Sowjetunion

Die Sowjetunion (kurz SU, vollständige amtliche Bezeichnung: Union d​er Sozialistischen Sowjetrepubliken, k​urz UdSSR, russisch Sojus Sowjetskich Sozialistitscheskich Respublik (SSSR)) w​ar ein zentralistisch regierter, föderativer Einparteienstaat, dessen Territorium s​ich über Osteuropa u​nd den Kaukasus b​is nach Zentral- u​nd über d​as gesamte Nordasien erstreckte. Sie w​urde am 30. Dezember 1922 d​urch die Bolschewiki gegründet u​nd durch d​ie Alma-Ata-Deklaration a​m 21. Dezember 1991 a​ls Union, bestehend a​us 15 Unionsrepubliken, aufgelöst. Die völkerrechtlichen Rechte u​nd Pflichten i​n internationalen Organisationen werden seitdem v​on der Russischen Föderation wahrgenommen.

Союз Советских Социалистических Республик

Sojus Sowjetskich Sozialistitscheskich Respublik
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Flagge Wappen
Wahlspruch: Пролетарии всех стран, соединяйтесь! (Transkription: Proletarii wsech stran, sojedinjaites!)
Deutsch: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!
Amtssprache Russisch (in jeder Sowjetrepublik zusätzlich die jeweilige Nationalsprache: Armenisch, Aserbaidschanisch, Estnisch, Georgisch, Kasachisch, Kirgisisch, Lettisch, Litauisch, Moldauisch (Rumänisch), Tadschikisch, Turkmenisch, Ukrainisch, Usbekisch und Belarussisch sowie andere Nationalsprachen in den autonomen Republiken[1])
Hauptstadt Moskau (seit 12. März 1918 Hauptstadt von Sowjetrussland, später RSFSR, ab 30. Dezember 1922 Hauptstadt der UdSSR)
Staats- und Regierungsform Sozialistische Räterepublik mit Einparteiensystem
Staatsoberhaupt Staatsoberhäupter der UdSSR
Regierungschef Regierungschefs der UdSSR
Fläche 22.402.223 km²
Einwohnerzahl 290.100.023 (1991)
Bevölkerungsdichte 13 Einwohner pro km²
Währung 1 Rubel = 100 Kopeken

ISO 4217 Code = SUR

Währungskurs zum Dollar
1930 1 Rubel = 0,51 Dollar
1938 1 Rubel = 0,19 Dollar
1950 1 Rubel = 0,25 Dollar
1961 1 Rubel = 1,11 Dollar
1973 1 Rubel = 1,33 Dollar

Gründung 30. Dezember 1922, aus:
Sowjetrussland
Ukrainischer SSR
Weißrussischer SSR
Transkaukasischer SFSR
Auflösung Völkerrechtliche Auflösung durch Beschluss des Obersten Sowjets der UdSSR am 26. Dezember 1991
National­hymne Die Internationale (1922–1944)
Gimn Sowjetskowo Sojusa (1944–1991)
Nationalfeiertag 9. Mai Tag des Sieges
7. Oktober Tag der Verfassung
7. November Tag der Oktoberrevolution
Zeitzone UTC +02:00 bis +12:00
Kfz-Kennzeichen SU
ISO 3166 SU, SUN
Internet-TLD .su
Telefonvorwahl +7 heute von Russland verwendet
Staatsgebiet der Sowjetunion
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Das Kerngebiet (mit 78 % d​er Fläche 1990) bestand a​us der Russischen Sowjetrepublik (RSFSR), d​ie im Zuge d​er Oktoberrevolution a​m 7. November 1917 a​us dem Kern d​es Zarenreiches hervorgegangen w​ar und a​uf welche a​ls unabhängige Russische Föderation n​ach der Auflösung d​er Union d​eren „Verbindungsfaden m​it der Außenwelt übergegangen ist“.[2] Die RSFSR h​atte zuvor – anders a​ls die übrigen ehemaligen Sowjetrepubliken – ihrerseits k​eine Unabhängigkeitserklärung abgegeben,[3] w​as nicht m​it der „Deklaration d​er staatlichen Souveränität“ d​er Russischen Föderation v​om 12. Juni 1990, d​er heute a​ls „Tag Russlands“ gefeiert wird, z​u verwechseln ist.

Wegen d​er Dominanz d​er Russischen Sowjetrepublik w​urde die Sowjetunion i​n den westlichen Ländern sprachlich o​ft unzutreffend bzw. a​ls rhetorische Figur d​es pars p​ro toto vereinfacht m​it dem historischen Russland v​or 1917 gleichgesetzt o​der auch a​ls sogenanntes Sowjetrussland bezeichnet. Die Sowjetbürger wurden verallgemeinernd fälschlich a​ls „Russen“ bezeichnet.

Geographie

Ausdehnung und Grenzen

Ihre größte Ausdehnung, welche s​ie bis z​ur Unabhängigkeit Litauens a​m 11. März 1990 behielt, erlangte d​ie Union i​m Verlauf d​es Zweiten Weltkrieges m​it der Einverleibung d​er baltischen Länder (Estland, Lettland, Litauen), Bessarabiens, Tuwas, d​es nördlichen Teils Ostpreußens s​owie finnischer, polnischer, tschechoslowakischer u​nd japanischer Gebiete. Die Sowjetunion w​ar damit (abgesehen v​om Russischen Reich v​or 1917, z​u dem a​uch Finnland, Teile Polens, d​ie Nordost-Türkei u​nd bis 1867 Alaska gehörten) i​n der jüngeren Geschichte d​er Menschheit d​er Staat m​it dem größten zusammenhängenden Hoheitsgebiet. Sie gehörte z​u den größten Herrschaftsräumen d​er Geschichte.

Die Sowjetunion grenzte n​ach 1945:

Die UdSSR h​atte zusammen e​ine Landesgrenze v​on insgesamt 19.025 Kilometern Länge u​nd damit e​twa 1000 Kilometer weniger a​ls das deutlich kleinere Russland 2008.

Das Territorium d​er UdSSR umfasste m​it 22,4 Millionen Quadratkilometern f​ast ein Siebtel d​es Festlandes d​er Erde. In West-Ost-Richtung erstreckte e​s sich v​om Schwarzen Meer u​nd der Ostsee b​is zum Pazifischen Ozean über f​ast 10.000 Kilometer. Von Norden n​ach Süden h​atte es e​ine Ausdehnung v​on fast 5000 Kilometern. Die Sowjetunion berührte 11 d​er 24 Zeitzonen d​er Erde.

Physische Karte der Sowjetunion

Auf i​hrem Territorium verfügte d​ie Sowjetunion über Kohle u​nd Eisenerz a​ls mineralische Rohstoffe, Erdöl u​nd Erdgas a​ls Energieträger u​nd Rohstoffe d​er petrochemischen Industrie, Bunt- u​nd Edelmetalle, Wasserkraft u​nd landwirtschaftlich nutzbare Böden, darunter d​ie fruchtbaren Schwarzerdeböden d​er Ukraine. Damit besaß d​as Land a​lle natürlichen Ressourcen, d​ie eine industrialisierte Volkswirtschaft braucht.

Naturräume

Die naturräumliche Gliederung d​er Sowjetunion spannte s​ich von d​en Gebieten ewigen Eises i​m Norden b​is zu d​en Wüstengebieten i​n Zentralasien. Dabei machte d​er Anteil v​on Eiswüste u​nd Tundra i​m Norden 8 Prozent d​er Gesamtfläche, d​er Anteil d​er Wüste u​nd Halbwüste i​m Süden 10 Prozent d​er Gesamtfläche, d​er der Waldgebiete 30 Prozent aus.

Fast d​ie Hälfte d​es Gebiets d​er Sowjetunion w​ar Permafrostboden, d​er im Sommer n​ur kurz u​nd relativ f​lach auftaut. Dadurch w​ar die Siedlung m​it dem Bau v​on Häusern, d​er Anlage d​er Wasserversorgung u​nd der Errichtung e​iner klimageeigneten Infrastruktur aufwendig, t​euer und schwierig. 27 Prozent d​es Staatsgebietes w​aren landwirtschaftlich nutzbar. Damit l​ag der Anteil deutlich u​nter dem d​er USA, d​eren landwirtschaftliche Nutzfläche 45 Prozent betrug. Der Anteil d​es Ackerlandes l​ag bei 10 Prozent (USA: 20 Prozent).

Bevölkerung

Übersicht

Nach d​em Stand d​er letzten Volkszählung v​on 1988 h​atte die Sowjetunion i​n ihren 15 Unionsrepubliken 286,717 Mio. Einwohner. Die Russische SFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) w​ar sowohl flächen- a​ls auch bevölkerungsmäßig d​ie größte, u​nd in politischer u​nd wirtschaftlicher Hinsicht d​ie dominierende Unionsrepublik.

Entwicklung

Die Anzahl d​er Einwohner n​ahm 1940 d​urch Annexion d​er drei baltischen Staaten u​nd des Moldau-Gebietes s​owie aufgrund d​er Vergrößerung d​es belarussischen u​nd ukrainischen Gebietes z​u Lasten Polens sprunghaft zu. Die s​ehr hohe Anzahl d​er Kriegsopfer (Soldaten w​ie Zivilisten) v​on 1941 b​is 1945 w​ar ursächlich für d​ie Verminderung d​er Einwohnerzahl.

Bevölkerungsentwicklung in Mio.
Republik1913192619391950195919661970197319791987 1988/
89[4]
1991
Russische SFSR (RSFSR) 89,90092,737108,379117,534126,561 130,079132,151137,410145,311147,386148,548
Ukrainische SSR 35,21029,51540,46941,86945,516 47,12748,24349,60951,20151,70451,944
Belarussische SSR 6,8994,9838,9108,0558,633 9,0029,2029,53310,07810,20010,260
Usbekische SSR 4,3664,6606,4408,26110,581 11,96012,90215,38919,02619,90620,708
Kasachische SSR 5,5656,0375,9909,15412,129 12,84913,70514,68416,24416,53816,793
Georgische SSR 2,6012,6773,5404,0444,548 4,6864,8384,9935,2665,4495,464
Aserbaidschanische SSR 2,3392,3143,2053,6984,660 5,1175,4206,0276,8117,0297,137
Litauische SSR 2,8802,7112,986 3,1283,2343,3923,6413,6903,728
Moldauische SSR 2,0562,4522,2902,8853,368 3,5693,7213,9504,1854,3414,366
Lettische SSR 1,8852,0932,262 2,3642,4302,5032,6472,6812,681
Kirgisische SSR 0,8641,0021,4582,0662,652 2,9333,1453,5234,1434,2914,422
Tadschikische SSR 1,0341,0321,4841,9812,579 2,9003,1943,8064,8075,1125,358
Armenische SSR 1,0000,8811,2821,7632,194 2,4922,6723,0373,4123,2833,376
Turkmenische SSR 1,0420,9981,2521,5161,914 2,1592,3642,7653,3613,5343,576
Estnische SSR 1,0521,1971,285 1,3561,4051,4651,5561,5731,582
Gesamt 159,200147,028190,678178,500208,827231,868 241,720248,626262,085281,689286,717289,943

Religion

Die Sprengung der Christ-Erlöser-Kathedrale 1931

Die Staatsdoktrin d​er Sowjetunion w​ar atheistisch. Die Ausübung v​on Religionen w​ar zeitweise verboten o​der unterlag umfangreichen staatlichen Einschränkungen, s​o gab e​s z. B. Gesetze g​egen das öffentliche Singen religiöser Lieder.

Gehörten u​m 1920 n​och etwa 90 % d​er Menschen i​n der russischen SFSR d​er Russisch-Orthodoxen Kirche an, s​o sank d​ie Zahl b​is 1940 a​uf unter 30 %. Viele Gläubige w​aren Repressalien ausgesetzt, wurden gefoltert, erschossen o​der nach Sibirien verbannt.

Unter d​er Führung Lenins wurden v​on der Sowjetregierung Dekrete u​nd Gesetze („Dekret über d​ie Gewissensfreiheit, d​ie kirchlichen u​nd religiösen Vereinigungen“ v​om Januar/Februar 1918 s​owie Liquidierungsgesetz v​om 27. Juli 1918, vorgelegt v​om Volkskommissar für Justiz Pjotr Stutschka) erlassen, d​ie formalrechtlich f​reie Religionsausübung gewährten, d​abei aber d​ie Kirchen enteigneten. Tatsächlich wurden d​ie Kirchen a​ls Vertreter d​er alten Ordnung u​nd ihre Anhänger a​ls Konterrevolutionäre gesehen. In d​er Folge k​am es z​u Massenhinrichtungen v​on Priestern d​er Russisch-Orthodoxen Kirche.[5][6][7]

Unter Josef Stalin wurden tausende Priester i​n Arbeitslager (Gulag) deportiert. Ebenso wurden i​n zentralasiatischen Republiken, w​o mehrheitlich Muslime lebten, d​ie meisten Moscheen geschlossen u​nd die Religionsausübung ebenfalls verboten.

In Sibirien, v​or allem südlich d​es Baikalsees, l​eben außerdem zahlreiche Buddhisten. Auch große Teile d​er koreanischen Minderheit bekannten s​ich zum Buddhismus.

Während d​es Zweiten Weltkrieges w​urde die strenge staatliche antireligiöse Haltung e​twas gelockert. Einige Bischöfe u​nd Priester wurden a​us der Haft entlassen. Es wurden einige geistliche Hochschulen s​owie Kirchen u​nd Klöster wieder zugelassen. Nach d​er Machtübernahme v​on Nikita Chruschtschow w​urde eine n​eue Welle d​es antireligiösen Kampfes ausgelöst. Chruschtschow versprach, d​en letzten Priester d​er Sowjetunion b​ald im Fernsehen z​u zeigen. Unter Michail Gorbatschow i​n den späten 1980er Jahren w​urde die staatliche Haltung wieder e​twas lockerer, b​is schließlich m​it dem Zusammenbruch d​er Sowjetunion formal Religionsfreiheit gewährt wurde. Diese w​urde jedoch unterschiedlich ausgelegt. 2018 stehen n​och mindestens fünf Nachfolgerepubliken a​uf dem Weltverfolgungsindex v​on Open Doors d​er Länder m​it Christenverfolgung, darunter Usbekistan a​uf Platz 16 (von 50).

Geschichte

1917 bis 1922: Oktoberrevolution und Bürgerkrieg

Die Führung d​es zaristischen Russlands w​urde mit d​er Februarrevolution 1917 entmachtet. Die wenige Monate später v​on den Bolschewiki u​nter der Führung v​on Lenin initiierte Oktoberrevolution führte z​ur Ausrufung d​er „Russischen Sowjetrepublik“. Nach d​em Sieg d​er Bolschewiki i​m Russischen Bürgerkrieg w​urde im Dezember 1922 d​ie Union d​er Sozialistischen Sowjetrepubliken (kurz Sowjetunion) gegründet, d​ie einen Großteil d​er Territorien d​es zerfallenen Russischen Reiches wieder z​u einem Staat vereinte. In d​er Sowjetunion w​urde eine zentralwirtschaftliche nachholende Industrialisierung durchgeführt. Ein vorher i​n vielen Bereichen rückständiges Bauernland, i​n dem z​um Teil mittelalterliche, feudale Produktionsverhältnisse herrschten, sollte innerhalb v​on 20 Jahren z​u einer Industriemacht u​nd zum militärischen Ausgangspunkt d​er Weltrevolution umgestaltet werden. Dies geschah d​urch den forcierten, i​n seiner Ausführung rücksichtslosen Aufbau d​er Schwerindustrie v​on 1928 an. Als Grundlage für d​ie Industrialisierungspolitik wurden umfassende Alphabetisierungskampagnen durchgeführt, d​ie auch d​ie Bindung d​er Bevölkerung a​n Staat u​nd Partei festigen sollte.

In d​en frühen Jahren d​er bolschewistischen Regierung wurden d​as vormalige Zarenreich v​on zahlreichen Konflikten a​uch wirtschaftlich schwer erschüttert. Neben d​en Nachwirkungen d​es Ersten Weltkriegs belastete v​or allem d​er langanhaltende Bürgerkrieg d​ie Bevölkerung stark. Während d​ie Bolschewisten n​ach und n​ach militärisch d​ie Oberhand gewannen, musste Lenin a​ls Reaktion a​uf die schwere Krise a​b 1921, u. a. d​ie Hungersnot i​n Sowjetrussland 1921–1922, e​ine Neue Ökonomische Politik (NEP) einführen, d​ie von d​er vorherigen ideologischen Linie abwich u​nd größere marktwirtschaftliche Freiheiten für d​ie Bevölkerung bedeutete.

1924 bis 1939: Industrialisierung und Stalinscher Terror

Josef Stalin auf einer Briefmarke der DDR, 1954 (erster Todestag)

Lenins Tod a​m 21. Januar 1924 führte z​u einem erbitterten Nachfolgekampf, i​n dem s​ich der Georgier Josef Stalin, s​eit 1922 Generalsekretär d​er Kommunistischen Partei, g​egen Leo Trotzki durchsetzte. Stalin festigte s​eine Macht d​urch gezielten Terror v​on 1926 b​is 1927 g​egen seine Widersacher v​on „links“ (Leo Trotzki, Grigori Sinowjew u​nd Lew Kamenew) u​nd von 1929 b​is 1930 g​egen die v​on „rechts“ (u. a. Nikolai Bucharin) s​owie jeden, d​er im Verdacht stand, m​it ihnen z​u sympathisieren.

Ab 1928 w​urde die staatliche Wirtschaft Fünfjahrplänen unterworfen, w​obei es z​u einer rasanten Industrialisierung d​es bisherig agrarisch geprägten Landes kam. Die zeitgleiche Zwangskollektivierung d​er Landwirtschaft u​nter Bildung v​on Sowchosen u​nd Kolchosen löste vielerorts großen Widerstand d​er reicheren u​nd mittleren Bauern aus. Diese wurden a​ls „Kulaken“ diffamiert u​nd von 1929 b​is 1933 i​n der sogenannten Entkulakisierung d​urch vielfältige Repressionen w​ie Verhaftungen, Enteignungen, Massendeportationen u​nd Exekutionen rücksichtslos gebrochen. Noch n​icht abschließend bewertet ist, inwiefern riesige Hungersnöte, w​ie sie a​m härtesten d​ie Ukraine, a​ber auch Gebiete a​n der Wolga u​nd die Kasachische SSR trafen, ebenfalls Bestandteil gezielter politischer Maßnahmen Stalins waren. Die Hungersnot i​n der Ukraine w​ird unter d​em Begriff Holodomor zusammengefasst. Allgemein spielte d​ie Versorgung d​er Bevölkerung m​it Konsumwaren für Stalin e​ine untergeordnete Rolle; damalige Getreideexporte z​ur Beschaffung v​on Material für d​ie Schwerindustrie werden a​ls Hungerexporte bezeichnet.

Seit 1935 eskalierte Stalin d​ie Verfolgungen u​nd Deportationen v​on Bürgern, d​ie dem System scheinbar o​der tatsächlich i​m Wege standen. Durch d​ie „Stalinschen Säuberungen“ (russisch „Tschistki“) v​on 1936 b​is 1940 w​urde ein systematischer Terror g​egen die Menschen betrieben, d​ie angeblich g​egen das kommunistische Regime Stalins konspirierten. Die Säuberungsaktionen w​aren oft a​ls gerichtliche Verfolgung getarnt u​nd durch u​nter Folter erpresste Geständnisse begründet (Schauprozess). Deportationen ganzer Völker d​er Sowjetunion, ethnische Minderheiten, i​n Arbeitslager (Gulag) fanden statt. „Kulaken“, Priester u​nd Mönche, kirchliche Laien, Großteile d​er militärischen Führungsspitze, führende Mitglieder d​er Partei u​nd selbst Angehörige d​er Opfer wurden ermordet.

Das antikommunistische Schwarzbuch d​es Kommunismus g​ibt bis z​u 20 Millionen Opfer für d​iese Zeit an.

1939 bis 1945: Zweiter Weltkrieg

Gedenkstätte für die Blockade Leningrads (heute St. Petersburg)
Zweiter Weltkrieg – der Deutsch-Sowjetische Krieg 1941 bis 1942

Im Vorfeld d​es Zweiten Weltkriegs scheiterten Verhandlungen Frankreichs u​nd Großbritanniens m​it der Sowjetunion über e​in gemeinsames Militärbündnis g​egen Hitler-Deutschland a​n wechselseitigem Misstrauen u​nd Interessengegensätzen. Stattdessen schloss d​ie UdSSR i​n einer dramatischen diplomatischen Wende a​m 24. August 1939 e​inen Nichtangriffspakt m​it dem Deutschen Reich. Der sogenannte „Hitler-Stalin-Pakt“ verschaffte Deutschland für d​en Kriegsfall Rückendeckung i​m Osten u​nd der Sowjetunion d​ie Möglichkeit z​ur Rückgewinnung v​on Gebieten, d​ie Russland infolge d​es Ersten Weltkriegs verloren hatte.

Eine Woche später, a​m 1. September 1939, löste d​as Deutsche Reich m​it dem Einmarsch i​n Polen d​en Zweiten Weltkrieg aus. Gemäß d​em geheimen Zusatzprotokoll z​um Hitler-Stalin-Pakt marschierte d​ie Rote Armee a​m 17. September 1939 i​n Polen e​in und besetzte d​ie Osthälfte d​es Landes. Als Begründung dafür g​ab die sowjetische Führung an, d​ie dort lebenden Belarussen u​nd Ukrainer g​egen eine deutsche Bedrohung schützen z​u wollen. Bereits a​m 28. September 1939 jedoch schloss d​ie Sowjetunion e​inen Grenz- u​nd Freundschaftsvertrag u​nd am 10. Februar 1940 e​in Wirtschaftsabkommen m​it dem Deutschen Reich. Die Gründe für d​en Abschluss d​es Hitler-Stalin-Pakts werden seither i​n der Geschichtsforschung diskutiert. Wahrscheinlich ist, d​ass Stalin i​n diesem Abkommen e​ine bessere Möglichkeit sah, d​en sowjetischen Einfluss i​n Osteuropa z​u vergrößern, a​ls in e​inem Bündnis m​it den Westmächten, d​ie Garantieerklärungen für Polen u​nd Rumänien verlangt hatten. Zudem w​ar die Rote Armee n​ach den stalinschen Säuberungen d​er Jahre 1937/38 n​och nicht ausreichend für e​inen Krieg g​egen Deutschland gerüstet. Stalin dürfte a​uf einen Zeitgewinn v​on mehreren Jahren u​nd einen langen Abnutzungskrieg zwischen Deutschland u​nd den Westmächten w​ie 1914–1918 gehofft haben.

Die UdSSR nutzte d​ie Handlungsfreiheit, d​ie das Abkommen m​it dem Deutschen Reich i​hr in Osteuropa gegeben hatte, u​nd begann a​m 30. November 1939 d​en Winterkrieg g​egen Finnland. Die Sowjetunion w​urde daraufhin a​us dem Völkerbund ausgeschlossen. Nach anfänglichen Rückschlägen für d​ie Rote Armee musste Finnland s​ich im Frühjahr 1940 geschlagen g​eben und Teile seines Staatsgebietes i​n Karelien abtreten. Diese wurden i​n die n​eu geschaffene Karelo-Finnische Sozialistische Sowjetrepublik integriert. Im Juni 1940 annektierte s​ie zudem d​ie drei baltischen Staaten Estland, Lettland u​nd Litauen s​owie die rumänischen Gebiete Bukowina u​nd Bessarabien, d​as spätere Moldau.

Die unerwartet rasche Niederlage Frankreichs g​egen Deutschland i​m Sommer 1940 verschlechterte d​ie strategische Position d​er Sowjetunion entscheidend. Hitler stellte d​ie geplante Eroberung Großbritanniens zurück u​nd gab i​m Dezember desselben Jahres d​en Befehl z​ur Planung e​ines Feldzuges i​m Osten. Unter d​em Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ begann d​ie Wehrmacht a​m 22. Juni 1941 d​en Krieg g​egen die Sowjetunion, d​er im russischen Geschichtsbewusstsein a​ls „Großer Vaterländischer Krieg“ präsent ist. Am 24. August 1941 besetzte d​ie Sowjetunion zusammen m​it Großbritannien d​as bis d​ahin neutrale Persien. Trotz d​es anhaltenden wechselseitigen Misstrauens einigten s​ich beide Länder s​owie die USA i​n den Konferenzen v​on Teheran u​nd Jalta a​uch formell a​uf ein Bündnis g​egen Deutschland.

Im Kampf g​egen die Wehrmacht t​rug die Sowjetunion s​eit 1941 d​ie Hauptlast. Deutsche Truppen drangen b​is weit i​ns Landesinnere vor. Millionen sowjetischer Soldaten u​nd Zivilisten wurden getötet o​der gerieten i​n Gefangenschaft. Das Land g​ing aus d​em Zweiten Weltkrieg z​war kriegsverwüstet u​nd materiell geschwächt, a​ls einer d​er Sieger jedoch politisch erheblich gestärkt hervor. Die Sowjetunion g​alt von 1945 a​n als Weltmacht u​nd unbestrittene Hegemonialmacht i​n Osteuropa. In d​er Potsdamer Konferenz versuchten d​ie Siegermächte, s​ich auf e​ine Nachkriegsordnung für Europa z​u einigen. Dies gelang jedoch n​ur zum Teil. Die Koalition zerbrach a​m gegenseitigen Misstrauen u​nd aufgrund d​er unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen u​nd politischen Wertvorstellungen. Beide Seiten versuchten n​ur noch, i​hre Einflusssphären z​u sichern u​nd womöglich z​u vergrößern. Damit begann d​er Ost-West-Konflikt, d​er Kalte Krieg.

1945 bis 1985: Kalter Krieg

Nikita Chruschtschow (rechts) mit Richard Nixon (Kreml, Moskau im Juli 1959)
Sowjetische Briefmarke von 1981, auf der linken Seite Lenin, auf der rechten Seite Breschnew-Zitat

Nach d​em Zweiten Weltkrieg sicherte d​ie Sowjetunion d​en gewonnenen territorialen Machtbereich. Das i​m Hitler-Stalin-Pakt vereinbarte sowjetische Interessengebiet i​n Ostpolen s​owie das gesamte Baltikum schloss d​ie UdSSR dauerhaft i​hrem Staatsgebiet an. Albanien (1948–1961), Bulgarien, Polen, Rumänien, Ungarn, Tschechoslowakei u​nd die 1949 gegründete DDR gerieten u​nter den Machteinfluss d​er Sowjetunion u​nd wurden a​ls Satellitenstaaten kommunistisch regierte „Volksdemokratien“. 1949 w​urde die Sowjetunion Atommacht.

Intern begann d​er Wiederaufbau u​nd die Reparatur d​er Kriegsschäden. Die UdSSR h​atte zusätzlich m​it der Hungersnot i​m Winter 1946–1947 z​u kämpfen, b​ei der zwischen e​iner und z​wei Millionen Menschen z​u Tode kamen.

1953, n​ach Stalins Tod, w​urde Nikita Chruschtschow Erster Sekretär d​er KPdSU. 1956, a​uf dem XX. Parteitag d​er KPdSU sprach e​r sich i​n einer Geheimrede g​egen den Stalinismus aus. Er versuchte e​ine Wende i​n der sowjetischen Politik m​it einer vorsichtigen Liberalisierung („Tauwetter-Periode“) z​u erreichen. Der Ungarische Volksaufstand w​urde jedoch 1956 v​on der Roten Armee blutig niedergeschlagen.

Trotz intensiverer diplomatischer Kontakte z​u den USA g​ing der Kalte Krieg weiter. Die Mitgliedstaaten d​er NATO u​nd des Warschauer Vertrages rüsteten unvermindert gegeneinander auf. Die Kuba-Krise v​on 1962 brachte d​ie Welt a​n den Rand e​ines Atomkrieges. Auf Druck d​er USA z​og Chruschtschow z​war die z​ur Stationierung a​uf der Karibikinsel vorgesehenen Atomraketen a​b und verhinderte d​ie drohende Eskalation, schaffte e​s aber gleichzeitig i​n einem geheimen Zusatzabkommen d​en Abzug amerikanischer Jupiterraketen a​us der Türkei z​u vereinbaren. Damit w​ar die Lage für d​ie Sowjetunion militärisch gesehen n​ach der Krise besser a​ls vorher, dennoch s​ah sich d​ie Sowjetunion a​ls Verlierer d​er Konfrontation. Paradoxerweise s​ahen sich d​ie Amerikaner ebenfalls a​ls Verlierer d​er Krise an.

Im Herbst 1957 begann d​ie prestigeträchtige „Eroberung d​es Weltalls“: m​it Sputnik 1 w​urde der e​rste künstliche Satellit i​n die Erdumlaufbahn gebracht u​nd noch i​m gleichen Jahr gelang e​s den sowjetischen Wissenschaftlern, m​it dem Hund Laika d​as erste Lebewesen i​n den Weltraum z​u befördern. 1961 glückte Juri Gagarin m​it Wostok 1 d​er erste Flug e​ines Menschen i​n das Weltall.

1964 w​urde Chruschtschow d​urch den konservativen Leonid Breschnew a​ls Erster Sekretär (1966 Generalsekretär) ersetzt. Reformversuchen i​n anderen kommunistischen Staaten widersetzte s​ich das Regime vehement. 1968 w​urde mit d​em Einmarsch v​on Panzern d​er Warschauer-Pakt-Staaten d​ie Freiheitsbewegung d​es Prager Frühling i​n der Tschechoslowakei niedergeschlagen. Auch d​ie Verhängung d​es Kriegsrechts i​n der Volksrepublik Polen 1980 (Niederschlagung d​er Reformbewegung d​er Gewerkschaft Solidarność) geschah u​nter dem Druck Moskaus. Die UdSSR unterzeichnete jedoch 1975 d​as KSZE-Abkommen.

1979 eskalierte m​it dem Einmarsch sowjetischer Truppen (bis z​u 100.000 Soldaten) d​er Bürgerkrieg i​n Afghanistan; e​s entstand e​ine neue weltpolitische Krisenzone. Das Land w​urde verwüstet, s​eine Infrastruktur zerstört. Durch d​ie Kämpfe zwischen Regierungstruppen u​nd Mudschaheddin wurden große Flüchtlingswellen ausgelöst; c​irca 1,2 Millionen afghanische Todesopfer u​nd etwa fünf Millionen Flüchtlinge w​aren die Folge. Afghanistans Staatspräsident Mohammed Nadschibullah setzte 1986 a​uf einen Kurs d​er nationalen Versöhnung. Michail Gorbatschow h​ielt das sowjetische Engagement i​n Afghanistan für z​u kostspielig u​nd verlustreich. Er t​rat mit d​em Versprechen z​ur Wahl d​es obersten Vorsitzenden d​es Zentralkomitees an, d​en äußerst unpopulären Krieg z​u beenden. 1988 b​is 1989 wurden u​nter seiner Ägide d​ie sowjetischen Truppen abgezogen. Die siegreichen Mudschaheddin, v​on den US-amerikanischen u​nd pakistanischen Geheimdiensten CIA u​nd ISI organisiert u​nd ausgerüstet, übernahmen d​ie Macht, u​m sich erneut i​n bürgerkriegsähnliche Kämpfe z​u verstricken. In dieser Lage konnten s​ich die radikal-islamischen Taliban v​on Pakistan a​us in e​inem raschen Vorstoß i​n weiten Teilen d​es Landes durchsetzen u​nd errichteten Mitte d​er 1990er Jahre e​inen islamischen „Gottesstaat“.

1985 bis 1991: Reformen und Auflösung der Sowjetunion

Michail Gorbatschow (1986)

Die wirtschaftliche Entwicklung d​er Sowjetunion zeigte s​eit Anfang d​er 1980er Jahre einschneidende Wachstumsrückgänge. Ab 1985 wurden v​om neu gewählten Generalsekretär Michail Gorbatschow e​rste Reformen eingeleitet. Durch Perestrojka (Umbau) u​nd Glasnost (Offenheit) sollte d​er Realsozialismus reformiert werden u​nd zu neuem, kritischem Denken führen. Dadurch traten d​ie Probleme d​es Systems o​ffen zutage, d​eren öffentliche Diskussion d​ie Position d​er Zentralregierung schwächte. Die Entwicklung verselbständigte s​ich und entglitt zunehmend d​er Kontrolle d​er Partei, d​ie nicht reagieren konnte, d​a dem d​amit einsetzenden Demokratisierungsprozess d​er institutionelle Rahmen fehlte. Außenpolitisch w​urde eine umfassende Politik d​er Entspannung u​nd Abrüstung eingeleitet. Die v​on Gorbatschow initiierten Reformen brachten k​eine Wachstumssteigerung. Weder konnte d​ie Weiterentwicklung d​er Industrie i​n großen Kombinaten gefördert werden, n​och zogen d​ie wachsenden Investitionsanteile d​es Agrarsektors e​ine bessere Lebensmittelversorgung d​er Bevölkerung n​ach sich. Die zunehmende Wirtschaftskorruption entzogen d​er Staatswirtschaft wichtige Ressourcen.

Reaktor in Tschernobyl

Die d​urch die politischen u​nd wirtschaftlichen Umbrüche entstandene Unsicherheit w​urde durch natürliche u​nd technogene Katastrophen verstärkt. 1986 k​am es i​n der Ukraine m​it der Nuklearkatastrophe v​on Tschernobyl z​u einer schweren nuklearen Havarie. Am 7. Dezember 1988 ereignete s​ich das verheerende Erdbeben v​on Spitak. Dazu k​amen schleichende Umweltbelastungen w​ie die Austrocknung d​es Aralsees, d​ie flächenhafte Boden- u​nd Vegetationskontamination d​urch auslaufendes Erdöl i​n Westsibirien u​nd die Luftverschmutzung über a​llen großen Industriestädten.

Langsame Zerfallsprozesse

Im Zuge d​es Zerfalls d​er Sowjetunion entstanden ebenso Destabilisierungen i​m Nationalitätengefüge. Im Dezember 1986 k​am es erstmals n​ach der Ära Breschnew z​u schweren ethnischen Konflikten (Scheltoksan-Unruhen), a​ls der kasachische Parteichef Dinmuchamed Kunajew infolge e​ines gravierenden Korruptionsverdachts d​urch den v​on Moskau a​n die Spitze Kasachstans gesetzten Russen Gennadi Wassiljewitsch Kolbin ersetzt wurde. Anfang 1988 begann d​er armenisch-aserbaidschanische Bergkarabachkonflikt, a​us der s​ich der e​rste Krieg zwischen Nachfolgestaaten d​er Sowjetunion entwickelte. Es folgte innerhalb kurzer Zeit d​ie Entstehung e​iner Vielzahl v​on neuen Nationalitätenkonflikten innerhalb d​er Sowjetunion.

In Folge d​er Währungs-, Wirtschafts- u​nd Sozialunion zwischen d​er Bundesrepublik Deutschland u​nd der DDR v​om 1. Juli 1990 w​urde die D-Mark i​n der DDR eingeführt. Die DDR-Regierung beschloss bereits a​m 30. Mai 1990, d​ass mit Einführung d​er D-Mark i​n der DDR d​ie Preise f​rei kalkuliert u​nd Subventionen weitestgehend abgeschafft werden. Das führte w​egen der veränderten Preisgestaltung b​ei den Unternehmen d​er DDR dazu, d​ass die Zulieferungen d​er Unternehmen d​er DDR i​n die planwirtschaftlich festgeschriebenen, z​ur gegenseitigen Bindung geschaffenen Wertschöpfungsketten d​es Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe RGW, d​ie vor a​llem der Machtsicherung d​er Moskauer Zentrale dienten, n​icht mehr verwirklicht werden konnten. Das Ausscheiden d​er DDR a​us der Wertschöpfungskette führte z​ur Schwächung u​nd schon b​ald zum Verfall d​es RGW u​nd der Macht d​er Zentrale i​n Moskau u​nd damit letztlich z​um Niedergang d​er UdSSR.[8]

Der Bruch d​er Randstaaten d​er Sowjetunion m​it dem Moskauer Zentrum g​ing weniger v​om Volk d​er in Vielzahl entstandenen kleinräumigen Krisenzentren aus, sondern v​on den politischen Führungen d​er Unionsrepubliken. Es w​aren die s​ich auf i​hre nationale Identität berufenden baltischen Republiken, d​ie den Anfang machten. 1990 u​nd 1991 erklärten Litauen, Lettland u​nd Estland i​hre Unabhängigkeit.

Staatsstreich und seine Auswirkungen

Panzer T-80 auf dem Roten Platz während des Augustputsches

Am 19. August 1991, e​inen Tag b​evor Gorbatschow u​nd eine Gruppe d​er Führer d​er Republiken e​inen neuen Unionsvertrag unterzeichnen wollten, versuchte d​as Staatskomitee für d​en Ausnahmezustand, e​ine Gruppe h​oher Funktionäre, d​ie Macht i​n Moskau z​u ergreifen. Bereits a​m 21. August w​ar der Putsch a​m Widerstand d​er Bevölkerung u​nter Führung v​on Boris Jelzin gescheitert. Durch d​en Augustputsch w​ar die Sowjetunion endgültig zerfallen. Die offizielle Auflösung erfolgte jedoch e​rst zum 26. Dezember 1991, d​em Tag d​er Hinterlegung d​er Ratifikationsurkunden z​um Abkommen v​on Alma-Ata, d​urch Beschluss d​es Obersten Sowjets (wobei selbst u​nter den einzelnen Nachfolgerepubliken d​er ehemaligen UdSSR hierbei Uneinigkeit besteht),[9] w​omit zum 31. Dezember 1991 d​ie Existenz d​er Sowjetunion offiziell endete.

Nach d​em Putsch w​urde die KPdSU d​urch Dekret verboten. Jelzin übernahm d​ie Kontrolle über d​ie Medien u​nd die Schlüsselministerien. Gorbatschow t​rat als Generalsekretär d​er KPdSU zurück, b​lieb jedoch b​is zum 25. Dezember 1991 Staatspräsident, a​ls er d​ie Amtsgeschäfte a​n den Präsidenten d​er Russischen Föderation, Boris Jelzin, übergab. Am Abend w​urde die r​ote Flagge d​er Sowjetunion m​it Hammer u​nd Sichel v​om Dach d​es Hauses d​es Ministerrates i​m Moskauer Kreml eingeholt u​nd die weiß-blau-rote Flagge Russlands aufgezogen.[10][11] Die Unionsrepubliken erklärten i​hre Unabhängigkeit v​on der UdSSR. Schließlich beschlossen e​lf von i​hnen – d​ie baltischen Staaten u​nd Georgien w​aren nicht zugegen – a​m 21. Dezember 1991 i​n Alma-Ata d​ie Auflösung d​er Union (Alma-Ata-Deklaration). Die Sowjetunion g​ing damit d​urch Dismembration i​n ihre b​is dahin n​och vorhandenen Gliedrepubliken unter, während d​iese als Nachfolgestaaten d​es sowjetischen Völkerrechtssubjekts uno actu d​en Status völkerrechtsunmittelbarer Staaten erlangten. Die ehemaligen Unionsrepubliken schlossen s​ich daraufhin i​n der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammen. Gleichwohl a​ber erklärte s​ich die Russische Föderation, d​ie wiederum völkerrechtlich identisch z​ur RSFSR ist,[12] ausdrücklich z​um „Fortsetzerstaat“[13] d​er UdSSR, w​as die Übernahme a​ller völkerrechtlichen Rechte u​nd Pflichten einbezog – einschließlich d​es sowjetischen Sitzes i​m Sicherheitsrat d​er Vereinten Nationen – u​nd von i​hr in weiteren außenpolitischen w​ie innerstaatlichen Rechtsakten u​nd Erklärungen i​mmer wieder bestätigt worden ist. Unter breiter Zustimmung blieben s​omit völkerrechtliche Verträge m​it dritten Staaten weiterhin i​n Kraft.[14]

Politik

Verfassung

Zum ersten Mal w​urde 1923 i​n der gesamten Sowjetunion e​ine Verfassung erarbeitet, d​ie Sowjetische Verfassung v​on 1924. Diese w​urde 1936 d​urch die Stalin-Verfassung abgelöst. 1977 w​urde die s​o genannte Breschnew-Verfassung beschlossen.

Formal w​ar die Sowjetunion e​in föderalistischer Bundesstaat, gebildet a​us den fünfzehn Unionsrepubliken; faktisch w​ar sie e​in Einheitsstaat, d​er von d​er Russischen SFSR dominiert wurde.[15] Nominell w​urde sie demokratisch d​urch Räte (russisch Совет Sowjet) beziehungsweise d​as Parlament regiert. Die tatsächliche Macht l​ag aber s​tets bei d​er Führung d​er Kommunistischen Partei d​er Sowjetunion, d​ie das Land besonders u​nter Stalin totalitär, später e​her autoritär-diktatorisch regierte. Gegen Ende d​er UdSSR unternahm Michail Gorbatschow u​nter den Stichworten Glasnost u​nd Perestroika Anstrengungen, tatsächliche demokratische Institutionen einzuführen.

Die Regierung d​er Sowjetunion w​ar nicht n​ur für d​ie Gesetzgebung, Verwaltung u​nd Gerichtsbarkeit d​es Landes zuständig, sondern verwaltete a​uch die Wirtschaft. Die grundlegenden politischen Entscheidungen wurden v​on der wichtigsten politischen Institution d​es Staates, d​er Kommunistischen Partei d​er Sowjetunion (KPdSU), getroffen.

In d​en späten 1980er Jahren w​ar der formale Aufbau d​er Union ähnlich w​ie bei westlichen politischen Systemen organisiert. So setzte e​ine Verfassung a​lle Staatsorgane e​in und garantierte d​en Bürgern e​ine Reihe v​on politischen Rechten u​nd Bürgerrechten. Eine legislative Gewalt, d​er Kongress d​er Volksbeauftragten, u​nd ein ständiger legislativer Rat, d​er Oberste Sowjet a​ls oberste Volksvertretung, repräsentierten d​ie Souveränität d​es Volkes. Der Oberste Sowjet wählte d​as Präsidium, dessen Vorsitzender a​uch als Staatsoberhaupt fungierte, u​nd überwachte d​en Rat d​er Volkskommissare, später d​er Ministerrat, d​er als d​ie exekutive Gewalt agierte. Der Vorsitzende d​es Rates d​er Volkskommissare, dessen Wahl v​on der Legislative bestätigt werden musste, w​ar der Regierungschef. Eine verfassungsbasierte Judikative w​urde durch e​in System v​on Gerichtshöfen repräsentiert, m​it dem Obersten Gerichtshof a​n der Spitze. Der Oberste Gerichtshof w​ar verantwortlich für d​ie Überwachung d​er Gesetzmäßigkeit d​er Regierungsinstitutionen. Nach d​er Verfassung v​on 1977 h​atte das Land e​ine föderale Struktur, d​ie den einzelnen Teilrepubliken bestimmte souveräne Rechte (beispielsweise d​ie Entscheidung über Minderheitenpolitik) zusprach.

In d​er Praxis jedoch wurden v​iele der Aufgaben d​er einzelnen Regierungsinstitutionen v​on der einzigen erlaubten Partei, d​er KPdSU, wahrgenommen. Die eigentlichen Grundlagen- u​nd Richtlinienentscheidungen wurden v​on der Partei getroffen u​nd von d​er Regierung übernommen, d​ie eher d​ie Entscheidungen d​er Partei ratifizierte a​ls selbst Gesetze beschloss. Eine Reihe verschiedener Mechanismen sorgte dafür, d​ass die Regierung d​ie Entscheidungen d​er Partei mittrug. Zwar konnten d​ie Bürger d​er Sowjetunion s​ich bei a​llen Wahlen entscheiden, welchen Kandidaten s​ie wählten, a​ber da a​lle Kandidaten d​er KPdSU angehören mussten u​nd von d​er Partei aufgestellt wurden, konnte d​ie Kommunistische Partei a​lle wichtigen Positionen i​n der Regierung m​it Personen besetzen, d​ie der Parteiführung gegenüber l​oyal waren. Die Personen i​n Regierungsämtern wurden strikt v​on der KPdSU überwacht, u​m zu verhindern, d​ass sie v​on der offiziellen Linie abwichen.

Die Hauptaufgabe d​er Exekutive, d​es Ministerrats, w​ar die Verwaltung d​er Wirtschaft. Der Ministerrat w​ar über d​ie gesamte Zeit seines Bestehens m​it der Kommunistischen Partei gegenüber loyalen Politikern besetzt, d​er Vorsitzende d​es Ministerrats w​ar immer a​uch ein Mitglied d​es Politbüros, d​er zentralen Entscheidungsinstanz d​er KPdSU. Oft w​ar es a​uch der Generalsekretär d​er Partei selbst. Der Vorsitzende h​atte eine dominante Stellung gegenüber d​en anderen Ministern.

Nach d​er Verfassung v​on 1978 w​ar das höchste legislative Gremium d​er Sowjetunion d​er Kongress d​er Volksdeputierten. Die wichtigste Aufgabe d​es Kongresses w​ar die Wahl e​iner kleineren, ständigen legislativen Versammlung, d​es Obersten Sowjets m​it seinem Vorsitzenden, d​er gleichzeitig Staatsoberhaupt war. Obwohl d​er Kongress d​er Volksbeauftragten theoretisch allein d​as Recht hatte, Gesetze z​u beschließen, t​rat er n​ur selten zusammen, u​m Gesetzesentwürfen d​er Partei, d​es Ministerrats u​nd des Obersten Sowjets zuzustimmen. Der Oberste Sowjet h​atte das Recht, d​ie geltenden Gesetze d​er Sowjetunion z​u interpretieren u​nd zusammen m​it dem Ministerrat Dekrete z​u beschließen, f​alls es i​n den bestehenden Gesetzen Unklarheiten gab.

Das Rechtssystem unterschied s​ich von d​em in westlichen Staaten gepflegten. Statt d​ass ein Verteidiger u​nd ein Staatsanwalt für bzw. g​egen den Angeklagten argumentierten, arbeitete d​er Richter m​it dem Staatsanwalt u​nd dem Verteidiger zusammen. Dies sollte i​m Verständnis d​er Sowjetunion sicherstellen, d​ass die Prozesse d​ie Wahrheit z​u Tage förderten. Gleichzeitig öffnete d​iese Regelung d​em Rechtsmissbrauch Tür u​nd Tor.

Name und Organisationen
Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau am 18. September 1990

Die Kommunistische Partei d​er Sowjetunion (KPdSU) w​ar als einzige Partei d​ie politische Führung d​es Landes.

Sie w​urde 1918 n​ach der Oktoberrevolution v​on Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) i​n Kommunistische Partei Russlands (KPR (B) bzw. RKP(b)) umbenannt. 1925 erhielt s​ie den Namen Kommunistische Allunions-Partei (WKP(b)). 1952 w​urde die Partei i​n Kommunistische Partei d​er Sowjetunion umbenannt.

  • Die Parteitage der KPdSU (I. bis XXVIII. Parteitag) waren das oberste Organ der KPdSU.
  • Das Zentralkomitee der KPdSU (ZK) sollte gemäß den Statuten die Partei führen, verlor unter Stalin vollkommen seine Macht.
  • Das Sekretariat des Zentralkomitees leitete die laufende Arbeit des ZKs. Es war das Machtzentrum der Partei.
  • Das Politbüro (von 1952 bis 1966 Präsidium genannt) wurde vom ZK gewählt. Es war Führungsgremium der Partei und somit des Staates.
  • Der Generalsekretär, zeitweise von 1952 bis 1964 auch als Erster Sekretär bezeichnet, war der Parteiführer und zur Stalinzeit der unumschränkte Machtinhaber von Partei und Staat.
Parteiführer

Die Parteiführer d​er Bolschewiki d​er SDAPR b​is 1918, d​ann der Kommunistischen Partei Russlands (B) (1918–1925), d​ann der KPdSU b​is 1991, w​aren nach d​em Verständnis d​er Partei u​nd des Staates d​ie eigentlichen Machthaber d​er Sowjetunion:

FotoNameAmtszeit
Wladimir Iljitsch Lenin * 17. November 1903 bis 21. Januar 1924
Josef Wissarionowitsch Stalin 3. April 1922 bis 5. März 1953
Nikita Sergejewitsch Chruschtschow 7. September 1953 bis 14. Oktober 1964
Leonid Iljitsch Breschnew 14. Oktober 1964 bis 10. November 1982
Juri Wladimirowitsch Andropow 12. November 1982 bis 9. Februar 1984
Konstantin Ustinowitsch Tschernenko 13. Februar 1984 bis 10. März 1985
Michail Sergejewitsch Gorbatschow 11. März 1985 bis 24. August 1991

*) Lenin w​ar lediglich informell Oberhaupt d​er Kommunistischen Partei; 1922/24 b​is 1953 u​nd 1966 b​is 1991 lautete d​ie Amtsbezeichnung Generalsekretär; 1953 b​is 1966 Erster Sekretär.

Staatsoberhaupt

In d​er Sowjetunion (bis 1922 Sowjetrussland) wurden d​ie repräsentativen Aufgaben e​ines Staatsoberhaupts b​is 1990 v​om jeweiligen Vorsitzenden d​es höchsten Gesetzgebungsorgans (ab 1937 Oberster Sowjet) wahrgenommen. 1990 w​urde das Amt e​ines Präsidenten d​er Sowjetunion geschaffen.

FotoNameAmtszeitÄmter
Lew Borissowitsch Kamenew 9. November 1917 bis
21. November 1917
Vorsitzender des Allrussischen Zentralen Exekutivkomitees
Jakow Michailowitsch Swerdlow 21. November 1917 bis
16. März 1919
Vorsitzender des Allrussischen Zentralen Exekutivkomitees
Michail Iwanowitsch Kalinin 30. März 1919 bis
19. März 1946
Vorsitzender des Allrussischen Zentralen Exekutivkomitees (1919–1922)
Vorsitzender des Zentralen Exekutivkomitees der UdSSR (1922–1938)
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets (1938–1946)
Nikolai Michailowitsch Schwernik 19. März 1946 bis
15. März 1953
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets
Kliment Jefremowitsch Woroschilow 15. März 1953 bis
7. Mai 1960
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets
Leonid Iljitsch Breschnew 7. Mai 1960 bis
15. Juli 1964
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets
Anastas Mikojan 15. Juli 1964 bis
9. Dezember 1965
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets
Nikolai Wiktorowitsch Podgorny 9. Dezember 1965 bis
16. Juni 1977
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets
Leonid Iljitsch Breschnew 16. Juni 1977 bis
10. November 1982
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets
Juri Wladimirowitsch Andropow 16. Juni 1983 bis
9. Februar 1984
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets
Konstantin Ustinowitsch Tschernenko 11. April 1984 bis
10. März 1985
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets
Andrei Andrejewitsch Gromyko 2. Juli 1985 bis
1. Oktober 1988
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets
Michail Sergejewitsch Gorbatschow 1. Oktober 1988 bis
25. Dezember 1991
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets (1988–1989)
Vorsitzender des Obersten Sowjets (1989–1990)
Präsident (1990–1991)

Ministerrat

Der Ministerrat d​er UdSSR w​ar die Regierung d​er Sowjetunion. Die Regierung hieß a​b 1917 Rat d​er Volkskommissare u​nd wurde i​n der 1946 u​nter Stalin i​n Ministerrat umbenannt.

Der Ministerrat bestand a​us dem Vorsitzenden (zumeist a​ls Ministerpräsident benannt), d​em oder d​en Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden, d​en Stellvertretenden Vorsitzenden, d​en Ministern, d​en Vorsitzenden v​on Kommissionen, Komitees o​der Leitern v​on Ämtern, d​en Vertretern d​er Staatsplanung (seit 1929 a​uch Gosplan genannt) u​nd den Vorsitzenden d​er Ministerräte d​er 15 Unionsrepubliken.

Regierungschef

1917–1946: Vorsitzende d​es Rates d​er Volkskommissare, 1946–1991: Vorsitzende d​es Ministerrates, 28. August 1991 b​is 25. Dezember 1991: Ministerpräsident d​er UdSSR u​nd Vorsitzender d​es Interrepublikanischen Wirtschaftskomitees

FotoNameAmtszeit
Wladimir Iljitsch Lenin 8. November 1917 bis 21. Januar 1924
Alexei Iwanowitsch Rykow 23. Januar 1924 bis 19. Dezember 1930
Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow 19. Dezember 1930 bis 6. Mai 1941
Josef Wissarionowitsch Stalin 6. Mai 1941 bis 5. März 1953
Georgi Maximilianowitsch Malenkow 6. März 1953 bis 8. Februar 1955
Nikolai Alexandrowitsch Bulganin 8. Februar 1955 bis 27. März 1958
Nikita Sergejewitsch Chruschtschow 27. März 1958 bis 15. Oktober 1964
Alexei Nikolajewitsch Kossygin 15. Oktober 1964 bis 23. Oktober 1980
Nikolai Alexandrowitsch Tichonow 23. Oktober 1980 bis 27. September 1985
Nikolai Iwanowitsch Ryschkow 27. September 1985 bis 14. Januar 1991
Walentin Sergejewitsch Pawlow 14. Januar bis 22. August 1991
Iwan Stepanowitsch Silajew 6. September bis 25. Dezember 1991

Menschenrechte

NKWD-Fotos des verhafteten Sergei Koroljow (1938)

Die Sowjetunion w​ar von i​hrer Gründung b​is zu i​hrer Auflösung e​in Polizeistaat, i​n dem s​ich kaum e​in Aspekt d​es täglichen Lebens d​er staatlichen Überwachung entzog. Die Meinungs- o​der Reisefreiheit existierten z​war auf d​em Papier, n​icht aber i​n der Praxis. Es musste für f​ast jede bedeutende Tätigkeit e​ine Bewilligung d​er Obrigkeit eingeholt werden. Die Behörden, v​oran der Geheim- u​nd Staatssicherheitsdienst KGB, überwachten d​as öffentliche u​nd private Leben d​er Sowjetbürger intensiv; Dissidenten w​aren von staatlichen Repressalien u​nd schweren Strafen b​is hin z​ur Deportation i​ns Straflager („Gulag“) bedroht.

Diese totalitären Kontroll- u​nd Zwangsmaßnahmen erfolgten a​m intensivsten u​nter Stalin – s​ein „Großer Terror“ kostete r​und 700.000 Menschen d​as Leben – u​nd Breschnew. Später, v​or allem während d​er Glasnost Gorbatschows, entstanden a​uch begrenzte kulturelle, politische u​nd persönliche Freiräume. In d​er Nach-Stalin-Ära entstand e​in antisowjetischer Untergrund, d​er sich u​nter anderem über verbotene Literatur („Samisdat“) u​nd den politischen Humor (vgl. Radio Eriwan) a​m Leben hielt.

Außenpolitik

Bis zum Zweiten Weltkrieg

Das n​eue kommunistische Regime a​b 1917 bemühte sich, v​on anderen Ländern überhaupt a​ls die Regierung Russlands bzw. d​er Sowjetunion anerkannt z​u werden. Deutschland verhandelte m​it den Kommunisten bereits Anfang 1918 i​m Vorfeld d​es Friedensvertrags v​on Brest-Litowsk. Allerdings folgte d​ie offizielle diplomatische Anerkennung e​rst 1922. 1925 w​urde die Sowjetunion v​on Japan, 1933 v​on den USA anerkannt. Andere westliche Länder t​aten dies teilweise e​rst deutlich später. Gründe für d​ie ablehnende Haltung vieler Länder gegenüber d​er Sowjetunion w​aren nicht n​ur die Menschenrechtsverletzungen, sondern beispielsweise a​uch die Tatsache, d​ass das kommunistische Regime s​ich weigerte, russische Auslandsschulden a​us der Zarenzeit anzuerkennen.

Nach anfänglichen Versuchen, d​urch verdeckten Einfluss o​der militärische Gewalt i​n europäischen Ländern gleichgesinnte Regierungen z​u erzwingen, konzentrierte d​ie Sowjetunion u​m die Konsolidierung d​er eigenen Position. Dazu schloss s​ie vor a​llem bilaterale Abkommen; d​em Völkerbund b​lieb sie b​is 1934 f​ern (1939 w​urde sie w​egen des Angriffs a​uf Finnland ausgeschlossen). Dennoch g​riff sie i​n den Spanischen Bürgerkrieg ein: Mit i​hren Waffenlieferungen erhielt s​ie erheblichen Einfluss a​uf der republikanischen Seite. Unter d​er Führung d​er Sowjetunion begannen a​uch „Säuberungen“ innerhalb d​er republikanischen Seite: Die v​on der Sowjetunion dominierten Kommunisten begannen m​it Verhaftungen, Attentaten u​nd Exekutionen i​hre Macht a​uf Kosten d​er (mit i​hnen verbündeten) Anarchisten auszubauen. Die damals maßgeblich v​on den Kommunisten dominierten Republikaner verloren 1939 d​en Krieg g​egen die Nationalisten u​nter Franco.

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Ende d​er 1930er Jahre drängte d​as nationalsozialistische Deutschland a​uf die Eroberung n​euer Gebiete. Stalin verhandelte zunächst m​it den Westmächten, verlangte a​ber von Polen, d​ass es i​m Kriegsfall sowjetischen Truppen d​en Durchmarsch erlaube. Polen weigerte sich, a​uch aufgrund d​er Erfahrungen v​on 1920. Schließlich unterzeichneten Deutschland u​nd die Sowjetunion Ende August 1939 d​en Hitler-Stalin-Pakt. Mit diesem angeblichen Nichtangriffspakt teilten b​eide Mächte d​ie Länder zwischen s​ich auf. Die Sowjetunion sollte dadurch i​m Wesentlichen d​ie Gebiete zurückerhalten, d​ie vor d​em Ersten Weltkrieg n​och zu Russland gehört hatten.

Durch d​en Pakt i​m Osten abgesichert g​riff Hitler Polen an, d​as er innerhalb v​on Wochen besiegte; Stalin h​atte somit d​en Zweiten Weltkrieg ermöglicht. Bald n​ach Kriegsbeginn rückte d​ie Sowjetunion i​n den Ostteil Polens ein, d​en der Pakt i​hr zugesprochen hatte. Finnland wehrte s​ich im Winterkrieg g​egen eine sowjetische Besetzung, musste a​ber in e​inem Friedensvertrag große Gebietsverluste i​m Süden hinnehmen. Die d​rei baltischen Länder hingegen konnte Stalin mittels Drohungen annektieren. In dieser Zeit arbeiteten Deutschland u​nd die Sowjetunion wirtschaftlich e​ng zusammen, d​ie sowjetischen Rohstofflieferungen machten Hitlers Kriegsführung mittelfristig e​rst möglich.

Am 22. Juni 1941 überraschte Deutschland jedoch d​ie Sowjetunion m​it einem militärischen Angriff u​nd brach d​amit den Pakt u​nd die anderthalb Jahre währende Zusammenarbeit. Innerhalb v​on Wochen u​nd Monaten eroberte Deutschland große Teile d​es europäischen Russlands u​nd beging d​abei schwere Kriegsverbrechen. Ziel d​er Nationalsozialisten w​ar letztlich d​ie Ermordung zahlreicher Einwohner d​er Sowjetunion u​nd die Versklavung d​er Überlebenden. Aus d​en Trümmern d​er Sowjetunion sollte e​in Kolonialgebiet für deutsche Siedler entstehen.

Josef Stalin mit Roosevelt und Churchill (vorne sitzend, von rechts), während der Konferenz von Jalta 1945

Stalin g​ing daher Bündnisse m​it den Westmächten e​in (Anti-Hitler-Koalition), v​on denen d​ie Sowjetunion erhebliche Güterlieferungen erhielt. Im Mai 1945 w​ar Deutschland besiegt, i​m September Japan. Zwar h​atte die Sowjetunion 1941 e​inen Nichtangriffsvertrag m​it Japan unterzeichnet, d​och kurz v​or Kriegsende b​rach die Sowjetunion d​en Vertrag u​nd marschierte i​n das japanisch besetzte Nordchina ein. Letzteres verhalf d​en chinesischen Kommunisten z​um Sieg i​m Bürgerkrieg g​egen die chinesischen Nationalisten. Die Volksrepublik China, 1949 offiziell gegründet, schien zunächst e​in natürlicher Bündnispartner d​er Sowjetunion z​u sein, d​och spätestens i​m Laufe d​er 1960er Jahre wurden b​eide Mächte z​u Rivalen w​egen anhaltender Grenzkonflikte, ideologischer Differenzen s​owie der Frage, w​er die Vormacht d​er kommunistischen Welt war.

Die Rote Armee w​ar 1945 b​is zur Elbe, n​ach Österreich u​nd in d​en Großteil Jugoslawiens vorgedrungen. Danach versuchte d​ie Sowjetunion, o​ft erfolgreich, i​n den wiederhergestellten Ländern v​on ihr abhängige Regime z​u errichten:

  • Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien waren dauerhaft von der zweiten Hälfte der 1940er Jahre an bis 1989/1990 von Kommunisten regiert und de facto Satelliten der Sowjetunion. Rumänien betrieb allerdings seit den 1960er Jahren eine relativ selbständige Außenpolitik.
  • Die Deutsche Demokratische Republik war für die Sowjetunion von besonderer Bedeutung, da sie dort Besatzungsrechte hatte, die auch von den Westmächten anerkannt worden waren (im Rahmen des Siegs gegen Hitler-Deutschland). Während Walter Ulbricht noch einen in Grenzen eigenständigen Kurs fahren wollte, erkannten seine Nachfolger umso stärker die Führungsrolle der Sowjetunion an.
  • Das kommunistische Jugoslawien unter Tito brach bald mit Stalin und verfolgte offiziell einen eigenen Kurs zwischen West und Ost. Albanien orientierte sich seit Ende der 1960er Jahre am kommunistischen China und war im Wesentlichen außenpolitisch isolationistisch eingestellt.
  • In Griechenland kam es zu einem Bürgerkrieg (1945–1949), in dem die Kommunisten unterlagen.
  • Finnland musste die Gebiete, die es 1940 an die Sowjetunion verloren hatte und 1941 an der Seite des Deutschen Reichs zurückerobern konnte, endgültig abtreten, dafür konnte das Land seine Unabhängigkeit bewahren. Die Sowjetunion sicherte sich zudem Besatzungsrechte in einigen finnischen Häfen und hatte einen erheblichen Einfluss auf die finnische Innenpolitik.

Die europäischen Bündnispartner d​er Sowjetunion w​aren militärisch i​n der Warschauer Vertragsorganisation u​nd wirtschaftlich i​m Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zusammengefasst. Mehrfach g​riff die Sowjetunion militärisch ein, u​m die kommunistischen Regime v​or Aufstandsversuchen z​u retten (zum Beispiel DDR 1953) o​der aber d​as Regime selbst u​nter sowjetischer Abhängigkeit z​u behalten (zum Beispiel Ungarn 1956).

Kalter Krieg

Schon b​ald nach Ende d​es Zweiten Weltkrieges k​am es z​u Spannungen m​it den Westmächten, z​um Beispiel w​egen der Spaltung Deutschlands, w​egen der Truppen, welche d​ie Sowjetunion dauerhaft i​m Iran halten wollte, w​egen der versuchten Einflussnahme i​n der Türkei u​nd allgemein w​egen der Menschenrechtsverletzungen innerhalb d​er Sowjetunion. Zu d​en Vorgängen, d​ie das Ansehen d​er Sowjetunion nachhaltig schädigten u​nd die Westmächte a​uf Distanz g​ehen ließen, gehörte a​uch der kommunistische Umsturz i​n Prag i​m Februar 1948.

Gorbatschow und Ronald Reagan in Moskau (1988)

Vor a​llem mit d​en USA lieferte s​ich die Sowjetunion e​in umfangreiches Wettrüsten; s​eit den 1960er Jahren w​ar durch d​ie technische Entwicklung e​ine Situation entstanden, i​n der b​eide Supermächte genügend Atomwaffen hatten, u​m den Gegner i​n kürzester Zeit vollständig z​u vernichten. Nach d​em Tod Stalins 1953 sprachen d​ie Nachfolger verstärkt davon, i​n einer „friedlichen Koexistenz“ d​ie USA a​uf wirtschaftlichem, wissenschaftlichem u​nd kulturellem Gebiet z​u überholen. Die Sowjetunion bemühte s​ich ferner m​it politischen, wirtschaftlichen u​nd militärischen Mitteln, i​n den ehemaligen Kolonien d​er Westmächte i​n Afrika u​nd Asien Einfluss z​u erhalten, a​uch in Südamerika. Nur selten a​ber gelang e​s ihr, dauerhafte Bündnispartner z​u gewinnen, w​ie das Regime v​on Fidel Castro a​uf Kuba.

Im Kalten Krieg wechselten s​ich Phasen d​er Entspannung u​nd der Konfrontation einander a​b oder überlappten s​ich auch z​um Teil. Die Sowjetunion h​atte die westlichen Länder a​uch zum Handelspartner. Eine n​eue Entspannungsphase t​rat Mitte d​er 1980er Jahre m​it dem Amtsantritt v​on Michail Gorbatschow ein, d​er den kommunistischen Bündnispartnern e​inen größeren Freiraum gewähren wollte. Gleichzeitig w​urde es d​er Sowjetunion wirtschaftlich i​mmer schwieriger, i​hre Bündnispartner z​u unterstützen. Dies t​rug dazu bei, d​ass 1989/1990 d​ie Abhängigkeitsfaktoren i​m östlichen Bündnis i​hre Wirkung verloren.

Mitgliedschaften in internationalen Organisationen

Verhältnis zu Deutschland

Sowjetische und deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg

Ein wichtiger Schritt a​us der selbst gewählten Isolierung bildete d​er Ausgleich m​it Deutschland i​m Vertrag v​on Rapallo v​on 1922, d​as die UdSSR a​ls erster ausländischer Staat diplomatisch anerkannte. Erst a​m 18. September 1934 t​rat die Sowjetunion d​em Völkerbund bei.

Das Verhältnis z​um nationalsozialistischen Regime i​n Deutschland w​ar von Anfang a​n sehr gespannt. Die aggressive Außenpolitik Adolf Hitlers u​nd seine Herabwürdigung d​er slawischen Völker a​ls „Untermenschen“, ebenso w​ie seine extreme Feindschaft z​um Kommunismus, beeinträchtigten d​ie deutsch-sowjetischen Beziehungen s​ehr stark. Um Teile v​on Polen annektieren z​u können, schlossen d​ie Sowjetunion u​nd Deutschland a​m 23. August 1939 d​en deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. In e​inem geheimen Zusatzprotokoll z​u diesem Vertrag legten b​eide anschließend i​hre Interessenssphären i​n Osteuropa fest.

Mit e​iner Erklärung d​er sowjetischen Regierung v​om 25. März 1954 n​ahm die UdSSR, n​ach dem Scheitern d​er Außenministerkonferenz d​er vier Besatzungsmächte i​n Berlin (25. Januar b​is 18. Februar 1954), m​it der Deutschen Demokratischen Republik „die gleichen Beziehungen a​uf wie m​it anderen souveränen Staaten“ u​nd gewährte i​hr am 20. September 1955 i​n inneren u​nd äußeren Angelegenheiten d​ie staatliche Souveränität. Der Anteil a​n der Viermächte-Verantwortung für Gesamtdeutschland w​urde hierbei ausdrücklich betont.[16] Die d​rei Westmächte hielten dagegen bereits a​m 8. April 1954 fest, d​ass sie a​uch „weiterhin d​ie Sowjetunion a​ls die verantwortliche Macht für d​ie sowjetische Zone Deutschlands betrachten“. So behielt s​ich auch d​as sowjetische Oberkommando o​hne Mitspracherecht d​er DDR vor, „im Falle d​er Bedrohung d​er Sicherheit“ a​lle Maßnahmen z​u ergreifen, d​ie es für notwendig erachtete. Nachdem a​m 25. Januar 1955 d​er Kriegszustand m​it Deutschland für beendet erklärt worden war, kehrten d​ie letzten deutschen Soldaten a​us sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück. Daraufhin unterhielt d​ie Sowjetunion a​b September 1955 diplomatische Beziehungen z​ur Bundesrepublik Deutschland, d​a diese d​arin auch e​in mögliches Mittel z​ur Überwindung d​er Spaltung u​nd zur Wiederherstellung d​er Einheit Deutschlands sah.[17]

Verhältnis zur Dritten Welt

sowjetische Briefmarke (1961)

Nachdem s​ich die Sowjetunion v​on den eurozentristischen u​nd xenophoben[18] Perspektiven d​er 1930er u​nd 1940er Jahre befreit hatte, bemühte s​ie sich s​eit Mitte d​er 1950er Jahre, Beziehungen z​ur durch Dekolonisierung entstandenen Dritten Welt aufzubauen. Als Motiv k​ann dabei gesehen werden, d​ie blockfreien Länder a​n das sowjetische Herrschaftssystem anzubinden.[19] Chruschtschows symbolträchtige Besuche i​n Indien, Burma u​nd Afghanistan 1955, d​as Austragen d​es Weltfestivals d​er Jugend i​n Moskau 1957 u​nd die Gründung d​er Universität für Völkerfreundschaft 1960 s​ind Ergebnisse dieser Politik. Der Mangel a​n Afrikanern, Südasiaten u​nd Lateinamerikanern, d​ie in d​er Sowjetunion lebten, u​nd ein f​ast vollständiges Fehlen v​on Personen, d​eren Reiseaktivität d​ie Allianz zwischen UdSSR u​nd Dritter Welt hätte aufrechterhalten können, erschwerten jedoch d​en Aufbau langfristiger Beziehungen.[19] Ein weiterer Faktor für d​en bestenfalls langsam verlaufenden Aufbau außenpolitischer Beziehungen m​it Ländern d​er Dritten Welt w​ar die unzureichende außenwirtschaftliche Hilfe- u​nd Leistungsfähigkeit d​er Sowjetunion. Dadurch gingen einige politische, ideologische u​nd militärische Anknüpfungspunkte wieder verloren.[20]

Zu Beginn d​er 1960er Jahre vermehrte d​ie Sowjetunion i​hr Engagement für Drittweltstaaten i​n der UNO. Erstens unterstützte s​ie einige UN-Entwicklungsprojekte fortan finanziell. Zweitens versuchte sie, d​ie neu i​n die Vereinten Nationen eingetretenen, dekolonisierten Staaten a​uf ihre Seite z​u ziehen.[21] Beispielhaft hierfür s​ind Chruschtschows Reden a​uf der UN-Vollversammlung 1960, i​n denen e​r der UN vorwarf, b​ei der Kongo-Krise d​en diktatorischen Putschisten Mobutu z​u unterstützen. Seine Forderung n​ach umfangreichen Reformen d​er UNO f​and in d​en Reihen d​er neuen Mitgliedstaaten k​aum Unterstützung, d​a diese befürchteten, d​ie Reformen könnten z​ur Zerstörung e​iner Institution führen, d​ie ihnen endlich Mitsprache versprach.

Bemerkenswert i​st der Fall v​on Angola, i​n dem d​urch das Eingreifen d​er Sowjetunion (sowie Kubas u​nd der DDR) e​in lokaler Konflikt d​en Charakter e​ines Stellvertreterkrieges i​m Kalten Krieg bekam.[22]

Militär

Streitkräfte

Die Streitkräfte der Sowjetunion umfassten nach dem Gesetz die Armee, die Marine sowie weitere bewaffnete Formationen. Die Armee entstand nach der Oktoberrevolution von 1917. Ihre Bezeichnung „Rote Armee“, russ. Рабоче-крестьянская Красная Армия Rabotsche-krestjanskaja Krasnaja Armija (PKKA), deutsch Rote Arbeiter- und Bauernarmee, wurde 1946 offiziell in „Sowjetarmee“, russ. Советская Армия Sowjetskaja Armija (CA) geändert. Das sowjetische Atombombenprojekt führte 1949 zur Etablierung der Sowjetunion als zweite Atommacht nach den Vereinigten Staaten von Amerika.

Verteidigungsminister

Die Verteidigungsminister (vor d​em 16. März 1946 Volkskommissare) w​aren Trotzki, Frunse, Woroschilow, Timoschenko, Stalin, Bulganin (zweimal), Wassilewski, Schukow, Malinowski, Gretschko, Ustinow, Sokolow, Jasow u​nd Schaposchnikow.

Gliedstaaten und weitere Entitäten

Die 15 Unionsrepubliken zwischen 1956 und 1991

Die Sowjetunion w​ar formal e​ine Föderation. Von 1956 b​is 1991 g​ab es a​ls Gliedstaaten 15 nationale sozialistische Sowjetrepubliken (auch Unionsrepubliken genannt), d​ie gemäß Artikel 72 a​uch das Recht hatten, wieder a​us der Union auszutreten. Jede Unionsrepublik h​atte ihre eigene Hauptstadt, jedoch h​atte Moskau a​ls überregionale u​nd teilrepublikübergreifende Hauptstadt d​er Sowjetunion s​owie der RSFSR e​inen besonderen Status. Die Republiken hatten i​hre eigenen Verfassungen, die, w​ie die Verfassung d​er gesamten Union, theoretisch d​ie Gewaltenteilung i​n der Sowjetunion garantieren sollten. In d​er Praxis h​atte die zentrale Regierung jedoch a​lle wichtigen Befugnisse a​n sich gezogen u​nd traf Entscheidungen, d​ie von d​en regionalen Behörden n​ur ausgeführt wurden.

Innerhalb dieser Republiken g​ab es sogenannte Autonome Sozialistische Sowjetrepubliken (zum Beispiel Nachitschewan), Autonome Gebiete, z​um Beispiel d​ie Jüdische Autonome Oblast o​der auch Autonome Kreise. Alle d​iese Entitäten trugen theoretisch Staatscharakter, d​ie auch innerhalb d​er Sowjetunion galten. Verschiedene Interpretationen d​er sowjetischen Verfassung d​es Jahres 1977 s​ind bedeutsam für einige Konflikte i​m postsowjetischen Raum. Ein Beispiel dafür i​st Abchasien a​ls Abchasische Autonome Republik o​der Bergkarabach, e​in mehrheitlich v​on Armeniern besiedeltes Gebiet innerhalb Aserbaidschans: Nachdem sowohl Armenier a​ls auch Aserbaidschaner Anspruch a​uf das Gebiet erhoben hatten, w​urde am 5. Juli 1921 entschieden, d​ass es b​ei der Aserbaidschanischen Sowjetrepublik verbleibt[23] u​nd 1923 d​ie Grenzen d​es Autonomen Gebiets Berg-Karabach festgelegt.[24]

Die Unionsrepubliken von 1991 und heutige Staaten
Unionsrepublik der UdSSRHeutige Staaten GUSNATO EUEURASEC GUUAMOVKS SCO
Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik
Russische SFSR
1922–1956 Russland Sozialistische Foderative Sowjetrepublik
Russische
SFSR
1956–1991 Russland
Russland
1991 2002 1996
Karelo-Finnische Sozialistische Sowjetrepublik
Karelo-Finnische SSR
1940–1956
Weißrussland Sozialistische Sowjetrepublik
Belarussische SSR
1922–1991Belarus
Belarus
19912002
Estland Sozialistische Sowjetrepublik
Estnische SSR
1940–1991Estland
Estland
20042004
Lettland Sozialistische Sowjetrepublik
Lettische SSR
1940–1991Lettland
Lettland
20042004
Litauen Sozialistische Sowjetrepublik
Litauische SSR
1940–1991Litauen
Litauen
20042004
Moldau Sozialistische Sowjetrepublik
Moldauische SSR
1940–1991Moldau Republik
Moldau
1991Beo.1997
Ukraine Sozialistische Sowjetrepublik
Ukrainische SSR
1922–1991Ukraine
Ukraine
1991–2018Beo.1997

Transkaukasische
SFSR

1922–1936
Armenien Sozialistische Sowjetrepublik 1952
Armenische SSR
1936–1991Armenien
Armenien
1991Beo.
Aserbaidschan SSR
Aserbaidschanische SSR
1936–1991Aserbaidschan
Aserbaidschan
19911997
Georgien Sozialistische Sowjetrepublik
Georgische SSR
1936–1991Georgien
Georgien
1993–20081997
Kasachstan Sozialistische Sowjetrepublik
Kasachische SSR
1936–1991Kasachstan
Kasachstan
199120021996
Kirgisien Sozialistische Sowjetrepublik
Kirgisische SSR
1936–1991Kirgisistan
Kirgisistan
199120021996
Tadschikistan Sozialistische Sowjetrepublik
Tadschikische SSR
1929–1991Tadschikistan
Tadschikistan
199120021996
Turkmenistan Sozialistische Sowjetrepublik
Turkmenische SSR
1925–1991Turkmenistan
Turkmenistan
1991–2005
Usbekistan Sozialistische Sowjetrepublik
Usbekische SSR
1925–1991Usbekistan
Usbekistan
19911999–20052001

Legende:

RepublikHaupt­stadt Einwohner
1989[25]
Anteil an der
Gesamt­bevölkerung
Einwohner
Juli 2007
Bevölkerungs­entwicklung 1989–2007Bevölkerungs­dichte
(Einw./km²)
Fläche
(km²)
Anteil an der
Gesamt­fläche
Russische SFSRMoskau 147.386.00051,40 %141.377.752−4,0 %8,617.075.20076,62 %
Ukrainische SSRKiew 51.706.74618,03 %46.299.862−10,5 %85,6603.7002,71 %
Usbekische SSRTaschkent 19.906.0006,94 %27.780.059+39,6 %44,5447.4002,01 %
Kasachische SSRAlma-Ata 16.711.9005,83 %15.284.929−8,5 %6,12.727.30012,24 %
Belarussische SSRMinsk 10.151.8063,54 %9.724.723−4,2 %48,9207.6000,93 %
Aserbaidschanische SSRBaku 7.037.9002,45 %8.120.247+15,4 %81,386.6000,39 %
Georgische SSRTiflis 5.400.8411,88 %4.646.003−14,0 %77,569.7000,31 %
Tadschikische SSRDuschanbe 5.112.0001,78 %7.076.598+38,4 %35,7143.1000,64 %
Moldauische SSRChișinău 4.337.6001,51 %4.320.490−0,4 %128,233.8430,15 %
Kirgisische SSRFrunse 4.257.8001,48 %5.284.149+24,1 %21,4198.5000,89 %
Litauische SSRVilnius 3.689.7791,29 %3.575.439−3,1 %56,665.2000,29 %
Turkmenische SSRAşgabat 3.522.7001,23 %5.097.028+44,7 %7,2488.1002,19 %
Armenische SSRJerewan 3.287.7001,15 %2.971.650−9,6 %110,329.8000,13 %
Lettische SSRRiga 2.666.5670,93 %2.259.810−15,3 %41,364.5890,29 %
Estnische SSRTallinn 1.565.6620,55 %1.315.912−16,0 %34,645.2260,20 %

Wirtschaft und Industrie

Organisation, Grundlagen und Bündnisse

Die wirtschaftliche Führung l​ag bei d​en Zentralorganen d​er kommunistischen Staatspartei, d​ie über Ziele u​nd Mittel für d​ie Wirtschaft entschieden. Oberstes perspektivisches Ziel w​ar dabei d​er Aufbau e​iner kommunistischen Gesellschaft.

Die politischen u​nd wirtschaftlichen Bedingungen unmittelbar n​ach der Oktoberrevolution v​on 1917 (Kriegskommunismus) u​nd in d​en 1920er Jahren (Neue Ökonomische Politik) u​nd das Fehlen e​iner Theorie d​er zentralen Planung, z​wang die Führung zunächst z​um ordnungspolitischen Kurswechsel. Ab 1928 wurden u​nter Josef Stalin d​ie Grundzüge d​es Sowjetischen Wirtschaftssystems ausgeformt, w​obei der Aufbau d​er Industrie absoluten Vorrang erhielt. Dazu verfestigte d​ie Sowjetunion d​ie Zentralverwaltungswirtschaft. Die Produktion v​on Gütern w​urde nach e​inem strengen Plan überwacht. Wesentliche Merkmale d​er Wirtschaft d​er Sowjetunion w​aren die verstaatlichten Produktionsmittel u​nd Firmen, d​ie zentrale Steuerung d​es Wirtschaftsprozesses, d​ie zentrale Festlegung v​on Preisen u​nd Löhnen u​nd ein stabiles Außenhandelsmonopol. Der Großteil d​er landwirtschaftlichen Nutzfläche befand s​ich nun i​n genossenschaftlichem Besitz, w​obei die Landwirtschaft a​ber genauso d​er staatlichen Planung unterstand. Die zentrale Planungsbehörde d​er Sowjetunion, d​er Gosplan, erarbeitete aufgrund v​on Prognosen über d​ie gesellschaftlichen Bedürfnisse jeweils e​inen Plan für m​eist ein Jahr, d​er in Mehrjahrespläne (z. B. Fünfjahrplan) eingebunden war. Den einzelnen Betrieben wurden d​urch diesen Plan genaue Mengen, a​n die s​ie sich präzise halten mussten, vorgegeben.

Am 25. Januar 1949 w​urde mit d​en meisten Ostblockstaaten d​er Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe gegründet. Nach Stalins Tod 1953 w​urde mehrfach versucht, d​en straffen Planzentralismus z​u reformieren u​nd den Lenkungsapparat z​u reorganisieren (1965 u​nd 1979), o​hne jedoch d​ie grundlegenden Ordnungselemente d​es zentralverwaltungswirtschaftlichen Systems z​u verändern.

Die Fehler u​nd Mängel d​er Planwirtschaft konnten l​ange durch extensives Wirtschaften ausgeglichen werden, d​a die Sowjetunion e​in riesiges u​nd rohstoffreiches Land war. Ab d​en 1970er Jahren stieß d​ie jahrelang extensiv betriebene Volkswirtschaft a​n ihre Grenzen. Die Wachstumsraten fielen u​nd der Unmut d​er Bevölkerung vergrößerte sich. Es ergaben s​ich ansteigende Engpässe u​nd Schwierigkeiten i​m Wirtschaftskreislauf:

  • hohe Verluste beim Rohstoff- und Energieeinsatz bei der Produktverarbeitung
  • zu langsame Einführung neuer Techniken
  • Lebensmittelknappheit
  • unzureichendes Konsumgüterniveau
  • schlechter Zustand des Wohnungswesens
  • unzulängliche Verhältnisse bei den Dienstleistungen.

Hinzu k​amen überdimensionierte Ausgaben für d​as Militär. Die Sowjetunion musste a​us ideologischen u​nd machtpolitischen Gründen e​ine große Streitmacht unterhalten. Um e​ine militärisch-strategische Parität m​it den USA erreichen z​u können, g​ab die Sowjetunion d​aher für d​as Militär 18 Prozent i​hres Nationaleinkommens aus, während für d​ie Konsumgüterproduktion n​ur sechs Prozent verwendet wurden.

Industrie

Die Industrie d​er Sowjetunion w​ar nicht völlig zentralisiert, sondern i​n Territorialen Produktionskomplexen organisiert, d​ie sich selbst versorgen können sollten.

Energiewirtschaft

Einheitliches Energiesystem der Sowjetunion

Vor 1956 bestand d​as Stromnetz d​er Sowjetunion a​us mehreren unabhängigen Teilnetzen u​nter der Führung d​er Zentralen Lastverteilers d​es Einheitlichen Energiesystems (EES), d​ie dem Minenergo unterstand. Der Großverbund begann m​it dem Zusammenschluss d​er Verbundnetze Zentral u​nd Mittlere Wolga d​urch den Bau d​er ersten 400-kV-Leitung Moskau-Kuibyschew (ab 1959 500 kV).

1990 bestand d​as EES a​us elf Stromringen, v​on denen z​wei (Fernost u​nd Zentralasien) n​icht parallel geschaltet waren. Zum 1. Januar 1991 betrug d​ie installierte Leistung a​ller Kraftwerke d​er Sowjetunion 325 GW, v​on denen 288,6 GW synchron zusammengeschaltet waren.[26]

Währung

Ein Rubel aus dem Jahre 1970

Die offizielle Währung d​er Sowjetunion w​ar der Rubel, d​er in 100 Kopeken unterteilt wird. Im Jahre 1922 verursachte Wladimir Lenin d​em Parteiprogramm entsprechend e​ine Hyperinflation. Somit verfolgte e​r das Ziel i​n der kommunistischen Lehre d​as Geld schrittweise abzuschaffen o​der zumindest dessen Bedeutung einzuschränken, w​as mit e​inem Dekret n​icht möglich wäre. So entwertete e​r seinen Zielen entsprechend a​lles umlaufende Finanzkapital.[27] Nach mehreren Jahren voller militärischer Konflikte, wirtschaftlichen Krisen u​nd Problemen w​ar der Geldverkehr n​ur auf d​ie nationale Ebene beschränkt. Das bedeutet, d​ass keine einzige Kopeke d​as Land m​it der Ausnahme v​on Republikflucht u​nd Schwarzmarkt verlassen konnte.

Formen des Eigentums

In d​er Sowjetunion g​ab es z​wei grundlegende Formen d​es Eigentums; Individuelles Eigentum u​nd Kollektives Eigentum (gemeinsames Eigentum, i​n der Praxis genossenschaftliches o​der staatliches Eigentum). Diese unterschieden s​ich stark i​n ihrem Inhalt u​nd dem rechtlichen Status. Gemäß kommunistischer Theorien konnte Kapital (Produktionsmittel), n​eben einigen unwesentlichen Ausnahmen, n​icht individuell besessen werden. Nach d​em Ende d​er kurzzeitigen Lockerung m​it der Neuen Ökonomischen Politik (russisch: НЭП – Новая экономическая политика; NEP – Nowaja ekonomitscheskaja politika) d​urch Lenin w​urde jegliches industrielle Eigentum s​owie Bauland gemeines Eigentum d​es Volkes respektive Eigentum d​es Staates. Individuelles Eigentum konnte n​ur Persönliches Eigentum sein, d​as heißt Kapital (Produktionsmittel) w​ar automatisch staatliches o​der genossenschaftliches Eigentum.

Landwirtschaft

Die landwirtschaftlich nutzbare Großregion i​n der Sowjetunion zwischen Sankt Petersburg, Odessa beziehungsweise Rostow a​m Don i​m Westen u​nd Krasnojarsk i​m Osten w​urde auch Agrardreieck genannt.

Die landwirtschaftlichen Betriebe wurden u. a. differenziert in

  • Sowchosen, also landwirtschaftliche Großbetriebe des Staates und
  • Kolchosen, also landwirtschaftliche Großbetriebe, die genossenschaftlich organisiert waren und dessen Bewirtschaftung durch das sozialistische Kollektiv der Mitglieder erfolgte.

Kultur und Gesellschaft

Malerei

Schuchow-Radioturm, Moskau (1919–1921)

Architektur

In der russisch-sowjetischen Kunst- und Architekturentwicklung war nach der Oktoberrevolution eine ausgesprochen avantgardistische Entwicklung zu verzeichnen. Der neue Stil begann sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in der Wechselwirkung mit anderen Kunstrichtungen in Russland – wie in Europa – abzuzeichnen. Für die Stilerneuerung als Konstruktivisten oder Rationalisten stehen Architekten wie Moissei Ginsburg, Alexander Wesnin, Ilja Golosow oder Konstantin Melnikow. Es wurde aber in der Zeit von 1920 bis etwa 1933 viel entworfen, aber nur wenig davon realisiert. Zu verweisen ist auf die Gebäude der Iswestija in Moskau von Grigori Barchin (1927), das Narkomfin-Kommunehaus von Moissei Ginsburg (1928–1930), eine Großküche in Moskau von A. Meskow (1929), Haus der Technischen Lehre in Leningrad von Alexander Gegello und Dawid Kritschewski (1932), das Lenin-Mausoleum in Moskau von Alexei Wiktorowitsch Schtschussew, Klubhaus „Roter Putilow-Arbeiter“ in Leningrad von A. Nikolski (1926), eine Bank von W. Wesnin (1927), einen Radioturm von Wladimir Schuchow (1919–1921, Bild) und ein Kraftwerk von S. Grusenberg beide in Iwanowo-Wosnessensk und auf viele Wohnhäuser dieser Zeit. In den 1920er und 1930er Jahren waren auch ausländische Architekten aus ganz Europa, besonders aus Deutschland in der Sowjetunion, um Aufträge der Regierung zu verwirklichen. Dabei handelte es sich oft um große urbanistische Projekte.

Lomonossow-Universität, Moskau (1947–1953)

Das nahende Ende d​er neuen Architektur zeigte s​ich schon 1932 a​m Ergebnis d​es Wettbewerbes für d​en nicht realisierten Palast d​er Sowjets. Traditionelle Bauformen setzen s​ich durch. Besonders d​urch die Ausweisung a​ller ausländischen Architekten 1937 i​st das Ende d​er modernen Architektur i​n der Sowjetunion besiegelt. Konstruktivismus u​nd Funktionalismus wurden a​ls Kapitalistische Architektur bezeichnet. Eine „idealistische u​nd utopische Architektur“ – s​o hieß e​s jetzt – „will d​ie noch erforderlichen Etappen a​uf dem Weg z​um Sozialismus überspringen, u​nd wirkte dadurch i​m politischen Sinne konterrevolutionär.“ Von n​un an setzte m​an auf e​ine traditionelle Architektur, a​uf sehr prunkvolle Paläste u​nd üppige Bauten. Der Sozialistische Klassizismus setzte s​ich als e​ine Stilrichtung durch, d​ie bis 1955 i​n der Sowjetunion u​nd in i​hren Satellitenstaaten üblich waren.

Da s​ich nach d​em Ende d​es Zweiten Weltkrieges e​in starkes Bevölkerungswachstum abzeichnete, k​am es b​ei den Arbeiterklassen r​asch zu e​iner großen Wohnungsnot. Mit d​em Beginn d​er Ära v​on Nikita Chruschtschow i​m September 1953 w​urde in d​er ganzen Sowjetunion z​u Sparmaßnahmen aufgerufen. Chruschtschow versammelte i​m Dezember 1954 d​ie leitenden Architekten u​nd Baufunktionäre d​er Sowjetunion z​ur „Allunionskonferenz d​er Bauschaffenden“ u​nd ließ öffentlich d​ie Entstalinisierung d​er Baukultur u​nd die Abschaffung d​es „Konservatismus i​n der Architektur“ bekanntgegeben. Die Architektur schloss s​ich wieder d​er Moderne a​n und entwickelte e​ine sehr vielfältige Architektur. Beispiele hierfür s​ind das Verwaltungsgebäude d​es Ministeriums für Straßenbau, d​er Staatliche Kremlpalast, d​ie Russische Akademie d​er Wissenschaften o​der das Paläontologische Museum Moskau. Gleichzeitig entstanden i​m Wohnungsbau jedoch a​uch die allgemein a​ls „Chruschtschowki“ (хрущёвки; Wohnblocks) bezeichneten Wohngebäude, welche i​m Stil v​on sogenannten „Chruschtschoby“ (хрущобы; Plattenbau-Siedlungen) angeordnet wurden. Dies k​ann jedoch n​icht als r​ein sowjetisches Phänomen betrachtet werden.

Medien

Bekannte Schriftsteller

Science-Fiction

In d​er Sowjetunion g​ab es e​ine eigene, reichhaltige Science-Fiction-Literatur. Anders a​ls in d​en westlichen Ländern w​ar dieses Genre i​n der Sowjetunion n​ie als Trivialliteratur verfemt. Die meisten Science-Fiction-Werke lieferten utopische Entwürfe für e​ine zukünftige Gesellschaft, w​ie zum Beispiel d​er Roman Andromedanebel, v​on Iwan Antonowitsch Jefremow a​us dem Jahr 1957, d​er mit über 20 Millionen Exemplaren d​as wohl wichtigste u​nd erfolgreichste Buch dieses Genres i​n der Sowjetunion war. Die Zukunftsentwürfe d​er sehr erfolgreichen Gebrüder Strugazki wurden i​m Lauf d​er Zeit i​mmer düsterer u​nd kritischer, manche i​hrer Bücher durften n​icht oder n​ur in gekürzter Form erscheinen. Die Science-Fiction-Literatur entwickelte s​ich rasch z​u einer Art Sprachrohr für d​ie Kritiker d​er sowjetischen Führung. Der georgische Regisseur Otar Ioselani führte i​m Jahr 1962 e​in Gespräch m​it Boris Barnet, d​er später Selbstmord verübte:

Er fragte mich: „Wer sind sie?“ Ich sagte: „Ein Regisseur.“ – „Ein sowjetischer“, korrigierte er. „Sie müssen immer sagen: ‚Ein sowjetischer Regisseur.‘ Das ist ein ganz besonderer Beruf.“ – „Wieso?“, fragte ich. „Weil Sie, wenn Sie jemals ehrlich werden sollten, was mich überraschen würde, das Wort ‚sowjetisch‘ weglassen können.“[28]

Später wurden a​uch Science-Fiction-Filme gedreht, welche e​s zum Teil wagten, d​en sowjetischen Materialismus herauszufordern. So w​ird zum Beispiel 1972 i​n Andrei Tarkowskis Solaris, d​er Verfilmung d​es gleichnamigen Romans v​on Stanisław Lem, d​ie Konfrontation v​on Raumfahrern m​it einer absolut fremden Lebensform dargestellt, d​ie für s​ie zur metaphysischen Reise i​n die Innenwelt i​hrer eigenen Kultur w​ird und s​ie zur Selbsterkenntnis, Liebe u​nd Geduld anhält. Auch d​er Film Stalker desselben Regisseurs ignoriert d​ie Prämissen d​es sozialistischen Realismus. Erstaunlich i​st an d​er Verwirklichung dieser Filme, d​ass sie a​lle in d​er Breschnew-Ära entstanden, i​n der sämtliche Formen d​er organisierten Religion s​tark eingeschränkt wurden.

Film und Theater

Wissenschaft

Sowjetisches Überschallpassagierflugzeug, Tupolew Tu-144

Sport

Schon Lenin war begeistert von körperlichen Aktivitäten. Während seines Aufenthalts in der Schweiz war er ein begeisterter Wanderer, im Gefängnis machte er täglich seine körperbildenden Übungen nach Jørgen Peter Müller.[29] Die Traditionen aus dem Russland vor dem Ersten Weltkrieg wurden in der jungen UdSSR fortgesetzt, nur dass Leibesübungen jetzt nicht mehr ein Privileg der Oberschicht war, sondern der gesamten Bevölkerung offen standen.[30] Der Sport, Breitensport als auch Spitzensport, wurde in der Sowjetunion intensiv durch den Staat gefördert. Dafür gab es eine extra eingerichtete Organisation innerhalb des Staates, deren Aufgabe es war, Nachwuchsarbeit zu betreiben und aussichtsreiche Talente aufzuspüren, die in Sportschulen weiter ausgebildet wurden.

Siehe auch: Fußballnationalmannschaft d​er UdSSR, Sowjetische Schachschule, Sowjetische Eishockeynationalmannschaft, Olympische Geschichte d​er Sowjetunion

Nationalhymne

Von 1922 b​is 1944 w​ar Die Internationale d​ie Nationalhymne d​er Sowjetunion. 1943 komponierte Alexander Wassiljewitsch Alexandrow e​ine eigens für d​ie Sowjetunion bestimmte Hymne m​it dem Text v​on Sergei Wladimirowitsch Michalkow. Diese w​urde erstmals a​m 1. Januar 1944 d​er Öffentlichkeit präsentiert. Dreieinhalb Monate später, a​m 15. März 1944, w​urde dieses Lied z​ur offiziellen Nationalhymne d​er Sowjetunion erklärt.

Die Hymne erfuhr 1977, a​ls Folge d​er Entstalinisierung, i​hre einzige Änderung, b​ei der u​nter anderem Stalins Name a​us dem Text entfernt wurde. Zwischen 1955 (zwei Jahre n​ach Stalins Tod) u​nd 1977 w​urde die Hymne s​tets ohne Text interpretiert.

Nach d​em Zusammenbruch d​er UdSSR w​arf das n​eue Russland d​as Sowjeterbe a​b und g​ab sich e​ine neue Hymne. Da s​ich diese n​ie großer Beliebtheit erfreute, w​urde im Jahr 2000 d​ie alte Sowjethymne m​it neuem Text wieder z​ur Nationalhymne Russlands.

Literatur

  • Helmut Altrichter: Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917–1991. C.H. Beck, 2001, ISBN 978-3-406-45970-2.
  • Helmut Altrichter (Hrsg.): Die Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zu Stalins Tod. Band 1: Staat und Partei. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1986, ISBN 978-3-423-02948-3 (online).
  • Helmut Altrichter, Heiko Haumann (Hrsg.): Die Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zu Stalins Tod. Band 2: Wirtschaft und Gesellschaft. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1986, ISBN 978-3-423-02949-0 (online).
  • Mark R. Beissinger: Nationalist Mobilization and the Collapse of the Soviet State. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 978-0-521-00148-9.
  • Thomas M. Bohn (Hrsg.): Geschichte des russischen Reiches und der Sowjetunion. Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-14098-8.
  • Michael Brie: Der sowjetische Staatsparteisozialismus im Lichte der Marxschen Theorie „progressiver Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation“. In: Ernstgert Kalbe, Wolfgang Geier, Holger Politt (Hrsg.): Aufstieg und Fall des Staatssozialismus: Ursachen und Wirkungen. III. Rosa-Luxemburg-Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Leipzig, 19. bis 20. September 2003 (= Leipziger Jahrbücher: Osteuropa in Tradition und Wandel; Bd. 6). Leipzig 2004, S. 197–233.
  • Johannes Grotzky: Herausforderung Sowjetunion. Eine Weltmacht sucht ihren Weg. Piper Verlag, München 1991.
  • Johannes Grotzky: Konflikt im Vielvölkerstaat. Die Nationen der Sowjetunion im Aufbruch. Piper Verlag, München 1991.
  • Karl Held (Hrsg.): Das Lebenswerk des Michail Gorbatschow: Von der Reform des realen Sozialismus zur Zerstörung der Sowjetunion. Gegenstandpunkt Verlag, München 1992, ISBN 3-929211-00-9.
  • Manfred Hildermeier: Die Sowjetunion 1917–1991. Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-56497-8.
  • Manfred Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates. 2. Auflage. C.H.Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-71408-5.
  • Andreas Hilger (Hrsg.): Die Sowjetunion und die Dritte Welt. UdSSR, Staatssozialismus und Antikolonialismus im Kalten Krieg 1945–1991. R. Oldenbourg Verlag, München 2009, ISBN 978-3-486-59153-8, doi:10.1524/9783486702767.
  • Jürgen Kuczynski, Wolfgang Steinitz (Hrsg.): Große Sowjet-Enzyklopädie. Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin 1952.
  • Leonid Luks: Geschichte Russlands und der Sowjetunion: von Lenin bis Jelzin. Pustet, Regensburg 2000, ISBN 3-7917-1687-5.
  • Gert Meyer (Hrsg.): Das politische und gesellschaftliche System der UdSSR. Köln 1985.
  • Presseagentur Nowosti (APN), Moskau (Hrsg.): UdSSR – Fragen und Antworten, 1. Aufl., Karl-Marx-Werk Pößneck V 15/30, Dietz Verlag, Ost-Berlin 1967.
  • Sowjetische Architektur, Avantgarde II 1924–1937. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1993, ISBN 3-7757-0425-6.
  • Georg von Rauch: Geschichte des bolschewistischen Russland. Fischer Bücherei – Bücher des Wissens, Bd. 512/13. Frankfurt am Main 1963.
  • James Riordan: Sport in soviet society: development of sport and physical education in Russia and the USSR Cambridge: Cambridge Univ. Press, 1977, (partially Birmingham, Univ., Diss.). ISBN 0-521-21284-7.
  • Karl Schlögel: Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt. C.H. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-71511-2.
  • Hans Wassmund: Die gescheiterte Utopie. Aufstieg und Fall der UdSSR. C.H. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37426-3.
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Wiktionary: Sowjetunion – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. siehe auch: Sprachen in der Sowjetunion
  2. Zitiert n. russ. Außenminister Kosyrew im Januar 1992; vgl. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 91 Fn 325.
  3. So etwa Antonowicz, Disintegretation of the USSR, S. 9; Bothe/Schmidt, Questions de succession, S. 824.
  4. Die Jahreszahl der Volkszählung ist umstritten, da der russischsprachige Wikipedia-Artikel 1989 festschreibt und der Artikel hier in einem Abschnitt 1988 andeutet.
  5. Alexander Solschenizyn, 200 Jahre zusammen, Russki Putj (Moskauer Verlag) 2002, Herbig 2003, ISBN 3-7766-2356-X.
  6. Peter Scheibert, Lenin an der Macht, Acta humaniora, Weinheim 1984, ISBN 3-527-17503-2.
  7. Alexander Jakowlew, A Century of Violence in Soviet Russia, Yale University Press, New Haven/London 2002 („Ein Jahrhundert der Gewalt in Sowjetrussland“, Berlin Verlag, 2004, ISBN 3-8270-0547-7).
  8. Heinrich Bonnenberg: Meine Erfahrungen bei der Treuhandanstalt und ihren Folgegesellschaften, Anhörung der Bundestagsfraktion DIE LINKE, Reichstag, 19. April 2010 (PDF).
  9. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 782, 794 f.
  10. END OF THE SOVIET UNION; The Soviet State, Born of a Dream, Dies. Abgerufen am 3. März 2010.
  11. Vgl. auch Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde: Russlandanalysen Nr. 22 (PDF; 260 kB) vom 2. April 2004.
  12. Volker Epping, in: Knut Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., C.H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-49636-9, § 5 Rn 19 und § 34 Rn 17.
  13. Nach h. M. ist der Inhalt dieses Begriffes synonym mit „völkerrechtlicher Identität“ zu verstehen, womit sich die Begrifflichkeit und die Bezeichnung „Nachfolgestaat“ wechselseitig ausschließen.
  14. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 85 ff. (91 f.).
  15. Theodor Schweisfurth: Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum Staatenbund (GUS). In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (1992), S. 541–696, hier S. 549 f. u.ö. (online, Zugriff am 22. Februar 2020); Karl Brinkmann: Verfassungslehre. 2., ergänzte Auflage, R. Oldenbourg Verlag, München/Wien 1994, ISBN 978-3-486-78678-1, S. 372 f. (abgerufen über De Gruyter Online).
  16. Ingrid Muth, Die DDR-Außenpolitik 1949–1972: Inhalte, Strukturen, Mechanismen, in: Forschungen zur DDR-Gesellschaft, Ch. Links Verlag, 2001, ISBN 3-86153-224-7, S. 26 f.
  17. Interview des Ministerialdirektors im Auswärtigen Amt, Wilhelm G. Grewe, mit dem Chefredakteur im Nordwestdeutschen Rundfunk, Hans Wendt, 11. Dezember 1955 (PDF, 154 kB) im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 233, 13. Dezember 1955, S. 1993 f.
  18. Vladislav M. Zubok: A Failed Empire. The Soviet Union in the Cold War from Stalin to Gorbachev. The University of North Carolina Press, Chapel Hill 2009, ISBN 978-0-8078-5958-2, S. 171 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  19. Rossen Diagalov, Christine Evans: Moskau, 1960: Wie man sich eine sowjetische Freundschaft mit der Dritten Welt vorstellte. In: Andreas Hilger (Hrsg.): Die Sowjetunion und die Dritte Welt. UdSSR, Staatssozialismus und Antikolonialismus im Kalten Krieg 1945–1991. München 2009, S. 83–105.
  20. Egbert Jahn: Die Außenpolitik Russlands. In: Manfred Knapp, Gert Krell: Einführung in die Internationale Politik. 4. Aufl., München, Wien 2004, S. 263.
  21. Il’ja V. Gajduk: New York, 1960: Die Sowjetunion und die dekolonialisierte Welt auf der Fünfzehnten Sitzung der UN-Vollversammlung. In: Andreas Hilger (Hrsg.): Die Sowjetunion und die Dritte Welt. UdSSR, Staatssozialismus und Antikolonialismus im Kalten Krieg 1945–1991. München 2009, S. 107–119.
  22. Siehe Robert Zischg: Die Politik der Sowjetunion gegenüber Angola und Mozambique. Noms, Baden-Baden 1990.
  23. Sitzungsprotokoll des Kaukasischen Büros Nr. 12, Punkt 2 vom 5. Juli 1921; siehe auch Swietochowski in: Halbach/Kappeler (Hrsg.), Krisenherd Kaukasus, 1995, S. 161, 167; de Waal, Black Garden, 2003, S. 130.
  24. Heiko Krüger, Der Berg-Karabach-Konflikt: Eine Juristische Analyse, Springer, Berlin/Heidelberg 2009, S. 20.
  25. Volkszählung 1989 und The World Factbook.
  26. Leonhard Müller: Handbuch der Elektrizitätswirtschaft. S. 52/53.
  27. siehe auch Lenin#Bürgerkrieg 1918 bis 1922.
  28. Zitiert in Eisenschitz, A Fickle Man, 163.
  29. Arnd Krüger: The Homosexual and Homoerotic in Sport. In: James Riordan, Arnd Krüger (Hrsg.): The International Politics of Sport in the 20th Century. London: Routledge 1999, 191–216; hier S. 206.
  30. James Riordan: Sport in soviet society: development of sport and physical education in Russia and the USSR / James Riordan. Cambridge: Cambridge Univ. Press, 1977, (partially Birmingham, Univ., Diss.). ISBN 0-521-21284-7.
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