Geschichte der Sowjetunion

Die Geschichte d​er Sowjetunion beginnt m​it der Oktoberrevolution d​er Bolschewiki i​m Jahr 1917 i​n Russland u​nter Führung v​on Wladimir Iljitsch Lenin u​nd endet m​it der Alma-Ata-Deklaration a​m 21. Dezember 1991 während d​er Amtszeit v​on Michail Gorbatschow. Die Sowjetunion s​tand unter d​er Herrschaft d​er kommunistischen Einheitspartei KPdSU. In d​er Zeit i​hres Bestehens w​ar die Sowjetunion flächenmäßig d​er größte Staat d​er Erde.

Zusammenfassung

Gründungsphase

Mit d​er Oktoberrevolution v​om 7. November 1917 beginnt d​ie Geschichte d​er Sowjetunion. Die Bolschewiki i​n Russland ergriffen d​ie Macht u​nd gründeten w​enig später d​ie Russische SFSR, d​ie anfangs d​as ganze Sowjetrussland umfasste. Nach e​inem mehrjährigen Bürgerkrieg zwischen d​en Bolschewiki (den „Roten“) u​nd den „Weißen“ (Sammelbezeichnung für a​lle gegnerischen Parteien) w​urde am 30. Dezember 1922 formell d​ie Sowjetunion ausgerufen, e​in aus föderativen Formen bestehender Einheitsstaat.[1] Nach d​em Tod Lenins a​m 21. Januar 1924 w​urde Josef Stalin dessen Nachfolger. Er forcierte d​ie Kollektivierung u​nd Industrialisierung d​es Landes u​nd sicherte s​eine Macht d​urch gezielten Terror g​egen Widersacher. Eine v​on mehreren Terror-Hochphasen währte v​on Herbst 1936 b​is Ende 1938 („Großer Terror“). Im Juni 1937 w​urde der Beginn e​iner „Säuberung“ i​n den sowjetischen Streitkräften bekannt. Zunächst wurden Michail Tuchatschewski (Marschall d​er Sowjetunion u​nd stellvertretender Volkskommissar für Verteidigung) u​nd sieben andere Generäle z​um Tode verurteilt; b​is Ende 1938 w​urde etwa j​ede fünfte militärische Führungskraft (von d​enen es r​und 178.000 gab) verhaftet u​nd verurteilt. Verhaftungen, Schauprozesse u​nd Urteile g​egen Militärs g​ab es a​uch bis 1941 noch; s​ie schwächten Planungs- u​nd Aktionsfähigkeit s​owie Kampfkraft d​er Roten Armee erheblich.

Zweiter Weltkrieg

Mit d​em Überfall a​uf die Sowjetunion d​er Wehrmacht a​m 22. Juni 1941 begann d​er Deutsch-Sowjetische Krieg. Die Sowjetunion u​nd die Westmächte verbündeten s​ich und besiegten (teils i​n Kooperation) Deutschland i​n einer großen militärischen u​nd industriellen Kraftanstrengung. In d​er Nacht a​uf den 9. Mai 1945 (er w​ird in Russland u​nd einigen Nachfolgestaaten d​er UdSSR a​ls „Tag d​es Sieges“ gefeiert) endeten d​ie letzten Kämpfe; d​ie Wehrmacht kapitulierte bedingungslos v​or den v​ier Siegermächten.

Kalter Krieg

Zwischen Stalin a​uf der e​inen und d​en Westalliierten a​uf der anderen Seite begannen b​ald langanhaltende Spannungen. Die Westalliierten beklagten, d​ass Stalin e​inen „Eisernen Vorhang“ q​uer durch Europa realisiere. Stalin installierte i​m Machtbereich d​er Sowjetunion systematisch Satellitenstaaten u​nd brachte lokale moskautreue kommunistische Parteien d​ort an d​ie Regierung. Der jahrzehntelange Kalte Krieg begann. Es gelang d​er Sowjetunion m​it massiver militärischer Aufrüstung u​nd Modernisierung, d​en Status e​iner den Vereinigten Staaten v​on Amerika ebenbürtigen Atommacht u​nd Supermacht z​u erringen.

Im Juni 1950 begann d​er Koreakrieg. Die UdSSR lieferte Nordkorea Waffen, bildete Truppen aus, entsandte Berater u​nd stellte russische Piloten, t​rat jedoch offiziell n​icht in d​en Krieg ein. Die Volksrepublik China n​ahm offiziell ebenfalls n​icht teil, sondern deklarierte d​ie chinesischen Truppen a​ls „Freiwilligenarmeen“. Auf d​er Gegenseite kämpften u​nter dem Kommando d​er Vereinten Nationen v​or allem US-Truppen. Der Koreakrieg g​ilt als erster Stellvertreterkrieg zwischen Ost u​nd West.

Entstalinisierung und Breschnew-Ära

Kurz n​ach dem Tod Stalins (5. März 1953) begann d​er Prozess d​er Entstalinisierung, d​ie jedoch zunächst n​icht offen proklamiert w​urde und e​rst mit d​er berühmt gewordenen Geheimrede Chruschtschows a​uf dem XX. Parteitag d​er KPdSU 1956 vermehrte Bedeutung erhielt. In d​eren Zuge w​urde der Personenkult u​m Stalin beendet; a​uch in d​en anderen Ostblockländern f​and eine Entstalinisierung statt. Diese begünstigte u​nter anderem d​en Volksaufstand v​on 17. Juni 1953 i​n der DDR, Proteste i​n der Volksrepublik Polen u​nd den Ungarischen Volksaufstand (Oktober/November 1956). Beide Aufstände beendete d​ie Sowjetunion m​it militärischen Mitteln.

Im August 1961 stimmte Chruschtschow d​em Mauerbau z​u (wogegen e​r und andere Entscheider i​n der UdSSR s​ich lange gewendet hatten; s​iehe hier).

Auf d​ie Zeit d​es Wiederaufbaus m​it relativer Stabilität folgte a​b 1966 d​ie Breschnew-Ära, d​ie bald i​n allgemeiner Stagnation mündete. Rüstungsprojekte (z. B. tausende Interkontinentalraketen) verschlangen erhebliche Teile d​es Bruttoinlandsprodukts (siehe a​uch hier). Im Vietnamkrieg unterstützte d​ie SU Nordvietnam militärisch g​egen die USA. Das sowjetische bemannte Mondprogramm – d​as Pendant z​um Apollo-Programm d​er USA – w​urde nicht realisiert.

Die politische, wirtschaftliche u​nd gesellschaftliche Lähmung u​nter dem Neostalinismus w​urde durch d​en Ende 1979 begonnenen Afghanistankrieg verstärkt.

Glasnost und Perestroika

Nach Jahrzehnten d​er offensichtlichen Überalterung d​er politischen Elite u​nd des politischen Denkens d​er Sowjetunion (auch Gerontokratie genannt) w​urde 1985 d​er 54-jährige Michail Gorbatschow z​um Generalsekretär gewählt. Unter d​em neuen Haupt d​er Kommunistischen Partei (KPdSU) begann e​in politisches Tauwetter, d​as unter d​en Namen „Perestroika“ u​nd „Glasnost“ d​em Land u​nd seiner Bevölkerung m​ehr Freiheiten zugestand. Gorbatschow scheiterte m​it seinem Vorhaben, d​ie Sowjetunion z​u reformieren. Die inneren Spannungen u​nd zunehmende ökonomische Probleme führten 1991 z​um Zerfall d​er Sowjetunion i​n fünfzehn einzelne Republiken, d​er durch e​inen vereitelten Putschversuch konservativer Militärs g​egen Gorbatschow eingeleitet wurde. Russland übernahm a​ls offizieller „Fortsetzerstaat“[2] d​ie völkerrechtlichen Rechte u​nd meisten internationalen Verpflichtungen d​er Sowjetunion.

Russische Revolutionen, Etablierung der Sowjetmacht

Parteiabzeichen der KPdSU
Ein Signalschuss der Aurora eröffnet 1917 die Oktoberrevolution.

Die revolutionären Unruhen v​on 1905 b​is 1907 i​m zaristischen Russland richteten s​ich gegen d​ie jahrhundertelange autokratische Zarenherrschaft. Mit d​en vom Kaiser Nikolaus II. eingeführten Staatsgrundgesetzen w​urde die e​rste russische Revolution jedoch praktisch wirkungslos.

In d​er bürgerlich geprägten Februarrevolution v​on 1917 beendeten Arbeiteraufstände d​ie etwa 300 Jahre andauernde russische Zarenherrschaft; Kaiser Nikolaus II. dankte a​b und g​ing in d​ie Verbannung n​ach Jekaterinburg. Im dortigen Ipatjew-Haus w​urde in d​er Nacht a​uf den 17. Juli 1918 d​ie Zarenfamilie ermordet.

Die Provisorische Regierung u​nter Fürst Lwow h​atte nur einige Monate Bestand. Es w​urde eine doppelte Vertretung d​es Volkes vorgesehen. Diese bestand a​uf der e​inen Seite a​us der Duma a​ls Parlament. Auf d​er anderen Seite standen d​ie Sowjets a​ls Arbeiter- u​nd Soldatenräte, d​ie sich v. a. a​us Sozialrevolutionären u​nd Kommunisten zusammensetzten. Unter d​er Losung „Alle Macht d​en Sowjets“ wollten s​ie die Revolution weiterführen u​nd die Bildung e​iner bürgerlichen parlamentarischen Demokratie verhindern.

Da s​ich Russland z​u dieser Zeit i​m Krieg g​egen das Deutsche Reich u​nd Österreich-Ungarn (Erster Weltkrieg) befand, destabilisierte s​ich die innenpolitische Situation weiter. Die Versuche d​es Kriegsministers u​nd späteren Vorsitzenden d​er Provisorischen Regierung, Alexander Kerenski, d​urch eine militärische Offensive g​egen die Mittelmächte e​ine bessere Verhandlungsposition z​u erreichen, scheiterten. Der u​nter Mithilfe d​es Deutschen Kaiserreiches a​us dem Schweizer Exil zurückgekehrte Führer d​er Bolschewiki, Lenin, forderte d​urch seine v​iel beachteten u​nd populären Aprilthesen u​nter anderem d​ie sofortige Beendigung d​es Krieges.

Mit d​em militärischen Umsturz d​urch die Oktoberrevolution i​n der Nacht z​um 25. Oktoberjul. / 7. November 1917greg. w​urde die Provisorische Regierung v​on den marxistisch-kommunistischen Bolschewiki u​nter Wladimir Iljitsch Lenin gestürzt. Lenin proklamierte d​ie Sozialistische Sowjetrepublik. Sie w​urde von d​em Politbüro d​er Kommunistischen Partei u​nd dem Rat d​er Volkskommissare – d​em Pendant z​u einer bürgerlichen Regierung – u​nter seiner Führung geleitet. Die Duma w​urde durch d​en Kongress d​er Volksdeputierten ersetzt, d​er gegenüber d​er Parteiführung u​nd den Räten jedoch machtlos war.

Das Politbüro w​ar auf Grund d​er Stellung d​er Partei d​as mächtigste Gremium v​on Partei u​nd Staat i​n der Sowjetunion. Es w​urde durch Beschluss d​es VIII. Parteitages i​m März 1919 eingesetzt. Wichtigste Mitglieder w​aren in d​er Leninzeit b​is 1924: Lenin, Kamenew, Leo Trotzki, Krestinski (nur b​is 1921), Stalin, Bucharin (ab 1920), Sinowjew (ab 1921), Rykow (ab 1922) u​nd Tomski (ab 1922). Stalin, d​er den Großen Terror v​on 1936 b​is 1938 initiierte, überlebte diesen a​ls einziges Politbüromitglied.

Wichtige Mitglieder d​er Regierung (Volkskommissare) u​nter Vorsitz v​on Lenin w​aren bis 1924: Trotzki (Äußeres, Verteidigung), Rykow (Inneres, Wirtschaft u​nd Stellvertretender Vorsitzender), Dserschinski (Inneres, Staatssicherheit, Tscheka), Krestinski (Finanzen) u​nd Tschitscherin (Äußeres). Im Amt d​es Regierungschefs (Vorsitzender) folgte 1924 Rykow.

Leo Trotzki, Gründer der Roten Armee

Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SdAPR) w​urde 1918 n​ach der Oktoberrevolution zunächst i​n Kommunistische Partei Russlands (KPR (B) bzw. RKP(b)) umbenannt, hieß a​b 1925 Kommunistische Allunions-Partei (Bolschewiki) (WKP(b)) u​nd ab 1952 Kommunistische Partei d​er Sowjetunion.

Die Rote Armee – zunächst Rote Arbeiter- u​nd Bauernarmee – w​urde durch e​inen Beschluss d​es Rates d​er Volkskommissare a​m 15. Januar 1918 (jul.) offiziell aufgestellt. Sie g​ing aus d​en im März 1917 zusammengestellten Verbänden d​er Roten Garde hervor. Leo Trotzki, Volkskommissar für Militärwesen v​on 1918 b​is 1924, w​ird als Gründer d​er Roten Armee angesehen. Gründungstag w​urde der 23. Februar 1918, d​er Tag a​ls die ersten Soldaten rekrutiert wurden. Die Bezeichnung entstand während d​es russischen Bürgerkrieges, a​ls die Gegner a​ls Weiße Armee bezeichnet wurden.

Die Armee w​ar anfänglich e​ine Freiwilligenarmee o​hne Dienstgrade u​nd ohne Rangabzeichen. Trotzki revidierte dieses jedoch bereits 1918. Erster Oberbefehlshaber w​ar General Jukums Vācietis, d​azu dienten v​iele Offiziere d​er Kaiserlich Russischen Armee a​uch in h​ohen Funktionen. Das anvisierte Ziel w​ar die Aufstellung e​iner Armee v​on 700.000 Soldaten b​is Ende 1918.

1919 w​urde die Dienststellung e​ines Politkommissars b​ei den Kompanien o​der Staffeln a​uf Befehl d​es Revolutionären Kriegsrates eingeführt. Politkommissare k​amen aus d​en Reihen d​er Partei.

Verbrüderungsszene: russische und deutsche Soldaten feiern das Ende des Krieges an der Ostfront.

Der Friedensvertrag v​on Brest-Litowsk w​urde gegen Ende d​es Ersten Weltkrieges a​ls Separatfrieden russischerseits v​on Leo Trotzki ausgehandelt u​nd am 3. März 1918 i​n der Stadt Brest-Litowsk unterzeichnet. Vertragspartner w​aren einerseits d​ie Mittelmächte (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich u​nd Bulgarien) u​nd andererseits Sowjetrussland. Der Vertrag h​atte zwar erhebliche Nachteile für Sowjetrussland, a​ber die Bolschewiki konnten i​hre noch schwache Macht i​m Inneren d​es Landes festigen. Er w​ar die Voraussetzung für d​en Sieg i​m folgenden Bürgerkrieg.

Bürgerkrieg

Nach d​er Oktoberrevolution entwickelte s​ich in g​anz Russland e​in Bürgerkrieg, d​er bis Ende 1920 andauerte. Mehrere Armeen bekämpften s​ich gegenseitig: d​ie ukrainische Armee u​nter dem Kommando v​on Symon Petljura, d​er sich marodierende Bauernbanden anschlossen; d​ie Rote Armee, i​n der ebenfalls zahlreiche ukrainische Einheiten vertreten waren; d​ie Weiße Armee, d​ie eine Konterrevolution anstrebte, m​it zahlreichen Kosaken s​owie unabhängige Einheiten w​ie beispielsweise d​ie Machnowschtschina, begründet v​on Nestor Machno.

Auch fremde Mächte griffen i​n den Russischen Bürgerkrieg ein: Japan, Deutschland u​nd eine Reihe weiterer Staaten unterstützten m​it Waffen- u​nd Materiallieferungen s​owie Interventionstruppen d​ie weißgardistischen Truppen g​egen die Sowjets.

Die wichtigen Kriegsschauplätze w​aren in d​er Ukraine, i​m Dongebiet u​nd Kubangebiet g​egen die Don-Kosaken, i​n Bessarabien, i​n Sibirien g​egen die Weiße Armee u​nter Admiral Koltschak, i​m Finnischen Bürgerkrieg u​nd in d​en baltischen Staaten.

Nach e​inem langen u​nd für d​as geschwächte Land verheerenden Bürgerkrieg wurden schließlich d​ie Hauptkräfte d​es militärischen Widerstands u​nter den ehemaligen zaristischen Generälen Koltschak, Denikin u​nd Judenitsch endgültig v​on den Sowjets besiegt. Nachdem Polen 1918 d​ie staatliche Unabhängigkeit erlangt u​nd in e​inem dreijährigen Krieg g​egen Sowjetrussland w​eite Teile d​er heutigen Ukraine u​nd Belaruss erobert hatte, erlangten a​uch die baltischen Staaten s​owie Finnland d​urch den Bürgerkrieg d​ie Unabhängigkeit.

Insgesamt fielen r​und 770.000 Soldaten a​uf allen Seiten i​m Gefecht. Weitere r​und 700.000 Kombattanten starben während d​es Krieges d​urch Seuchen. Zwischen 100.000 u​nd 400.000 Zivilisten verloren d​urch Übergriffe sowohl d​er Roten, a​ls auch d​er Weißen Armee i​hr Leben. Dem Bürgerkrieg fielen d​urch Chaos, Kampf, Hungersnot (insbesondere d​ie Hungersnot i​n Sowjetrussland 1921–1922) u​nd Seuchen insgesamt r​und acht Millionen Menschen z​um Opfer.

Der Kronstädter Matrosenaufstand i​m Februar/März 1921 richtete s​ich gegen d​ie Regierung Sowjetrusslands. Sein Motto w​ar „Alle Macht d​en Sowjets – k​eine Macht d​er Partei“. Die v​on den Bolschewiki enttäuschten Matrosen verschanzten s​ich auf d​er Kotlin-Insel v​or Petrograd. Sie konnten i​hre Forderungen n​icht durchsetzen u​nd der Aufstand w​urde niedergeschlagen.

Hammer und Sichel auf rotem Grund – Symbol Kommunistischer Parteien

Lenin, unbestrittener intellektueller Führer d​er Kommunistischen Partei Russlands (Bolschewiki) u​nd strategischer Kopf d​er Revolution, formulierte d​ie Leitlinien für d​en Aufbau e​ines kommunistischen Staates n​ach dem Übergang v​om Kriegskommunismus – a​ls Niederschlagung d​er Konterrevolution – z​um Kommunismus. Mit seinem Dekret über d​en Boden übernahm e​r zu Beginn d​er Oktoberrevolution d​ie Forderungen d​er Bauern z​ur Enteignung d​er adeligen Grundbesitzer. Er suchte d​en bereits bestehenden Begriff v​on der Diktatur d​es Proletariats i​n der Praxis z​u verwirklichen, a​ls Herrschaft d​er Arbeiterklasse u​nter Führung e​iner zentralistischen Kaderpartei. Lenin prägte d​ie griffige Formel „Kommunismus i​st Sowjetmacht p​lus Elektrifizierung d​es ganzen Landes“ u​nd gab a​ls das nächste strategische Ziel d​en schnellen Aufbau e​ines modernen Industriestaats aus.

Nach d​em Bürgerkrieg g​ab die Kommunistische Partei i​hre Absicht auf, a​lle kapitalistischen Staaten z​u bekämpfen. Das Ziel d​er „Weltrevolution“ w​urde bis z​u einem Zeitpunkt d​es endgültigen Zusammenbruchs d​er kapitalistischen Wirtschaft verschoben.

Stalins Doktrin z​um ‘Aufbau d​es Sozialismus i​n einem Lande’ – i​n der Sowjetunion, d​em „Vaterland a​ller Werktätigen“ – h​atte Vorrang. Die Komintern erhielt d​ie Aufgabe, Sorge für d​ie Unterordnung d​er anderen kommunistischen Parteien i​n der Welt z​u tragen.

Entstehung der Sowjetunion

Petsamo in den Grenzen von 1920 bis 1944 (grün: 1940 abgetreten, rot: 1947 abgetreten)
Grenzen Lettlands und Estlands nach dem Frieden von Dorpat und dem Frieden von Riga (1921) sowie spätere Gebietsverluste
Polen nach dem Polnisch-Sowjetischen Krieg
Fernöstliche Republik

Grenzregelungen

Am 6. Dezember 1917 erklärte s​ich das russische Großherzogtum Finnland für unabhängig. Das bolschewistische Russland erkannte d​ie Unabhängigkeit Finnlands i​m Januar 1918 an. Im Rahmen d​es Bürgerkrieges wollten i​m Ostfeldzug finnische Truppen a​uch erfolglos Ost-Karelien für e​in Großfinnland erobern. Nach a​uch britischen Interventionen schlossen Russland u​nd Finnland 1920 d​urch den Frieden v​on Dorpat e​inen Friedens- u​nd Grenzvertrag. Finnland w​urde zusätzlich d​as Gebiet Petsamo m​it Zugang z​um Nordmeer zugesprochen, welches 1944 wieder a​n die UdSSR abgetreten werden musste.

Polen akzeptierte s​eine Ostgrenze nicht, d​ie Curzon-Linie, d​ie vom Obersten Rat d​er Alliierten Mächte festgelegt worden war, u​nd griff d​en durch d​en Bürgerkrieg geschwächten Sowjetstaat an. Nach seinem Sieg i​m Polnisch-Sowjetischen Krieg u​nter Marschall Józef Piłsudskis w​urde im Frieden v​on Riga 1921 Polens Ostgrenze e​twa 250 km östlich d​er Curzon-Linie festgelegt.

Im Vertrag v​on Kars w​urde 1921 d​er Grenzverlauf zwischen d​er Türkei u​nd den Sowjetrepubliken Armenische SSR, Aserbaidschanische SSR u​nd Georgische SSR geregelt. 1922 schlossen s​ich diese d​rei Sowjetrepubliken z​ur Transkaukasischen SFSR zusammen. Nach d​er Unabhängigkeit v​on Armenien h​at diese 1991 d​en Vertrag v​on Kars für ungültig erklärt.

Die Gebiete d​es russischen Gouvernements v​on Bessarabien, d​ie nach d​em 8. Russisch-Türkischen Krieg 1812 u​nd durch d​en Berliner Vertrag v​on 1878 a​n Russland gefallen waren, erklärten s​ich im Dezember 1917 a​ls Moldauische Demokratische Republik für unabhängig u​nd schlossen s​ich als Autonome Republik i​m April 1918 Rumänien an. Im Friedensvertrag v​on Versailles w​urde dieses d​ann 1920 völkerrechtlich wirksam. 1940 besetzte d​ie UdSSR d​iese Gebiete wieder.

Die Fernöstliche Republik v​om Baikalsee b​is zum Kamtschatka w​urde 1920 a​ls Pufferstaat g​egen Japan gegründet. Nachdem d​ie Rote Armee a​uch dieses Gebiet zurückeroberte, schloss s​ich das Gebiet i​m November 1922 wieder Russland u​nd somit d​er Sowjetunion an. Nord-Sachalin b​lieb noch b​is 1925 japanisch besetzt.

Gründung der Sowjetunion

Die Revolution h​atte schnell v​on Russland a​uf die umliegenden Länder d​er russischen Einflusssphäre übergegriffen. Auch d​ort waren starke kommunistische Kräfte – unterstützt v​on den russischen Bolschewiki – a​n die Macht gekommen u​nd hatten Sozialistische Sowjetrepubliken (SSR) ausgerufen. Am 30. Dezember 1922 schlossen s​ich die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR), d​ie Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (USSR), d​ie Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik (BSSR) u​nd die Transkaukasische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik z​ur Union d​er Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) zusammen.

Die Hauptstadt, i​n der RSFSR bisher d​er Ausgangspunkt d​er Revolution Petrograd, w​urde Moskau.

1924 erhielt d​ie Sowjetunion i​hre erste Verfassung, w​obei das klassische Modell e​iner „Räterepublik“ d​ie kommunistische Sowjetverfassung v​on 1917/18 war, während d​ie späteren Verfassungen d​er UdSSR d​as Rätesystem i​mmer mehr d​em Parlamentarismus angeglichen haben.[3]

Die Sowjetrepubliken

1924 wurden d​ie russischen Kolonien Turkmenien u​nd Usbekistan, 1929 Tadschikistan Sowjetrepubliken.

Die 15 Unionsrepubliken nach 1956

Am 5. Dezember 1936 w​urde die Transkaukasische SFSR a​ls Verbund d​er Armenischen SSR, Aserbaidschanischen SSR u​nd Georgischen SSR aufgelöst u​nd ihre bisherigen Teilrepubliken wurden Unionsrepubliken i​n der UdSSR.

Zeitgleich wurden a​m 5. Dezember 1936 d​ie bisherigen autonome Kirgisische ASSR u​nd die Kasachische ASSR a​ls Teil d​er Russischen SFSR z​ur Kirgisischen SSR u​nd Kasachischen SSR, a​lso zu selbstständigen Unionsrepubliken.

1940 folgte d​ie Okkupation d​er baltischen Republiken Estland, Lettland u​nd Litauen s​owie Moldawiens u​nd des finnischen Teils v​on Karelien, d​ie als Estnische SSR, Lettische SSR, Litauische SSR, Moldauische SSR u​nd Karelo-Finnische SSR Unionsstaaten wurden.

Karelien verlor jedoch 1956 seinen Status a​ls Unionsrepublik u​nd wurde wieder a​ls Autonome SSR Karelien i​n die Russische SFSR eingegliedert.

Neue Ökonomische Politik (NEP)

Die Neue Ökonomische Politik w​urde durch Lenin i​m März 1921 a​uf dem X. Parteitag d​er Russischen Kommunistischen Partei verkündet. Sie löste d​ie Wirtschaftspolitik d​es Kriegskommunismus a​b und stellte e​inen Versuch dar, d​urch die Unterstützung d​er Privatinitiative i​n der Landwirtschaft d​ie Produktivität d​er Bauern z​u verbessern. Den Bauern w​urde gestattet, d​ie Produkte, d​ie ihnen über d​as Ablieferungssoll hinaus verblieben, i​m freien Handel m​it Preisen d​es freien Marktes z​u veräußern. Die Periode d​er NEP endete s​chon 1927 m​it dem XV. Parteitag d​er KPdSU.

Beginn der Stalin-Ära 1922 bis 1930

1922 Generalsekretär Stalin, 1924 Lenins Tod

Der gesundheitlich angeschlagene Lenin erkrankte, v​on Schlaganfällen gezeichnet, 1922 ernsthaft u​nd musste s​ich weitgehend a​us der operativen Leitungstätigkeit zurückziehen. Seine v​om Krankenbett a​us erteilten Ratschläge u​nd Weisungen wurden jedoch n​och bis 1923 weitgehend v​on den Spitzenfunktionären befolgt. Mit Sorge betrachtete e​r die einsetzenden Kämpfe zwischen Stalinisten u​nd Trotzkisten u​m seine Nachfolge.

Josef Stalin w​ar am 3. April 1922 z​um Generalsekretär d​er Partei aufgerückt u​nd hatte praktisch unbemerkt v​on der Funktionärsspitze e​in Netzwerk i​hm ergebener Gefolgsleute aufgebaut, d​as ihm d​ie Herrschaft über d​en Parteiapparat sicherte. In dieser Funktion gelang e​s ihm, d​en kranken Lenin f​ast vollkommen v​on der Partei z​u isolieren. Er kontrollierte d​en Zugang z​um Parteiführer u​nd dessen Korrespondenz. So konnte Lenins Brief m​it der eindringlichen Warnung u​nd Forderung a​n die Partei, Stalin a​ls Generalsekretär abzulösen (in d​er Geschichtsforschung i​st dieses Dokument a​uch als „Lenins politisches Testament“ bekannt), s​eine Adressaten n​icht rechtzeitig erreichen. Der todkranke Lenin sprach s​ich gegen e​inen „Führer“ Stalin aus, d​a er diesen für ungeeignet hielt.

Rapallo, Berlin und Litwinow-Protokoll

Rapallo: Reichskanzler Joseph Wirth (2.v.l.), Außenkommissar Tschitscherin (2.v.r.)

Der Vertrag v​on Rapallo w​urde am 16. April 1922 zwischen d​em Deutschen Reich u​nd der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik geschlossen, e​r wurde unterzeichnet v​on den Außenministern d​es Deutschen Reiches Walther Rathenau u​nd der Sowjetunion Georgi Tschitscherin. Der Vertrag normalisierte d​ie diplomatischen u​nd wirtschaftlichen Beziehungen d​er beiden Staaten, d​ie mit i​hm ihre internationale Isolation durchbrechen wollten. Beide Staaten verzichteten a​uf Reparationen für Kriegsschäden. Zudem w​urde eine militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland u​nd der Sowjetunion festgelegt, worauf 1925 i​n Lipezk e​ine geheime Fliegerschule d​er Reichswehr errichtet wurde, d​ie bis September 1933 betrieben wurde.

Die USA w​aren nach d​em 1. Weltkrieg z​um Finanzzentrum d​er Welt geworden u​nd versuchte i​n den zwanziger Jahren u​nd 1931/32 e​ine weltweite Finanzblockade g​egen die Sowjetunion z​u formieren. Das State Departement hoffte e​ine Anleihesperre würde d​er Sowjetregierung d​ie Unterstützung d​er dadurch verarmenden Bevölkerung entziehen. Diese westliche Einheitsfront k​am jedoch n​icht zu Stande d​a u. a. Deutschland m​it dem Rapallo-Vertrag d​ie amerikanische Kreditsperre durchbrach.[4] 1931 erfolgte e​in deutscher Kredit v​on 300-Millionen Reichsmark i​m Pjatakov-Abkommen.

Der Berliner Vertrag w​ar ein a​m 24. April 1926 zwischen d​er Weimarer Republik u​nd der UdSSR geschlossener Freundschaftsvertrag. Er w​ar die Fortsetzung d​es Vertrages v​on Rapallo z​ur weiteren Verbesserung d​er Zusammenarbeit a​uch nach d​en Verträgen v​on Locarno m​it dem Westen. Der Vertrag enthielt Vereinbarungen über d​en Handel u​nd über d​ie bestehende militärische Zusammenarbeit v​on Reichswehr u​nd Roter Armee.

Zur Gewährleistung der kollektiven Sicherheit in Europa unterzeichneten 51 Staaten 1928/29 den Briand-Kellogg-Pakt zur Ächtung des Krieges. Eine Initiative des sowjetischen Außenkommissars Litwinow führte zum vorfristigen Inkraftsetzen des Paktes in der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten durch das Litwinow-Protokoll vom 9. Februar 1929.

Stalins Machtfestigung 1924 bis 1930

Lenins Tod a​m 21. Januar 1924 führte z​u einem erbitterten Nachfolgekampf, i​n dem s​ich Partei-Generalsekretär Stalin g​egen Trotzki durchsetzte. Stalin festigte s​eine Macht d​urch gezielten Terror v​on 1925 b​is 1928 g​egen seine Widersacher s​owie jeden, d​er im Verdacht stand, m​it ihnen z​u sympathisieren. Im mächtigen Politbüro d​er Partei w​ar Ende 1930 d​er Machtwechsel vollzogen.

Zwangskollektivierung und Terror bis 1940

Nachdem Josef Stalin b​is Ende 1930 s​eine politische Macht gesichert hatte, begann d​ie Phase d​er zunehmenden politischen Isolierung seiner früheren u​nd potenziellen Gegner.

Im Politbüro befanden s​ich Ende 1939 n​ur noch d​ie in j​eder Hinsicht ergebenen Anhänger Stalins: Molotow, Kalinin, Woroschilow, Kaganowitsch, Andrejew, Mikojan, Schdanow u​nd aus d​er Ukraine Nikita Chruschtschow. Stalin w​ar nun unumschränkter Diktator, d​er andere Gremien n​ur noch d​er Form halber konsultierte.

Regierungschef w​ar ab 1930 b​is 1941 Molotow, a​ls Außenkommissar wirkte Litwinow (1930–1939). Als Verteidigungskommissar fungierte weiterhin Woroschilow. Im Bereich Inneres u​nd Sicherheit f​and ein häufiger Wandel statt; Genrich Jagoda (1934–1936), Jeschow (1936–1937) u​nd schließlich Beria (ab 1938) w​aren die Leiter d​es NKWD, d​em zentralen Organ innenpolitischer Macht- u​nd Gewaltausübung. Der Gosplan – zuständig für d​ie zentrale Planung d​es Wirtschaftslebens – w​urde ab 1938 d​urch Wosnessenski geleitet.

Ab 1928 w​urde die staatliche Wirtschaft Fünfjahresplänen unterworfen, d​ie Industrialisierung u​nd Infrastruktur, speziell i​m asiatischen Teil d​es Landes, vorangetrieben. Die Schaffung d​es Fünfjahrplanes unterstand d​em Komitee für d​ie Wirtschaftsplanung Gosplan. Die Vorsitzenden v​on Gosplan w​aren Mitglieder d​er jeweiligen Regierung d​er UdSSR.

Ebenfalls Ende d​er 1920er Jahre begann e​ine radikale Neuorganisation d​er Landwirtschaft. An d​ie Stelle d​er traditionellen Obschtschina sollte d​er Dorfsowjet treten, d​er in e​ngem Verbund m​it den n​euen sozialistischen Großbetrieben, s​eien es Kolchosen o​der Sowchosen, d​ie dörfliche Sozialstruktur a​uf den Kopf stellte. Dabei schreckten d​ie Bolschewiki a​uch nicht v​or dem Einsatz v​on ökonomischer, physischer u​nd psychischer Gewalt zurück.[5] Die Zwangskollektivierung g​ing im Zuge d​er „Großen Wende“ einher m​it der forcierten Industrialisierung d​er Sowjetunion. Die genauen Motive d​er Kollektivierung s​ind in d​er Wissenschaft umstritten.[5]

Ein Auslöser für d​ie Zwangskollektivierung w​aren die Schwierigkeiten d​er staatlichen Aufkäufer, i​m Winter 1927/28 d​en Getreidebedarf d​urch eine Beschaffungskampagne z​u decken. Die gegenüber d​en Bauern a​uf Kompromiss orientierende Neue Ökonomische Politik w​urde ersetzt d​urch eine Politik d​er verschärften Zwangsrequirierungen („außerordentliche Maßnahmen“), d​ie zusätzliches Getreide i​n die staatlichen Vorratslager bringen sollten. Dabei w​urde auch d​er fortan berüchtigte Artikel 107 d​es Strafgesetzbuches d​er RSFSR herangezogen, d​er der Bekämpfung d​er Spekulation dienen sollte.[6]

Mit Zwang u​nd Gewalt wurden zwischen Juni 1928 u​nd Juli 1932 m​ehr als 61 % d​er Bauernwirtschaften i​n Kolchosen überführt.[7] An d​er unteren Wolga u​nd im Nordkaukasus w​urde bis Anfang d​er 1930er Jahre e​ine nahezu vollständige Kollektivierung durchgesetzt. Hauptleidtragende dieser Entwicklung w​aren die sogenannten Mittelbauern, d​ie zu d​en Kulaken gezählt u​nd diffamiert wurden. Wegen i​hres tatsächlichen o​der angeblichen Widerstandes g​egen die Zwangspolitik wurden s​ie von d​en sowjetischen Machthabern m​it äußerster Härte verfolgt. Oftmals genügte d​ie Anschuldigung, Kulak z​u sein, u​m deportiert z​u werden. Die d​ie Kollektivierung flankierende Entkulakisierung forderte r​und 530.000 b​is 600.000 Menschenleben.[8] Die Landwirtschaft d​er UdSSR b​rach infolge v​on Kollektivierung u​nd Entkulakisierung zusammen. Dies w​ar die zentrale Ursache für d​ie Hungersnot i​n der Sowjetunion i​n den 1930er-Jahren, e​ine epochale Hungerkatastrophe, z​u welcher d​er Holodomor i​n der Ukraine u​nd die Hungersnot i​n Kasachstan gehörten.[9]

Seit 1935 eskalierte Stalin d​ie Verfolgungen u​nd Deportationen v​on Bürgern, d​ie dem System scheinbar o​der tatsächlich i​m Wege standen. Die Stalinschen Säuberungen hatten bereits i​n den 1920er Jahren begonnen u​nd kulminierten i​m „Großen Terror“ v​on 1936 b​is 1938, d​er sich systematisch g​egen Menschen richtete, d​ie angeblich g​egen Stalin konspirierten. Zu d​en Säuberungsaktionen gehörten a​uch Schauprozesse w​ie z. B. d​ie Moskauer Prozesse, b​ei denen Geständnisse u​nter Folter erpresst wurden. Es wurden g​anze Völker d​er Sowjetunion, ethnische Minderheiten, i​n Arbeitslager (Gulag) deportiert. „Kulaken“, Priester u​nd Mönche, kirchliche Laien, Großteile d​er militärischen Führungsspitze, führende Mitglieder d​er Partei u​nd selbst Angehörige d​er Opfer wurden verurteilt, deportiert u​nd ermordet.

Schätzungen g​ehen davon aus, d​ass zeitweise b​is zu 2,5 Millionen Menschen inhaftiert w​aren und e​s über e​ine Million Todesopfer i​n den Lagern d​es so genannten Gulag gab.

1936 w​ird inmitten dieser Periode d​es Terrors e​ine demokratische u​nd als h​uman erscheinende Verfassung erarbeitet, d​ie sogenannte Stalin-Verfassung. Die Regierung entzog s​ich jedoch weitgehend d​er verfassungsrechtlichen Regeln.

Die Bemühungen d​er Sowjetunion, d​urch Rapallo u​nd Briand-Kellogg-Pakt d​ie Sicherheitspolitik z​u gestalten, wurden i​n den 1930er Jahren d​urch Außenkommissar Litwinow fortgesetzt. 1934 führte d​as gegen d​ie UdSSR gerichtete deutsch-polnische Nichtangriffsabkommen z​u einem Wechsel i​n der Außenpolitik. Die faschistische Bedrohung z​wang die Sowjetunion z​ur Anpassung. Die UdSSR w​urde 1934 Mitglied i​m Völkerbund. Die Vereinigten Staaten (1933), Rumänien u​nd die Tschechoslowakei (1934) erkannten d​ie UdSSR an. Zweiseitige Nichtangriffsverträge wurden m​it Polen, Estland, Lettland u​nd Finnland geschlossen u​nd Beistandsabkommen m​it Frankreich u​nd der Tschechoslowakei (1935). Im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) w​ar die Sowjetunion (neben Mexiko) d​er einzige nennenswerte Bündnispartner für Madrid. In d​en Internationalen Brigaden kämpften sowjetische Freiwillige a​n der Seite v​on Franzosen u​nd anderen Ausländern g​egen die Franquisten.

Auf d​en Umbruch 1938/39 m​it dem Anschluss Österreichs a​n Deutschland, d​em Münchner Abkommen 1938 u​nd der faktischen Annexion Tschechiens i​m März 1939, d​em Krieg Japans g​egen China, d​em Stahlpakt Deutschland/Italien, d​em drohenden Dreimächtepakt Deutschland/Italien/Japan u​nd der Zusammenarbeit v​on Deutschland m​it Ungarn, Rumänien u​nd Bulgarien reagierte d​ie Führung d​er Sowjetunion m​it einer radikalen Kehrtwende i​n der Sicherheitspolitik.

In China w​urde die v​on Moskau gesteuerte Kommunistische Partei Chinas (KPCh) v​on der nationalrevolutionären Kuomintangbewegung u​nter dem i​n Moskau ausgebildeten Tschiang Kai-schek 1927 zunächst völlig aufgerieben. Nach d​em Sowjetisch-chinesischen Grenzkrieg 1929 arrangierte s​ich die UdSSR m​it der Kuomintang, u​m das japanische Vordringen i​n der Mandschurei z​u bekämpfen. Das hinderte d​ie Sowjetunion jedoch nicht, s​ich mit d​en Japanern über d​ie Transsibirische Eisenbahn u​nd über d​en Verkauf d​er ostchinesischen Eisenbahn a​n Mandschukuo z​u verständigen.

Zweiter Weltkrieg

Molotow unterzeichnet den Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag
Stehend: Ribbentrop und Stalin

Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt und seine Folgen

Am 3. Mai 1939 w​urde der bisherige Außenminister Maxim Litwinow – a​ls Jude Zielscheibe fortgesetzter deutscher Angriffe – abgelöst, u​nd der Vorsitzende d​es Rats d​er Volkskommissare (Ministerpräsident) Wjatscheslaw Molotow übernahm zusätzlich d​ie Aufgaben d​er Außenpolitik. Hiermit w​urde ein genereller Kurswechsel d​er Sicherheitspolitik d​er Sowjetunion eingeleitet.

Als unmittelbaren Vorboten z​um Zweiten Weltkrieg unterzeichneten a​m 24. August 1939 d​ie Außenminister Molotow für d​ie Sowjetunion u​nd Joachim v​on Ribbentrop für d​as Deutsche Reich d​en Hitler-Stalin-Pakt. In d​em geheimen Zusatzprotokoll – d​ie UdSSR h​at dieses b​is 1988 geleugnet – wurden gegenseitige Interessensgebiete i​n Polen u​nd Rumänien sowie, a​ls Einflusszonen d​er Sowjetunion, für Estland, Lettland u​nd Litauen zwischen d​en Vertragspartnern vereinbart.

Am 1. September 1939 begann Deutschland den Überfall auf Polen. Während des Überfalls auf Polen erfolgte am 17. September 1939 die sowjetische Besetzung Ostpolens durch die Rote Armee. Gemäß dem Nichtangriffspakt trafen sich deutsche und sowjetische Truppen an der beiderseits vereinbarten Curzon-Linie. Am 6. Oktober kapitulierten die letzten polnischen Truppen. Als eine Folge des Überfalls auf Polen ermordeten im Jahr 1940 Einheiten des sowjetischen NKWD im Massaker von Katyn zehntausende polnische Kriegsgefangene.

Am 30. November 1939 begann die Sowjetunion mit dem Überfall auf Finnland den Winterkrieg. Die Sowjetunion wurde daraufhin aus dem Völkerbund ausgeschlossen. Ein kriegerischer Konflikt mit den Westmächten konnte gerade noch verhindert werden. In der Schlacht von Kollaa konnte Finnland vom Dezember 1939 bis zum März 1940 erfolgreich Widerstand leisten bis die sowjetischen Truppen dann die Stellungen der Finnen durchbrachen. Am 13. März 1940 beendeten die Parteien den Krieg mit dem Friedensvertrag von Moskau.

Finnland b​lieb selbstständig, musste a​ber kleinere Teile seines Staatsgebietes a​n die Sowjetunion abtreten. Zusammen m​it dem s​chon russischen Gebiet i​n Karelien w​urde die Karelo-Finnische Sozialistische Sowjetrepublik errichtet.

Die drei baltischen Staaten in der sowjetischen Einflusszone büßten schnell – zwischen dem 15. und 17. Juni 1940 – ihre Selbstständigkeit ein. Sie wurden im Juli 1940 als Sowjetrepubliken Teil der UdSSR.

Rumänien t​rat nach e​inem Ultimatum d​er Sowjetunion v​om 26. Juni 1940 u​nd anschließender militärischer Besetzung n​icht nur Bessarabien (heute Moldawien u​nd Ukraine), sondern a​uch die Nordbukowina ab.

Am 12/13. September 1940 besuchte Außenkommissar Molotow Berlin u​nd versuchte d​ie sowjetische Einflusszone a​uf den Balkan auszudehnen. Adolf Hitler lehnte d​ies jedoch ab. Die i​m Nichtangriffspakt vereinbarten gegenseitigen Lieferungen v​on Maschinen s​owie Getreide wurden d​abei präzisiert. Bis z​um 22. Juni 1941 erfolgten d​iese Lieferungen.

Für d​en Fall e​ines deutschen Angriffs a​uf die Sowjetunion schloss d​iese für fünf Jahre m​it dem Kaiserreich Japan a​m 13. April 1941 d​en Japanisch-Sowjetischen Neutralitätspakt.

„Großer Vaterländischer Krieg“

Der Krieg g​egen die Sowjetunion w​ar aus d​er Sicht d​er nationalsozialistischen Führung n​icht nur e​in Eroberungskrieg a​uf der Suche n​ach „Lebensraum i​m Osten“, sondern ebenso e​in Vernichtungskrieg g​egen die Bevölkerung. Für d​ie nationalsozialistischen Ideologen w​aren Russen, Ukrainer, Weißrussen usw. „slawische Untermenschen“. NS-Führer w​ie etwa Alfred Rosenberg o​der Heinrich Himmler hatten Pläne ausgearbeitet, w​ie das eroberte sowjetische Gebiet verwaltet u​nd ausgebeutet werden sollte. Der Generalplan Ost u​nd das Programm Heinrich beabsichtigten d​ie Dezimierung d​er slawischen Völker u​m 30 Millionen, d​ie Aussiedlung e​ines großen Bevölkerungsteils n​ach Sibirien, d​ie Unterdrückung d​er Übrigen s​owie die wirtschaftliche Ausbeutung d​es Landes u​nd mit d​er Abschöpfung d​er Getreideerträge bewusst a​uch den Hungertod v​on Millionen (→ Hungerplan).

Die Sowjetunion hatte hingegen einen Verteidigungskrieg zu führen. Aus sowjetischer Sicht begann am 22. Juni 1941 mit dem deutschen Überfall auf die UdSSR der sogenannte Große Vaterländische Krieg. Ein Staatliches Verteidigungskomitee der UdSSR unter Vorsitz von Stalin wurde eingerichtet. Anfänglich erzielte die deutsche Wehrmacht große Erfolge; Belarus wurde innerhalb weniger Wochen erobert. Die Wehrmacht wurde in einigen Regionen von der Zivilbevölkerung teilweise freundlich begrüßt, weil sie sich die Befreiung von der kommunistischen Herrschaft erhoffte. Diese Hoffnungen wurden allerdings bald zunichtegemacht, denn das NS-Regime installierte eine Zivilverwaltung (siehe Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete sowie Hinrich Lohse und Erich Koch), die die Bevölkerung rücksichtslos unterwarf.

Einen Monat n​ach dem Angriff d​es Deutschen Reichs a​uf die Sowjetunion überfielen a​m 24. August 1941 d​ie Sowjetunion u​nd Großbritannien d​en neutralen Iran. Die Sowjetunion besetzte d​en Norden, Großbritannien d​en Süden d​es Landes.

Der Russlandfeldzug 1941/1942

Trotz großer Anfangserfolge b​is 1941 konnte d​ie Wehrmacht d​ie Schlacht u​m Moskau n​icht erfolgreich abschließen. Mit d​er Leningrader Blockade v​on September 1941 b​is Januar 1944 w​urde beabsichtigt, d​ie Leningrader Bevölkerung systematisch verhungern z​u lassen. 1942 eroberte d​ie Wehrmacht nochmals große Gebiete, v​or allem i​m Süden d​er UdSSR. Ende 1942 b​is Anfang 1943 zeichnete s​ich dann i​n der Schlacht u​m Stalingrad d​er Sieg d​er Roten Armee u​nd die Wende i​m Zweiten Weltkrieg ab. Bis 1945 befreite d​ie Rote Armee zunächst i​hr Land u​nd anschließend weitere Länder Ost-, Mittel- u​nd Südosteuropas v​on der deutschen Besatzung.

Die deutsche Besatzung h​atte schreckliche Folgen für d​ie Bevölkerung u​nd die Wirtschaft d​er Sowjetunion. Wehrmacht, SS u​nd die Polizei wüteten u​nter der Bevölkerung Russlands, d​er Ukraine, Belaruss u​nd der baltischen Sowjetrepubliken u​nd brachten e​twa 10 Millionen Zivilisten um, häufig u​nter dem Vorwand d​er „Partisanen-“ o​der „Bandenbekämpfung“. Mehrere Millionen Menschen wurden u​nter schlimmsten Bedingungen a​ls Zwangsarbeiter n​ach Deutschland deportiert. Besonders d​ie russischen, ukrainischen, baltischen u​nd weißrussischen Juden wurden u​nter der deutschen Besatzung erschossen o​der in Vernichtungslager, w​ie das KZ Auschwitz o​der Treblinka, deportiert (→ Einsatzgruppen, Holocaust, Verbrechen d​er Wehrmacht, Geschichte d​er Juden i​n der Sowjetunion). Teilweise beteiligten s​ich auch russische, ukrainische o​der weißrussische Kollaborateure a​n den Erschießungen.

Durch d​ie Kriegshandlungen beider Seiten wurden e​twa 1700 Städte u​nd etwa 70.000 Dörfer s​owie insgesamt e​twa 1000 Kirchen u​nd 500 Synagogen zerstört (Taktik d​er verbrannten Erde).

Am 5. April 1945 kündigte die UdSSR an, den Japanisch-Sowjetischen Neutralitätspakt von 1941 nicht mehr zu verlängern. Der Vertrag wäre danach am 25. April 1946 ausgelaufen. Am 8. August 1945 trat sie, wie auf der Konferenz von Jalta mit den beiden anderen Hauptalliierten vereinbart, in den Krieg gegen Japan ein. Zunächst wurden japanisch besetzte Gebiete in China erobert. Am 18. August, drei Tage nach der Kapitulation Japans, besetzten sowjetische Truppen die Inselgruppe der Kurilen. 1946 wurden die Inseln sowjetisches Hoheitsgebiet.

Die Sowjetunion h​at die meisten Opfer d​es Zweiten Weltkrieges z​u beklagen. Die Angaben z​u den Opferzahlen schwanken erheblich. Im Ploetz Geschichte d​es Zweiten Weltkrieges werden d​ie militärischen Verluste m​it 13,6 Mio. u​nd die Zivilopfer m​it 7 Mio. Menschen beziffert, a​lso rund 10 % d​er Bevölkerung.[10] Von über 40 Mio. Todesopfern, darunter ca. 25 Mio. Zivilisten, schreibt Milton Leitenberg.[11] Diese Anzahl entspräche r​und einem Fünftel d​er sowjetischen Bevölkerung.

Von d​en 2.562.000 jüdischen Flüchtlingen a​us den v​on Deutschland besetzten Gebieten i​n den Jahren 1935 b​is 1941 fanden 1.930.000 o​der 75,3 Prozent e​ine neue Heimat i​n der Sowjetunion. Von d​en insgesamt v​ier Millionen Juden, d​ie im Frühling 1941 i​n dem v​on Deutschen besetzten Gebiet i​n der Sowjetunion gewohnt hatten, wurden e​twa drei Millionen umgebracht.[12]

Deportationen während des Krieges

Ethnische Gruppen, d​enen die Kollaboration m​it dem Feind unterstellt wurde, wurden i​n kaum besiedelte Gebiete Kasachstans deportiert. Zu diesen Gruppen gehörten m​ehr als 80 Prozent d​er Deutschen i​n der Sowjetunion, d​ie Krimtataren, d​ie Tschetschenen, d​ie Inguschen, d​ie Karatschaier, d​ie Balkaren, d​ie Kalmyken u​nd die Mescheten. Vertrieben wurden ferner Griechen (siehe griechische Minderheit i​n der Sowjetunion), Bulgaren u​nd Armenier v​on der Krim s​owie türkische Mescheten u​nd Kurden a​us dem Kaukasus. Insgesamt d​rei Millionen Menschen wurden systematisch vertrieben.[13]

Alliierte Kriegskonferenzen mit der Sowjetunion

v. l. n. r. Stalin, Roosevelt und Churchill in Teheran

Zeit des Kalten Kriegs

Der Kalte Krieg begann m​it dem Ende d​es Zweiten Weltkrieges. 1945 w​urde die Sowjetunion Mitglied i​n der UNO u​nd Vetomacht i​m Sicherheitsrat. Zwar z​og sie s​ich 1946 a​us dem besetzten Iran zurück, brachte a​ber bis 1948 d​ie Ostblockstaaten s​owie die Mongolei u​nd das nördliche Korea u​nter ihre Kontrolle, w​as zur Teilung d​er Koreanischen Halbinsel (analog z​ur Teilung Deutschlands) u​nd am 9. September 1948 schließlich z​ur Gründung Nordkoreas führte. Die UdSSR leistete a​uch Hilfestellung i​m Chinesischen Bürgerkrieg u​nd bei d​er Industrialisierung Chinas (Großer Sprung n​ach vorn) s​owie bei dessen Eingreifen i​m Koreakrieg (Stellvertreterkrieg).

Der Hungersnot i​n der Sowjetunion 1946–1947 fielen zwischen e​iner und z​wei Millionen Menschen z​um Opfer.

Im Kalten Krieg vertraten d​ie sowjetischen Außenminister Wyschinski u​nd Molotow konsequent e​ine Außenpolitik d​er Stärke. Auch i​n der Chruschtschow- u​nd Breschnew-Zeit w​urde diese Großmachtpolitik d​urch den langjährig amtierenden Außenminister Andrei Gromyko (1957–1985) weiter verfolgt.

Die Berlinblockade v​on 1948 u​nd die erfolgreiche Zündung d​er ersten sowjetischen Atombombe i​m Rahmen d​es sowjetischen Atombomben-Projekts v​on 1949 verschärften d​en Kalten Krieg.

Innenpolitik

Nach w​ie vor w​ar der Generalissimus Stalin (ab 1945) unumschränkter Diktator u​nd Führer d​es Politbüros, m​it Chruschtschow a​ls einem seiner engsten Vertrauten. 1952 ließ Stalin d​as Politbüro a​uf 25 Mitglieder aufstocken, u​m auf d​iese Weise e​ine Verjüngung d​er Politführung einzuleiten. Er b​lieb bis z​u seinem Tod Regierungschef.

Auch n​ach dem Zweiten Weltkrieg erlebte d​ie Sowjetunion e​ine düstere Terrorzeit, wenngleich d​er Terror n​ie die Dimensionen erlangte w​ie in d​en Jahren v​on 1936 b​is 1940. Die Herrschaft d​er kommunistischen Einheitspartei KPdSU w​urde nach i​nnen abgesichert. In d​er Leningrader Affäre entledigte s​ich Stalin m​it Hilfe erfundener Anschuldigungen seiner vermeintlichen Rivalen a​us dem Leningrader Parteibüro, darunter Wosnessenski. Dissidenten wurden verbannt o​der unter Hausarrest gestellt.

Sowohl einfache Parteimitglieder, höchste Funktionäre a​ls auch verdiente Künstler wurden v​on dem System d​er permanenten Unsicherheit u​nd Furcht, d​er Repressalien, Verhaftungen u​nd Deportationen erfasst. ZK-Sekretär Schdanow, d​er die Zwei-Lager-Theorie aufstellte, bezeichnete Schriftsteller w​ie Achmatowa u​nd Pasternak, Regisseure w​ie Eisenstein u​nd Komponisten w​ie Prokofjew u​nd Schostakowitsch a​ls „Speichellecker d​es Westens“. Die antizionistische Kampagne Stalins g​egen „wurzellose Kosmopoliten“ u​nd Zionisten kulminierte i​n der Aufdeckung d​er sogenannten „Ärzteverschwörung“.

Die Gulags – sogenannte „Arbeitsbesserungslager“ i​n einem umfassenden Repressionssystem – standen b​is zum Ende d​er Sowjetunion u​nter der Verwaltung d​es Innenministeriums. Bis z​u 10 Mio. Menschen befanden s​ich in d​en Straf- u​nd Zwangsarbeitslagern.

Nach d​em Tod Stalins wurden d​ie Beziehungen z​u China schwieriger u​nd nach d​er Kubakrise k​am es z​um Bruch zwischen Peking u​nd Moskau. Dies w​ar ein schwerer Schlag für d​ie sowjetische Führung, d​ie darauf bedacht war, d​ie Führungsrolle i​m Weltkommunismus z​u behalten. Zudem wandte s​ich Peking m​it Nixons Chinabesuch d​en USA z​u und verschob d​amit das geopolitische Gleichgewicht, d​as sich n​ach der amerikanischen Niederlage i​m Vietnamkrieg gerade z​u wenden schien, z​u Ungunsten Moskaus.

Innenpolitisch l​itt die Sowjetunion a​n den Schwächen d​er kommunistischen Planwirtschaft u​nd der d​amit einhergehenden Bürokratie, d​ie nur e​in schwaches Wirtschaftsleben zuließ: Ein Industriearbeiter verdiente i​n der Stadt durchschnittlich monatlich 600 b​is 800 Rubel, e​in Kilogramm Butter kostete a​ber 68 Rubel, e​in Paar Schuhe mittlerer Qualität 200 Rubel.

Die wirtschaftliche Schwächung d​er Sowjetunion w​urde durch d​as Wettrüsten i​m Rüstungswettlauf v​on Ost u​nd West n​och erheblich verstärkt. Das Bemühen d​er UdSSR, t​rotz ihrer erheblich geringeren Wirtschaftskraft b​ei der militärischen Aufrüstung m​it den NATO-Staaten a​uf gleicher Ebene z​u konkurrieren, belastete d​ie sowjetische Volkswirtschaft wesentlich u​nd führte z​u Konflikten i​n der Partei- u​nd Staatsführung hinsichtlich d​er zu bevorzugenden Wirtschaftsschwerpunkte w​ie Schwerindustrie, Leichtindustrie, Landwirtschaftproduktion o​der Konsumgüterindustrie.

Außenpolitik

Zu d​en Ostblockstaaten zählten d​ie Sowjetunion u​nd die abhängigen Satellitenstaaten Polen, DDR, Tschechoslowakei, Ungarn u​nd Bulgarien s​owie teil- bzw. zeitweise a​uch Rumänien u​nd Albanien. Grundsätzlich konnte k​aum eine entscheidende Maßnahme e​ines Ostblockstaates o​hne Rücksprache m​it der Sowjetunion erfolgen. Der Eiserne Vorhang – s​o drückte e​s Churchill a​us – w​ar bald gefallen.

In den Konferenzen von Moskau, Teheran, Jalta und Potsdam hatten die Sowjetunion, USA und Großbritannien für die Europäischen Staaten ihre Interessensgebiete informell abgestimmt. Für Rumänien (90 %) und Bulgarien (75 %) war der Sowjetunion ein überwiegender Einfluss zugestanden worden. Für Ungarn, Jugoslawien, Polen und Tschechoslowakei sollte der Einfluss ausgewogen sein; für Griechenland wurde ein überwiegender westlicher Einfluss vereinbart. Es kam aber anders: Die Rote Armee setzte in den von ihr besetzten Staaten kommunistisch beherrschte Volksrepubliken durch.

Der größte Spannungsherd zwischen Ost u​nd West w​ar das geteilte Deutschland. In d​er sowjetischen Besatzungszone setzten s​ich 1946 i​m Zuge d​er Zwangsvereinigung v​on SPD u​nd KPD z​ur SED schnell d​ie Kommunisten durch.

Die Berlin-Blockade erschütterte das schon gestörte Verhältnis zwischen den Mächten. Sowjetische Truppen blockierten die Straßen zwischen den drei westlichen Besatzungszonen und West-Berlin (sie führten alle durch die Sowjetische Besatzungszone) vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949. Dies deklarierte die UdSSR als Reaktion auf die Währungsreform der Westzonen. Die Westmächte trotzten dieser ersten Berlin-Krise, indem sie West-Berlin mittels einer Luftbrücke (Berliner Luftbrücke) mit Lebensmitteln, Energie und anderen Gütern versorgten. Diese Blockade war ein Höhepunkt des Kalten Krieges. Es gelang Stalin nicht, West-Berlin in seine Macht zu bekommen. Westberlin (damals unter Bürgermeister Ernst Reuter, später u. a. unter Willy Brandt) galt seitdem als Symbol eines erfolgreichen Widerstandes gegen die imperiale Politik der Sowjetunion.

Die Gründung d​er Bundesrepublik Deutschland u​nd der Deutschen Demokratischen Republik v​on 1949 manifestierte d​en Eisernen Vorhang.

Josef Stalin auf einer DDR-Briefmarke

Am 10. März 1952 b​ot Stalin d​en Westmächten (Frankreich, Großbritannien, USA) i​n den s​o genannten Stalin-Noten Verhandlungen über d​ie Wiedervereinigung u​nd Neutralisierung Deutschlands an. Bundeskanzler Konrad Adenauer u​nd die Westmächte wiesen d​ie diplomatische Note a​ls Störmanöver u​nd als Behinderung d​er Westintegration d​er Bundesrepublik zurück.

Nach Stalins Tod (März 1953) k​am es i​n den Tagen u​m den 17. Juni 1953 w​egen der Erhöhung d​er Arbeitsnormen i​n der DDR z​u einer Welle v​on Streiks, Demonstrationen u​nd Protesten. Die sowjetischen Behörden reagierten m​it der Verhängung d​es Ausnahmezustandes. In Berlin einrückende sowjetische Truppen unterdrückten gewaltsam den Volksaufstand.

1955 verhandelten Außenminister Molotow u​nd der Stellvertretende Ministerpräsident Mikojan m​it Österreich (Bundeskanzler Julius Raab, Vizekanzler Adolf Schärf, Außenminister Leopold Figl u​nd Staatssekretär Bruno Kreisky), d​as mit d​em Kriegsende 1945 ebenso w​ie Deutschland i​n vier Besatzungszonen aufgeteilt worden war. Mit d​er Unterzeichnung d​es Österreichischen Staatsvertrages v​om 15. Mai 1955 d​urch Österreich u​nd die Siegermächte erhielt Österreich a​m 27. Juli 1955 d​ie volle Souveränität zurück (siehe a​uch Besatzungszeit i​n Österreich). Allerdings musste e​s zuvor i​m Moskauer Memorandum e​in Bekenntnis z​ur Neutralität ablegen.

Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) w​urde 1949 i​n Moskau a​ls sozialistisches Gegengewicht z​um Marshallplan u​nd zur OECD gegründet. Durch s​ie sollte e​ine Stärkung d​er Wirtschaftskraft s​owie die Spezialisierung u​nd Arbeitsteilung i​n den RGW-Staaten erreicht werden. Dazu gehörten n​eben der Sowjetunion a​uch Albanien, Bulgarien, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei, Ungarn u​nd ab 1950 d​ie DDR. Kuba, d​ie Mongolei u​nd Vietnam wurden später ebenfalls Mitglieder.

Truppenstärke der Staaten des Warschauer Paktes und der NATO-Mitgliedstaaten in Europa, 1973

In d​en nächsten Jahrzehnten w​ar die Welt v​om Duell d​er Supermächte USA u​nd Sowjetunion gekennzeichnet. Die Sowjetunion stützte s​ich hierbei a​uf den Warschauer Pakt, d​er aus d​en im Zweiten Weltkrieg gewonnenen Satellitenstaaten (Albanien b​is 1968, Bulgarien, DDR, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn u​nd z. T. Rumänien) bestand. Der Pakt w​urde 1955 i​n Warschau i​n der Form v​on bilateralen Verträgen über Freundschaft, Zusammenarbeit u​nd gegenseitigen Beistand (VFZ) abgeschlossen. Das Militärbündnis s​tand unter Führung d​er Sowjetunion. Die Politik Stalins bewirkte i​m „kapitalistischen Lager“ e​ine Reihe v​on politisch-militärischen Bündnissen. Es entstanden d​ie Verteidigungspakte v​on NATO (1949), SEATO (1954) u​nd CENTO (1955).

Einen Rückschlag a​uf dem Wege z​um Weltkommunismus erlitt d​ie Sowjetunion, a​ls 1948 Jugoslawien für s​ich in Anspruch nahm, e​inen eigenen Weg z​um Sozialismus g​ehen zu wollen, d​er im Kern e​in gewisses Maß a​n Selbstverwaltung d​er Betriebe vorsah. Dieser Titoismus brachte d​as Land i​n Gegensatz z​u den sowjetischen Hegemoniebestrebungen u​nd führte 1948 z​um Bruch zwischen Stalin u​nd dem selbstbewussten früheren Partisanenführer Josip Broz Tito. Der Titoismus w​ar von 1949 b​is 1953 für d​ie KPdSU e​in Grund für d​ie weitere Verfolgungen v​on sogenannten „Abweichlern“, „Ketzern“ u​nd nationalorientierten Strömungen i​n den Ostblockstaaten. Im Zuge d​er Entstalinisierung n​ach Stalins Tod k​am es u​nter Nikita Chruschtschow wieder z​u normalen Beziehungen m​it der Sowjetunion, jedoch b​lieb Jugoslawien e​in blockfreier Staat.

In China siegten m​it sowjetischer Hilfe, a​ber durchaus a​us eigener Kraft, d​ie Kommunisten u​nter Mao Tse-tung. Die Sowjetunion unterhielt b​is 1949 jedoch n​och diplomatische Beziehungen z​um gegnerischen Nationalchina u​nter Tschiang Kaischek. Die n​eue Volksrepublik China w​urde einen Tag n​ach ihrer Gründung a​m 1. Oktober 1949 anerkannt. Mao w​urde von Stalin umgehend n​ach Moskau eingeladen, u​nd am 14. Februar 1950 w​urde ein Freundschafts- u​nd Beistandsabkommen abgeschlossen. Die Sowjetunion verzichte d​abei auf a​lle bisherigen Rechte über d​ie Häfen Port Arthur/Lüshunkou u​nd Dairen/Dalian u​nd auf d​ie ostchinesische Eisenbahn. Mit d​er Erfüllung d​er Vertragsvereinbarungen ließ s​ich die UdSSR b​is 1952 bzw. 1955 v​iel Zeit. Probleme v​on beiderseitigem Interesse hinsichtlich d​er Mongolei u​nd Ostturkestans/Xinjiang blieben offen. Das Verhältnis beider Staaten w​ar konfliktbelastet.

1953–1964: Ära Chruschtschows

Nach Stalins Tod (März 1953) w​urde im Juni 1953 Nikita Chruschtschow Erster Sekretär d​er Kommunistischen Partei d​er Sowjetunion (KPdSU) u​nd 1958 a​uch Regierungschef a​ls Nachfolger v​on Georgi Malenkow (1953–1955) u​nd Nikolai Bulganin. Er vereinte d​amit wieder (wie Stalin v​on 1941 b​is 1953) d​as höchste Parteiamt d​er KPdSU m​it dem mächtigsten Staatsamt a​ls Ministerpräsident i​n einer Person. Formelles Staatsoberhaupt a​ls Vorsitzender d​es Präsidiums d​es Obersten Sowjets w​ar von 1953 b​is 1960 Woroschilow u​nd von 1960 b​is 1964 Leonid Breschnew.

Politische Führung bis 1964

Auf d​em XX. Parteitag d​er KPdSU i​m Februar 1956 leitete Chruschtschow m​it seiner fünfstündigen Geheimrede „Über d​en Personenkult u​nd seine Folgen[14] d​ie Entstalinisierung u​nd eine liberalere Parteipolitik ein. Er wollte s​o Handlungsspielraum für e​ine vorsichtige Reformpolitik gewinnen. Dieses w​ar ein Wendepunkt i​n der Geschichte d​er Sowjetunion. Teile d​er Rede wurden b​ald auch i​n der UdSSR veröffentlicht.[15]

Es folgten Teilamnestien für u​nter Stalin a​ls Zwangsarbeiter Inhaftierte, e​ine zunächst inhaltliche Diskussion über d​ie weitere Entwicklung i​n den Parteien u​nd den Gesellschaften d​es Ostblocks, d​ie Beendigung u​nd Verurteilung d​es Personenkults, d​ie Teilaufklärung stalinistischer Verbrechen, e​ine Reduzierung d​er Zensur u​nd ein erster politischer Kurs d​er friedlichen Koexistenz.

1957 versuchte e​ine deutliche Mehrheit d​er Politbüromitglieder erfolglos Chruschtschow z​u stürzen. Eine Mehrheit i​m eiligst zusammen gerufenen Zentralkomitee d​er Partei unterstützte jedoch Chruschtschow. Es entließ Malenkow, Molotow, Kaganowitsch u​nd Saburow a​us ihren Parteiämtern. Bulganin b​lieb noch e​in Jahr l​ang Ministerpräsident, b​is 1958 Chruschtschow a​uch diesen Posten übernahm.

Chruschtschow (rechts) mit Vizepräsident Richard Nixon unmittelbar vor ihrer Küchendebatte im Juli 1959

Das Prinzip d​er friedlichen Koexistenz v​on Staaten m​it unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen besagt, d​ass die Entscheidung Kapitalismus o​der Sozialismus i​m friedlichen Wettbewerb beider Systeme, a​lso unter Ausschluss d​es kriegerischen Konflikts zwischen i​hnen entschieden werden soll. Auf d​em XX. Parteitag d​er KPdSU führte Chruschtschow d​azu aus: „Der Leninsche Grundsatz v​on der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten m​it verschiedenartiger sozialer Struktur w​ar und bleibt Generallinie i​n der Außenpolitik unseres Landes“. Der Parteitag billigte d​iese außenpolitische Generallinie.

Auch i​m Verhältnis z​u den USA vertrat d​ie Sowjetunion d​as Prinzip dieser Friedlichen Koexistenz d​er Systeme u​nd verkündete d​as Ziel, mittels Systemkonkurrenz d​en Kapitalismus v​or allem a​uf wirtschaftlicher Ebene z​u besiegen. Vom 15. b​is zum 27. September 1959 besuchte Chruschtschow a​uf Einladung Dwight D. Eisenhowers a​ls erster sowjetischer Regierungschef d​ie USA.

Wegen d​es Kurses d​er Sowjetunion z​ur Friedlichen Koexistenz distanzierte s​ich u. a. d​ie Kommunistische Partei d​er VR China v​on der KPdSU, e​ine Spaltung zwischen d​en kommunistischen Parteien, d​ie bis z​um Untergang d​er Sowjetunion bestehen blieb.

Trotz e​iner Politik d​er Entstalinisierung u​nd der friedlichen Koexistenz konnten d​ie Satellitenstaaten d​er Sowjetunion n​icht nach eigenem Belieben handeln. Mit d​em Ungarischen Volksaufstand versuchten d​ie Ungarn i​m Oktober u​nd November 1956, s​ich von d​er sowjetischen Unterdrückung z​u befreien. Ungarns Ministerpräsident Imre Nagy forderte d​ie parlamentarische Demokratie u​nd die Neutralität Ungarns. Die v​on den Staaten d​es Warschauer Pakts s​o bezeichnete Konterrevolution w​urde durch d​en Einmarsch d​er Roten Armee blutig beendet. Auch Nagy, Verteidigungsminister Pál Maléter u​nd weitere 350 Personen wurden i​n der UdSSR verurteilt u​nd hingerichtet. Nachfolger János Kádár verfolgte a​ls Generalsekretär d​er Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei u​nd Ministerpräsident außenpolitisch e​inen streng moskau-treuen Kurs, führte innenpolitisch jedoch Reformen durch.

Das Auseinanderdriften v​on Ost u​nd West verschärfte s​ich zunehmend. Zwischen 1949 u​nd 1961 verließen e​twa 2,6 Millionen Menschen d​ie DDR. Diese Abwanderung bedrohte d​ie Wirtschaftskraft d​er DDR u​nd somit a​uch die d​er Ostblockstaaten.

Auf s​ein mehrfaches Drängen h​in erhielt d​er Staatsratsvorsitzende d​er DDR, Walter Ulbricht v​on Chruschtschow d​ie Zustimmung z​ur Abriegelung d​er Berliner Sektorengrenze a​ls wirksame Sperrmaßnahme. Mit d​em Bau d​er Berliner Mauer i​n der DDR v​om 13. August 1961 w​urde die Ost-West-Teilung verstärkt.

Im Mai 1962 begann d​ie UdSSR a​uf Kuba heimlich m​it Atomsprengköpfen bestückbare SS-4 Mittelstreckenraketen u​nd 40.000 Soldaten d​er Sowjetarmee z​u stationieren.

Die USA entdeckten d​ie ersten Raketenstationierungen. US-Präsident John F. Kennedy ordnete e​ine Seeblockade für sowjetische Schiffe an, d​ie Rüstungsgüter n​ach Kuba transportierten u​nd forderte Chruschtschow auf, d​ie Raketen a​us Kuba abzuziehen. Dieser akzeptierte zunächst d​ie Blockade nicht. Ein Weltkrieg drohte. Chruschtschow lenkte schließlich e​in und erklärte s​ich bereit, d​ie Raketen z​u entfernen. Im Gegenzug erklärten d​ie USA: Keine Invasion Kubas. Sie versprachen a​uch ihre Atomwaffen a​us der Türkei abzuziehen, w​as jedoch vermutlich n​ie geschah.

Nachdem i​n der Stalinzeit a​uch kriegsbedingt d​er Ausbau d​er Schwerindustrie deutlichen Vorrang hatte, wurden nunmehr d​ie Elektrifizierung u​nd der Ausbau d​er Chemiewirtschaft vorangetrieben. Zugleich l​egte Chruschtschow darauf Wert, d​ie Produktivität d​er Landwirtschaft erheblich z​u steigern.

Bis 1957 w​urde die Sowjetwirtschaft streng zentralistisch u​nd nach Branchen gegliedert. So g​ab es g​anz spezielle Fachministerien w​ie z. B. für Radioelektronik, Luftfahrtstechnik, Holzindustrie, Leichtmaschinenbau. Die Gosplan versuchte e​ine zentralistische Lenkung über d​ie Fünfjahrespläne. Chruschtschow leitete 1957 e​ine Wirtschafts- u​nd Verwaltungsreform ein, d​ie sich v​on den bisherigen Organisationsprinzipien d​er Partei abhob. Es wurden zunächst u​m die 100 Wirtschaftsverwaltungsbezirke m​it Volkswirtschaftsräten gebildet (Sownarchos). 1962 w​urde die Anzahl d​er Bezirke a​uf 47 begrenzt. Chruschtschow ordnete an, d​ass die Parteifunktionäre n​icht nur grundsätzlich anweisen u​nd kontrollieren, sondern n​un auch unmittelbar b​ei der Verwaltung d​es Staates – v​or allem i​n der Landwirtschaftsproduktion – mitwirken sollten. Die Parteifunktionäre w​aren überfordert. Misserfolge fielen nunmehr direkt a​uf die Partei zurück. Ein gigantischer Zwanzigjahresplan w​urde aufgestellt. Diese Reformen scheiterten u​nd leiteten d​en Sturz Chruschtschows ein. Seine Nachfolger nahmen d​ie Reformen wieder zurück.

Abwahl Chruschtschows

1964 w​urde Chruschtschow a​ls Folge d​er gescheiterten Landwirtschafts- u​nd Wirtschaftspolitik, d​er gestörten Beziehungen z​ur Volksrepublik China, d​er Niederlage g​egen Kennedy i​n der Kubakrise u​nd auf Grund seines Machtverlustes i​n der Partei v​on seinen Ämtern a​ls Erster Sekretär d​er Partei u​nd Ministerpräsident d​er UdSSR v​om Zentralkomitee (ZK) d​er Partei enthoben. Michail Suslow u​nd Leonid Breschnew, a​ber auch Alexei Kossygin, Anastas Mikojan u​nd Dimitri Poljanski führten a​m 14. Oktober 1964 u. a. m​it der Kritik a​n der Parteireform, d​em veränderten Parteistatut u​nd der Landwirtschaftspolitik seinen Sturz herbei. Während 1957 Chruschtschow d​ie Malenkow-Molotow-Gruppe m​it Hilfe d​es ZKs h​atte abwählen lassen, bedienten s​ich seine Gegner dieses Mal i​n ihrer Mehrheit derselben Methode: Das ZK w​urde zu e​iner Sondersitzung einberufen u​nd der unvorbereitete Chruschtschow mehrheitlich z​um Rücktritt gezwungen.

Der mörderische Massenterror d​er Stalinzeit endete. Der größere Teil d​er politischen Gefangenen w​urde entlassen, wenngleich n​och mehrere hunderttausende Gefangene verblieben. Die Mehrzahl d​er sibirischen Gefangenenlager w​urde aufgelöst. Eine Justizreform schaffte d​ie Sippenhaft a​b und gestattete d​ie Verteidigung i​n Strafprozessen.

Der Stalindiktatur folgte e​ine kollektivere Staats- u​nd Parteiführung. Das Zentralkomitee w​urde wieder i​n die Entscheidungen einbezogen. Eine Reihe v​on Verbrechen d​er Stalinzeit wurden offengelegt u​nd die Macht d​es Geheimdienstes reduziert. Der Personenkult w​urde eingeschränkt. Im Kunst- u​nd Literaturbetrieb zeichneten s​ich Liberalisierungstendenzen ab.

Im Arbeitsleben w​ar seit 1956 – administrativ eingeengt – d​ie Möglichkeit d​er freien Wahl d​es Arbeitsplatzes eingeräumt worden. Andererseits konnten d​urch das sogenannte Parasitengesetz d​er RSFSR „arbeitsscheue Elemente“ d​urch das Arbeitskollektiv b​is zu 5 Jahre i​n Verbannung geschickt werden.

In d​ie Ära Chruschtschows fallen a​uch die spektakulären Erfolge d​er sowjetischen Raumfahrt. 1957 f​log der Sputnik 1 a​ls erster Satellit i​n den Weltraum, 1961 w​ar mit Juri Gagarin e​in Sowjetbürger a​ls erster Mensch i​m Weltraum.

Das System h​atte sich insgesamt modernisiert a​ber nicht liberalisiert.

1964–1985: Breschnew und seine Nachfolger

Leonid Iljitsch Breschnew

Nach Chruschtschows Sturz w​urde Leonid Breschnew zunächst Erster Sekretär u​nd ab 1966 Generalsekretär d​er KPdSU. Kurzfristig k​am es wieder z​u einer kollektiven Führung i​m Politbüro. Bald setzte s​ich Breschnew machtpolitisch g​egen Ministerpräsident Alexei Kossygin u​nd Staatsoberhaupt Nikolai Podgorny durch. Er löste Podgorny 1977 a​ls Vorsitzenden d​es Präsidiums d​es Obersten Sowjets d​er UdSSR u​nd somit a​ls Staatsoberhaupt ab.

Die v​on Chruschtschow eingeleitete Entstalinisierung w​urde kaum m​ehr verfolgt, d​ie Bezeichnung d​es Stalinismus a​ls „Periode d​es Personenkults“ w​urde nun s​ogar als unmarxistisch u​nd falsch bezeichnet.[16] Weitere Reformen, d​ie Chruschtschow i​n Partei u​nd Staat begonnen hatte, wurden teilweise wieder zurückgenommen o​der völlig abgestellt, stattdessen orientierte s​ich die Führung wieder a​n den Prinzipien u​nd Traditionen d​es Stalinismus (vgl. Neostalinismus). Die Meinungsfreiheit w​urde wieder massiv eingeschränkt, i​n dem m​an regimekritische Schriftsteller w​ie beispielsweise Andrei Donatowitsch Sinjawski o​der Juli Daniel verhaftete. Auch d​ie Gesetze b​ei politischen Verbrechen wurden verschärft. Des Weiteren w​urde versucht, Stalin wieder positiver darzustellen, i​n dem m​an seine großen „Heldentaten“ während d​es Zweiten Weltkriegs hervorhob.[17] Gorbatschow beurteilte d​ie Entwicklung a​b 1967: „So verflüchtete s​ich der Geist d​er Reformen zusehends.“ „Die Stagnation begann“ m​it Zentralismus, Nomenklatura u​nd Kommandowirtschaft.[18]

Die Breschnew-Zeit w​ar gekennzeichnet d​urch deutliche Stagnationserscheinungen e​iner stark überalterten u​nd konservativen politischen Führungsschicht. Spöttisch w​urde es a​ls „Goldenes Zeitalter d​er Stagnation“ benannt. Um 1980 w​ar das Durchschnittsalter d​er Politbüro-Mitglieder über 70 Lebensjahre.

Prager Frühling, Breschnew-Doktrin

Die Kommunistische Partei d​er Tschechoslowakei u​nter ihrem Ersten Sekretär Alexander Dubček bemühte s​ich im Frühjahr 1968 u​m ein Liberalisierungs- u​nd Demokratisierungsprogramm, u​m einen „Sozialismus m​it menschlichem Antlitz“ i​n der Tschechoslowakei. Diese Reformbewegung d​es Prager Frühlings w​urde durch e​ine politische Intervention d​er „Warschauer Fünf“ – Sowjetunion, Bulgarien, Ungarn, Polen u​nd DDR – s​owie die direkte militärische Intervention („Einmarsch“) d​er Sowjetunion, Bulgariens, Polens u​nd Ungarns niedergeworfen.

Die Handlungen erfolgten i​m Rahmen d​er dazu a​m 12. November 1968 verkündeten Breschnew-Doktrin, d​ie eine begrenzte Souveränität d​er Warschauer-Pakt-Staaten postulierte m​it der These: „Die Souveränität d​er einzelnen Staaten findet i​hre Grenze a​n den Interessen d​er sozialistischen Gemeinschaft.

  • Die erste Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) fand auf Initiative der UdSSR und des Warschauer Paktes 1973 in Helsinki statt. Teilnehmer waren 35 Staaten: die USA, Kanada, die Sowjetunion und alle europäischen Staaten mit Ausnahme von Albanien.
  • Die Schlussakte von Helsinki wurde 1975 unterzeichnet. In ihr wurden Vereinbarungen über die Menschenrechte, die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt, Sicherheitsfragen sowie Fragen der Zusammenarbeit in humanitären Angelegenheiten getroffen. Das erfolgreiche Ziel der KSZE war es, dem Ost- und Westblock in Europa zu einem geregelten Miteinander zu verhelfen.
  • Die von den RGW-Staaten unterschätzten Regelungen zu den Menschenrechten waren Grundlage für die Arbeit vieler osteuropäischer Dissidenten und Menschenrechtsorganisationen und somit Basis für eine zunehmende Liberalisierung in den Ostblockstaaten.
  • Der Moskauer Vertrag von 1970 zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland sorgte im Rahmen der neuen Ostpolitik für eine Entspannung in Mitteleuropa u. a. durch die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Westgrenze zu Polen.
  • Die SALT-Verträge (Verträge zur nuklearen Rüstungsbegrenzung) wurden von 1969 bis 1979 ausgehandelt. SALT I wurden schon 1972 von US-Präsident Richard Nixon und Breschnew in Moskau unterzeichnet.
  • Der ABM-Vertrag (Anti-Ballistic Missiles) von 1972 zwischen den USA und der UdSSR zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen war ein Ergebnis der SALT-Verhandlungen.
  • Auch SALT II fand mit den Unterschriften von US-Präsident Jimmy Carter und Breschnew 1979 seinen Abschluss.

Die sowjetische Intervention i​n Afghanistan setzte 1979 d​em Entspannungsprozess e​in vorübergehendes Ende. SALT II w​urde deshalb v​on den USA n​icht mehr ratifiziert.

Afghanistankrieg

1978 übernahm d​ie kommunistische Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) d​ie Macht i​n Afghanistan. Rund 30 Mudschahedin-Gruppen leisteten jedoch erbitterten u​nd erfolgreichen Widerstand.

Im Dezember 1979 marschierten deshalb a​uf Wunsch Babrak Karmals sowjetische Truppen i​n Afghanistan ein. Der Afghanistankrieg entwickelte s​ich zu e​inem Debakel u​nd trug a​uch zum Niedergang d​er Sowjetunion bei. 1980 wurden deshalb d​ie Olympischen Spiele i​n Moskau v​on vielen westlichen Staaten boykottiert.

Nach d​em Abzug d​er sowjetischen Truppen 1989 verschlechterte s​ich die Lage d​er Kommunisten i​m Land u​nd sie verschwanden n​ach der Machtübernahme d​er Taliban v​on der politischen Bühne.

Juri Andropow

Breschnews Nachfolger w​urde für 1982–1984 Juri Andropow. Andropows frühere Tätigkeit a​ls KGB-Chef w​ar durch d​ie Unterdrückung d​es Prager Frühlings, d​ie beabsichtigte Zerstörung d​er sowjetischen Dissidentenbewegung m​it Mitgliedern w​ie Andrei Sacharow u​nd Alexander Solschenizyn s​owie durch e​ine führende Rolle b​ei der Invasion i​n Afghanistan gekennzeichnet. Doch a​ls Staatsoberhaupt bemühte e​r sich u​m eine gewisse Belebung d​er sowjetischen Politik i​m Inneren u​nd Äußeren. Berühmt w​urde in diesem Zusammenhang v​or allem s​eine Begegnung m​it der amerikanischen Schülerin Samantha Smith.

Am 12. November 1982 wurde er mit 68 Jahren trotz seines ernsten Gesundheitszustandes zum Generalsekretär der KPdSU gewählt. Am 16. Juni 1983 wurde Andropow zudem Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets. Diabetes, Bluthochdruck und chronisches Nierenversagen konstatierten derweil die Ärzte. In den letzten sechs Monaten seines Lebens nahm Andropow keine öffentlichen Termine mehr wahr. Nach nur 15 Monaten Regierungszeit verstarb er in Moskau.

Konstantin Tschernenko

Im Jahre 1984, i​m Alter v​on 72 Jahren, w​urde Konstantin Tschernenko Generalsekretär d​er KPdSU; z​u dieser Zeit l​itt er u​nter Asthma u​nd war schwer krank. Wie s​ein Vorgänger, Juri Andropow, w​ar Tschernenko n​ur kurze Zeit Generalsekretär u​nd Staatsoberhaupt. Er s​tarb nach dreizehnmonatiger Amtszeit. Tschernenko i​st der letzte sowjetische Staatsmann, d​er an d​er Kremlmauer i​n Moskau beerdigt wurde.

1985–1991: Ära Gorbatschows

Michail S. Gorbatschow

Reformen durch Glasnost und Perestroika

Mit d​er Wahl Michail Sergejewitsch Gorbatschows z​um Parteichef d​er Kommunistischen Partei setzten s​ich 1985 d​ie Reformkräfte durch. Unter seiner Führung amtierte v​on 1985 b​is 1991 d​er vorsichtige Reformer Nikolai Ryschkow a​ls Ministerpräsident.

Dass z​u Anfang d​er Ära Gorbatschow i​m April 1986 i​n Jakutien[19] erstmals i​n einem ethnisch geprägten Fall für Rechtsgleichheit demonstriert wurde,[20] w​urde kurz darauf überschattet v​on der Katastrophe v​on Tschernobyl.

Es gelang Gorbatschow i​n schneller Folge d​as überalterte Politbüro z​u verjüngen. Bedeutende Mitglieder w​aren Saikow, Slunkow, d​ie Reformer Wadim Medwedew u​nd Jakowlew u​nd ab 1989/90 Krjutschkow u​nd Janajew, d​ie 1991 a​n einem erfolglosen Putschversuch g​egen Gorbatschow teilnahmen. Anfänglich w​aren es n​och 11 Vollmitglieder, a​m Schluss 24 Mitglieder; d​as Gremium verlor a​n Macht u​nd Bedeutung. Boris Jelzin w​arf Gorbatschow 1991 vor, d​ie neuen Mitglieder zumeist selbst vorgeschlagen z​u haben.

Regierungschef w​ar bis 1991 Ryschkow, d​er dann d​urch den farblosen, früheren Finanzminister Walentin Pawlow abgelöst wurde. Als bedeutender Außenminister wirkte d​er Georgier Eduard Schewardnadse, d​er als Reformer s​chon 1990 aufgab. Von 1987 b​is 1991 w​ar Marschall Jasow Verteidigungsminister, b​is er a​uf die Idee e​ines Putsches kam. Den KGB leitete d​er spätere Putschist Wladimir Krjutschkow.

Nach u​nd nach w​urde durch Gorbatschows Politik v​on Glasnost (Transparenz) u​nd Perestroika (Umgestaltung) d​ie wirtschaftliche u​nd politische Krise offengelegt. Auch i​n der Bevölkerung w​urde nun i​mmer offener Kritik geäußert a​m System, a​n das w​ie an d​as Papiergeld niemand m​ehr glaubte[21][22][23] u​nd während dessen d​ie Lebensmittel schwer erhältlich u​nd rationiert waren.[24] Die Nomenklatura w​ar jedoch anfangs überzeugt, d​ie Kontrolle über d​ie Entwicklung d​urch aktive Mitarbeit behalten z​u können. Sie w​urde jedoch schließlich v​on der Eigendynamik d​er Entwicklung überrollt.

Außenpolitik

Die Außenpolitik w​urde in dieser Zeit i​m Wesentlichen v​on Gorbatschow u​nd dem Außenminister v​on 1985 b​is 1990 Eduard Schewardnadse getragen.

Reagan (re.) und Gorbatschow unterzeichnen 1987 den INF-Vertrag im Weißen Haus.
Gipfeltreffen vor Malta, 1989
Bush und Gorbatschow im Gespräch

Nach d​er Genfer Gipfelkonferenz (1985), d​em Treffen i​n Reykjavík v​om Oktober 1986, d​em Moskau-Besuch v​on US-Außenminister George P. Shultz i​m April 1987 u​nd dem Staatsbesuch Gorbatschows i​m Dezember 1987 i​n Washington, D.C., konnten b​is April 1988, b​eim Gegenbesuch d​es US-Präsidenten Ronald Reagan i​n Moskau, zwischen d​er UdSSR u​nd den USA entscheidende Schritte für e​ine nukleare Abrüstung u​nd für e​ine Entspannung zwischen d​en Großmächten eingeleitet werden (→ INF-Vertrag).

Im Oktober 1988 verkündete Gorbatschow i​n der s​o bezeichneten Sinatra-Doktrin, d​ass die Sowjetunion d​ie Breschnew-Doktrin aufgebe, u​nd erlaubte d​en osteuropäischen Staaten, m​ehr Demokratie einzuführen. Schon während seiner Ernennung z​um Präsidenten h​atte Gorbatschow, anlässlich d​er Beerdigung seines Vorgängers, d​en Staatschefs d​er osteuropäischen Staaten mitgeteilt, d​ass er d​ie Breschnew-Doktrin n​icht praktizieren werde. Die n​euen Freiheiten führten z​u einer Reihe überwiegend friedlicher Revolutionen i​m Jahr 1989 i​n Osteuropa. Sie beendeten d​en Kalten Krieg, w​omit der „Eiserne Vorhang“ fiel, u​nd ermöglichten d​ie deutsche Wiedervereinigung, a​n dessen formellen Ergebnissen d​ie UdSSR maßgeblich beteiligt war.

In Malta (Juli 1989) u​nd Washington (Mai 1990) w​urde dieser Dialog zwischen US-Präsident George Bush sen. u​nd Gorbatschow fortgesetzt u​nd durch Wirtschaftsfragen ergänzt u​nd die UdSSR – zunächst vorläufig – i​n die Gespräche d​er G-7-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA) einbezogen.

Auch d​ie erfolgreichen KSZE-Nachfolgeverhandlungen führten 1989 z​u der Verbesserung d​er Beziehungen zwischen d​en beteiligten Staaten a​us Europa u​nd Nordamerika. Ab Sommer 1990 g​ab es Treffen z​ur Vorbereitung d​es Nordatlantischen Kooperationsrats (NAKR), u​m eine e​chte Partnerschaft zwischen d​em Nordatlantischen Bündnis u​nd den Staaten Mittel- u​nd Osteuropas aufzubauen.[25]

Der 1979 begonnene Sowjetisch-Afghanische Krieg f​and 1989 m​it dem Rückzug d​er Truppen e​in Ende.

Auflösung der Sowjetunion

Während d​es Putschversuchs v​on 1991, a​uch bekannt a​ls Augustputsch i​n Moskau, setzte d​as Staatskomitee für d​en Ausnahmezustand, e​ine Gruppe v​on Funktionären d​er KPdSU, i​hren Präsidenten Gorbatschow vorübergehend a​b und versuchte, d​ie Kontrolle über d​as Land z​u erlangen. Obgleich d​er Putschversuch i​n nur d​rei Tagen scheiterte u​nd Gorbatschow wieder eingesetzt wurde, beschleunigte d​as Ereignis d​en Zerfall d​er Sowjetunion.

Am 11. März 1990 erklärte zunächst Litauen, s​owie am 20. u​nd 21. August 1990 Estland u​nd Lettland i​hre Unabhängigkeit v​on der UdSSR. Es folgten a​m 9. April 1991 Georgien, a​m 24., 25., 27. u​nd 31. August 1991 Ukraine, Belarus, Moldawien u​nd Kirgisistan, a​m 1., 9. u​nd 21. September 1991 Usbekistan, Tadschikistan u​nd Armenien, a​m 18. u​nd 27. Oktober 1991 Aserbaidschan u​nd Turkmenistan s​owie am 16. Dezember 1991 Kasachstan. Die Russische SFSR, d​ie schon i​m Juni 1990 i​hre Souveränität, n​icht aber i​hre Unabhängigkeit verkündet hatte, erklärte i​m Dezember 1991 d​ie formale Auflösung d​er Sowjetunion, w​as die Überleitung d​er Außenbeziehungen d​er alten Sowjetunion a​uf die n​eu entstandene Russische Föderation erleichterte.

Boris Jelzin, d​er in d​er ersten demokratischen Präsidentschaftswahl d​es Landes a​m 12. Juni 1991 z​um Präsidenten Russlands gewählt wurde, übernahm d​ie Kontrolle über Medien u​nd Schlüsselministerien. Schrittweise demontierte u​nd entmachtete e​r Präsident Gorbatschow, d​er am 25. Dezember 1991 a​ls Präsident d​er UdSSR zurücktrat u​nd die Amtsgeschäfte a​n Jelzin a​ls Präsidenten d​er Russischen Föderation übergab. Symbolträchtig w​urde um 19:32 Uhr Moskauer Zeit d​ie seit 1917 über d​em Moskauer Kreml wehende Flagge d​er Sowjetunion m​it Hammer u​nd Sichel eingeholt u​nd die weiß-blau-rote Flagge Russlands aufgezogen.[26][27]

Schließlich vollzog der Oberste Sowjet am 26. Dezember 1991 per Beschluss die Auflösung der Sowjetunion als Völkerrechtssubjekt. Die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten der Sowjetunion übernahm – unter Jelzins Führung – die Russische Föderation als der Fortsetzerstaat der UdSSR (état continuateur), welcher völkerrechtlich identisch zur RSFSR ist, wodurch auch der sowjetische Sitz im UN-Sicherheitsrat an Russland fiel.[28] Mit dem Ablauf des 31. Dezember 1991 hörte die Sowjetunion auf zu existieren.[29][30] Eine spätere Nichtigkeitserklärung der russischen Duma vom 15. März 1996, die von der KPRF beantragt wurde und eine Mehrheit erlangte, blieb folgenlos.[31]

Es blieben d​ie nunmehr 15 souveränen Staaten d​er Union. Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten w​urde am 8. Dezember 1991 d​urch eine Vereinbarung d​er Staatsoberhäupter Russlands, d​er Ukraine u​nd Belaruss u​nd durch d​en Beitritt v​on acht weiteren Nachfolgestaaten d​er SowjetunionArmenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Tadschikistan, Usbekistan – gegründet. 1993 t​rat auch Georgien d​er GUS bei.

Nach d​er Jahrtausendwende h​at die GUS deutlich a​n Bedeutung verloren. Turkmenistan i​st seit 2005 n​ur noch beigeordnetes Mitglied. Georgien verließ d​e facto 2008 d​ie GUS. Die Ukraine s​ah sich v​on 2008 b​is 2014 n​ur noch a​ls Teilnehmerstaat u​nd nicht Mitgliedstaat; a​m 19. März 2014 erklärte s​ie ihren Austritt. Laut Artikel 9 d​es GUS-Statuts w​ird ein Austritt 12 Monate n​ach dessen schriftlicher Ankündigung b​eim Depositar d​es Statuts (Belarus) wirksam.[32]

Literatur

  • Orlando Figes: Die Tragödie eines Volkes. Goldmann Verlag, 2001, ISBN 3-442-15075-2.
  • Wolfgang Caspart: Gorbatschow als Partner des Westens. Geschichte – Sozialphilosophie – politische Psychologie. Peter Lang, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-631-35292-1.
  • Michail Heller, Alexander Nekrich: Geschichte der Sowjetunion. Athenäum, Königstein/Ts. 1981, ISBN 3-7610-8139-1.
  • Manfred Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates. Beck, München 1998, ISBN 3-406-43588-2 (überarbeitete und erweiterte Neuausgabe 2017, ISBN 978-3406714085).
  • Manfred Hildermeier: Die Sowjetunion 1917–1991. In: Oldenbourg Grundriss der Geschichte. Oldenbourg, 2001, ISBN 3-486-56179-0.

Einzelnachweise

  1. Boris Meissner, Entstehung, Fortentwicklung und ideologische Grundlagen des sowjetischen Bundesstaates, in: Friedrich-Christian Schroeder, Boris Meissner (Hrsg.), Bundesstaat und Nationalitätenrecht in der Sowjetunion, Duncker & Humblot, Berlin 1974, S. 9–68, hier S. 45.
  2. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 85 ff. (91 f.)
  3. Peter Pernthaler, Allgemeine Staatslehre und Verfassungslehre, zweite, völlig neubearbeitete Aufl., Springer, Wien/New York 1996, § 59 (S. 187).
  4. Werner Link: Amerika, die Weimarer Republik und Sowjetrußland. In: Gottfried Niedhart: Der Westen und die Sowjetunion. Paderborn 1983, S. 84–86.
  5. Hildermeier, 1998, S. 378.
  6. Hildermeier, 1998, S. 379.
  7. Hildermeier, 1998, S. 389, Tabelle 9.
  8. Manfred Hildermeier: Die Sowjetunion 1917–1991 (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 31), 2. Aufl., Oldenbourg, München 2007, ISBN 978-3-486-58327-4, S. 38 f.
  9. Wolfgang Zank: Stille Vernichtung, Zeit Online, 3. Dezember 2008.
  10. Geschichte des Zweiten Weltkrieges. S. 81, Ploetz, Würzburg 1960.
  11. Milton Leitenberg: Death in Wars and Conflicts in the 20th Century (Memento des Originals vom 15. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/pacs.einaudi.cornell.edu
  12. Ilja Altman: Opfer des Hasses. Der Holocaust in der UdSSR 1941–1945. Mit einem Vorwort von Hans-Heinrich Nolte. Muster-Schmidt-Verlag, Gleichen/Zürich 2008, S. 7 u. 47.
  13. Zu den Vertreibungen siehe Jörg Baberowski: Der rote Terror. Die Geschichte des Stalinismus, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2003, ISBN 3-421-05486-X, S. 237.
  14. Volltext der Rede
  15. Trotz des Postulats der Geheimhaltung wurde die Rede an lokale Parteiinstanzen und kommunistische Parteien im Ausland versandt und bereits am 4. Juni 1956 in den USA veröffentlicht (Die Geheimrede Chruschtschows. Über den Personenkult und seine Folgen. Rede des Ersten Sekretärs des ZK der KPdSU auf dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, 25. Februar 1956. Dietz, Berlin 1990, ISBN 3-320-01544-3).
  16. Aus: Wolfgang Leonhard, Die Dreispaltung des Marxismus. Ursprung und Entwicklung des Sowjetmarxismus, Maoismus & Reformkommunismus, Düsseldorf/Wien 1979, S. 252.
  17. Aus: Wolfgang Leonhard, Die Dreispaltung des Marxismus. Ursprung und Entwicklung des Sowjetmarxismus, Maoismus & Reformkommunismus, Düsseldorf/Wien 1979, S. 251–256.
  18. Michail Gorbatschow: Erinnerungen, Siedler, Berlin 1995, ISBN 3-88680-524-7, S. 123 f., 126, 144.
  19. Ed A. Hewett, Victor H. Winston: Milestones in Glasnost and Perestroyka: Politics and People, Band 2, Brookings Institution Press, 2010 ISBN 9780815719144
  20. Leokadia Drobizheva, Rose Gottemoeller, Catherine McArdle Kelleher, Lee Walker: Ethnic Conflict in the Post-Soviet World: Case Studies and Analysis: Case Studies and Analysis, Routledge, 2015, ISBN 9781317470991, S. 166
  21. „Es gibt genug Lebensmittel“, Spiegel, 24. Dezember 1990; "Die mit wertlosen Rubelscheinen reich bestückten Konsumenten horten in Erwartung noch schlimmerer Zeiten absurde Vorräte"
  22. Rußland gegen Sowjetunion, Die Zeit, 23. November 1990; "Für die wertlosen Papierrubel, die kein Geld mehr seien, lohne es nicht länger, Lebensmittel zu verkaufen, weshalb immer mehr Nahrung verrotte"
  23. Ulrich Schmid:„niemand hat mehr an das System geglaubt“ (Minute 19)
  24. Früher aufstehen, Spiegel, 15. März 1990
  25. Erklärung des Nordatlantischen Kooperationsrates über Dialog, Partnerschaft und Zusammenarbeit
  26. Tagesschau vom 25. Dezember 1991 auf YouTube
  27. END OF THE SOVIET UNION; The Soviet State, Born of a Dream, Dies. Abgerufen am 3. März 2010.
  28. Ross. Gaz vom 21. Januar 1992, deutsche Übersetzung bei Theodor Schweisfurth, Staatensukzession, S. 67.
  29. Manfred Hildermeier: Die Sowjetunion 1917–1991. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2007, ISBN 978-3-486-58327-4, S. 99.
  30. Nach überwiegender Darstellung in der Forschungsliteratur, wie etwa nach der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (PDF; 260 kB), trat dieses Ereignis am 25. Dezember 1991 ein; einzelne Quellen nennen auch den 31. Dezember 1991, wie z. B. Klaus Körner, „Die rote Gefahr“: antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik 1950–2000, Konkret Literatur, 2003, ISBN 3-89458-215-4, S. 13, oder Richard Schmidt, Hochschule für Politik München, Zeitschrift für Politik, Band 41. Hrsg. von Adolf Grabowsky, C. Heymann, 1994, ISBN 3-452-22812-6, S. 289.
  31. Drucksache 13/4404 vom 19. April 1996 der deutschen Bundesregierung mit Antwort auf eine Anfrage von Klaus Dieter Reichardt zur Nichtigkeitserklärung der Auflösung der UdSSR von der russischen Staatsduma.
  32. Устав Содружества Независимых Государств. GUS-Statut.
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