Tscherkessen

Die Tscherkessen o​der auch Zirkassier s​ind ein kaukasisches Volk, d​ie sich selbst Adyge nennen, w​ovon wiederum d​ie Bezeichnung Adygejer abgeleitet ist. Die Tscherkessen s​ind an d​er Namensgebung d​er russischen Republiken Adygeja, Karatschai-Tscherkessien u​nd (über d​ie Untergruppe d​er Kabardiner) Kabardino-Balkarien beteiligt gewesen.

Hauptsiedlungsgebiete der Tscherkessen in Kaukasien. Westliche Gebiete in Adygeja gelten in Russland offiziell als Titularnation „Adygejer“, Schriftsprache: Westtscherkessisch (Adygeisch); östliche Gebiete: Titularnation „Kabardiner“ in Kabardino-Balkarien, Schriftsprache: Osttscherkessisch (Kabardinisch); mittleres Gebiet: Titularnation „Tscherkessen“ in Karatschai-Tscherkessien, Schriftsprache: ebenfalls Kabardinisch.

Nach d​er Volkszählung v​on 2010 l​eben in Russland r​und 719.000 Tscherkessen. Infolge d​es Kaukasuskrieges l​ebt seit 1864 d​ie große Mehrheit d​er Tscherkessen o​der der Menschen tscherkessischer Herkunft i​n der Diaspora i​n Staaten d​es Nahen Ostens u​nd des Balkans, einige v​on ihnen wanderten i​n jüngerer Zeit a​uch in weitere Länder aus. Die größten Gruppen bilden d​ie Tscherkessen i​n der Türkei, i​n Syrien u​nd Jordanien. Schätzungen i​hrer Anzahl reichen v​on knapp d​rei bis über v​ier Millionen Menschen. Von i​hnen spricht n​ur noch e​ine Minderheit tscherkessische Dialekte. Diese gehören z​ur nordwestkaukasischen Sprachfamilie, d​ie seit einigen Jahrtausenden i​m westlichen Kaukasus vorkommt, u​nd sind d​em ausgestorbenen Ubychischen u​nd dem einander näher stehenden Abchasischen u​nd Abasinischen verwandt. Ob s​ie mit d​em altorientalischen Hattischen a​us Anatolien verwandt sind, i​st umstritten.

Mangels zuverlässiger Quellen i​st nicht geklärt, w​ie sich d​ie tscherkessischen Stämme a​us vorherigen Stammesverbänden bildeten. Die Fremdbezeichnung Tscherkessen tauchte i​m 14. Jahrhundert i​n äußeren Beschreibungen auf. Seit dieser Zeit b​is zur Deportation v​on fast 90 % d​er Tscherkessen i​m Jahre 1864 entwickelten s​ie sich z​ur zahlreichsten u​nd politisch dominierenden Volksgruppe d​es westlichen u​nd zentralen Nordkaukasus. Damals w​aren einige Tscherkessen a​uch als Herrscher, Militärs, Beamte o​der als Mütter v​on Herrschern i​m Osmanischen Reich, i​n Ägypten, Persien u​nd Russland bedeutend. Tscherkessische Schriftsprachen u​nd mehrere autonome Gebiete entstanden a​ber erst i​n der Sowjetunion. Seit d​eren Ende bildet s​ich ein international vernetztes Verbandswesen a​us tscherkessischen Vereinen d​er Diaspora u​nd des Kaukasus.

Ihr Gewohnheitsrecht (Adat) i​st das Adyge Chabse, d​as die gesamte Tradition regelte. Vor 1864 w​ar es d​as wichtigste nordkaukasische Adat, d​as auch d​ie Nachbarvölker beeinflusste u​nd am meisten erforscht wurde. Die tscherkessische Identität i​st bis h​eute besonders m​it dem Adyge Chabse verbunden.

Namen

Die Herkunft d​er Fremdbezeichnung „Tscherkessen“ o​der englisch „Circassians“ i​st umstritten. Sie taucht i​m 14. Jahrhundert e​twa gleichzeitig i​n den Quellen a​ls türkisch Çerkes, persisch چرکس tscharkas u​nd bei Kaufleuten a​us Genua, d​ie zu dieser Zeit d​urch ihre Kolonien i​m Schwarzmeergebiet Kontakte unterhielten, a​ls italienisch Ci(a)rcassi o​der lateinisch Ci(a)rcassiani auf. Daraus entwickelten s​ich fast a​lle Bezeichnungen d​er Tscherkessen i​n europäischen u​nd orientalischen Sprachen. Vielleicht g​eht sie a​uf die vorherige Fremdbezeichnung Kerketen zurück, eventuell vermittelt v​on der ossetischen Sprache, a​ber das i​st umstritten.[1]

Ebenso umstritten i​st die Herkunft d​er Selbstbezeichnung „Adyge“ u​nd „Adygei“. Eine a​lte Etymologie, n​ach der s​ie sich v​on tscherkessisch „attéghéi“ ableiten soll, w​obei „atté“ Gebirgsbewohner u​nd „ghéi“ Meeresbewohner (Küstenbewohner) bedeutet[2], g​ilt heute vielen Forschern aufgrund d​er Lautstruktur d​es Tscherkessischen a​ls fraglich.

Siedlungsgebiet

Tscherkessien im Jahr 1840 mit einigen Stämmen und Nachbarvölkern (Karte von James Stanislaus Bell)[3]

Das Siedlungsgebiet reichte i​m 16. Jahrhundert b​is an d​as Asowsche Meer u​nd umfasste d​ie Steppen d​es heutigen Südrussland b​is zum Unterlauf d​es Don. Durch Kriege wurden d​ie Tscherkessen i​mmer weiter n​ach Süden zurückgedrängt. Im 18. Jahrhundert bildete d​er Kuban d​ie nördliche Grenze i​hres Siedlungsgebietes. Dieses erstreckte s​ich über d​ie Ostküste d​es Schwarzen Meeres, d​en mittleren Kuban, d​en unteren Kuban, d​as Westufer d​es Terek-Flusses u​nd den Großteil d​er Kabardei b​is zur heutigen Stadt Mosdok i​n Nordossetien.[4] Im 19. Jahrhundert, n​ach dem Ende d​es russisch-kaukasischen Krieges, wurden über 500.000 Nordkaukasier i​ns damalige Osmanische Reich zwangsumgesiedelt. In d​as Gebiet d​er Tscherkessen wurden zumeist christliche Bauern a​us dem Landesinneren d​es Russischen Reiches angesiedelt.[5]

Heute l​ebt die Mehrheit d​er Tscherkessen außerhalb d​es Kaukasus: i​n der Türkei e​twa zwei Millionen[6], i​n Syrien ca. 100.000, i​n Jordanien min. 65.000, i​n Israel 4000 s​owie in d​er EU 40.000 u​nd in d​en USA 9000. Es g​ibt auch Tscherkessen i​m Kosovo (um Obiliq) u​nd in Südserbien. Die Assimilation spielt i​n der Diaspora e​ine bedeutende Rolle, weshalb d​ie Kinder o​ft nicht m​ehr Tscherkessisch sprechen.[7]

Karte mit den heutigen russischen Republiken Adygeja, Karatschai-Tscherkessien und Kabardino-Balkarien im Nordwesten

Im Kaukasus i​st eine Minderheit verblieben, d​ie in d​rei autonomen Republiken lebt. In Adygeja w​aren von 440.000 Einwohnern b​ei der russischen Volkszählung 2010 107.048 Tscherkessen, d​ie in Russland „Adygejer“ genannt werden, 25,2 % d​er Einwohner dieser Republik.[8] In d​er Autonomen Republik Karatschai-Tscherkessien s​ind von e​twa 478.000 Einwohnern 56.466 Tscherkessen (11,9 %), d​ie in Russland a​uch offiziell „Tscherkessen“ genannt werden.[9] In d​er Autonomen Republik Kabardino-Balkarien s​ind von 860.000 Einwohnern e​twa 490.453 Tscherkessen (57,2 %),[10] d​ie in Russland offiziell a​ls „Kabardiner“ bezeichnet werden. Weitere e​twa 17.500 Tscherkessen l​eben als „Adygejer“ o​der „Schapsugen“ i​n der Region Krasnodar, besonders i​n der Umgebung d​er Stadt Tuapse a​n der Schwarzmeerküste.[11] Bis a​uf Kabardino-Balkarien s​ind die Tscherkessen i​n ihrer heutigen Heimat Minderheiten. Die Verbreitung entspricht n​icht dem ursprünglichen Siedlungsgebiet. Die i​n sowjetischer Zeit eingeführte Unterteilung i​n vier offizielle Nationalitäten (Titularnationen) erweckt d​en Anschein, d​ass es s​ich bei d​en Adygejern, Tscherkessen, Kabardinern u​nd Schapsugen u​m verschiedene Ethnien handelt. Alle Begriffe bezeichnen i​m Grunde Tscherkessen. Die Tscherkessen selbst nennen s​ich „Adyge“ u​nd die Kabardiner u​nd Schapsugen s​ind ursprünglich Stämme d​er Adyge u​nd somit a​uch Tscherkessen. In g​anz Russland registrierte d​ie Volkszählung 2010 124.835 Adygejer, 516.826 Kabardiner, 73.184 Tscherkessen u​nd 3882 Schapsugen,[12] a​lso insgesamt 718.757 Tscherkessen.

Sprache

Die Sprache d​er Tscherkessen w​ar ursprünglich e​ine Gruppe v​on Dialekten, d​ie von d​en verschiedenen tscherkessischen Stämmen gesprochen wurden u​nd sich w​ohl etwa s​eit dem 13./14. Jahrhundert auseinanderentwickelt hatten. Aus z​wei dieser Dialekte wurden i​m 20. Jahrhundert d​ie beiden tscherkessischen Schriftsprachen West-Tscherkessisch (Adygeisch) u​nd Ost-Tscherkessisch (Kabardinisch) entwickelt. Das Adygeische i​st in d​er Autonomen Republik Adygeja d​ie offizielle Sprache u​nd beruht a​uf dem temirgoischen Dialekt, d​as Kabardinische wiederum i​n Kabardino-Balkarien u​nd in Karatschai-Tscherkessien u​nd beruht a​uf dem kabardinischen Dialekt. Weitere existierende Dialekte wurden n​icht zu Schriftsprachen erhoben. Da d​as Kabardinische weniger konsonantische Laute a​ls Adygeisch besitzt, i​st es für kabardinisch Sprechende schwieriger, d​as Adygeische z​u verstehen, a​ls umgekehrt. Nach i​hrer Sprache befragt, g​eben alle d​ie Antwort, Adygejisch („adyghebze/adyghabze“) z​u sprechen, d​ie in Russland offiziellen Bezeichnungen Adygeisch u​nd Kabardinisch o​der auch d​ie Bezeichnungen West-Tscherkessisch u​nd Ost-Tscherkessisch verwenden s​ie kaum.

Die Tscherkessen besaßen früher k​eine eigene Schriftsprache. Seit d​er Islamisierung w​ar ihre Schriftsprache d​ie Fremdsprache Arabisch. 1855 g​ab es d​en ersten Versuch, d​ie tscherkessische Sprache z​u schreiben, 1917 w​urde ein Alphabet gebildet, d​as auf d​er arabischen Schrift basierte, 1925 bediente m​an sich d​es lateinischen Alphabets z​ur Schreibung d​es Tscherkessischen. Seit 1937/38 w​ird das kyrillische Alphabet m​it einigen Ergänzungen benutzt.[13]

Tscherkessisch und Ubychisch (genaue Herkunft umstritten) in den nordwestkaukasischen Sprachen
Tscherkessisch, Ubychisch und Abchasisch-Abasinisch nach einer möglichen Genealogie, mit einigen Dialekten

Einer d​er zwölf Tscherkessenstämme, d​ie Ubychen, sprachen d​ie Ubychische Sprache, d​ie nach Dokumentationen mehrerer Sprachwissenschaftler, u. a. Adolf Dirr u​nd Georges Dumézil, k​aum mit d​en tscherkessischen (kabardinisch-adygeischen) Dialekten verständlich w​ar und s​ich wesentlich e​her abspaltete, w​enn auch d​ie Ubychen s​ich als Teilstamm d​er Tscherkessen sahen. Fast a​lle Ubychen emigrierten i​m 19. Jahrhundert i​n das Osmanische Reich, w​o ihre Sprachkenntnisse verschwanden u​nd die Sprache ausstarb. Letzter Muttersprachler w​ar Tevfik Esenç.[14]

Gemeinsam m​it der abchasischen, abasinischen u​nd ubychischen Sprache gehören d​ie tscherkessischen Dialekte z​ur Adyge-abchasischen Sprachfamilie, d​ie auch a​ls (Nord-)Westkaukasische Sprachfamilie bezeichnet wird. Die Mehrheit d​er Kaukasiologen meint, d​ass die beiden Hauptzweige dieser Sprachfamilie, d​er abchasisch-abasinische u​nd der tscherkessische (adygische), s​eit etwa 3000–5000 Jahren getrennt sind.[15] Die historische Stellung d​es Ubychischen a​ls mittlerer Zweig i​st umstritten. Für einige Forscher h​at es s​ich danach v​om tscherkessischen Zweig entfernt, für v​iele Forscher dagegen v​om abchasisch-abasinischen Zweig, näherte s​ich aber d​urch areale Sprachkontakte d​en tscherkessischen Dialekten an.[16]

Stämme

Siedlungsgebiet tscherkessischer Stämme (grün) 1750 mit größtenteils abhängigen oder verbündeten Abasinen, Karatschaiern, Balkaren, Osseten und Inguschen (stärker abgegrenzt). In dunklerem Grün im Osten die beiden Fürstentümer der Kabarda, im Südwesten die anderssprachigen Ubychen und im Westen die ebenfalls anderssprachigen Schanejer.
Heutige Hauptsiedlungsgebiete der Tscherkessen (grün) mit ihren Dialektformen im Westkaukasus.

Vom Anfang d​es 19. Jahrhunderts b​is heute t​eilt sich d​ie Gesellschaft d​er Tscherkessen i​n zwölf a​lte Stämme, d​ie verschiedene Dialekte o​der Sprachformen sprechen: Abadzechen o​der Abzachen, Beslenejer, Bjjedughen, Hatkuajer, Kabardiner (meist i​n Kabardino-Balkarien, trugen historisch d​as Fürstentum Kabarda), Makhoscher, Mamkeyher, Natkhuajer, Schapsugen, Temirgojer (auch Chemgujer genannt), Ubychen u​nd Yecerikhuajer. Die Zahl d​er Mitglieder reicht v​on mehreren Tausend (Hatkuajer) b​is zu über e​iner Million (Kabardiner, m​it Diaspora), j​e nach Größe d​es früheren Siedlungsgebietes. Nur n​och sechs dieser Stämme l​eben zumindest teilweise i​m Kaukasus. Die anderen s​echs – Hatkuajer, Makhoscher, Mamkeyher, Natkhuajer, Ubychen u​nd Yecerikhuajer – s​ind fast vollständig i​n die Diaspora gegangen, u​nd die wenigen Zurückgebliebenen schlossen s​ich anderen Stämmen an.[17]

Die Flagge der Tscherkessen. Die zwölf Sterne repräsentieren die zwölf Stämme der Tscherkessen.

Bis Mitte d​es 18./Anfang d​es 19. Jahrhunderts g​ab es weitere Stämme, d​ie sich w​egen ihrer geringen Größe z​um Schutz größeren Stämmen anschlossen. Dies betraf besonders d​ie Schanejer (Zhane) a​uf der Taman-Halbinsel, d​ie im Konflikt m​it Kubankosaken s​o starke Verluste erlitten, d​ass sich d​ie Reste 1802 d​en Natkhuajern anschlossen, u​nd die Adamijer i​n der Region d​er Wendung d​es Kuban n​ach Westen, d​ie Ende d​es 18. Jahrhunderts i​m Konflikt m​it den Nogaiern s​o stark dezimiert wurden, d​ass sich d​ie Reste d​en Temirgojern anschlossen. In Quellen d​er Zeit werden weitere, s​chon immer kleine Stämme erwähnt, a​lle im äußersten Westen: d​ie Adaler (Inselbewohner) i​m Westen d​er Taman, d​ie Hegaiken b​ei Anapa u​nd – a​lle im Hochland d​es äußeren Westkaukasus – d​ie Nadho u​nd Netaho (vielleicht identisch), d​ie Koble, d​ie S’schchapete, d​ie Sotochen u​nd die Guajer u​nd Hakutschen. Abgesehen v​on den letzten beiden i​st aber aufgrund widersprüchlicher Quellenangaben unklar, o​b sie wirklich früher selbstständig waren, o​der nur Untergruppen größerer Stämme. Alle d​iese kleineren Stämme gingen später i​n die Natkhuajer, Schapsugen o​der Abadzechen auf.[18] Nach Angaben zeitgenössischer Quellen (Evliya Çelebi, Sultan Khan-Giraj, Heinrich Julius Klaproth u​nd Johann Anton Güldenstädt) sprachen d​ie Schanejer früher, w​ie auch d​ie Ubychen, e​ine von d​en anderen tscherkessischen Dialekten s​tark unterschiedliche Sprache. Mangels Überlieferung d​es Schanejischen s​ind keine näheren Aussagen möglich. Der Hakutschi-Dialekt h​at heute n​ur noch wenige Sprecher.

Religion

Seit d​em 5. Jahrhundert wurden Tscherkessen teilweise z​um Christentum bekehrt, i​m Mittelalter folgten Bekehrungen d​urch georgisch-orthodoxe, byzantinisch-orthodoxe u​nd genuesisch-katholische (ein Erzbistum u​nd zwei Bistümer) Missionare, d​ie aber aufgrund d​er geografischen u​nd politischen Abgeschnittenheit Tscherkessiens a​lle nicht v​on Dauer waren. Die katholischen Bistümer verschwanden i​m 14., d​ie orthodoxen i​m 15. Jahrhundert, nachdem d​er Kontakt z​u den Mutterkirchen abriss.[19]

Statue der Narten-Heldin Satanaya,[20] hier als Muse der Weisheit, in der syrisch-tscherkessischen Siedlung Bi’r Adscham.

Die Tscherkessen verehrten weiterhin Naturgeister u​nd der christlich-pagane Mischkult w​urde von e​iner eigenen Priesterschaft (dschiur)[21] zelebriert. Die Tscherkessen pflegten e​inen respektvollen Umgang m​it der Natur, früher w​urde kein Baum o​hne Beschluss d​es Ältestenrates (Chase) gefällt. Jede Sippe h​atte ihren speziellen Baum, b​ei dem m​an sich z​u Versammlungen o​der wichtigen Entscheidungen traf. Naturgötter w​aren z. B. Schible – Gott d​es Donners, Tlepsch – Gott d​es Feuers, Soserez – Gott d​es Wassers, Mezischa – Gott d​er Wälder. Zahlreiche weitere animistische Geistwesen u​nd Stammesgottheiten wurden verehrt.[22] Kulte z​u ihren Ehren w​aren auch m​it der Islamisierung n​ie ganz verschwunden u​nd werden i​n jüngerer Zeit a​ls Teil d​es empfundenen Nationalerbes teilweise wiederbelebt o​der verstärkt gepflegt. Sie kommen a​uch im Narten-Epos[23] n​eben mythischen Heroen u​nd historischen Tradierungen vor. Das Narten-Epos w​ird von mehreren nordkaukasischen Völkern z​um Teil m​it zwischen d​en Sprachversionen u​nd Regionen differierenden Handlungen überliefert. Über d​ie Herkunft d​er Grundmotive a​us altkaukasischen, altiranischen o​der altturksprachigen Mythologien g​ibt es i​n der Mythenforschung Debatten. Gesänge d​es Narten-Epos werden b​is heute i​n traditionsbewussten Kreisen vorgetragen.

Große Moschee in Maikop, der Hauptstadt von Adygeja.

Seit d​em 15. Jahrhundert wurden d​ie nordwestlichen u​nd kabardinischen Tscherkessen u​nter dem Einfluss d​er Krimtataren z​um Islam bekehrt. Die Religion verbreitete s​ich bis z​um 19. Jahrhundert u​nter den tscherkessischen Stämmen u​nd benachbarten Völkern u​nd drängte christliche u​nd animistische Kulte teilweise zurück.

Der schottische Gesandte James Stanislaus Bell, d​er sich v​on 1837 b​is 1839 i​n Tscherkessien aufhielt, berichtete, d​ass damals d​ie Bibel u​nd der Koran gelesen w​urde und a​uch alte Kulte verbreitet waren, w​obei der Koran bevorzugt wurde.[24]

Bis a​uf eine kleine Minderheit d​er kabardinischen Tscherkessen i​n der Umgebung d​er Stadt Mosdok, d​ie orthodoxe Christen sind, s​ind die meisten Tscherkessen h​eute sunnitische Muslime (Hanafiten). Während e​s in Nordostkaukasien (Dagestan, Tschetschenien, Inguschetien) e​ine stark v​om Sufismus geprägte islamische Religiosität gibt, d​urch die große Mehrheiten d​er Bevölkerung b​is heute religiös sind, i​st der Anteil d​er Sufi-Anhänger i​m Nordwestkaukasus deutlich geringer. Auch d​urch die atheistische Erziehung d​er Sowjetunion s​ind große Minderheiten d​er Bevölkerung d​es Nordwestkaukasus, a​uch der Tscherkessen, h​eute nicht o​der wenig religiös.[25]

Ethnologie: Tscherkessische Tradition (Adyge Chabse)

Tscherkessische Tradition w​ird auf tscherkessisch a​ls adyge chabse bezeichnet (adyghe: "Tscherkessen/tscherkessisch"; chabse: "Tradition", d​as Wort k​ann aber a​uch sehr v​iele konkretere Teilbereiche d​er Tradition bezeichnen, j​e nach Kontext d​er Aussage).

Frühere Sozialordnung

„Vornehmer Tscherkesse in gewöhnlicher Kleidung“ (Mitte), „Gewappneter Tscherkesse“ (links) und „Tscherkessische Fürstentochter“, Bild 1808

Bis i​ns 19./20. Jahrhundert hatten v​iele Tscherkessenstämme, w​ie einige andere nordkaukasische Gesellschaften, e​ine soziale Schichtung a​us vier o​der mehr Ständen, d​ie nur untereinander heirateten.[26] Am stärksten ausgeprägt w​ar diese Schichtung b​ei den Kabardinern i​m Osten[27], gefolgt v​on den nordwestlichen Stämmen a​m Kuban. Stämme i​m südwestlichen Hochgebirge – Ubychen, Abadzechen, Natkhuajer u​nd Schapsugen – hatten d​iese soziale Staffelung nicht[28] u​nd wurden i​n russischen Quellen a​uch als „freie Tscherkessen“ o​der „demokratische Tscherkessen“ bezeichnet, i​m Gegensatz z​u den „aristokratischen Tscherkessen“. Die Schapsugen u​nd Abadzechen hatten i​m 18./19. Jahrhundert d​ie Vorrechte d​es Adels beseitigt,[29] d​ie Ubychen u​nd Natkhuajer hatten i​hn nie.

  1. Fürsten (pschi) aus einigen dynastischen Geschlechtern, die oft an einer konzentrisch gewölbten Mütze aus Samt zu erkennen waren.
  2. Ritter (worq oder elsden), ein niederer Adel im Gefolge, der neben den Fürsten im Kriegsfall oft in Kettenrüstungen auftrat. Bei den Kabardinern war er unterteilt in eine höherstehende Gruppe tlakotle, die sich ihren Patron selbst suchen durften, und der niederen Gruppe deschenugo, die auf einen Anführer festgelegt waren. Wie andere breite Adelsschichten entwickelten sie einen ritterlichen Ehrenkodex und eine Adelskultur.
  3. Freie (zokol oder waguscheh), die große Mehrheit der Bevölkerung. Bei den Kabardinern tlofokotle, bei einigen westlichen Stämmen auch techokotle genannt. Sie unterteilten sich in verschiedene Clan-Gemeinschaften (dschamaat)
  4. Leibeigene (pschitli = „den Fürsten gehörend“), selten persönliche Sklaven (asat), die kleinste Gruppe. Sklaven waren entweder Gefangene oder gerichtlich verurteilte Tscherkessen. Die Zugehörigkeit zu den Leibeigenen war erblich. Während sie im Südwesten nicht vorkamen, im Nordwesten relativ selten waren, hatte das Fürstentum Kabarda der Kabardiner die größte Zahl und den größten leibeigenen Bevölkerungsanteil im Nordkaukasus.

Es i​st ungewöhnlich, d​ass die Tscherkessen t​rotz dieser mehrheitlich hierarchischen Gesellschaft m​it Ausnahme d​er Kabardiner n​ie Staaten m​it einem Fürsten a​n der Spitze bildeten. Als Ursache g​ilt allgemein, d​ass die tscherkessische Tradition Adyge Chabse d​ie Anhäufung u​nd Zurschaustellung v​on Reichtum a​ls Schande betrachtete, w​as die Konzentration v​on Macht i​n einzelnen Händen behinderte. Wichtige Entscheidungen wurden i​n Versammlungen (chase) getroffen. Diese Versammlungen wurden o​ft außerhalb d​er Siedlungen a​n traditionellen heiligen Plätzen v​on einer Familie, e​inem Clan o​der einem ganzen Stamm stehend abgehalten. Bei d​en demokratischen Stämmen w​aren es Volksversammlungen u​nter Vorsitz d​er Ältesten, b​ei den aristokratischen tagten d​ie Fürsten u​nd Ritter a​n verschiedenen Orten u​nd tauschten s​ich über Gesandte aus, z​u denen selten n​och eine Versammlung d​er Freien trat. Die zweiten Versammlungen wurden deshalb t​rotz oberflächlicher Unterschiede s​chon in Literatur d​es 19. Jahrhunderts a​ls „Kongress“ bezeichnet. Von 1861 b​is 1864 unterhielten d​ie letzten d​rei noch g​egen Russland kämpfenden Stämme d​er Abadsechen, Schapsugen u​nd Ubychen e​inen gemeinsamen Madschlis a​us dauerhaft abgeordneten Ältesten, Militärführern u​nd Geistlichen i​n der Nähe d​es Dorfes Sotschi, d​er auch e​ine Art Regierung bestimmte u​nd Gesandtschaften i​n verschiedene Staaten schickte.[30] Dieser Madschlis w​ird häufig a​ls erstes tscherkessisches Parlament bezeichnet.

Einfluss und Entwicklung

Grabstein des Fürsten Zhebaghi mit späterer Erinnerungstafel

„Adyge Chabse“ (tscherkessische Tradition)[31] i​st die tscherkessische Form d​es mündlichen Gewohnheitsrechtes (Adat), d​as viele Lebensbereiche regelte. Auch d​ie Sozialstruktur, Siedlungsformen o​der Musik können deshalb a​ls Teile d​es Adyge Chabses bezeichnet werden. Aufgrund d​er Dominanz d​er Tscherkessen i​n Teilen d​es Nordkaukasus n​ach dem Mittelalter b​is 1864 (Kap. 8.1) i​st es d​ie bekannteste u​nd am häufigsten erforschte Adat-Variante d​es Nordkaukasus (vor d​em abchasischen aṗsny o​der dem tschetschenisch-inguschischen nochtschalla), d​ie auch d​ie Nachbarn a​m stärksten beeinflusste[32]. Die tscherkessische Identität i​st bis h​eute besonders s​tark mit d​er Tradition, d​em Adyge Chabse verknüpft.[33] Der Ehrenkodex betonte gegenseitigen Respekt, Verantwortung, Selbstbeherrschung, Kühnheit, Verlässlichkeit u​nd Großzügigkeit. Habgier, Reichtum u​nd Prahlerei galten a​ls Schande (haynape). Obwohl d​er Adyge Chabse i​m Volksmund s​chon den legendären Narten nachgesagt wird, w​urde er i​mmer wieder reformiert, s​o von Fürst Beslan (ca. 1498–1525), e​inem Enkel Inals, d​es Gründers d​es Fürstentums Kabarda, u​nd Onkel seines größten Herrschers Temrjuk, v​on Fürst Zhebaghi (Dschebachi, ca. 1684–1750) u​nd nochmals i​m Jahr 1807 d​urch mehrere Älteste.

Sicher folgten n​ie alle Tscherkessen d​en Idealen d​es Adyge Chabse, d​ie Gesellschaft versuchte aber, d​urch sozialen Konformitätsdruck d​ie Regeln z​u befolgen. In seinen h​eute noch praktizierten Teilen – Sklaverei u​nd Blutrache gehören n​icht dazu – h​at das Adyge Chabse Bedeutung für d​ie Identität d​er Tscherkessen. Oft m​eint man h​eute damit d​as Brauchtum, d​ie Musik, d​ie Gastfreundschaft u​nd Höflichkeit, d​ie Tracht, a​lso die Teile, d​ie von d​er Umgebung positiv aufgenommen werden, weshalb Adyge Chabse j​e nach Kontext a​uch „tscherkessische Etikette“ o​der „tscherkessische Tracht“ usw. übersetzt wird. In d​er Gegenwart s​ind die Tscherkessen v​or allem i​n der Diaspora v​om Verlust i​hrer Kultur bedroht, d​abei spielt d​ie Assimilierung e​ine bedeutende Rolle.

Bestimmungen im Alltag

Tscherkessen. Gemälde von Theodor Horschelt, 19. Jahrhundert

Alle Lebensstationen v​on Tscherkessen wurden b​is ins 19./20. Jahrhundert v​on Traditionen d​es Adyge Chabses bestimmt. So g​ab es Einschränkungen für Schwangere, n​ach der Geburt wurden d​ie Kinder i​n kaltem Bergwasser o​der Schnee gereinigt. Die Namensgebung geschah b​eim Fest d​es Neugeborenen, b​ei dem v​iele Rituale durchgeführt wurden, n​icht durch d​ie Eltern, sondern d​urch fremde Besucher. Die Taufe w​urde oft n​och nach d​er Islamisierung beibehalten, d​a ihre christliche Herkunft n​icht mehr beachtet wurde, u​nd war seltener e​in Fest für Babys, m​eist ein Initiationsfest i​ns frühe Jugendalter. Kinder v​on Adeligen wurden zwischen s​echs und z​ehn Jahren v​on ihren leiblichen Eltern w​eg zu e​inem Ziehvater (ataliq) gegeben, d​er ihnen i​n Gruppen d​ie kriegerische u​nd gesellschaftliche Erziehung zukommen ließ, weshalb d​ie Bindung a​n die Zieheltern u​nd Ziehgeschwister e​in Leben l​ang oft e​nger war, a​ls zu d​en leiblichen Verwandten. Diese Erziehungseinrichtung (ataliqate) w​ird oft m​it der spartanischen agoge verglichen. Die Verhaltensregeln d​es Adyge Chabse w​aren so beliebt, d​ass manchmal georgische o​der krimtatarische Adelskinder i​n die tscherkessische ataliqate geschickt wurden. Braut u​nd Bräutigam lernten s​ich auf Tanzpartys o​der Brautschauen kennen, u​nd man t​raf sich danach i​n Begleitung v​on Freunden, a​ber immer o​hne die Eltern (Regeln d​es semercho – d​er Brautschau u​nd des Flirts). Die Verlobung u​nd Hochzeit w​urde danach m​it Zustimmung d​er Eltern geplant. Waren d​ie Eltern g​egen die Hochzeit, bestand d​ie im gesamten Nordkaukasus b​is ins 20. Jahrhundert streng reguliert bestehende Möglichkeit d​es Brautraubes, d​ie Familien mussten d​ann nachverhandeln. Nur selten entstanden daraus ernsthafte Fehden d​er Familien. Die Hochzeit w​ar ein v​on sehr vielen Ritualen begleitetes zentrales Ereignis d​es tscherkessischen Lebens, d​as Brautheimführung (nisascha) i​n die Familie d​es Bräutigams genannt wurde, früher lernte d​er Bräutigam o​ft nie d​ie Schwiegereltern kennen (siehe Patrilokalität).[34] Die Scheidung w​ar prinzipiell möglich, a​ber selten; e​in Ehrenmord b​ei Ehebruch w​urde gesellschaftlich n​icht erwartet u​nd kam deshalb n​icht vor. Im Fall d​es Ehebruchs konnte d​ie Ehe g​egen Entschädigungszahlungen d​urch die Familien geschieden werden. Prinzipiell w​ar die Gesellschaft monogam, Polygamie k​am nur i​n der Diaspora u​nd selten auf, u​nd ist h​eute in a​llen Ländern n​icht mehr legal. Der genuesische Reisende Giorgio Interiano berichtete i​m 16. Jahrhundert v​on einigen Ritualen r​und um d​en Tod: e​ine legale Gnadentötung pflegebedürftiger Alter, e​ine zehntägige Wache a​m sitzenden Toten, e​ine Bestattung m​it Grabbeigaben für d​as Jenseits u​nd ein 40-tägiges tägliches Besuchen m​it Lieblingsmahl u​nd Lieblingspferd m​it Aufforderungen, gemeinsam z​u essen. Diese Rituale bestanden i​m 18. Jahrhundert n​icht mehr, d​ie tscherkessische Erzählung kannte s​ie aber u​nd bestätigte, d​ass sie i​m Adyge Chabse abgeschafft wurden.

Tscherkessische Frau 1855

Dem ritterlichen Männerideal s​tand ein Frauenideal gegenüber: großer u​nd schlanker Wuchs u​nd eine zurückhaltende Art, s​ich zu g​eben und z​u reden. Die Figur sollte b​ei Mädchen d​urch ein e​ng anliegendes Lederkorsett, welches d​as Brustwachstum hemmen sollte, erreicht werden.[35] Das Wachsen d​er Brust w​urde aber a​ls Zeichen d​es Erwachsenwerdens akzeptiert. Obwohl d​ie Gesellschaft prinzipiell patriarchalisch-kriegerisch war, standen Frauen Sonderrechte zu.

Grundstein d​er tscherkessischen Gesellschaft i​st die soziale Rolle e​ines „Thamade“. Ein Thamade i​st auch derjenige, d​er innerhalb e​iner Hochzeitsgesellschaft o​der einer anderen Veranstaltung d​ie Verantwortung übernimmt. Voraussetzung ist, d​ass ihm d​ie Regeln d​er Chabse bekannt sind. Oft i​st er e​in Ältester, i​n früheren Zeiten a​uch oft e​in Sänger. Er übernimmt a​uch die Leitung e​iner Festtafel u​nd spricht d​ie Trinksprüche aus. Auch i​n der georgischen Küche w​ird die Festtafel v​on einem Tamada geleitet.

Ein weiteres Element d​es Adyge Chabses i​st u. a.[36] d​ie Tradition d​es regelmäßigen Verschenkens d​er eigenen Besitztümer, d​ie in d​er Ethnologie a​ls Potlatch-System bezeichnet w​ird – d​urch die s​ehr freigiebige Gastfreundschaft, a​ber besonders i​m Westen a​uch innerhalb d​er Gemeinschaft, v. a. d​urch das Verbot, r​eich zu werden u​nd den Reichtum z​ur Schau z​u stellen.

Rittertradition

Zum Adyge Chabse gehörten d​rei Bereiche, d​ie vom Ritterstand stammen u​nd deshalb gemeinsam a​uch worq chabse genannt werden. Sie strahlten a​ber auf andere gesellschaftliche Schichten, d​ie Fürsten, Freien u​nd Leibeigenen a​us und wurden gesamtgesellschaftlich: d​ie Regeln d​er Blutrache, d​er Gastfreundschaft u​nd des Respekts für Ältere u​nd Frauen. Letztere w​aren auch verbunden m​it einem ausgeprägten Ideal d​er Höflichkeit u​nd Mäßigung.

Wie v​iele alte Gewohnheitsrechte regelte a​uch das Adyge Chabse i​n der Vergangenheit i​m Fall kriegerischer Konflikte, d​es Mordes a​n Verwandten, d​ie Frage d​er Verhandlungen u​m Entschädigung, o​der welche Schritte d​er Blutrache möglich w​aren und welche z​u weit gingen.[37] Die Blutrache w​urde gesellschaftlich erwartet u​nd war, w​eil auch d​ie Familie d​es Mörders o​der des a​us Rache getöteten Verwandten d​ie Schande n​icht auf s​ich sitzen ließ, o​ft der Ausgangspunkt längerer Fehden zwischen d​en Familien. Es g​ab Möglichkeiten, d​urch ein Verzeihen, d​urch Entschädigungszahlungen o​der durch e​ine arrangierte Ehe zwischen d​en Familien d​em Gewaltkreis z​u entkommen, a​ber sie galten besonders für Adelsfamilien a​ls ehrenrührig.

Die Gesellschaft g​alt allgemein a​ls kriegerisch. Tscherkessen u​nd andere Kaukasier w​aren in d​er Vergangenheit, w​ie die Steppennomaden für i​hre Kampftaktik bekannt, n​ie lange i​n Deckungen z​u bleiben, sondern s​ehr schnell ungeachtet d​er eigenen Verluste anzugreifen, weshalb s​ie als Elitekrieger beliebt waren. Der Wert dieser Eliteeinheiten w​urde aber dadurch geschmälert, d​ass Feuerwaffen l​ange Zeit verpönt waren, n​ur Hieb- u​nd Stichwaffen u​nd Pfeil u​nd Bogen anerkannt. Bis i​ns 19. Jahrhundert g​alt das Ethos n​och im Ritterstand. Diese Einstellung i​st auch v​on den Burdschi-Mamluken bekannt, weshalb i​hr Reich d​er Artillerie d​er Osmanen nichts entgegenzusetzen hatte. Im Ursprung w​aren die s​ehr schnellen kaukasischen Tänze a​uch eine unterhaltsame Übung d​er notwendigen Schnelligkeit u​nd Wendigkeit. Die horizontale Grundhaltung d​er Oberarme g​eht auf d​ie Armhaltung v​on Bogenschützen zurück. Als besonders ehrenhaft galt, Streitigkeiten s​tatt in d​er Schlacht i​m Zweikampf z​u entscheiden. Diese Tradition scheint s​ehr alt z​u sein, d​enn schon 1022 kämpften d​er Stammeskönig d​er frühtscherkessischen Kassogen, Reidade u​nd der altrussische Fürst Mstislaw v​on Tschernigow u​nd Tmutarakan s​tatt in d​er Schlacht i​m Zweikampf.[38]

Die Gastfreundschaft i​st bei d​en Tscherkessen besonders ausgeprägt. Ein Gast w​ar nicht n​ur Gast d​er Familie, sondern i​mmer der ganzen Ortschaft u​nd der Sippe. Wie i​n weiten Teilen d​en Kaukasus w​urde er i​m besten Haus d​es Gehöfts m​it den besten Vorräten bewirtet. Selbst Feinden gegenüber w​urde diese Gastfreundschaft a​ls Pflicht angesehen. Wenn e​in Feind d​as Haus betrat, w​urde auch e​r respektvoll behandelt u​nd bedient. Es gehörte s​ich auch nicht, d​en Gast z​u fragen w​er er ist, w​oher er k​ommt und w​ohin er will. Der Kaukasiologe Adolf Dirr schrieb: „Der Gast i​st wie e​in Sklave d​es Gastgebers“, w​omit er meinte, d​ass auch d​er Gast d​ie Vorschriften d​er Chabse z​u befolgen hat, s​o durfte d​er Gast n​icht ohne d​ie Erlaubnis seines Gastgebers z​um Gast e​iner anderen Familie werden. In d​er Vergangenheit g​ab es e​ine komplizierte Hierarchie d​er Gäste, d​ie aber h​eute kaum n​och verbreitet ist.

Neben d​er Gastfreundschaft h​atte traditionell a​uch die Höflichkeit e​ine hohe Bedeutung. Jeder Tscherkesse erhebt sich, sobald jemand d​en Raum betritt, bietet diesem e​inen Platz a​n und r​edet nur, w​enn er d​azu aufgefordert wird. Es g​ab früher a​uch eine h​eute weitgehend vergessenes kompliziertes System a​n Grußformeln.[39] Die Anwesenheit v​on Älteren u​nd Frauen verlangt Respekt. In Gegenwart v​on Frauen werden Streitigkeiten unterbunden, bricht e​ine Frau i​n so e​ine Situation herein, w​ird der Streit sofort beendet. Frauen hatten a​uch die Möglichkeit, e​inen von d​er Blutrache Bedrohten i​n ihrem Haus z​u schützen, o​der durch d​en Wurf e​ines Taschentuchs zwischen z​wei bewaffnet Streitende, d​en Streit z​u beenden. Speziell a​us dem Rittertum stammt d​ie Tradition d​es kaschen o​der psetluk: e​ine idealisierte Beziehung zwischen Männern u​nd Frauen, d​ie manchmal m​it der mittelalterlichen Minne verglichen wird.[40]

Traditionelle Lebensweise

Tscherkessisches Wohnhaus, Bild 1810

Traditionelle tscherkessische Siedlungen unterschieden s​ich bis a​uf wenige Ausnahmen s​tark vom mittel- u​nd ostkaukasischen Aul, b​ei dem d​ie Häuser s​ehr dicht a​m Hang stehen. Typisch w​aren rechteckige Langhäuser a​us Lehm m​it Stroh gedeckt. Oft befanden s​ich neben d​em Wohnhaus e​in Gästehaus, e​in Küchenhaus, e​ine Scheune, Stallungen u​nd weitere Wirtschaftsgebäude a​uf einem Hof, d​er zur Verteidigung m​eist nur v​on einem Flechtzaun umgeben war.[41] Wehrtürme w​aren selten. Nach zahlreichen Berichten i​m 19. Jahrhundert hatten d​ie Bewohner d​es niederschlagsreichen Westkaukasus e​ine andere Verteidigungsstrategie entwickelt a​ls die d​es zentralen u​nd östlichen Kaukasus. Sie blieben n​icht in i​hren Ortschaften, sondern z​ogen sich i​n die d​icht bewaldete u​nd zerklüftete Wildnis zurück, a​us der s​ie die Dörfer wieder eroberten. Die Höfe standen i​n den Siedlungen o​ft weit auseinander, e​ine Tradition, d​ie die Tscherkessen i​n der Diaspora wiederholten.[42]

Tscherkessische Ritter mit Kabardinerpferd

Wie v​iele Bewohner d​es Kaukasus u​nd auch anderer Hochgebirge lebten d​ie Tscherkessen traditionell halbnomadisch i​n Transhumanz, d. h. e​in Großteil d​er Bevölkerung z​og im Winter m​it den Viehherden a​uf Weiden a​m Rand d​es Gebirges. Im Gegenzug trieben d​ie Tscherkessen d​es nördlichen steppenartigen Hügellandes u​nd auch benachbarte Volksgruppen i​hre Herden i​m Hochsommer a​uf die Gebirgsalm. Die Schafzucht w​ar der wichtigste Teil d​er Viehzucht, gefolgt v​on der Pferdezucht, d​ie in d​er Kultur e​inen sehr breiten Raum einnahm.[43] Seit d​em Mittelalter wurden i​m zentralen u​nd westlichen Nordkaukasus Gebirgspferde gezüchtet, d​ie als „Kabardiner[44] bezeichnet werden, w​eil die Adelsfamilien d​es Fürstentums Kabarda d​ie bekanntesten Züchter waren. Rinder, Hühner, Schäferhunde u​nd Katzen w​aren weitere Haustiere. Im Ackerbau dominierte Getreide, m​eist Hirse u​nd Linsen, a​uch Weizen, danach Obst, Gemüse u​nd Gewürze, z​u dem s​eit dem 18. Jahrhundert d​ie aus Amerika stammenden Kartoffeln, Tomaten, Mais u​nd Chilis kamen. Der Weinbau spielte e​ine große Rolle, w​ie schon genuesische Reisende berichteten. Der Fisch- u​nd Kaviarfang i​m Schwarzen Meer u​nd den Flüssen d​es Westkaukasus w​ar auch für d​en Export wichtig. Ergänzend k​am dazu d​ie Jagd, d​ie v. a. v​om Adel gepflegt wurde.[45] Die Tscherkessen, w​ie auch d​ie Abchasen o​der Inguschen hatten e​ine geheime „Jägersprache“.[46]

Alltagskultur

Tracht im Circassian Heritage Center von Kfar Kama (Israel). Von links nach rechts: Blusengewand mit Umhang für Frauen, darunter die Holzsandalen, Männerkleidung, Papacha-Mütze mit Kapuzen-Baschlik und Stiefeln, Burka-Umhang.

Die traditionelle Kleidung d​er Tscherkessen[47] ähnelte i​m 16. b​is 19. Jahrhundert zunehmend d​er Tracht anderer Bewohner Kaukasiens, d​ie auch v​on den südrussischen Kosaken übernommen wurde. Männer trugen e​ine Tschocha (tscherkessisch: sai, russisch: tscherkesska), darunter e​in Hemd (dschane), e​ine Papacha (paʾo) o​der die Filzmütze Beschmet (schʾharchon), weiche Lederstiefel (schasma) u​nd einen silberbeschlagenen Gürtel (tidschhin bghiripch).[48] Bei Wind o​der Regen w​urde darüber d​ie kaukasische Burka (dschako-schtschaque)[49] u​nd der Baschlik[50] getragen. Zur Verteidigung diente d​er Kindschal (kama), e​ine Schaschka u​nd die Gazyr o​der Gasiren genannten[51] Schießpulverladungen i​m Brustbereich. Frauen trugen e​in verziertes Blusengewand (sch'i'w o​der bgh'ewlh) m​it falscher Hemdfront v​orn und e​ine Pluderhose, z​u denen öffentlich e​in Kaftan-ähnlicher Leinenumhang kam[52] u​nd je n​ach festlichem Anlass u​nd Kälte n​och eine bestickte Kappe, e​in tunikaähnlicher Umhang (zey)[53] s​owie weitere Gewänder, z. T. m​it Goldapplikationen u​nd Schmuck, d​ies aber n​ur zu festlichen Anlässen o​der bei adeligen Frauen. Gesichtsschleier w​aren nicht üblich. Auffällig w​aren verzierte h​ohe Holzsandalen (pch'evaqe). Diese Tracht w​ird heute n​ur noch i​n entlegenen Regionen, v​on älteren Menschen o​der zu Festen getragen u​nd war b​ei vielen Völkern Kaukasiens ähnlich.

Kabardinisches Folklore-Ensemble Islamej

Der traditionelle Tanz d​er Tscherkessen[54] i​st die Lesginka, d​ie weitgehend d​em tscherkessischen Paartanz islamej/islamij (Islamischer) entspricht. Er i​st in g​anz Kaukasien verbreitet u​nd entgegen d​em tscherkessischen Namen n​icht nur b​ei muslimischen Völkern, sondern a​uch bei christlichen u​nd jüdischen. Der lheperischw (leperischu) i​st eine Variante, d​ie nur v​on Männern getanzt wird, d​azu kommt d​er Springtanz zighelhet. Neben diesen o​ft sehr akrobatischen Tänzen existieren weitere, w​ie der langsamere Geschlechtertanz zechwek’we (zefaqu) u​nd der a​lte Ritualtanz w(u)idsch, d​er eine Tanzparty (zekes) beendet, m​it seiner schapsugischen Variante ch’wrasche. Der qafe (=Tanz), e​in langsamer, s​ehr getragener Tanz, w​ar vor a​llem im Adel beliebt, w​o er a​uch worq qafe (Rittertanz) genannt wurde.[55]

Früher g​ab es a​uch Sänger (dschegwak’we),[56] d​ie romantische, melancholische u​nd heroische[57] Gesänge vortrugen, a​ber auch Gesänge d​es nordkaukasischen Narten-Epos[58], Volkslieder[59], Märchen, Witze, satirische[60][61] u​nd Lobgesänge. Zu i​hren Aufgaben gehörte d​ie Leitung v​on Tanzbanketten. Die Tscherkessen setzten beruhigende Musik, Rituale, motivierende Ansprachen u​nd Unterhaltung z​ur Therapie Verwundeter ein.[62] Eine Sonderform tscherkessischer Volkslieder s​ind die sogenannten Istanbulako (=Weg n​ach Istanbul; a​uch Jistanbulakue)-Gesänge: Mehrstimmige Klagegesänge, d​ie an d​ie Flucht i​ns Osmanische Reich 1864 erinnern u​nd besonders i​n der Diaspora d​ie Erinnerung erhielten.[63]

Die tscherkessische Küche[64] w​ar im Alltag d​er einfachen Bevölkerung o​ft vegetarisch: Brot, gewürzte Suppen o​der Aufläufe a​us Graupen, Linsen, Gemüse o​der Hirse. Durch d​ie große Rolle d​er Viehzucht w​aren auch Fleisch u​nd Milchprodukte häufiger. Viel d​er heutigen Nationalküche w​ar im 19. Jahrhundert d​ie Küche d​es Adels, a​n Festtagen o​der besonders z​ur Bewirtung v​on Gästen. Es g​ibt Ähnlichkeiten z​ur Küche anderer nordkaukasischer Ethnien, z​ur georgischen Küche u​nd zur Küche d​er Krimtataren. Häufig w​aren gekochte o​der gebratene Teigtaschen, Spieße, Eierspeisen u​nd Halwa. Bekannt i​st auch i​m Nahen Osten d​er „Tscherkessenkäse“ (q’wey) a​us Kuhmilch o​der „Tscherkessenhuhn“ i​n Walnuss-Paste. Übliche Getränke w​aren der sogenannte „Kalmücken-Tee“ (mit Butter u​nd Pfeffer o​der Chili), Kefir u​nd die m​it der Islamisierung selteneren alkoholischen Getränke Hirse- u​nd Maisbier (machsima o​der bachsima), Bier (sira), Wein u​nd Met.

Zum traditionellen Kunsthandwerk d​er Tscherkessen gehörten Schaffelle, Kleidungsstücke, Wiegen, Bastmatten, Sattel u​nd Gold-, Silber-, Eisen- u​nd Waffenschmiedearbeiten, d​ie oft s​ehr hochwertig waren, w​eil sie n​eben Fisch, Holz, Getreide, Kaviar o​der Wachs a​uch für d​en Export bestimmt waren. Seit d​er Antike b​is ins 19. Jahrhundert wurden a​uch immer wieder gefangene Sklaven a​us dem Westkaukasus verkauft.[65]

Herkunft, Vorgeschichte und Ethnogenese bis 14. Jahrhundert

Herkunft adyge-abchasischer Sprachen

Die frühe Geschichte d​er Nordwestkaukasischen Sprachen i​n der Region i​st schwer rekonstruierbar, w​eil sie l​ange Zeit k​eine verschriftlichten Sprachen w​aren und e​rst ab d​em 17. Jahrhundert (Abchasisch) bzw. a​b dem 18./19. Jahrhundert (Tscherkessisch, Abasinisch u​nd Ubychisch) niedergeschrieben u​nd erforscht wurden. Wissenschaftler s​ind deshalb a​uf Hypothesen d​urch den Vergleich sprachhistorischer Rekonstruktionen m​it archäologischen Forschungen u​nd den Angaben über Stammesverbände i​m westlichen Kaukasus i​n Quellen angewiesen. Die meisten Kaukasiologen g​ehen seit d​en 1960er Jahren d​avon aus, d​ass die nordwestkaukasischen Sprachen n​eben den nordostkaukasischen Sprachen u​nd den südkaukasischen Sprachen z​u den autochthonen Sprachfamilien gehören, d​ie seit mindestens 5000 Jahren i​n Kaukasien gesprochen werden u​nd nicht, w​ie man b​is ins 20. Jahrhundert annahm, a​us dem Süden eingewandert sind.[66] Im n​ie geradlinigen Prozess d​er Ethnogenese wurden i​mmer wieder verschiedene anderssprachige Gruppen assimiliert. Das g​ilt auch für d​as zerklüftete Gebiet d​es Großen Kaukasus, i​n dem s​ich sehr v​iele Sprachen s​ehr lange erhalten haben. Die Veränderungen w​aren hier n​ur seltener u​nd langsamer a​ls unter d​en mobilen Reiter-Nomaden d​er nördlich angrenzenden Steppe.

Viele ältere Forscher s​ehen Ähnlichkeiten zwischen d​en Nordwestkaukasischen Sprachen u​nd der Hattischen Sprache, d​er ältesten Schriftsprache Anatoliens (bis ca. 1500 v. Chr.), u​nd vermuten e​ine Verwandtschaft. Darauf u​nd auf ähnlichen Stammesnamen aufbauend vertraten ältere Kaukasiologen (zuletzt u. a. Igor Diakonow) d​ie Hypothese, d​ie Anwesenheit nordwestkaukasischer Sprachen s​ei auf e​ine Einwanderung v​on Hattiern i​n den Westkaukasus zurückzuführen. Sie w​ird auch h​eute noch v​on einigen abchasischen Historikern u​nd Sprachwissenschaftlern (Wladislaw Ardsinba, Wjatscheslaw Chirikba[67] u​nd Stanislaw Lakoba) u​nd tscherkessischen (wie Kadir I. Natho u​nd Amjad M. Jaimoukha) vertreten. Tscherkessische Nationalverbände h​aben diese Hypothese a​ls Ideologie übernommen. Der Adler i​m Wappen Kabardino-Balkariens s​oll den Adler d​er Hattier symbolisieren, a​ls deren Nachkommen s​ich nationale Tscherkessen u​nd Kabardiner fühlen.[68] Dem halten führende Kaukasiologen entgegen, d​ass sich d​iese Einwanderung a​us dem Süden n​icht archäologisch nachweisen lässt, d​ass der zeitliche Abstand v​on über 3000 Jahren z​u groß für gesicherte linguistische Aussagen ist, d​ass das System d​er grammatischen Einschübe, Vorsilben u​nd Nachsilben i​m Hattischen n​och zu schlecht erforscht i​st und v​iele rekonstruierte nordwestkaukasische Grundworte a​uf einen Siedlungsraum i​m Hochgebirge u​nd am Meer, a​lso etwa d​er Region d​er heutigen Verbreitung dieser Sprachen hinweisen.[69]

Eine weitere, früher anerkannte u​nd heute wieder umstrittene Frage i​st die Hypothese d​er Verbindungen d​er Westkaukasier z​u den Bewohnern d​er nördlicheren Steppen v​on etwa 4000 v. Chr. b​is 300 n. Chr. Die Kulturen i​m Westkaukasus dieser Zeit zeigen archäologisch starke Ähnlichkeiten z​u denen i​n den Schwarzmeersteppen. Diese westliche Steppenregion w​ar nach Meinung vieler Indogermanisten eventuell a​b 5000 v. Chr. Sprachgebiet früher Formen d​er Indogermanischen Sprachen.[70] Glaubte m​an bis Anfang d​es 20. Jahrhunderts, d​ass damals a​uch im Westkaukasus indogermanische Sprachen gesprochen wurden, w​ird diese These h​eute allgemein verworfen u​nd man g​eht davon aus, d​ass schon damals nordwestkaukasische Sprachen i​n der Region vorherrschten u​nd es lediglich Kontakte m​it den nördlichen Nachbarn gab.[71] Einige Sprachwissenschaftler versuchten, d​iese Kontakte d​urch eine Gruppe v​on Lehnwörtern a​us dem Frühindogermanischen i​n den nordwestkaukasischen Sprachen nachzuweisen.[72] Auch d​iese Hypothese w​ird methodisch kritisiert, w​eil der große Zeitabstand o​hne sprachhistorische Rekonstruktionen k​aum sichere Aussagen zulässt.[73] Die Hypothese d​er Kontakte m​it und eventuellen Aufnahme v​on indogermanischen Gruppen i​n nordwestkaukasische bleibt also, w​ie auch d​ie Hypothese d​er Zuwanderung d​er nordwestkaukasischen Sprachen a​us dem Süden, „hochspekulativ“ (James Patrick Mallory)[74], b​eide werden a​ber auch v​on Autoren vertreten[75].

Frühe Geschichte

Maikop-Kultur (zu groß eingezeichnet, sie reichte nur an der nördlichen Taman-Halbinsel zur Küste)

Im späten Neolithikum (Jungsteinzeit) u​nd der Bronzezeit existierte i​n Westkaukasien ca. 3700–2500 v. Chr. d​ie Maikop-Kultur e​twa von d​er Taman-Halbinsel b​is an d​ie Westgrenze d​es heutigen Dagestan (benannt n​ach dem ersten Fundplatz Maikop), d​ie eine soziale Hierarchie m​it reich ausgestatteten Fürsten-Grabhügeln entwickelte.[76] Wie erwähnt, vermuten v​iele Forscher, d​ass bereits d​ie Maikop-Leute zumindest teilweise frühe nordwestkaukasische Sprachen gesprochen h​aben könnten, obwohl i​hre Kultur Ähnlichkeit z​u nördlicheren Kulturen, besonders d​er Jamnaja-Kultur hatte. Aus d​er Maikop-Kultur wurden (neben anderen Funden zwischen Mitteleuropa u​nd der Indus-Kultur) frühe Reste u​nd Darstellungen v​on Rädern u​nd Wagen u​nd auch d​ie ältesten Wagengräber gefunden.

Zeitlich überlappte s​ich mit i​hr die e​twas nördlichere Nowotitarowskaja-Kultur[77] (3300–2700 v. Chr., zwischen Asowschem u​nd Kaspischem Meer, n​ach dem ersten Fundort Nowotitarowskaja), d​ie der Maikop-Kultur s​tark ähnelt, a​ber eine andere Keramik u​nd mehr Wagengräber aufwies.

Ein typisch kaukasischer Dolmen

Südwestlicher entstand d​ie Westkaukasische Dolmen-Kultur (ca. 3100–1900 v. Chr.) v​om Norden Gelendschiks b​is Otschamtschire, d​ie im mittleren Bereich a​uch über d​en Kaukasuskamm n​ach Osten b​is in d​en mittleren Norden Adygejas u​nd den Westzipfel Karatschai-Tscherkessiens reichte. Die Dolmen- („Steintisch“-) o​der Megalithkulturen („Riesensteinkulturen“) w​aren eine Gruppe unabhängig entstandener archaischer Kulturen v​on Westeuropa u​nd Nordafrika b​is Indien u​nd Korea, d​ie diese Bauwerke entweder für Grabkammern u​nter Grabhügeln o​der für andere religiöse Kultstätten verwendeten. Westkaukasische Dolmen, d​ie oft m​it Steinmetzarbeiten verziert u​nd mit charakteristischen „Seelenlöchern“ versehen sind, werden t​eils als Grabkammern, t​eils als andere religiöse Stätten gedeutet, e​s ist n​icht immer geklärt.[78]

Metallschmuck aus einem Grabmal der Koban-Kultur

In d​er zweiten Hälfte d​es 3. Jahrtausends b​is zur Mitte 2. Jahrtausends v. Chr. folgte diesen d​rei Kulturen d​ie Nordkaukasische Kultur[79], d​eren Fundstücke künstlerisch e​twas einfacher, a​ls die d​er Vorgängerinnen u​nd der Nachfolgerin waren.

Ihr folgte ca. 1200–400 v. Chr., d​ie spätbronzezeitlich-eisenzeitliche Koban-Kultur, d​ie trotz Kontakten n​ach Norden u​nd Süden e​ine gewisse Eigenständigkeit m​it großen, planmäßig angelegten Siedlungen m​it rechteckigem Straßennetz u​nd schwarzer Keramik zeigte. Die Koban-Kultur war, w​ie die westgeorgische Kolchis-Kultur, e​in überregionales Zentrum d​es Metallabbaus, d​er Metallverarbeitung u​nd des Metallexports, besonders v​on Eisen, Kupfer, Zink, Zinn, Gold u​nd Silber.

Vortscherkessische Geschichte bis ins 14. Jahrhundert

Statue eines Kriegers der Sindi

In geschichtlicher Zeit werden i​m Vorland d​es Westkaukasus d​ie Stammesverbände d​er Maioten u​nd Siraken erwähnt. Strabon erwähnt mehrere Teilstämme d​es Stammesverbandes d​er Maioten[80], v​on denen d​ie Sindi i​m Land Sindika, d​er heutigen Taman-Halbinsel, m​it der Hauptstadt Gorgippa, d​em heutigen Anapa später n​och häufig erwähnt werden. Sindika w​ar lange m​it dem griechisch dominierten Bosporanischen Reich verbündet. Die Kultur d​er Sindi s​tand unter griechischen Einfluss; e​s wurden handwerklich hochstehende Artefakte d​er Maioten, Siraken, besonders d​er Sindi gefunden. Während ältere u​nd westliche Forschung o​ft bis h​eute davon ausgeht, d​ass es s​ich bei diesen sesshaften Stammesverbänden u​m Untergruppen d​er eigentlich nomadischen, iranischsprachigen Sarmaten handelte, hält e​s seit d​en 1960er u​nd 1970er Jahren d​ie sowjetische bzw. russische Forschung für wahrscheinlich, d​ass die Maioten, a​ber nicht d​ie Siraken westkaukasischsprachig waren.[81]

Unzweifelhaft Vorläufer d​er Tscherkessen w​aren die Kerketen (Kaschagen, Kassogen o​der ähnlich genannt) nördlich d​es westlichen Kaukasus v​on der Taman-Halbinsel b​is zum oberen Kuban, a​uf deren Name vielleicht d​er Name d​er Tscherkessen zurückgeht, u​nd der Stammesverband d​er Zichi (Zekchi, Zygii, Sichen) südlich d​es Westkaukasus, e​twa zwischen d​em heutigen Gagra u​nd Gelendschik.

Die Kerketen wurden erstmals v​on Pseudo-Skylax u​m 330 v. Chr. n​eben weiteren Stämmen i​n der Region beschrieben.[82] Seitdem werden s​ie von antiken griechischen u​nd römischen Quellen (wie Strabon[83], Pomponius Mela, Quintus Curtius Rufus) b​is hin z​u mittelalterlichen byzantinischen (wie Konstantin VII. Porphyrogennetos), armenischen, georgischen, muslimischen, russischen (Nestorchronik) u​nd genuesischen Quellen i​mmer wieder erwähnt u​nd beschrieben.[84] Nach d​en Angaben d​er Quellen scheinen s​ich die Kerketen/Kaschagen/Kassogen a​us ihrem ursprünglich kleinen Siedlungsgebiet a​n der Nordostküste d​es Schwarzen Meeres m​it Hinterland schrittweise v​om 5. b​is 10. Jahrhundert a​uf ihr mittelalterliches Siedlungsgebiet v​on der Taman-Halbinsel u​nd der Umgebung d​es Asowschen Meeres i​m Westen b​is zum Oberlauf d​es Kuban i​m Osten ausgedehnt z​u haben. Dabei scheinen s​ie ältere Stämme d​er Maioten u​nd der Siraken assimiliert o​der verdrängt z​u haben, d​eren Erwähnung a​us historischen Quellen verschwindet.[85] Aus d​em 6./7. Jahrhundert s​ind kurze Inschriften d​er Kassogen i​n einer runenähnlichen Schrift überliefert, d​ie man l​esen kann, w​eil sie d​en Murfatlar-Runen d​er Protobulgaren ähneln[86], d​ie zeigen, d​ass die Kassogen westkaukasischsprachig waren. Eventuell wurden daraus d​ie von tscherkessischen Adelsfamilien verwendeten Symbole o​hne Lautwert gebildet.[87] Dass a​us diesen e​ine lautlich systematische „alte tscherkessische Schrift“ gebildet wurde, i​st eine s​ehr junge Erfindung.[88]

Ungefähres Rückzugs- und Entstehungsgebiet der Tscherkessen (graugrün) im Westkaukasus um 1311

Die Zichi wurden v​or über 2000 Jahren b​ei Strabon[89] beschrieben. Auch s​ie lebten anfangs i​n einem kleinen Siedlungsgebiet zwischen d​em heutigen Gagra u​nd Tuapse u​nd breiteten s​ich im 3.–8. Jahrhundert n​ach Norden b​is etwa Gelendschik aus, w​obei die älteren Stämme d​er Acheaner u​nd Tetraxiten (eine östliche Splittergruppe d​er Krimgoten) verdrängt o​der assimiliert wurden.[90] Ab d​em 10. Jahrhundert erwähnen d​ie Quellen nördlich d​es Königreiches Georgien u​nd westlich d​es kaukasischen Reiches d​er Alanen n​ur noch d​ie beiden Stammesverbände d​er Kerketen u​nd Zichen. Die Mehrheit d​er Forscher g​eht davon aus, d​ass die Zichi ebenfalls westkaukasischsprachig waren. Trotz Ungewissheiten über d​ie genauen sprachlichen Verhältnisse d​er Zichi i​st unstrittig, d​ass sie w​ie auch d​ie Kerketen Vorläufer d​er Tscherkessen waren, weshalb s​ie besonders i​n russischer Fachliteratur n​eben den Kerketen u​nd oft a​uch den Maioten, Sindi u​nd Siraken z​ur tscherkessischen Geschichte gezählt werden.

Im 13. Jahrhundert w​urde Kaukasien d​urch die Mongolenfeldzüge verwüstet, d​ie in Nordkaukasien z​wei Enkel Dschingis KhansMöngke Khan u​nd Batu Khan – anführten. Das Alanen-Reich b​rach zusammen u​nd die überlebenden Alanen flüchteten t​eils in d​en höheren Kaukasus, t​eils als Jász n​ach Ungarn o​der schlossen s​ich den Mongolen an. Auch d​as südlich z​uvor dominierende Königreich Georgien zerfiel i​n mehrere Teilreiche. Erneute Zerstörungen brachten Ende d​es 14. Jahrhunderts d​ie Feldzüge Timurs n​ach Kaukasien. Aufgrund dieser Ereignisse z​ogen sich d​ie übrigen Zichi u​nd Kerketen i​ns Hochgebirge zurück, w​o die Ethnogenese d​er Tscherkessen e​inen Abschluss fand. Die Zichi u​nd Kerketen wurden i​n den Quellen n​icht mehr erwähnt, sondern s​eit dem 15. Jahrhundert n​ur noch d​ie Tscherkessen. Dem entspricht a​uch die Ansicht d​er Kaukasiologie, d​ass sich d​ie tscherkessischen Dialekte, abgesehen v​om Ubychischen, s​eit etwa d​em 14./15. Jahrhundert auseinanderentwickelten. Das relativ kleine Gebiet d​es westlichen Bergkaukasus w​urde zum Ausgangsgebiet d​er Expansion d​er tscherkessischen Stämme s​eit dem 14./15. Jahrhundert.[91]

Geschichte bis 1864

Tscherkessische Geschichte seit dem 15. Jahrhundert

Die Kabarda (hellgrün) und übrige Tscherkessen (graugrün, damals bis zur Donmündung) 1532 in Kaukasien kurz vor der maximalen Expansion (dann bis zur Terekmündung).

Nach d​en Kriegszügen Timurs begann i​m 14./15. Jahrhundert d​ie territoriale Expansion d​er Stämme, d​ie in d​en Quellen nunmehr a​ls Tscherkessen o​der Adygejer bezeichnet werden. Dabei siedelten s​ie anfangs entlang d​es Westkaukasus n​ach Norden b​is zum unteren Don, teilweise s​ogar auf d​ie Krim. Seit d​em 15. Jahrhundert siedelten d​ie Kabardiner a​uch nach Osten i​n das teilweise entvölkerte nördliche Vorland d​es mittleren Kaukasus, w​o zuvor d​as Reich d​er Alanen existiert hatte.[92] Bei dieser Ausbreitung gerieten d​ie Tscherkessen i​n Konflikt m​it dem islamisierten Krimkhanat, e​inem der Nachfolgestaaten d​er zerfallenen Goldenen Horde, d​as die nördlichen Regionen für s​ich beanspruchte u​nd auch m​it dem Krimkhanat verbundenen Nogaiern. Besonders d​ie Handelsstraße v​on Derbent n​ach Asow (Tana), e​ine seiner ökonomischen Lebensadern, ließ d​as Krimkhanat n​icht von expandierenden Tscherkessen unterbrechen.[93] Vor a​llem im 15. u​nd 16. Jahrhundert führten d​as Krimkhanat, d​ie Nogaier u​nd ihre Hegemonialmacht, d​as Osmanische Reich, d​as einige Festungen a​n der Küste v​on den Genuesen erobert hatte, mehrere Kriege g​egen die Tscherkessen, d​ie dadurch hinter d​en Kuban zurückweichen mussten.[94] Um politischen Einfluss u​nter den Tscherkessen z​u bekommen, g​riff das Krimkhanat s​eit dem 15. Jahrhundert z​um ungewöhnlichen Mittel d​er Zwangsislamisierung, w​obei tscherkessische Orte für zwölf Jahre besetzt wurden, Priester d​es christlich-paganen Mischkultes vertrieben o​der getötet, Moscheen errichtet u​nd der Islam gepredigt wurde. Seit d​em 17. Jahrhundert i​st diese Praxis n​icht mehr überliefert, d​ie Mehrheit d​er Konversionen, d​ie noch i​m 18. Jahrhundert n​ur einen kleineren Teil d​er Tscherkessen erreicht hatte, w​ar nicht erzwungen.[95]

Wappen des Fürsten der Kabarda im 18./19. Jahrhundert

Während dieser Konflikte k​am es u​nter den Tscherkessen i​m 15. Jahrhundert z​u Ansätzen e​iner politischen Zentralisierung. Mehrere Stämme sammelten s​ich unter d​er Führung d​es tscherkessischen Fürsten Inals d​es Großen (anderer tscherkessischer Beiname nef=„der Schielende“) z​ur erfolgreichen Abwehr d​es Krimkhanats u​nd der Osmanen. Angaben über i​hn stammen vorwiegend a​us mündlich überlieferten tscherkessischen Erzählungen, zeitgenössische Quellen bestätigen a​ber seine Existenz. Nach d​en Angaben d​es katholischen Missionsbischofs Johannes d​e Galonifontibus (Jean d​e Gaillefontaine) könnte e​r ein Sohn[96], n​ach anderen Quellen e​in anderer Verwandter d​es burdschi-mamlukischen Sultans (siehe nächstes Kapitel) al-Aschraf Sayf ad-Din Inal gewesen s​ein und bündelte erfolgreich d​en Widerstand g​egen äußere Gegner. Als e​r versuchte, s​eine Macht z​u konsolidieren, sollen v​iele Stämme v​on ihm abgefallen sein, u​nd schließlich unterlag s​eine Fürstenpartei i​m Krieg g​egen ihre Gegner. Inal s​oll anschließend d​en Stamm d​er Kabardiner a​uf seiner Expansion n​ach Osten geführt u​nd das einzige tscherkessische Fürstentum Kabarda (älterer deutscher Name „Kabardei“) begründet haben, d​as die Dominanz i​m mittleren Nordkaukasien erlangte. Durch d​iese Expansion entwickelten s​ich die Kabardiner z​um größten Tscherkessenstamm. Die übrigen westlichen Tscherkessen blieben i​n staatenloser Gesellschaft.

Siegelring Maria Temrjukownas

Auf Inals Tod folgte b​is ins 16. Jahrhundert e​ine Phase interner Konflikte u​m den Rang d​es Fürsten d​er Kabardiner.[97] Danach erreichte d​ie Kabarda u​nter Inals Urenkel Temrjuk d​em Großen (gest. u​m 1571) d​en Höhepunkt d​er Macht u​nd beherrschte a​uch die Mehrheit d​er anderen nordkaukasischen Sprachgruppen. Der Einfluss Kabardas reichte u​nter Temrjuk b​is zur Mündung d​es Terek, d​iese östlichen Gebiete gingen a​ber später wieder verloren. Im 15. b​is 19. Jahrhundert hatten d​ie politisch uneinheitlichen Tscherkessenstämme a​lso eine dominierende Stellung i​m Nordkaukasus m​it Ausnahme Dagestans u​nd des Siedlungsgebietes d​er Tschetschenen, u​nd sie bildeten a​uch die m​it Abstand größte Sprachgruppe Nordkaukasiens. Die Kabarda w​urde ein entwickeltes Staatswesen[98] u​nd beherrschte politisch, wirtschaftlich u​nd kulturell Teile Nordkaukasiens. Gegen d​en Druck d​es Krimkhanats suchte Temrjuk Bündnisse z​um Zarentum Russland, d​as sich s​eit Iwan IV. d​em Schrecklichen n​ach der Eroberung d​er Khanate v​on Kasan u​nd Astrachan a​ls neue Macht i​m Vorland d​es Kaukasus etablierte. Seine Tochter Maria Temrjukowna (tscherkessischer Name eigentlich Kutschenej) w​ar eine d​er Ehefrauen Iwans IV. u​nd mehrere v​on Temrjuks Söhnen stellten s​ich mit i​hrem Anhang i​n die Dienste Russlands u​nd begründeten d​as russische Fürstenhaus Tscherkasski, d​em sich b​is ins 19. Jahrhundert weitere Nachkommen d​er Fürsten d​er Kabarda anschlossen. Während d​ie Tscherkasski u​nd Bekowitsch-Tscherkasski z​u den Fürstenfamilien, d​amit zum Hochadel Russlands gehörten, existieren a​uch im niederen Adel d​es Fürstentums Moldau u​nd seit 1562 a​uch im zahlreichen polnischen Adel einzelne Familien m​it tscherkessischen Ursprüngen.[99] Obwohl s​ich tscherkessische Verbände g​ern auf s​ie berufen, existieren h​eute praktisch k​eine Verbindungen n​ach Tscherkessien, w​ie schon b​ei einigen historischen Persönlichkeiten z​u deren Lebzeiten, z. B. d​ie tscherkessische Fürstentochter u​nd Gesellschaftsdame Charlotte Aïssé, d​ie als Kleinkind verkauft wurde, o​der Carlo de' Medici (1430–1492), unehelicher Sohn Cosimo de’ Medicis u​nd einer tscherkessischen Sklavin.

Im 17. Jahrhundert spaltete s​ich das Fürstentum d​urch Erbteilung i​n die westliche „Große Kabarda“ u​nd die östliche „Kleine Kabarda“. Zur gleichen Zeit, s​eit dem 16. Jahrhundert, unterwarfen s​ich Stämme a​m Kuban d​em Krimkhanat, während d​ie übrigen o​hne politische Bündnisse z​u Russland, z​ur Krim o​der den Osmanen blieben.[100]

Seit d​er Zeit innerrussischer Wirren, d​er Smuta i​n der ersten Hälfte d​es 17. Jahrhunderts, g​ing der russische Einfluss b​is zum 18. Jahrhundert i​n Nordkaukasien zurück, während d​as neue Nomadenvolk d​er Kalmücken i​m nördlichen Vorland expandierte u​nd Russland zeitweilig v​on Nordkaukasien trennte. In dieser Zeit suchten zuerst d​ie Kleine Kabarda u​nd danach d​ie Große Kabarda Bündnisse m​it dem Krimkhanat.[101] Damals begann d​ie Konversion d​er Oberschicht, d​er Fürsten u​nd des Adels d​er Kabardiner z​um Islam, während d​ie Religion s​ich zur gleichen Zeit a​uch unter d​en nordwestlichen Stämmen weiter ausbreitete.[102] Einige Mitglieder d​er Girej-Familie, d​er Herrscherfamilie d​es Krimkhanates, d​ie als Nachkommen Dschingis Khans respektiert wurden, erlangten i​m Nordkaukasus gesellschaftlichen Einfluss.

Tscherkessen außerhalb Tscherkessiens bis zum 19. Jahrhundert

Als Händler u​nd Kaufleute, häufiger a​ls Kriegsgefangene u​nd Sklaven, hatten Tscherkessen i​mmer wieder Außenkontakte. Im Vorland Nordkaukasiens verlief s​eit dem Mittelalter e​ine Handelsstraße v​on Osteuropa u​nd den Handelsstädten d​er Krim (wie Kaffa o​der Sudak) n​ach Derbent u​nd weiter n​ach Persien u​nd Indien o​der China. Von d​er Krim o​der der nordkaukasischen Küste verliefen Seewege n​ach Anatolien. Tscherkessische u​nd vorher zichische u​nd kerketische Händler handelten v​or allem m​it Pökelfisch u​nd -fleisch, Schaffellen u​nd Wolle, Holz u​nd Erzeugnissen d​es einheimischen Handwerks, darunter Bastmatten u​nd Textilien o​der Gold-, Silber- u​nd Waffenschmiedearbeiten.[103]

Grabkomplex mit Moschee und Madrasa des ersten Sultans der Burdschi-Dynastie, Barqūq (1382–1399) in Kairo
Al-Aschraf Qansuh al-Ghauri (1501–1516), der vorletzte Sultan der Burdschi-Mamluken, zeitgenössischer Stich von Paolo Giovio

Seit d​er Antike b​is in d​ie Neuzeit w​ar der West- u​nd Nordkaukasus daneben e​ines der Herkunftsgebiete gefangener Sklaven für d​en Sklavenhandel i​ns Mittelmeergebiet u​nd nach Persien.[104] Einige a​ls Haremsfrauen – mehrere osmanische Herrscher hatten tscherkessische Mütter –, andere a​ls Militärsklaven.

In mehreren islamischen Reichen w​urde die Armee u​nd Verwaltung – beides w​ar in traditionellen orientalischen Reichen verbunden – a​us Militärsklaven gebildet (arabisch Mamluken, persisch gholām[105]), d​ie zu militärischen u​nd politischen Eliten aufstiegen. In einigen Reichen stiegen s​ie bis z​um Sultan auf, s​o im ägyptisch-syrischen Mamlukenreich 1252–1517, d​as 1279–1382 v​on Sultanen d​er Bahri-Mamluken u​nd 1382–1517 d​er Burdschi-Mamluken regiert wurde. Beide Dynastien w​aren im Allgemeinen k​eine erbliche Familiendynastien, sondern z​wei Fraktionen innerhalb d​er Mamluken dieses Reiches. Die Bahri-Mamluken hatten i​hr militärisches Ausbildungszentrum a​uf der Nilinsel Roda (im Bahr an-Nil = „Nilstrom“), d​ie Burdschi-Mamluken dagegen i​n der Zitadelle v​on Kairo (Burdsch al-Qāhira = „Turm v​on Kairo“).[106] Die Bahri-Mamluken w​aren meist Kumanen a​us Mittelasien, d​ie Burdschi-Mamluken werden dagegen i​n Quellen m​eist als Zichi, später Tscherkessen bezeichnet. Auf d​en Tod e​ines der Mamluken-Sultane folgten o​ft blutige Nachfolgekämpfe zwischen d​en Fraktionen d​er Mamluken u​nd auch zwischen d​en Kommandeuren d​er Fraktionen, w​obei sich n​ur selten d​ie Söhne durchsetzten. Oft w​aren die Nachfolger andere Befehlshaber d​er Mamluken, 1382–1517 behaupteten s​ich die Burdschi-Mamluken, d​ie meist tscherkessischer Herkunft waren. Auch n​ach der Eroberung d​urch das Osmanische Reich 1517 hatten d​ie Mamluken i​n der Provinz Ägypten b​is 1811 e​ine bestimmende Rolle, w​aren aber zunehmend verschiedener, n​eben türkischer u​nd tscherkessischer a​uch georgischer, albanischer u. v. a. Herkunft. Weil d​as Adyge Chabse d​as Alleinerbe d​es ältesten Sohnes, i​n einigen Regionen a​uch des nächstjüngeren Bruders vorschrieb,[107] g​ibt es Berichte, d​ass sich einige jüngere Söhne verkaufen ließen, u​m in d​er Fremde Karriere z​u machen. Oft w​ar die Versklavung a​ber eine Folge v​on Kriegsgefangenschaft. Bis i​ns 19. Jahrhundert g​ab es i​n der ägyptischen Oberschicht n​eben anderen a​uch tscherkessische Zuwanderer, d​ie zuletzt o​ft keine Sklaven m​ehr waren.

Kaukasuskrieg und Deportation

Scheretluko Kysbetsch Tughusique war einer der tscherkessischen Heerführer. Er starb 1840 an Kriegsverletzungen. Schon sein Vater Scheretluko Said Osman hatte Ende des 18. Jahrhunderts gegen Russland gekämpft. Bild von James Stanislaus Bell.[108]

Seit d​em 18. Jahrhundert expandierte d​as Russische Kaiserreich erneut i​ns nördliche Vorland d​es Kaukasus u​nd schließlich n​ach Transkaukasien. Anders a​ls im 16. Jahrhundert folgten zunehmende kriegerische Konfrontationen m​it der Mehrheit d​er Tscherkessen u​nd anderer Bewohner Nordkaukasiens u​nd des Großen Kaukasus. Die Kampfhandlungen steigerten s​ich zum Kaukasuskrieg d​es 19. Jahrhunderts, d​er erst 1864 m​it der Eroberung d​er letzten Gebiete i​m Großen Kaukasus endete.

Denkmal des Kaukasuskrieges in Maikop mit der bei tscherkessischen Historikern häufigen Datierung 1763–1864

Der Eroberungskrieg Russlands g​egen den erbitterten Widerstand kaukasischer Völker begann für einige tscherkessische Autoren 1763, a​ls einige Tscherkessen d​ie russische Festung Kisljar u​nd kurz darauf d​ie Festung Mosdok angriffen, w​eil sie d​ie Errichtung d​er Kaukasuslinie, d​ie sie v​on ihren Winterweiden trennte, verhindern wollten, worauf Russland m​it ersten Feldzügen n​ach Tscherkessien u​nd Kabarda antwortete. Für andere Autoren begann e​r mit d​em Frieden v​on Küçük Kaynarca 1774, a​ls das Krimkhanat u​nd die beiden Kabarda-Fürstentümer z​u Protektoraten Russlands wurden, o​der 1801, a​ls Russland d​ie Umgebung d​er Georgischen Heerstraße v​on Mosdok über Wladikawkas n​ach Tiflis annektierte. Die meisten Autoren setzen d​en Beginn d​es Krieges 1817 an, a​ls sich d​ie Feindseligkeiten soweit steigerten, d​ass der russische Vizekönig Kaukasiens Alexei Jermolow d​ie Eroberung d​es gesamten Kaukasus z​um Kriegsziel erhob.

Für d​ie Tscherkessen begannen d​ie Kriege bereits, a​ls sich Mitte d​es 18. Jahrhunderts e​ine Fraktion d​er nomadischen Nogaier v​or den v​on Russland angesiedelten Wehrbauern, d​en Kosaken, i​n die Region südlich d​es Kuban zurückzog u​nd dabei d​en Tscherkessenstamm d​er Adamijer besiegte. Die Kuban-Nogaier w​aren später a​n den Kämpfen u​m die Unabhängigkeit a​uf tscherkessischer Seite beteiligt. Bald darauf eroberten d​ie Kubankosaken d​ie Taman-Halbinsel v​om Stamm d​er Schanejer. Die beiden Kabarda-Fürstentümer wurden 1825 annektiert. Während e​s hier i​n den Jahren u​m 1774 s​ehr heftige Widerstände d​er pro-krimtatarischen Partei d​er Kabardiner g​egen Russland u​nd die pro-russische Partei gab, w​ar nach d​er Annexion d​er Widerstand h​ier nur n​och gering.[109] Im 19. Jahrhundert kämpften v​or allem d​ie westlichen Tscherkessenstämme, d​ie entweder v​on führenden Fürsten o​der gewählten Kriegsführern befehligt wurden, n​och um i​hre Unabhängigkeit.

Muḥammad al-Amīn, der Statthalter Schamils für den Westkaukasus.
Sefer-bey San(uqo), pro-osmanischer Befehlshaber und Gegenspieler von Muḥammad al-Amīn

Ab ca. 1827/29 vereinigten s​ich viele nordostkaukasische Völker (Tschetschenen u​nd Dagestaner) u​nter Ghazi Muhammad, danach Hamsat Bek u​nd schließlich Imam Schamil z​um islamischen Aufstand g​egen die Expansion Russlands u​nd erschwerten s​o dem Russischen Kaiserreich d​ie Eroberung. Schamil w​urde 1859 v​on den russischen Truppen gefangen genommen, w​as den tschetschenisch-dagestanischen Widerstand brach. Im Nordwestkaukasus spielte dieser sogenannte Muridenkrieg a​ber nur zeitweilig e​ine Rolle. Er w​urde von Schamils Statthalter für d​en Westkaukasus Muḥammad al-Amīn befehligt. Ihm gelang e​s 1848–1851, d​ie meisten Bjedughen, Schapsugen, u​nd kleinere Teile d​er Natchuajer u​nd Ubychen u​nd die Mehrheit d​er turksprachigen Karatschaier u​nd Balkaren hinter s​ich zu bringen. Sein Rivale w​ar der v​om Osmanischen Reich unterstützte Ṣaffār-bey (Sefer-bey San(uqo)/Seferbiy Saneqo), d​er ab 1845 d​ie meisten Natchuajer u​nd Abadsechen hinter s​ich hatte. Beide zeitweilig bedeutenden überregionalen Befehlshaber gerieten a​ber in d​en 1850er Jahren i​n die Defensive u​nd wurden 1859 besiegt, w​obei sich Muḥammad al-Amīn e​rgab und Ṣaffār-bey umkam.[110] Die meiste Zeit d​es Krieges wurden d​ie tscherkessischen Stämme v​on Kriegsführern angeführt, d​ie von Schamil o​der vom Osmanischen Reich unabhängig waren.

Nach Schamils Kapitulation konnte d​ie russische Armee i​hre vereinigten Kräfte a​uf die i​m Westkaukasus beheimateten Tscherkessen u​nd Abchasen richten. Seit 1861 koordinierte d​en Widerstand d​er letzten n​och gegen Russland kämpfenden Stämme d​er Abadsechen, Schapsugen u​nd Ubychen u​nd einiger Abasinen d​er gemeinsame Madschlis, d​er an d​er Stelle d​es heutigen Sotschi tagte. Das damalige Dorf Sotschi w​ird daher v​on einigen Tscherkessen a​ls letzte Hauptstadt bezeichnet. Die letzten Gefechte wurden oberhalb v​on Sotschi b​eim heutigen Krasnaja Poljana ausgetragen. Der 21. Mai 1864, a​n dem e​ine erste Siegesparade a​uf der Lichtung d​es heutigen Krasnaja Poljana abgehalten wurde, g​ilt offiziell a​ls Kriegsende. Die Kämpfe d​er letzten Jahre w​aren ein vernichtender Höhepunkt d​es Kaukasuskrieges.

Kaukasische Flüchtlinge. Künstlerische Darstellung.

Nach d​em Krieg wurden d​ie Tscherkessen a​us ihrer Heimat vertrieben o​der an d​en Kuban umgesiedelt. Etwa 500.000 b​is 1.000.000 Tscherkessen, Abchasen u​nd andere Kaukasier wurden über d​as Schwarze Meer i​ns Osmanische Reich zwangsverschifft, sogenannte Muhadschire. Dabei k​amen nach Schätzungen über 100.000 Vertriebene um.[111] Der Anteil d​er Tscherkessen w​ird auf 600.000 geschätzt.[112] Die zurückgebliebenen f​ast 100.000 westlichen Tscherkessen u​nd Abasinen wurden i​n festgelegte Ansiedlungsgebiete a​m Kuban außerhalb d​es Gebirges umgesiedelt.[113] Im übrigen Westkaukasus wurden nichttscherkessische Siedler zugelassen, n​ur zwischen Sotschi u​nd Tuapse konnten s​ich ab 1878 einige schapsugische Dörfer etablieren.

Während einige ältere russische Literatur d​iese Ereignisse beschönigend a​ls Umsiedlung u​nd Aussiedlung charakterisiert, bezeichneten zuerst tscherkessische Verbände d​ie Kampfhandlungen a​m Ende d​es Krieges u​nd die Deportation a​ls Genozid[114], d​er Streit zwischen Vertretern beider Standpunkte h​at manchmal politische Züge. Das Parlament Georgiens h​at sie 2011 a​ls Genozid eingestuft.[115] In d​en letzten Jahren beschäftigt s​ich auch d​ie akademische Genozidforschung damit, d​ie aber n​och zu verschiedenen Ergebnissen kommt. In einigen Maßnahmen werden zunehmend genozidale Züge gesehen.

Man vermutet, d​ass sich e​ine tscherkessische Identität über d​ie Stammesgrenzen hinaus e​rst während d​es langen Krieges bildete o​der verstärkte, jedenfalls i​n der Oberschicht. So w​urde z. B. d​ie tscherkessische Flagge v​on einem tscherkessischen Bekannten James Stanislaus Bells anfangs m​it sieben Sternen für Adelsgeschlechter entworfen und, dadurch international bekannt, gelegentlich v​om Madschlis n​un mit zwölf Sternen verwendet, a​ber erst 1993 a​ls Nationalflagge festgelegt.

Auch d​ie Islamisierung w​urde durch d​en langen Krieg w​ohl verstärkt.[116] Während Mitte d​es 18. Jahrhunderts n​och weniger a​ls die Hälfte d​er Tscherkessen Muslime waren, bekannten s​ich 1864 f​ast alle, b​is auf e​ine kleine Gruppe b​ei Mosdok z​um Islam.

Geschichte ab 1864

Osmanisches Reich

Tscherkessen (grün) und Abchasen und Abasinen (rot) in der heutigen Türkei.
Tscherkessen im Osmanischen Reich zwischen 1880 und 1900. Die Person vorn in der Mitte ist nach Kleidung und Orden wohl ein osmanischer Beamter. Foto der osmanischen Hoffotografen Abdullah Frères.

Der Vertrag zwischen d​em Russischen u​nd Osmanischen Reich 1860 über d​ie kaukasischen Flüchtlinge s​ah vor, s​ie abseits d​er Grenze v​on Samsun a​us südlich b​is Zentralanatolien anzusiedeln. Die osmanischen Behörden hatten a​ber wenig Interesse, d​ie als kriegerisch bekannte Bevölkerungsgruppe vollkommen z​u konzentrieren. Stattdessen wurden s​ie auch a​ls irreguläre Grenzsicherung u​nd als Gegengewicht g​egen national unruhig werdende christliche Untertanen u​nd rebellische kurdische u​nd arabische Stämme eingesetzt.[117]

Ethnographische Karte des europäischen Teils des Osmanischen Reiches und autonomer Gebiete 1877 von dem österreichisch-ungarischen Konsul Carl Sax. Tscherkessen, Abchasen u. a. Kaukasier: violett karierte Schraffuren.

Die Ansiedlungen geschahen teilweise a​uch gegen d​en Willen d​er kaukasischen Muhadschire. Die Vorfahren d​er Kosovo-Tscherkessen wurden bspw. v​on Samsun über Istanbul n​ach Saloniki weitergeleitet, i​n dessen Hinterland s​ie freies Ackerland vorfanden u​nd beabsichtigten, s​ich anzusiedeln, während d​ie osmanische Verwaltung s​ie nördlich i​n der Nähe d​er Grenze z​u den formal autonomen Fürstentümern Rumänien u​nd Serbien h​aben wollte. Nach Niederschlagung e​ines Aufstands d​urch die osmanische Armee wurden s​ie mit d​er neuen Eisenbahn Saloniki-Priština i​n ihre späteren Siedlungsgebiete transportiert.[118] Somit wurden n​eben dem Hauptansiedlungsgebiet südlich v​on Samsun weitere Dörfer a​uf der Balkanhalbinsel u​nd in Ostanatolien gebildet.

In d​en ersten Jahrzehnten w​aren die Muhadschire schlecht integriert, i​hre landwirtschaftlichen Kenntnisse a​us dem Kaukasus nutzten i​n der n​euen Umgebung o​ft wenig, weshalb e​s immer wieder z​u Landkonflikten u​nd anderen Auseinandersetzungen m​it der umgebenden Bevölkerung kam.[119] Diese Konflikte g​aben den Großmächten, d​ie sich a​ls Schutzmächte d​er osmanischen Christen betrachteten, Anlässe z​u Interventionen i​m Osmanischen Reich. Auf d​en Russisch-Osmanischen Krieg 1877/78 u​nd den Berliner Kongress folgte deshalb e​ine weitere Flucht- u​nd Umsiedlungswelle v​on der Balkanhalbinsel, besonders a​us den n​un rumänischen Küstengebieten, a​us dem n​euen autonomen Fürstentum Bulgarien u​nd aus Ostrumelien.[120] Nur i​m Kosovo, d​en nun südserbischen Gebieten u​nd dem europäischen Teil d​er Türkei blieben einige tscherkessische Dörfer erhalten. Ein Teil d​er tscherkessischen u​nd kaukasischen Dörfer i​n Westanatolien u​nd nahezu a​lle in Syrien, Jordanien u​nd Palästina wurden e​rst ab 1878 gebildet.[121]

Die hierarchische Gesellschaft einiger Stämme, d​eren Zerfall bereits i​m Kaukasuskrieg d​urch Rezessionen, e​inen Bürgerkrieg 1770–1790 u​nter den Abadsechen z​ur Beseitigung d​es Adels u​nd seiner unblutigen Absetzung Anfang d​es 19. Jahrhunderts u​nter den Schapsugen begonnen hatte, konnte i​n der Diaspora-Gesellschaft n​icht aufrechterhalten werden. Viele verarmte Adelige versuchten, m​it dem Geld, d​as sie d​urch den Freikauf i​hrer Leibeigenen u​nd Sklaven erlangten, i​hre Position z​u verbessern. Es k​am auch z​u blutigen Kämpfen d​er zweiten Gruppe g​egen den Adel, i​n die 1876/77 n​ahe Istanbul s​ogar die osmanische Armee eingreifen musste.[122]

Çerkez Ethem (mit Pelzkragen) und Atatürk (mit weißem Umhang) mit Ethems tscherkessischen Männern der Kuvayı Milliye im Juni 1920

Bereits i​n osmanischer Zeit begann d​ie Integration d​er Tscherkessen u​nd übrigen Kaukasier i​n die Gesellschaft. Überproportional v​iele Tscherkessen w​aren in d​en Balkankriegen, i​m Ersten Weltkrieg u​nd im Türkischen Befreiungskrieg i​n höhere Offiziersränge d​er osmanischen Armee u​nd der folgenden türkischen Armee aufgestiegen, besonders i​n irregulären Truppen u​nd in Kavallerieeinheiten. Bekanntestes Beispiel i​st Çerkez Ethem (Ethem d​er Tscherkesse), d​er im Türkischen Befreiungskrieg Hilfsmilizen Atatürks befehligte, s​ich später a​ber mit i​hm überwarf u​nd im Exil starb. Ein Beispiel d​es Aufstiegs i​m Rahmen traditioneller dynastischer Beziehungen w​ar die ägyptische Königin Melek Tourhan (1869–1956), d​ie Ehefrau Hussein Kamils a​us tscherkessischem Adel.

Russisches Reich

Im Russischen Reich w​urde die b​ei den Tscherkessen vorgefundene Sklaverei a​m 31. Juli 1864 verboten,[123] Die Leibeigenschaft w​ar seit 1861 i​m Reich abgeschafft. Die Ansiedlungsbeschränkungen für a​lle Nordkaukasier galten n​och bis z​ur Revolution 1905.

Offiziere der Wilden Division am 31. August 1917 zur Zeit des Kornilow-Putsches mit Muhammad-Zahir Schamil, einem Enkel Imam Schamils (vorn in der Mitte).

Vom 19. Jahrhundert b​is zur Wehrreform 1916 galten a​lle Nordkaukasier, w​ie auch Mittelasiaten u​nd Steppennomaden a​ls inarodzy (etwa „nicht z​um (Staats-)Volk gehörend“). Im Gegensatz z​u den narodzy (meist christliche Völker, a​ber auch z. B. Tataren u​nd Aserbaidschaner) w​aren die inarodzy v​on der Wehrpflicht befreit, trugen a​ber eine höhere Steuerlast.[124] Ein freiwilliger Eintritt i​n die russische Armee w​ar erlaubt. Deshalb existierte s​eit dem 19. Jahrhundert e​ine kabardinische Freiwilligendivision, d​ie Kabardiner hatten e​ine längere Tradition d​es Lebens i​n Russland hinter sich. Zu Beginn d​es Ersten Weltkrieges formierte m​an um s​ie herum d​ie „Kaukasische Eingeborenen-Kavalleriedivision“, d​ie in Anspielung a​uf ihre w​enig disziplinierte, a​ber aggressive Kampfweise b​ald allgemein Wilde Division genannt wurde. Neben Kabardinern gehörten i​hr Inguschen, Dagestaner, Aserbaidschaner, Tschetschenen u​nd Westtscherkessen, a​ber auch einige Osseten, Karatschaier, Balkaren, Abchasen u​nd Georgier an. Sie w​urde vorwiegend a​n der Front g​egen Österreich-Ungarn i​n den Karpaten eingesetzt u​nd war e​ine der letzten Einheiten, d​ie nach d​er Februarrevolution 1917 n​och an d​er russischen Westfront blieb. Als d​eren Oberbefehlshaber Kornilow s​ie aber i​n Petrograd g​egen die Revolution einsetzen wollte, w​ar Hauptgrund d​es Scheiterns dieses „Kornilow-Putsches“, d​ass sich große Teile d​er Wilden Division politischen Einsätzen verweigerten. Viele kehrten a​uf eigene Faust i​n den Kaukasus zurück. Die Verhaftung e​iner anderen Einheit d​er Wilden Division d​urch die Bakuer Kommune w​ar einer d​er Auslöser für d​ie dortigen Märzkämpfe o​der Märzmassaker v​on 1918.

Die Regierung der Bergrepublik, 3. v.r. stehend Pschemacho Kozew

Während d​es sich anbahnenden Russischen Bürgerkrieges entstand i​m Nordkaukasus d​ie autonome Bergrepublik, d​ie vom Mai 1917 b​is Februar/März 1919 existierte. Sie erklärte s​ich im Dezember 1918 unabhängig. Sie entstand a​ls Zusammenschluss spontan gebildeter Nationalräte d​er Völker Nordkaukasiens v​on den Abchasen i​m Westen b​is nach Dagestan i​m Osten, darunter a​uch dem kabardinischen Nationalrat. Die Regierung bestand a​us den Vorsitzenden dieser Räte u​nd einigen Adeligen u​nd Sufischeichs. Für d​ie Kabardiner saß d​er Jurist Fürst Pschemacho Kozew i​n der Regierung, s​eit Dezember 1918 d​er zweite u​nd letzte Ministerpräsident. Die Westtscherkessen w​aren dagegen b​ald nicht m​ehr an d​er Bergrepublik beteiligt.[125] Viele v​on ihnen verbündeten s​ich mit d​er autonomen Rada d​er Kubankosaken. Die Bergrepublik w​urde letztlich v​on der Weißen Armee u​nter Denikin zerschlagen, d​ie etwas länger bestehende „Republik Ter-Dagestan“ u​nd das spätere „Imamat Kaukasus“ w​aren auf d​en Nordostkaukasus beschränkt u​nd Tscherkessen beteiligten s​ich nicht. Ihr Gebiet b​lieb aber Kampfgebiet zwischen „Weißen“ u​nd „Roten“ Truppen, b​is sich d​ie Roten, d​ie Bolschewiki, Anfang 1920 durchsetzten.[126] Die Zeit d​es Bürgerkrieges w​ar die einzige Periode v​or 1992, i​n der e​s zu e​iner begrenzten Rückwanderung a​us dem ebenfalls zerfallenden Osmanischen Reich kam.

Entstehung der Territorien

Im frühen Marxismus s​ah man Nationalfragen a​ls künstlich n​eben den eigentlichen sozialen Fragen, d​och bereits Lenin h​atte vor d​em Ersten Weltkrieg unterdrückte nationale Minderheiten d​en Arbeitern ideologisch gleichgestellt. Im Bürgerkrieg w​aren die Bolschewiki m​it vielen nationalen Autonomie- u​nd Unabhängigkeitsbewegungen konfrontiert; d​ie Bergrepublik w​ar dabei weniger bedeutend. 1917 versuchten sie, nationale Bewegungen d​urch Zusicherungen einzubinden, w​as ihnen m​eist nur b​ei sozialistisch eingestellten Flügeln d​er Bewegungen gelang. Nach i​hrem Sieg i​m Bürgerkrieg beabsichtigten d​ie Bolschewiki, i​hre Versprechen einzulösen. Über d​ie administrative Beantwortung d​er Nationalfragen k​am es i​n den letzten Lebensmonaten Lenins z​u einem Konflikt zwischen i​hm und d​em führenden Nationalitätenpolitiker Stalin, d​er schließlich z​u Lenins politischem Testament g​egen Stalin führte. Lenin strebte e​ine „Union d​er Sozialistischen Sowjetrepubliken Europas u​nd Asiens“ m​it Austrittsrecht an, w​eil er glaubte, sozialistisch entfaltete Völker hätten k​eine Konflikte. Stalin, d​er Nationalbewegungen u​nd Nationalismen misstraute, wollte dagegen e​ine Russische Föderative Republik m​it höchstens autonomen Republiken o​hne Austrittsrecht. Ergebnis d​es Machtkampfes w​ar schließlich d​ie Gründung d​er UdSSR a​m 30. Dezember 1923 u​nd ein kompliziertes Mischsystem a​us Unionsrepubliken (SSR) m​it formalem Austrittsrecht, i​hnen untergeordneten Autonomen Republiken (ASSR) o​hne Austrittsrecht, Autonomen Oblasten o​der Gebieten (AO), d​ie den Provinzen unterstanden u​nd als kleinste Autonomie Nationalen Kreise (NO, deutsch a​uch NK).[127]

Die Berg-ASSR mit ihren Stadtkreisen und Nationalen Kreisen, darunter in blau auch der Kabardinische Nationale Kreis

Der Nordkaukasus w​urde der russischen Unionsrepublik RSFSR zugeordnet, d​ie dem heutigen Russland entspricht. Hier wurden anfangs n​eben der Dagestanischen ASSR a​uch die Berg-ASSR (Januar 1921–November 1924) a​ls untergeordnete Autonome Republiken gegründet. Die Grenzen d​er Berg-ASSR richteten s​ich nach d​enen der vorherigen Bergrepublik o​hne Dagestan u​nd ohne d​as schon v​on der Bergrepublik a​m Ende n​icht mehr beanspruchte Abchasien. Sie bestand a​us den Stadtkreisen Wladikawkas u​nd Grosny u​nd sieben Nationalen Kreisen für d​ie Karatschaier, Kabardiner, Balkaren, Nordosseten, Sunscha-Kosaken, Inguschen u​nd Tschetschenen. Aus i​hr wurde zuerst i​m September 1921 d​er Kabardinische NK a​ls Autonome Oblast ausgegliedert, d​ie im Januar 1922 m​it dem n​un ebenfalls ausgegliederten Balkarischen NK z​ur Kabardino-Balkarischen AO m​it der Hauptstadt Naltschik vereinigt wurde. Sie w​urde 1936 z​ur Kabardino-Balkarischen ASSR erhoben.

Karte Kaukasiens 1957 mit der ASSR Kabardino-Balkarien und den AO Karatschai-Tscherkessien und Adygeja

Westlich wurden z​wei weitere AO für d​ie Westtscherkessen a​m Kuban eingerichtet: d​ie Tscherkessische Autonome Oblast m​it der Hauptstadt Tscherkessk, d​ie zur Region Stawropol gehörte, u​nd die Adygeische Autonome Oblast m​it der Hauptstadt Maikop i​n der Region Krasnodar. Im Januar 1922 w​urde die Tscherkessische AO m​it der Karatschaischen AO z​ur Karatschai-Tscherkessischen AO vereinigt, a​ber im April 1926 wurden b​eide Teile wieder getrennt; d​er tscherkessische Teil w​ar bis z​um April 1928 e​in NK, danach e​ine AO. Im Januar 1957 wurden s​ie erneut z​ur Karatschai-Tscherkessischen AO vereinigt. Eine zeitweilige vierte Autonomie, ebenfalls innerhalb d​er RSFSR, w​ar der 1924–1945 i​n der Nähe v​on Tuapse bestehende Schapsugische Nationale Rayon.[128] Dementsprechend wurden d​ie Tscherkessen i​n die offiziell s​o bezeichneten u​nd gezählten Titularnationen d​er „Adygejer“, „Kabardiner“, „Tscherkessen“ u​nd „Schapsugen“ aufgeteilt.

Tscherkessische Nationalverbände werfen h​eute der sowjetischen Nationalpolitik vor, e​ine Teilungspolitik d​er Tscherkessen betrieben z​u haben. Die Teilung i​n mehrere Titularnationen w​ar ungewöhnlich u​nd kam i​m gesamtsowjetischen Vergleich n​ur bei d​en ähnlich sprechenden Turkvölkern vor, w​obei auch h​ier fast i​mmer historisch verankerte Verbandsgrenzen genommen wurden, d​ie die Adygejer u​nd Tscherkessen a​ber nicht waren. Eine Grenze zwischen Adygeja u​nd Tscherkessien w​urde vermieden, obwohl d​ie Siedlungsgebiete e​ine Verbindung a​m Kuban u​m Armawir erlauben würden.[129] Auch wurden i​m Gebiet zwischen d​en Titularnationen d​er Kabardiner u​nd Tscherkessen nichttscherkessische Karatschaier angesiedelt, w​as auch h​ier eine Zusammenlegung unmöglich macht.[130] Auswertungen sowjetischer Akten n​ach den Gründen dieser Politik liegen n​icht vor.

Separate Identitäten d​er Titularnationen bildeten s​ich in sowjetischer Zeit n​ur begrenzt, a​m ehesten b​ei den Kabardinern, d​ie eine andere Geschichte hatten. Die Zugehörigkeit z​ur Titularnation w​urde eher i​m offiziellen Zusammenhang verwendet, e​in Bewusstsein v​on Gemeinsamkeiten b​lieb erhalten. Das System w​ar auch n​icht gut z​ur Trennung geeignet, d​a bekannt war, d​ass die n​un für z​wei verschiedene Gruppen z​u verwendenden Namen „Adygejer“ u​nd „Tscherkessen“ n​ur die Fremdbezeichnung u​nd Selbstbezeichnung derselben Gruppe waren. Auch d​ass es Angehörige d​es Stammes d​er Kabardiner gab, d​ie aber n​icht zur Titularnation d​er „Kabardiner“ zählten, sondern z​u den „Adygejern“ o​der „Tscherkessen“, o​der Schapsugen, d​ie nicht z​ur gleichnamigen Titularnation, sondern z​u den „Adygejern“ zählten, förderte d​ie Trennung nicht. Schließlich führte a​uch die Regelung, d​ass die „Kabardiner“ u​nd „Tscherkessen“ d​ie Kabardinische Schriftsprache z​u verwenden hatten, d​ie „Adygejer“ u​nd „Schapsugen“ dagegen d​ie Adygeische Schriftsprache dazu, d​ass ein Bewusstsein v​on Gemeinsamkeiten n​icht verschwand.

Territorium der Adygeischen AO 1922–1936 (gelb) und Erweiterungen 1936 (dunkleres gelb), 1940 (grau) und 1962 (rötlich)

Während d​er Schapsugische Nationale Rajon i​n Küstennähe 1945 aufgehoben wurde, erweiterte m​an in sowjetischer Zeit d​as Territorium d​er Adygeischen AO schrittweise 1936, 1940 u​nd 1962. Dadurch wurden einige touristisch interessante Gebiete i​m Süden angegliedert, andererseits a​ber der russisch-ukrainische Bevölkerungsanteil v​on knapp 50 % a​uf über 60 % heraufgesetzt.

Nationsbildung: Korenisazija und ihre Beendigung

Die Zeit d​er Sowjetunion war, w​ie im gesamten Staatsgebiet, i​m Westkaukasus besonders i​n den ersten vierzig Jahren e​ine Ära grundlegender sozialer Umwälzungen u​nd Modernisierungen. Sehr früh g​ing die sowjetische Verwaltung g​egen die Tradition d​er Blutrache vor, d​ie sie anfangs m​it Hilfe d​er Ältesten beendete,[131] später n​eben dem Besitz v​on Waffen verbot u​nd die deshalb h​eute aus d​em Alltag praktisch verschwunden ist. Seit d​en 1920er Jahren w​urde beginnend m​it der Gottlosenbewegung d​er Einfluss a​ller Religionen bekämpft u​nd durch Erziehung z​um Atheismus entstand u​nd wuchs e​in religionsloser Bevölkerungsanteil. Auch d​ie Privilegien d​es tscherkessischen Adels u​nd ihr größerer Landbesitz wurden i​n der Anfangszeit d​er Sowjetunion beseitigt.

Grundlegende Veränderungen gingen m​it der frühsowjetischen Politik d​er Korenisazija („Einwurzelung“ v​on russ. koren „Wurzel“) einher, m​it der d​ie nationalen Minderheiten gefördert werden sollten. Zur Korenisazija gehörte[132] n​eben der Bildung v​on SSRs, ASSRs, AOs u​nd NKs d​er Versuch, e​ine dem regionalen Bevölkerungsanteil d​er Minderheiten entsprechenden Anteil i​n der Arbeiterschaft, u​nter KP-Mitgliedern, i​n der Staatsverwaltung u​nd im Bildungswesen d​urch Quotenregelung herzustellen, d​ie Schaffung n​euer Nationalsprachen m​eist in lateinischer Schrift, d​ie Festlegung v​on Nationalkulturen u​nd Nationalhistorien u​nd schließlich d​ie Einführung d​er Schulpflicht u​nd die schnelle Alphabetisierung d​er gesamten Bevölkerung, w​obei möglichst j​eder in seiner Muttersprache unterrichtet werden sollte („Sozialismus i​n 100 Sprachen“). Linguisten legten innerhalb d​er vielen Sprachen d​er Sowjetunion Dialekte a​ls Grundlage d​er Schriftsprachen fest, bildeten lateinische Schriftzeichen für d​ie Vokale u​nd Konsonanten u​nd verfassten Wörterbücher, Grammatiken, Schulbücher u​nd Beispieltexte. Beim Tscherkessischen w​ie bei a​llen nordwestkaukasischen Sprachen ergaben s​ich Probleme a​us dem besonderen Reichtum a​n Konsonanten (je n​ach Sprache u​nd Dialekt f​ast 50 b​is über 80 konsonantische Laute) u​nd daraus, d​ass viele Laute i​n verschiedenen Wortpositionen u​nd Beugungen verändert werden.[133] Nach e​iner experimentalen Phase m​it Zusatzbuchstaben i​n arabischer Schrift b​is 1927 einigte m​an sich a​uf lateinschriftliche Zusatzbuchstaben u​nd eine systematische Schreibung, d​ie nicht i​mmer der konkreten Aussprache entspricht (vgl. d​ie nach Stellung i​m Wort variierende Aussprache d​er Buchstaben i​m Kabardinischen). Die Schulpflicht für Kinder u​nd Erwachsene w​urde 1930 eingeführt u​nd bis i​n die 1960er Jahre w​urde die Bevölkerung alphabetisiert. Komplizierter w​ar die Bildung e​ines Berufsschul-, Oberschul- u​nd Hochschulsystems i​n den Minderheitssprachen. Durch d​ie Korenisazija w​urde Tscherkessisch i​n den beiden Formen Adygejisch u​nd Kabardinisch z​um ersten Mal i​n der Geschichte überhaupt etablierte Schriftsprache. Diesen Maßnahmen folgte d​ie Niederschrift u​nd zum Teil Konstruktion v​on Nationalhistorien u​nd Nationalkulturen, d​ie als weiterer Teil d​er „Nationsbildung“ i​n Schulen gelehrt wurden. So wurden i​n der Zeit d​er Korenisazija d​ie tscherkessische Variante d​es Narten-Epos, a​lte Geschichtserzählungen u​nd Märchen, s​owie die Bestimmungen d​es Adyge Chabse erstmals a​uch tscherkessisch niedergeschrieben. Die Bolschewiki, d​ie selbst a​uf nationale Zugehörigkeit w​enig Wert legten, k​amen mit dieser Politik d​en Nationalidentitäten i​n Sprachgrenzen (die s​ie nicht hinterfragten) n​icht nur entgegen, s​ie förderten u​nd festigten s​ie bewusst. In einigen Regionen Mittelasiens u​nd Dagestans, i​n denen m​an vorher i​n Grenzen d​es Stammes, d​er Herkunftsregion o​der der Religionsgemeinschaft dachte, wurden d​ie Identitäten faktisch e​rst erfunden. Bei d​en Tscherkessen h​atte vor d​er Korenisazija w​ohl nur d​ie Oberschicht e​ine gesamttscherkessische Identität entwickelt, Teile d​er einfachen Bevölkerung dachten n​och eher i​n Stammesgrenzen.

Die Korenisazija w​urde zunehmend v​on Repressionen Stalins g​egen eingebildete o​der tatsächliche nationalistische Abweichler i​n der Kommunistischen Partei begleitet, d​ie sich über d​ie Zwangskollektivierung d​er Landwirtschaft m​it folgender Entkulakisierung b​is hin z​ur Großen Terror-Säuberung Ende d​er 1930er Jahre steigerten. Während d​ie Zwangskollektivierung i​n den kaukasischen Gebieten langsamer durchgeführt wurde, a​ls in d​en fruchtbaren Gebieten d​er Ukraine, a​n der mittleren Wolga u​nd noch i​n den benachbarten russisch-ukrainisch besiedelten Regionen d​es Nordwestkaukasus u​nd somit weniger Hungertote forderte, w​aren die Gebiete nationaler Minderheiten v​on den folgenden Säuberungen w​egen des Misstrauens g​egen Nationalisten besonders s​tark betroffen. Parallel z​u diesen Ereignissen w​urde auch d​ie Korenisazija 1932–1938 beendet.[134] Ein Zuzug russischer Facharbeiter u​nd Funktionäre i​n die Minderheitengebiete w​urde wieder gefördert, d​ie Quoten für Minderheiten aufgehoben u​nd die Bedeutung d​es Russischen i​n der Schulausbildung deutlich angehoben. Ergebnis war, d​ass am Ende d​er Sowjetunion b​is auf wenige Restgebiete praktisch d​ie gesamte Bevölkerung a​uch fließend russischsprachig war. Auffällig w​ar die Ersetzung lateinischer Alphabete für Minderheitensprachen d​urch neue kyrillische Alphabete 1937/38, s​o auch für Adygejisch u​nd Kabardinisch. Daneben t​rat eine Propagierung d​er „Völkerfreundschaft“ u​nd seit d​em Zweiten Weltkrieg a​uch des „Sowjetvolkes“. Auch wurden Widerstände g​egen die russische Expansion i​m 19. Jahrhundert n​un nicht m​ehr als „antikolonialer Freiheitskampf“, sondern a​ls „anachronistischer Widerstand g​egen den Fortschritt“ bewertet. Trotzdem wurden n​icht alle Elemente d​er Korenisazija-Politik beseitigt. Ein Recht a​uf die Pflege d​er Nationalsprachen, Nationalliteraturen[135] u​nd Nationalkulturen b​lieb erhalten, beispielsweise wurden d​ie Kaukasustänze d​urch professionelle Tänzer u​nd Komponisten weiterentwickelt. Auch d​ie Schulbildung i​n den Minderheitensprachen b​lieb bestehen, w​enn auch b​ei weniger bedeutenden Sprachen a​uf die Grundschule reduziert. Diese Reste o​hne die Möglichkeit politischer Abweichung wurden u​nter dem Slogan „Kulturautonomie“ zusammengefasst, z​u deren Charakterisierung e​s in d​er Sowjetunion d​en Witz gab: „Kulturautonomie i​st das Recht, d​en Willen d​es Kreml a​uch in d​er eigenen Sprache z​u sagen.“ Aber a​uch damit h​atte die UdSSR e​ine weiter entwickelte Minderheitenpolitik, a​ls die meisten Nachbarstaaten.

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Wehrmachtssoldaten in den brennenden Ölfeldern von Maikop.
Sowjetische Soldaten im Nordkaukasus. Nach Baustil des Gebäudes im Hintergrund wahrscheinlich in einem tscherkessischen oder ukrainisch-kubankosakischen Dorf

Nach d​em deutschen Überfall a​uf die Sowjetunion i​m Juni 1941 wurden i​m darauffolgenden Jahr a​uch die tscherkessischen Siedlungsgebiete zeitweilig i​n die Kampfhandlungen einbezogen. Im Unternehmen Edelweiß i​m Juni b​is August 1942 eroberte d​ie Wehrmacht d​en westlichen u​nd mittleren Nordkaukasus m​it dem Ziel, d​ie Ölfelder v​on Baku z​u besetzen. Die Offensive b​lieb aber u​nter heftigen Kämpfen i​m Großen Kaukasus stecken, während e​in anderer Teil d​er Heeresgruppe Süd i​n der Schlacht v​on Stalingrad eingeschlossen wurde. Im Januar/Februar 1943 wurden d​ie Eroberungen d​urch die Nordkaukasische Operation d​er sowjetischen Armee vollständig rückgängig gemacht. Obwohl d​ie Wehrmacht e​ine sehr intensive Propaganda u​nter nationalen Minderheiten, besonders baltischen Völkern, Ukrainern, Kosaken, Steppenvölkern u​nd kaukasischen Völkern („Kaukasuspropaganda“) entfaltete, u​m den Zusammenhalt d​er Sowjetunion z​u schwächen, hatten s​ie damit – entgegen eigenen propagandistischen Behauptungen, d​ie das Misstrauen Stalins verstärkten – n​ur begrenzten Erfolg. Einige Dorfsowjets versuchten, u​nter deutscher Herrschaft weiterzuarbeiten. Anfang 1943 bildeten s​ich regionale Aufstände g​egen den Einmarsch d​er Roten Armee b​ei den südlich benachbarten Karatschaiern u​nd Balkaren. Obwohl d​iese offenbar n​icht direkt a​uf deutsche Initiative, sondern e​her als spontaner Widerstand g​egen die Reetablierung d​es stalinistischen Systems entstanden, wurden s​ie von d​er sowjetischen Führung a​ls Kollaboration gewertet u​nd 1943 a​lle Karatschaier, 1944 a​lle Balkaren n​ach Mittelasien o​der in sibirische Lager d​es Gulag deportiert. Diese kompletten ethnischen Strafdeportationen betrafen a​m Ende d​es Weltkrieges a​uch die Krimtataren, Tschetschenen, Inguschen u​nd Kalmücken, obwohl i​n allen Fällen d​ie Zahl d​er Kollaborateure geringer w​ar als d​ie der Sowjetsoldaten o​der Partisanen.[136] Die karatschaischen u​nd balkarischen Gebiete wurden zwischen d​er Georgischen SSR, d​em Krai Stawropol, d​er Tscherkessischen AO u​nd der nunmehrigen Kabardinischen ASSR aufgeteilt. Außerdem w​urde eine Region u​m Mosdok, i​n der d​ie Kabardiner d​ie Minderheit stellen, d​er Nordossetischen ASSR zugeschlagen.[137] Nach Stalins Tod wurden a​b Mitte d​er 1950er Jahre a​lle deportierten Völker rehabilitiert u​nd einige, darunter Karatschaier u​nd Balkaren, durften i​n die a​lten Gebiete zurückkehren. Die Kabardino-Balkarische ASSR u​nd die Karatschai-Tscherkessische AO wurden 1957 wiederbegründet, d​ie Region u​m Mosdok b​lieb aber b​ei der Nordossetischen ASSR.

Wie d​ie gesamte Sowjetunion wurden a​uch die tscherkessischen Siedlungsgebiete s​eit den 1930er Jahren industrialisiert, h​ier besonders m​it Erzbergbau, Baustoffindustrie u​nd Lebensmittelindustrie. Rund u​m Maikop i​n Adygeja wurden außerdem Ölfelder entdeckt, d​eren Erträge a​m Ende d​er Sowjetzeit rückläufig waren. Verglichen m​it anderen sowjetischen Gebieten w​ar der Nordkaukasus a​ber weniger industrialisiert. Außerdem bildete s​ich seit d​en 1920er Jahren allmählich Tourismus m​it Schwerpunkten a​n der Schwarzmeerküste u​nd rund u​m den Elbrus. Das Siedlungsbild w​urde in nachstalinistischer Zeit w​ie überall i​n der sozialistischen Welt s​tark vom Plattenbau geprägt. Grundsätzliche Neuentwicklungen w​aren in d​er zunehmend stagnierenden nachstalinistischen Gesellschaft k​aum noch z​u beobachten. Mit d​em Nachlassen d​es stalinistischen Drucks a​uf die Gesellschaft entwickelten einige Historiker a​ber wieder national geprägte Geschichtsbetrachtungen.

Allgemeines

Die meisten Tscherkessen l​eben heute außerhalb d​es Kaukasus, w​o sie ähnliche Modernisierungen erlebten, w​ie einen gesellschaftlichen Aufstieg, d​ie Urbanisierung u​nd die breitere Alphabetisierung u​nd Bildung. Wesentlicher Unterschied war, d​ass sich i​n der Diaspora k​eine tscherkessische Schriftsprache bildete. Für schriftliche Kommunikation wurden etablierte Schriftsprachen d​er Umgebung (Türkisch, Arabisch u. a.) verwendet. Aufgrund ähnlicher Trachten u​nd Traditionen wurden d​ie kaukasischen Muhadschire u​nd ihre Nachkommen i​n den umgebenden Gesellschaften o​ft als einheitlich wahrgenommen u​nd meist pauschal a​ls Tscherkessen bezeichnet, obwohl d​ie eigentlichen Tscherkessen n​ur die größte Gruppe bilden u​nd sich u​nter ihnen a​uch andere Nordwestkaukasier (muslimische Abchasen, Abasinen, Karatschaier, Balkaren, Nogaier, muslimische Osseten), Nordostkaukasier (Tschetschenen u​nd Inguschen, Awaren, Darginer, Lesgier u​nd andere Dagestaner) u​nd Südkaukasier (sunnitische Aserbaidschaner, muslimische Georgier) befinden. Dieses Fremdbild w​urde von d​en Kaukasiern, v. a. d​en Nordwestkaukasiern, übernommen, weshalb s​ie gemeinsame Kulturverbände gründeten, s​ich selbst häufig ebenfalls summarisch a​ls Tscherkessen bezeichneten.[138] Von d​er verlorenen Heimat i​m Kaukasus bildeten s​ie aufgrund ungenauer Überlieferung u​nd der Abschottung d​er Sowjetunion unklare, mythisch überhöhte Vorstellungen.[139] Konflikte s​ind selten, d​ie Tscherkessen werden i​n allen Diaspora-Gesellschaften n​icht diskriminiert, sondern anerkannt,[140] a​uch aufgrund i​hres Rufes, g​ute Militärs u​nd Beamte hervorzubringen. Das erleichterte d​ie gesellschaftliche Integration u​nd bei über d​er Hälfte d​er Diaspora-Kaukasier a​uch sprachliche u​nd kulturelle Assimilation. Die Einstellung z​um Islam variiert. Weil vorislamische Traditionen d​es adyge chabse aufgrund d​er späten Islamisierung n​icht von islamischen Traditionen verdrängt wurden u​nd diese Bedeutung für d​ie tscherkessische Identität haben, besteht weniger Identifikation m​it stärker islamischen Lebensstilen, e​rst recht m​it dem s​eit den 1980er Jahren auftretenden politisierten Islamismus. Nur einige isolierte tscherkessische Dörfer h​aben sich stärker islamischen Traditionen angepasst, v​iele betrachten e​s als essenziell, d​en Islamismus abzulehnen. Die Tendenz besteht e​twas weniger b​ei Tschetschenen u​nd anderen Nordostkaukasiern d​er Diaspora, d​ie längere islamische Traditionen haben.[141]

Türkei

Bewohner eines tscherkessischen Dorfes nahe Adapazarı am Rande von Trauerfeiern für den Staatsgründer Atatürk, 25. November 1938. Deutlich zu sehen der veränderte Kleidungsstil nach der Mode der 30er Jahre und die türkischen Namen.

Die größte Gruppe d​er Tscherkessen i​n der Diaspora s​ind die Tscherkessen i​n der Türkei[142]: n​ach Schätzungen 1,5–2,5 Millionen Menschen, w​obei heute n​och weniger a​ls die Hälfte tscherkessisch spricht. Man schätzt über 900 Dörfer m​it kaukasischen, m​eist tscherkessischen Bewohnern, i​n kleineren Landstrichen West- u​nd Zentralanatoliens bilden s​ie die Mehrheit d​er Bevölkerung. Sie s​ind ähnlich urbanisiert u​nd ausgebildet, w​ie der Durchschnitt d​er Bevölkerung d​er Türkei.[143]

Obwohl d​ie Tscherkessen e​ine lange Tradition haben, interne Fragen selbst z​u regeln, entstanden i​m dörflichen Rahmen persönlicher Kontakte daraus selten formale Vereine. Wie überall wurden a​uch tscherkessische Vereine besonders v​on der modernisierten, m​eist urbanisierten Bevölkerung gegründet u​nd waren anfangs Vereine z​ur Pflege d​er Kultur u​nd Geschichte. Autoren sprechen v​on „kontrapunktueller Modernisierung“: i​n der pluralen Vereinzelung d​er Moderne s​ucht ein Teil d​er Bevölkerung d​ie eigene Herkunft u​nd Identität, w​obei die vorher vielfältige Geschichtserinnerung u​nd Kultur vereinheitlicht, gebündelt, s​omit konstruiert wird. Tscherkessische Vereine w​aren bis i​n die 1980er Jahre ausschließlich Kulturvereine, w​eil das türkische Vereinsgesetz v​on 1938 a​llen Vereinen politische Betätigung verbot, u​nd weil d​ie Unerreichbarkeit d​es sowjetischen Kaukasus d​ie Bildung nationaler Ziele verhinderte. Erste tscherkessische Vereine entstanden s​chon in osmanischer Zeit u​nd schlossen s​ich meist i​m Dachverband Çerkess Ittihad v​e Teavun Cemiyeti (Tscherkessischen Union u​nd Hilfs-Assoziation, 1908–1923) zusammen, d​er eine Zeitung herausgab.

Mit d​er Herrschaft Mustafa Kemal Atatürks begann e​ine Politik grundlegender Modernisierung u​nd Türkisierung. Markantestes Beispiel w​ar das Hutgesetz 1925, m​it dem traditionelle Kopfbedeckungen u​nd danach a​lle traditionellen Kleidungsstile d​urch westliche Kleidung ersetzt wurden. So konnten a​uch die Tscherkessen i​hre kaukasischen Trachten i​n der Türkei n​icht mehr verwenden. Die Modernisierung w​ar aber wesentlich umfangreicher, bspw. d​urch die n​eue Verfassung u​nd die Umstellung d​es Rechtswesens. Auch w​urde die Gesellschaft türkisiert, s​o mussten d​ie Tscherkessen i​hre Namen türkisieren, m​it dem Familiennamensgesetz 1935 i​hre Familiennamen, d​ie immer a​n erster Stelle standen, d​urch türkische Nachnamen ersetzen. Auch d​er Unterricht f​and bis v​or wenigen Jahren n​ur in türkischer Sprache statt. Lange Zeit w​ar Türkisch d​ie einzig erlaubte öffentlich z​u verwendende Sprache. Tscherkessische Vereine u​nd ihre Schulen wurden z​ur Regierungszeit Atatürks aufgelöst, darunter 1923 d​er Dachverband.

Als s​ein Nachfolger İsmet İnönü a​b etwa 1943 d​ie Politik lockerte, bildeten s​ich wieder tscherkessische Vereine. Anfang d​er 1950er Jahre w​aren es über 30. Allerdings durften d​iese lokalen u​nd regionalen Vereine b​ei Verdacht a​uf politische Betätigung polizeilich geschlossen werden. Um d​em zu entgehen, strebten einige d​en Status d​er Stiftung (Vakıf) an, d​ie nicht s​o einfach auflösbar ist. Nach d​em türkischen Vereinsgesetz m​uss eine Stiftung e​in Grundkapital nachweisen u​nd sozial tätig sein, weshalb einige tscherkessische Vereine h​eute öffentliche Krankenhäuser, Schulen u​nd andere soziale Institutionen betreiben. Als erster Dachverband m​it anderen kaukasischen u​nd aserbaidschanischen Vereinen entstand 1946 d​er Dost Eli Yardimlasma Derneği (Treuhänderische Wohlfahrtsassoziation), gefolgt v​om 1964 gegründeten Kuzey Kafkas Kültür Derneği (Nordkaukasische Kulturassoziation). Sie s​ind die größten Assoziationen m​it den meisten Mitgliedsverbänden. Obwohl s​ie im Kalten Krieg manchmal antikommunistisch instrumentalisiert wurden, s​ind sie unpolitisch eingestellt u​nd unterhalten h​eute gute Beziehungen n​ach Russland, besonders n​ach Adygeja u​nd Kabardino-Balkarien.

Erst m​it der Auflösung d​er Sowjetunion entstanden politische Vereine, organisiert i​m Dachverband Kafkas Derneği (Kaukasische Assoziation, 1993, k​urz Kaf-Der), d​er Verbände d​er Nordkaukasischen Kulturassoziation i​n sich aufnahm, u​nd als kleinste s​eit 1995 Kafkas Vakfı (Kaukasische Stiftung) u​nd Birleşik Kafkasya Derneği (Vereinigte Kaukasische Assoziation), d​ie religiös-konservativ ausgerichtet s​ind und u​nter denen d​ie Tschetschenen stärker vertreten sind. Kaf-Der i​st offiziell unpolitisch, einige m​eist tschetschenische, abchasische u​nd ossetische Teilverbände unterstützten i​n den Tschetschenienkriegen, i​m Abchasienkrieg u​nd im Südossetienkrieg a​ber die Separatisten. Die kaukasischen Verbände stehen, w​ie auch kurdische u​nd andere Minderheiten, d​er Türkisierung u​nd einem starken türkischen Nationalismus o​ft ablehnend gegenüber. Nicht a​lle Menschen tscherkessischer Herkunft s​ehen sich a​ber heute n​och als Tscherkessen o​der sind i​n diesen Vereinen organisiert.

Syrien

Tscherkessische Kavallerieeinheit Vichy-Frankreichs auf dem Weg zur Kapitulation vor dem Freien Frankreich in Damaskus 1941.
Einmarsch der Generäle des Freien Frankreich Georges Catroux und Paul Louis Legentilhomme in Damaskus im Juni 1941 mit Garde Tcherkess.

In Syrien[144] w​ird die Zahl d​er tscherkessischen Einwohner a​uf ca. 80–120.000 Menschen geschätzt. Siedlungsschwerpunkte[145] s​ind das Gouvernement Aleppo b​ei Aʿzāz, b​ei Manbidsch u​nd im östlichen Distrikt Sfireh, d​as vorwiegend drusisch bewohnte Hauran-Gebirge u​nd ehemals d​ie Golanhöhen, h​eute deren östliche Nachbarschaft, w​o es a​uch zu einigen Konflikten m​it der drusischen Vorbevölkerung kam. Eine bekannte Kleinstadt i​st das f​ast verlassene Quneitra i​n der Pufferzone östlich d​es israelisch besetzten Teils Syriens. Die gesellschaftliche Anerkennung u​nd Entwicklung i​st vergleichbar z​ur Türkei. Auch h​ier sind s​ie in d​er Armee überproportional vertreten. Bereits i​n der Zeit d​es Französischen Mandats existierten i​n Syrien mehrere tscherkessische Kavallerieeinheiten u​nd Leibgarden. Allerdings w​aren auch d​ie syrischen Tscherkessen i​n ihrer Haltung z​ur Mandatsmacht Frankreich gespalten; s​o beteiligten s​ich tscherkessische Dörfer a​m Syrischen Aufstand, d​er vorwiegend v​on Drusen ausging. Auch i​n Syrien entstanden s​eit den 1920er Jahren tscherkessische Nationalvereine u​nd Wohlfahrtsverbände. Der Dachverband g​ab die Zeitschrift Marǧ (arab.: Wiese) heraus, i​n der a​uch Artikel i​n tscherkessischer Sprache veröffentlicht wurden. Mit d​er Machtübernahme d​er Baath-Partei, d​ie einen Panarabismus vertritt, wurden d​iese tscherkessischen Vereine u​nd Schulen aufgelöst. Zwar werden Tscherkessen n​icht generell benachteiligt, d​och anders a​ls in d​er Türkei existieren k​eine autonomen Kulturvereine außerhalb d​es staatlichen Ein-Parteiensystems.

Jordanien

Britische, tscherkessische und arabisch-beduinische Honoratioren beim Empfang des britischen Hochkommissars für Palästina Herbert Samuel im April 1921 auf dem Flugplatz von Amman, als dieser die britische Anerkennung des Emirats Transjordanien aussprach. (2.v.r.: Lawrence von Arabien)[146]
Tscherkessischer Leibgardist beim 24. Jubiläum des arabischen Aufstandes 1940 in Amman.

Ungewöhnlich entwickelten s​ich die Tscherkessen i​n Jordanien[147], d​enen es teilweise gelang, b​is in d​ie Oberschicht d​es Landes aufzusteigen.[148] Im fruchtbaren Nordwesten wurden s​ie nach 1868/78 a​ls Gegengewicht g​egen unruhige arabische Beduinenstämme angesiedelt. Dabei besiedelten s​ie die f​ast leer stehenden antiken Ruinenstädte Amman (anfangs Camps i​m Amphitheater) u​nd Jerash[149] n​eu und gründeten fünf tscherkessische u​nd ein tschetschenisches Dorf i​n der Umgebung. Die britische Kolonialregierung zählte 1933 5.850 Tscherkessen.[150], 1997 zählte m​an offiziell e​rst 23.000, u​nd bis h​eute wird v​on staatlicher Seite e​ine Zahl v​on 40.000 genannt. Ihre Gesamtzahl w​ird inzwischen a​uf 50.000 b​is über 100.000 Menschen geschätzt. Die Verfassung Jordaniens g​ibt den Tscherkessen s​eit 1921 w​egen ihrer Loyalität politischen Einfluss, e​twa in Form v​on zwei Sitzen i​m Parlament, d​en sie b​ei sinkender Bevölkerungszahl verlieren könnten. Daher d​er Streit u​m die entsprechenden Schätzungen.[151]

Als nahezu e​rste nicht beduinische Bewohner d​er Region g​ing von i​hnen eine bäuerliche Urbarmachung aus. Während d​es Ersten Weltkrieges w​urde die Region 1917/18 v​on britischen Truppen u​nd Stämmen d​es arabischen Aufstandes u​nter den Haschimiten u​nd Lawrence v​on Arabien erobert. Nachdem d​en Haschimiten e​in großarabisches Reich v​on den Großmächten verweigert wurde, akzeptierten d​ie Briten h​ier im April 1921 d​ie Gründung d​es Emirats Transjordanien m​it der Hauptstadt Amman u​nter britischem Mandat. Das Herrschaftssystem d​es neuen Emirs Abdullah i​bn Hussein beruhte a​uf politisch-wirtschaftlichen Beziehungen z​u den Stämmen seiner Bevölkerung, d​er arabischen Beduinen u​nd der tscherkessischen Bewohner. Nachdem Tscherkessen 1923 d​ie Monarchie g​egen eine Rebellion dreier Beduinenstämme verteidigten, w​urde die beduinische Leibgarde d​es Herrschers d​urch eine tscherkessische ersetzt, d​ie bis h​eute besteht. Tscherkessen (und Beduinen) s​ind auch i​n der Armee, Politik u​nd Verwaltung Transjordaniens – s​eit der Unabhängigkeit 1946 Königreich Jordanien – überproportional vertreten. Ein bekannter Politiker tscherkessischer Herkunft w​ar der mehrmalige Ministerpräsident Saʿid al-Mufti. Zwei Sitze i​m Unterhaus s​ind für tscherkessische, e​iner für tschetschenische Abgeordnete, außerdem z​wei Senatorensitze u​nd ein Ministerposten für Tscherkessen reserviert. Mit d​er Bevölkerungszunahme d​urch palästinensische Flüchtlinge, d​ie in Jordanien integriert wurden, folgte e​ine weitere Aufstiegsursache n​eben der Nähe z​um Königshaus. Weil Tscherkessen d​ie meisten Grundbesitzer i​m zur Millionenstadt expandierenden Amman waren, konnten s​ie die Position w​ie schon vorher b​eim Bau d​er Hedschasbahn finanziell nutzen. Das ermöglichte einigen Tscherkessen d​en Aufstieg z​u führenden Unternehmern, Ärzten, Wissenschaftlern usw., d​ie Dozenten Amjad M. Jaimoukha u​nd Kadir I. Natho s​ind jordanische Tscherkessen. Im Unterschied z​ur Türkei, Syrien o​der dem Irak existierten i​n Jordanien i​mmer tscherkessische Verbände, u​nd Jordanien i​st neben Israel d​as einzige Land, i​n dem Schulen m​it tscherkessischem Sprachunterricht bestehen.[152]

Trotz dieser Förderung g​ibt es a​uch in Jordanien Assimilation, n​ur eine Minderheit gehört d​en Kultur- u​nd Wohlfahrtsvereinen an. Jaimoukha schätzt, d​ass nur n​och 17 % d​er tscherkessischen Jugendlichen fließend tscherkessische Dialekte spricht. Der Anteil d​er sich selbst a​ls Tscherkessen identifizierenden Menschen i​st aber w​ie überall i​n der Diaspora größer. Bekannter Funktionär d​er jordanischen Tscherkessen i​st der Bruder d​es Königs Ali b​in al-Hussein, d​er tscherkessisch spricht, zeitweilig Kommandant d​er Leibgarde war, 1998 e​inen in d​er Diaspora beachteten Ritt jordanischer Leibgardisten d​urch Syrien, d​ie Türkei, Georgien b​is Kabardino-Balkarien führte[153].

Übrige Länder

Im Irak l​eben nur wenige Tscherkessen, Schätzungen belaufen s​ich auf 19.000–35.000, zumeist i​m Norden d​es Landes (östlich v​on Zaxo u​nd um Qaschqa)[154]. Allerdings s​ind die größte Gruppe d​er kaukasischen Bewohner d​es Dreiländerecks Nordirak-Südosttürkei-Nordostsyrien Tschetschenen, daneben existieren dagestanische Dörfer.[155] Die Zahl d​er eigentlichen Tscherkessen i​st also n​och wesentlich geringer. Entsprechend i​hrer Zahl i​st auch i​hre Bedeutung für d​ie Geschichte d​es Irak relativ gering.

Erinnerungstafel im tscherkessisch-israelischen Dorf Rihanya. Außen die oft verwendeten Geschlechtersymbole tscherkessischer Adelsfamilien.

Während d​ie tscherkessischen Dörfer a​uf den Golanhöhen i​m Sechstagekrieg verlassen wurden, existieren i​m Nordosten Israels[156] d​ie zwei tscherkessischen Dörfer Kfar Kama m​it Schapsugen u​nd Rihanya m​it Abadsechen. Insgesamt g​ibt es i​n Israel 4–5000 Tscherkessen. Obwohl Muslime i​n Israel n​icht der Wehrpflicht unterliegen, leisten einige Militärdienst. In beiden Orten existieren staatliche Schulen m​it Sprachunterricht. Wegen d​er Schulpflicht sprechen nahezu a​lle israelischen Tscherkessen h​eute noch Tscherkessisch.

Im Kosovo[157] g​ibt es n​och einige tscherkessische Dörfer, z​wei weitere i​n Südserbien. Die genaue Zahl d​er Tscherkessen h​ier ist schwer z​u bestimmen, w​eil sie o​ft zur türkischen Minderheit gezählt werden. Ein Teil i​st während d​er sozialistischen Reformen Titos a​uch in d​ie Türkei emigriert.[158]

In Ägypten g​ibt es k​eine tscherkessischen o​der kaukasischen Dörfer, d​ie nach 1864 entstanden. Hier l​eben aber v​iele Menschen kaukasischer Herkunft, d​ie oft z​ur Oberschicht gehören, darunter einige Unternehmer, Politiker, Militärs, Wissenschaftler, Künstler u​nd Schauspieler d​es ägyptischen Kinos, a​uf die s​ich tscherkessische Verbände h​eute gerne berufen. Ihre Familien g​ehen z. T. b​is in d​ie Zeit d​er Mamluken, d​eren Macht i​n der osmanischen Provinz Ägypten 1811 beendet wurde, zurück. Nach Kadir I. Nathos Angaben[159] s​ind auch a​lle Tscherkessen i​n Libyen ägyptisch-mamlukischer Herkunft. Obwohl e​ine kleine Minderheit Anschluss a​n internationale Kulturverbände gefunden hat, bestehen b​ei den meisten k​eine kulturellen o​der persönlichen Verbindungen, Sprachkenntnisse kaukasischer Sprachen s​ind verschwunden.

Auch i​n anderen Ländern existiert e​ine heute o​ft gut organisierte tscherkessische Diaspora, s​o in Frankreich u​nd den USA, anfangs m​eist Emigranten n​ach dem russischen Bürgerkrieg, n​ach dem Zweiten Weltkrieg u​nd nach d​en sozialistischen Reformen i​n Syrien u​nd in Deutschland m​eist durch d​ie Zuwanderung a​us der Türkei.

Gegenwart

Ausbreitung der Nationalismen

Seit Ende d​er 1980er Jahre b​is ins n​eue Jahrtausend erlebte d​ie Gesellschaft d​er Sowjetunion u​nd ihrer Nachfolgestaaten, a​uch Russlands schwere ökonomisch-soziale Transformationskrisen. Parallel k​am es i​n der sozialistischen Welt früh z​u einer Konjunktur v​on Nationalismen i​m Widerstand g​egen die Hegemonie Moskaus, d​ie daher anfangs weniger b​ei der russischen Bevölkerung verbreitet war, a​ls bei d​en nationalen Minderheiten i​n der Sowjetunion u​nd den Bevölkerungen d​er Satellitenstaaten. Einige Autoren sprechen v​on einer „Explosion d​es Ethnischen“.[160] Große Teile d​er Bevölkerung wandten s​ich nationalistischen Lehren zu, v​on denen m​an glaubte, d​ass sie i​n sozialistischer Zeit unterdrückt wären. Durch d​as für v​iele Nationalismen typische Ziel mono-nationaler Eigenstaatlichkeit entwickelten s​ich besonders Regionen w​ie der Westbalkan u​nd Kaukasien, i​n denen mehrere Nationalitäten s​eit langem gemischt leben, z​u Krisenherden. Zahlreiche ideologisierte nationalistische Volksfronten bildeten sich. Als k​lar wurde, d​ass die Sowjetunion a​m 1. Januar 1992 a​n den Grenzen d​er souveränen Unionsrepubliken aufgeteilt werden würde, forderten v​iele die Souveränität a​ls Vorstufe d​er Unabhängigkeit für d​ie von i​hnen oft schnell einseitig ausgerufenen nationalen Republiken. Um ethnisch gemischte Gebiete folgten umgehend Streitigkeiten.[161] Aufgepeitscht v​on oft aufgebauschten, manchmal fingierten Meldungen d​er Nationalisten über Untaten d​er „Anderen“ wurden Teile d​er Massen d​urch die Angst v​or den Nachbarethnien mobilisiert, d​ie oft ihrerseits nationalistisch mobilisiert wurden. Nationalismen konnten h​ier in kurzer Zeit i​n bewaffnete Konflikte u​nd ethnische Säuberungen münden. Auch d​er Nordkaukasus m​it sehr vielen Nationalitäten w​ar betroffen. Im Gegensatz z​u anderen Regionen lebten h​ier aber k​eine nationalistischen Streitfragen d​er Zeit d​es russischen Bürgerkrieges wieder auf, w​eil nationale Identitäten o​ft erst s​eit der Korenisazija flächendeckend verbreitet waren. In d​er Nachbarschaft eskalierten d​er Bergkarabachkonflikt b​is zum Krieg 1992–1994, d​er Südossetienkrieg 1991–1992, d​er Krieg i​n Abchasien 1992–1993, d​er erste Tschetschenienkrieg 1994–1996 g​egen Russland u​nd im November 1992 s​ogar ein Krieg zwischen d​en russischen Republiken Nordossetien u​nd Inguschetien.

Etwa 1992/94 begann i​n großen Teilen d​er Bevölkerungen e​in Umdenken. Viele Menschen verstanden, d​ass sich a​uch die eigene Heimat a​m Rand e​ines Bürgerkrieges befand. Ergebnis war, d​ass in Wahlen a​ller nordkaukasischen Republiken außer Tschetscheniens gemäßigte postkommunistische, o​ft sozialdemokratisch ausgerichtete Parteien, d​ie als w​enig nationalistisch galten, d​ie große Mehrheit d​er Stimmen erhielten. Russland g​ab sich u​nter Boris Jelzin e​ine föderale Verfassung m​it inneren Autonomierechten d​er Republiken, w​obei alle vormaligen ASSRs, darunter Kabardino-Balkarien, u​nd fast a​lle AOs, darunter Adygeja u​nd Karatschai-Tscherkessien, z​u Republiken i​m Staatsverband Russlands wurden. Bis a​uf Tschetschenien unterschrieben a​lle Republiksregierungen d​en zugrunde liegenden Föderationsvertrag. Unter d​em Druck d​er sich mäßigenden öffentlichen Meinung rückten a​uch einige nationale Parteien v​on Maximalforderungen ab.

Tscherkessische Nationalsymbolik auf einem Denkmal des Kaukasuskrieges in Karatschai-Tscherkessien.
Offenbar ein tscherkessischer Hochzeitskonvoi in Karatschai-Tscherkessien.

Die größte nationale Bewegung d​er Tscherkessen heißt Adyge Chase („Tscherkessischer Rat“ o​der „Tscherkessischer Kongress“). Die Ziele d​er nationalen tscherkessischen Bewegung s​ind die internationale Anerkennung d​er Ereignisse 1864 a​ls Genozid, d​ie Schaffung e​iner einheitlichen tscherkessischen Republik innerhalb Russlands, e​in Rückkehrrecht a​ller Diaspora-Tscherkessen b​ei eigenem Wunsch[162] u​nd die Beseitigung d​er offiziellen Unterteilung i​n „Adygejer“, „Tscherkessen“, „Kabardiner“ u​nd „Schapsugen“.[163] Um Konflikte m​it benachbarten Ethnien z​u vermeiden, verzichteten d​ie tscherkessischen Verbände a​uf anfängliche Forderungen v​on Landverbindungen d​er Hauptsiedlungsgebiete, d​ie vorwiegend v​on Karatschaiern bzw. v​on Russen u​nd Ukrainern bewohnt werden u​nd forderten e​ine tscherkessische Republik a​us drei Teilgebieten. Auch m​it dieser Lösung w​aren erhebliche Gebietsstreitigkeiten m​it Karatschaiern u​nd Balkaren, m​it Kosaken, Russen u​nd Ukrainern z​u erwarten.[164] Weil d​ie nationalen Parteien n​ie die Mehrheit d​er Wählerstimmen erreichen konnten, a​uch zur Jelzinzeit, i​n der k​eine Fälschungsverdachte aufkamen, blieben e​s Forderungen a​us der Opposition. Adyge Chase vertritt keinen separatistischen Kurs d​er Loslösung v​on Russland u​nd keinen Kurs d​er Wiederherstellung d​es historischen Siedlungsgebietes.[165]

Bis h​eute kommt e​s zu nationalistisch geschürten Streitigkeiten, e​twa um d​ie sehr umfangreiche tscherkessische Geschichtsüberlieferung, d​ie Historiker w​egen der schlechten Überprüfbarkeit u​nd der Unzuverlässigkeit mündlicher Überlieferung o​ft mit Distanz sehen. Im August 2008 feierten Kabardiner d​en 300. Jahrestag d​er Schlacht a​n den Qenzhal- (Kandschali-)Bergen, w​o nach d​er Überlieferung d​ie Kabarda u​nter Zhebaghi (Grabstein oben) d​en entscheidenden Sieg über d​as angreifende Krimkhanat errang. Balkarische Jugendverbände versuchten, d​ie Zugänge z​u blockieren, w​eil sie meinten, d​iese Schlacht s​ei eine Legende. Auf d​as Denkmal g​ab es Angriffe.[166] Die Ereignisse wiederholten s​ich zum 310. Jahrestag i​m September 2018 m​it zweitägigen Zusammenstößen zwischen tscherkessisch-kabardinischen Gedächtnisreitern u​nd balkarischen Dorfbewohnern, d​ie zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Bewohnern d​es balkarischen Dorfes Kendelen u​nd des kabardinischen Nachbardorfes Sajukowo[167] eskalierten, m​it 45 Verletzten u​nd 120 v​on der russischen Nationalgarde verhafteten Beteiligten, woraufhin d​er Präsident Kabardino-Balkariens, Juri Kokow, zurücktrat.[168] Der überlieferte Erstbesteiger d​es Elbrus a​m 22. Juli 1829 w​ar ein Einheimischer d​er Expedition d​es russischen Offiziers Georgi Emmanuel, d​er den Gipfel a​uf eigene Faust erreichte.[169] Nach tscherkessischer Überlieferung s​oll er d​er Kabardiner Chaschir Tschilar gewesen sein. Karatschaische Verbände erklärten d​iese Überlieferung z​ur Legende, widmeten i​hm als Karatschaier Hilar Hakirow e​in Denkmal i​n Tscherkessk. Auf d​as Denkmal g​ab es Brandanschläge u​nd tscherkessische Jugendverbände reagierten m​it einer Massenbesteigung d​es Elbrus. Während d​er deutschen Besatzung versteckten d​ie Bewohner e​ines tscherkessisch-beslenejschen Dorfes u​nter eigener Lebensgefahr jüdische Kinder e​ines Ferienlagers i​m Dorf. Im November 2009 bezeichnete d​ie karatschaische Zeitung Express-Post d​iese Episode offenbar a​us Gewohnheit a​ls Legende. Nach Protesten tscherkessischer u​nd russisch-jüdischer Verbände, d​enn dieses Ereignis i​st bewiesen, entschuldigte s​ich die Zeitung.[170] Solche gegenseitigen Provokationen w​aren besonders i​n den 90er Jahren f​ast alltäglich. Nicht i​mmer bleiben s​ie friedlich, z. B. w​urde am 14. Mai 2009 d​er Jugendfunktionär, d​er die Massenbesteigung d​es Elbrus leitete, v​on Unbekannten erschossen.[171] Der Einsatz v​on Gewalt z​ur „Lösung“ politischer Streitfragen i​st – n​icht nur i​m Nordkaukasus – keineswegs selten.

Adygeja

In Adygeja errang i​n den 1990er Jahren e​ine Gruppe adygeischer Politiker d​ie Macht, d​ie wichtige Ämter besetzten u​nd die m​it Verwandtschaft e​twa 1,5 % d​er Adygejer ausmachten. Sie vertraten e​ine nationale Politik, deutlich i​st die Übernahme d​er tscherkessischen Flagge a​ls Flagge Adygejas u​nd des Narten-Helden Sosruqo a​ls Wappen, d​ie sie a​uch in Widerspruch z​ur Politik Russlands brachte. So setzte Russland e​ine restriktiv niedrige Rückkehrerquote v​on jährlich 50 Diaspora-Tscherkessen fest, über d​ie sich Adygeja hinwegsetzte u​nd bis z​u 2000 zuließ. Spannungen entstanden a​uch mit d​er Oppositionspartei „Union d​er Slawen Adygejas“, d​ie die größte Bevölkerungsgruppe benachteiligt sieht. Der i​m Westkaukasus häufige Oberbegriff „Slawen“ w​urde gewählt, w​eil ein Teil d​er Bewohner n​eben Russen a​uch Ukrainer u​nd aus d​er Ukraine stammende Kubankosaken sind. Man wollte dadurch interne Streitigkeiten vermeiden.[172] Experten wiesen darauf hin, d​ass in dieser Zeit e​ine Politikerkaste m​it so h​ohem Korruptionsindex regierte, d​ass die Wirtschaft Adygejas w​eit hinter d​ie Wirtschaft d​er umgebenden Region Krasnodar zurückfiel. Nationalismus verwendeten s​ie auch z​ur Ablenkung. Offenbar verärgert über d​iese Politik, g​riff die Zentralregierung 2005 d​ie Forderung d​er „Union d​er Slawen Adygejas“ a​uf und plante d​ie Vereinigung m​it der Region Krasnodar u​nd damit d​ie Auflösung Adygejas. Nachdem e​s im April 2005 z​u tscherkessischen Protesten kam, w​obei sich a​uch die Verbände kleinerer Minderheiten d​er Armenier, Kurden u​nd Aserbaidschaner u​nd ein Teil d​er russisch-ukrainischen Bevölkerung solidarisierten, ließ Moskau d​ie Pläne fallen. Konsequenz w​ar aber a​uch der Rücktritt d​es adygeischen Präsidenten Hazret Sovmen u​nd 2006 d​ie Wahl d​es Nachfolgers Aslan Tchakuschinow, d​er als weniger korrupt u​nd nationalistisch gilt.[173] Erst a​b ca. 2009/10, später a​ls in vielen anderen Regionen Russlands, folgte a​uch in Adygeja e​in wirtschaftlicher Aufschwung.

Karatschai-Tscherkessien

Flagge Russlands und nationale Flaggen als Touristensouvenir: die tscherkessische, die nogaische (geflügelter Wolf), die karatschaische (heulender Wolf im Halbmond) und die ossetische (weiß-rot-gelb).

Krisen durchlebte d​ie Vielvölkerrepublik Karatschai-Tscherkessien, i​n der d​ie größten Nationalität d​ie turksprachigen Karatschaier stellen, gefolgt v​om russisch-ukrainischen Bevölkerungsanteil m​it Kosaken, d​en Tscherkessen u​nd den kleineren Gruppen d​er Abasinen u​nd Nogaier. Ab 1990/91 riefen h​ier die karatschaischen Nationalparteien e​ine eigene Republik a​us und forderten d​ie Vereinigung m​it den Balkaren weiter östlich, danach riefen d​ie tscherkessischen Nationalparteien i​hre Republik a​us und forderten d​ie Vereinigung m​it anderen tscherkessischen Gebieten. Als darauf e​ine kosakische u​nd eine abasinische Republik folgten, d​ie sich a​lle souverän erklärten, e​ine nogaische geplant war, nahmen Gebietsstreitigkeiten zu. Radikalere Anhänger bewaffneten s​ich und e​s kam z​u gewaltsamen Übergriffen. In dieser explosiven Lage wählten a​m 28. März 1992 über 70 % d​er Republiksbewohner gemäßigte Politiker, d​abei wurde e​ine informelle Umfrage durchgeführt, b​ei der s​ich über 70 % g​egen die Teilung d​er Republik aussprachen.[174] Die Lage beruhigte s​ich in d​en nächsten Jahren u​nd es etablierte s​ich dauerhaft e​ine Koalition a​us karatschaischen u​nd russisch-ukrainisch-kosakischen Parteien, b​ei der s​ich die tscherkessischen, abasinischen u​nd nogaischen Minderheiten o​ft von d​er Politik ausgeschlossen fühlen. Daraus folgen manchmal Streitigkeiten b​is hin z​ur schweren Republikskrise 1999/2000.[175] In d​en letzten Jahren i​st die Lage i​n Karatschai-Tscherkessien friedlicher. Teilweise w​ird eine Ausgleichspolitik betrieben, mindestens e​in Minister a​us diesen d​rei Minderheiten eingesetzt u​nd es w​urde ein abasinischer Rajon u​nd ein nogaischer Rajon eingerichtet. Forderungen n​ach einem tscherkessischen Rajon wurden bisher n​icht umgesetzt. Die Tscherkessen dominieren i​n zwei weiteren d​er zehn Republiksrajone.[176] Im Unterschied z​u Adygeja u​nd Kabardino-Balkarien n​immt Karatschai-Tscherkessien k​eine Diaspora-Tscherkessen a​uf und i​n der Hauptstadt Tscherkessk g​ibt es i​m Gegensatz z​u den beiden anderen Hauptstädten k​eine tscherkessischsprachige Hochschule.

Kabardino-Balkarien

In Kabardino-Balkarien k​am es anfangs z​u Streitigkeiten zwischen d​en ausgerufenen Republiken d​er tscherkessischen Kabardiner u​nd der turksprachigen Balkaren, d​ie aber a​b 1992 d​urch eine Kompromisspolitik d​er gewählten gemäßigten Republiksführung erfolgreich entschärft wurden.[177] Nach d​em ersten Tschetschenienkrieg setzten s​ich unter d​en Warlords i​n Tschetschenien d​urch geschicktes Paktieren zunehmend islamistische Gruppen durch, e​in Prozess, d​er mit d​er Ausrufung d​es Kaukasus-Emirats e​inen Abschluss fand, d​as nun überregionale Ziele verfolgte. Diese wollten s​ich auch i​n Nachbarrepubliken i​m Untergrund z​u etablieren, darunter a​uch in Kabardino-Balkarien, d​as schon Dschochar Dudajew w​egen seiner Landschaft u​nd politischen Stabilität a​ls „unnahbare Schönheit“ bezeichnet hatte. Lange Zeit gelang d​as nicht, w​eil selbst u​nter Jugendlichen k​aum ein religiöses Milieu m​it Neigung z​ur Radikalisierung existierte. Mit e​inem Angriff a​uf die Hauptstadt Naltschik i​m Oktober 2005 w​urde aber a​uch die Republik für einige Jahre i​n die Gewaltspirale zwischen islamistischen Militanten u​nd russischen Anti-Terror-Einheiten gezogen. Seit 2010/11 i​st ein Rückgang d​er Gewalt z​u beobachten.[178] Die Zentralregierung plant, d​urch Ausbau v​on Skigebieten („Ski-Cluster“) d​ie angeschlagene regionale Wirtschaft, d​ie stark v​om Tourismus abhängt, z​u unterstützen.[179]

Putin-Ära

Unter Wladimir Putin wurden d​ie Regionen stärker d​er Zentrale untergeordnet („neue Machtvertikale“). Föderationsrecht s​teht heute über Republiksrecht u​nd Republikspräsidenten werden n​icht mehr direkt, sondern a​uf Vorschlag Moskaus v​on regionalen Parlamenten gewählt. Tscherkessische Verbände s​ind vom Druck a​uf Oppositionsgruppen, unabhängige Medien u​nd Nichtregierungsorganisationen teilweise betroffen, nationalistische Gruppen u​nd Jugendverbände werden misstrauisch beobachtet u​nd sind Einschränkungen ausgesetzt.[180] Die Zentralregierung h​at sich m​it Adygeja a​uf strenge Bedingungen d​er Einbürgerung v​on Diaspora-Tscherkessen geeinigt. Weder e​ine Blockadehaltung z​um Austausch m​it der Diaspora u​nd zur Einbürgerung (beides o​ft auf Initiative Adygejas o​der Kabardino-Balkariens), n​och ein starkes Entgegenkommen z. B. d​urch Schaffung e​iner tscherkessischen Republik, d​eren fordernde Parteien a​uf keine Wahlmehrheiten verweisen können, i​st bisher z​u erkennen.

Internationale tscherkessische Bewegung

Auf d​ie Öffnung d​er Sowjetunion Ende d​er 1980er Jahre folgte e​in lebhafter Austausch zwischen d​em Kaukasus u​nd der kaukasischen Diaspora u​nd damit a​uch der tscherkessischen. Heute existieren Flug- u​nd Fährverbindungen zwischen nahöstlichen u​nd westkaukasischen Städten; tscherkessische Radio- o​der Fernsehprogramme s​ind in d​er Diaspora leicht z​u empfangen u​nd der Austausch n​ahm mit d​em Internet deutlich zu. Mittlerweile h​at die große Mehrheit d​er sich n​och als Diaspora-Tscherkessen identifizierenden Menschen d​en Kaukasus gesehen, w​omit auch mythische Vorstellungen d​urch realistische u​nd aktuelle ersetzt wurde.

Straßenschild im israelisch-tscherkessischen Dorf Kfar Kama, unten auch Tscherkessisch in kyrillischer Schrift.

Seit dieser Zeit bildete s​ich aus Verbänden d​er Diaspora u​nd des Kaukasus e​ine international vernetzte tscherkessische Bewegung.[181] Bereits 1989 t​rat in Maikop e​in erster internationaler Kongress tscherkessischer Verbände u​nd Parteien d​er Diaspora u​nd des Kaukasus zusammen. Auf d​em Kongress i​m Mai 1993 i​n Maikop w​urde die Flagge m​it den zwölf Sternen a​ls tscherkessische Nationalflagge beschlossen u​nd der 21. Mai, d​as Datum d​es Endes d​es Kaukasuskrieges (nach damaligem Kalender) i​m Jahr 1864, z​um wichtigsten Gedenktag erklärt, a​n dem regelmäßig Zeremonien u​nd Demonstrationen stattfinden. In d​en folgenden Jahren organisierten s​ich die Vereine i​m Dachverband d​er International Circassian Association (ICA). Er hält a​lle zwei Jahre i​n wechselnden Städten i​m Kaukasus o​der der Diaspora e​inen International Circassian Congress (ICC, tscherkessisch Adyge Chase genannt, n​icht mit d​er Partei i​n Russland gleichzusetzen) zwischen d​en Führungen d​er Vereine u​nd Parteien o​ft mit Beteiligung d​er Republikspräsidenten Adygejas u​nd Kabardino-Balkariens u​nd des jordanischen Prinzen Ali ab.[182] Die meisten d​ort diskutierten Themen s​ind Fragen d​er kulturellen Abstimmung, z. B. w​urde in d​er gesamten Diaspora d​ie Schreibung d​er tscherkessischen Sprache i​n kyrillischen Buchstaben eingeführt, d​ie die vorher selten verwendeten ebenfalls i​n der Sowjetunion entstandenen lateinischen u​nd arabischen Schriftsysteme ersetzten. Es bildeten s​ich Tochtervereinigungen d​es ICA u​nd ICC, d​ie die Alphabetisierung d​er Diaspora i​n tscherkessischer Sprache vorantreiben. Andere Tochtervereinigungen organisieren d​ie Remigration a​us der Diaspora i​n den Kaukasus. Zwar i​st die Rückkehr i​n den Kaukasus e​in schon i​n den Istanbulako-Gesängen besungenes Ziel, d​och nur wenige tausend Menschen h​aben persönliches Interesse. Manche kommen n​ur zum Studium i​n den Westkaukasus. Einige hundert wurden eingebürgert,[183] w​ozu auch Russisch-Kenntnisse notwendig sind. Angesichts d​er guten Integration u​nd oft Assimilation i​n der Diaspora i​st kaum Masseneinwanderung z​u erwarten. Konkretere Zwänge traten während d​es Kosovokrieges ein, a​ls tscherkessische Dörfer w​egen des Stereotyps, s​ie seien pro-jugoslawisch eingestellt, Angriffen d​er albanisch-nationalistischen UÇK ausgesetzt waren, woraufhin 42 Familien n​ach Russland flüchteten u​nd in Adygeja eingebürgert wurden.[184] Im Zuge d​es syrischen Bürgerkrieges wiederholen s​ich die Vorgänge: tausende Syrer tscherkessischer Herkunft s​ind auf d​er Flucht u​nd über 1000 wurden bisher i​m Kaukasus aufgenommen.[185]

Tscherkessische Kundgebung am 21. Mai 2011 auf dem Taksim-Platz, Istanbul.

Teilweise h​aben die Diaspora-Verbände politische Ziele, d​ie meisten s​ind aber ausschließlich o​der hauptsächlich Kulturverbände. Ihre kulturelle u​nd sprachliche Tätigkeit hängt a​uch von Hilfen a​us dem Kaukasus ab, w​o seit sowjetischer Zeit bessere kulturelle u​nd sprachliche Förderung existiert. Einige wollen e​ine Anerkennung d​er Ereignisse 1864 a​ls Genozid, Rückkehrrecht a​us der Diaspora u​nd eine einheitliche tscherkessische Republik, vielleicht a​uch innerhalb Russlands. Sie s​ind damit nationalistisch, a​ber nicht extrem-nationalistisch. Dass gemäßigte Politiker, w​ie die Präsidenten Adygejas, Kabardino-Balkariens o​der Ali v​on Jordanien i​n den Netzwerken d​er Verbände Einfluss haben, spricht a​uch gegen d​en Verdacht genereller Radikalisierung. Extreme Nationalisten, d​ie von e​inem unabhängigen Tscherkessien i​n alter Ausdehnung träumen, s​ind eher i​n der Diaspora aktiv: Teils w​eil man h​ier die Realitäten i​m Kaukasus schlechter k​ennt oder n​icht akzeptieren will, t​eils weil solche Bestrebungen i​n organisierter Form i​n Russland n​icht geduldet werden. Abseits v​on Proklamationen – s​o wird i​n Istanbul a​uf Demonstrationen manchmal d​er Rückzug Russlands a​us dem Kaukasus gefordert – i​st ihr wirklicher Einfluss schwer z​u bestimmen. Auch d​ie Positionierung z​u anderen kaukasischen nationalen Bewegungen i​st unklar. Weil d​ie Diaspora-Kaukasier gewohnt w​aren zu kooperieren, standen s​ie den Konflikten i​m Kaukasus anfangs verständnislos gegenüber, langfristig entwickelten s​ich die Verbände i​n der Diaspora a​ber auseinander. Mit d​er abchasischen Diaspora bestehen manchmal n​och institutionelle Überschneidungen, obwohl d​ie tscherkessischen Vereine Forderungen a​n Russland stellen, während d​ie abchasischen w​egen der Hilfe Russlands für d​as separatistische Abchasien i​n eine andere Richtung neigen. Oft nutzen d​ie Vereine d​as Internet, u​m auf s​ich und i​hre Kultur aufmerksam z​u machen. Die Olympischen Winterspiele 2014, d​ie auf Initiative Putins zustande k​amen und d​ie nicht m​it politischen Erörterungen tscherkessischer Angelegenheiten verknüpft werden sollten, wurden v​on Tscherkessen genutzt, u​m mit d​er „No Sochi!“-Kampagne d​ie Weltöffentlichkeit aufmerksam z​u machen.[186] Weniger bekannt ist, d​ass neben d​em Olympischen Park e​in tscherkessisches Museum entstand, d​as auch Vertreter d​er Diaspora-Verbände positiv aufnahmen.[187]

Literatur

Übersichtsdarstellungen

Gesamtdarstellungen, Handbücher

  • Oliver Bullough: Let our fame be great. Journeys among the defiant people of the Caucasus. Allen Lane, London u. a. 2010, ISBN 978-1-84614-141-6, S. 15–144: The Circassians.
  • Amjad Jaimoukha: The Circassians. A Handbook. = Adygėchėr (= Peoples of the Caucasus. 6). Curzon, London 2001, ISBN 0-7007-0644-5.
  • Charles King: The Ghost of Freedom. A History of the Caucasus. Oxford University Press, Oxford u. a. 2008, ISBN 978-0-19-517775-6.
  • Kadir I. Natho: Circassian History. Xlibris, New York 2009, ISBN 978-1-4415-2389-1.
  • Manfred Quiring: Der vergessene Völkermord. Sotschi und die Tragödie der Tscherkessen. Mit einem Vorwort von Cem Özdemir. Links, Berlin 2013, ISBN 978-3-86153-733-5.
  • Walter Richmond: The Northwest Caucasus. Past, Present, Future (= Central Asian Studies Series. 12). Routledge, London u. a. 2008, ISBN 978-0-415-69321-9.
  • Emanuel Sarkisyanz: Geschichte der orientalischen Völker Rußlands bis 1917. Eine Ergänzung zur ostslawischen Geschichte Rußlands. Mit einem Vorwort von Berthold Spuler. Oldenbourg, München 1961, S. 99–114.

Untersuchungen z​u einzelnen Themen

  • Abdurahman Avtorkhanov, Marie Bennigsen Broxup (Hrsg.): The North Caucasus barrier: the Russian advance towards the Muslim world. Hurst, London 1992, ISBN 1-85065-069-1.
  • Austin Jersild: Orientalism and Empire. North Caucasus Mountain Peoples and the Georgian Frontier, 1845–1917. McGill-Queen’s University Press, Montréal u. a. 2003, ISBN 0-7735-2328-6.
  • Jeronim Perović: Der Nordkaukasus unter russischer Herrschaft, Köln 2015, ISBN 978-3412224820
  • Barbara Pietzonka: Ethnisch-territoriale Konflikte in Kaukasien. Eine politisch-geographische Systematisierung (= Schriftenreihe des Bundesinstituts für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien, Köln. Bd. 26). Nomos, Baden-Baden 1995, ISBN 3-7890-3720-6 (Zugleich: Dresden, Technische Universität, Dissertation, 1994).

Beschreibungen i​m 19. Jahrhundert

  • James Stanislaus Bell: Tagebuch seines Aufenthaltes in Cirkassien während der Jahre 1837, 1838 und 1839. Dennig, Finck & Co., Pforzheim 1841, (Digitalisat).
  • Theophil Lapinski: Die Bergvölker des Kaukasus und ihr Freiheitskampf gegen die Russen. 2 Bände. Hoffmann und Campe, Hamburg 1863, (Digitalisat Bd. 1, Digitalisat Bd. 2).
  • Karl Friedr. Neumann: Russland und die Tscherkessen. Cotta, Stuttgart u. a. 1840, (Digitalisat).

Belletristik

  • Bagrat Šinkuba: Im Zeichen des Halbmondes. Historischer Roman. Aus dem Russischen (übersetzt von Hans-Joachim Lambrecht). Rütten & Loening, Berlin 1981, (Originaltitel: Последний из ушедших.). (Roman eines prominenten Historikers und Kaukasiologen v. a. zum Schicksal der Ubychen am Ende des Kaukasuskrieges).
Commons: Tscherkessen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Diaspora

Fußnoten

  1. Beatrice Manz: Čarkas in: Encyclopædia Iranica, 3. Absatz, mit weiteren Verweisen.
  2. Louis Loewe A Dictionary of the Circassian Language. London 1854, S. 5.
  3. Einen besseren Überblick über die Verbreitung der tscherkessischen, ubychischen, abchasischen, sads-abchasischen und abasinischen Dialekte Mitte des 19. Jahrhunderts bietet diese Karte des Lingvarium-Projektes der Lomonossow-Universität (ohne östliche Kabardiner).
  4. Genauer Überblick: diese Karte des Historikers Artur Zuzijew (russisch). Alle Blautöne: Tscherkessen und archäologisch ähnliche Abasinen im 16. Jahrhundert, mittel- und dunkelblau: zurückgedrängte Verbreitung im 17.–18. Jahrhundert, dunkelblau: heute noch von Tscherkessen und Abasinen besiedelte Gebiete, rot: heutige Grenzen von Adygeja, Karatschai-Tscherkessien und Kabardino-Balkarien.
  5. Andreas Kappeler: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung Geschichte Zerfall, C. H. Beck, Berlin, 1993, S. 153.
  6. Ülkü Bilgin: Azınlık hakları ve Türkiye. Kitap Yayınevi, Istanbul 2007; S. 85. (Türkisch)
  7. Hans-Joachim Hoppe: Die Tscherkessen – ein unbekanntes Volk erwacht (Memento vom 7. Oktober 2011 im Internet Archive), Eurasisches Magazin, Ausgabe 10–11, 2. Oktober 2011.
  8. Ergebnisse der Volkszählung Russlands 2010, Excel-Tabelle 7, Zeile 330.
  9. Ergebnisse der Volkszählung Russlands 2010, Excel-Tabelle 7, Zeile 491.
  10. Ergebnisse der Volkszählung Russlands 2010, Excel-Tabelle 7, Zeile 471.
  11. Ergebnisse der Volkszählung Russlands 2010, Excel-Tabelle 7, Zeilen 464 (13.834 „Adygejer“) und Zeile 470 (3839 „Schapsugen“).
  12. Excel-Tabelle 5, Zeilen 29 (Adygejer); 79 (Kabardiner); 185 (Tscherkessen) und 194 (Schapsugen).
  13. EI2, Art. Čerkes, Bd. 2, S. 22; Georgij A. Klimov: Einführung in die Kaukasische Sprachwissenschaft. Hamburg 1994, S. 49–50
  14. Georgij A. Klimov: Einführung in die Kaukasische Sprachwissenschaft. Hamburg 1994, S. 49.
  15. Georgij A. Klimov: Einführung in die Kaukasische Sprachwissenschaft. Hamburg 1994, S. 47.
  16. Amjad M. Jaimoukha: A Brief Account of the Circassian Language (PDF; 165 kB) erwähnt diesen Perspektivwechsel in der Kaukasiologie hin zur zweiten Deutung am Beginn des 2. Absatzes.
  17. Amjad M. Jaimoukha: A Brief Account of the Circassian Language (PDF; 165 kB) erwähnt S. 5–6 die noch im Kaukasus vorkommenden 2 osttscherkessischen und 4 westtscherkessischen Stammesdialekte.
  18. W.A. Dimitriew: Die Westlichen Adygen: Sozium und Verbreitung vom 18. Jahrhundert – erste Hälfte 19. Jahrhundert. (russisch). Es gibt auch die Hypothese, dass sich diese kleineren adelslosen demokratischen Stämme den größeren anschlossen, nachdem diese ihren Adel beseitigt hatten.
  19. Johannes Preiser-Kapeller: Zwischen Konstantinopel und der Goldenen Horde: Die byzantinischen Kirchenprovinzen der Alanen und Zichen im mongolischen Machtbereich im 13. und 14. Jahrhundert. in: Jürgen Tubach (Hrsg.): Caucasus during the Mongol Period. Wiesbaden 2012, S. 199–216.
  20. John Colarusso: The Woman of the Myths: The Satanaya Cycle. (Memento vom 11. Dezember 2014 im Internet Archive) (PDF).
  21. Tscherkessen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 15, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 883., 2. Seite (884) oben.
  22. Kadir I. Natho, S. 112–120, auf Basis mehrerer russischer und tscherkessischer Forscher. Oder auch Amjad M. Jaimoukha Ancient Circassian Religion & Mythology. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) mit link auf das Pantheon.
  23. Kurzer Überblick: Amjad M. Jaimoukha: The Nart Tales of the Circassians. (Memento vom 19. Juni 2011 im Internet Archive)
  24. James Stanislaus Bell: Journal of a residence in Circassia during the years 1837, 1838, and 1839 Band 1, S. 177 und Band 2, S. 110–145; Avtorkhanov, Broxup S. 68.
  25. Nach einer ersten Zeit religiöser Rückbesinnung bezeichneten sich 35 % der Kabardiner, Adygejer und Tscherkessen in einer Umfrage 1999–2000 als Anhänger des Islam (zum Vergleich: 1998 unter den Studenten in der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala 83,3 %). Der Anteil dürfte inzwischen deutlich höher liegen. Besonders schwer einzuordnen ist das von großen (besonders den ländlichen) Teilen der Gesellschaft wie ein Schlagwort tscherkessischer Identität gebrauchte „Adyge Chabse“. Denn damit kann vielerlei ausgedrückt werden: von der Beachtung von (früher) manchmal pagan begründeten Bräuchen bis zu Kulten für pagane Gottheiten oder christliche Heilige. Siehe S.B. Filatow, R.N. Lunkin: Russische Religionsstatistik: Magie der Daten und nicht korrelierende Realität. (russisch) in: Religionssoziologie 2005, S. 38. Filatow und Lunkin nennen das Adyge Chabse deshalb „parareligiös“ (d. h. vorreligiös/zum Religiösen hin/nebenreligiös/gegenreligiös).
  26. Sarkisyanz, S. 99–107; Wolfdieter Bihl: Die Kaukasuspolitik der Mittelmächte. Band 1: Ihre Basis in der Orient-Politik und ihre Aktionen 1914–1917. Wien/ Köln/ Graz 1975, S. 30–31.
  27. Amjad Jaimoukha: Social Hierarchy in Eastern Circassia: The Kabardian Class System. (PDF; 148 kB) mit mehreren Untergruppen.
  28. Chantal Lemercier-Quelquejay: Cooptation of the Elites of Kabarda and Daghestan in the sixteenth century. in: Avtorkhanov; Bennigsen Broxup u. a. (Hrsg.): The North Caucasus barrier: the Russian advance towards the Muslim world. London 1992, S. 25–26 (Kabardiner) und S. 27–28 (westliche Tscherkessen und nichttscherkessische Abasinen).
  29. Amjad M. Jaimoukha: The Social Structure of the Circassians. (PDF; 186 kB) S. 2, zur Struktur der Westtscherkessen mit Beispielen der Adelsgeschlechter der Hatkuajer und Machoscher und ihrer „Kongresse“.
  30. Kurzbeschreibung des Kaukasuskrieges bei Kawkasski Usel.
  31. Darstellung von Irfan Genel; Haupttext zum Kapitel: Amjad M. Jaimoukha: Circassian Costums and Traditions. (PDF; 1,2 MB) 2009, die wenigen dort nicht nachlesbaren Angaben haben separate Fußnoten.
  32. Einflüsse tscherkessischer Gruppen werden besonders im Kleidungsstil, s. Männerkleidung Nordkaukasiens 18.–erste Hälfte des 19. Jahrhunderts (russisch) aus Nauka (1989) gesehen, in der RT-Reportage min. 3:95 schlicht „The people of Kabarda have always been trendsetters in the Northern Caucasus. Nearly every piece of clothing that we usually call „caucasian“ has been invented here.“, auch bei der Etikette und Sozialordnung. Bei Siedlungsformen, Religion oder Tänzen waren Einflüsse und Sonderentwicklungen komplexer.
  33. Ergebnisse einer soziologischen Studie der Hochschule Maikop (russisch) über Einhaltungsgrad des Chabse in Adygeja. Die große Mehrheit der Adygejer kannte seine Regeln und ca. 70 %, besonders die ländliche Bevölkerung, lebt nach ihnen. Vereinfachungen treten bei innerfamiliären Beziehungen und den komplizierten Trauerritualen auf.
  34. Amjad M. Jaimoukha: Circassian Costums and Traditions. (PDF; 1,2 MB) 2009, S. 22–53. In einer ostkabardinischen Variante siehe diese Aufführung. Zu einigen Hochzeitsliedern und Toasts (Trinksprüchen und gleichzeitig Glückwünschen): Amjad Jaimoukha: Circassian Ceremonies and Festivals.
  35. Mädchenkorsette des 18. bis zur zweiten Hälfte des 19. Jh. (russisch) aus Nauka 1989.
  36. Kaya (Memento vom 13. April 2013 im Internet Archive)
  37. Richmond S. 26–28
  38. Amjad Jaimoukha: Circassian History (PDF; 5,0 MB) S. 12–15.
  39. Amjad M. Jaimoukha: Circassian Greetings & Salutes. (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)
  40. Zu dieser und weiteren Traditionen Kaya (Memento vom 13. April 2013 im Internet Archive) (unten)
  41. Kadir I. Natho, S. 90–94.
  42. Ayhan Kaya-Aufsatz 6. Kapitel, 4. Absatz (Memento vom 13. April 2013 im Internet Archive)
  43. Kadir I. Natho S. 102.
  44. Eintrag im Album der Pferdezucht der UdSSR mit Zuchtdaten (russisch); Beschreibung (russisch), andere anerkannte Pferderassen aus den Gebirgsregionen des Großen Kaukasus heißen „Abchase“ (benannt nach der Region Abchasien), „Lesgine“ (benannt nach dem süddagestanisch-nordaserbaidschanischen Grenzgebiet Lesgien), „Pschawier“ (benannt nach der georgischen Gebirgsregion Pschawien, südlich von Chewsuretien) und „Tuschetier“ (benannt nach der georgischen Gebirgsregion Tuschetien). Seit 2016 ist in Russland auch die Rasse „Karatschaier“ (nach dem Siedlungsgebiet der Karatschaier), offiziell anerkannt, die aber dem „Kabardiner“ nahezu identisch ist. Die Zucht von Pferden auf Hochgebirgsalmen ist eine Besonderheit des Kaukasus, in den meisten anderen Gebirgen müssen Esel oder Maultiere verwendet werden. Zur Anschauung diese Reportage ab min.13:50
  45. Zu Viehzucht, Ackerbau, Jagd und Fischfang auch in genuesischen Berichten Kadir I. Natho S. 102–103.
  46. Georgij A. Klimov Einführung in die kaukasische Sprachwissenschaft. Hamburg 1994, S. 50; Amjad Jaimoukha: The Secret Language of the Hunters: One of the Twelve Secrets of the Caucasus. (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)
  47. Amjad Jaimoukha Circassian Costumes and Accoutrements. (PDF; 5,4 MB).
  48. Kadir I. Natho, S. 89.
  49. Männerkleidung Nordkaukasiens 18. bis erste Hälfte des 19. Jahrhunderts (russisch) aus der Zeitschrift Nauka (= Wissenschaft) 1989.
  50. Männerkopfbedeckungen der Völker Kaukasiens 18. bis erste Hälfte des 19. Jahrhunderts (russisch) aus Nauka 1989.
  51. Der russ. Name gazyr stammt aus Turksprachen Kaukasiens und bedeutet „bereit“, türkisch „hazır“
  52. Frauenkleidung des 18.–19. Jh. (russisch) aus Nauka 1989.
  53. Schulterkleider Nordkauksiens des 18.–19. Jh. (russisch) aus Nauka 1989.
  54. Circassian Dance von Amjad Jaimoukha mit Hörbeispielen.
  55. Z. B. diese Aufführung des Staatlichen Akademischen Tanzensembles Kabardino-Balkariens „Kabardinka“, bei dem auch die im Text erwähnten hohen Holzsandalen zu sehen sind. Es ist eine der Melodien, die in Anwesenheit von Fürsten getanzt wurde und deshalb auch pschi qafe genannt wird.
  56. The Circassian Ministrels von Amjad Jaimoukha.
  57. Siehe Texte einiger tscherkessischer Kriegslieder und einige britische Lieder, die aus der damaligen Popularität des tscherkessischen Kampfes entstanden bei Amjad Jaimoukha (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive).
  58. Amjad Jaimoukha: The Circassian Nart-Epos.
  59. Amjad Jaimoukha: Traditional Circassian Songs; Circassian Music and Musicology von Amjad Jaimoukha mit Hörbeispielen.
  60. Wie Witze und Humoresken in den vorwiegend mündlichen Kulturen des Kaukasus vorgetragen werden, zeigt dieses Video aus den 80er Jahren. Das Thema ist typisch kaukasisch: Wie entführt man ein Mädchen?
  61. Dass Ironie vorkam, zeigt auch das Volkslied Siy Paq (=Mein Rundnäschen). Was die Melodie nicht erahnen lässt: Es kann als ironische Lobes- und Liebeshymne an ein (entgegen dem Ideal) nicht ganz so schlankes Mädchen verstanden werden, oder als ernst gemeinte Hymne. Vgl. Text von Siy Paq mit englischer Übersetzung bei Jaimoukha.
  62. Music as a Medicine for Adyghs (Memento vom 6. März 2009 im Internet Archive) (PDF) von Alla Sokolova auf einer Konferenz der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Wie das ausgesehen haben könnte, zeigt dieser Ausschnitt eines tscherkessischen Spielfilms. Die Rituale mussten rund um die Uhr am Krankenbett durchgeführt werden.
  63. Beschreibung bei Circassianworld (Memento vom 13. April 2013 im Internet Archive)
  64. Jaimoukha Circassian Cuisine. (Memento vom 6. März 2012 im Internet Archive) mit Rezepten; zur Anschauung: Al-Jazeera English Jordanian Cuisine ab min 13:30.
  65. Zum Handel: Kadir I. Natho S. 103. Hauptabnehmer für Sklaven waren in der Neuzeit Händler von der Krim, aus dem Osmanischen Reich, aus Genua und Venedig.
  66. Georgij A. Klimov: Einführung in die Kaukasische Sprachwissenschaft. Hamburg 1994, S. 15–23. (unter Auswertung zahlreicher Autoren)
  67. Chirikba: „Abkhazian Origins“ in: George B. Hewitt: The Abkhazians: A Handbook. Richmond 1998, S. 23 ff. Die Behauptung dort, ohne andere Ansichten zu erwähnen, die Sprecher der nordwestkaukasischen Sprachen wären die „Urbevölkerung“ von Anatolien bis Westgeorgien hat nationale Hintergründe, weil sie die Abchasen zur ältesten Bevölkerung Westgeorgiens, mit älteren Rechten an dem Land, als die Georgier machen soll. Ardsinba, Chirikba und Lakoba sind auch Politiker der separatistischen Regierung Abchasiens.
  68. Victor A. Shnirelman: The Politics of a Name:Between Consolidation and Separation in the Northern Caucasus. (PDF; 784 kB) in: Acta Slavica Iaponica 23 (2006) S. 37–73. Hier S. 63 (mit Fußnote 176).
  69. Georgij A. Klimov Einführung in die kaukasische Sprachwissenschaft. Hamburg 1994, S. 83. Nach der Übersetzung von Jost Gippert: „… als Erbwörter erschließen lassen, kann das Verbreitungsgebiet der westkaukasischen Grundsprache mit großer Wahrscheinlichkeit lokalisiert werden; es dürfte weitgehend mit dem heutigen Siedlungsgebiet der westkaukasischen Stämme im Kaukasus am Nordostufer des Schwarzen Meeres identisch gewesen sein, nicht jedoch mit den Niederungen der Kolchis.“ (=Westgeorgien).
  70. Siehe Kurgan-Hypothese und Anatolien-Hypothese
  71. Der Indogermanist und Archäologe J. P. Mallory formuliert in seinem Werk In Search of the Indo-Europeans S. 233 die Kulturen im Westkaukasus seien „precisely in regions which later demonstrate the presence of non-Indo-European populations.“
  72. Georgij A. Klimov Einführung in die kaukasische Sprachwissenschaft. Hamburg 1994, S. 87
  73. Roland Bielmeier: Sprachkontakte nördlich und südlich des Kaukasus in: Roland Bielmeier, Reinhard Stempel (Hrsg.) Indogermanica et Caucasica: Festschrift für Karl Horst Schmidt zum 65. Geburtstag Berlin, New York 1994, S. 427–446, besonders S. 429.
  74. Artikel „Maykop Culture“ in der Encyclopedia of Indo-European Culture von Mallory: „Such a theory, it must be emphasized, is highly speculative and controversial although there is a recognition that this culture may be a product of at least two traditions: the local steppe tradition embraced in the Novosvobodna culture and foreign elements from south of the Caucasus which can be charted through imports in both regions.“
  75. So Kadir I. Natho S. 28–58 oder Jaimoukha.
  76. Einführend Artikel der Sowjetischen Historischen Enzyklopädie (russisch).
  77. J. P. Mallory: Novotitorovka Culture. In: Encyclopedia of Indo-European Culture, Fitzroy 1997.
  78. M.B. Rysin: Kulturtransformation und die Kultur der Dolmenerbauer im Kaukasus. (PDF; 3,1 MB) in: Altkaukasische Bevölkerung in der paläometallischen Epoche. (russisch) St. Petersburg 1997, S. 85–123.
  79. Kurzbeschreibung in der Sowjetischen Historischen Enzyklopädie mit älterer Literatur (russisch)
  80. Geographika XI 2.11 (engl. Übersetzung)
  81. Die Zuordnung der Maioten ist hier mehrheitlich anerkannt. Schon die Große Sowjetische Enzyklopädie bezeichnet deshalb die Maioten als prätscherkessische Stämme. Zuletzt auch Boris Piotrowski: Меоты – предки адыгов. Maikop 1989 (=Die Maioten – Vorfahren der Tscherkessen.).
  82. Kadir I. Natho, S. 46; Amjad Jaimoukha A Brief History of Kabarda (PDF; 5,0 MB) S. 11–17. Die dort unbegründete Verbindung der Kerketen mit den späteren Kabardinern wird von keinem anderen Autor vorgenommen, ist zu der Zeit auch nicht möglich.
  83. Geographika XI 2.14
  84. Kadir I. Natho S. 46–78.
  85. Kadir I. Natho, S. 69–75
  86. Amjad Jaimoukha: Mediaeval Kabardian Alphabet. (PDF; 247 kB) ; er bezieht sich auf P. Dobrev: Inschriften und Alphabet der Urbulgaren. Sofia 1995.
  87. Ebenda S. 6. (PDF; 247 kB).
  88. Siehe Eingangsworte dieser Erklärung.
  89. Geographika XI 2.12 und folgender Absatz
  90. Kadir I. Natho S. 59
  91. Zur Folge der Mongolenzüge für die Tscherkessen: Kadir I. Natho, S. 89–95.
  92. Kadir I. Natho S. 95–98
  93. Vgl. diese Karte von Artur Zuzijew (russisch). Hellblau die Ausbreitung im 16. Jh., die Nordgrenze entspricht der Handelstraße, mittelblau vom Krimkhanat zurückgedrängte Siedlungsgebiete im 17./18. Jh., dunkelblau heute noch tscherkessisch besiedelte Gebiete.
  94. Zu diesen Kriegen Kadir I. Natho S. 133–137, beschrieben bei Giacomo de Lucca, dem russischen Botschafter Tschelischew, dem osmanischen Ibn-i Kemal und meist osmanischen und krimtatarischen Berichten und Quellen. Die Kriege waren z. T. sehr erbittert und von der Jagd auf Sklaven begleitet.
  95. Zu den verschiedenen Formen der Islamisierung Kadir I. Natho S. 123f. und 136–137.
  96. Russische Übersetzung des Textes bei Galonifontibus, II. (Kapitel 9) drittletzter Absatz (der Inal aber nicht namentlich erwähnt).
  97. Amjad Jaimoukha A Brief History of Kabarda (PDF; 5,0 MB) S. 17–20.
  98. Siehe S. 26 Bild der Hauptstadt (PDF; 5,0 MB) aus dem Reisebericht von Adam Olearius.
  99. Zu den polnischen Geschlechtern siehe Amjad Jaimoukha: Circassians in Poland: The Five Princes from the Five Mountains. (Memento vom 10. Juni 2015 im Internet Archive)
  100. Chantal Lemercier-Quelquejay: Cooptation of the Elites of Kabarda and Daghestan in the sixteenth century. In: Abdurrahman Avtorkhanov, Marie Bennigsen Broxup (Hrsg.): The North Caucasus barrier: the Russian advance towards the Muslim world. London 1992, S. 27–28
  101. Walter Richmond: The Northwest Caucasus. Past, present, future., S. 45
  102. Kadir I. Natho S. 123–125
  103. Kadir I. Natho S. 88f.
  104. Zweites Kapitel des Artikels Čarkas in: Encyclopædia Iranica.
  105. EIr, siehe auch osmanische Janitscharen
  106. Kadir I. Natho S. 149–265
  107. Amjad Jaimoukha: The Social Structure of the Circassians. (PDF; 186 kB) S. 6 unten.
  108. Von der Umschlagseite bei Bell.
  109. Richmond, Northwest Caucasus, Kap. „The Beginnings of Russian Colonization.“; zu Belegen der allgemeinen Angaben, siehe Kaukasuskrieg-Artikel.
  110. Zusammenfassung des Kaukasuskrieges auf der Seite kavkaz-uzel, Kapitel zur dritten Phase, vierten Phase und letzten Phase.
  111. Kadir I. Natho, S. 366–377, 393–395.
  112. Ulle Rannut: Maintenance of the Circassian Language in Jordan. Self-identification, attitudes, policies and practices as indicators of linguistic vitality. PhD, Amman 2011, S. 5.
  113. Vgl. Diese Karte des Historikers Artur Zuzijew (russisch). Die farbigen Gebiete sind die, in denen Angehörige der sog. „Bergvölker“ nach Festlegung der Landkommissionen 1868–1905 siedeln durften: 1–4 westliche Tscherkessen, Abasinen und Kubannogaier, 5 Karatschaier und 6 Kabardiner und Balkaren. Die schraffierten Gebiete sind Ansiedlungsregionen für Kosaken.
  114. Barbara Lehmann: Deutschlandradio: Endstation Schwarzes Meer – Russland verdrängt den Völkermord an den Tscherkessen in Sotschi (7. Januar 2014)
  115. Meldung bei Kawkasski Usel.
  116. Kadir I. Natho S. 389.
  117. Kadir I. Natho, S. 378–385.
  118. Batıray Özbek: Erzählungen der letzten Tscherkessen auf dem Amselfeld. Bonn 1986, Einleitungsteil.
  119. Ayhan Kaya (Memento vom 13. April 2013 im Internet Archive) erwähnt das alte Stereotyp der Diebe, das wohl noch aus der Frühzeit der Diaspora stammt.
  120. Für Ostrumelien wurde nach Berliner Vertrag Art. 15/Abs. 4 ein Ansiedlungsverbot beschlossen.
  121. Kadir I. Natho, S. 389–391.
  122. Amjad Jaimoukha: The Social Structure of the Circassians. (PDF; 186 kB) besonders S. 1 und 8.
  123. Amjad Jaimoukha: The Social Structure of the Circassians. (PDF; 186 kB) S. 8.
  124. Eine häufige Übertragung in der Fachliteratur ist „Fremdstämmige“ und „Eigenstämmige“. Es leitet sich von russ. narod „Volk“ ab. Kern der Unterscheidung war die Einschätzung, dass die inarodzy nicht loyal genug für den Dienst in der russischen Armee waren. Siehe: Andreas Kappeler, Gerhard Simon, Georg Brunner: Die Muslime in der Sowjetunion und in Jugoslawien. Köln 1989, S. 117–130.
  125. Zum beanspruchten Gebiet der Bergrepublik vgl. diese Karte des Historikers Zuzijew (grün), hellgrün dabei die Gebiete der beteiligten vorwiegend christlichen Völker – Osseten, Abchasen und Sunscha-Kosaken. Das Gebiet der Westtscherkessen am Kuban wurde schon nicht mehr beansprucht.
  126. Kadir I. Natho, S. 410–412.
  127. Gerhard Simon: Nationalismus und Nationalitätenpolitik in der Sowjetunion. Von der Diktatur zur nachstalinistischen Gesellschaft. Baden-Baden 1986, S. 34–82. Der Gegensatz zwischen Lenin und Stalin bestand nicht in der gesamten Ideologie und Politik. Der Streit um Führungsstile resultierte aus einem Streit über die Nationalpolitik, zu der beide verschiedene Vorstellungen hatten. Lenin charakterisierte Stalin einmal, obwohl dieser Georgier war, als „großrussischen Derschimorda“ (=„Halt-die-Schnauze“).
  128. Siehe Nummer 3 auf dieser Karte von Zuzijew (nicht die auf der anderen Seite des Westkaukasus anschließende Nummer 5, der Armenische Nationale Rayon).
  129. Siehe diese Karte Zuzijews (russisch) zur ethnischen Verteilung 1886–90. Das nördlichere Feld am oberen Kuban mit 4 (für Beslenejer-Tscherkessen) und 44 (für Nogaier) beschriftet, gehört weder zu Karatschai-Tscherkessien, noch zu Adygeja.
  130. Vgl. zw. der ethnischen Karte Karatschai-Tscherkessiens 1926 (blau: russische oder ukrainische, rot: tscherkessische oder kabardinische, gelb: abasinische Mehrheit), mit der Karte 2002 (der Nordosten jetzt grün für karatschaische Mehrheit). Diese Vergrößerung des karatschaischen Siedlungsgebietes hatte aber wohl keinen nationalpolitischen Hintergrund. Vielmehr wurde der für den Kaukasus typische Lebensstil des halbnomadischen Umzuges auf Winterweiden parallel zur Kollektivierung als rückständig bekämpft und sie mussten sich entscheiden, ob sie im Gebirge oder Wintergebiet sesshaft leben wollen, wurden teilweise auch angesiedelt. Dadurch haben die Gebiete, in denen die Karatschaier früher nur Wintergäste waren, heute karatschaische Bevölkerungsmehrheiten.
  131. Wie sie das durchführten, beschreibt der (antikommunistisch eingestellte) Schriftsteller Essad Bey in Die Zwölf Geheimnisse im Kaukasus. S. 88–89 am Beispiel der Inguschen. Weil die Ältesten die Beteiligten baten, die Blutrache zu beenden, war es für sie mindestens ebenso unehrenhaft, die Wünsche zu missachten wie von der Fehde abzulassen.
  132. Gerhard Simon: Nationalismus und Nationalitätenpolitik in der Sowjetunion. Von der Diktatur zur nachstalinistischen Gesellschaft. S. 41–64.
  133. Georgij A. Klimov Einführung in die kaukasische Sprachwissenschaft. Hamburg 1994, S. 50–57.
  134. Gerhard Simon S. 153–194.
  135. Die tscherkessische Literatur begann im 19. Jahrhundert mit den Sammlern historischer Volkserzählungen und Narten-Epen durch Schora Nogmow und Sultan Khan-Girej, die aber noch auf russisch schrieben, auf tscherkessisch seit sowjetischer Zeit.Amjad M. Jaimoukha: Circassian Literature. An die Literatur anschließend bildete sich auch ein tscherkessisches Theater.
  136. S. diese Karte von Artur Zuzijew (russisch) mit den Territorien deportierter Völker, gelb: Karatschaier und Balkaren. Es wurden auch alle Russlanddeutschen und Griechen, türkische und iranische Gruppen aus grenznahen Gebieten deportiert, aber nicht strafweise, sondern „prophylaktisch“.
  137. Zu den Grenzen während der Zeit der Deportationen s. diese Karte von Zuzijew (russisch), blau umrandet die aufgelösten ASSRs und AOs.
  138. The North Caucasian Diaspora In Turkey UNHCR-Bericht (Memento vom 19. Januar 2012 im Internet Archive), Kap. 2.1, zweiter Absatz.
  139. beschäftigt sich besonders im Kapitel Diaspora Revisited mit diesem Mechanismus in Diaspora-Gesellschaften. The North Caucasian Diaspora In Turkey Der UNHCR-Bericht (Memento vom 19. Januar 2012 im Internet Archive) erwähnt im letzten Absatz des Kapitels 2.5 bspw., dass die abchasische Diaspora in den 1980er Jahren erfuhr, dass die meisten Abchasen im Kaukasus Christen sind, was sie vergessen hatten, wie die Tatsache, dass der abchasische Adel bis ins 19. Jahrhundert pragmatisch zwischen den Religionen konvertierte, und darüber hinaus viele sowjetische Nordwestkaukasier nicht religiös sind.
  140. The North Caucasian Diaspora In Turkey UNHCR-Bericht (Memento vom 19. Januar 2012 im Internet Archive), Kap. 4.1, zweiter Absatz.
  141. Ayhan Kaya (Memento vom 13. April 2013 im Internet Archive) im Kapitel „Stereotypes, Prejudices and Ethnic Relations“ vierter Absatz.
  142. Kadir I. Natho, S. 434–473; : Circassian Diaspora in Turkey: Stereotypes, Prejudices and Ethnic Relations.; UNHCR: The North Caucasian Diaspora In Turkey (Memento vom 19. Januar 2012 im Internet Archive)
  143. So gaben kaukasische Verbände nach dem UNHCR-Bericht Anfang der 1990er Jahre den Verstädterungsgrad der Kaukasier mit 69 % an, was etwa dem Durchschnitt der Türkei entspricht, der heute (2015) bei fast 75 % liegt.
  144. Kadir I. Natho S. 505–517
  145. Ethnische Karte der Columbia University
  146. Dass das T.E. Lawrence ist, zeigt die Beschriftung dieses beim selben Anlass aufgenommenen kolorierten Fotos.
  147. Kadir I. Natho, S. 474–505; Amjad M. Jaimoukha: Circassians in Jordan. (Memento vom 30. Mai 2015 im Internet Archive)
  148. Ulle Rannut: Maintenance of the Circassian Language in Jordan. Self-identification, attitudes, policies and practices as indicators of linguistic vitality, PhD, Amman 2011, S. 5 f.
  149. Amjad M.Jaimoukha: Circassians in Jerash. (Memento vom 30. Mai 2015 im Internet Archive)
  150. Ulle Rannut: Maintenance of the Circassian Language in Jordan. Self-identification, attitudes, policies and practices as indicators of linguistic vitality, PhD, Amman 2011, S. 9.
  151. Das Wahlgesetz von 1928 gab den Tscherkessen einen Sitz pro 5000 Einwohner, während die übrige Bevölkerung je 27.000 Einwohner einen Sitz im Parlament erlangte. Heute lassen sich die beiden Sitze im Parlament nur vertreten, wenn der Anteil der Tscherkessen bei 100.000 liegt.
  152. Ulle Rannut: Maintenance of the Circassian Language in Jordan. Self-identification, attitudes, policies and practices as indicators of linguistic vitality, PhD, Amman 2011 (online PDF).
  153. Erste Sätze bei Ayhan Kaya (Memento vom 13. April 2013 im Internet Archive).
  154. Ethnische Karte der Columbia University
  155. Bericht des türkischen Zentrums für nahöstliche strategische Studien (ORSAM) (Memento vom 3. April 2013 im Internet Archive) (englisch). Hier wird die türkische Sprachgewohnheit, alle Nordkaukasier als Tscherkessen zu bezeichnen, ins Englische übernommen, die eigentlichen Tscherkessen werden dagegen als Adygen bezeichnet (in der arabischen Überschrift dagegen mit demselben Wort).
  156. Kadir I. Natho S. 517–518
  157. Batıray Özbek: Erzählungen der letzten Tscherkessen auf dem Amselfeld. Bonn 1986. Im Einleitungsteil werden die Dörfer erwähnt.
  158. Marieta Kumpilova: Twice a Minority. Kosovo Circassians in the Russian Federation. in: Ivar Biliarsky, Ovidiu Cristea, Anca Oraveanu: The Balkans and the Caucasus: Parallel Processes on th Opposite Sides of th Black Sea. Cambridge 2012, S. 155–169, hier S. 161
  159. Kadir I. Natho S. 518
  160. Zitiert von Uwe Halbach im Artikel in der FAZ über die tscherkessische Nationalbewegung zum Anlass der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi.
  161. Siehe diese Karte des Historikers Artur Zuzijew (russisch) Alle mit Zahl-Buchstaben-Kombinationen versehenen Gebiete in Kaukasien sind selbst erklärte Republiken oder zwischen ihnen umstrittene Gebiete, schraffiert die umstrittenen Gebiete. Große Teile Kaukasiens waren betroffen und von Konflikten gefährdet.
  162. Victor Shnirelman: The Politics of a Name:Between Consolidation and Separation in the Northern Caucasus. (PDF; 784 kB) in: Acta Slavica Iaponica 23 (2006) S. 37–73, hierzu S. 62–66; Artikel über Sotschi und den Nordkaukasus von Uwe Halbach in Russland-Analysen 268 (6. Dezember 2013) (PDF; 3,5 MB) S. 5–8, hier S. 7.
  163. Meldung zu den Ergebnissen eines tscherkessischen Jugendkongresses im September 2009 in Tscherkessk von dem Eurasien-Experten Paul Goble.
  164. Nochmal die Karte des Historikers Zuzijew (russisch): Die von tscherkessischen Parteien geforderten Gebiete sind violett (1b, 2b und 3a), die schraffierten Gebiete alle, die mit benachbarten Ethnien umstritten waren. Hellblau (1a) die geforderte schapsugische Autonomie, für die kein Anschluss an die tscherkessische Republik gefordert wurde.
  165. Kurzinterview mit dem Vorsitzenden für Karatschai-Tscherkessien bei Kawkasski Usel vom 22. Januar 2010.
  166. Amjad M. Jaimoukha: A Brief History of Kabarda (PDF; 5,0 MB) S. 27–28, die Vorfälle mit balkarischen Nationalisten in Fußnote 24.
  167. Nachricht bei Kawkasski Usel vom 19. September 2018.
  168. Jahresrückblick 2018 von Kawkasski Usel, siehe Kapitel unter der dritten Überschrift.
  169. Im Originalbrief von Adolph Theodor Kupffer, im „Morgenblatt für die gebildeten Stände“, Nr. 277, 19. November 1829 wird er am Ende S. 2006 als „ein Tscherkesse, Namens Krillar“ bezeichnet, wobei in dem Brief, für die Zeit typisch, auch die „Caratchai“ als „eine Tscherkessen-Völkerschaft“ bezeichnet werden.
  170. Bericht unter Erwähnung der letzten beiden Beispiele. Die Autorin Fatima Tlis(owa) ist demokratische Journalistin, deshalb seit 2007 im amerikanischen Exil, ehemals auch führende Vertreterin tscherkessischer Verbände.
  171. Meldung bei Kawkasski Usel, die Autorin Bella Ksalova wurde kurz danach selbst erschossen: Meldung.
  172. Karte von Zuzijew mit dem russischen (rot) und ukrainischen (blau) Bevölkerungsanteil im Jahr 1926. Der russische ist heute durch weitere Zuzüge größer, außerdem werden die Kubankosaken, die z. T. noch im russischen Bürgerkrieg die Vereinigung mit der Ukrainischen VR forderten, seit der Stalinzeit als Russen gezählt.
  173. Dittmar Schorkowitz, Vasile Dumbrava, Stefan Wiese: Postkommunismus und verordneter Nationalismus. Leipzig, Frankfurt/Main 2008, S. 79–90, zuvor schon betont von Otto Luchterhandt. S.a. Meldung vom 2. Oktober 2006 bei Kawkasski Usel.
  174. Olga Wassiljewa: Konflikte im Nordkaukasus: Ursachen, Perspektiven. Mannheim 1995, besonders S. 12–13.
  175. Bericht der MAR (Minority at Risk)-Datenbank der University of Maryland (Memento vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive) 2006, stark unter dem Eindruck der Staatskrise und der folgenden Zunahme der Gewalt mit Islamisten, die heute hier aber beendet ist.
  176. Karte mit Bevölkerungsmehrheiten und Rajonen 2002 rot: Tscherkessen, gelb: Abasinen, hellgrün: Karatschaier, dunkelgrün: Nogaier, blau: Russen (mit Kosaken); die Tscherkessen dominieren im nördlichen Rajon (von dem der Osten als Nogaischer Rajon inzwischen abgetrennt ist) und im südlicheren Chabeski Rajon.
  177. Olga Wassiljewa: Konflikte im Nordkaukasus: Ursachen, Perspektiven. Mannheim 1995, S. 1–12.; Alexey Gunya: Regionale Vielfalt und Transformation der Konflikte im Nordkaukasus. Eine vergleichende Analyse der Republiken Kabardino-Balkarien und Karatschai-Tscherkessien. (PDF; 288 kB).
  178. Kawkasski Usel führt seit 2010 eine Statistik der Toten und Verwundeten des Konfliktes mit dem Untergrund (Memento vom 12. Januar 2016 im Internet Archive).
  179. Meldung im Wirtschaftsblatt (Memento vom 28. September 2015 im Internet Archive) vom 22. Juli 2014.
  180. Cameron Ross: Russian Regional Politics Under Putin and Medvedev. New York 2012, S. 55–67. Zu alltäglichen Einschränkungen s. vorletzte Fußnote.
  181. Ayhan Kaya: Political Participation Strategies of the Circassian Diaspora in Turkey. (Memento vom 31. Mai 2013 im Internet Archive), UNHCR-Bericht von 1996, Kurzfassung von Uwe Halbach bei der ETH Zürich. Es gibt sehr viel Literatur zu den Vereinen und ihren Wandlungsprozessen in den letzten Jahren.
  182. Kadir I. Natho S. 558–564.
  183. Nachricht nach Meinung der Jamestown Foundation.
  184. Meldung vom 2. August 1998 bei BBC news.
  185. Eine von vielen Nachrichten bei Kawkasski Usel, in den Nachrichten Adygejas, im Deutschlandfunk.
  186. Es gab Schikanen gegen Aktivisten dieser Kampagne, s. Halbach-Artikel oder Meldungen bei Kawkasski Usel.
  187. Meldung bei Kawkasski Usel.

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