Internet Archive

Das Internet Archive in San Francisco ist ein gemeinnütziges Projekt, das 1996 von Brewster Kahle gegründet wurde und seit 2007 den offiziellen Status einer Bibliothek hat. Gestartet wurde es als reines Webarchiv, bei dem man mit der sogenannten Wayback Machine archivierte Websites betrachten kann. Schon von 1999 an wurde es um weitere Archive erweitert, so dass sie nunmehr eine digitale Bibliothek ist, die bedeutende Sammlungen von Texten und Büchern, Audiodateien, Videos, Bildern und Software umfasst. Das Internet Archive hat sich die Langzeitarchivierung digitaler Daten in frei zugänglicher Form zur Aufgabe gemacht und legt dabei auch Wert auf Zugangsmöglichkeiten für blinde oder anders eingeschränkte Nutzer.

Internet Archive
Website-Logo
„Universal Access to All Knowledge“
Web-Archivierung /
Digitale Bibliothek
Sprachen Englisch
Sitz San Francisco, Kalifornien, Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Gründer Brewster Kahle
Betreiber Internet Archive
Redaktion Brewster Kahle
Registrierung optional
Online 1996
https://archive.org/

Neben der Funktion als Archiv versteht sich das Internet Archive auch als Aktivist für ein offenes und freies Internet sowie den Erhalt und die Verbreitung gemeinfreier Werke.[1]

Entstehung und Geschichte

Brewster Kahle, Gründer von Alexa Internet und des Internet Archives (2015)
Spiegelserver mit den Daten von San Francisco in der ägyptischen Bibliotheca Alexandrina

Brewster Kahle gründete das Internet Archive im Mai 1996 als Non-Profit-Organisation nach Paragraph 501(c)(3) des US-amerikanischen Einkommensteuerrechts. Es erhielt gleich zu Beginn eine große Datenlieferung von Alexa Internet. Es speichert im Rahmen der Web-Archivierung sogenannte Mementos, d. h. Momentaufnahmen von Webseiten und Usenet-Beiträgen.[2]

Von 1999 an wurde durch die Aufnahme der Prelinger Archives und später weiterer Sammlungen das Ziel auf eine umfassende frei zugängliche Bibliothek erweitert. Anfang 2021 umfasst das Internet Archive eine Sammlung von über 28 Millionen Büchern und Texten, sechs Millionen Videos und Filmen, 14 Millionen Audiodateien, 580.000 Computerprogrammen und 3,5 Millionen Bilddateien. Das Webarchiv der Wayback Machine enthält inzwischen mehr als 475 Milliarden Webseiten.[2]

Für 2014 berichtete das Projekt, dass die Daten in vier Rechenzentren auf 20.000 Festplatten gespeichert würden. Ein Spiegelserver der Daten von San Francisco befindet sich unter anderem in der ägyptischen Bibliotheca Alexandrina. Anfang 2021 erreichte die Sammlung eine Größe von über 45 Petabytes.[3]

Das Archiv ist vom US-Bundesstaat Kalifornien seit Anfang Mai 2007 offiziell als Bibliothek anerkannt.[4]

Seit den Wahlen vom 8. November 2016 plant das Internetarchiv nach Aussage auf seiner Website, eine permanent aktualisierte Kopie in Kanada zu hinterlegen.[5]

Dienste

Audios

Das Audioarchiv enthält bereits seit 2017 über drei Millionen Tonaufnahmen. Diese reichen von Radiosendungen und Radio-Features über Hörbücher, Dichterlesungen, Live-Konzertmitschnitten bis hin zu Musik, die von Benutzern hochgeladen wurde. Das Archiv kann auch genutzt werden, um Podcasts zu veröffentlichen.[6]

Bilder

Im Bildarchiv sind bereits mehr als 1¼ Millionen Bilddateien verfügbar. Es handelt sich dabei um Abbildungen von Kunstwerken, so existiert eine Sammlung von Abbildungen des Metropolitan Museum of Art mit über 100.000 Einträgen, Abbildungen von historischen Landkarten, astronomische Aufnahmen der NASA, Schallplattencover sowie auch frei verfügbare Aufnahmen von Privatpersonen.

Software

Die Library of Congress hat im Dezember 2006 sechs Ausnahmen des US-Copyright-Gesetzes Digital Millennium Copyright Act gewährt.[7] Das Internet Archive darf somit Computer-Software oder -Spiele, welche zu Abandonware[8] wurden, mit der Absicht der Erhaltung speichern, wenn die Originalhardware, -formate oder -technik veraltet sind. 2013 begann das Internet Archive damit, Spieleklassiker als spielbares Webbrowser-Streaming via M.E.S.S.-Emulation anzubieten[9], z. B. das Atari-2600-Videospiel E.T. the Extra-Terrestrial.[10] Vom 23. Dezember 2014 an werden zu Lehr- und Forschungszwecken[11] mithilfe von DOSBox-Emulation im Browser tausende von klassischen DOS-Computerspielen präsentiert.[12][13][14][15]

Internet Archive in San Francisco (1996–2009)
Neue Zentrale des Internet Archive seit November 2009 in einer ehemaligen „Christian Science“-Kirche
Internet Archive in der Bibliotheca Alexandrina. Hinter den Glasscheiben stehen die Racks mit den Archivcomputern.

Texte

In dem Million Book Project werden durch das Internet Archive Bücher, die durch das Ablaufen des Copyrights (US-amerikanisches Urheberrecht) oder aus anderen Gründen gemeinfrei geworden sind, digitalisiert und zum Herunterladen zur Verfügung gestellt. Die Digitalisate sind Teil der Open Library. Inzwischen sind mehr als zehn Millionen Bücher und Texte archiviert.

Es werden mehrere Scan-Center (2009 insgesamt zwölf) unterhalten, zum Beispiel in Richmond. Gescannt wird per Auftrag, berechnet werden pro Seite zehn US-Cent (Stand 2009). Die Auftraggeber, meist Bibliotheken, erhalten das Digitalisat, eine per OCR erzeugte Textdatei, eine persistente Internetadresse sowie die Möglichkeit, die Digitalisate auf den Servern des Vereins zu speichern.[16] Weiterhin bestehen Kooperationsvereinbarungen mit selbst digitalisierenden Bibliotheken für einzelne Dienste, wie OCR und redundantes Hosting.

Bücher

Um die Glaubwürdigkeit von referenzierten Zitaten aus Büchern in der Wikipedia zu verbessern, gibt es seit 2019 eine Kooperation zwischen der Wikipedia und dem Internet Archiv. Es wurde damit begonnen, den Quellenangaben in Wikipedia-Artikeln digitale Scans der zitierten Bücher anzufügen.[17] Auf jeweils zwei Seiten wird die fragliche Passage dargestellt. Ein Beispiel hierfür ist das Zitat Nummer 104[18] (Stand 14. November 2019) im englischsprachigen Artikel über Martin Luther King.

Open Access Publikationen

Im September 2020 stellte das Internet Archive eine Initiative zur Archivierung und Bereitstellung von Open Access Publikationen unter dem Namen „Internet Archive Scholar“ vor[19].

Filme

Unter der Rubrik „Movies“ bietet das Internet Archive über 85.000 Filme (Stand: Februar 2022) an, darunter zahlreiche, alte Klassiker. Trailer und Kurzfilme gehören ebenso zum Angebot, wie diverse Propagandafilme aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges.[20]

Die mehr als 3.500 Stummfilme beinhalten unter anderem 437 Filme in der Rubrik "Silent Hall of Fame" mit frühen Werken von Charlie Chaplin oder Buster Keaton aber auch deutschen Regisseuren wie Robert Wiene (vertreten u. a. mit Das Cabinet des Dr. Caligari von 1920). Ergänzt wird das Spielfilmangebot durch frühe Dokumentarfilme, die z. B. die Ankunft europäischer Einwanderer 1909 auf Ellis Island zeigen (von Billy Bitzer).[21] In der separat gelistete Kollektion von Georges Méliès sind natürlich dessen bekannte Genre-Klassiker vertreten, wie der 16-minütige Stummfilm Die Reise zum Mond von 1902.[22]

Neben Experimentalfilmen namhafter Regisseure wie Ingmar Bergman (z. B. Persona, 1966) gibt es auch Klassiker vom Großmeister Alfred Hitchcock, der u. a. mit Im Schatten des Zweifels (1946) vertreten ist. Der Spanier Segundo de Chomón hat ebenfalls eine eigene Rubrik, ebenso wie der deutsche Experimentalfilmer Lutz Mommartz und der Österreicher Johann Schwarzer. Unterschiedliche Genres werden bedient, es gibt sowohl Historisches, als auch eine Rubrik mit fast 300 Filmkomödien[23] und über 450 Science-Fiction und Horrorfilme, wie z. B. Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens von Friedrich Wilhelm Murnau (1922).[24] Neben seltenen Grindhouse- und Exploitationfilmen[25] wie Sex Madness (1938), oder Begotten (E. Elias Merhige, 1989) sowie Cyberpunkwerke wie Tetsuo: The Iron Man des Japaners Shin’ya Tsukamoto.

Der Film Noir ist mit 700 abrufbaren Beiträgen vertreten, einschließlich Straße der Versuchung von Fritz Lang (1946) und Der dritte Mann von Carol Reed (1949).[26]

Außerdem gibt es über 7.000 Filme und Videos aus dem Themenbereich Sport[27], animierte Filme und Kurzfilme[28], sowie über 16.000 Inhalte aus den Themenbereichen Kunst und Musik[29] und über 100.000 visuelle Beiträge zu Religion und Spiritualität.[30]

Videospiele

2013 begann das Internet Archive, Spieleklassiker als spielbares Webbrowser-Streaming via M.E.S.S.-Emulation anzubieten.[9]

Websites

Logo der Wayback Machine

Die Wayback Machine („Take Me Back“) ist ein Onlinedienst, mit dem man die gespeicherten Webseiten in verschiedenen Versionen abrufen kann. Die zu speichernden Seiten werden über den Dienst Alexa Internet ausgewählt. Alle dort hinterlegten URLs werden regelmäßig aufgerufen und archiviert. Man kann eine noch nicht gespeicherte Internet-Ressource auch von Hand, durch Suchen nach der Seite und anschließendes Bestätigen der Aufnahme, aufnehmen lassen (Dateiinhalte, z. B. JPG-Bilder, werden ohne vorherige Nachfrage gespeichert). Der Gesamtumfang betrug im November 2009 etwa 150 Milliarden Seiten und wuchs bis Oktober 2016 auf über 273 Milliarden Seiten an.

Mit Archive-It wurde 2006 ein weiteres Webarchiv-Service für individuelle Webarchivierung bereitgestellt. Hierbei haben Institutionen und Einzelpersonen die Möglichkeit, digitale Sicherungen ihrer Sammlungen anzulegen und die Freigabe der Daten selbst festzulegen. Archive-It verfügt über 400 Partner aus 16 Staaten weltweit, wobei sich diese vor allem aus Universitäten, staatlichen Archiven, Museen und Kunstbibliotheken, öffentlichen Bibliotheken sowie weiteren öffentlich-rechtlichen Institutionen und NGOs zusammensetzen. Archive-It bietet für teilnehmende Partner eine Volltextsuche auf ihre Inhalte, aber auch die Möglichkeit, mit Metadaten angereicherte strukturierte Datensätze für Forscher zu exportieren.[31]

Die Aufnahme der Prelinger Archives[32] im Jahr 1999 war die erste über die Webarchivierung hinausgehende Erweiterung des Internet Archives. Es enthält heute gut drei Millionen Videos und Filme, die unter freier Lizenz oder Public Domain stehen. Es wird hier auch an einem Archiv für Fernsehsendungen gearbeitet.

Finanzierung

Das Internet Archive finanziert sich durch Spenden und Zuwendungen diverser Stiftungen, Institute und Vereinigungen aus den Bereichen Bildung, Forschung, Wissenschaften etc. Im April 2019 wurden vom Internet Archive folgende Geldgeber angegeben: Andrew W. Mellon Foundation, Council on Library and Information Resources, United Nations Democracy Fund, Federal Communications Commission Universal Service Program for Schools and Libraries (E-Rate), Institute of Museum and Library Services (IMLS), Knight Foundation, Laura and John Arnold Foundation, National Endowment for the Humanities (Office of Digital Humanities), National Science Foundation, The Peter and Carmen Lucia Buck Foundation, The Philadelphia Foundation, Rita Allen Foundation.[2]

Siehe auch

Literatur

  • Alexis Rossi: Föderale Vielfalt – globale Vernetzung: Strategien der Bundesländer für das kulturelle Erbe in der digitalen Welt. Hrsg.: Hamburg University Press, Verlag der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky (= Kulturelles Erbe in der digitalen Welt). 1. Auflage. Hamburg 2016, ISBN 978-3-943423-34-1, Internet Archive, S. 224–237 (oapen.org).
Commons: Internet Archive – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Internet Archive, Prelinger Archives, and Project Gutenberg Literary Archive Foundation. In: harvard.edu. Abgerufen am 27. Februar 2021 (englisch).
  2. About the Internet Archive. In: archive.org. Abgerufen am 10. Februar 2021 (englisch).
  3. Petabox. In: archive.org. Abgerufen am 27. Februar 2021 (englisch).
  4. Internet Archive officially a library. Internet Archive forum. In: archive.org. 25. Juni 2007, abgerufen im Jahr 2021 (englisch).
  5. Brewster Kahle: Help Us Keep the Archive Free, Accessible, and Reader Private. Internet Archive Blogs. In: archive.org. 29. November 2016, abgerufen am 21. April 2017 (englisch).
  6. How to Host Podcast MP3 on Archive.org. In: TurboFuture. (turbofuture.com [abgerufen am 4. August 2017]).
  7. Internet Archive wins copyright reprieve. In: theregister.co.uk. The Register, 1. Dezember 2006, abgerufen am 23. März 2021 (englisch).
  8. Ross Miller: US Copyright Office grants abandonware rights (englisch) In: joystiq.com. Abgerufen am 7. Februar 2013.
  9. Tilman Baumgärtel: Timothy Leary, der Games-Entwickler. In: zeit.de. Zeit Online. 14. November 2013. Abgerufen am 14. November 2013: „Wie erhält man historische Computerspiele? Das Internet-Archive streamt Dutzende Klassiker, in New York werden Games von Timothy Leary für die Forschung aufgearbeitet – Weil das Internet Archive die Spiele ‚streamt‘, man sie also nicht auf den eigenen Rechner lädt, verletzt man auch das Urheberrecht nicht, wenn man die Programme benutzt.“
  10. Adi Robertson: The Internet Archive puts Atari games and obsolete software directly in your browser (englisch) In: The Verge. 25. Oktober 2013. Abgerufen am 29. Oktober 2013.
  11. Internet Archive’s Terms of Use, Privacy Policy, and Copyright Policy (englisch) archive.org. 31. Dezember 2014. Abgerufen am 8. Januar 2015: „Access to the Archive’s Collections is provided at no cost to you and is granted for scholarship and research purposes only.“
  12. Abby Ohlheiser: You can now play nearly 2,400 MS-DOS video games in your browser (englisch) In: The Washington Post. 5. Januar 2015. Abgerufen am 8. Januar 2015.
  13. Each New Boot a Miracle by Jason Scott (23. Dezember 2014)
  14. collection:softwarelibrary_msdos im Internet Archive (29. Dezember 2014)
  15. Kris Graft: Saving video game history begins right now. Gamasutra. 5. März 2015. Abgerufen am 5. März 2015.
  16. Christoph Drösser: Das digitale Alexandria. In: Die Zeit 2008, Nr. 4. 17. Januar 2008, abgerufen am 23. März 2021.
  17. Süddeutsche Zeitung: Fotobeweis. Abgerufen am 14. November 2019.
  18. Drew Hansen: The Dream: Martin Luther King Jr. and the Speech that Inspired a Nation. HarperCollins, 2005, ISBN 978-0-06-008477-6, S. 98.
  19. Internet Archive: How the Internet Archive is Ensuring Permanent Access to Open Access Journal Articles. 15. September 2020, abgerufen am 24. Oktober 2020 (englisch).
  20. Movies Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  21. Silent Hall of Fame Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  22. The Georges Méliès Collection Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  23. Comedy Films Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  24. Sci-Fi / Horror Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  25. Picfixer Feature Film Collection Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  26. Film Noir Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  27. Sports Videos Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  28. Animation & Cartoons Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  29. Arts & Music Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  30. Spirituality & Religion Internet Archive, aufgerufen am 21. Februar 2022
  31. About Archive-It. In: archive-it.org. Abgerufen am 23. März 2021 (englisch).
  32. Tim Brookes: Prelinger Archives: Thousands Of Old Films To Watch, Remix & Use In Your Own Projects (Stuff to Watch). In: makeuseof.com. 30. Juli 2012, abgerufen am 29. Oktober 2016 (englisch).

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