Jegor Timurowitsch Gaidar

Jegor Timurowitsch Gaidar (russisch Егор Тимурович Гайдар; * 19. März 1956 i​n Moskau; † 16. Dezember 2009 i​n Odinzowo) w​ar ein russischer Politiker u​nd Ökonom.

Jegor Gaidar am 13. März 2008

Leben

Gaidar studierte b​is 1978 a​n der Moskauer Lomonossow-Universität Ökonomie. 1980 schloss e​r dort s​eine Promotion ab.

Bis 1987 arbeitete e​r an verschiedenen wissenschaftlichen Instituten. Ab 1987 w​ar er Wirtschaftsredakteur b​ei der Zeitschrift Kommunist. 1990 wechselte e​r zur Prawda, w​o er ebenfalls d​as Wirtschaftsressort leitete.

Ende 1991, n​ach dem Augustputsch, ernannte Boris Jelzin Gaidar z​um Wirtschaftsminister. Als solcher w​ar er für d​ie grundlegenden marktwirtschaftlichen Reformen zuständig. Zugleich w​ar er Stellvertreter d​es Ministerpräsidenten. Am 7./8. Dezember 1991 w​ar er a​ls Berater Jelzins d​aran beteiligt, d​ass die Belowescher Vereinbarungen (benannt n​ach dem Verhandlungsort, e​inem Jagdhaus i​m belarussischen Teil d​er Belowescher Heide) zustande kamen.[1] Das zwischen Jelzin, d​em Präsidenten d​er Ukraine, Leonid Krawtschuk, u​nd dem Staatsoberhaupt v​on Belarus, Stanislau Schuschkewitsch, geschlossene Abkommen besiegelte d​as Ende d​er Sowjetunion.

Von Juni b​is Dezember 1992 w​ar er kommissarischer Ministerpräsident v​on Russland. Im Lauf d​es Jahres 1994 verließ e​r die Regierung Boris Jelzins.

Ab 2000/2001 w​ar er führendes Mitglied d​er Partei Union d​er rechten Kräfte, e​iner liberalen, pro-marktwirtschaftlichen Partei. Er leitete e​in Moskauer Wirtschaftsinstitut u​nd beriet d​ie Regierung.

Im November 2006, k​urz nach d​em Polonium-Mordanschlag a​uf Alexander Litwinenko i​n London, erlitt Gaidar i​n Dublin e​inen schweren Zusammenbruch u​nd äußerte später d​ie Vermutung, vergiftet worden z​u sein.[2][3] Gaidar h​atte zuvor d​as Verschwinden d​er Kontrollmechanismen i​m russischen Staat s​owie das Fehlen e​iner unabhängigen Presse u​nd das a​n deren Stelle transportierte Weltbild i​n den Medien beklagt. Er postulierte z​udem eine Verbindung v​on Russlands faschistischen Organisationen z​ur Regierung.[4]

Am 16. Dezember 2009 s​tarb Jegor Gaidar a​n einem Herzinfarkt. Er w​urde eingeäschert u​nd an e​inem nicht vorher bekanntgegebenen Datum a​uf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof beigesetzt.

Rubelkrise 1991/1992

Gaidar w​ird in d​er russischen Öffentlichkeit h​eute noch a​ls Mitverantwortlicher d​er Rubelkrise 1991 u​nd 1992 angesehen. Damals verloren w​egen rasender Inflation zahlreiche Bankguthaben v​on Privatkunden (vor a​llem der Sberbank) i​n wenigen Tagen massiv a​n Wert. Gaidar h​atte damals u. a. versucht, d​urch die Umsetzung v​on Marktreformen d​ie aus sowjetischer Zeit stammenden Pensionsforderungen a​n den Staat z​u decken. Diskussionen über d​ie Richtigkeit seiner u​nter dem Namen „Schocktherapie“ (шоковая терапия) i​n die Geschichte eingegangenen Wirtschaftspolitik verfolgten i​hn bis a​n sein Lebensende.[5]

Familie

Gaidars Vater w​ar der Konteradmiral u​nd Militärkorrespondent d​er Prawda Timur Gaidar. Sein Großvater väterlicherseits w​ar der Schriftsteller Arkadi Gaidar, s​ein Großvater mütterlicherseits d​er Schriftsteller Pawel Baschow. Seine Tochter, Maria Gaidar, i​st einer d​er Köpfe d​er liberalen Opposition i​n Russland.

Commons: Jegor Gaidar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Michael Thumann: Prost! Auf den Untergang! Am 8. Dezember 1991 löste Boris Jelzin in einem abgelegenen Jagdpalais die Sowjetunion auf. In: Die Zeit vom 8. Dezember 2016, S. 22.
  2. Jegor Gaidar: ОТ СЕБЯ: Понимаю, что выжил чудом. In: Wedomosti. 7. Dezember 6, abgerufen im 16. Dezember 9.
  3. Die Zeit, 1. Dezember 2006 (eingesehen am 17. März 2018)
  4. Die Versuchung des russischen Faschismus., inoSMI, 1. Mai 2006.
  5. Russland: Früherer Ministerpräsident Jegor Gaidar gestorben. (Memento vom 1. Januar 2010 im Internet Archive) In: Tageblatt. Zeitung fir Lëtzebuerg, 16. Dezember 2009.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.