die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft vom Energiesektor allerdings weiter. Trotz kräftig gestiegener Investitionen wurde in Russland im internationalen Vergleich zu wenig investiert. Investoren kritisierten fehlende Rechtssicherheit, weit verbreitete Korruption, eine überbordende Bürokratie und die geringe Leistungsfähigkeit des russischen Bankensystems.
In der internationalen Wirtschaftskrise
Im Zuge der Internationalen Wirtschaftskrise wies die russische Wirtschaft seit Mitte 2008 deutlich negative Entwicklungen auf, was in hohem Maße auf ihre große Abhängigkeit vom Rohstoffsektor zurückzuführen war. Aufgrund des drastischen Preisverfalls beim Erdöl und Erdgas sanken die Staatseinnahmen. Die weltweite Finanzkrise hatte Russland 2009 hart getroffen. Russland konnte durch seine Antikrisenpolitik größere Bankenzusammenbrüche verhindern, so dass das russische Finanzsystem wieder als stabil gilt. Die Pflichteinlagen bei der Zentralbank wurden hochgeschraubt, Banken bekamen staatliche Hilfen. Die Russische Zentralbank verwendete fast 300 Milliarden Dollar an Reserven, um den als Folge des ausländischen Kapitalabzugs unter Abwertungsdruck gekommenen Rubel zu stützen. 2010 und 2011 setzte eine wirtschaftliche Erholung in Russland ein.
Durch diese Krise wurde sichtbar, dass die Fixierung auf den Rohstoffreichtum das Land in eine Sackgasse führt und die Abhängigkeit von den Weltmarktpreisen für Erdöl, Erdgas oder Metalle zu hoch ist. Bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatte in Russland eine intensive Diskussion über Sonderwirtschaftszonen eingesetzt. Unter Wladimir Putin wurde 2005 ein entsprechendes Gesetz über Sonderwirtschaftszonen in der Russischen Föderation verabschiedet. Bis Ende 2009 wurden 15 dieser Zonen konzipiert und bestätigt, darunter unter anderem zwei Industrie-Sonderwirtschaftszonen (Jelabuga, Lipezk), vier technikorientierte Sonderwirtschaftszonen (Moskau, St. Petersburg, Dubna, Tomsk) sowie sieben Zonen für Tourismus und Erholung. Zinsen wurden gesenkt, um Investitionen in die Produktion zu ermöglichen. Die Inflationsrate erreichte 2011 ihren niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Die Regierung war bemüht, preistreibende Faktoren wie die Verteuerung von Treibstoffen und Strom über Quartalsvereinbarungen mit den Anbietern unter Kontrolle zu halten.
Während das Land 1999 noch auf Platz 22 der größten Wirtschaftsnationen lag, hatte es 2012 den neunten Platz in der Welt nach nominalen BIP inne. Lag der Wert des russischen BIP in Relation zum deutschen im Jahr 2004 bei 21,7 Prozent, waren es 2011 bereits 51,7 Prozent. Der Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) erfolgte 2012 nach 18 Verhandlungsjahren, wodurch die Importzölle sanken und der Modernisierungsdruck der heimischen Wirtschaft stieg. Im Jahr 2015 lag Russlands Wirtschaftsleistung wieder hinter der Italiens auf Rang 10 oder 11.[220] Die Regierung hatte es bis 2018 nie gewagt, das Renteneintrittsalter, welches Stalin im Jahr 1932 festgelegt hatte, zu erhöhen – die Renten, welche Frauen ab 55 Jahren, Männer ab 60 Jahren erhalten, sind jedoch so niedrig, dass sich viele in der Schattenwirtschaft Geld dazuverdienen. Gleichzeitig fehlten dem Arbeitsmarkt Arbeitskräfte.[35]
Nach der Annexion der Krim 2014
Durch die Sanktionen des Westens aufgrund der russischen Annexion der Krim sowie des von Russland gefütterten Krieges in der Ukraine seit 2014 stagnierte die wirtschaftliche Entwicklung in Verbindung mit einem Einbruch des Erdölpreises. Es akzentuierten sich die strukturellen Probleme der russischen Wirtschaft, welche über Jahre auf den Rohstoffexport ausgerichtet war. Die NZZ schrieb im August 2015 in einem Vergleich mit der Rubelkrise von 1997: „Heute ist die Lage weniger bedrohlich, aber die Besserungschancen sind geringer“;[221] so konnte die Rubelschwäche wegen der Finanzrestriktionen nicht dazu genutzt werden, die Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren.[222] Das russische Haushaltseinkommen 2015 sank durchschnittlich um 8,5 Prozent, während die Lebensmittelpreise bis 25 Prozent anstiegen. Die Jahresinflation 2015 betrug 12,9 Prozent.[223][224][225] Eine Kapital-Amnestie sollte ab Dezember 2014 Geld nach Russland zurückbringen. Während bei Präsidentensprecher Peskow bei der Einführung von einem absolut einmaligen, für ein Jahr gültigen Angebot die Rede war, wurde die Amnestie im Dezember 2015 bis Juni 2016 verlängert und Anfang 2018 nach neuen amerikanischen Sanktionen erneuert.[226][227][228]
Alle staatlichen Ausgaben mussten gekürzt werden, nur die Rüstung war nicht davon betroffen.[220] Der russische Ministerpräsident Medwedew hatte wiederholt erklärt, das Land werde „unbefristet“ mit den westlichen Sanktionen leben müssen.[229] Die Wirtschaftsentwicklung blieb gelähmt, weil die Techniken des Machterhalts des Putin-Regimes nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Reformen verhinderten. Der Anteil der Staatswirtschaft stieg an, die Schattenwirtschaft blühte, die Realeinkommen waren zwischen 2014 und 2018 mehrmals gesunken.[230] Ein Steuersatz von 0 Prozent für die Jahre 2017/2018 hätte Selbständigerwerbende zur Registrierung ihrer Tätigkeit animieren sollen; von den vermutlich rund neun Millionen derart Werktätigen hatten sich gerade mal 936 registrieren lassen. Nach einem erneuten Gesetzesvorschlag von 2018 sollte diesen Kleinverdienern beim Auffliegen der Tätigkeit der gesamte Ertrag abgenommen werden, also eine härtere Strafe, als sie Gutverdienende zu befürchten hätten.[231] Eine Geschäftseröffnung war für die Mehrzahl befragter Russen im Februar 2019 nicht erstrebenswert, da es nicht möglich sei, ohne Mogeleien zu wirtschaften.[232] Die ausländischen Direktinvestitionen, welche 2013 noch 69 Milliarden Dollar umfasst hatten, waren laut Le Monde bis 2018 auf weit unter 5 Milliarden gefallen.[233]
Im Juli 2018 wurde entschieden, die Mehrwertsteuer um zwei Prozent zu erhöhen, womit sie ab 1. Januar 2019 20 Prozent betrug.[234][235]
Landwirtschaft
Die Holzindustrie ist hauptsächlich im Nordwesten des europäischen Teiles, im zentralen Uralgebirge, in Südsibirien und im Süden des fernöstlichen Russlands vertreten. Russland verfügt über etwa ein Fünftel des Waldbestandes der Erde und über rund ein Drittel des Weltbestandes an Nadelwald; der größte Teil der russischen Nutzholzproduktion besteht aus Weichholz, hauptsächlich von Kiefern, Tannen und Lärchen. Wichtigstes Laubholz für den Handel ist Birke.
Die Landwirtschaft ist nach wie vor eine wichtige Branche der russischen Wirtschaft. Einst die Kornkammer Europas, erlitt die russische Landwirtschaft in den 1990er-Jahren einen drastischen Einbruch der Agrarproduktion – jedoch schon in den 1980er-Jahren war Russland der weltweit bedeutendste Weizenexporteur. Der Produktionswert der russischen Landwirtschaft lag 2009 wieder bei umgerechnet 38 Milliarden Euro. Im Jahr 2016 unterstrich Präsident Putin den Willen, eine Agrar-Exportnation zu sein.[236] Von der Rekordernte von 75 Millionen Tonnen Weizen im Jahr 2016 könnten knapp 7 Millionen Tonnen (ähnlich wie 2015) exportiert werden. Für den Transport ist die staatliche Agrar-Transportbehörde Rusagrotrans zuständig.[237] Der Wert der exportierten Landwirtschaftsgüter lag 2016 bei 17 Milliarden Dollar.[238] Die Bedingungen für die Landwirtschaft sind vor allem im europäischen Teil Russlands sowie in Südrussland gut, das russische Schwarzerdegebiet ist das größte der Welt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt 219 Millionen Hektar, das sind 13 Prozent der Landfläche Russlands. Davon sind 122 Millionen Hektar Ackerfläche, was neun Prozent des weltweiten Ackerlandes entspricht[239]. Mehr als 80 Prozent der Saatflächen liegen an der Wolga, im Nordkaukasus, am Ural und in Westsibirien innerhalb des sogenannten Agrardreiecks. Der Ackerbau macht 36 Prozent der landwirtschaftlichen Bruttoerzeugung Russlands aus, die Tierzucht über 60 Prozent. Die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Russland sind Getreide, Zuckerrüben, Sonnenblumen, Kartoffeln und Flachs. Die Binnenfischerei liefert mit dem Stör den begehrten russischen Kaviar. In der Transformationsphase zwischen 1990 und 1997 gingen die Schweine- und Geflügelbestände fast um die Hälfte zurück. Russland importierte seitdem einen Teil seiner Nahrungsmittel. Es war schon zuvor, aber insbesondere seit seinen Gegen-Sanktionen gegen den Westen nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 das Ziel der russischen Regierung, die Fähigkeit zur Eigenversorgung zu steigern und die Importabhängigkeit zu reduzieren.[240] Der Bestand an Rindern beträgt 12,1 Millionen Tiere, an Schweinen 7 Mio. sowie an Schafen und Ziegen 4,6 Mio. Rinderzucht wird vorwiegend im Wolgagebiet, in Westsibirien und dem europäischen Zentrum betrieben, Schweinezucht findet sich ebenfalls im Wolgagebiet, aber auch in Nordkaukasien und im zentralen Schwarzerdegebiet. Schafzucht weist Schwerpunkte in den Regionen Ostsibirien, Nordkaukasiens und dem Wolgagebiet auf.
Rohstoffwirtschaft
Die Naturreichtümer Russlands sind eine wichtige Basis für die Wirtschaft des Landes. In Russland befinden sich 16 Prozent aller mineralischen Naturressourcen der Welt, davon 32 Prozent aller Erdgasvorräte (erster Platz in der Welt), 12 Prozent aller Vorräte an Erdöl, die sich insbesondere in Westsibirien, auf der Insel Sachalin, in Nordkaukasien, der Republik Komi und den Erdölgebieten im Wolga-Ural-Bereich (Kaspische Senke) finden. Mit der kräftigen Zunahme der Ölexporte bei steigenden Ölpreisen von 2002 bis 2011 war die Bedeutung der Förderung besonders von Öl und Gas in Russland angewachsen und spielte eine wichtige Rolle für die Wirtschaft auch außerhalb Russlands. Russische Unternehmen wie Gazprom, Rosneft oder Lukoil sind an der Erdöl- und Erdgasförderung beteiligt, welche hauptsächlich in den nördlichen und östlichen Landesteilen stattfindet.
Mit seinen Goldvorräten belegt Russland den dritten Platz in der Welt. Weltbekannt sind die Diamantenvorkommen im nordostsibirischen Jakutien. Seit 1996 werden hier Diamanten in einer der weltweit größten Kimberlit-Lagerstätten, in Mirny, gewonnen.
Russlands Anteil an den Weltvorräten an Eisen und Zinn beträgt über 27 Prozent, an Nickel 36 Prozent, an Kupfer 11 Prozent, an Kobalt 20 Prozent, an Blei 12 Prozent, an Zink 16 Prozent und an Metallen der Platingruppe 40 Prozent. 50 Prozent der weltweit bekannten Kohlevorkommen finden sich in Russland.[241] Entsprechend den mineralischen Vorkommen spielt die Steinkohle- und Eisenerzförderung eine sehr wichtige Rolle in der Wirtschaft Russlands. Größere Erzvorkommen finden sich vor allem in den altgefalteten Gebirgen (Chibinen auf der Kola-Halbinsel, Ural, Altai, Sajangebirge sowie andere sibirische Gebirgszüge). Lagerstätten von Steinkohle finden sich in einigen Vorsenken dieser Gebirge, vor allem am Ural (u. a. Kohlelagerstätten von Workuta) sowie im Donezbecken an der Grenze zur Ukraine. Die Kohlenförderung litt an fehlenden Investitionen und hat im Vergleich zur Sowjetzeit an Bedeutung verloren.
Energiewirtschaft
Mit Öl, Erdgas oder Kohle betriebene Wärmekraftwerke erzeugten 2003 rund 63 Prozent der gesamten Stromproduktion von rund 851 Mrd. Kilowattstunden. Auf Wasserkraftwerke entfielen 21 Prozent, auf Kernkraftwerke 16 Prozent. Die russische Regierung plant, den Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung bis 2020 auf etwa ein Drittel zu verdoppeln, um noch mehr Erdöl und Erdgas exportieren zu können. Das Stromnetz und die meisten Großkraftwerke sind nach wie vor unter staatlicher Kontrolle. Um von den Einnahmen des Energiesektors zu profitieren, war die russische Politik darauf ausgerichtet, die staatliche Kontrolle über die Energiewirtschaft wieder zu verstärken und private Unternehmen aus diesem Bereich zurückzudrängen. Das wurde durch die Zerschlagung des Erdölkonzerns Yukos und die Übernahme des Ölkonzerns Sibneft durch die halbstaatliche Erdgasgesellschaft Gazprom erreicht. Zu den größten Gas- und Ölförderungskonzernen gehört heute Surgutneftegas, wo Präsident Wladimir Putin 37 Prozent der Aktien kontrolliert.[242] Alle russischen Kernkraftwerke sind Eigentum des staatlichen Unternehmens Rosatom und werden vom ebenfalls staatlichen Unternehmen Rosenergoatom betrieben. Den größten Anteil an der Stromproduktion hatte bis 2008 Unified Energy System, das zu über 50 % dem russischen Staat gehörte und inzwischen in kleinere Unternehmen aufgeteilt wurde.
Industrie
Produktart | 2005 | 2011 |
---|---|---|
Eisenerze | 82,5 Mio. t[243] | 100 Mio. t |
Kohle | 299 Mio. t | 335 Mio. t |
Roheisen | 66,2 Mio. t | 48,1 Mio. t |
Öl | 470 Mio. t | 511 Mio. t |
Erdgas | 641 Mio. m³ | 670 Mio. m³ |
Zement | 48,7 Mio. t | 53,7 Mio. t (2008) |
PKW[244] | 1,068 Mio. Stck. | 1,738 Mio. Stck. |
LKW[244] | 0,204 Mio. Stck. | 0,249 Mio. Stck. |
Stromerzeugung | 953 TWh | 1052 TWh |
Neben den alten Industriegebieten Moskau, Nischni Nowgorod, Sankt Petersburg, Saratow, Rostow und Wolgograd sind seit dem Zweiten Weltkrieg weitere Industriestandorte vorzugsweise im asiatischen Teil des Landes entstanden. Die Schwerindustrie konzentriert sich im Ural um Jekaterinburg. Russland nimmt eine führende Rolle in der weltweiten Produktion von Stahl und Aluminium ein. In den letzten Jahren haben sich in Russland weltbekannte Stahlkonzerne mit hoher Finanzkraft gebildet. Dies sind zum Beispiel Evraz, Severstal, Magnitogorsk Iron and Steel Works und Novolipetsk Steel, die zu den weltweit 30 größten Stahlkonzernen gehören. Wichtige Zentren der Schwerindustrie sind Magnitogorsk, Tscheljabinsk, Nischni Tagil, Nowokusnezk, Tscherepowez und Lipetsk.
An den alten Hauptindustriestandorten Moskau, dem Wolgagebiet, dem Nordwesten und dem Ural produzieren zahlreiche Maschinen- und Fahrzeugindustrien, aber auch Geräte- und Anlagenbauherstellung ist hier angesiedelt. Mehrere Zweige des Verarbeitenden Gewerbes wie Maschinenbau, Autoindustrie und Rüstungsindustrie einschließlich Luftfahrtindustrie fielen nach dem Ende der Sowjetunion in eine tiefe Krise. Die Produktion ging stark zurück. In den 2000er-Jahren ging es aber auch in der verarbeitenden Industrie wieder bergauf. Vor allem auf Märkten in der GUS konnten Marktanteile zurückgewonnen und neue Märkte in Asien gefunden werden, weil sich einige russische Erzeugnisse als einfacher und preiswerter als westliche Konkurrenzprodukte profilieren konnten. Die Inlandsproduktion von Maschinen und Ausrüstungen erreichte 2006 ein Volumen von rund 63 Milliarden Euro.[245] Um die notwendige Modernisierung im Maschinenbau zu forcieren, steuert der Staat die weitere Entwicklung des Maschinenbaus von oben. Dazu gehörte die Gründung der Staatsholding Rostechnologii, in die Staatsanteile von fast 500 Unternehmen (Rüstungsbetriebe, Fluggesellschaften, Lkw- und Waggonhersteller und Maschinenbauer) eingebracht wurden.
Der Flugzeugbau war eine der wichtigsten und technisch am höchsten entwickelten Branchen der russischen Industrie. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden die Produktionsketten zwischen den ehemaligen Unionsrepubliken unterbrochen. Das hatte tiefgreifende negative Auswirkungen auf den russischen Flugzeugbau. Die wichtigsten Entwickler und Produzenten von Flugzeugen in Russland wurden 2006 in der OAK zusammengefasst. 2010 lieferte die OAK 75 Flugzeuge aus bei einem Erlös von vier Milliarden US-Dollar.[246] Die bekanntesten russischen Autohersteller sind AwtoWAS, KAMAZ, Ischmasch oder die GAZ-Gruppe. Sehr oft sieht man noch die in Russland hergestellten Automarken Schiguli, Moskwitsch, Lada Niva und Oka sowie die Lkw KAMAZ, Ural und andere. Inzwischen kooperieren die russischen Autohersteller mit ausländischen Konzernen. Aktuell arbeiten die Volkswagen Group Rus mit GAZ, Ford mit Sollers, Renault-Nissan und AwtoWAZ sowie General Motors (GM) mit Avtotor zusammen. Dadurch entstanden und entstehen derzeit neue Montagewerke in Kaluga, Nischni Nowgorod, Togliatti, St. Petersburg und Kaliningrad.[247] Koordiniert wird Russlands Rüstungsindustrie vom staatlichen Rüstungsexporteur Rosoboronexport. Rosoboronexport koordiniert die Arbeit der verschiedenen Rüstungsunternehmen und schließt diese über Beteiligungen zu einem Konzern zusammen.
Die chemische Industrie Russlands ist eine der Hauptbranchen der Volkswirtschaft Russlands, deren Anteil am Umfang der Warenproduktion sechs Prozent erreicht. Der chemische Komplex Russlands schließt 15 große Industriegruppen ein, die sich auf den Ausstoß einer vielfältigen Produktion spezialisiert haben.[248] Die führenden Unternehmen in diesem Bereich sind die hochrentablen, erdölverarbeitenden Unternehmen und Produzenten von chemischen Düngemitteln. Darüber hinaus sind in Russland die Herstellung von Chemiefasern, Kunststoffen und Autoreifen stark entwickelt. Die Wirtschaft Russlands wird auch durch die Herstellung von Baustoffen, die Leichtindustrie (hauptsächlich Textilindustrie) und die Nahrungsmittelindustrie geprägt.
Einzelhandel
Zu den führenden lokalen Einzelhandelsketten gehören mit großem Abstand die X5-Retail Group (zu dem u. a. die Ketten Pjatjorotschka und Perekrjostok gehören), Magnit, bei den internationalen Ketten führen die Metro Group und Auchan. Den Bankenmarkt dominieren Staatsinstitute wie Sberbank, WTB, Rosselchosbank und Wneschekonombank. Allein die Sberbank, die frühere Werktätigensparkasse der Sowjetunion, hält etwa die Hälfte aller Spareinlagen. Über ein landesweites Filialnetz verfügt nur die Sberbank. Der Anteil der staatlich kontrollierten Banken am Gesamtmarkt beträgt im Schnitt etwa 50 Prozent. Die größten russischen Privatbanken (Gazprombank, Alfa Group, MDM Bank, Rosbank) sind Teil von Industrieholdings und nehmen hauptsächlich Aufgaben im Rahmen der Holding wahr.[249]
Außenhandel
Von der Lieferstruktur her wichtigster Handelspartner Russlands ist Deutschland, das vor allem industrielle Fertigerzeugnisse wie Maschinen, Anlagen und Spitzentechnik nach Russland liefert. Russland ist im Gegenzug Deutschlands größter Rohöllieferant und deckt rund ein Drittel des deutschen Erdgasbedarfs. Der deutsch-russische Handel stieg 2018 um 8,4 % auf 61,9 Mrd. Euro. Die deutschen Importe aus Russland legten im Vorjahresvergleich um 14,7 % zu und betrugen rund 36 Mrd. Euro. Auch die Exporte nach Russland sind um 0,6 % auf 25,9 Mrd. Euro gestiegen.[250] Die Volksrepublik China hat 2010 Deutschland als wichtigsten Außenhandelspartner abgelöst, ebenfalls von Bedeutung für Russland sind die Niederlande, Ukraine, Italien, Belarus und die Türkei. Schon heute ist Russland weltweit zweitgrößter Exporteur von Rohöl und weltweit größter Exporteur von Erdgas. Der Export von Energieträgern und Elektrizität hat einen Anteil von 62,8 Prozent an den Gesamtausfuhren (Metalle, Metallprodukte: 9,9 Prozent, Chemikalien: 4,1 Prozent).[200] Russlands Anteil am weltweiten Warenhandel ist trotz seiner bedeutenden Stellung als Rohstofflieferant jedoch vergleichsweise gering. Er beträgt zwei Prozent, knapp ein Drittel des Anteils Deutschlands.
Russlands Warenaustausch mit dem Ausland war 2019 rückläufig. Auf US-Dollarbasis sank der Handelsumsatz im Vergleich zum Vorjahr um 3,1 Prozent, er belief sich auf umgerechnet rund 595 Milliarden Euro. Die Einfuhren von Waren und Dienstleistungen legten um 2,2 Prozent zu, die Ausfuhren gingen hingegen um 6 Prozent zurück. Erstmals seit zehn Jahren bremste der Export somit das BIP-Wachstum.[251]
Tourismus
Das Land verfügt über sehenswerte Naturlandschaften, darunter UNESCO-Weltnaturerbe, sowie Sehenswürdigkeiten von hohem kulturellen Wert. 2010 besuchten 2,4 Millionen ausländische Touristen Russland, wohingegen 13,1 Mio. Russen zur Erholung ins Ausland reisten.[252] Der Binnentourismus brachte es auf 29,1 Mio. Reisende. Obwohl der Touristenstrom aus Asien und Südamerika zunimmt, machen Gäste aus Europa – mit Deutschland an der Spitze – den Großteil der Besucher in Russland aus. So waren auch die Einreisezahlen von Urlaubs- und Geschäftsreisenden kontinuierlich gestiegen; waren es 2002 rund 360.000 Deutsche, die das Land bereisten, so kamen 2008 558.000 deutsche Besucher. Allerdings waren davon nur 66.000 Urlaubsreisen Deutscher und der Rest Geschäftsreisen sowie Familien- und Freundschaftsbesuche.[253] 2017 besuchten 580.000 Deutsche die Russische Föderation.[254] Individualtouristen wurden häufig durch Visa-Beschaffung und sprachliche Hürden abgeschreckt, während das Land bei Reisegruppen beliebter ist.
Touristen waren lange durch ein unattraktives Markenimage abgeschreckt,[255] wonach „Russland ein unbehagliches Land“ und „nicht bereit dazu sei, Touristen aufzunehmen. Dass die Menschen dort unfreundlich seien und dass überall rundherum die Gefahr lauere“, meinte Alexander Radkow, Chef der staatlichen Tourismusagentur Rostourismus, im Jahr 2012.[256] Trotz vermehrter Aktivitäten durch die Föderale Tourismusagentur fehlt bislang eine wirksame PR- und Marketingstrategie, die das schlechte Image des Landes im Westen, verursacht u. a. durch mediale Berichterstattung,[167][257] welche vor allem Nachrichten über Anschläge, Korruption und Unfreiheit enthält, beeinflussen könnte.[258]
Der Tourismus in Russland konzentriert sich vor allem auf die beiden Metropolen Moskau und Sankt Petersburg. Sankt Petersburg gilt als Venedig des Nordens und besitzt ein reiches kulturelles Angebot und eine historische Innenstadt, die vollständig UNESCO-Weltkulturerbe ist. Typisch für St. Petersburg sind die Weißen Nächte mit den hochgeklappten Newa-Brücken von Ende Mai bis Mitte Juli. Darüber hinaus werden Schifffahrten auf der Wolga sowie Besichtigungen von altrussischen Städten nordöstlich von Moskau, dem sogenannten Goldenen Ring mit mehr als 20 Städten, angeboten. Natururlaub ist vor allem in Karelien und dem Altai-Gebirge (Weltnaturerbe) möglich. Die Transsibirische Eisenbahn (Transsib) führt auf rund 9300 Kilometern von Moskau über Jekaterinburg, Nowosibirsk, die Hauptstadt Sibiriens, Irkutsk, das auch „Paris“ Sibiriens genannt wird, sowie die Region um den Baikalsee, ebenfalls ein UNESCO-Weltnaturerbe, bis nach Wladiwostok. Die Transsib wird sowohl von Individualtouristen in den Regelzügen der russischen Eisenbahn befahren als auch von Gruppenreisenden, die Fahrten in Sonderzügen buchen.
Auch Kaliningrad, das frühere Königsberg, zieht immer mehr deutsche Besucher an. Die Kurische Nehrung, eine schmale Landzunge, 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt, liegt teils in der Oblast Kaliningrad, teils in Litauen.
Im innerrussischen Fremdenverkehr sind die Badeorte der Schwarzmeerküste sowie eine Reihe von nordkaukasischen Thermalquellen-Kurorten wie Kislowodsk oder Pjatigorsk von Bedeutung. 400 Kilometer liegen zwischen dem nördlichsten und dem südlichsten Punkt der russischen Schwarzmeerküste. Auf diesem relativ kleinen Küstenabschnitt, der auf dem gleichen Breitengrad gelegen ist wie die Badeorte der Adria und der italienischen und französischen Mittelmeerküste, konzentriert sich innerhalb der Saison von Mai bis Oktober der Großteil des Seebadbetriebes Russlands.
Zunehmender Beliebtheit erfreut sich der Skitourismus im Nordkaukasus. Vor allem für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi wurde die entsprechende Infrastruktur ausgebaut.
Verkehrsinfrastruktur
Mit einer Größe von 17.075.400 km² liegt das besondere Augenmerk des Landes auf einer möglichst breit gefächerten und funktionierenden Infrastruktur. Nach der politischen Wende Russlands hatte sich das Verkehrsaufkommen zunächst aufgrund des Wirtschaftsabbaus überwiegend reduziert, erlebte dann aber ein starkes Wachstum. Die derzeitige Infrastruktur stammt noch zu einem größeren Teil aus den Zeiten der Sowjetunion und ist inzwischen modernisierungsbedürftig, und die bestehenden Verkehrssysteme erzeugen kaum Netzwerkeffekte. Die Erweiterung und Modernisierung der Transport-Infrastruktur besitzt für die russische Regierung daher hohe Priorität. 2005 beschloss die Regierung eine Strategie zur Erneuerung der Verkehrswege, mit Schwerpunkt auf fortgesetzten Modernisierungen und Verbesserungen im Schienen-, Straßen- und Luftverkehr sowie der Sanierung der Häfen des Landes. Zudem sollen Konzessionen und andere öffentlich-private Partnerschaftsmodelle im Transportsektor forciert werden, um auch in diesem Sektor Finanzierungsmittel privater Investoren zu mobilisieren.
Trotz schwieriger Bedingungen will sich Russland programmatisch als ein wichtiges Drehkreuz im Asien-Europa-Verkehr und zum Teil auch auf der Nord-Süd-Achse von Nordeuropa Richtung Indien etablieren. Die Logistikinfrastruktur soll dazu vor allem an den Knotenpunkten Moskau und Sankt Petersburg ausgebaut werden.
Während die Verkehrsinfrastruktur Russlands westlich des Urals insgesamt gut ausgebaut ist, ist die Infrastruktur von Straßen- und Eisenbahnen im Trans-Ural und in Sibirien technisch bestenfalls veraltet und nicht wettbewerbsfähig. Größtes verkehrstechnisches Hindernis zur wirtschaftlichen Anbindung der riesigen Territorien Sibiriens an die boomenden süd- und südostasiatischen Staaten sind fehlende Verkehrswege in Nord-Süd-Richtung.[259] Demzufolge vereinbarten Wladimir Putin und Xi Jinping 2015, die respektive von Russland und China initiierte Eurasische Wirtschaftsunion und die Silk Road Belt Initiative in ein Projekt, die Central Eurasia Initiative, zu integrieren. Darin soll eine logistische Strategie zu einem neuen Transportgerüst für Sibirien und den Fernen Osten Russlands ausgearbeitet werden.
Im Logistics Performance Index, der von der Weltbank erstellt wird und die Qualität der Infrastruktur misst, belegte Russland 2018 den 75. Platz unter 160 Ländern.[260]
Straßenverkehr
Seit 2000 ist in Russland der Trend zur Straße deutlich zu erkennen. Die Straßendichte ist mit 40 Meter Straße pro Quadratkilometer sehr gering. Dies ist unter anderem auf die in großen Teilen des Landes sehr geringe Bevölkerungsdichte zurückzuführen. Das Straßennetz in Russland ist von sehr unterschiedlicher Qualität, sein Ausbau kann mit dem immer stärker werdenden Straßenverkehr nicht Schritt halten. Die Dichte des Netzes nimmt von West nach Ost stark ab: Je weiter man sich von Moskau nach Osten entfernt, desto mehr verschlechtern sich die Straßenverhältnisse. Trotzdem wird der Großteil des Güterverkehrs zwischen Westeuropa und Russland über die Straße abgewickelt – im Transit über Polen und Belarus oder über die Nordroute via Polen und die baltischen Republiken sowie über Finnland. Dazu trägt auch der Spurweitenunterschied der Eisenbahnen bei.
Das russische Autobahn- und Fernstraßennetz umfasst zusammen etwa 540.000 Kilometer (2001), davon sind zwei Drittel befestigt. Erst seit 2003 existiert eine räumlich und saisonal durchgehende Straßenverbindung von der Ostsee zum Pazifik. Die Fernstraßen sind außerhalb der Ballungsgebiete in der Regel nicht als Autobahnen oder Schnellstraßen ausgebaut und auch bei größeren breiten Straßen sind die Richtungsfahrbahnen nicht durch Leitplanken voneinander getrennt. Die wichtigste Fernstraße in Russland ist die Europastraße 30, die in Sibirien endet.
Der Anteil der Transportkosten an den Produktionskosten liegt aufgrund der schlechten Straßen bei bis zu 20 Prozent. Die schlechte Infrastruktur kostet das Land bis zu neun Prozent seiner Wirtschaftsleistung; Verkehrsexperten schätzen, dass jährlich umgerechnet mindestens 32 Milliarden Euro in den Ausbau der Straßen investiert werden müssten.[261]
Im Straßenverkehr passieren relativ viele tödliche Unfälle. Im Jahr 2013 kamen in Russland insgesamt 18,9 Verkehrstote auf 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland waren es im selben Jahr 4,3 Tote. Insgesamt kamen damit 27.000 Personen im Straßenverkehr ums Leben. Die Motorisierungsrate des Landes liegt weltweit im oberen Mittelfeld. 2017 kamen im Land 324 Kraftfahrzeuge auf 1000 Einwohner. Mit ca. 46,9 Millionen Fahrzeugen verfügt Russland über den fünftgrößten Fuhrpark aller Länder.[262]
Öffentlicher Nahverkehr
Fast die Hälfte der Passagierbeförderung findet im Nahverkehr statt, vorwiegend über das Busnetz, das in 120 Städten existiert. Darüber hinaus verfügen 90 russische Städte über ein Obusnetz, in 66 Städten gibt es Straßenbahnen und Vorortzüge und in sieben Städten auch eine U-Bahn sowie in vier weiteren S-Bahnlinien.
In den 1990er Jahren verfielen viele der guten Nahverkehrsnetze und wurden zunehmend durch private Bus- oder Linientaxibetriebe ergänzt oder ersetzt. Auch in jüngster Zeit wurden in mehreren Großstädten Straßenbahn- oder Obussysteme zugunsten von Bussen stillgelegt (so 2008 der Obus in Archangelsk und die Straßenbahn in Iwanowo, oder 2009 die Straßenbahn in Woronesch).
Schienenverkehr
Als Massentransportmittel über lange Distanzen nimmt die Eisenbahn in Russland einen wichtigen Teil des Verkehrsmarktes ein. Aufgrund der großen Entfernungen bildete im frühen 20. Jahrhundert die Anbindung des Fernen Ostens eine große Herausforderung, die das Land mit der berühmten Transsibirischen Eisenbahn herstellen konnte. Parallel dazu wurde Ende des 20. Jahrhunderts zur Erschließung des fernen Ostens Sibiriens die Baikal-Amur-Magistrale vom Baikalsee zum Fluss Amur gebaut. Durch diese beiden und die abzweigenden Strecken wird das Land in west-östlicher Richtung erschlossen. Durch sie kann beispielsweise die Beförderung von Gütern zwischen Pusan und Helsinki von etwa 47 Tagen auf dem Seeweg auf ca. 16 Tage reduziert werden.
Im Mai 2001 beschloss die russische Regierung die Umsetzung der Bahnreform. Die Hauptziele war die Liberalisierung des Eisenbahnmarktes und Freigabe der Tarife im Eisenbahnverkehr. Im Rahmen der Bahnreform wurde im Oktober 2003 das ehemalige Bahnministerium (MPS) aufgelöst und Russlands zweitgrößtes staatliches Unternehmen, die Rossijskije schelesnyje dorogi (RZhD) gegründet. In den letzten Jahren sind in Russland auch 85 Privatbahnunternehmen entstanden, die heute mehr als 25 Prozent der Güter transportieren und rund 30 Prozent (etwa 200.000 Güterwagen) des gesamten Güterwagen-Bestands in Russland besitzen. Das Streckennetz in Russland wird von der RZhD betrieben. Insgesamt umfasst das gut entwickelte Eisenbahnnetz (Breitspur mit 1520 Millimeter Spurweite) rund 87.000 Kilometer, davon ist knapp die Hälfte (40.000 Kilometer) elektrifiziert. Auf der Insel Sachalin existieren fast 1000 Kilometer in 1067 Millimeter Breite. Daneben gibt es zusätzlich 30.000 Kilometer nicht öffentlicher Industriebahnen (alle Angaben 2004). Während in Westeuropa schon seit Jahrzehnten der Straßengüterverkehr der dominierende Verkehrsträger ist und die Bahn eine nachrangige Bedeutung hat, konnte der Lkw in Russland erst seit 2000 aufholen. Daher besitzt die Bahn in Russland mit 83 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Marktanteil am Güterverkehr.
Wasserverkehr
Russland verfügt über eine beträchtliche Anzahl von Häfen und befahrbaren Wasserstraßen. 72.000 Kilometer Binnenwasserwege verbinden im europäischen Teil Russlands die Ostsee, das Schwarze Meer, die Binnenseen und das Weiße Meer miteinander. Wichtige Wasserstraßen dabei sind die Wolga, die Kama, die Nischni Nowgoroder Oka, die Wjatka, der Don und die Kanäle, die diese Flüsse miteinander verbinden.
In Sibirien sind 24.000 Kilometer schiffbar. Durch die Entwässerung der großen Flüsse Ob, Jenissei und Lena in das Polarmeer fehlt eine Ost-West Erschließung auf dem Wasserweg; durch Eisbildung ist die Polarroute nur wenige Monate im Sommer möglich, diese Periode verlängert sich aber durch den Klimawandel. Die Schiffbarkeit der Flüsse und Kanäle wird durch meteorologische Einflüsse (Wasserstand) und mangelhaften Ausbau stark beeinträchtigt. Seit 1990 ist in Russland ein Abbau des Bestands der Binnenschiffsflotte zu beobachten. Die Zahl der Binnenschiffe betrug 2002 noch etwa 8800, davon waren 8000 Güterschiffe und 800 Passagierschiffe. Die wichtigsten russischen Binnenhäfen sind Archangelsk, Perm, Jaroslaw, Saratow und Tscheboksary.
Die Seeschifffahrt gehört zu den stark wachsenden Verkehrsbranchen in Russland. Wesentlicher Grund dafür ist das steigende Exportaufkommen an Rohöl und Mineralölerzeugnissen. Die wichtigsten Seehäfen befinden sich in St. Petersburg und Kaliningrad an der Ostsee, Noworossijsk und Sotschi am Schwarzen Meer sowie Wladiwostok, Nachodka, Magadan und Petropawlowsk-Kamtschatski am Pazifischen Ozean; Murmansk ist der einzige ganzjährig eisfrei gehaltene (Nord-)Atlantikhafen. Im Jahr 2003 betrug der Güterumschlag in den russischen Häfen 285,7 Millionen Tonnen. Für den Güterverkehr zwischen dem russischen Kernland und der Exklave Kaliningrad ist der Fährverkehr von Bedeutung.
Luftverkehr
In Russland und der Sowjetunion kam der Luftfahrt aufgrund der Fläche des Landes schon früh eine große Bedeutung zu. Der nationale Flugverkehr verbindet entlegene Gebiete, deren Erschließung auf dem Landweg sich nie lohnte. Zu Zeiten der Sowjetunion war die staatliche Aeroflot die größte Fluggesellschaft der Welt und ihre Preise teils günstiger als die der Eisenbahn. Die Flugscheine in den fernen Osten Russlands werden auch heute vom Staat subventioniert.[263] Neben der weiterhin halbstaatlichen Aeroflot fliegen als größere Gesellschaften die ebenfalls mit dem Staat verbundene Rossija, S7 Airlines oder UTair. Die Zahl von Flughäfen in Russland verringerte sich zwischen 1992 und 2011 von 1302 auf 496, wobei die Zahl internationaler Flughäfen von 19 auf 70 gestiegen war und 55 Flugplätze über eine befestigte Piste von mehr als 3000 Metern Länge verfügten. Mehrere internationale Fluggesellschaften fliegen außer Moskau auch andere russische Städte an. Die größten und wichtigsten Flughäfen sind Scheremetjewo-2 und Domodedowo in der Nähe von Moskau. Die Flugzeugflotte Russlands umfasste im Jahr 2011 rund 6000 Flugzeuge, davon knapp 2000 Frachtflugzeuge. Zur Belebung der russischen Luftfahrtindustrie dienen staatliche Förderung und Regulierungen. Im Herbst 2018 erteilte die Regierung den Banken Sberbank und VTB den Auftrag zur Gründung einer großen Regionalfluglinie,[264] Mit deren Hilfe sollte eine Aufwertung der Regionalflughäfen zur Entlastung des Drehkreuzes Moskau erreicht werden.[265] Im Januar 2020 erteilte Präsident Putin der Regierung die Anweisung, eine Gesellschaft für die Erschließung der abgelegenen östlichen Regionen zu bilden mit einer rein aus russischen Flugzeugen bestehenden Flotte.[263] Diese Gesellschaft wurde auf Basis der Red Wings geschaffen.[266]
Raumfahrt
In den 1990er-Jahren litt die russische Raumfahrt unter großen Finanzierungsproblemen, so dass viele Programme stillstanden. Durch die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation konnte sich die russische Raumfahrt erholen. Das Staatsunternehmen Roskosmos ist als nationale Weltraumorganisation für das zivile Raumfahrtprogramm des Landes zuständig; sein Sitz befindet sich im Sternenstädtchen nahe Moskau. Es wurde 1992 als Behörde gegründet und übernahm die wesentlichen Ressourcen der sowjetischen Raumfahrt. Roskosmos nutzt aktuell drei Raumfahrtbahnhöfe: das Kosmodrom Plessezk bei Archangelsk, das Kosmodrom Wostotschny im Amur-Gebiet sowie das Kosmodrom Baikonur in Kasachstan, die Hauptbasis der sowjetischen und russischen Raumfahrt. Russland ist seit Jahrzehnten einer der erfolgreichsten Anbieter von kommerziellen Raketenstarts.
Im Juli 2005 wurde ein neues Raumfahrtprogramm für die Jahre 2005 bis 2015 von der russischen Regierung genehmigt. Ziel war es, das Weltniveau der russischen Raumfahrt zu sichern und die Position Russlands unter den weltweit führenden Raumfahrtmächten zu festigen. Priorität hatten dabei die Entwicklung und Nutzung der Raumfahrttechnik und -dienstleistungen sowie der Bau von Raumschiffen für bemannte Flüge, Transport- und interplanetare Missionen, darunter auch ein wiederverwendbares Raumfahrtsystem. Russland beteiligt sich maßgeblich an der ISS, zu deren Versorgung, seit der Einstellung des Space-Shuttle-Programms, vermehrt die Sojus-Rakete mit dem Sojus-Raumschiff und dem Progress-Raumtransporter eingesetzt werden.
Weiterhin sollen die wissenschaftlich-technischen Grundlagen für einen bemannten Flug zum Mars und eine Raumstation der neuen Generation geschaffen werden. In einem ersten Schritt wollte Russland dazu bis 2015 seine Satellitenflotte vorrangig mithilfe westlicher Elemente an den Weltstandard heranführen. Zudem sollten zu diesem Zeitpunkt vom neuen Kosmodrom Wostotschny im Amur-Gebiet die ersten unbemannten Starts mit modernisierten Versionen der bisherigen Trägerraketen erfolgen. Tatsächlich startet dort seit 2016 das ältere Modell Sojus-2.1. Für 2020 waren von Wostotschny erste bemannte Starts von Raumschiffen mit der neuen Trägerrakete Angara A5 geplant; dies verschiebt sich auf Mitte der 2020er Jahre. Zugleich sind für die 2020er Jahre Missionen zur vertieften Erforschung des Mondes sowie des Planeten Venus vorgesehen.
Die russische Raumfahrtindustrie war seit Sowjetzeiten mit der der Ukraine verwoben; mehrere Raketen wie die Dnepr und die Zenit wurden gemeinsam entwickelt und produziert. Durch den Krieg mit der Ukraine zerbrach diese Zusammenarbeit, sodass Russland etwa die Hälfte seiner Auswahl an Trägerraketen verlor. Neue Eigenentwicklungen wie die Sojus-5 und -6 sollen dies im Laufe der 2020er Jahre kompensieren.
Post
Der überwiegende Teil des russischen Postwesens wird vom staatlichen Unternehmen Potschta Rossii abgewickelt. Dieses wurde 2002 aus dem zugleich aufgelösten föderalen Post- und Telekommunikationsministerium ausgegliedert, das auch zu Sowjetzeiten für den Postverkehr zuständig war. Heute bietet die Potschta Rossii ihre Dienstleistungen in insgesamt über 42.000 Postämtern an, die flächendeckend über ganz Russland verteilt sind. Die Zahl der Beschäftigten im Unternehmen beläuft sich russlandweit auf rund 415.000.[267] In vielen Städten bieten Postfilialen seit Anfang des 21. Jahrhunderts neben grundlegenden Postdienstleistungen – wie etwa dem Versenden und Empfangen von Briefen, Paketen und Telegrammen sowie dem Postgiro – auch ergänzende Dienste an, darunter öffentliche Computerarbeitsplätze mit Internetzugang.
Im Briefzustellungsbereich ist Potschta Rossii in Russland Monopolist. Im Bereich der Paketpost sind seit den 1990er Jahren auch international tätige Kurierunternehmen wie DHL oder TNT Express in Russland tätig.
Telekommunikation
Das gesamtrussische Telekommunikationsunternehmen Rostelekom ist das größte Unternehmen dieser Branche in Russland. Seit dem 1. April 2011 gehören zu ihm die Regionalfilialen Dalny Wostok (Ferner Osten), Sibir, Ural, Wolga, Jug (Süden), Sewero-Sapad (Nord-West) und Zentr (Zentrum). Den Mobilfunkmarkt teilen sich landesweit im Wesentlichen die drei größten Anbieter des Landes Mobile TeleSystems, Beeline und MegaFon, ferner einige kleinere regionale Anbieter. Diese Branche erlebte in Russland ab dem Jahr 2000 einen rasanten Wachstum: Besaß noch im Jahr 2000 weniger als ein Prozent der russischen Bevölkerung ein Mobiltelefon, überschritt 2006 die landesweite Anzahl von Handys bereits die Bevölkerungszahl und betrug mit dem Stand vom 31. März 2007 gut 155 Millionen.
Im Jahr 2019 wurde per Gesetz verfügt, dass der Internet-Datenverkehr über eigene Server zu laufen hat, sodass fortan eine Unabhängigkeit gegenüber dem Ausland gewährleistet ist.[268][269]
Internet
Die Geschichte des Internets in Russland beginnt im September 1990, als die Top-Level-Domain „.su“ für die damalige Sowjetunion angemeldet wurde. Diese Domain wird von russischen Websites teilweise bis heute benutzt. Im März 1994 wurde die offizielle Top-Level-Domain „.ru“ für russische Internet-Adressen angemeldet. Websites unter dieser Domain machen einen beträchtlichen Teil des russischen Internets – oft kurz Runet genannt – aus. Inzwischen hat das Land auch eine kyrillische Top-Level-Domain (.рф). Das russische Internet-Segment rangierte um 2012 mit insgesamt mehr als 3,6 Millionen Domainnamen auf Platz vier weltweit.
In den 2000er-Jahren stieg die Anzahl der Internetnutzer in ganz Russland kontinuierlich an: Gab es im Jahre 2000 nur 3,1 Millionen Nutzer (2,1 Prozent der Bevölkerung) landesweit, betrug ihre Anzahl 2007 bereits 28 Mio. (19,5 Prozent).[270] Mit mehr als 50 Millionen Internet-Usern wurde Russland 2011 zum europäischen Spitzenreiter.[271] 2016 nutzten 102 Millionen Russen das Internet, oder 71,3 Prozent der Bevölkerung.[272] Zu den bedeutendsten Internet-Projekten des Runet gehören die Suchmaschinen Rambler und Yandex, das Online-Netzwerk W Kontakte sowie die Informations- und Nachrichtenportale RBC Informations Systems, Lenta.ru und Gazeta.ru. Zu den bekanntesten Providern gehören größere Telekommunikationsunternehmen wie CenterTelekom, MGTS, North-West Telecom oder WolgaTelekom.[273] Im Zuge einer staatlichen Förderung des Internet-Ausbaus verzeichneten die Social-Media-Aktivitäten in Russland einen außergewöhnlich starken Auftrieb, entsprechende Plattformen spielen in Russland eine bedeutende Rolle. Besonders populär sind die in Russland entstandenen Plattformen Vkontakte.ru und Odnoklassniki.ru, die höhere Wachstumsraten auswiesen als internationale, wie etwa Facebook. Auch LiveJournal wurde in Russland im internationalen Vergleich überdurchschnittlich genutzt und schließlich russisch. Die Bruttoreichweite der Social Networks betrug im Jahr 2010 49,2 Millionen der in Russland lebenden Personen.[274] Seither wurden viele Regulierungen mit schwammigen Formulierungen erlassen, welche den Behörden ein Durchgreifen gegen Dienste und Nutzer erlauben. Ab 2018 müssten sämtliche Kommunikationsinhalte gespeichert (und dem Staat zur Verfügung gestellt) werden, eine Verschiebung dieser Pflicht um 5 Jahre musste wegen des Aufwandes im Jahr 2017 erwogen werden.[275]
Medienstruktur
Seit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems gab es viele Umstrukturierungsphasen im russischen Mediensektor. Staatliche Reformen haben den Medienmarkt zu Beginn der 1990er-Jahre privatisiert. Viele Zeitungen, Verlage und Fernsehsender gingen seitdem Allianzen mit Oligarchen ein, um ihr Überleben zu sichern. Dabei gerieten sie aber unter deren Kontrolle, die durch Manipulationen politischen Einfluss über die Medien ausüben.[276] Die Medienimperien von Boris Beresowski und Wladimir Gussinski (Media Most) wurden sodann unter Putin wieder aufgelöst. Die größten russischen Medienholdings sind die Gazprom-Media und die WGTRK, die Allrussische Staatsgesellschaft für Fernsehen und Radio. Obwohl die Medienzensur durch Roskomnadsor (Aufsichtsbehörde für Massenmedien, Kommunikation und den Schutz des kulturellen Erbes) praktiziert wird[277], ist laut der russischen Verfassung, Kapitel 2, Artikel 29 die Freiheit der Meinung und des Wortes garantiert. Propaganda und Agitation, die soziale, rassische, nationale und religiöse Feindschaft schürt, ist verboten. Die meisten Russen bevorzugen das Fernsehen als Informationsquelle Nummer eins, gefolgt von Zeitungen. Nach Angaben von Roskomnadsor sind in Russland (Stand: Jahr 2012) 66.032 Medien gelistet. Darunter finden sich 5254 TV-Sender, 3769 Radiosender, 28.449 Zeitungen und 21.572 Zeitschriften.[278]
Druckmedien
Die tagesaktuelle Presse der UdSSR wurde jahrzehntelang vor allem durch die halbamtliche Presseagentur TASS mit Informationen versorgt. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR entwickelte sich in Russland eine freie Presse, die sich jedoch heute wieder zunehmenden Repressionen durch die Regierung ausgesetzt sieht. Freedom House bewertet die Pressefreiheit als „nicht frei“ und mit einem generellen Abwärtstrend (2002 war das Land noch als „teilweise frei“ verzeichnet).[279] In der Rangliste der Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen rangiert Russland im Jahr 2019 auf dem 149. Platz; in Europa schnitten nur das benachbarte Belarus (Rang 153), die Türkei (Rang 157) und Kasachstan (Rang 158) schlechter ab.[280] Im Frühjahr 2017 wurde der Journalist Nikolai Andruschtschenko getötet.[281] Laut dem Bericht von Reporter ohne Grenzen steht der Tod des Opfers in direktem Zusammenhang mit seiner journalistischen Tätigkeit.[282]
Unter den Printmedien gilt die Boulevardzeitung Moskowski Komsomolez als die beliebteste im Land. Nach eigenen Angaben erreicht die Boulevardzeitung etwa 1,3 Millionen Leser. Sie ist auch die günstigste. Wichtigste Tageszeitung ist die Komsomolskaja Prawda, mit einer Auflage von heute 830.000 Exemplaren. Die Tageszeitung Rossijskaja gaseta (Auflage: 430.000 Exemplare) ist ein Verlautbarungsblatt der russischen Regierung mit Sitz in Moskau. Russische Gesetze und Erlasse treten erst mit der Veröffentlichung in der Rossijskaja Gaseta in Kraft. Eine staatliche Informations- und Analyseagentur ist seit 1993 die RIA Novosti mit eigenen Korrespondenten in mehr als 40 Ländern.
Radio
Neben dem staatlichen Radio Rossii gibt es zahlreiche private Hörfunksender – meist Lokalsender. Einige Moskauer Stationen haben auch Lizenzen in den Regionen. Der Sender Echo Moskwy gilt als einziger verbliebener Vertreter regierungskritischer Medien. Russische Radiosender nutzen heutzutage die auch in Deutschland üblichen UKW-Frequenzen (87,5 MHz bis 108,0 MHz) unter der englischen Bezeichnung „FM“. Zu Sowjetzeiten wurde das so genannte OIRT-Band (65,9 bis 73,1 MHz) genutzt, wo heute unter dem Namen UKW noch einzelne Sender laufen. Viele russische Wohnungen haben einen Radiostecker, mit dem man in der Art des Drahtfunks ein bis drei Sender empfangen kann. Die simplen Geräte benötigen keine weitere Stromversorgung und haben oftmals als einziges Bedienelement einen Lautstärkeregler. Unter der Bezeichnung „Stimme Russlands“ wird der umfangreiche Rundfunk-Auslandsdienst betrieben.
Fernsehen
Das Fernsehen ist für 85 % der russischen Bevölkerung die hauptsächliche und oft einzige Informationsquelle und eignet sich daher besonders als Propaganda-Instrument der Regierung, die die inhaltliche Ausrichtung der Programme sorgfältig steuert.[284] In den meisten Teilen Russlands können drei landesweite und ein bis zwei regionale Fernsehsender empfangen werden. In Moskau sind je nach Lage mehr als ein Dutzend Fernsehanbieter terrestrisch empfangbar. Der Perwy kanal, dt.: Erster Kanal, ist landesweit der Sender mit der größten Reichweite und kann von 99,8 % der russischen Bevölkerung empfangen werden, die wöchentliche Zuschauerschaft beim Sender erreicht über 80 % der Bevölkerung. Ein Teil der russischen Fernsehsender wird vom staatlichen Medienkonzern WGTRK betrieben. Zu dessen Angebot gehört der Kanal Rossija 1, der laut eigenen Angaben von ca. 98,8 % der russischen Bevölkerung empfangen wird. Auch ein Sportsender namens Sport (russisch: Спорт) und ein Kultursender namens Rossija K werden von WGTRK betrieben. Daneben gibt es seit 2005 den international ausgerichteten, englischsprachigen Sender Russia Today mit Sitz in Moskau, dessen erklärte Ziele sind, alte Vorurteile und Klischees über Russland abzubauen und dem Publikum die russische Sichtweise auf das internationale Geschehen vorzustellen. Auch Entwicklungen innerhalb Russlands sollen hier aus russischer Perspektive beleuchtet werden. Vesti ist einer der wichtigsten Nachrichtenkanäle Russlands. Er ist ein Teil von Telekanal Rossija und RTR. Der TV-Sender Russian TV international wird speziell für die im Ausland lebenden Russen produziert.
In den 1990er-Jahren entwickelten sich in Russland mehrere teils landesweite private Fernsehsender, die auch unabhängige und auch regierungskritische Informationssendungen im Programm hatten. Zu Beginn der 2000er-Jahre gerieten jedoch die landesweit empfangbaren Sender unter die indirekte Kontrolle des Staates oder wurden geschlossen und durch staatliche Sender ersetzt. So sendet Sport heute auf der Frequenz von TW-6. Russland sendet mit der Fernsehnorm SECAM (Variante Osteuropa). Russland plant langfristig (in den 2010er-Jahren) DVB-T einzuführen. Angeblich sollen derartige Geräte subventioniert werden, damit sich die Bevölkerung das verhältnismäßig teure Gerät anschaffen kann.
Bildungssystem
Das Bildungssystem in Russland gliedert sich in vier Abschnitte: allgemeine Schulausbildung, Berufsausbildung, Hochschulausbildung und die Postgraduierten-Ausbildung. Die allgemeine Schulausbildung bedeutet nicht, dass das Kind eine Schule besuchen muss.[285] Auf Wunsch der Eltern kann ein Kind eine häusliche Ausbildung erhalten, wenn sein Kenntnisstand dem Schulprogramm entspricht, was zweimal jährlich geprüft wird. Dieses Recht ist in Russland durch die Staatsverfassung (der Artikel 43) sowie durch das Bundesgesetz №273-ФЗ (das Föderalgesetz über Bildung in der Russischen Föderation) garantiert.[286]
Der Staat wendete um 2017 vier Prozent des Zentralhaushalts für Bildung auf.[35] Im PISA-Ranking von 2015 erreichen russische Schüler Platz 23 von 72 Ländern in Mathematik, Platz 32 in Naturwissenschaften und Platz 26 beim Leseverständnis.[287]
Allgemeine Schulausbildung
Die Allgemeine Schulausbildung untergliedert sich wiederum in die Abschnitte Grundstufe, Hauptstufe und Oberstufe.
- Grundstufe: Der Schuleintritt erfolgt im Alter von sieben Jahren. Sowohl das Studienjahr als auch das Schuljahr beginnen in ganz Russland einheitlich am 1. September jedes Jahres. Das vorgezogene Schuleintrittsalter von sechs Jahren wird durchschnittlich etwa 35 Prozent der Kinder nach einem psychologischen Gutachten empfohlen. Die vierjährige Primarstufe der Grund- oder Anfangsschule absolvieren die mit sieben Jahren eingeschulten Kinder binnen drei Jahren. Sie gelangen auf diese Weise aus dem dritten sofort in das fünfte Schuljahr.
- Hauptstufe: Danach folgt eine obligatorische sechsjährige Hauptschulstufe. Sie führt zum Erwerb der „grundlegenden allgemeinen Bildung“ – in der Regel am Ende der neunten Klasse und nach dem Erreichen des Pflichtschulalters von 15 Jahren. Dieser Abschluss berechtigt zum Besuch der oberen Sekundarstufe (zweijährig). Nach der neunjährigen Pflichtschulbildung kann statt der Oberschulstufe auch eine Berufsausbildung an der mittleren Fachschule (Berufsschule) beziehungsweise dem Technikum absolviert werden. Diese Einrichtungen stehen im vertikal durchlässigen gesamten beruflichen Bildungswesen weiterhin für den Erwerb der vollständigen mittleren Bildung zur Verfügung (dualer Ausbildungsgang). Denn zusätzlich zu den berufsspezifischen Fächern werden auch die allgemeinbildenden Fächer unterrichtet, inhaltlich allerdings an der beruflichen Ausrichtung orientiert.
- Oberstufe: Der Abschluss der Oberstufe erfolgt durch das „Zeugnis über die vollständige mittlere Bildung“ (das traditionell so genannte „Reifezeugnis“) – zu Deutsch Abitur, das aber noch nicht den Universitätseintritt garantiert. Dazu ist eine anspruchsvolle Aufnahmeprüfung erforderlich. Wer mit sehr guten Ergebnissen das Abitur abgelegt hat, hat nur eine oder zwei Aufnahmeprüfungen zu bestehen. Bei schlechteren Abiturnoten werden mehrere Fächer geprüft.
Hochschulen
Für die Hochschulausbildung steht den Studierenden in Russland ein vielfältiges Hochschulwesen zur Verfügung. Außer der klassischen Universität mit einem breiten Fächerangebot gibt es verschiedene Hochschulen und Akademien mit einer speziellen technischen, pädagogischen oder ökonomischen Ausrichtung. Das Abitur ist zwar Voraussetzung für den Hochschulbesuch, es muss jedoch zusätzlich eine Aufnahmeprüfung bestanden werden. Die Studienfinanzierung gibt es für leistungsstarke Schüler kostenfrei, für einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung aber nur gebührenfinanziert. Die Hochschulen haben nach 1992 größere Rechte zur Selbstverwaltung erhalten. Hochschulen werden neu aufgestellt; altehrwürdige Einrichtungen erhalten neue Namen und moderne Strukturen.
Die Dauer der meisten Studienprogramme beträgt fünf Jahre, wobei die ersten zwei Jahre wie in Deutschland auch, einem allgemeinen Grundstudium dienen, dem dann die fachliche Spezialisierung im Hauptstudium folgt. Bis 1991 gab es als einzigen Abschluss nur das Diplom. Mit der schrittweisen Einführung neuer Studiengänge sind neben dem Diplom auch der Bachelor und Master als Abschlüsse möglich, den die meisten Studenten auch anstreben.
Insgesamt lassen sich vier Kategorien von Hochschuleinrichtungen in folgender Hierarchie aufstellen:
- Universitäten
- Akademien
- Institute (= Hochschulen)
- Colleges
Zu den bekanntesten russischen Universitäten gehören die Staatliche Moskauer Lomonossow-Universität, die Staatliche Universität Sankt Petersburg, die Staatliche Universität Kasan und die Staatliche Technische Universität Nowosibirsk. Inzwischen ist in Russland die Gründung von privaten Schulen und Hochschulen erlaubt. Ihr Besuch ist nicht kostenlos und meist nur für eine kleine Schicht erschwinglich. In Russland gab es 2005 1061 Universitäten und Hochschulen, wovon 413 private Hochschulen waren.
Forschung
Erste Anfänge der wissenschaftlichen Tätigkeiten gab es in Russland bereits zu Zeiten der Kiewer Rus. So stammen die ersten überlieferten Chroniken, die Nestorchroniken, aus dem Jahr 1070. Dort wurden vor allem historische Ereignisse und auch meteorologische Beobachtungen festgehalten.
Wissenschaft als soziale Einrichtung entstand in Russland aber erst Anfang des 18. Jahrhunderts unter der Herrschaft Peter des Großen. Zu dieser Zeit wurden die ersten wissenschaftlichen Einrichtungen des Russischen Reichs gegründet, vor allem 1724 die Akademie der Wissenschaften. 1755 wurde in Moskau mit der heutigen Lomonossow-Universität die erste Universität Russlands gegründet. Im Jahre 1916 gab es in ganz Russland rund 100 Hochschulen, davon 10 Universitäten, sowie einige Dutzend Forschungseinrichtungen. Damit befand sich die Wissenschaft des Russischen Reichs im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern auf einem niedrigen Entwicklungsniveau. Dennoch genossen schon damals bestimmte Bereiche der russischen Wissenschaft internationales Ansehen. So waren unter den ersten Nobelpreisträgern zwei russische Akademiker, Iwan Pawlow (1904) und Ilja Metschnikow (1908).
Einen erheblichen Entwicklungsschub bekam die russische Wissenschaft zu Sowjetzeiten. Die Sowjetunion besaß insgesamt ein gut ausgebautes Forschungs- und Entwicklungssystem. Charakteristisch für diese Zeit war der hohe Zentralisierungsgrad der Forschung. So waren die meisten Wissenschaftler bei der Akademie der Wissenschaften oder in ihren regionalen Abteilungen angestellt. Zentrale Merkmale waren die Trennung von Forschung und Produktion, die Dominanz der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in der Grundlagenforschung und in der anwendungsbezogenen Forschung und die geringe Bedeutung des Hochschulbereichs in der Forschung. Alle Unternehmen im Wirtschaftsbereich waren in Staatsbesitz und führten selbst wenig Forschung durch. Ein Großteil der Forschung wurde durch spezialisierte Forschungsinstitute vorgenommen, die im Allgemeinen organisatorisch von den staatlichen Unternehmen getrennt waren. Da der Sowjetstaat der Industrialisierung und militärischer Überlegenheit eine sehr hohe Priorität einräumte, förderte er die Forschung und Entwicklung auf diesen Gebieten besonders großzügig. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs förderte der Staat die Entwicklung der sowjetischen Raumfahrt sehr intensiv. Dies alles führte dazu, dass die Sowjetunion in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Industrieland aufgestiegen war. Die Forschung und Entwicklung galt auf bestimmten Gebieten, wie der Rüstungsindustrie und der Raumfahrt, als weltweit führend.
Die Wissenschaft erlebte in der Russischen Föderation in den 1990er-Jahren eine schwere Krise, da es permanent an finanziellen Mitteln fehlte, um die vorhandenen Forschungseinrichtungen zu unterstützen. Das führte zu Entwicklungsstopps auf vielen Gebieten und zur Abwanderung qualifizierter Forschungs- und Lehrkräfte ins europäische Ausland oder in die USA. Die Institutionen und Arbeitsweisen in der russischen Forschung und Entwicklung haben viele Merkmale des ehemaligen sowjetischen Systems beibehalten, die Mehrheit der Forschungsorganisationen sind vom Wirtschaftssektor getrennt. Forschungseinrichtungen in Unternehmen sind in der Regel gering ausgebildet. Die Russische Akademie der Wissenschaften hat eine dominierende Stellung inne. Fast zwei Drittel aller Forschungseinrichtungen waren (Stand April 2012) in Staatsbesitz und beschäftigen 78 Prozent des Forschungspersonals. Dagegen sind 14 Prozent der Einrichtungen privatwirtschaftlich organisiert. Aufgrund dieser Übermacht des Staates wird die russische Forschung vorrangig durch große Forschungsinstitute angeführt, kleine Organisationen haben nur eine geringe Bedeutung. Dementsprechend beschäftigten 2008 die größten aller russischen Forschungseinrichtungen insgesamt 53 Prozent des Forschungspersonals und waren für 44 Prozent der gesamten Forschungsausgaben verantwortlich. Bei der Finanzierung von Forschung und Entwicklung überwiegt die Förderung durch den Staatshaushalt. Anfangs 2010er-Jahre versuchte die Regierung, den Forschungsbeitrag der Universitäten zu erhöhen. Am gesamten Finanzierungsumfang der Forschung macht der Hochschulsektor gerade sechs bis sieben Prozent aus. Zwölf Prozent des Lehrpersonals werden als Forscher eingestuft. Fast die Hälfte aller Universitäten und anderen Hochschuleinrichtungen beteiligt sich überhaupt nicht an Forschungsaktivitäten.
Trotz Krisen in den 1990er-Jahren nehmen einige Bereiche der Wissenschaft Russlands nach wie vor im internationalen Vergleich obere Positionen ein. So wurden fünf russische Physiker mit dem Nobelpreis ausgezeichnet: Schores Alfjorow im Jahr 2000, Alexei Abrikossow und Witali Ginsburg im Jahr 2003 sowie Andrei Geim und Konstantin Nowosjolow im Jahr 2010.
Zur Förderung der einheimischen Forschung und Entwicklung ab 2000 wurden spezielle nationale Zielprogramme entworfen, die unter anderem eine Erhöhung der Gehälter für Angestellte in der Wissenschaft, die Förderung von Nachwuchsakademikern und die landesweite Einrichtung von Technologieparks vorsehen. Dabei wird besonders auf die Weiterentwicklung in den Bereichen Wert gelegt, in denen Russland früher Spitzenergebnisse erzielte, also vor allem in Naturwissenschaften und der Rüstungsindustrie. Präsident Medwedew startete eine Modernisierungsoffensive durch Förderung zahlreicher Schlüsselprojekte, so die Stadt der Innovationen (Innograd), in Skolkowo. Dort sollen künftig neue Techniken erforscht und bis zur Marktreife entwickelt werden. Der neue Forschungs- und Entwicklungskomplex sollte vorrangig in fünf Bereichen arbeiten: Energie, Informationstechnik, Telekommunikation, Biomedizin und Kerntechnik. Die russische Regierung plant weiterhin den Einstieg in die Produktion von Mikroelektronik. Auch bei der Satellitennavigation will Russland seinen Markt stärker auf die Nutzung des einheimischen Systems GLONASS trimmen.
Kultur
Kulturelle Entwicklung
Die russische Kultur besteht aus einer europäischen Hochkultur und einer gewachsenen russischen Volkskultur. Zeitweise verstand sich Russland als das radikale Andere des Westens, auch weil die russische Kultur im Vergleich zu der westeuropäischen über lange Zeit eine andere Entwicklung nahm, bedingt durch ihren Standort an der Peripherie der westlichen Kulturentwicklung. Weiterhin führte das Schisma von 1054 zu einem sich völlig anders entfaltenden orthodoxen Christentum mit einer wachsenden Ablehnung des Katholizismus. Die russische Staats- und Rechtsauffassung, die dem byzantinischen Cäsaropapismus entstammt, im Unterschied zur römischen Rechtstradition im Westen, trug ebenso zu der Abgrenzung der russischen Kultur zu der westeuropäischen bei (vgl. Rechtsgeschichte Russlands). Im Gegensatz zu der Entwicklung von Nationalstaaten im restlichen Europa vollzog sich in Russland ab 1550 der Wandel zu einem Vielvölkerreich, der die kulturelle Entwicklung mitprägte.
Die russische Kultur ist weiterhin durch zeitlich verschiedene Entwicklungsphasen zur westeuropäischen Kultur geprägt. Dies lässt sich durch die geokulturelle Randlage und gleichzeitige Ausdehnung Russlands nach Osten erklären, die ein unterschiedliches Evolutionstempo im Wechselspiel verlangsamter und beschleunigter Nachhol- und Entwicklungsphasen hervorrufen, wodurch es in der russischen Geschichte wiederholt zu gesellschaftlichen Umbrüchen und politischen Radikalisierungen kam. Demnach kann Russland als eine Übersetzungskultur angesehen werden, allerdings nicht in passiver Nachahmung, sondern aus dem Bedürfnis des Nachholens und Überbietens. Dies erzeugt produktive Wechselwirkungen, indem Eigenes nach dem imitierten Fremden modelliert wird und so Neues hervorbringt.
Russlands Kulturgeschichte beginnt weitgehend mit seiner Christianisierung (988/989) am Ende des 10. Jahrhunderts, wobei auf Ersuchen des Kiewer Fürsten Wladimir I. die byzantinische Kultur in ihren slawisierten Formen für die nächsten sieben Jahrhunderte bei den Russen die Vorherrschaft gewann. Es folgte ein rasches Aufblühen ihres Schrifttums, ihrer Kunst und Architektur nach der Einführung des Christentums.
Gerade die Orthodoxie bedingte ein anderes, auf Beharrung und Traditionen basierendes Kulturverständnis. Die religiöse Weltanschauung und kirchliche Textauffassung bestimmte und verlangsamte im Moskauer Reich die kulturelle Entwicklung. Eine Erstarrung der russisch-orthodoxen Kultur setzte ab 1500 ein, nachdem der Impulsgeber Byzanz durch den Fall Konstantinopels unter osmanische Herrschaft gelangt war. Unter Peter I. begann ab dem 17. Jahrhundert eine forcierte Säkularisierung und Europäisierung des gesellschaftlichen Lebens. Der erste Kaiser des Russischen Reiches holte westeuropäische Architekten und Künstler ins Land und wollte durch die äußere Europäisierung – z. B. Ablegung der Bärte und Annahme der europäischen Kleiderordnung – eine Änderung der inneren Einstellung erreichen. Die Europäisierung Russlands erreichte aber nur eine kleine Oberschicht. Russland fand im 19. Jahrhundert den Anschluss an die europäische Kultur und gehörte um 1900 zu ihrer Avantgarde.[288] Neben einer verwestlichten Hochkultur der Oberschicht bestand die traditionelle russische Volkskultur im Volk fort, so dass bis 1914 immer noch zwei Kulturen nebeneinander bestanden. In der Sowjetunion wurde dann unter Stalin der Sozialistische Realismus zur einzigen verbindlichen Kulturnorm erklärt. Nicht systemkonforme schriftliche oder gesungene Ausdrucksformen von Kultur konnten nur im Untergrund als Samisdat erscheinen. Im neuen russischen Staat erlebte die russische Kultur in den 1990er-Jahren eine erneute Krise. So mussten die russischen Kunstschaffenden mit den wegfallenden staatlichen Förderungen und der Konkurrenz in der kapitalistischen Massenkultur in den 1990er-Jahren zuerst den daraus resultierenden Stillstand überwinden.
Volkskultur
Holzbaukunst
Die Wohnhäuser in Russland wurden lange in Blockbauweise (Isba) errichtet. Diese Blockhäuser findet man heute noch auf den Dörfern. Sie sind meist in blauen oder grünen Farbtönen gestrichen und besitzen phantasievolle geschnitzte, meist weiße Fensterrahmen. Blau und Grün sollen als Farben der Orthodoxie böse Geister vertreiben.[289]
Handwerkskunst
Russisches traditionelles Handwerk bildet einen wichtigen Aspekt der russischen Volkskultur. In der Waldzone der Nordost-Rus entwickelten sich das Drechslerhandwerk und die Holzschnitzerei. An Orten, an denen Lehm vorhanden war, entwickelte sich das Keramikhandwerk. In den nördlichen Regionen Russlands mit seinen ausgedehnten Flachsfeldern wurden Spitzen geklöppelt. Der Ural mit seinen reichen Vorkommen von Eisenerz sowie von Halbedel- und Schmucksteinen ist für seine Gießkunst, den Waffenschmuck und Schmuckartikel berühmt. Berühmt ist das Dymkowo Keramik-Spielzeug (siehe Anna Afanassjewna Mesrina), Chochloma, Keramik aus Gschel und Lackminiaturen aus Palech. Matrjoschka ist das beliebteste russische Souvenir. Schon ein paar Jahre nach ihrem Aufkommen wurde die Matrjoschka auf der Pariser Weltausstellung von 1900 demonstriert, wo sie eine Medaille verdiente und weltweiten Ruhm erlangte.
Kleidung
Zur traditionellen russischen Kleidung gehörten Kaftan, Kossoworotka und Uschanka für Männer, Sarafan und Kokoschnik für Frauen, mit Lapti aus Bast und Walenki (Filzstiefel) als übliches Schuhwerk. Zur traditionellen Kleidung der Kosaken aus dem südlichen Russland gehören Burka und Papacha.
Küche
Die russische Küche, ursprünglich eine typische Bauernküche, verwendet viele Zutaten aus Fisch, Geflügel, Pilzen, Beeren und Honig. Gegessen wird Brot, Pfannkuchen, getrunken wird Kwas, Bier und Wodka. Wodka ist ein Teil der russischen Kultur. Laut russischen Chroniken entstanden im Russland des 12. Jahrhunderts erste Brennereien. Zunächst wurde Wodka für medizinische Zwecke verwendet. Russischer Wodka wird aus Getreide hergestellt. Traditionell bevorzugt man in Russland einen reinen, nicht aromatisierten Wodka, der bei Zimmertemperatur meist in Gesellschaft getrunken wird. Zu Wodka wird oft etwas Salziges (beispielsweise Salzgurken, Salzpilze oder Salzhering) serviert. Schmackhafte Suppen und Eintöpfe wie Schtschi, Borschtsch, Rassolnik, Ucha, Soljanka und Okroschka kennzeichnen die russische Küche. Berühmt sind auch russische Teigspeisen wie Piroschki, Blini und Syrniki. Kiewer Kotelett, Bœuf Stroganoff, Pelmeni und Schaschlik sind beliebte Fleischgerichte, die letzten beiden sind tatarischen und kaukasischen Ursprungs. Weitere verbreitete Fleischgerichte sind Kohlrouladen (russ. Голубцы) in der Regel mit Fleisch gefüllt. Typisch russisches Salate sind Vinaigrette (russ. винегрет), Oliviersalat und Hering im Pelzmantel (russ. Сельдь под шубой). Tee wird in Russland bereits seit dem 17. Jahrhundert in jedem Haushalt getrunken, sodass sich in Russland eine richtige Teekultur entwickelte. Zur Zubereitung des Tees wird in Russland traditionell ein Samowar verwendet, er gilt in Russland als eine Art Nationalsymbol. Neben den traditionellen russischen Desserts, wie Baranki, Prjaniki, Warenje und Pastila (bzw. Sefir), werden zum Tee auch gerne orientalische Süßigkeiten, wie Halva, Gosinaki und Lokum, sowie diverse Schokoladen und Torten serviert.
Volksmusik
Russlands große Anzahl von ethnischen Gruppen verfügt über ausgeprägte Traditionen der Volksmusik. Typische russische Musikinstrumente sind Gusli, Balalaika, Schaleika und Garmon. Das russische Volk besitzt eine reiche Tanzfolklore. Berichte über russische Tänze finden sich seit dem 11. Jahrhundert. Tänze spielen für das russische Volk eine große Rolle. In vielen Tänzen kommen die nationalen Züge des russischen Charakters sehr klar zum Ausdruck. Die älteste Art des russischen Tanzes ist der so genannte Chorowod, ein Reigentanz einer Gruppe von Teilnehmern, die sich an den Händen halten. Die zweite Art von Tänzen, die für die russische Tanzkunst charakteristisch ist, sind die Improvisationstänze. Sie werden als Solotänze (Mann oder Frau), in Paaren oder von mehreren Tanzenden aufgeführt. In diesen Tänzen kommt die Individualität des Tanzenden besonders stark zum Ausdruck. Der Perepljas ist eine Art Tanz um die Wette, wobei jeder der Reihe nach auftretende Tänzer bestrebt ist, den anderen durch seine Tanzmeisterschaft, Phantasie und bessere Ausführung der Bewegungen zu übertrumpfen.
Badekultur
Russland besitzt eine ausgeprägte Dampfbadkultur, die Banja. Der Besuch der Banja ist ein Ritual. Dort finden bis heute wichtige Gespräche, Geschäftsverhandlungen und politische Besprechungen statt. Sogar im Kreml gibt es eine Banja. Nach alter russischer Tradition klopft man sich vorsichtig mit Weniks ab – in warmes Wasser getauchte, getrocknete Birkenzweigbündel.
Datschenkultur
Zur Erholung und zum Entspannen verbringen russische Stadtbewohner die Wochenenden oder ihren Urlaub gerne in einer Datscha, einem Land- bzw. Ferienhaus mit Garten. Seit drei Jahrhunderten gehören die Datschen zur russischen Geschichte und Kultur. Auch in vielen russischen Balladen und in der russischen Literatur findet die Datscha oftmals Erwähnung. Ab Mitte Mai beginnt die Datscha-Saison. Rund um St. Petersburg und Moskau gibt es sehr viele Datschen-Vororte, die sich im Laufe ihrer Geschichte immer weiter von der Stadt entfernt haben.
Erzählkultur
Bekannt sind auch die russischen Märchen, die ihre Ursprünge in der heidnischen Zeit der Rus haben. Sie bildeten die Grundlage für die berühmten sowjetischen Märchenfilme. Sie haben Märchengestalten wie „Väterchen Frost“, das „Schneeflöckchen“ oder die „Hexe Baba Jaga“ auch nach Mitteleuropa gebracht.
Gastfreundschaft
Die russische Gastfreundschaft selbst in wirtschaftlich schwierigsten Zeiten ist sprichwörtlich. Bei einer Einladung versucht der Gastgeber bewusst, so viele verschiedene Gerichte wie möglich zuzubereiten. Das zeigt, dass für die Gäste an nichts gespart wird. Bis heute lebt der Brauch, bei offiziellen Anlässen ein rundes Brot mit einem Salzgefäß in der Mitte an den wichtigsten Gast auszuhändigen. Brot war lange Zeit das Hauptnahrungsmittel in Russland. Salz war rar und deswegen sehr teuer.[290]
Troika
Ein im 19. Jahrhundert sehr verbreitetes Straßenbild im Winter war die Troika, das typisch russische Dreigespann. Dazu werden drei Pferde vor einer Kutsche oder einem Schlitten nebeneinander angeschirrt. Am Bogen hängt ein Glöckchen, das während der Fahrt ständig bimmelt und die Pferde in Trab hält. Die Troika stammt von den Waldai-Höhen, einer Hügellandschaft zwischen Moskau und St. Petersburg, und wird heute als Folklore gepflegt.
Feiertage
Als Nationalfeiertage gelten in Russland der sogenannte Tag der Einheit des Volkes am 4. November, der an die Befreiung Moskaus im Jahre 1612 von polnisch-litauischen Fremdherrschern erinnert, sowie der Tag Russlands am 12. Juni anlässlich der Erklärung der Staatssouveränität der Russischen SFSR an diesem Tag im Jahr 1990. Daneben gibt es jährlich mehrere gesetzliche Feiertage, von denen vor allem das Neujahrsfest (durchgehend vom 1. bis 5. Januar) gefeiert wird. Das Neujahrsfest wurde 2005 verlängert, dafür aber der für die Kommunisten wichtigste Nationalfeiertag, der Tag der Oktoberrevolution am 7. November, abgeschafft. Die russisch-orthodoxen Christen feiern Weihnachten nicht wie bei den Christen anderer Konfessionen am 24. Dezember. Sie feiern nach dem Julianischen Kalender am 7. Januar das Fest der Erscheinung des Herrn. Während der Sowjetzeit waren religiöse Feste nicht erlaubt. Doch seitdem im Jahr 1991 der 7. Januar zu einem offiziellen Feiertag erklärt wurde, wird Weihnachten in Russland wieder richtig gefeiert. Den Heiligen Abend am 6. Januar nennt man in Russland Sotschelnik.
Jedes Jahr begeht die russisch-orthodoxe Kirche das Epiphaniasfest. Es ist einer der ältesten orthodoxen Feiertage und geht zurück auf die Taufe Jesu im Jordan. Trotz Frost zieht es Jahr für Jahr Millionen Russen in der Nacht vom 18. auf den 19. Januar ans Eisloch. An diesem einen Tag im Jahr ist das Wasser aller Flüsse und Seen Russlands heilig, besonders wenn es zuvor von einem orthodoxen Priester gesegnet wurde. Dreimal müssen Teilnehmende vollständig untertauchen. Vor jedem Eintauchen des Kopfes bekreuzigen sie sich. Die Prozedur soll die Gläubigen von Sünden reinigen und ihnen neue Kraft verleihen.
Der „Tag des Sieges“ über das nationalsozialistische Deutschland (am 9. Mai) besitzt nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung. Anfang Mai kommen dazu überall in Russland festlich gekleidete Kriegsveteranen zusammen und gedenken der gefallenen Kameraden. Oft fängt so ein Treffen an einem Grab oder Grabmal des unbekannten Soldaten oder an einem Ewigen Feuer an. Danach wird die Gedenkfeier entweder bei einem offiziellen Empfang oder privat an einer Festtafel fortgesetzt. Zum Siegestag schenkt man Kriegsveteranen Nelken. Jedes Jahr finden am Siegestag in vielen Städten Russlands (2011: 23) Militärparaden statt.
Fällt ein gesetzlicher Feiertag auf einen Dienstag oder einen Donnerstag, ist die Einrichtung eines arbeitsfreien Brückentags am Montag bzw. Freitag üblich, indem der vorhergehende Samstag bzw. der nachfolgende Sonntag im Gegenzug zu Arbeitstagen erklärt werden.
Kulturelle Zentren
Moskau und St. Petersburg sind die kulturellen Zentren Russlands mit einer großen Anzahl kultureller Einrichtungen. Allein Moskau weist mehr als 120 Theater, fünf Opernhäuser, sechs professionelle Symphonieorchester sowie zahlreiche Museen und Galerien auf. Das Moskauer Bolschoi-Theater genießt Weltruf, die Eremitage in St. Petersburg und die Staatliche Tretjakow-Galerie in Moskau beherbergen weltbedeutende Kunstsammlungen. In anderen regionalen Zentren haben sich auch kulturelle Szenen entwickelt, so etwa in Nowosibirsk (Theater, Oper), Jekaterinburg (Theater, zeitgenössischer Tanz) und Nischni Nowgorod (zeitgenössische Kunst).
Literatur
In Russland genießt die Literatur eine sehr große Wertschätzung. Die in Westeuropa üblichen und gültigen Ordnungsmuster der Poetik und Gattungslehre, wie auch literarische Epochenbezeichnungen werden aber in Russland anders, weil zeitversetzt und in anderer Funktion, verwendet. Der Romanik entsprach in der Kiewer Rus die „Periode der stilistischen Einfachheit“ (11. Jh.), der Gotik das „Zeitalter des ornamentalen Stils“ (12. und 13. Jh.), für die folgenden Jahrhunderte vom 14. bis zum 16. gibt es gebräuchliche ideologische und geopolitische Epochennamen („Periode der geistigen Auseinandersetzungen“ und „Moskauer Literatur“). Im 17. und 18. Jahrhundert führte die Nachahmung barocker Stilverfahren zu einem späten Gleichklang mit dem westeuropäischen Zeitstil.
Der aus der byzantinischen Geschichtsschreibung übernommene Grundbestand an geistlichen Texten und Gattungen legte die Grundlage der kirchenslawische Tradition fest, was im slawischen Mittelalter als Literatur und als literarischer Text galt. Es herrschte die Dominanz eines geistlich-kirchlichen Literaturbegriffs (d. h. Lesen und Schreiben – ähnlich wie in der Ikonenmalerei – zum Nutzen der Seele). Andererseits fehlten die ästhetische Funktion, Individualstil, Fiktionalität (Trennung von Wahrheit und Dichtung), literarische Gattungen im neuzeitlichen Sinn und ein moderner Autorenbegriff. Literatur mit nicht vorherrschend geistlicher Funktion im alten Russland (vor 1700) ist vergleichsweise wenig vertreten. Der literarische Übergang zur Neuzeit vollzog sich im Namen einer möglichst festen und unmittelbaren Anbindung Russlands an Westeuropa unter Peter dem Großen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erfüllte die Literatur vorrangig Erziehungs- und Repräsentationsfunktionen für den Staat. Gegen 1800 emanzipierte sich die literarische Kommunikation von den Ansprüchen des Hofes, der Bildungsinstitute sowie des Mäzenatentums. Russische Autoren konnten ihre Werke erstmals auf einem eigenen Buchmarkt veröffentlichen. Für Jahrzehnte dominierte nun das Genre des realistischen Gesellschaftsromans, der die Leser in Europa nachhaltig beeindruckte. Der russische realistische Roman entwickelte seine eigenen Verfahren zur Abbildung der Wirklichkeit und bildete Metastandpunkte bezüglich der destabilisierenden Wirkung westlicher Modernisierung auf traditionelle Lebensformen und gesellschaftliche Strukturen heraus.
Puschkin gilt als Begründer der modernen russischen Literatur. Weitere russische Schriftsteller von Weltrang sind: Michail Bulgakow, Fjodor Dostojewski, Nikolai Gogol, Maxim Gorki, Boris Pasternak, Alexander Solschenizyn, Lew Tolstoi, Anton Tschechow, Iwan Turgenew, der Exilant Vladimir Nabokov und Iwan Bunin, der erste russische Schriftsteller, der mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde.
1990 verzeichneten Bücher in Russland eine Auflagenstärke von insgesamt 1,6 Milliarden Büchern. 2004 waren es nur noch 562 Millionen. Auflagenstärkste Autorin war dabei Darja Donzowa mit 99 Bänden und einer Auflagenstärke von 18,1 Mio. Büchern.
Der russische Buchhändler-Verband beklagte im Jahr 2016 die gestiegenen Preise sowohl für die Produktion als auch für den Verkauf durch kleine Buchhändler mit Handelsgebühren. So gebe es in Moskau nur noch eine Buchhandlung pro 58.000 Einwohner; die 12 Millionen Einwohner Moskaus teilten sich 199 Buchhandlungen im Vergleich zu den 3 Millionen Einwohnern von Paris mit deren 700 Buchhandlungen.[291]
Malerei
Auch auf dem Gebiet der Malerei leistete Russland einen großen Beitrag. Die Porträtmalerei war im 18. Jahrhundert sehr populär. Aber auch andere Stilrichtungen, wie Historienmalerei und religiöse Malerei wurden häufig verwendet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam die europäische Moderne, wie Impressionismus und Jugendstil, in abgeleiteter Form nach Russland.
Im Zusammenhang mit dem Impressionismus und der Russische Avantgarde sind Namen wie Wassily Kandinsky, Kasimir Malewitsch, Alexej von Jawlensky, Wladimir Tatlin, Michail Larionow und Natalja Gontscharowa zu erwähnen. Zu den großen russische Malern zählen außerdem Andrei Rubljow, Ilja Repin, Marc Chagall, Michail Wrubel, Walentin Serow, Wassili Surikow, Iwan Aiwasowski, Isaak Lewitan, zu den bedeutenden Landschaftsmalern gehören Nikolai von Astudin und viele mehr. In neuerer Zeit machen vor allem provokative Künstler und Künstlergruppen wie „Die blauen Nasen“ Furore, welche international ausgezeichnet, von der russisch-orthodoxen Kirche und den Behörden aber immer wieder in die Schranken verwiesen werden.
Siehe auch: Liste russischer Maler, Peredwischniki, Mir Iskusstwa, Russische Avantgarde, Suprematismus, Kubofuturismus, Konstruktivismus (Kunst)
Architektur
In Russland befinden sich 25 Welterbestätten, davon 14 als UNESCO-Weltkulturerbe (Stand 2013); darunter befinden sich die Altstädte und historische Zentren von Derbent, Jaroslawl, Sankt Petersburg, Weliki Nowgorod, Wladimir oder die Kreml von Kasan und Moskau sowie die Holzkirchen von Kischi Pogost.
Die frühe Architektur Russlands orientiert sich an der des Byzantinischen Reichs: frühe Sakralbauten orientieren sich wie die byzantinischen am Griechischen Kreuz, das von fünf Kuppeln gekrönt wird. Beispiele hierfür sind die Sophienkathedrale in Nowgorod, oder die Kirche Sankt Demetrios in Wladimir. Westeuropäische Einflüsse breiteten sich mit dem Barock aus. Barockeinflüsse (Russischer Barock) begannen sich Ende des 17. Jahrhunderts in Russland zu zeigen (Kirche der Gottesmutter-Ikone von Wladimir zu Kurkino in Moskau).
Ein eigenständiger russischer Stil hatte sich wahrscheinlich ursprünglich nur im Bereich der Holzbauten entwickelt, von denen aufgrund des Baumaterials aber keine Bauten erhalten sind, die älter als das 17. Jahrhundert sind. Die Kirchen, die daraus entstanden, zeichnen sich durch eine einfachere zentrale Anlage und einen großen oktogonalen Mittelturm aus. Diese wurden im Laufe der Zeit immer dekorativer ausgestaltet. Ein berühmtes Beispiel ist die Basilius-Kathedrale auf dem Moskauer Roten Platz von 1555. Ihren Durchbruch erreichte sie jedoch im von Zar Peter I. gegründeten Sankt Petersburg. Europäische Architekten wie Andreas Schlüter oder Domenico Trezzini kamen nach Russland, sie bauten Gebäude wie das Menschikow-Palais oder die Peter-und-Paul-Festung.
Architektur von Weltniveau erreichten die Baumeister unter Katharina II. (Bartolomeo Francesco Rastrelli). Die Paläste wie der Winterpalast in St. Petersburg, das Schloss Peterhof oder der Katharinenpalast zeigen an den Fassaden einen großen und gewaltigen Rokoko-Stil und sind im Inneren exorbitant luxuriös ausgestattet.
Mit dem Klassizismus, der in Russland ungefähr zur selben Zeit einsetzte wie im restlichen Europa, begannen erstmals originär russische Baumeister wie Iwan Jegorowitsch Starow eine herausragende Stellung einzunehmen. Die meisten Gebäude der Petersburger Innenstadt sind bis heute klassizistisch geprägt. Ein Paradebeispiel dafür ist die Rossistraße in Sankt Petersburg, benannt nach dem Architekten Carlo Rossi, deren Gesamtanlage einschließlich der Häuser einem streng geometrischen Gesamtmuster folgt. In den Sakralbauten wie der Isaakskathedrale allerdings mischen sich klassizistische und historistische Stilelemente.
Anfang des 20. Jahrhunderts waren avantgardistische Strömungen in der gesamten russischen Kultur stark. Nach der Oktoberrevolution konnten ihre Verfechter diese einige Jahre lang umsetzen. Beispielgebend ist hier El Lissitzky oder neuartige Prototypen für Wohnungsbau, Industriebau und für die öffentliche Verwaltung. Internationale Architekten wie Le Corbusier, Walter Gropius, Peter Behrens und Ludwig Mies van der Rohe konnten in Moskau bauen. Unter Stalins Herrschaft erfolgte jedoch schnell ein Rückschlag auf monumental gesteigerte klassische Muster. Der Zuckerbäckerstil begann vorherrschend zu werden, die Repräsentativität stand gegenüber künstlerischen Entwürfen klar im Vordergrund. In der spätsowjetischen Phase der 1970er-Jahre bis zum Zusammenbruch des Sowjetreiches entstanden in allen Teilrepubliken einzigartige, teils futuristische Bauwerke,[292] deren radikale Ästhetik und eigenwillige Formensprache im Gegensatz zur konformistischen Staatsarchitektur stand. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wird zunehmend ein historisierender Baustil modern, der Anknüpfungspunkte in der traditionellen russischen Architektur sucht. Beispiele hierfür sind neben vielen anderen Gebäuden die wiederaufgebaute Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau, oder die gleichnamige Kathedrale in Kaliningrad.
Musik
Die russische Musik reicht weit zurück. Ihre Ursprünge liegen im heidnischen Brauchtum der Ostslawen. Nach der Annahme des Christentums entwickelte sich zuerst die kirchliche Musik. Ursprünglich aus Byzanz gekommen, gewann sie schnell nationale russische Merkmale. Im 11. Jahrhundert bildete sich ein besonderer Typ des orthodoxen Kirchengesangs, der sogenannte Snamenny raspew heraus. Erst im 16. bis 17. Jahrhundert verbreitete sich das lyrische Volkslied. Einige Lieder sind weltberühmt, wie z. B. Lied der Wolgaschlepper, Kalinka, Katjuscha, Kosakenwiegenlied, Dubinuschka, Korobeiniki, Schwarze Augen.
Die Anfänge der russischen Kunstmusik begannen sich im 18. Jahrhundert zu entwickeln und standen seit Peter dem Großen unter Beeinflussung westeuropäischer Musik. Der wichtigste Komponist dieser Zeit war Dmytro Bortnjanskyj, in dessen Schaffen sowohl Kunstmusik wie auch die typisch russisch anzusehenden A-cappella-Gesänge der orthodoxen Kirchenmusik vertreten sind. Jewstignei Ipatowitsch Fomin, der bedeutendste Opernkomponist Russlands des späten 18. Jahrhunderts, war immer noch westlich geprägt. Wendungen aus der russischen Volksmusik tauchen erstmals verstärkt in den Opern und Orchesterstücken Michail Glinkas und Alexander Dargomyschskis auf, wodurch sie den Weg zu einer nationalrussischen Komponistenschule ebneten. Im Anschluss daran formierte sich aus fünf jungen Komponisten die sogenannte Gruppe der Fünf (Alexander Borodin, César Cui, Mili Balakirew, Modest Mussorgski, Nikolai Rimski-Korsakow), welche es sich zur Aufgabe machte, gezielt die Eigentümlichkeiten russischer Volksmusik für Symphonien, Opern, Tondichtungen und Kammermusik nutzbar zu machen.
In Kontrast dazu entwickelte sich eine eher an westlicher Musik (besonders der deutschen Romantik) orientierte Gegenströmung, die durch Anton Rubinstein begründet wurde. Ihr gehörte auch der bedeutendste russische Komponist des 19. Jahrhunderts, Pjotr Tschaikowski, an, dessen Werke (Symphonien, Opern, Ballette, Kammermusikwerke) der russischen Musik erstmals auch im Ausland zu größerem Ansehen verhalfen. Die nachfolgenden Komponisten wie Anatoli Ljadow, Sergei Tanejew, Anton Arenski, Alexander Gretschaninow, Alexander Glasunow und Wassili Kalinnikow setzten in ihren Kompositionen vor allem auf eine aussöhnende Vereinigung des westlich-internationalen und des russisch-nationalen Stiles. Während Sergei Rachmaninow in seinen Klavierkonzerten und Symphonien den Stil Tschaikowskis eigenständig weiterentwickelte, hielt mit Alexander Skrjabin, Schöpfer eines eigenwilligen harmonischen Systems, erstmals die musikalische Moderne in Russland Einzug.
Der Expressionismus ist in der russischen Musik durch das Frühwerk Igor Strawinskis und Sergei Prokofjews repräsentiert. In den 1920er-Jahren experimentierten viele Komponisten mit neuartigen musikalischen Gestaltungsmitteln, so auch der junge Dmitri Schostakowitsch, dessen frühe Werke sich besonders durch satirischen Tonfall auszeichnen. Die meisten älteren Komponisten hielten dagegen an der Romantik fest, wie Glasunow, Reinhold Glière und Nikolai Mjaskowski, später dann auch Prokofjew. Ab Mitte der 1930er-Jahre wurde für russische Musiker auf Anordnung Stalins die Doktrin des Sozialistischen Realismus bindend, die avantgardistische Experimente verbot und eine „volksnahe“ Kunst forderte. Dieser Zwang lockerte sich erst nach Stalins Tod 1953 allmählich. Hauptrepräsentanten einer sowjetischen Musikkultur wurden im Anschluss neben Schostakowitsch vor allem Dmitri Kabalewski und der Armenier Aram Chatschaturjan. Seit etwa 1980 machen sich auch wieder die einst verpönten avantgardistische Elemente in russischen Kompositionen bemerkbar, so bei Edisson Denissow, Sofia Gubaidulina und Alfred Schnittke. Dagegen hielten Komponisten wie der gebürtige Pole Mieczysław Weinberg oder Boris Tschaikowski die Tradition in der Nachfolge Schostakowitschs aufrecht.
Neben der althergebrachten Unterhaltungsmusik aus der Zeit der Sowjetunion, der sogenannten Estrada, gibt es eine Reihe unterschiedlicher Genres russischer Popmusik. Als bedeutender russischer Liedermacher/Chansonnier des 20. Jahrhunderts wird der Dichter, Sänger und Schauspieler Wladimir Wyssozki angesehen, dessen Lieder größtenteils in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden. Zu Beginn der 1980er-Jahre und in der Zeit der Perestroika entwickelte sich in Russland eine vitale, russischsprachige Rockmusikszene, welche die gestandenen Bands wie Maschina Wremeni ergänzte. Als Galionsfigur dieser Jahre gilt gemeinhin der im Jahre 1990 verstorbene Frontmann von Kino, Wiktor Zoi, dessen Lieder und Texte für viele Bands der nachfolgenden Jahre prägend waren. Neben originären russischen Bands wie Kino, Ljube, Aquarium, DDT und Nautilus Pompilius, oder den Punkbands Graschdanskaja Oborona und Sektor Gasa wurde die Popkultur im Bereich der Musik stark vom internationalen Mainstream beeinflusst.
In den 1990er-Jahren etablierte sich in den kulturellen Zentren des Landes, aber insbesondere in St. Petersburg ein weitläufiger Underground, der bis heute das gesamte Spektrum der Musik abdeckt. Gegen Ende des Jahrhunderts startete auch das russische MTV. Während dieser Zeit wurde eine Vielzahl von Rockbands gegründet und aufgelöst, vor allem aber feierten die bereits in den 1980er-Jahren gegründeten Formationen große Erfolge. Auch die ersten Bands der Untergrundkultur konnten viele Zuhörer gewinnen, so z. B. Leningrad. Sehr bekannt wurde in dieser Zeit auch Semfira. Spätestens seit Beginn dieses Jahrzehnts hat auch russische Popsa bedeutende Marktanteile inne. Dabei handelt es sich um tanzbare Musik mit einem hohen Elektroanteil, die besonders Teenager zur Zielgruppe hat und sich musikalisch vollständig an international erfolgreichen Projekten orientiert (Walerija, VIA Gra). Das Duo t.A.T.u. ist die bislang einzige international erfolgreiche russische Popband. Ein weiteres, in der Zeit der Sowjetunion weitgehend an den Rand gedrängte Genre erlebt die letzten Jahre ebenfalls eine Renaissance – das russische Chanson. Ein populärer Star dieser Richtung ist der Sänger Michail Schufutinski.
Ballett, Theater und Oper
Das Ballett hat in Russland eine lange Tradition und ist eine sehr beliebte Form der Unterhaltung. Peter I. lernte Ballett auf einer seiner Reisen nach Westeuropa kennen und war begeistert. An seiner Residenz gab es zwar auch Tanzvergnügungen, aber sie waren anders, folkloristischer, volksnaher. So wurden Ballettspezialisten aus Europa nach Russland engagiert. Damit begann die eindrucksvolle Entwicklung des russischen Balletts, deren Tänzer und Choreographen bald durch das Patronat der russischen Monarchie für das Bolschoi- und Mariinski-Ballett zu den führenden Europas aufstiegen. In der choreographischen Arbeit Marius Petipas, zu denen insbesondere Pjotr Iljitsch Tschaikowski die Musik lieferte, entstanden mit Der Nussknacker, Schwanensee und Dornröschen die klassischen Meisterwerke im romantischen Ballett in Russland.
Auf Initiative des Impresarios Sergei Pawlowitsch Djagilew wurden 1909 die wegweisenden Ballets Russes gegründet. Auf Tourneen in den Kulturhauptstädten Europas in Paris und London wurde die Kompagnie zum Fixpunkt der europäischen Kunstavantgarde. Das europäische Publikum geriet angesichts der, teils dem zeitgenössischen Faible für Folklore und Orientalismus, teils der revolutionären Neuerungen von Musik, Choreographie und Interpretation, wie beispielhaft in der Inszenierung von Petruschka durch Igor Strawinsky, Michel Fokine und Vaslav Nijinsky, in Begeisterungsstürme. Das russische Ballett hatte damit in seiner allgemeinen Entwicklung Frankreich als führende Ballettnation entthront. Russische Technik und russisches Repertoire waren nun allgemeine Synonyme des klassischen Balletts. Der Einfluss ging so weit, dass auch bekannte westliche Tänzerinnen (wie Alicia Markova) ihre Namen sogar russifizierten, um Chancen auf ein Engagement zu verbessern.
Auch die weltweite Entwicklung des Balletts im 20. Jahrhundert wurde in der Emigration zahlreicher in Russland ausgebildeter Tänzer und Choreographen entscheidend geprägt. George Balanchine hatte fundamentalen Einfluss auf den choreographischen Stil im zeitgenössischen Ballett und Rudolf Nurejew initiierte mit der Wiederaufnahme des klassischen Repertoires die anhaltende Popularität der romantischen Ballette, die bis heute Standardwerke geblieben sind. Durch interpretatorischen Anspruch und technische Bravour setzen sie hier auch nach wie vor Maßstäbe.
Zwar leitete die weitere politische Entwicklung in der Sowjetunion auch im Ballett eine künstlerische Stagnation im Vergleich zu den Entwicklungen im modernen Tanz ein, jedoch blieb durch staatliche Ausbildung wie an der Waganowa-Ballettakademie und der finanziellen Förderung neuer Produktionen das hohe Niveau erhalten. Das sowjetische Repertoire wurde, wie in Sergei Prokofjews „Romeo und Julia“ und „Cinderella“ teilweise unmittelbar im Westen adaptiert. Die Entwicklung einer dramaturgischen Inszenierung eines sozialistischen Balletts wurde auf wirkungsvolle Weise in Juri Grigorowitschs Choreographie von „Spartakus“ umgesetzt, die weiterhin Höhepunkt im Ballettschaffen geblieben ist.
Russland brachte so große Tänzerpersönlichkeiten wie Anna Pawlowa, Tamara Platonowna Karsawina, Léonide Massine, Galina Ulanowa, Mikhail Baryshnikov, Natalja Romanowna Makarowa und Maja Plissezkaja hervor. Die heute wohl bekannteste Ballettgruppe ist das Russische Staatsballett mit bisher 20 Millionen Besuchern. Es wurde 1981 von Irina Tichimisowa gegründet und ist seit 1984 unter der Leitung von Wjatscheslaw Gordejew, Ex-Bolschoi-Star.
Auch in diesem Bereich gibt es staatliche Einflussnahme und regimekritische Kulturschaffende werden bedrängt: Im Juni 2017 rief der Regisseur Kirill Serebrennikow gar das Publikum auf zu bestätigen, dass es das Stück Ein Sommernachtstraum gesehen hatte; dies, um dem Irrsinn ein Ende zu bereiten, nachdem ein staatliches Komitee ihm vorgeworfen hatte, den für diese Produktion bewilligten Beitrag unterschlagen zu haben.[293][294]
Film
Die russische Filmgeschichte begann bereits in der Epoche des Russischen Kaiserreichs mit Stummfilmpionieren wie Alexander Chanschonkow, Iwan Mosschuchin und Wera Cholodnaja. Zur Sowjetzeit brachte Russland auch einige der wichtigsten europäischen Filmregisseure hervor, beispielsweise Sergei Eisenstein und Andrei Tarkowski. Zahlreiche bemerkenswerte russische Filme und Regisseure blieben jedoch aufgrund des Ost-West-Konfliktes im Westen weitgehend unbekannt. Während der Sowjetzeit unterlag das Kino einer strengen ideologischen Zensur, innerhalb des erlaubten ideologischen Rahmens wurde jedoch eine beachtenswerte Talentförderung und staatliche Unterstützung des Kinogewerbes betrieben. Auch heute noch betrachten viele Russen die Sowjetzeit, die viele beliebte Schauspieler und Filme hervorbrachte, als den Höhepunkt der russischen Filmkunst und der Schauspielschule.
Trotz der postsowjetischen Krise der russischen Filmindustrie erreichten seit den 1990er-Jahren russische Filme gelegentlich internationale Erfolge: Zu nennen ist beispielsweise der oscarprämierte Streifen Die Sonne, die uns täuscht (1994) von Regisseur Nikita Michalkow, das Jugenddrama The Return – Die Rückkehr (2003) von Andrei Swjaginzew, der hierfür mit dem Goldenen Löwen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig ausgezeichnet wurde, sowie die Fantasy-Verfilmung Wächter der Nacht – Nochnoi Dozor (2004), die zur kommerziell bislang erfolgreichsten russischen Filmproduktion wurde.
Insgesamt lässt sich in den letzten Jahren ein enormer Anstieg der Kinobesuche in Russland nachvollziehen – während im Großteil des übrigen Europa die Kinobesuchszahlen in den letzten Jahren bestenfalls stagnierten. Ebenfalls außergewöhnlich ist hierbei, dass die russische Filmproduktion bei der beinahen Verdoppelung der Kinobesuche ihren – im Vergleich mit Europa überdurchschnittlich hohen – Marktanteil, der seit 2005 stets über einem Viertel an allen Kinobesuchen in Russland liegt, halten konnte. Der wichtigste Filmpreis in Russland ist der Nika, welcher von der Russischen Filmkunst Akademie verliehen wird. Zu den größten russischen Filmstudios gehören Goskino, Sowkino, Mosfilm, Lenfilm, Gorki Filmstudio (vormals Meschrabpom), sowie das Animationsstudio Sojusmultfilm.
Video
Video-Art ist im modernen Russland sehr beliebt. Russland ist einer der wichtigsten Märkte für YouTube.[295] Die beliebteste Episode aus der russischen Zeichentrickserie Mascha und der Bär hat über 3 Milliarden Aufrufe.[296][297][298] Besonders populär ist die Show +100500, die Video-Rezensionen für lustige Videos[299][300] und BadComedian beherbergt, der populäre Filme rezensiert.[301] Viele russische Filmtrailer wurden für Golden Trailer Awards nominiert.[302][303] Viele Videos von Nikolai Kurbatow, dem Begründer der Trailer-Poetik und der Dialog-Konstruktion des Trailers, wurden auf die großen YouTube-Kanäle hochgeladen, als Haupttrailer verwendet und ins Buch der Rekorde eingetragen.[304][305][306][307]
Sport
In Russland hat Sport einen relativ hohen Stellenwert, was man auf die umfassende sportliche Förderung in der UdSSR zurückführen kann (vgl. Sport in der Sowjetunion). 2008 besaß Russland 2687 Stadien ab 1500 Sitzplätze und mehr als 3762 Schwimmbäder und 123.200 Sportanlagen. Der Breitensport ist bedeutend, so liegt die Zahl der Mitglieder in den Sportvereinen bei 22,6 Millionen Menschen, darunter 8,1 Millionen Frauen.[308] Die beliebteste Mannschaftssportart der Russen ist Fußball (vgl. Fußball in Russland), das einen Boom erlebt – begünstigt durch starke finanzielle Sponsorenförderung aus der Wirtschaft. Eishockey (vgl. Eishockey in Russland) ist die zweitbeliebteste Mannschaftssportart. Basketball ist die drittbeliebteste Mannschaftssportart, aber auch Schach und Tennis erfreuen sich großer Beliebtheit. Russland hat bereits zahlreiche Weltklassesportler hervorgebracht. Besonders in den Sportarten Leichtathletik, Wintersport, Eiskunstlauf, Turnen/Gymnastik und Gewichtheben dominieren russische Sportlerinnen und Sportler. Aus keiner Nation stammen mehr aktuelle und ehemalige Schachweltmeister und Großmeister als aus Russland.
Russland nahm inklusive der Teilnahmen als Teil der Sowjetunion bisher 19-mal an Olympischen Sommerspielen und 17-mal an Olympischen Winterspielen teil. Bislang konnten Sportler aus Russland und der Sowjetunion 1911 olympische Medaillen bei den Sportwettbewerben erringen und belegen damit Platz zwei des ewigen Medaillenspiegels. 1980 war die damals sowjetische Hauptstadt Moskau zum ersten Mal Ausrichter der Olympischen Sommerspiele. Der Schwarzmeer-Kurort Sotschi richtete 2014 zum ersten Mal die Olympischen Winterspiele in Russland aus. Darüber hinaus ist Russland häufig Austragungsort von internationalen Wettbewerben wie Welt- und Europameisterschaften. So trug Russland 2018 zum ersten Mal die Fußball-Weltmeisterschaft aus, die unter anderem in Moskau, Sankt Petersburg, aber auch in der Exklave Kaliningrad stattfand. Im Motorsport stellt Russland mit Witali Petrow einen ehemaligen und mit Daniil Kwjat einen aktiven Formel-1-Piloten. Auch die DTM und die Superbike-WM waren schon in Moskau zu Gast.
Eine Domäne stellt Russland auch im Eisspeedwaysport dar und die russischen Eisspeedway-Piloten stellten Eisspeedway-Weltmeister in Serie. Die Städte Togliatti und Balakowo sind die Zentren des russischen Speedway-Motorrad-Rennsports.
Im Boxen zählt das Land ebenfalls weltweit zur Spitze. Seit Ende der Sowjetunion gewannen russische Amateurboxer ab 1996 bei Olympischen Spielen 10× Gold, 6× Silber und 15× Bronze. Zusammen mit 14× Gold, 19× Silber und 18× Bronze bei Olympischen Spielen aus Sowjetzeiten, liegt Russland derzeit mit insgesamt 84 Olympiamedaillen auf Platz 2 des ewigen Medaillenspiegels hinter den USA mit 114 Medaillen und vor Kuba mit 73 Medaillen (Stand nach den Olympischen Spielen 2016). Von 1993 bis 2017 gewannen russische Boxer und Boxerinnen zudem 45 Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften.
Rugby Union erfreut sich ebenfalls zunehmender Beliebtheit. Die russische Nationalmannschaft qualifizierte sich bisher für zwei Rugby-Union-Weltmeisterschaften (2011 und 2019), erreichte jedoch noch nicht die K.O.-Phase. Russland ist einer der Teilnehmer bei der Rugby-Union-Europameisterschaft und trifft dort auf andere aufstrebende Nationalmannschaften. Vor allem Spiele gegen den politischen Rivalen Georgien stoßen auf großes Interesse und gelten als eine Art „David gegen Goliath“, auch aufgrund Russlands negativer Gewinnbilanz gegen den südlichen Nachbarn. Seit 2021 spielen Russland und Rumänien den Kiseleff Cup aus; diese Trophäe ist nach dem Herzog Pawel Kisseljow benannt, einem Russen, der bei der Ausarbeitung der ersten Verfassung für die beiden Fürstentümer Walachei und Moldau (heutiges Rumänien und Republik Moldau) entscheidend mitgewirkt hatte.[309] Als Heimatstadion dient das Zentralstadion in Sotschi.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) wirft Russland vor, seit Jahren systematisches, staatlich gesteuertes Doping zu betreiben; die Manipulationen würden vom Sportministerium „geleitet, kontrolliert und überwacht“, vom Inlandsgeheimdienst FSB unterstützt und beträfen fast alle Sportarten, insbesondere im russischen Leichtathletikverband herrsche eine „tief verwurzelte Betrugskultur“. Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2013 in Moskau seien zahlreiche positive Doping-Proben russischer Sportler ausgetauscht worden, aber auch bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 und bei den Schwimmweltmeisterschaften 2015 in Kasan.[310][311] Im November 2015 entzog die WADA der nationalen russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA die Akkreditierung;[312] wenige Tage später schloss der Weltleichtathletikverband (IAAF) die russischen Leichtathleten bis auf weiteres von allen internationalen Wettkämpfen – also auch von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro – aus.[313] Auch die russischen Gewichtheber durften nach einer entsprechenden Entscheidung des Weltverbands IWF nicht in Rio antreten.[314]
Auch die russische sportwissenschaftliche Forschung ist hiervon betroffen. Während die Trainingswissenschaft lange von den Erfolgen der Sportlerinnen und Sportler durch systematische Planung und Entwicklung wie z. B. der Periodisierung des sportlichen Trainings profitierte, ist der Innovationsvorsprung in den letzten Jahren geschrumpft, da die Methoden bei gleichzeitiger Reduktion des Dopings sich als weniger erfolgreich erwiesen.[315] Eine Langzeitanalyse der führenden sowjetischen/russischen trainingswissenschaftlichen Zeitschrift Theorie und Praxis der Körperkultur (Moskau) zeigte, dass die in der Zeitschrift verwendete Literatur immer älter wurde und die Zeitschrift heute mit einem Durchschnittsalter der Literatur von 15 Jahren sich um mehr als zehn Jahre gegenüber den 1980er Jahren verschlechtert hat.[316] Inzwischen wird auch über die Einbeziehung von verdeckten Dopingmethoden publiziert, da sich die Nanotechnologie noch immer weitgehend den Kontrollen der WADA entzieht.[317]
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hatte im Dezember 2019 die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA nach diversen Dopingskandalen – unter anderem wurden Daten von Athleten manipuliert – für vier Jahre gesperrt und einen Olympia-Bann für die russische Mannschaft ausgesprochen.[318] Das Verfahren zum russischen Staatsdoping soll im Herbst 2020 vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) verhandelt werden. Der CAS setzte als Termin für die Anhörung den 2. bis 5. November an.[318] Die RUSADA hat dagegen Einspruch beim CAS eingelegt.
Siehe auch
Literatur
- Allgemeines
- Rüdiger von Fritsch: Russlands Weg. Als Botschafter in Moskau. Aufbau Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-351-03814-4.
- Matthias Platzeck: Wir brauchen eine neue Ostpolitik: Russland als Partner. Propyläen Verlag, 2020, ISBN 978-3-549-10014-1.
- Gabriele Krone-Schmalz: Eiszeit: Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist. Beck, ISBN 978-3-406-71412-2.
- Volker Ullrich (Hrsg.): Russland und der Kaukasus. Reihe: Fischer Weltalmanach aktuell, 72303. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-72303-5[319]
- Aktuelle Politik
- Margareta Mommsen: Wer herrscht in Russland? Der Kreml und die Schatten der Macht. 2. durchg. und erw. Auflage, Beck, München 2004, ISBN 3-406-51118-X.
- Peter Patze: Wie demokratisch ist Russland?. Ein tiefenorientierter Ansatz zur Messung demokratischer Standards (= Schriftenreihe „Demokratiestudien“. Bd. 2). Nomos, Baden-Baden 2011, ISBN 978-3-8329-6255-5.
- Heiko Pleines, Hans-Henning Schröder (Hrsg.): Länderbericht Russland (Memento vom 10. Februar 2013 im Webarchiv archive.today), Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe, 1066. Bonn 2010, ISBN 3-8389-0066-9.[A 7]
- Dmitri Stachow, Lilia Shevtsova, Roland Götz, Jutta Scherrer, Eva-Maria Auch: Russland, Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006 (PDF).
- Geschichte
- Orlando Figes: Hundert Jahre Revolution. Russland und das 20.Jahrhundert. Hanser, München 2015, ISBN 978-3-446-24775-8.
- Christoph Schmidt: Russische Geschichte 1547–1917. 2. Auflage, Oldenbourg, München 2009, ISBN 3-486-56704-7.
- Carsten Goehrke: Russland. Eine Strukturgeschichte. Schöningh, Paderborn 2000, ISBN 978-3-506-76763-9 (Rezension).
- Richard Pipes: Russland vor der Revolution. Staat und Gesellschaft im Zarenreich. Beck, München 1984, ISBN 3-406-06720-4.
- Abraham Ascher: Geschichte Russlands. Magnus, Essen 2005, ISBN 3-88400-432-8.
- Tim Guldimann: Moral und Herrschaft in der Sowjetunion. Erlebnis und Theorie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-11240-6.
- Andreas Kappeler: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. 2., durchgesehene Auflage, C.H. Beck, München 2008, ISBN 3-406-36472-1.
- Andreas Kappeler: Russische Geschichte. 4., aktualisierte Auflage, Beck, München 2005, ISBN 3-406-47076-9.
- Tanja Wagensohn: Russland nach dem Ende der Sowjetunion. Pustet, Regensburg 2001, ISBN 3-7917-1751-0
- Soziologie und Kultur
- Norbert Franz (Hrsg.): Lexikon der russischen Kultur. Primus, Darmstadt 2002, ISBN 3-89678-413-7.
- Hans-Joachim Frey, Jürgen Helfricht: Russland lieben lernen. Einblicke in eine Welt-Kulturnation. 2. Auflage, Husum-Verlag, Husum 2019, ISBN 978-3-89876-910-5.
- Carsten Goehrke: Russischer Alltag. Chronos, Zürich 2003, ISBN 3-0340-0583-0.
- Orlando Figes: Nataschas Tanz. Eine Kulturgeschichte Russlands. Berlin Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-8270-0487-X.
- Dorothea Redepenning: Geschichte der russischen und sowjetischen Musik. Das 19. und 20. Jahrhundert in 2 Bänden. Laaber-Verlag, Laaber 1994, ISBN 978-3-89007-206-7.
Weblinks
- Deutsche offizielle und wissenschaftliche Websites
- Länderinformationen zu Russland des Auswärtigen Amtes
- Länderprofil des Statistischen Bundesamtes
- Dossier Russland der Bundeszentrale für politische Bildung
- Publikationen zu Russland der Stiftung Wissenschaft und Politik
- Sonstige Websites
- Wirtschaftsdaten für Russland Online (englisch)
- Russland HEUTE
- Englischsprachige und russischsprachige Kurznachrichten von Kawkasski Usel aus Russland (aufgrund des Korrespondentennetzes vorwiegend aus Südrussland und dem Nordkaukasus)
Anmerkungen
- Die Russische Föderation betrachtet die Krim seit dem 18. März 2014 als Teil ihres Staatsgebietes.
- Andreas Zimmermann: Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, S. 85 ff.; vgl. auch die a. A. Schweisfurths, Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum Staatenbund (GUS). Juristische Stationen eines Staatszerfalls und einer Staatenbundsentstehung, ZaöRV, Bd. 52 (1992), S. 541–702, hier S. 545 f., 547 (PDF), der zwar eine Identität zwischen dem Russischen Reich und Sowjetrussland annimmt, aber die UdSSR als neues Völkerrechtssubjekt betrachtet.
- Nach der russischen Verfassung sind die beiden Bezeichnungen Russland und Russische bzw. Russländische Föderation gleichwertig.
- Kritik zum OSZE-Jubiläum, NZZ, 12. Juli 2015; Zitat Burkhalter: „grobe Verletzung der Grundsätze der OSZE“; Befreiung als Verpflichtung, NZZ, 9. Mai 2015; Hanns W. Maull: Über kluge Machtpolitik, Stiftung Wissenschaft und Politik, 14. November 2014 (Zitat: „Putins Machtspiele haben zudem die Grundfesten der gesamteuropäischen Ordnung zerrüttet“); Jan C. Behrends: Russland betreibt wieder sowjetische Aussenpolitik, NZZ, 14. August 2014 (Zitat: „Die Annexion der Krim bedeute die Rückkehr Russlands zur Breschnew-Doktrin, schreibt der Historiker Jan C. Behrends. Putin verfolge eine Außenpolitik alt-sowjetischer Schule, die militärische Gewalt als zentrales Instrument begreift“); Jeffrey D. Sachs: Putins gefährlicher Kurs, NZZ, 8. Mai 2014; Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-67019-0, S. 351; Politische Auf- und Absteiger: Wer war top, wer war flop? – Wladimir Putin. In: FAZ, 14. Dezember 2014; „Nachkriegsordnung aus den Angeln gehoben“; Europas Alptraum-Nachbar. In: The Spectator, 8. März 2014 (Zitat: „brings to an end the Pax Americana and the post-Cold War world that began in 1989“); Putin hat für lange Zeit alles Vertrauen zerstört, Die Welt 13. Mai 2014; Was würde Willy Brandt tun?, Die Zeit, 28. November 2014 (Zitat: „Putins Annexion der Krim wirft gleich vier europäische Abkommen über den Haufen – die KSZE-Schlussakte von 1975, die Charta von Paris 1990, das Budapester Memorandum 1994 und die Nato-Russland-Grundakte 1997. Putin hat in einem Tarnkappenkrieg europäische Grenzen verschoben. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Sowjetunion 1975 in Helsinki erreichen wollte – die Anerkennung und Verlässlichkeit von Grenzen. Hier ist der entscheidende Unterschied zwischen Breschnew und Putin: Der eine wollte die Nachkriegsordnung zementiert wissen, der andere will sie umgraben. Breschnew wollte den Status quo, Putin möchte Revision. Deshalb war Brandts Ostpolitik mit Breschnew möglich, mit Putin steht alles dahin.“); Mr Putin has driven a tank over the existing world order. In: The Economist; Merkel kritisiert Russland mit deutlichen Worten. In: SRF, 1. September 2014; Krim-Annexion: Bundesregierung weist Putins Tempelberg-Vergleich zurück. In: Der Spiegel, 5. Dezember 2014. Während der russische Außenminister Sergei Lawrow andeutete, man müsse sich Gedanken machen, ob die europäischen Strukturen noch angemessen seien, betonte Steinmeier, Deutschland werde an den Grundsätzen der vor knapp 40 Jahren verabschiedeten Helsinki-Schlussakte festhalten. Die Prinzipien der territorialen Integrität und der Selbstbestimmung seien weder überkommen noch verhandelbar. Didier Burkhalter, OSZE-Vorsitzender: Eröffnung der parlamentarischen Versammlung der OSZE. 5. Oktober 2014 (Zitat: „Die Verletzungen der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine sowie die illegale Annexion der Krim durch Russland wirken sich weit über die Ukraine hinaus aus. Sie stellen das Fundament der europäischen Sicherheit in Frage, die in der Charta von Paris gestützt auf die Schlussakte von Helsinki definiert wird.“); Merkel kann zerrüttetes Verhältnis zu Russland kitten, Sputnik, 13. November 2014; Rede von Bundeskanzlerin Merkel im Wortlaut, Die Zeit, 17. November 2014 (Auszug: „Dennoch müssen wir erleben, dass es auch in Europa immer noch Kräfte gibt, die sich dem gegenseitigen Respekt und einer Konfliktlösung mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln verweigern, die auf das angebliche Recht des Stärkeren setzen und die Stärke des Rechts missachten. Genau das ist mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland zu Beginn dieses Jahres geschehen. Russland verletzt die territoriale Integrität und die staatliche Souveränität der Ukraine. Ein Nachbarstaat Russlands, die Ukraine, wird als Einflusssphäre angesehen. Das stellt nach den Schrecken zweier Weltkriege und dem Ende des Kalten Krieges die europäische Friedensordnung insgesamt infrage. Das findet seine Fortsetzung in der russischen Einflussnahme zur Destabilisierung der Ostukraine in Donezk und Lugansk.“); Annul Russia’s Annexation of Crimea – Hegemonic overturning of world peace order impermissible: Shii, Kommunistische Partei Japans, 19. März 2014.
- Laut Fischer Weltalmanach sind 50 von 143,8 bzw. 142,1 Millionen konfessionslos (ebenso die Ausgaben 2008, 2009 und 2010), das sind etwa 35 Prozent. Der Spiegel Almanach von 2002 (S. 328) gab 33 Prozent Atheisten an. Der zusammen mit der Encyclopaedia Britannia herausgebrachte Time Almanac 2010 (S. 404 f.) unterschied zwischen 25,8 Prozent Religionslosen und 5 Prozent Atheisten.
- Im Gegensatz zu früheren Ausgaben gibt der Fischer Weltalmanach die Zahl der Orthodoxen 2011 und 2012 mit 70 % an.
- Inhalt: Jörg Stadelbauer, Russlands Geografie. Landschaftszonen, Bodenschätze, Klimawandel und Bevölkerung; Stefan Plaggenburg, Das Erbe. Von der Sowjetunion zum neuen R.; Margareta Mommsen, Das politische System unter Jelzin. Ein Mix aus Demokratie, Oligarchie, Autokratie und Anarchie; Petra Stykow, Die autoritäre Konsolidierung des politischen Systems in der Ära Putin; Wladimir Gelman, Föderalismus, regionale Politik und kommunale Selbstverwaltung; Uwe Halbach, Brennpunkt Nordkaukasus; Angelika Nußberger, Rechtswesen und Rechtskultur; Cornelia Rabitz, Ohne Zensur und doch nicht frei. Russlands Medienlandschaft; Jens Siegert, Zivilgesellschaft; Dmitrij Trenin, Die Entwicklung der russischen „Westpolitik“ und ihre Lehren; Andrej Zagorskij, R. im postsowjetischen Raum; Sabine Fischer, R. und die Europäische Union, EU; Angela Stent, Die russisch-deutschen Beziehungen von 1992 bis 2008; Hannes Adomeit, Militär- und Sicherheitspolitik; Pekka Sukela, Die russische Wirtschaft von 1992 bis 2008. Entwicklungen und Herausforderungen; Ksenia Gonchar, Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen in der russischen Industrie; Pleines, Energiewirtschaft und Energiepolitik; Peter Lindner, Die russische Landwirtschaft. Privatisierungs-Experiment mit offenem Ausgang; Schröder, Gesellschaft im Umbruch. Schichtung, demografische Entwicklung und soziale Ungleichheit; Jewgenij Gontmacher, Sozialpolitik. Entwicklungen und Perspektiven; Stefan Meister, Bildung und Wissenschaft; Lew Gudkow, Die politische Kultur des post-sowjetischen Russland im Spiegel seiner öffentlichen Meinung; Thomas Bremer, Die orthodoxe Kirche als gesellschaftlicher Faktor; Halbach, Islam in Russland; Elisabeth Cheauré, Frauen in Russland; Ulrich Schmid, Alltagskultur und Lebensstil. Statistische Daten auf S. 529–550.
Einzelnachweise
- ПРЕДВАРИТЕЛЬНАЯ ОЦЕНКА ЧИСЛЕННОСТИ ПОСТОЯННОГО НАСЕЛЕНИЯ на 1 января 2018 г. и в среднем за 2017 г..
- Statista - Russland: Bevölkerungsentwicklung von 2010 bis 2020 , abgerufen am 21. Februar 2021.
- World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds.
- Table: Human Development Index and its components. In: Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (Hrsg.): Human Development Report 2020. United Nations Development Programme, New York, S. 343 (undp.org [PDF]).
- Vgl. Andreas Zimmermann: Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, Berlin 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 86.
- Vgl. Theodor Schweisfurth: Staatensukzession, S. 172.
- Nach h. M. ist der Inhalt dieses Begriffes synonym mit „völkerrechtlicher Identität“ zu verstehen, womit sich dieser Begriff und die Bezeichnung „Nachfolgestaat“ wechselseitig ausschließen; vgl. dazu Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, S. 91; weiterführend S. 85–97 mzN. Schweisfurth hingegen meint, dass sich der Begriff „Fortsetzerstaat“ wie die Zirkularnote vom 13. Januar 1992 lediglich „auf die ‚Fortsetzung‘ der Verträge der UdSSR bezog, nicht aber auf die Fortsetzung (Kontinuität) der UdSSR.“ (Zit. in: ders., Völkerrecht, Mohr Siebeck, Tübingen 2006, S. 343 f.)
- Steven Rosefielde: Russia in the 21st Century: The Prodigal Superpower. Cambridge University Press, 2005, ISBN 978-0-521-83678-4 (hier in der Google-Buchsuche [abgerufen am 29. Dezember 2017]).
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- Jeffrey Hays: Natural Resources in Russia – Facts and Details. Abgerufen am 29. Dezember 2017 (englisch).
- Russia contains over 30 % of all the natural resources in the world. Abgerufen am 29. Dezember 2017.
- Aurel Croissant, Peter Thiery: Defekte Demokratie. Konzept, Operationalisierung und Messung. In: Hans-Joachim Lauth, Gert Pickel, Christian Welzel (Hrsg.): Demokratiemessung. Konzepte und Befunde im internationalen Vergleich. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2000, ISBN 3-531-13438-8, S. 89–111, hier S. 89.
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- Brockhaus – Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 20. Aufl., Leipzig/Mannheim 1996.
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- HIV and AIDS in Russia, avert.org, nach dem letzten Update vom 1. Oktober 2019.
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- Главная::Федеральная служба государственной статистики.
- Russland fehlen die Russen, NZZ, 9. Januar 2018, S. 27.
- Botschaft von Wladimir Putin an die Bundesversammlung. Die Hauptpunkte, Kommersant, 20. Februar 2019.
- Bevölkerungsentwicklung Russlands beim Föderalen Dienst för staatliche Statistik Russlands (englisch; Berechnungen für den 1. Januar des jeweiligen Jahres, wenn nicht anders angegeben)
- Die russische Tragödie, FAZ vom 10. Juli 2011, abgerufen am 5. März 2015.
- RIA Novosti: Russlands Bevölkerung stirbt langsamer aus – Statistik und Prognose, 22. November 2007.
- Hunderttausende Russen wählen mit den Füssen, Tages-Anzeiger, 5. April 2018.
- Migration Report 2017. (PDF) UN, abgerufen am 30. September 2018 (englisch).
- Demoscope Weekly – Annex. Population Clock.
- Russian Demographics and Power: Does the Kremlin Have a Long Game? 4. Februar 2020, abgerufen am 22. März 2021 (amerikanisches Englisch).
- Население России впервые за 15 лет снизилось более чем на 500 000 человек. Abgerufen am 22. März 2021 (russisch).
- Vgl. auch: Russland unter Putin. In: Der Bürger im Staat, 51. Jahrgang, Heft 2/3, 2001, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, S. 114.
- Nationalitätenstatistik der russischen Volkszählung von 2002 (englisch) (MS Excel; 203 kB)
- Russland-Aktuell: Tataren müssen Kyrillisch schreiben, 16. November 2004.
- RIA Novosti: Studie: Immer weniger Orthodoxe in Russland, 19. Dezember 2012.
- Botschaft der Russischen Föderation: Religion.
- dtv/Spiegel-Jahrbuch 2005, S. 466 f. gab zwischen 40 und 50 % an.
- Time Almanac 2010.
- Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten: Eckdaten Russische Föderation
- International Religious Freedom Report: Russia (2011)
- RUFO: Russlands größter Reichtum sind seine Menschen, 27. April 2007.
- Fischer Weltalmanach 2008 (S. 394 u. 617) bis 2012 (S. 399)
- CIA: The World Factbook
- Vgl. Antonia von Reiche: Der Weg des russischen Zarentums zur Anerkennung in der Zeit von 1547 bis 1722: Eine völkerrechtlich-historische Studie, 2001, S. 17.
- Russlandanalysen 165 (PDF; 370 kB), abgerufen am 31. März 2012.
- Startseite. 9. Juli 2019.
- NAK Berlin-Brandenburg K.d.ö.R.: Startseite.
- Gerhard Besier, Katarzyna Stoklosa (Hrsg.): Jehovas Zeugen in Europa. Geschichte und Gegenwart. Band 2 (= Studien zur Kirchlichen Zeitgeschichte, Bd. 6), Berlin 2015, S. 533–690.
- Radio Vatikan: Russland: Zeugen Jehovas sollen verboten werden (Memento vom 19. März 2017 im Internet Archive), 18. März 2017.
- Die Zeit: Russland: Oberstes Gericht verbietet Zeugen Jehovas, 20. April 2017.
- Oberstes Gericht verbietet Zeugen Jehovas, Deutschlandfunk, 20. April 2017.
- Russland zieht den Hidschāb an, Nowaja Gaseta, 28. März 2018.
- Petra Deger, Robert Hettlage (Hrsg.): Der europäische Raum. Die Konstruktion europäischer Grenzen. VS Verlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-531-14020-9, S. 15.
- Thede Kahl, Elisabeth Vyslonzil, Alois Woldan: Herausforderung Osteuropa: Die Offenlegung stereotyper Bilder. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2004, S. 151.
- Annette Baumgart, Bianca Jänecke: Rußlandknigge. 3. Aufl., Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2005, ISBN 3-486-57730-1, S. 66 ff.
- Swetlana Alexijewitsch über Russlands ewigen Militarismus – Rückfall in unselige Zeiten, NZZ, 14. März 2015.
- Herta Müller: „Putins Dreistigkeit beleidigt meinen Verstand“, Welt Online, 5. März 2015.
- 200 000 Mal Abschied von Russland, Neues Deutschland, 30. März 2015; Lew Gudkow u. a. in der Nesawissimaja Gaseta: „Immer mehr junge, gut ausgebildete kreative und politisch aktive Bürger kehren dem Land der Träume, wie es der damalige Präsident, Dmitri Medwedew, Russland am Ende seines vierjährigen Gastspiels im Kreml porträtierte, den Rücken.“
- Ländervergleich Welt in Zahlen, abgerufen am 5. April 2008.
- WHO-Report 1999 (PDF; 593 kB), abgerufen am 5. April 2008.
- William R. Leonard: Declining growth status of indigenous Siberian children in post-Soviet Russia. Abgerufen am 5. April 2008.
- Atmen ohne Einlass, Nowaja Gaseta, 18. Juli 2019.
- FSSS. Main.
- Russland-Aktuell, abgerufen am 8. April 2012.
- Russlandanalysen 222 (PDF; 883 kB), abgerufen am 8. April 2012.
- Staatshaushalt: Nullrunde für Russlands Rentner?, RBTH, 26. Juni 2015.
- Russlands Haushalt steht unter Erdölschock, NZZ, 27. Oktober 2015.
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- Banken sind keine guten Gründer, NZZ, 24. Oktober 2018, S. 34: „…zudem könnten gar Aufträge für russische Flugzeugbauer generiert werden“.
- Red Wings has to take over 60 Superjets, Aerotelegraph, 20. Mai 2020.
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- Veronika Wengert: Russland: Europäischer Teil, S. 69.
- Vgl. Bernhard Schleißheimer: Rußland in meinem Leben. Aus den Erinnerungen eines alten Mannes (Teil I). In: Nikolaus Lobkowicz u. a. (Hrsg.): Russische Deutschlandbilder und deutsche Russlandbilder (= FORUM für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte, 12. Jg. 2008, Heft 2), Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien (ZIMOS), Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2008, ISBN 978-3-412-20277-4, S. 143–178, hier S. 170 in der Google-Buchsuche.
- Анна Михайлова: Москва не Париж: столица превращается в нечитающий город („Moskau ist nicht Paris: Die Hauptstadt verwandelt sich zum Nichtleser“), RIA Novosti, 25. Februar 2016. (russ.)
- Cosmic Communist Constructions Photographed – Frederic Chaubin – Brutalismus, Bücher – pixelrakete.de. 9. Dezember 2011.
- Regisseur Serebrennikow bittet Publikum um Hilfe gegen Behörden, Aargauer Zeitung, 22. Juni 2017.
- Mit Cate Blanchett und Nina Hoss gegen Putins Justiz, Spiegel Online, 27. August 2017.
- Россияне составили 5 процентов от общей аудитории YouTube.
- BFM.ru: Одна из серий мультфильма «Маша и Медведь» бьет рекорды просмотров на YouTube.
- Новую серию «Маши и Медведя» посмотрели более 3 миллиардов раз.
- Просмотры самого популярного эпизода мультсериала „Маша и Медведь“ перевалили за 3 миллиарда.
- В Музее Москвы был представлен первый голографический видеоблог.
- Холдинг «СТС Медиа» приобрёл компанию Caramba TV за 150 млн. рублей.
- BadComedian разнёс в пух и прах „кино“, где режиссёр — Тиньков
- , Patrick HipesGolden Trailer Awards Nominees: Warner Bros & ‘Lego Batman’ Lead Pack. 12. Mai 2017.
- , Patrick HipesGolden Trailer Award Nominations: ‘The Shape Of Water’, ‘Hitman’s Bodyguard’ Top List. 9. Mai 2018.
- Sergey Markov: Nikolai Kurbatov – Russian film director, trailer editor and poet – Genvive.
- Житель Перми попал в Книгу рекордов России за создание высокооцененного трейлера к мультфильму «Король Лев».
- Ролики пермяка к „Выжившему“ и „Гэтсби“ вошли в Книгу рекордов.
- Алина ОЛЕЙНИК правды: Пермяк вошел в Книгу рекордов России за свои фан-ролики к голливудским фильмам. 13. August 2016.
- Социально-экономические показатели Российской Федерации в 1992–2008 гг. (MS Excel; 654 kB)
- CUPA KISELEFF, TROFEU CE VA FI PUS ÎN JOC LA MECIURILE DINTRE ROMÂNIA ȘI RUSIA. Federația Română de Rugby, 3. März 2021, abgerufen am 20. März 2021 (rumänisch).
- Senta Wintner: Leichtathletik: „Tief verwurzelte Betrugskultur“, in: Die Presse, 9. November 2015.
- Belege für staatliches Doping in Russland, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juli 2016; Michael Reinsch: Das russische Doping-Diktat, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juli 2016.
- Dipo Faloyin: WADA Suspends Russia’s Anti-Doping Agency. In: Newsweek, 11. November 2015.
- Michael Reinsch: Russischer Doping-Skandal: Sperre mit Schlupfloch, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Juni 2016; Michael Reinsch: Doping-Skandal und Olympia-Aus: Warum nur die russischen Leichtathleten?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Juni 2016.
- Olympia ohne russische Gewichtheber, Zeit Online, 29. Juli 2016.
- Arnd Krüger (2016), From Russia with Love? Sixty Years of Proliferation of L. P. Matveyev’s Concept of Periodisation, in J.F. Loudner & D. Day (Eds.), Sport Coaching – Historical and Cultural Perspectives. L'Harmattan, Paris
- Lubysheva, L. & Pronin, S. (2015), Evolution of the Journal „Teoriya i Praktika Fizicheskoy Kul’tury“ (1925–2015), Physical Education and Sport through the Centuries, 2 (1), 6-31.
- Halo, P. V., Khvalebo, G. V. und Turevskiy, I. M. (2015), A system approach to the development of a model of optimal prestart state, Theory and Practice of Physical Culture, 91 (12), e22.
- Alexandra Dersch / dpa: Flash-News des Tages – Russischer Dopingskandal: CAS-Anhörung im November, Notizen, auf: leichtathletik.de, 3. Juni 2020, abgerufen am 3. Juni 2020.
- Analysen und Reportagen aus der Zeit; „Zahlen, Daten und Fakten“ aus dem Weltalmanach.