Petersburger Dialog

Der Petersburger Dialog (russisch Петербургский диалог) ist ein bilaterales Diskussionsforum, das zum Ziel hat, die Verständigung zwischen den Zivilgesellschaften Deutschlands und Russlands zu fördern.[1]

Das Logo des Petersburger Dialogs
Angela Merkel und Wladimir Putin beim Petersburger Dialog 2012

Gründung und Arbeitsweise

Der Petersburger Dialog wurde im Jahr 2001 vom damaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ins Leben gerufen. Der Name des Gesprächsforums bezieht sich auf den ersten Veranstaltungsort Sankt Petersburg in Russland.

Wichtigste Veranstaltung ist die Jahrestagung, für die der Begriff Petersburger Dialog synonym verwendet wird. Sie findet in der Regel abwechselnd in Russland und Deutschland statt, eine Ausnahme waren die Dialoge 2006 in Dresden und 2007 in Wiesbaden. Darüber hinaus treffen sich die acht Arbeitsgruppen des Dialogs – „Politik“, „Wirtschaft“, „Zivilgesellschaft“, „Bildung und Wissenschaft“, „Kultur“, „Medien“, „Zukunftswerkstatt“, „Kirchen in Europa“ – zwischen den Jahrestagungen zur Erörterung aktueller Fragen und Initiierung konkreter Projekte im kleineren Rahmen.

Der Petersburger Dialog wird von politischen und privaten Stiftungen, von deutschen und russischen Unternehmen sowie von den Regierungen beider Staaten unterstützt. Schirmherren des Gesprächsforums sind der jeweils amtierende deutsche Bundeskanzler und der jeweils amtierende russische Präsident.

Organisation

Die Arbeit des Petersburger Dialogs wird von einem paritätisch besetzten deutsch-russischen Lenkungsausschuss organisiert. Er plant die Jahrestagungen, bereitet sie thematisch vor und lädt die Teilnehmer ein.

Geschäftsstellen

der Peterburger Dialog betreibt zwei Geschäftsstellen[2]

  • Berlin, Schillerstraße 59 10627 Berlin
  • St. Petersburg, 199034 7/9 Universitetskaja nab.

Vorsitzende des Lenkungsausschusses

Deutscher Lenkungsausschuss
AmtszeitPerson
2002–2005Peter Boenisch
2005–2015Lothar de Maizière
seit Mai 2015Ronald Pofalla

Ronald Pofalla leitet seit Mai 2015 den Petersburger Dialog der Bundesregierung. [50][51][52] Sein Vorgänger Lothar de Maiziere war in die Kritik geraten, weil er die russische Perspektive zu deutlich unterstützt hatte. Pofalla wurde Ruprecht Polenz vorgezogen, der drastische Umgestaltungsmaßnahmen gefordert hatte, um die Tendenz und die Unternehmerlastigkeit des Dialogs auszubalancieren. Auch Matthias Platzeck schied nach seiner Positionierung in der Frage der Annexion der Krim als Nachfolgekandidat aus. Pofalla schien für einen konstruktiven Dialog mit Russland auch aufgrund seiner Osteuropaerfahrungen und Wirtschaftskontakte geeignet.[53] Der Dialog soll wieder aufgenommen werden, die Sanktionen sollen jedoch bestehen bleiben.[54]

Russischer Lenkungsausschuss
AmtszeitPerson
2002–2009Michail Gorbatschow
seit 2009Wiktor Subkow

Umgang mit der Ukraine-Krise

Im Zusammenhang mit der Krise in der Ukraine 2014 wurde wiederholt Kritik an der Veranstaltung und an der Besetzung des deutschen Lenkungsausschusses geäußert. So erklärte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Andreas Schockenhoff, der Petersburger Dialog sei kein unabhängiges Gesprächsforum mehr, Kritiker der russischen Regierung würden dort nicht mehr zu Wort kommen.[3] Nachdem im Oktober 2014 mehrere Vertreter von Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland erklärt hatten, am Petersburger Dialog 2014 in Sotschi nicht teilzunehmen, wurde die Veranstaltung zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses Lothar de Maizière bedauerte diese Entscheidung.[4] In einem offenen Brief vom 13. Oktober 2014 wies Lothar de Maizière darauf hin, dass die Petersburger Gespräche „genauso Realismus wie intellektuelle Disziplin (bedingen), wozu auch gehöre zu verstehen, wie Russland die Probleme versteht. Dies – und nicht Gesprächsverweigerung – sei die Voraussetzung, um auf allen demokratischen gesellschaftlichen Ebenen – vom politischen Machtzentrum bis in die Randgruppen hinein – problemorientierte Gespräche führen zu können. Dabei darf keine Seite für sich in Anspruch nehmen, legitimere Interessen zu vertreten als die andere.“[5]

Am 19. November 2014 wurde de Maizière nach eigener Darstellung vom Kanzleramt „mit der Bitte bedrängt“, auch die für Ende November geplante Mitgliederversammlung „wegen der politischen Großwetterlage“ abzusagen.[6] In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisierte de Maizière die Politik der Bundesregierung. Merkels Strategie, an der „Sanktionsschraube gegen Putin weiterzudrehen“, sei nicht zielführend. Sanktionen lägen nach seinem Eindruck im amerikanischen, nicht im europäischen Interesse.[7]

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete am 22. November 2014 von einem Eckpunktepapier, das von Kanzleramt und Auswärtigem Amt unterstützt wird. In ihm wird gefordert, der Petersburger Dialog müsse „auch Raum für die kritische Auseinandersetzung mit der russischen Politik geben“. Kanzleramt und Auswärtiges Amt sähen keine Möglichkeit, dass unter der Führung de Maizières eine Reform erfolgreich sein könne. In Zukunft sollten die zivilgesellschaftlichen Organisationen stärker in der Mitgliederversammlung vertreten sein. Eine neue Satzung soll erstellt und ein neuer Vorstand gewählt werden. Die Anbindung an das Deutsch-Russische Forum soll beendet werden, da es in beiden Gremien große personelle Überschneidungen gibt: Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ist stark vertreten. Das Papier wurde von Andreas Schockenhoff, Marieluise Beck, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung verfasst.[8] Im Rahmen der Reform soll der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck an Einfluss in dem Forum verlieren. Dieses Zugeständnis habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am 19. November 2014 „abgerungen“.[9] Nachfolger de Maizieres wurde im Mai 2015 Ronald Pofalla (CDU).

Jahrestagungen

Zu den Jahrestagungen des Petersburger Dialogs werden auf deutscher und russischer Seite jeweils etwa 100 Teilnehmer aus allen gesellschaftlichen Bereichen eingeladen. Neben Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur werden auch junge Nachwuchs-Eliten beider Staaten in dem Diskussionsforum zusammengebracht. In den unterschiedlichen Arbeitsgruppen werden gemeinsame Anliegen diskutiert und konkrete Projekte initiiert. Inzwischen sind einige wichtige Initiativen aus der Arbeit des Petersburger Dialogs hervorgegangen, wie etwa die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch oder das Koch-Metschnikow-Forum, in dem sich deutsche und russische Forscher regelmäßig über bakteriologische und virologische Entwicklungen austauschen, ein deutsch-russisches Rohstoffforum, das 2007 in Wiesbaden erstmals tagte, ein deutsch-russisches Sozialforum, das 2010 beim Dialog in Jekaterinburg initiiert wurde, oder gemeinsame Projekte in der kulturellen Zusammenarbeit im Rahmen der Arbeitsgruppe Kultur des Petersburger Dialogs wie Konferenzen zum Thema Welterbe, Ausstellungen zur „Bronzezeit“ (2013) sowie zu „Russen & Deutsche - 1000 Jahre Kunst, Geschichte und Kultur“ (2012). Beim 8. Petersburger Dialog 2008 wurde eine bilaterale Vereinbarung zwischen deutschem und russischem Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs unterzeichnet, die die Umsetzung der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Logistik, Rohstoffeffizienz und Rechtsstaatlichkeit vorsieht.

Ein jährlich wiederkehrendes Thema der Tagungen waren die Auseinandersetzungen, welche Unternehmen in Russland mit Aufsichts- und Rechtsschutzorganen zu führen haben.[10]

Die bisherigen Jahrestagungen sind bzw. waren:

Veranstaltungsort des vierten Petersburger Dialogs war 2004 unter anderem das Hamburger Rathaus
7. Jahrestagung, 2007 im Kurhaus Wiesbaden
14. Dialog, 2015 im Potsdamer Kaiserbahnhof
1. Petersburger Dialog 20019. bis 10. April 2001Sankt PetersburgDachthema: „Russland und Deutschland an der Schwelle des 21. Jahrhunderts“
2. Petersburger Dialog 20028. bis 10. April 2002WeimarDachthema: „Deutschland und Russland in einer sich neu ordnenden Welt“
3. Petersburger Dialog 200310. bis 12. April 2003Sankt PetersburgDachthema: „Russland und Deutschland in Europa“
4. Petersburger Dialog 20049. bis 10. September 2004HamburgDachthema: „Deutschland und Russland – Partner im Entwicklungsprozess der Europäischen Zusammenarbeit“
5. Petersburger Dialog 200530. November bis 1. Dezember 2005Sankt PetersburgDachthema: „Perspektiven und neue Entwicklungen in den deutsch-russischen Beziehungen“
6. Petersburger Dialog 20069. bis 11. Oktober 2006DresdenDachthema: „Deutschland und Russland in europäischer Verantwortung“
7. Petersburger Dialog 200713. bis 15. Oktober 2007WiesbadenDachthema: „Einheit Europas – deutsche und russische Beiträge“
8. Petersburger Dialog 200830. September bis 3. Oktober 2008Sankt PetersburgDachthema: „Russland und Deutschland in der globalisierten Welt - Partner in der Modernisierung“
9. Petersburger Dialog 200914. bis 16. Juli 2009MünchenDachthema: „Wege aus der Krise aus Sicht der Zivilgesellschaften Deutschlands und Russlands“
10. Petersburger Dialog 201013. bis 15. Juli 2010JekaterinburgDachthema: „Deutsche und russische Gesellschaft im nächsten Jahrzehnt“
11. Petersburger Dialog 201117. bis 19. Juli 2011Wolfsburg und HannoverDachthema: „Bürger, Gesellschaft und Staat – Partner im Modernisierungsprozess“
12. Petersburger Dialog 201214. bis 16. November 2012MoskauDachthema: „Russland und Deutschland: Die Informationsgesellschaft vor den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“
13. Petersburger Dialog 20134. bis 6. Dezember 2013KasselDachthema: „Soziale und politische Rechte als Bedingung für eine freie Gesellschaft“
14. Petersburger Dialog 201522. bis 24. Oktober 2015PotsdamDachthema: „Modernisierung als Chance für ein gemeinsames europäisches Haus“
15. Petersburger Dialog 201614. bis 16. Juli 2016Sankt PetersburgDachthema: „Russland und Deutschland im Angesicht globaler Herausforderungen“
16. Petersburger Dialog 201723. und 24. November 2017BerlinDachthema: „Gesellschaftliche Teilhabe als Chance zur deutsch-russischen Verständigung“

Nach der Tagung kritisierte Irina Scherbakowa, dort sei „nicht mit den wirklichen Vertretern der Zivilgesellschaft“ geredet worden, sondern „mit den Funktionären und leider manchmal auch den Propagandisten“.[11]

17. Petersburger Dialog 20187. bis 8. Oktober 2018MoskauDachthema: „Vertrauen bilden, Partnerschaft stärken: Zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland als Impuls für den zwischenstaatlichen Dialog“
18. Petersburger Dialog 201918. bis 20. Juli 2019auf dem Petersberg in Königswinter[12]
Commons: Petersburger Dialog – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ein Forum für den Dialog der Zivilgesellschaften › Petersburger Dialog. Abgerufen am 26. November 2019.
  2. https://petersburger-dialog.de/ueber-den-petersburger-dialog/ein-forum-fuer-den-dialog-der-zivilgesellschaften/
  3. Petersburger Dialog setzt aufs Reden (Memento vom 27. April 2014 im Internet Archive), Webseite des MDR vom 23. April 2014
  4. Lothar de Maizière verteidigt sich, Artikel in Der Tagesspiegel vom 14. Oktober 2014
  5. https://web.archive.org/web/20141017041215/http://www.petersburger-dialog.de/offener-brief-vom-13-oktober-2014
  6. FAZ.NET: „Petersburger Dialog“ auf Druck des Kanzleramts verschoben. In: FAZ.net. 20. November 2014, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  7. F.A.Z.: „Sanktionen gegen Russland liegen nicht in Europas Interesse“. In: FAZ.net. 21. November 2014, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  8. FAZ.NET: Bund für Wechsel an der Spitze des Petersburger Dialogs. In: FAZ.net. 22. November 2014, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  9. Russland-Politik: Merkel bootet Platzeck aus. In: Spiegel Online. 22. November 2014, abgerufen am 9. Juni 2018.
  10. Putins Versprechungen auf dem SPIEF: Alter Wein in alten Schläuchen, ostexperte.de, 20. Juni 2016; " Schon in der Vergangenheit gab es kein Forum, das nicht die ewigen Auseinandersetzungen der Unternehmen mit Aufsichts- und Rechtsschutzorganen thematisiert hätte"
  11. Irina Scherbakowa – Ihr neues Buch, ihre Arbeit für Memorial und ihre Meinung zu Putins Politik, ostexperte.de, 15. Dezember 2017
  12. Vorgesehenes Programm
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