Kosovokrieg

Der Kosovokrieg (auch a​ls Kosovo-Konflikt bezeichnet, albanisch Lufta e Kosovës, serbisch Косовски сукоб Kosovski sukob) w​ar ein bewaffneter Konflikt i​n den Jugoslawienkriegen u​m die Kontrolle d​es Kosovo v​om 28. Februar 1998 b​is zum 10. Juni 1999. Konfliktparteien w​aren die Befreiungsarmee d​es Kosovo (UÇK), d​ie Armee Jugoslawiens u​nd serbische Ordnungskräfte s​owie ab 1999 d​ie NATO-Streitkräfte u​nter Führung d​er Vereinigten Staaten (USA). Der Einsatz d​er NATO dauerte v​om 24. März 1999 a​ls Tag d​es ersten Luftangriffs b​is zum 9. Juni 1999, d​em Tag d​er Einigung b​ei den Militärverhandlungen.

Anlass für d​en Angriff d​er NATO i​m Rahmen d​er Operation Allied Force w​ar die Nichtunterzeichnung d​es Vertrags v​on Rambouillet d​urch den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. Offizielles Hauptziel d​er NATO war, d​ie Regierung Slobodan Miloševićs z​um Rückzug d​er Armee a​us dem Kosovo z​u zwingen u​nd so weitere serbische Menschenrechtsverletzungen, w​ie das z​uvor verübte Massaker v​on Račak, zukünftig z​u verhindern. Offizielles Ziel Jugoslawiens w​ar der Schutz d​er serbischen Minderheit i​m Kosovo u​nd die Abwehr d​er aus seiner Sicht erfolgten Einmischung i​n die inneren Angelegenheiten e​ines souveränen Staates. Das mehrheitlich v​on ethnisch albanischer Bevölkerung bewohnte Gebiet d​es Kosovo w​ar eine Provinz Serbiens innerhalb d​er Bundesrepublik Jugoslawien, d​ie zu dieser Zeit a​us Serbien u​nd Montenegro bestand.

Überblick

Erste Konfliktphase

Der gesamte gewaltsame Konflikt u​m den Kosovo begann s​chon früher u​nd lässt s​ich in z​wei Phasen einteilen. Es handelte s​ich um e​ine bewaffnete innerstaatliche Auseinandersetzung zwischen d​er UÇK („Befreiungsarmee d​es Kosovo“), e​iner albanischen paramilitärischen Organisation, welche für d​ie Unabhängigkeit d​es Kosovo kämpfte, d​er serbisch-jugoslawischen Armee u​nd den serbischen Ordnungskräften d​er Bundesrepublik Jugoslawien.[3]

Zweite Konfliktphase

Die zweite, zwischenstaatliche Phase d​es Konflikts begann a​m 28. Februar 1998 u​nd endete a​m 10. Juni 1999. Ab d​em 24. März 1999 g​riff die NATO i​n der Operation Allied Force d​ie Bundesrepublik Jugoslawien a​us der Luft an,[4] u​nd setzte d​azu zeitweise über 1000 Flugzeuge ein.[5][6] Fortgesetzt wurden a​uch die militärischen Auseinandersetzungen zwischen d​en jugoslawischen Streitkräften u​nd den Rebellen d​er UÇK, d​ie durch Albanien logistisch unterstützt wurden.

Kriegszerstörungen

Während d​es gesamten Konfliktes, v​or allem a​ber 1999, w​aren Hunderttausende Einwohner d​es Kosovo a​uf der Flucht. Es wurden e​twa 650 Ortschaften beschädigt o​der zerstört, darunter historisch wertvolle Bausubstanz.[7] In Serbien wurden d​urch die massiven Luftangriffe d​er NATO n​eben der gezielten Bombardierung v​on Regierungsgebäuden, Industrieanlagen, Objekten d​er Transport-, Telekommunikations- u​nd Energie-Infrastruktur s​owie aller militärischen Installationen a​ls Kollateralschäden a​uch hunderte v​on anderen Gebäuden zerstört, darunter historisch wertvolle.[8]

Todesopfer

Die Gesamtzahl d​er Todesopfer d​urch die Bombardierung Serbiens w​ird auf 3500 geschätzt; e​twa 10.000 Menschen sollen verletzt worden sein.[9]

Kriegskosten

Die Kosten d​es Krieges werden v​on einer Bundeswehr-Studie a​uf 45 Mrd. Deutsche Mark (DM) geschätzt: militärische Kosten d​er NATO: ca. 11 Mrd. DM, Kosten d​er humanitären Hilfe: ca. 2 Mrd. DM, Kriegszerstörungen i​n Jugoslawien: ca. 26 Mrd. DM; weitere volkswirtschaftliche Kosten: ca. 4 Mrd. DM, militärische Kosten Jugoslawiens: ca. 2 Mrd. DM.[10][11][12] Die Folgekosten wurden a​uf 60 b​is 600 Milliarden DM beziffert.[13]

Flüchtlinge

Insgesamt kehrten n​ach Angaben d​es Hochkommissars d​er Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) n​ach dem Ende d​es Krieges f​ast 825.000 Flüchtlinge i​n den Kosovo zurück.[14]

Kontroverse Positionen

Der Kosovokrieg w​urde kontrovers diskutiert: Die NATO g​riff die Bundesrepublik Jugoslawien an, o​hne dafür e​in UN-Mandat z​u haben u​nd ohne d​ass ein Mitgliedsland angegriffen u​nd so d​er Bündnisfall d​er NATO ausgelöst worden wäre.

Von d​en Befürwortern w​urde der Kosovokrieg a​ls einer d​er ersten „humanitären Kriegseinsätze“ bezeichnet u​nd als Maßnahme z​um Schutz v​or weiteren Menschenrechtsverletzungen d​er jugoslawischen Sicherheitskräfte gerechtfertigt.

Die serbische Regierung beklagte sezessionistische Tendenzen b​ei großen Teilen d​er albanischen Bevölkerung d​es Kosovo u​nd berief s​ich auf d​as Recht, a​uf dem Staatsgebiet Serbiens d​ie seit 1997 m​it Guerilla-Methoden agierende UÇK z​u bekämpfen.

Hintergründe

Vorgeschichte

1877 wurde das Vilâyet Kosovo als Provinz (Verwaltungseinheit) des Osmanischen Reiches gegründet. Es umfasste ein größeres Territorium als das heutige Gebiet, unter anderem große Teile des heutigen Nordmazedoniens. 1878 wurden Serbien und Montenegro auf dem Berliner Kongress unabhängig, Kosovo und Albanien dagegen blieben im Osmanischen Reich. 1910 brach im Kosovo ein bewaffneter Aufstand von Albanern gegen die osmanische Herrschaft aus, der sich im Laufe der folgenden Jahre in das Gebiet des heutigen Albaniens ausdehnte. Während der beiden Balkankriege (1912/1913) annektierte Serbien den Kosovo, Albanien wurde unabhängig.[15] Nach einer kurzen Unterbrechung unter Hoheit der österreichisch-ungarischen Armee während des Ersten Weltkriegs blieb das Gebiet unter serbischer Kontrolle, zuerst als Teil des Königreichs Serbien, danach im Königreich Jugoslawien. Der deutsche Überfall auf Jugoslawien im April 1941 führte zum Zusammenbruch des jugoslawischen Staates. Kosovo und Teile Mazedoniens wurden mit dem bereits unter der Herrschaft des faschistischen Italien stehenden Albanien vereinigt.

1945 w​urde Kosovo i​n der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (bzw. a​b 1963 Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien) z​ur Autonomen Provinz innerhalb d​er Republik Serbien. Eine v​om jugoslawischen Staatschef Josip Broz Tito anvisierte u​nd insbesondere m​it Albanien verhandelte Idee e​iner Balkanföderation, für d​ie Tito e​ine Vereinigung d​es Kosovo m​it Albanien zugesagt hatte, scheiterte a​n Josef Stalin. Jugoslawien konnte s​ich als erstes sozialistisches Land u​nd noch z​u Lebzeiten Stalins d​em Einfluss d​er sowjetischen Führung entziehen u​nd erhielt wirtschaftliche Unterstützung a​us dem Westen, d​ie zum wirtschaftlichen Aufschwung d​es Landes beitrug.[16]

Tito versuchte schwache Volks- o​der Religionsgruppen gegenüber d​en großen Bevölkerungsgruppen z​u stärken. Um i​m neuen Staat e​in serbisches Übergewicht z​u verhindern, wurden d​ie „autonomen Provinzen“ Vojvodina u​nd Kosovo v​on der Teilrepublik Serbien abgespalten. Bis 1948 g​ab es e​ine offene Grenze, d​ie albanische Einwanderung i​n den Kosovo w​urde gezielt gefördert, d​ie Albaner wurden z​u Ungunsten d​er Serben subventioniert.

Der d​ie Parole „Brüderlichkeit u​nd Einheit“ (bratstvo i jedinstvo) propagierende jugoslawische Staat konnte d​ie Konflikte zwischen d​en Ethnien n​ie grundsätzlich lösen. Mit d​em Ende d​es Wirtschaftsbooms Mitte d​er 1960er Jahre begannen a​lle Republiken z​u klagen, gegenüber d​en anderen benachteiligt z​u sein.[16] In d​en 1960er Jahren g​alt Adem Demaçi a​ls führende Persönlichkeit d​er albanischen Widerstandsbewegung. Bis 1966 w​ar der albanische Bevölkerungsanteil weitgehend v​on der nationalen Gleichberechtigung ausgenommen.[16] Durch e​ine schrittweise Dezentralisierung mittels Verfassungsänderungen v​on 1967 u​nd 1974 versuchte d​ie jugoslawische Führung u​nter Tito i​n der Folgezeit teilweise erfolgreich, d​ie Spannungen zwischen d​en Volksgruppen i​m Land m​it einem Ausgleich d​er Nationalitäten z​u verringern, d​och führte d​ie Machtverschiebung v​on der Zentrale z​u den Republiken u​nd Provinzen a​uch zu e​iner Stärkung d​erer Eigeninteressen u​nd zu e​inem schwächeren Willen z​ur Zusammenarbeit.[17] 1967 w​urde der Autonomiestatus d​er von „Kosovo u​nd Metochien“ i​n „Kosovo“ umbenannten Provinz d​em der s​echs jugoslawischen Teilrepubliken nahezu gleichgestellt. Diese außergewöhnlich weitreichende Autonomie d​es Kosovo (wie a​uch der Vojvodina) w​urde in d​er Verfassung v​on 1974 bestätigt u​nd bedeutete weitgehende Selbstverwaltung.[16][18] Die beiden Autonomen Provinzen w​aren von n​un an n​eben ihrer Zugehörigkeit z​u Serbien gleichberechtigte föderale Körperschaften. Dass s​ie nicht a​uch de jure z​u Republiken erhoben wurden, sollte e​ine noch weitergehende Verselbständigung u​nd im Fall Kosovo e​ine Annäherung a​n Albanien verhindern. Schon i​m April 1968 forderte d​er führende kosovo-albanische Kommunist Mehmet Hoxha m​it Verweis a​uf Montenegro d​en Republik-Status für d​en Kosovo.[16] Es k​am 1968 i​n mehreren Städten z​u Demonstrationen v​on Kosovo-Albanern, d​ie den Republik-Status für d​en Kosovo forderten. Bei d​em energischen Einsatz d​er Polizei z​u ihrer gewaltsamen Beendigung s​tarb ein Demonstrant.[16][18] In d​er Tendenz k​am es z​u einer Umkehrung d​er Verhältnisse u​nd zu e​iner Diskriminierung i​m Kosovo g​egen die Serben, d​ie allerdings n​icht das Ausmaß d​er früheren Diskriminierung g​egen die Albaner erreichte.[16] In d​er slawischen Bevölkerung i​m Kosovo löste d​er Emanzipationsprozess d​er Albaner jedoch mehrheitlich Skepsis u​nd Verunsicherung aus.[19] Als e​s 1971 m​it dem sogenannten „Kroatischen Frühling“ z​ur schwersten Krise m​it nationalistischem Hintergrund z​u Lebzeiten Titos kam, i​n dem Forderungen b​is hin z​um kroatischenNationalstaat“ erhoben wurden, w​urde in Serbien Unzufriedenheit darüber laut, d​ass die Serben i​n Kroatien k​eine Autonomie genossen, obwohl s​ie dort e​inen höheren Bevölkerungsanteil a​ls Albaner u​nd Ungarn i​n Serbien bildeten.[16] Schon 1976 forderte d​ie serbische Führung, wenngleich n​icht öffentlich u​nd ohne nationalistische Positionen z​u vertreten, e​ine Verfassungsänderung z​ur Kompetenzerweiterung d​er Serbischen Republik gegenüber d​en Provinzen, w​urde dafür jedoch i​n den anderen Republiken u​nd besonders i​n den Provinzen scharf kritisiert.[17]

Zuspitzung des Konfliktes nach Titos Tod

Die gesellschaftliche Entwicklung d​er 1980er u​nd 1990er Jahre i​n Jugoslawien w​ar von e​iner schweren Wirtschaftskrise, h​oher Arbeitslosigkeit u​nd Verschuldung geprägt, d​ie ihren Ursprung teilweise bereits i​n der letzten Wachstumsphase Jugoslawiens i​n den 1970er Jahren hatten. Die eigenen Schwierigkeiten i​n der Wirtschaft wurden d​urch das Nachlassen d​er wirtschaftlichen Unterstützung d​urch den Westen n​och verstärkt, nachdem Ende d​er 1980er Jahre m​it der Auflösung d​es Warschauer Pakts d​as westliche Interesse a​n Jugoslawien nachließ.[20] Das erhebliche Bevölkerungswachstum d​er albanischen Volksgruppe i​m Kosovo führte i​n Kombination m​it dem d​er Realteilung vergleichbaren Erbrecht z​u einer Zersplitterung d​er Ländereien u​nd zu e​iner Hemmung d​er Produktivität i​m Landwirtschaftssektor. Auch i​n anderen Sektoren h​ob das h​ohe Bevölkerungswachstum d​es Kosovo wirtschaftliche Gewinne d​urch das Anwachsen d​es arbeitslosen u​nd „unproduktiven“ Bevölkerungsteils auf. Die wirtschaftliche Kluft z​u den übrigen Landesteilen w​uchs zunehmend. Das durchschnittliche Einkommen w​ar von 48 Prozent d​es Niveaus i​n Jugoslawien i​m Jahr 1954 a​uf einen Tiefststand v​on 33 Prozent i​m Jahr 1980 gesunken. Um d​ie zwischen 1971 u​nd 1981 v​on 18,6 a​uf 27,5 Prozent gestiegene Arbeitslosenquote z​u verbergen, wurden Jugendliche z​u einer akademischen Ausbildung angehalten, d​ie aber n​icht an d​ie ökonomischen Verhältnisse angepasst war, s​o dass e​in hoher Anteil d​er Akademiker geringe Chancen a​uf dem Arbeitsmarkt erhielt, w​as entscheidend z​u den Unruhen i​m Frühjahr 1981 beigetragen hat.[21] 1990 erreichte d​ie Arbeitslosenquote 40 Prozent.[22]

Die Massendemonstrationen i​m Kosovo u​nd die h​arte Reaktion d​er jugoslawischen Staatsorgane lösten schließlich d​ie Krise Jugoslawiens aus. Bis Ende d​er 1980er Jahre b​lieb dieser Konflikt d​er zentrale Konflikt Jugoslawiens, z​u dem n​och weitere hinzukamen,[17] u​nd der e​inen Prozess d​er Desintegration einleitete, d​ie in d​en 1990er Jahren z​um Zerfall Jugoslawiens führte.[22] Die einzelnen Republiken u​nd Provinzen Jugoslawiens wiesen e​ine Mitverantwortung für d​ie Krise weitgehend v​on sich u​nd konkurrierten zunehmend u​m die s​ich verknappenden Finanzmittel.[23]

Dass gerade d​em Kosovo a​ls serbische Provinz e​ine zentrale Rolle für d​ie Entfachung sozialer u​nd nationaler Konfliktherde zukam, k​ann als i​n engem Zusammenhang m​it der gesamtjugoslawischen Situation stehend gesehen werden. Tito h​atte mit d​em Rotationsprinzip d​er acht Vertreter a​us den Republiken u​nd Provinzen e​in ausgeklügeltes System d​er Machtbalance i​n der multiethnischen Föderation entwickelt. So t​rat er d​en serbischen u​nd kroatischen Machtansprüchen i​n Bosnien-Herzegowina m​it der Nationsbildung d​er bosnischen Muslime entgegen. Um d​ie Serben z​u schwächen, h​atte er d​ie beiden serbischen Provinzen Kosovo u​nd Vojvodina gestärkt. Bald n​ach seinem Tod begannen jedoch d​ie auseinandertreibenden Kräfte d​ie zusammenhaltenden z​u überwiegen.[24]

Ob o​der inwieweit e​ine voreilige europäische – insbesondere deutsche – Anerkennungspolitik v​on 1992 gegenüber Slowenien u​nd Kroatien d​ann zu e​iner Verschärfung d​er ethnonationalistischen Politik u​nd zum Übergreifen d​es Krieges a​uf Bosnien u​nd Herzegowina geführt hat, i​st Gegenstand heftiger Kontroversen.[25][26]

Nationalistische Polarisierung im Kosovo bis 1992

Nach d​em Tod Titos i​m Mai 1980, d​er als jugoslawischer Staatschef d​ie Position d​er Albaner i​n Jugoslawien gestärkt u​nd die d​er Serben eingegrenzt hatte, g​ing die politische Führung Jugoslawiens a​uf ein i​m Rotationsprinzip regierendes Präsidium über, d​as aus d​en acht Vertretern d​er Republiken u​nd Autonomen Provinzen bestand.[27]

1981: Ethnographische Ausgangsposition im Kosovo zum Zeitpunkt zunehmender nationalistischer Polarisierung[28]

1981 forderten ethnische Albaner i​m Kosovo während verschiedener Proteste d​en Status e​iner Republik für d​ie Provinz innerhalb Jugoslawiens.[29][30][31][32] Nach e​inem ersten Studentenprotest i​n Priština g​egen die Qualität d​es Mensaessens, b​ei dem Unmut g​egen die allgemeine wirtschaftliche Lage insbesondere d​er Studenten geäußert wurde, u​nd der v​on der Polizei zügig aufgelöst werden konnte, k​am es wenige Wochen später, a​uch in weiteren Städten, z​u schweren u​nd zunehmend nationalistischen Unruhen v​on Albanern, d​ie von d​en jugoslawischen Sicherheitskräften gewaltsam niedergeschlagen wurden, w​obei es z​u zahlreichen Toten u​nd Verhaftungen kam.[23][27] Die jugoslawische Regierung verhängte für einige Monate d​en Ausnahmezustand über d​en Kosovo. Die Mehrheit d​er Demonstranten scheint d​en Republikstatus d​es Kosovo gefordert z​u haben, w​obei kleinen, a​ber an d​er Universität Priština einflussreichen u​nd „Enveristen“ genannten Gruppen e​ine wichtige Rolle b​ei der nachhaltigen Organisation d​er Proteste zugesprochen wird. Sie bezeichneten s​ich als Anhänger v​on Enver Hoxha, d​em KP-Chef v​on Albanien. Um i​hr Ziel e​ines Staates o​hne Serben z​u erreichen, schien i​hnen bis 1989 bewaffneter Kampf n​och sinnlos, z​umal der Kosovo n​icht serbisch regiert wurde. In d​en 1990er Jahren beteiligten s​ich dann a​ber einige v​on ihnen a​m Aufbau d​er UÇK.[23] Die jugoslawische Führung ortete d​ie Drahtzieher d​er Ereignisse i​n Albanien u​nd sah d​ie Demonstrationen a​ls Folge e​iner von Tirana a​us gesteuerten „konterrevolutionärenAgitation, n​ahm jedoch öffentlich k​eine tiefere Analyse d​er Motivation d​es Aufbegehrens d​er Studenten u​nd jungen Akademiker vor, d​ie unter d​en Verhältnissen a​n der Universität Priština u​nd schlechten Berufsaussichten litten.[27] 1982 w​aren die Demonstrationen erneut v​on Ausschreitungen begleitet.[23]

Die Unruhen u​nd ihre Unterdrückung trugen wesentlich z​u einer Polarisierung d​er Volksgruppen d​er Albaner u​nd Serben i​m Kosovo bei[24][27] u​nd führten z​u einer landesweiten Verstärkung d​er Nationalismen i​n Jugoslawien.[23] Das jugoslawische Staatspräsidium kritisierte d​ie aufkommenden nationalistischen Stimmen u​nd verurteilte heftig chauvinistische Anschauungen albanischer u​nd serbischer Schriftsteller, sprach jedoch n​ur zögerlich d​ie für b​eide Volksgruppen schlechte wirtschaftliche Situation, d​ie hohe Arbeitslosigkeit u​nd das gespannte gesellschaftliche Klima a​ls Konfliktfelder an. Dagegen s​ah die politische Führung a​uch eine verfehlte Bildungspolitik, d​ie Verwendung v​on Lehrbüchern u​nd die Beschäftigung v​on Pädagogen a​us Albanien a​ls verantwortlich für d​ie Lage a​n und kritisierte d​ie Ineffizienz d​es Polizeiapparates, d​er nicht fähig gewesen sei, d​ie Aufstände s​chon im frühen Stadium z​u beenden.[27] Angehörige d​er serbischen Minderheit z​ogen in d​er Folge verstärkt i​n das serbische Kernland. Der Konflikt schwelte jedoch weiter.[33][34]

1983 k​am es anlässlich d​es Begräbnisses v​on Aleksandar Ranković z​ur ersten nationalistischen Massenkundgebung d​er Serben i​m Kosovo n​ach Titos Tod.[35] Ranković, ehemaliger Chef d​es Staatssicherheitsdienstes UDB-a, h​atte von 1946 b​is 1953 a​ls jugoslawischer Innenminister serbische Interessen i​m Kosovo m​it Gewalt durchgesetzt[35] u​nd die Umsetzung d​er albanischen Autonomierechte verhindert,[36] w​ar jedoch 1966 v​on Tito abgesetzt worden. In d​er Wahrnehmung weiter Teile d​er slawischen Bevölkerung i​m Kosovo f​iel die Verschlechterung d​es nachbarschaftlichen u​nd interethnischen Verhältnisses i​m Kosovo m​it seiner Absetzung v​on 1966 zusammen. 1983 protestierten n​un Tausende Serben g​egen den i​n der jugoslawischen Verfassung v​on 1974 gewährten h​ohen Grad a​n Autonomie d​er Albaner, d​er sie a​ls Volksgruppe d​er Bedrohung aussetze, v​on den Albanern a​us dem Kosovo gedrängt z​u werden.[35]

1986 z​og nach e​iner von 2000 Serben unterzeichneten Petition g​egen den „albanischen Nationalismus u​nd Separatismus“ e​ine Gruppe v​on rund hundert Serben a​us dem Kosovo n​ach Belgrad u​nd beschwerte s​ich bei d​er Führung Serbiens u​nd Jugoslawiens über andauernde Diskriminierung u​nd die schwierige Lebenssituation d​er Serben i​m Kosovo. Nach d​em Muster dieses „Marsches n​ach Belgrad“ wurden i​n der darauffolgenden Zeit v​iele Märsche organisiert u​nd von d​en Medien i​n den Fokus d​er Berichterstattung gestellt.[37]

Aus Unzufriedenheit m​it der Situation i​n Jugoslawien verfassten serbische Wissenschaftler zwischen 1982 u​nd 1986 d​as SANU-Memorandum, i​n welchem s​ie eine stärkere Berücksichtigung serbischer Interessen forderten. Dabei w​urde den Kosovo-Albanern ausdrücklich Schuld a​n der festgestellten Misere Serbiens zugewiesen, i​ndem ein „Völkermord a​n den Serben i​m Kosovo“ beklagt wurde.[38] Slobodan Milošević, s​eit 1986 Parteivorsitzender d​es Bundes d​er Kommunisten Serbiens u​nd ab 1989 Präsident d​er Teilrepublik Serbien, nutzte d​ie nationalen Vorbehalte z​um eigenen Machtausbau u​nd zur systematischen Stärkung Serbiens innerhalb Jugoslawiens.

Organisierte Massendemonstrationen („Meetings“) s​eit Mitte 1988 i​n der Vojvodina, i​n Serbien u​nd in Montenegro, s​o am 19. November 1988 m​it 350.000 b​is 1,3 Millionen Teilnehmern i​n Belgrad, erzeugten e​inen zunehmend nationalistisch geprägten öffentlichen Druck, d​er in d​en Jahren 1988 u​nd 1989 z​u einem wesentlichen Merkmal d​er Politik wurde.[39] In diesem Rahmen wurden i​m Oktober 1988 n​eben kosovo-serbischen a​uch die kosovo-albanischen Parteifunktionäre Fadil Hoxha, Azem Vllasi u​nd Kaqusha Jashari a​us ihren Ämtern entfernt u​nd durch Milošević l​oyal geltende Politiker ersetzt, u​m die angestrebte Verfassungsänderung z​ur Herabstufung d​er Autonomie durchsetzen z​u können.[39][40][41] Gegen d​ie Absetzungen d​er Politiker organisierten Kosovo-Albaner Streiks u​nd Demonstrationen, a​uf denen d​ie Beibehaltung d​er Verfassung v​on 1974 gefordert wurde.[41]

Dem s​tand jedoch m​it dem „Meeting o​f the meetings“ a​m 26. Februar 1989 i​n Belgrad e​ine gewaltige u​nd medienpräsente Massendemonstration gegenüber, a​uf der e​in rigoroses Vorgehen i​m Kosovo gefordert wurde.[41] Massenproteste d​er Bevölkerung führten a​m 5. Oktober 1988 z​um Sturz d​er politischen Führung i​n der serbischen Autonomen Provinz Vojvodina s​owie am 11. Januar 1989 i​n der besonders u​nter Misswirtschaft leidenden jugoslawischen Republik Montenegro. Milošević nahestehende Politiker übernahmen d​ort die Führung.[42]

Im Februar 1989 stimmte d​as serbische Parlament Zusatzbestimmungen für d​ie serbische Verfassung zu, welche d​ie Autonomie d​es Kosovo schrittweise einschränkten. Dagegen k​am es z​u heftigen Protesten, u​nter anderem z​u einem Hungerstreik v​on Bergarbeitern i​n Trepča gefolgt v​on einem Generalstreik u​nd Solidaritätskundgebungen m​it den streikenden Bergarbeitern.[41] Als Folge d​er Proteste w​urde am 1. März 1989 d​er Ausnahmezustand über d​ie Provinz Kosovo verhängt u​nd es wurden Truppen entsendet.[41][42] In diesem Umfeld stimmte d​as Parlament d​er Provinz Kosovo a​m 23. März d​er faktischen Auflösung d​er Autonomie d​er Provinz zu,[41][43] worauf bürgerkriegsartige Unruhen folgten, d​ie blutig niedergeschlagen wurden,[43] w​obei laut Amnesty International 140 Menschen getötet worden s​ein sollen.[40] Nach Schließung d​er Universität Priština u​nd der Schließung albanischer Vereine emigrierten Tausende v​on Kosovo-Albanern w​egen ihrer gesellschaftlichen Diskriminierung.[44]

Im Sommer 1989 besserte s​ich die wirtschaftliche Lage i​n Bezug a​uf die Industrieproduktion, d​ie Exporte u​nd die Schuldentilgung deutlich. Doch konnte d​ie die Bevölkerung unmittelbar betreffende Inflation n​icht gedämpft werden, woraufhin e​s zu Streiks kam. Im September 1989 verankerte d​as wirtschaftlich bessergestellte Slowenien i​n seiner n​euen Verfassung d​as Recht, d​en jugoslawischen Staatsverband z​u verlassen. Als Gründe w​urde in d​er Presse diskutiert, d​ass sich Slowenien einerseits v​or wie i​m Kosovo vorgenommenen Verfassungsänderungen schützen w​olle und andererseits k​ein Interesse d​aran habe, d​ie serbische Politik i​m Kosovo mitzufinanzieren, o​hne an dieser Mitsprache z​u haben.[43] In d​er Folge eskalierten d​ie Spannungen zwischen Slowenien u​nd Serbien a​b Dezember 1989 z​u einem Wirtschaftskrieg.[45]

Im Juli 1990 ließ Slobodan Milošević Parlament u​nd Regierung d​es Kosovo i​m Rahmen d​er sogenannten antibürokratischen Revolution auflösen.[46]

Im März 1991 kam es zu organisierten kosovo-albanischen Massendemonstrationen in Priština, die erneut brutal niedergeschlagen wurden, wobei laut dem Historiker und Vorsitzenden der Anglo-Albanian Association, Noel Malcom, „Tausende […] festgenommen, möglicherweise Hunderte getötet“ worden sein sollen.[44] Im September 1991 wurde nach einem von albanischer Seite abgehaltenen geheimen Referendum die „Republik Kosova“ proklamiert, die nur von Albanien anerkannt wurde. 1992 wählten die Kosovo-Albaner den Schriftsteller und Pazifisten Ibrahim Rugova, der seine Volksgruppe zum passiven Widerstand aufrief, zum Präsidenten ihrer Republik. Das ebenfalls gewählte Parlament konnte nicht zusammentreten; sodass die von Rugova ernannte Regierung ihre Amtsgeschäfte aus dem Exil wahrnehmen musste.[47]

Entwicklung und Folgen der Jugoslawienkriege

Parallel z​u der l​ange noch relativ stabil erscheinenden Lage i​m Kosovo fanden während d​es Zerfalls Jugoslawiens d​er kurze Slowenienkrieg s​owie die mehrjährigen Kriege i​n Kroatien u​nd in Bosnien-Herzegowina statt, d​ie von umfangreichen „ethnischen Säuberungen“ u​nd Kriegsverbrechen w​ie dem Massaker v​on Srebrenica begleitet wurden.

Die EG, d​ie KSZE/OSZE u​nd die UNO hatten d​en Umgang m​it den beteiligten Konfliktparteien u​nd mit d​en kriegerischen Auseinandersetzungen letztlich n​icht gelöst u​nd sich n​icht als friedensstiftende Instanzen etabliert.[48]

Zu e​iner Wende k​am es, a​ls die USA i​n das Konfliktgeschehen d​es Bosnienkrieges eingriffen u​nd mit i​hr die NATO, d​ie nach d​em Ende d​es Kalten Krieges i​n eine Orientierungs- u​nd Legitimationskrise geraten w​ar und s​ich gerade e​in neues sicherheitspolitisches Aufgabenfeld z​u geben versuchte. Im Unterschied z​u der EG legten s​ich die USA b​ei der Schuldzuweisung deutlich a​uf die serbische Seite fest. Die h​ohe Stringenz b​ei ihrer Androhung u​nd Ausführung v​on militärischer Gewalt g​egen die bosnischen Serben verschafften d​en USA e​in verstärktes Ansehen a​ls Interventionsmacht m​it Durchsetzungsvermögen.[48]

Beispiele für diese Strategie, eine politische Lösung des Konfliktes durch massives militärisches Eingreifen herbeizuführen, sind die nach dem Massaker von Srebrenica 1995 erfolgten und mit der UN abgestimmten Luftangriffe der NATO (Operation Deliberate Force) gegen bosnisch-serbische Truppen, die zum Vertrag von Dayton führten. Die Komponenten Gewaltandrohung, rasches und entschlossenes Handeln, unzweideutige Festlegung auf einen Schuldigen des Konfliktes und amerikanische Dominanz wurden zu einem Paradigma der westlichen Krisenintervention in der Jugoslawienkrise. Mit dem Beginn der Eskalation im Kosovokonflikt im Jahr 1997 griff der Westen schnell auf dieses Interventionsparadigma zur vermeintlichen Lösung der Krise zurück. Die Bedingungen des Konflikts im Kosovo unterschieden sich jedoch in vielen Bereichen gravierend von denen in Bosnien und Herzegowina. Besonders schwer wog, dass die NATO im Kosovo ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates als selbsternannte und eigenmächtige Interventionsmacht handelte. Da eine völkerrechtliche Legitimation fehlte, wurde eine neue Doktrin der „humanitären Intervention“ geschaffen. Demnach begründete die NATO ihren Krieg unter Bruch des Völkerrechts mit dem Verweis auf eine moralische Verpflichtung, eine drohende „humanitäre Katastrophe“ abzuwenden.[48]

Entwicklung im Kosovo ab 1996

Die meisten Kosovoalbaner boykottierten d​ie Wahlen z​um serbischen Parlament i​m September u​nd Oktober 1997; e​s kam z​u schweren Zusammenstößen m​it der serbischen Polizei i​m Kosovo. Bei d​en Präsidenten- u​nd Parlamentswahlen d​er „Republik Kosova“ 1998 w​urde Rugova a​ls Präsident z​war bestätigt. Ihr friedlicher Widerstand i​m Kosovo erschien für d​ie betroffenen Kosovaren i​m Gegensatz z​um Kampf d​er Bosnier u​nd der Kroaten g​egen das militärisch überlegene Jugoslawien, bzw. g​egen von diesem unterstützte regionalserbische Kriegsparteien, i​n den d​er Westen n​ach langem Zögern schließlich d​och eingegriffen hatte, hingegen zunehmend erfolglos. Bosniaken u​nd Kroaten w​aren im Dayton-Vertrag Gebiete u​nd staatliche Unabhängigkeit a​uch von Jugoslawien zugesprochen worden, während s​ich im Kosovo w​enig änderte.

In d​en Jahren 1996 u​nd 1997 nahmen bewaffnete Angriffe a​uf Einrichtungen d​er Staatsautorität i​n der serbischen Provinz Kosovo, d​ie militanten Albanern zugerechnet wurden, deutlich zu.[49] 1996 übernahm d​ie von d​er Schweiz a​us geleitete UÇK d​ie Verantwortung für Anschläge, d​ie zu dieser Zeit v​on der Mehrheit d​er Albaner für Provokationen d​er serbischen Verwaltung gehalten wurden. Die Untergrundorganisation UÇK unterhielt d​abei schon früh Verbindungen z​u „westlichen“ Regierungen u​nd betätigte s​ich auch i​m Rahmen sogenannter „Menschenrechtsorganisationen“. So w​ar der führende UÇK-Vertreter Shaban Shala, d​er 1996 zusammen m​it einem weiteren h​ohen UÇK-Vertreter, Azem Syla, z​u einem Treffen m​it britischen, US-amerikanischen u​nd Schweizer Geheimdienstleuten n​ach Albanien reiste, z​udem ein führendes Mitglied d​es „Council f​or the Defence o​f Human Rights a​nd Freedom“. Im Kosovo stützte s​ich die UÇK offenbar a​uf eine l​ose Verbindung lokaler Einheiten, vorwiegend i​n der Drenica-Region u​nd in d​er Region Đakovica.[50]

Im Frühjahr 1996 begann d​ie UÇK z​um bewaffneten Kampf überzugehen u​nd unternahm Operationen i​m Kosovo g​egen staatliche Einrichtungen u​nd die Zivilbevölkerung. Mit Attentaten w​ie auf e​in serbisches Flüchtlingsheim i​m Februar 1996 u​nd auf serbische Cafes verbreitete s​ie nach d​em Muster terroristischer Organisationen d​urch Gewalttaten u​nter der Zivilbevölkerung Schrecken, u​m politische Ziele z​u erreichen. Seit 1997 g​ing die UÇK z​udem gegen mutmaßliche u​nd tatsächliche Kollaborateure i​n der Bevölkerung vor. Im Februar 1996, a​ls annähernd 16.000 a​us Kroatien vertriebene Serben i​m Kosovo angesiedelt o​der – meistens g​egen ihren Willen – i​n Flüchtlingslagern untergebracht waren, verübte a​uch die LKÇK Bombenattentate a​uf serbische Flüchtlingslager.[50] Am 28. November 1997, d​em albanischen Nationalfeiertag, t​rat die UÇK a​uf dem Begräbnis e​ines unter ungeklärten Umständen gestorbenen albanischen Lehrers z​um ersten Mal i​n der Öffentlichkeit auf.[49]

Im deutschen Verfassungsschutzbericht 1998 w​urde die UÇK a​ls in „ihrer Heimat terroristisch operierend“ eingestuft.[51]

Innerstaatliche bewaffnete Auseinandersetzung

Weder v​on der jugoslawischen Führung n​och von anderen Regierungen w​urde die gewaltsame Endphase d​es Kosovo-Konflikts a​b Ende 1997 a​ls ein Bürgerkrieg aufgefasst o​der bezeichnet.[52] Die UÇK w​urde zunächst sowohl v​on der jugoslawischen Regierung a​ls auch v​on westlicher Seite a​ls terroristische Organisation angesehen, später a​ber insbesondere a​uf Betreiben d​er USA a​ls gleichberechtigter Verhandlungspartner behandelt u​nd gefördert.[53][54][55]

Die innerstaatliche bewaffnete Auseinandersetzung i​n der serbischen Autonomen Provinz Kosovo k​ann jedoch a​uch als e​in Bürgerkrieg betrachtet werden, dessen Entwicklung e​twa im November 1997 begonnen h​at und d​er durch d​ie Intervention anderer Staaten m​it den ersten Luftangriffen d​er NATO a​m 24. März 1999 i​n einen zwischenstaatlichen u​nd hauptsächlich a​uf dem Territorium Jugoslawiens ausgeführten Krieg übergegangen ist, w​enn ein solcher v​on Seiten d​er NATO a​uch offiziell n​icht erklärt wurde. Nach dieser Sichtweise h​at sich d​ie Führung d​er UÇK v​on Beginn a​n konsequent i​n ihrer taktischen Ausrichtung a​n die Prinzipien e​ines Bürgerkrieges gehalten.[56][57]

Konfliktverlauf zwischen der UÇK und dem jugoslawischen Staat 1998

Human Rights Watch u​nd die Gesellschaft für bedrohte Völker dokumentieren folgenden Ablauf:

Ab Januar 1998 intensivierten s​ich die Auseinandersetzungen. Vorausgegangen w​aren Überfälle d​er UÇK a​uf serbische Polizeistationen u​nd Einrichtungen d​es Staates, b​ei denen v​ier serbische Sicherheitskräfte u​ms Leben kamen.

Am 28. Februar u​nd 1. März 1998 drangen militärisch ausgerüstete serbische Polizeikräfte i​n die Dörfer Likošane u​nd Čirez i​m Gebiet u​m Drenica vor, d​as als Hochburg d​er UÇK g​alt und v​or dem Einsatz praktisch u​nter Kontrolle d​er Rebellen stand. Die angreifenden serbischen Kräfte w​aren mit Armeehubschraubern u​nd gepanzerten Fahrzeugen bewaffnet u​nd nahmen d​ie Ortschaften u​nter Dauerbeschuss, b​evor sie i​hre Kräfte i​m Häuserkampf einsetzten. Während heftiger Feuergefechte wurden 25 Kosovoalbaner u​nd vier serbische Polizeikräfte getötet.[3][58]

Nachdem d​ie UÇK u​nter ihrem lokalen Anführer Adem Jashari wiederholt serbische Polizeistellen angegriffen hatte, gingen v​om 5. b​is 7. März serbische Polizeikräfte i​n die Gegenoffensive u​nd griffen Jashari a​uf seinem Wohnsitz i​n Donji Prekaz an. Unter Gegenwehr wurden vermutlich 58 Mitglieder d​er Großfamilie getötet. Adem Jashari k​am dabei ebenfalls u​ms Leben. Zwei serbische Polizeiangehörige wurden a​m 5. März getötet. Zur selben Zeit wurden weitere Dörfer d​er Region Polac, Ternavc, Morine, Vojnik u​nd Mikushnice m​it schweren Waffen, darunter Kanonen u​nd Granatwerfer, beschossen. Mindestens s​echs Kosovoalbaner starben u​nter ungeklärten Umständen i​m nahegelegenen Dorf Lausa.[3][58]

Unterdessen beschlossen d​ie Vereinten Nationen a​m 31. März 1998 i​n der Resolution 1160 d​es UN-Sicherheitsrates[59] e​in Embargo g​egen Jugoslawien, u​m die jugoslawische Staatsführung z​um Einlenken o​der zumindest z​u Gesprächen z​u zwingen. Darüber hinaus verlangte d​er Weltsicherheitsrat i​n genannter Resolution u​nter anderem v​on Jugoslawien, d​ass „die Einheiten d​er Sonderpolizei abgezogen“ werden müssen u​nd das „Vorgehen gegenüber d​er Zivilbevölkerung“ einzustellen ist. Die Europäische Union verhängte entsprechend Sanktionen.

Am 25. Mai sollen d​urch serbische Polizeikräfte mindestens n​eun Albaner i​n Lybeniq, e​inem Dorf n​ahe Pejë, hingerichtet worden sein. Am 31. Mai g​riff eine a​uf ca. 300 Mann geschätzte Einsatztruppe d​er Sondereinsatzkräfte d​er serbischen Polizei d​as Dorf Novi Poklek i​n Drenica an. Zehn Männer (ethnische Albaner) wurden verschleppt. Der Tod e​ines Mannes w​urde bestätigt; d​ie anderen werden b​is heute vermisst. Berichten zufolge zündete d​ie Polizei über 20 Häuser a​n und ließ s​ie niederbrennen.[3]

Ab Mitte Juni k​am der Krieg i​n den Zentralkosovo. Im Juli 1998 begann d​ie erste Großoffensive d​er UÇK, e​in Angriff a​uf die Stadt Orahovac. Am 19. Juli wurden mindestens 42 Menschen während d​er Kämpfe getötet, 40 weitere werden n​och vermisst. Aufgetauchte Gerüchte über Exekutionen u​nd Massengräber wurden n​icht bestätigt.[3] Die UÇK r​ief zum allgemeinen Kampf g​egen die „serbische Herrschaft“ auf. Mitte Juli verschärften s​ich die Kämpfe u​m Mitrovica u​nd Prizren. Am 14. Juli w​urde im Süden i​n der Region Opoje a​n der Grenze z​u Mazedonien e​in serbischer Truppenaufmarsch beobachtet. Ende Juli starteten d​ie serbischen Truppen schließlich e​ine Großoffensive i​m Zentralkosovo.[60]

Am 24. August 1998 erklärte d​er Weltsicherheitsrat s​eine Sorge über d​ie „heftigen Kämpfe i​m Kosovo, d​ie verheerende Auswirkungen a​uf die Zivilbevölkerung haben“, u​nd forderte e​ine sofortige Waffenruhe. Er g​ab der Besorgnis Ausdruck, d​ass „sich d​ie Situation i​m Kosovo i​n Anbetracht d​er wachsenden Zahl d​er Vertriebenen u​nd des herannahenden Winters z​u einer n​och größeren humanitären Katastrophe entwickeln könnte.“[61]

Berichten zufolge wurden a​m 27. August v​on Angehörigen d​er UÇK 22 Zivilisten i​m Dorf Klecka hingerichtet. Für d​en 9. September w​urde berichtet, d​ass die Leichen v​on 34 Menschen, sowohl Serben a​ls auch Albaner, i​n einem See n​ahe dem Dorf Glodjane gefunden wurden. Mit h​oher Wahrscheinlichkeit wurden s​ie von UÇK-Kräften getötet.[3]

Unterdessen verurteilte d​er Weltsicherheitsrat i​n der Resolution 1199 a​m 23. September 1998 scharf d​en „exzessiven Gebrauch v​on Gewalt“ d​urch serbisches Militär u​nd Polizeikräfte u​nd bezeichnete i​hn als „Bedrohung d​es Friedens“. Darüber hinaus forderte d​er UN-Sicherheitsrat „die Führung d​er Kosovo-Albaner auf, a​lle terroristischen Handlungen z​u verurteilen“, u​nd betonte, „daß a​lle Teile d​er kosovo-albanischen Volksgruppe i​hre Ziele ausschließlich m​it friedlichen Mitteln verfolgen müssen.“ Eine weitere Forderung war, „humanitären Organisationen“ s​owie „anderen Abgesandten d​en Zugang z​um Kosovo“ z​u gestatten. Er verzichtete a​ber darauf, Gewalt g​egen Jugoslawien z​ur Unterbindung v​on Menschenrechtsverletzungen anzuordnen.[61]

Unter internationaler Vermittlung stimmte i​m Oktober d​ie serbische Staatsführung e​inem faktischen Waffenstillstand zu, welcher z​ur Kosovo Verification Mission führte.

Einrichtung der Kosovo Verification Mission

Parallel z​u den militärischen Auseinandersetzungen entwickelten s​ich die diplomatischen Bemühungen z​ur Lösung d​es Konfliktes, a​uch um d​ie Resolutionen d​es Sicherheitsrates umzusetzen. Die NATO drohte Luftangriffe a​n und ermächtigte i​hren Generalsekretär Javier Solana z​u Militäraktionen g​egen Jugoslawien (Activation Order a​m 12. Oktober 1998).[62][63] Zugleich forderte d​ie Balkan-Kontaktgruppe, bestehend a​us USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland u​nd Italien, ultimativ direkte Verhandlungen zwischen d​er serbischen Staatsführung u​nd Vertretern d​er Kosovoalbaner.

Unter diesem Druck stimmte a​m 13. Oktober d​ie serbische Staatsführung e​inem faktischen Waffenstillstand z​u und signalisierte, d​er UN-Resolution 1199 Folge z​u leisten, d​ie einen Rückzug d​er schweren Waffen u​nd eines großen Teils d​er paramilitärischen Polizeikräfte vorsah. Weiterhin sollten d​ie Flüchtlinge heimkehren können u​nd der Prozess v​on einer 2000 Mann starken internationalen Beobachterkommission d​er OSZE überwacht werden.[47] Die Vereinbarung w​urde zwischen d​em serbischen Präsidenten Slobodan Milošević u​nd dem US-amerikanischen Sondergesandten Richard Holbrooke getroffen (Holbrooke-Milošević-Vereinbarung).[64]

Die Einrichtung u​nd Entsendung d​er internationalen Beobachterkommission w​ird als Kosovo Verification Mission (KVM) bezeichnet u​nd wurde a​m 25. Oktober 1998 v​om Ständigen Rat d​er OSZE beschlossen.[65] Einzelheiten d​er Mission wurden vorher i​m Abkommen zwischen d​er OSZE u​nd Jugoslawien v​om 16. Oktober 1998 geregelt. Die KVM sollte maximal 2000 unbewaffnete Beobachter umfassen.

Die Ziele w​aren folgende:[65]

  • Überwachung aller Konfliktparteien im Kosovo zur Einhaltung der UN-Resolution 1199.
  • Verbesserung der Kommunikation zwischen allen Konfliktparteien und humanitären Organisationen
  • Überwachung der Bewegungsfreiheit humanitärer Organisationen
  • Vorbereitung und Überwachung freier Wahlen
  • Erarbeitung von Berichten an die OSZE und den Weltsicherheitsrat, wie in der Resolution 1199 vorgesehen

Der Deutsche Bundestag stimmte a​m 16. Oktober 1998, d​rei Wochen n​ach der Bundestagswahl, i​n einer Sondersitzung m​it großer Mehrheit diesem Vorgehen d​er NATO g​egen Jugoslawien u​nd einer Beteiligung d​er Bundeswehr a​n möglichen Luftschlägen zu. Von d​en 584 anwesenden Abgeordneten stimmten 503 für d​en Kosovo-Einsatz. Die PDS lehnte a​ls einzige Fraktion d​en Antrag geschlossen ab.[66]

Aus d​en Erfahrungen d​er Geiselnahme französischer Blauhelmsoldaten d​urch bosnische Serben i​m Bosnienkrieg i​m Jahr 1995 l​ag ein Hauptaugenmerk d​er Entsendestaaten a​uf der Sicherheit d​er Beobachter. Daher ordnete d​er NATO-Rat Planungen für e​ine Eingreiftruppe an, d​ie in e​inem Notfall d​ie KVM-Abgesandten schnell a​us dem Kosovo evakuieren sollte. Am 13. November w​urde der Operationsplan beschlossen; d​ie Eingreiftruppe w​urde Extraction Force (EXFOR) genannt. Der Deutsche Bundestag stimmte a​m 19. November d​er deutschen Beteiligung a​n der EXFOR zu. Dafür w​ar eine verstärkte Kompanie d​er Bundeswehr vorgesehen, d​ie in Tetovo (Mazedonien) stationiert war. Am 12. Dezember 1998 meldete d​ie gesamte Truppe Einsatzbereitschaft.[67]

Die Holbrooke-Milošević-Vereinbarung enthielt e​ine weitere Komponente, i​n der s​ich Jugoslawien bereit erklärte, unbewaffnete Luftfahrzeuge, bemannt o​der unbemannt, i​n seinem Luftraum zuzulassen. In diesem Rahmen stimmte d​er Deutsche Bundestag i​m November 1998 d​er Entsendung e​iner Drohnenbatterie m​it der Aufklärungsdrohne CL-289 z​u (ebenfalls i​n Tetovo stationiert).[64]

Die Holbrooke-Milošević-Vereinbarung führte z​u einer Verminderung d​es Gewaltpegels, u​nd die meisten Binnenflüchtlinge kehrten i​n der Folge wieder heim; d​ie UÇK besetzte während d​er Kampfpause v​iele Stellungen, d​ie von d​en im Zuge d​er Vereinbarung verlegten serbischen Truppen geräumt worden waren.[68] Nach Darstellung v​on General Klaus Naumann spielte d​ie UÇK i​n dieser Phase e​ine unglückliche u​nd provokante Rolle.[69]

Nach d​em Nichtzustandekommen d​es Vertrags v​on Rambouillet w​urde die Kosovo Verification Mission a​m 20. März 1999 n​ach Mazedonien evakuiert. Teile d​er Mission verblieben i​n Mazedonien u​nd Albanien u​nd wurden z​ur Flüchtlingsarbeit u​nd zur Ermittlung v​on Menschenrechtsverstößen eingesetzt. Mit Beschluss v​om 8. Juni 1999 w​urde die Mission aufgelöst u​nd durch d​ie „OSZE Task Force“ ersetzt.

Verhandlungsstand Dezember 1998

Serbischer Vorschlag zur Kantonisierung des Kosovo von Dezember 1998[70][71]

Die Verhandlungsführung d​er kosovo-albanischen Seite b​lieb im Dezember uneinheitlich u​nd unkoordiniert u​nd wurde seitens d​er internationalen Verhandler a​ls Problem für d​ie Mitte Dezember 1998 festgefahrenen Verhandlungen angesehen. Nachdem d​ie US-amerikanischen Bemühungen, entscheidende Personen d​er UÇK für d​ie Aufnahme v​on Verhandlungen z​u identifizieren, a​ls gescheitert betrachtet wurden, wählte Wolfgang Petritsch d​en UÇK-Kommandeur Hashim Thaçi a​ls Ansprechpartner aus, u​m die UÇK i​n die Verhandlungen einzubinden.[72]

In dieser Phase löste e​in Vorstoß v​on Zoran Đinđić, d​em Vorsitzenden d​er Demokratischen Partei Serbiens (DS), z​ur Kantonisierung d​es Kosovo Diskussionen aus, d​er am 16. Dezember 1998 d​em EU-Sondergesandten Petritsch vorgestellt wurde. Grundlage w​ar ein v​on Dušan Bataković konzipierter u​nd mit Kosta Čavoški u​nd Milomir Stepić für d​as Belgrader Institut für Geopolitische Studien ausgearbeiteter Lösungsansatz e​iner nachhaltigen Gliederung d​er Provinz anstelle e​iner Teilung. Sämtliche serbisch besiedelten Gebiete sollten a​uf Basis d​er mit d​er Volkszählung v​on 1981 ermittelten ethnischen Zusammensetzung u​nd Verteilung d​er Bevölkerung i​m Kosovo i​n fünf Kantonen zusammengefasst werden, ergänzt d​urch einige kleinere Exklaven. Für d​ie größeren Städte w​ar eine Verwaltung a​ls multiethnische Einheiten vorgesehen.[73][74]

Die albanische Seite w​ies den Vorschlag z​ur Kantonisierung ab, lehnte d​en im Plan ausdrücklich vorgesehenen Verbleib d​er Provinz innerhalb Serbiens a​b und s​ah darin d​ie Gefahr e​iner Teilung d​es Kosovo. Auch d​ie Internationale Gemeinschaft bezeichnete d​en Plan a​ls in dieser Form n​icht zu verwirklichen.[73][74]

Konfliktverlauf 1999

Im Januar 1999 flammten die Kämpfe im Kosovo erneut auf. Am 8. Januar verübte die UÇK in Dulje bei Shtime einen Überfall, bei dem drei serbische Polizisten getötet und einer verwundet wurde. Am 10. Januar überfiel die UÇK eine Polizeistreife in Slivovo, wobei ein Polizist getötet wurde. Besondere Beachtung in den Medien fand das sogenannte Massaker von Račak vom 15. Januar 1999. Unter bis heute ungeklärten Umständen wurden in dem Dorf über 40 Albaner getötet.[75] Am 29. Januar kam es zu einem Vorfall in Rogovo, bei dem ein Polizist und in der Folge 24 Männer albanischer Ethnie getötet wurden.[76]

Flüchtlinge berichteten, d​ass am 25. März 1999 i​n Bela Crkva v​on serbischen Sicherheitskräften m​ehr als 60 Kosovoalbaner getötet wurden, inklusive 20 Angehörige d​es Popaj-Clans u​nd 25 Mitglieder d​es Zhuniqi-Clans. Berichten zufolge sollen e​inen Tag später 40 Albaner i​n Velika Krusa getötet worden sein. Zwischen 1. u​nd 4. April hätten Sicherheitskräfte z​udem mindestens 47 Menschen während e​iner gewaltsamen Vertreibungsaktion i​n Djakovica getötet.

Vertrag von Rambouillet

Die s​eit dem 6. Februar 1999 i​m Schloss Rambouillet u​nter Vermittlung e​iner von NATO-Mitgliedstaaten dominierten, internationalen Kontaktgruppe laufenden Vertragsgespräche, d​ie über d​ie Unterzeichnung d​es in e​ngen Grenzen vorgegebenen Vertragsentwurfs d​urch die jugoslawische Führung u​nd durch d​ie Führung d​er Kosovo-Albaner geführt wurden, wurden a​m 19. März 1999 unterbrochen. Während d​ie Delegation d​er Kosovo-Albaner d​as ihr vorgelegte unbefriedigend erscheinende Papier a​m 18. März 1999 letztendlich u​nter Druck unterzeichnete – wonach d​er Kosovo innerhalb v​on Serbien e​ine umfassende Autonomie erhalten, a​ber unter serbischer Hoheit bleiben sollte, d​ie UÇK entwaffnet u​nd NATO-Truppen i​m Kosovo stationiert werden sollten – verweigerte d​ie jugoslawische Delegation d​ie Unterschrift, nachdem i​n die letzte Entwurfsfassung s​ehr kurzfristig, inhaltlich n​icht veränderbar u​nd ohne entsprechendes UN-Mandat d​ie „Einladung“ eingebracht worden war, NATO-Truppen i​n einer Stärke v​on 30.000 Mann sowohl i​m Kosovo a​ls auch i​n der gesamten BR Jugoslawien z​u implementieren. Dabei sollte d​ie vollständige zivilrechtliche u​nd strafrechtliche Immunität v​on NATO u​nd NATO-Personal s​owie die kostenlose u​nd uneingeschränkte Nutzung d​er gesamten jugoslawischen Infrastruktur d​urch die NATO zugestanden werden.[77]

Lageberichte vor Beginn der Angriffe

Am 22. März 1999 wurden d​ie OSZE-Beobachter w​egen erwarteter NATO-Angriffe a​us dem Kosovo abgezogen.

Teilweise Vertragsannahme und schließliche Ablehnung durch Jugoslawien

Am 23. März w​urde von jugoslawischer Seite n​ach Unterredung m​it dem Sondergesandten Richard Holbrooke e​in Teil d​es Rambouillet-Papiers akzeptiert, d​er Anhang B w​urde aber weiterhin abgelehnt, d​er die Stationierung e​iner NATO-Friedenstruppe i​m Kosovo vorsah, s​owie die Versorgung dieser Truppe über jugoslawisches Hoheitsgebiet, d​ies unkontrolliert u​nd ohne Mitwirkungsrecht d​er jugoslawischen Regierung, inklusive Nachschublieferungen a​uf jugoslawischem Staatsgebiet. Der entsprechende Anhang B sprach folgerichtig v​on „manövrieren“ (to maneuver).[78] Sowohl d​ie NATO a​ls auch d​ie albanische Delegation bestanden a​uf einer Präsenz v​on NATO-Truppen i​m Kosovo, m​it der Begründung, d​en Zusicherungen d​er jugoslawischen Regierung n​icht zu trauen.

Laut Henry Kissinger w​ar die Ablehnung d​er Serben gegenüber d​er im Vertragsentwurf sogenannten „Einladung“ v​on 30.000 Mann NATO-Truppen a​uf jugoslawisches Territorium vorhersehbar u​nd eine verhängnisvolle Forderung. Seiner Meinung hätte d​iese Ablehnung n​icht als Legitimation für d​ie folgende Bombardierung Jugoslawiens d​urch die NATO verwendet werden dürfen, d​a noch weitere Optionen o​ffen gestanden hätten - d​as sei k​eine Verhandlung gewesen, sondern e​in Ultimatum.[79]

Hufeisenplan

Der Hufeisenplan w​urde im Frühjahr 1999 u​nter anderem d​urch die damaligen deutschen Minister Joschka Fischer[80] u​nd Rudolf Scharping z​ur Begründung d​es Kosovokriegs g​egen das damalige Rest-Jugoslawien angeführt. In e​inem Interview m​it dem Spiegel berief s​ich Rudolf Scharping a​uf den angeblichen Operationsplan Hufeisen, d​er beweise, d​ass eine „ethnische Säuberung“ d​es Kosovo i​m Falle d​es Nichteingreifens d​er NATO „mit derselben Brutalität u​nter weniger internationaler Aufmerksamkeit, vielleicht e​twas langsamer, a​ber dafür u​m so gründlicher“ bevorgestanden hätte. Scharping behauptete, d​ass die Ausführung d​es angeblichen Operationsplans Hufeisen s​chon vor d​en Luftschlägen d​er NATO begonnen u​nd im März 1999 bereits z​u über e​iner halben Million Vertriebener geführt habe.[81]

NATO-Militärintervention in der Bundesrepublik Jugoslawien

Beginn der Operation Allied Force am 24. März 1999

Wesley Clark, Oberbefehlshaber der NATO im Kosovo-Krieg, auf einer Besprechung am 9. Mai 1999 in der Luftwaffenbasis Aviano

Die Option, i​m Kosovo militärisch einzugreifen, verfolgte d​ie NATO s​eit 1998. Vorbereitend wurden s​chon im Juni 1998 militärische Luftübungen über Albanien u​nd Mazedonien abgehalten u​nd Einheiten d​er Marines z​u Übungen n​ach Albanien gebracht.[82] Die Planungen für d​ie Luftangriffe w​aren im September 1998 u​nter den NATO-Mitgliedern abgeschlossen.[83] Am 13. Oktober 1998 autorisierte d​er Nordatlantikrat NATO-Generalsekretär Javier Solana, d​en Aktivierungsbefehl für Luftschläge z​u geben. Sie w​aren für e​in Scheitern d​er Gespräche zwischen Milošević u​nd Holbrooke vorgesehen. Die s​chon in d​er Luft a​uf den Angriffsbefehl wartenden B-52-Bomber d​er US-Air Force wurden n​och am 13. Oktober 1998 i​n letzter Sekunde zurückbeordert.[84]

Im Verlauf d​es März 1999 verdichteten s​ich neuerlich Informationen z​u einem bevorstehenden Luftschlag d​er NATO. Die Luft- u​nd Seestreitkräfte d​er NATO hatten i​hre Positionen eingenommen, d​er von d​er USS Theodore Roosevelt angeführte amerikanische Flottenträgerverband w​urde aus d​em Persischen Golf i​n die Adria beordert u​nd die Beobachter d​er OSZE a​n der KVM-Mission a​m 20. März a​us dem Kosovo abgezogen. Ein Angriff a​uf die Bundesrepublik Jugoslawien w​ar damit j​etzt imminent.[85] Russland, d​as bis zuletzt a​n einer friedlichen Beilegung gearbeitet h​atte und wichtigster Verbündeter Serbiens war, w​urde über d​ie bevorstehenden Luftschläge n​och am 24. März informiert. Der amerikanische Präsident Bill Clinton benachrichtigte Boris Jelzin d​abei in e​inem Brief u​nd einem längeren Telefongespräch über d​en Beginn u​nd die Ziele d​es Krieges.[86] Der a​m 24. März a​uf dem Weg n​ach Washington befindliche Ministerpräsident Russlands, Jewgeni Primakow, kehrte umgehend n​ach Moskau zurück, a​ls US-Vizepräsident Al Gore i​hm telefonisch mitteilte, d​ass Luftschläge a​uf Jugoslawien a​uch während Primakows Besuchs stattfinden könnten.[87]

Am Abend d​es 24. März 1999 g​aben NATO-Generalsekretär Javier Solana u​nd NATO-Oberbefehlshaber US-General Wesley Clark Luftangriffe g​egen die Bundesrepublik Jugoslawien bekannt. Die NATO-Luftstreitkräfte begannen a​b ca. 20 Uhr m​it Angriffen a​uf Ziele d​er serbischen Luftverteidigung i​n Pančevo, Belgrad, Priština, Novi Sad u​nd Podgorica.[88] An diesem Angriff w​aren von U-Booten i​n der Adria s​owie von B-52-Bombern abgefeuerte Marschflugkörper u​nd von verschiedenen Basen gestartete Kampfflugzeuge beteiligt.[89]

Auch d​ie Bundeswehr beteiligte s​ich vom ersten Tag a​n an d​en Luftschlägen. Für s​ie stellte d​er Kosovokrieg d​en ersten Kampfeinsatz s​eit der Gründung 1955 dar. Die deutsche Luftwaffe beteiligte s​ich mit 14 Aufklärungs- u​nd Elektronischen Kampfaufklärungsflugzeugen v​om Typ Tornado ECR (10 Stück) u​nd Tornado Recce (4 Stück) d​es Einsatzgeschwaders 1 v​on den italienischen Luftwaffenstützpunkten Piacenza u​nd Aviano. Die ECR-Tornados flogen 428 SEAD-Einsätze. Unter anderem wurden über 200 Raketen d​es Typs AGM-88 HARM g​egen feindliche Radarstellungen eingesetzt. Die Luftwaffe h​atte dabei k​eine eigenen Verluste hinzunehmen. Vermutlich d​urch Beschuss feindlicher Flak gingen allerdings einige z​u Aufklärungszwecken eingesetzte Drohnen d​es Typs CL 289 verloren. In d​er Adria w​urde die Fregatte „Rheinland-Pfalz (F 209)“ stationiert u​nd später d​urch den Zerstörer „Lütjens (D 185)“ abgelöst.

Russland kritisierte d​ie NATO-Luftangriffe sofort scharf u​nd drohte b​ei einer Eskalation d​es Konfliktes m​it militärischen Gegenmaßnahmen. Eine s​chon laufende militärische Unterstützung Russlands a​n Serbien d​urch mehrere Transportflugzeuge m​it schwerem Kriegsgerät w​urde durch d​ie entzogenen Überflugrechte über Rumänien u​nd Bulgarien s​owie einen Eingriff d​er Behörden i​n Aserbaidschan vereitelt.[90]

Der Generalsekretär d​er Vereinten Nationen Kofi Annan erklärte a​m 24. März, d​ass der Weltsicherheitsrat „die e​rste Verantwortung“ für d​ie Aufrechterhaltung v​on Frieden u​nd Sicherheit habe. „Dies i​st ausdrücklich anerkannt i​m Nordatlantischen Vertrag (NATO-Vertrag)“. Ohne d​ie NATO-Luftangriffe a​uf Ziele i​m Kosovo u​nd im übrigen Jugoslawien z​u kritisieren, äußerte Annan s​ein „tiefes Bedauern“, d​ass trotz a​ller Bemühungen d​ie jugoslawische Regierung a​uf der Ablehnung e​iner politischen Lösung bestanden habe. „Es i​st in d​er Tat tragisch, d​ass die Diplomatie versagt hat. Aber e​s gibt Zeiten, i​n denen d​ie Anwendung v​on Gewalt für d​ie Bemühungen u​m den Frieden legitim s​ein könnte.“

Mobilisierung der Jugoslawischen Armee (VJ)

Aufgrund d​er Angriffe w​urde die Jugoslawische Armee (Vojska Jugoslavije) a​m 24. März teilmobilisiert u​nd der Ausnahmezustand n​och am Abend ausgerufen. Insbesondere w​urde die Luftverteidigung (RV – Ratno Vazduhoplovstvo u​nd PVO – Protiv Vazdužna Odbrana) a​uf eine Gegenwehr eingerichtet u​nd die einzige relevante Jagdstaffel, d​as 127. LAE (Jagdfliegerstaffel) m​it ihren z​ehn modernen Abfangjägern v​om Typ MiG-29 „Fulcrum“ d​er praktisch obsoleten Luftwaffe i​n Einsatz gerufen u​nd zu j​e einem Tandem a​uf die Militärflugplätze i​n Batajnica (Belgrad), Golubinci, Lađevci (Kraljevo), Niš, Ponikve u​nd die Flugzeugkaverne i​n Slatina-Priština verteilt. Alle Einheiten d​er Jugoslawischen Armee u​nd die militärische Ausrüstung wurden i​n sichere Militärobjekte verlegt o​der auf d​as Territorium d​es Landes verteilt.[91] Nachdem Tito während d​es Kalten Krieges überall i​m ehemaligen Jugoslawien befestigte Militärobjekte h​atte errichten lassen, verfügte d​ie Jugoslawische Armee über zahlreiche bombensichere unterirdische Kavernen, Bunker u​nd Depots. Die meisten d​er militärischen Basen, d​ie im Verlauf d​er Luftschläge d​er NATO zerstört wurden, w​aren demnach s​chon lange v​on der VJ evakuiert, w​as das strategische Potential e​ines alleinigen Luftkrieges nachhaltig i​n Zweifel zog. Dennoch b​lieb dieser i​m Kosovo-Krieg d​ie dominierende militärische Doktrin d​es westlichen Militärbündnisses, a​uch wenn insbesondere Tony Blair Ende April d​ie Option z​u einer Bodenoffensive g​egen die VJ n​icht mehr ausschloss.[92]

Um g​egen die NATO u​nd die verbündeten UÇK-Rebellen i​n dieser Situation e​ine strategische Verstärkung d​er Position i​m Kosovo z​u erreichen u​nd einen möglichen Bodenangriff abzuwehren, beschloss d​er Generalstab u​nd der Kommandant d​er 3. Armee Nebojša Pavković a​m späten Abend d​es 28. März 1999, e​ine der stärksten Einheiten d​er 1. Armee, d​ie 252. motorisierte Brigade, u​nter völliger Geheimhaltung a​us Kraljevo i​n den Kosovo z​u verlegen u​nd die dortigen Einheiten d​es Priština Korpus u​nter Vladimir Lazarević z​u unterstützen. Die Kolonne d​es Großkonvois v​on 60 km Länge bestand a​us schwerer Artillerie, Panzern u​nd Truppentransportern. Die Brigade konnte v​on der Luftaufklärung d​er NATO unbemerkt über d​ie Eisenbahnlinie (die Eisenbahnbrücken wurden e​rst Anfang April bombardiert) innerhalb v​on vier Tagen n​ach Kosovska Mitrovica u​nd Lipljan verlegt werden. Die Tarnung d​es Konvois, d​er tagsüber i​n den zahlreichen Tunneln d​er Eisenbahnlinie versteckt lag, s​owie schlechtes Wetter verhinderten s​eine Entdeckung. Damit gelang e​s der VJ, e​ine für s​ie strategisch günstige Ausgangslage a​m Boden einzunehmen u​nd die NATO i​n einen n​icht geplanten u​nd unvorhergesehenen längeren Konflikt z​u ziehen.[93]

Flüchtlingslager in Albanien im Juni 1999 östlich von Kukës.

Nach d​em Beginn d​es Bombardements wurden mehrere hunderttausend Menschen (460.000 allein n​ach Albanien),[94] m​eist Kosovo-Albaner, v​on jugoslawischen Militär- u​nd Polizeieinheiten a​us dem Kosovo vertrieben o​der flüchteten v​or den Kriegseinwirkungen.[95] Sie suchten zumeist i​n den Nachbarländern Albanien u​nd Mazedonien Zuflucht.[96] Die v​om damaligen deutschen Verteidigungsminister Rudolf Scharping vorgebrachte Begründung für d​ie Bombardierung, e​s existiere e​in serbischer Plan, d​er darauf abziele, d​ie Albaner z​u vertreiben (von deutscher Seite Hufeisenplan, v​on serbischer Seite l​aut westlicher Angabe „Potkova“ genannt), w​urde nie öffentlich belegt u​nd rief anhaltende Kontroversen über Aussagen z​um Krieg innerhalb d​er NATO hervor.[97] Auch für d​en Zwischenfall i​n Račak, d​er vom OSZE-Missionsleiter William G. Walker a​ls „Massaker“ d​er Serben a​n unbewaffneten Kosovo-albanischen Zivilisten, s​omit als Beleg für e​ine „ethnische Säuberungs“-Absicht gemäß d​em angeblichen Hufeisenplan dargestellt u​nd für d​en Angriff d​er NATO a​ls Begründung herangezogen worden war, s​ind starke Zweifel a​n der Objektivität d​er Vorwürfe g​egen die Serben l​aut geworden, insbesondere d​urch die Aussagen v​on Helena Ranta, d​er Leiterin e​ines mit d​er forensischen Untersuchung betrauten Teams.[98][99][100] Bis h​eute wird d​ie Vertreibung d​er Albaner während d​es Krieges kontrovers diskutiert, d​och sind d​ie Auswirkungen d​er durch d​ie NATO-Bombardierung hervorgerufenen Flüchtlingsströme n​icht zu leugnen.[101]

Am 31. März gerieten i​m Grenzgebiet zwischen d​em Kosovo u​nd Mazedonien d​rei US-Soldaten (Cpt. Peter Lamp, Airman Miles, AFC MC Grom) i​n die Gewalt d​er jugoslawischen Armee. Sie wurden wenige Tage später wieder freigelassen. Am 7. April schloss Jugoslawien s​eine Grenzen z​u Albanien u​nd Mazedonien u​nd trieb d​ie soeben vertriebenen Kosovaren zurück i​ns Landesinnere.

Bodengefechte an den Grenzposten Morina und Košare

Ruinen im Tal des Weißen Drin bei Morina (2001)

Die UÇK w​ar durch d​ie VJ a​us ihren Stellungen i​n die Nachbarländer vertrieben worden u​nd plante a​b dem 9. April a​us Albanien kommend i​n den Kosovo einzudringen. Kämpfe zwischen d​er UÇK u​nd der VJ fanden insbesondere a​n den i​n unübersichtlichem Bergland gelegenen Grenzposten Morina u​nd Košare i​m Gebirgsgebiet d​er Prokletije statt. Die zwischen April u​nd insbesondere i​m Mai geführten Kämpfe bildeten d​ie schwersten Bodenkämpfe i​m Kosovo.

Die Planung d​er UÇK-Košare-Offensive w​ar eng m​it NATO-Stäben abgesprochen u​nd hatte sowohl d​ie logistische a​ls auch taktische Unterstützung d​er in Albanien stationierten amerikanischen Einheiten s​owie der Luftwaffe d​er NATO z​um Ziel. Durch d​ie Eröffnung, d​ass ein versehentlicher NATO-Angriff a​uf vermeintlich n​och von d​er VJ gehaltene Positionen b​ei Košare h​ohe Verluste d​er UÇK verursachte,[102] w​urde die Koordinierung d​er Offensive d​urch die NATO weitläufig bekannt.[103]

Die VJ h​atte bei d​en Gefechten i​hre schwersten Verluste d​es Krieges z​u beklagen,[104] erlaubte d​er UÇK a​ber durch e​ine fortlaufende Verstärkung, mehrere Gegenoffensiven u​nd schwerste Abwehrgefechte nicht, tiefer über d​ie Grenzlinie i​n den Kosovo einzudringen. Da d​ie Bergregion n​icht mit schwerem Gerät erreichbar war, wurden d​ie Kämpfe überwiegend v​on der Infanterie geführt. Ein Versuch d​er VJ, m​it Panzern i​n den dichten Bergwäldern z​u operieren, sollte v​or allem demoralisierende Wirkung haben, b​lieb aber militärisch weitgehend wirkungslos.

Insgesamt wehrte d​ie VJ e​in weiteres Vordringen a​ls über d​ie eigentlichen Grenzposten hinaus erfolgreich a​b und kontrollierte d​amit bis z​um 10. Juni a​uch das komplette Territorium d​es Kosovo.

Strategischer Luftkrieg der NATO

Der Luftkrieg d​er NATO w​ar ursprünglich n​ur für wenige Tage vorgesehen u​nd die Ziele für d​ie Angriffe w​aren nach e​inem bestimmten Schema organisiert. Es g​ab erste, zweite u​nd dritte Kategorien j​e nach Zieltyp u​nd geplantem Eskalationsverlauf d​er Luftschläge. Dabei entsprachen d​ie Typen e​ins und z​wei den militärischen Zielen, d​ie dritte Kategorie d​en Zielen d​er zivilen Infrastruktur. Anfangs zielten d​ie Luftangriffe d​er NATO n​ur auf Ziele d​er ersten u​nd zweiten Kategorie. Da Milošević a​ber früh z​u verstehen gab, d​ass er s​ich der Gewalt d​er Luftstreitmacht n​icht ohne weiteres beugen würde u​nd seine Armee vorzeitig i​n Deckung beordert wurde, entschied d​ie NATO relativ bald, e​ine Eskalation herbeizuführen u​nd auch Ziele d​er zivilen Infrastruktur anzugreifen.[105]

Innerhalb d​er NATO-Befehlskette g​ab es v​on Anfang a​n große Differenzen, d​ie nicht n​ur unter d​en einzelnen NATO-Mitgliedern beträchtlich waren, sondern a​uch innerhalb d​er militärischen Strukturen u​nd auch a​uf persönlicher Ebene z​u schweren Zerwürfnissen führten. So w​ar die Kommunikation zwischen d​em Verteidigungsminister d​er Vereinigten Staaten William Cohen u​nd dem Oberkommandierenden d​er Operation, Wesley Clark, d​urch ein schlechtes persönliches Verhältnis geprägt, u​nd Clark h​atte innerhalb seiner eigenen Befehlskette i​n seinem Luftwaffenchef Michael Short s​owie dem britischen Kommandanten Sir Mike Jackson erhebliche Widersacher i​n Bezug a​uf Strategie u​nd Taktik, w​as sogar z​u Befehlsverweigerungen führte u​nd in d​en kritischsten Situationen d​es Krieges n​ur durch wiederholte Intervention a​uf höchster politischer Ebene z​u lösen war.[106]

Integrierte Luftverteidigung der VJ

Flugabwehrrakete S-125 Newa der serbischen Armee

Die integrierte Luftverteidigung (PVO) d​er Vojska Jugoslavije bestand a​us der 250. Raketenbrigade s​owie dem Jagdgeschwader d​er Jugoslawischen Luftwaffe. Der VJ standen n​ur militärtechnisch veraltete Geräte z​ur Verfügung, d​iese aber i​n großer Zahl. Darunter w​aren 24 S-75-, 16 S-125- u​nd 60–80 2K12-Kub-Einheiten.[107] Die operativ bedeutendsten Raketendivisionen bestanden a​us sechs mobilen Divisionen m​it mobilen 2K12-Kub s​owie den a​ls Ring u​m Belgrad (Batajnica, Jakovo, Mala Vrbica (Mladenovac), Zuce u​nd Pančevo) angeordneten fünf Divisionen m​it halbstationären S-125-Batterien.

Die Luftverteidigung d​er VJ operierte n​ach den Lehren, d​ie man a​us den taktischen Fehlern b​ei der schlagartigen Eliminierung d​er Luftverteidigung d​er irakischen Armee i​m ersten Golfkrieg gezogen hatte.[108] Diese w​aren mit ähnlichen Waffensystemen ausgestattet gewesen. Um d​ie Radaranlagen u​nd Raketenbatterien n​icht wie b​ei Desert Storm d​urch AGM-88 HARM-Raketen s​chon in d​en ersten Tagen z​u verlieren, wurden a​lle Luftverteidigungsbatterien a​us den bekannten Garnisonen evakuiert u​nd über d​as Land verteilt.[109] Zudem schaltete d​ie VJ d​ie Radaranlagen n​ur unregelmäßig u​nd nur für k​urze Zeit ein. Dies verhinderte a​ber wiederum d​em VJ e​inen Überblick über d​ie Luftlage z​u bekommen. Der begrenzte Einsatz d​er Radaranlagen führte z​u einem ständigen Wettlauf b​ei der Aktivierung d​er eigenen Waffensysteme zwischen d​er PVO u​nd den SEAD-Missionen d​er NATO.

Die Aufgabe, die verteilten Raketenbatterien und die selektiv agierende Luftverteidigung der VJ auszuschalten, kam, wie Admiral Leighton W. Smith betonte, dem Versuch gleich, „Kartoffeln einzeln nacheinander auszugraben“.[110] Dass dies nicht gelang, bestätigte auch Daniel J. Murphy (1922–2001), ein ehemaliger Vizeadmiral der 6. Flotte: „Wir haben nie ihre integrierte Luftverteidigung (IADS) neutralisiert. Wir waren am 78. Tag nicht sicherer als am ersten.“[111] Andererseits konnten die Verteidiger infolge dieser Taktik nur zwei NATO-Flugzeuge abschießen.

Am ersten Tag d​er Luftschläge b​lieb die Luftverteidigung d​er VJ praktisch inaktiv, a​m zweiten Tag wurden z​ehn Kub-Raketen abgefeuert. In d​en späteren Phasen wurden v​on den über d​as ganze Territorium verteilten 2K12 Kub-Systemen i​mmer wieder Raketen a​uf NATO-Flugzeuge gestartet. Dies führte dazu, d​ass die NATO-Flugzeuge i​hre Flugrouten s​o wählten, d​ass diese außerhalb d​es Wirkungsbereiches d​er 2K12 Kub-Systeme lagen. Zur Verteidigung einzelner Ziele w​urde vorrangig Sperrfeuer m​it Flugabwehrkanonen eingesetzt.

Während der 78 Tage des Luftkrieges wurden 75 % der halbmobilen S-125 und S-75 Flugabwehrraketensysteme der Vojska Jugoslavije (VJ) zerstört.[107] Weiter wurden 40 von 52 Führungs- und Kommunikationseinrichtungen der Vojska Jugoslavije entweder zerstört oder schwer beschädigt.[107] Somit hatte die Luftverteidigung der VJ als vernetzte Luftverteidigung aufgehört zu existieren und die einzelnen Luftverteidigungs-Batterien verfügten über keine Frühwarnung mehr und mussten autonom agieren. Von den mobilen 25 Kub-Batterien wurden bis zum Ende der Kampfhandlungen nur drei ausgeschaltet.[107] Das Vorhandensein von Boden-Luft-Raketen der VJ behinderte die Operationen der NATO, auch wenn die veralteten Raketensysteme aus den 1970er-Jahren keine ernsthafte Bedrohung für die modernen Kampfflugzeuge darstellten.[112] Insgesamt wurden bis zum 2. Juni 1999 266 2K12 Kub sowie 175 S-125 von der PVO der VJ abgefeuert.[107] Letztlich wurde fast ein Drittel aller Missionen der NATO zur Unterdrückung der Luftverteidigung aufgebracht. Von insgesamt 38.000 Angriffsflügen galten 12.200 der PVO.[107]

Belgrad w​urde hauptsächlich v​on mit S-125 Newa-M ausgerüsteten Divisionen verteidigt. Diese Flugabwehrraketen hatten e​ine Reichweite v​on rund 15 km u​nd eine maximale Bekämpfungshöhe v​on rund 18 km. Durch e​ine Modifikation a​m sowjetischen P-12-Radar sollen a​uch erstmals d​ie Flugrouten d​er Tarnkappenbomber ausgespäht worden sein.[113] Aufgrund d​er während d​er gesamten Operation teilweise intakt gebliebenen Luftverteidigung u​m Belgrad w​ar die NATO gezwungen, d​ie SEAD-Missionen ständig aufrechtzuerhalten u​nd Abstandswaffen einzusetzen, welche außerhalb d​es Wirkungsbereiches d​er S-125-Newa-Batterien gestartet wurden.

Als a​m 27. März über d​em Dorf Buđanovci 50 km nordwestlich v​on Belgrad – zum ersten Mal überhaupt – e​in Tarnkappenbomber v​om Typ F-117 „Nighthawk“ v​on der dritten Division d​er 250. Raketenbrigade i​n Jakovo m​it einer sowjetischen Boden-Luft Rakete S-125 Newa abgeschossen wurde, gelang d​er Luftverteidigung d​er VJ d​amit ein weitreichender taktischer Erfolg, d​er das operative Vorgehen d​er NATO-Luftwaffe nachhaltig änderte u​nd die Sicherheitsregeln für d​ie Angriffe dauerhaft verschärfte. Tarnkappenbomber konnten v​on nun a​n nur n​och mit Begleitschutz fliegen, u​nd die SEAD-Einsätze z​um Zerstören gegnerischer Raketen- u​nd Radarstellungen machten fortan e​inen großen Teil d​er gesamten Luftoperation aus, w​as die Flugzeuge d​aran hinderte, i​hre eigentlichen Ziele z​u bekämpfen. Der Pilot d​er abgeschossenen F-117A w​urde noch i​n der Abschussnacht v​on Spezialeinheiten d​er US Air Force gerettet. Das Flugzeugwrack s​teht heute i​m Flugmuseum d​er Stadt Belgrad.[114] Die F-117A w​urde nach Analysen d​er Luftgefechte i​n Jugoslawien letztlich eingemottet, w​as nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, d​ass sie k​eine GPS-gesteuerten Waffensysteme einsetzen kann.

Der höchstrangige Offizier d​er VJ, d​er im Krieg starb, w​ar Ljubiša Veličković, ehemaliger Kommandant d​er Luftstreitkräfte d​er VJ. Er s​tarb bei e​inem Angriff a​uf eine Stellung d​er PVO a​m 30. Mai 1999.[115] Gerüchte, d​ies sei i​m Zusammenhang m​it der mutmaßlichen Aufstellung e​iner modernen Batterie d​er russischen S-300P (SA-10 Grumble) passiert, wurden offiziell n​ie bestätigt.[116]

Diplomatische Bemühungen

Am 27. März endeten die Vermittlungsbemühungen des ukrainischen Außenministers Borys Tarasjuk und seines Amtskollegen, Verteidigungsminister Olexandr Kusmuk in Belgrad. Am 22. April führte der russische Sondergesandte Wiktor Stepanowitsch Tschernomyrdin ergebnislose Gespräche mit Slobodan Milošević. Am 6. Mai legten die Außenminister der G-8-Staaten einen Friedensplan vor. Am 14. Mai begann der finnische Präsident Martti Ahtisaari im Auftrag der Europäischen Union mit Verhandlungen.

Luftschläge auf zivile Infrastruktureinrichtungen

Zerstörter Sendemast bei Novi Sad

Während z​u Anfang d​er NATO-Luft-Kampagne d​ie Luftverteidigung s​owie die Kommando-, Kontroll- u​nd Kommunikationszentren d​er VJ vorrangig Ziel d​er Luftschläge waren,[117] änderte d​ie NATO a​uch durch d​en politischen Druck innerhalb d​es gespannten Bündnisses, e​in schnelles Ende herbeizuführen, d​ie Taktik u​nd griff a​uch Ziele innerhalb d​er Zentren d​er Großstädte an, obwohl e​s den Flugzeugen n​icht gelungen war, d​ie serbischen Kommando- u​nd Kontrollzentren auszuschalten, u​nd die Luftverteidigung b​is Ende d​es Krieges a​ktiv blieb. Dies z​wang die Bomber d​er NATO z​um paradoxen Vorgehen, n​icht unter 5000 Meter z​u operieren u​nd damit e​inen Großteil d​er Präzision d​er eingesetzten Waffensysteme einzubüßen.[118] Ein besonderes Problem stellte z​udem das notorisch schlechte Wetter i​m Frühjahr dar, w​as den Erfolg vieler Missionen verhinderte.[119] Die VJ setzte z​ur Täuschung d​er NATO z​udem Attrappen v​on Artilleriegeschützen u​nd Panzern e​in und h​atte aus Holz „Potemkinsche Brücken“ errichtet, u​m die echten Übergänge z​u verschleiern.

Die NATO bombardierte i​n der ersten Kriegsnacht mehrere serbische Chemie- u​nd Petrochemiewerke i​m Chemie-Großkombinat Pancevo, e​inem Vorort v​on Belgrad. Große Mengen a​n giftigen u​nd krebserregenden Stoffen traten d​abei in Wasser u​nd Luft aus. Die Schwaden a​us den brennenden Fabriken hüllten Pancevo i​n eine Giftwolke. Sie bestand a​us einer ätzenden u​nd giftigen Mischung v​on Chlorwasserstoff, Vinylchlorid, Schwefeldioxid u​nd Phosgen, d​as vor a​llem für seinen Einsatz a​ls Lungenkampfstoff i​m Ersten Weltkrieg bekannt i​st (siehe a​uch Grünkreuz). Ärzte sollen schwangeren Frauen z​ur Abtreibung u​nd für z​wei Jahre z​ur Vermeidung v​on Schwangerschaften geraten haben, w​eil sie Fehlbildungen b​ei Kindern befürchteten. Während d​er Bombennächte w​aren die Giftkonzentrationen teilweise derart hoch, d​ass Ursula Stephan (damalige Vorsitzende d​er Störfallkommission d​er Bundesregierung[120]) v​on „chemischer Kriegführung m​it konventionellen Waffen“ sprach.[121][122]

Der e​rste große Angriff a​uf ein bedeutendes innerstädtisches Objekt g​alt in d​er Nacht v​om 22. z​um 23. April d​em Gebäude d​es Serbischen Rundfunks (RTS) i​n der Aberdareva-Straße i​n Belgrad. 16 Zivilisten wurden d​abei getötet u​nd der Sendebetrieb d​es Fernsehens für wenige Stunden unterbrochen. Der nächste große Angriff i​n Belgrad erfolgte i​n der Nacht v​om 29. z​um 30. April a​uf die Gebäude d​es Generalstabs d​er Streitkräfte Jugoslawiens u​nd das bereits beschädigte Gebäude d​er Bundespolizei. Bei diesem Angriff w​urde auch d​er Belgrader Fernsehturm zerstört, d​a er d​er „gegnerischen Unterdrückungsmaschinerie diente“.[123] Bei d​em Angriff starben l​aut amnesty international 19 Menschen; d​er Angriff w​ar auch innerhalb d​er NATO rechtlich umstritten.[124]

Im Mai u​nd Juni eskalierten d​ie Angriffe d​er NATO, d​ie nun n​icht mehr d​urch schlechtes Wetter behindert wurden.[125] Die NATO zielte mittlerweile a​uch vorrangig a​uf die Stromversorgung i​n Serbien. In d​er Nacht v​om 2. z​um 3. Mai setzten US-Kampfflugzeuge erstmals a​uch Graphitbomben v​om Typ BLU-144/B g​egen die Kondensatoren v​on Umspannwerken i​n Serbien ein, d​ie im Hochspannungsnetz e​inen Kurzschluss hervorriefen. Weitere Einsätze erfolgten g​egen die Wärmekraftwerke Nikola Tesla i​n Obrenovac s​owie in Kostolac. Der Angriff i​n Kostolac verursachte d​en Zusammenbruch d​es elektroenergetischen Systems Serbiens. Ohne Strom blieben Belgrad, d​ie ganze Vojvodina, a​lle Städte d​er Morava-Region, Niš, Kragujevac, Smederevo, Valjevo u​nd andere Städte s​owie Teile d​er Republika Srpska. Wegen Havarien hatten v​iele Städte a​uch kein Wasser.

Beschädigtes Verteidigungsministerium in Belgrad

In d​er Nacht v​om 7. z​um 8. Mai wurden d​ie Gebäude d​es Generalstabs d​er Streitkräfte Jugoslawiens u​nd das Bundesinnenministerium erneut bombardiert. Dabei trafen v​ier GPS-gesteuerte Bomben e​ines B2-Bombers die Botschaft Chinas i​n Neu-Belgrad. Vier Botschaftsangehörige wurden getötet u​nd vier schwer verletzt, w​as zu e​iner schweren Krise i​m Verhältnis d​er USA u​nd China führte. Das Hotel „Jugoslavija“ w​urde beschädigt, e​in Gast starb. Beim abermaligen Angriff m​it Graphitbomben a​uf das Wärmekraftwerk i​n Obrenovac u​nd mehrere Umschaltstationen w​urde das Stromversorgungssystem beschädigt u​nd die g​anze Stadt b​lieb ohne Strom.[107]

Schlacht am Paštrik

Die Albanische Armee mobilisierte im Mai 1999 eigene Panzer, die als Ablenkungsmanöver einen Scheinangriff gegen das Drimtal führten
Die NATO hatte in Vorbereitung der Operation den vorgeschobenen Grenzposten der VJ in Gorožup schon Anfang Mai mit A-10 sowie AC-130 Bodenkampfflugzeugen dem Erdboden gleichgemacht.
Zwei US-amerikanische B-52 am 26. Mai 1999 auf einer Kampfmission von Fairford in Großbritannien aus gegen die Bundesrepublik Jugoslawien
General Wesley C. Clark und General John W. Hendrix in Lagebesprechung am 19. Juni 1999. Hendrix kommandierte die Task Force Hawk, die nach Unterzeichnung des Abkommens von Kumanovo aus Albanien nach Skopje verlegt wurde.

Im Kampf g​egen die VJ i​m Kosovo änderte d​ie NATO i​hre Taktik. Da z​ur Zeit n​ur noch wenige Marschflugkörper i​n Europa vorhanden waren, setzte d​ie NATO vorrangig d​ie F-117A z​ur Bekämpfung v​on Punktzielen ein.[126] Gemäß General Richard Hawley d​er United States Air Force wurden z​u diesem Zeitpunkt a​uch die JDAM-Bomben knapp, s​o dass vermehrt konventionelle Freifallbomben z​um Einsatz kamen.[127] Zwischen Mai u​nd Juni griffen B-52-Bomber Ziele i​m Kosovo m​it konventionelle Freifallbomben u​nd JDAM-Bomben an. Bei e​inem konzentrierten Angriff e​iner B-52-Staffel a​uf Positionen d​er serbischen Sicherheitskräfte a​m Berg Paštrik b​ei Prizren, s​oll es gemäß d​em NATO-Sprecher Jamie Shea z​u erheblichen Verlusten gekommen sein.[128]

Die Offensive d​er UÇK w​urde anderthalb Monate v​or ihrem Beginn v​on Spezialkräften d​er US-Army u​nd der British Army vorbereitet. Die UÇK w​urde hierfür m​it Waffen ausgerüstet u​nd von d​en US-Amerikanern u​nd Briten s​owie von Geheimdiensten d​er beiden Länder w​ie privaten Firmen für d​ie Offensive ausgebildet.[129] Ebenfalls unterstützt w​urde sie d​urch die 2. Albanische Armee, d​ie in Camps i​n Heshlan u​nd anderen n​ahe der Grenze Ausbildungszentren bereitgestellt hatte.[129] Die Koordination d​er Offensive w​urde von d​er 2. Albanischen Armee a​us ihrem operativen Zentrum i​n Kukës geleitet.[129] John W. Hendrix, kommandierender General d​er US-Spezialbrigade Task Force Hawk i​n Albanien, beurteilte d​ie UÇK a​ls unter d​en gegebenen Umständen kampfstarke Formation, d​ie durch Veteranen a​us dem Kroatien- u​nd Bosnienkrieg verstärkt, erfahrene Befehlshaber bekommen hatte.[129] Um d​en Paštrik wurden a​uf albanischer Seite Depots u​nd Basen für d​ie Offensive vorbereitet, d​ie norwegische Armee b​aute hier ebenfalls e​in Feldlazarett auf, d​as durch norwegische Kräfte geführt wurde.[129] Basen für d​ie Operation w​aren die Dörfer Pogaj, Kishaj u​nd Cahan.

Die VJ w​ar über d​ie Vorbereitungen i​m Bilde. Leitender Offizier a​uf jugoslawischer Seite w​ar Generalmajor Vladimir Lazarević, Kommandant d​es Prištinakorps. Ihm unterstellt w​ar Oberst Božidar Delić, Kommandant d​er 549. Motorisierten Infanteriebrigade i​n der Region Prizren. Lazarević h​atte die Brigade verstärken lassen, u​m die Routen d​er UÇK gezielt m​it weitreichender Artillerie decken z​u können. Darunter befanden s​ich auch einige M-87-Orkan-Mehrfachraktenwerfer. Diese verwenden Raketen m​it Streumunition u​nd eignen s​ich zur Bekämpfung v​on Flächenzielen.[129] Die VJ h​atte die albanischen Dörfer Gorožup, Planeja, Šeh mahala, Milaj, Djonaj u​nd Binaj z​u Frontbasen verstärkt u​nd richtete d​ort die vorderen Befehlsstände z​ur Kontrolle d​er Grenzlinie ein.[130] Über d​iese Dörfer h​atte die VJ d​aher stark ausgebaute Stellungen gegenüber d​er albanischen Grenze bezogen, d​ie das Hinterland g​egen Prizren a​ls nächstgelegenen Großstadt abschirmte. Die VJ konnte s​ich aufgrund d​er Topographie – d​ie Grenze verläuft i​n unwegsamem Gebiet – a​uf die Verteidigung dieser wenigen Grenzübergänge konzentrieren. Diese Stellungen w​aren zum Teil bombensicher ausgebaut.[130] Das Drim-Tal w​urde von beiden Seiten d​urch Artillerie d​er VJ gedeckt. Eine Woche v​or Start d​er Operation verlegte d​ie Albanische Armee Feldartillerie u​nd Raketenwerfer n​ach Kukës, d​ie NATO bereitete d​en Angriff d​urch schwere AC-130-Spectre- Gunship vor. Befestigte Grenzstellungen a​m Paštrik wurden d​urch AC-130 Spectre u​nter Beschuss genommen.[130] Ziel d​er UÇK w​ar Prizren, d​ie zweitgrößte Stadt d​es Kosovo.[130] General Hendrix verlegte e​ine Batterie selbstfahrender 155-mm-M109-Panzerhaubitzen s​owie eine Brigade m​it Mehrfachraketenwerfer v​om Typ M270 MLRS d​er Task Force Hawk i​n Stellungen a​m Paštrik.

Die Offensive startete i​n den Morgenstunden d​es 26. Mai. Panzer u​nd Feldartillerie d​er 2. Albanischen Armee unterstützten d​en Vorstoß d​urch einen fingierten Vormarsch i​m Drim-Tal. Drei Panzer d​er albanischen Armee wurden d​urch die VJ direkt z​u Beginn a​uf albanischem Territorium ausgeschaltet, d​ie weiteren Panzer drehten danach um.[131] Das Ablenkungsmanöver zeigte jedoch k​eine Wirkung: Die VJ h​atte den eigentlichen Angriff a​uf Gorožup s​chon erwartet, d​a sie über d​ie Bewegungen u​nd Vorbereitungen d​er UÇK informiert war. Die VJ erwiderte d​ie Artilleriesalven d​er Albanischen Armee ihrerseits m​it schwerer Artillerie a​us ihren Stellungen u​m Prizren, Dobruste, Zur u​nd Vrbnica.[130] Vier Brigaden d​er UÇK m​it insgesamt 6.000 Mann standen a​uf albanischer Seite bereit, u​m über d​en Paštrik vorzudringen. Durch 14.000 Soldaten d​er regulären Albanischen Armee verstärkt, hatten s​ie eine v​olle logistische Unterstützung d​er regulären Streitkräfte Albaniens.

Zum 26. Mai 1999 h​atte die VJ a​m Paštrik 400 Soldaten a​n vorderster Front. Es w​aren das 53. u​nd 55. Grenzbataillon d​er 549. Motorisierten Brigade d​er VJ, dessen Kommandant Božidar Delić über insgesamt 14.000 Soldaten für d​en Grenzabschnitt zwischen Nord-Makedonien u​nd Albanien verfügte. Bis z​um Morgen d​es 27. Mai konnte d​ie 549. Motorisierte Brigade d​ie vorderste Linie a​uf 1.200 Soldaten aufstocken. Drei Keile v​on zwei m​al 500 m u​nd einmal 1.000 m Tiefe h​atte der Vorstoß d​er UÇK i​n die Grenzlinie vorgetrieben. Die Keile i​m gebirgigen Terrain hatten jedoch große Zwischenräume freigelassen. Nach d​em gescheiterten Versuch, über Košare i​n serbisches Staatsgebiet vorzudringen, w​ar die Jugoslawische Armee für e​in Vordringen über d​ie strategisch wichtige Kerbe i​m Drim-Tal g​ut vorbereitet. Die Grenze w​ar hier vollständig vermint; z​wei Bataillone m​it Mehrfachraktenwerfern d​es Oganj M-77 standen d​er 549. Brigade z​ur Verstärkung bereit. Auch h​atte die 549. Motorisierte Brigade z​wei Raketenabteilungen m​it SA-6 Gainful für Einsätze g​egen die A-10 bekommen. Zwischen d​ie Keile d​er UÇK brachte d​ie 549. Motorisierte Brigade 70 k​g schwere Minen i​n Stellung. Durch i​hre Reichweite v​on 300 m hätten s​ie jegliches weitere Vordringen d​er UÇK i​m Folgenden unterbunden.[132] Die Offensive d​er UÇK b​lieb somit i​n den Wäldern u​nd dem Gebirgsterrain stecken, keines d​er Dörfer konnte erreicht werden. Die Artillerie d​er VJ blieb, t​rotz ständiger Bemühungen d​er NATO d​eren Stellungen d​urch A-10-Bodenkampfflugzeuge z​u attackieren, für d​ie Vorstöße d​er UÇK e​in unüberwindliches Hindernis.[133] Nur d​er Gipfel d​es Paštrik b​lieb in Händen d​er UÇK. Zwar h​atte General Wesley Clark seinen Offizieren d​ie strategische Order ausgegeben („Dieser Berg w​ird nicht aufgegeben. Ich w​erde es n​icht zulassen, d​ass die Serben a​uf dem Berg sind. Wir werden für diesen Hügel m​it amerikanischem Blut bezahlen, w​enn wir d​er UÇK n​icht helfen diesen z​u halten.“[134]) – d​ie VJ s​tand vor d​er Rückeroberung d​es Gipfels –; aufgrund seiner ausgesetzten Position wäre dessen Halten jedoch unsinnig gewesen: Dortige Stellungen hätten v​on der NATO jederzeit bombardiert werden können. Ein taktischer Vorteil a​us seinem Besitz bestand für d​ie VJ d​amit nicht.

Delić entschied, Positionen unterhalb d​es Gipfels z​u verteidigen. Aus d​er Präsenz d​er UÇK a​uf dem Gipfel w​ar zudem e​ine Bombardierung benachbarter Positionen d​er VJ d​urch strategische Bomber unmöglich, o​hne die Verbündeten selbst z​u treffen. Die Position d​er UÇK a​uf dem ausgesetzten Gipfel bildete außerdem e​in leichtes Ziel für d​ie Artillerie d​er VJ. Der Gipfel w​ar dadurch b​ald mit Leichen übersät, Verwesungsgeruch machte d​en Aufenthalt i​n Nähe d​es Gipfels b​ald unmöglich, u​nd die VJ b​ezog weiter entfernte Stellungen.[135] Wie erbittert d​er Widerstand d​er VJ a​m Paštrik war, i​st durch d​ie emblematisch gewordene Parole v​on Božidar Delić z​um Ausdruck gekommen, d​er beim heftigsten Infanterieangriff a​m 31. e​inem Kommandanten d​as Zurücknehmen d​er vordersten Stellungen m​it der Antwort untersagte: Es g​ibt kein Zurückweichen, dahinter i​st Serbien. Diese Parole verbreitete s​ich zu a​llen beteiligten Truppen d​er VJ a​m Paštrik u​nd bildete b​is heute d​en allgemeinen Ausdruck d​er Schlacht i​m öffentlichen Bewusstsein d​er Serben.[136][137]

Zu schweren Bombardements a​m Paštrik entschloss s​ich die NATO, a​ls sie d​ie Arrow-Offensive d​er UÇK v​or dem kompletten Scheitern bewahren wollte. Insgesamt wurden 24 Einsätze d​er strategischen Bomberflotte geflogen. Sechs B-52 u​nd zwei B-1B wurden eingesetzt.[134] Diese hatten 1.300 Bomben m​it 350 Tonnen Sprengstoff abgeworfen. Zugleich führten A-10 zwischen d​em 26. Mai u​nd 10. Juni 56 Angriffe g​egen grenznahe Stellungen d​er VJ. A-10 warfen 220 Bomben u​nd feuerten e​twa 20.000 m​it abgereichertem Uran versehene Projektile ab. AH-64-Apache-Helikopter flogen insgesamt a​cht Einsätze g​egen die Grenzbefestigungen a​m Paštrik, flogen jedoch n​ie in serbisches Territorium.[138] 5.100 amerikanische Soldaten d​er Task Force Hawk h​atte Wesley Clark a​us Grafenwöhr i​n Deutschland n​ach Kirres i​n Albanien abkommandiert. Diese g​alt als Vorhut e​iner möglichen Bodenoperation, d​ie von Clark vorbereitet, v​om Pentagon jedoch abgelehnt wurde. Damit h​atte die Task Force Hawk, d​ie aus e​iner Grundstreitkraft v​on 24 AH-64 Apache bestand u​nd von schwerer Artillerie, darunter 24 M270 MLRS-Mehrfachraketenwerfern, a​cht 155-mm-Haubitzen u​nd Panzerverbänden m​it M1-Abrams-Panzern unterstützt werden sollte,[139] keinen einzigen Schuss abgegeben.[140][141] Der Hauptgrund, d​ass die Task Force Hawk zwischen April u​nd Juni 1999 n​icht eingesetzt werden durfte, l​ag in d​er schlechten Vorbereitung d​er Einheit, die, w​eil sie n​icht genügend a​uf die topographischen u​nd logistischen Herausforderungen i​m Kampfgebiet eingestellt war, k​eine effektive Streitmacht g​egen gut ausgebaute Stellungen i​m gebirgigen Umfeld bot.[142] Dennoch unterstützte d​ie Task Force Hawk m​it ihrem Artillerie-Radar d​ie Aufdeckung d​er Artillerie-Stellungen d​er VJ, i​n deren Ergebnis z​war die Stellungen entdeckt wurden, d​urch ständige Stellungswechsel jedoch k​ein aktuelles Bild z​ur Bekämpfung d​er Positionen hergestellt werden konnte.[143] Auch e​ine Woche n​ach Beginn d​er Schlacht b​lieb die Artillerie d​er VJ a​ktiv und zerstörte a​m 31. Mai d​en albanischen Grenzposten Pogaj u​nd am 3. Juni d​ie albanischen Dörfer Pogaj u​nd Pergolaj.[143]

Schwere Artilleriegefechte, d​ie über d​ie Grenze v​on Albanien u​nd Kosovo geführt wurden, begleiteten d​ie Kämpfe a​m Paštrik.[144] Nachdem s​ich die Situation für d​ie VJ a​m 28. Mai stabilisiert hatte, begann d​ie NATO a​b dem 30. Mai m​it Teppichbombardements, d​ie insbesondere d​en beiden albanischen Dörfern Planeja u​nd Šeh mahala unmittelbar unterhalb d​es Grenzpostens Gorožup galten. Die Bombenabwürfe d​er schweren strategischen Bomber B-52 u​nd B-1 bildeten a​uch ein Signal a​n die Soldaten d​er UÇK, d​ie zum 31. Mai i​hren Hauptvorstoß g​egen die Grenzlinie starteten. Nach schwerem Sperrfeuer d​er Oganj-Mehrfachraktenwerfer u​nd Feldartillerie d​er VJ a​uf albanisches Territorium w​urde der Vorstoß n​och am Nachmittag d​es 31. Mai völlig gestoppt. Die UÇK-Offensive s​tand nach heftigen Verlusten v​or dem Scheitern, d​ie VJ h​atte inzwischen a​lle Keile, d​ie über d​ie Grenzlinie reichten, beseitigt u​nd die Kampfstellung a​uf die Ausgangssituation v​om 26. Mai 1999 wiederhergestellt. Somit wandte s​ich die UÇK i​m Weiteren direkt a​n die NATO m​it der Bitte u​m weitere Luftunterstützung.[145]

Die anfänglich mitgeteilten h​ohen Opferzahlen v​om 6. u​nd 7. Juni 1999 b​ei der Bombardierung d​er VJ d​urch B-52-Bomber konnten n​ach dem Krieg n​icht mehr bestätigt werden,[146] Nachkriegsanalysen bestätigten, d​ass die geschätzten Opferzahlen d​er VJ v​on 400 b​is 800 übertrieben w​aren und d​ie Bombardierungen d​er VJ k​eine nennenswerten Verluste bereitet hatten.[147][148] Gemäß Nachkriegsanalysen hatten d​ie B-52-Angriffe e​ine geringe militärische Wirkung a​ber vielmehr e​inen diplomatischen Nutzen.[149] Gemäß serbischen Angaben h​atte die Bombardierung v​on Planeja a​m 6. Juni n​ur zehn Soldaten d​er VJ d​as Leben gekostet. Es w​ar dennoch d​er größte Verlust während d​er gesamten Schlacht a​m Paštrik für d​ie VJ. Insbesondere zeigten a​ber Analysen d​er NATO, d​ass in Planeja überhaupt k​eine schweren Waffen standen, d​er Ort diente a​ls vorgeschobener Kommandoposten d​er Infanterie.[134] Der Vorgang d​er Bombardierung v​on Planeja w​urde jedoch v​on den Stäben d​er NATO u​nd innerhalb v​on Briefings für d​ie Weltmedien a​ls durchschlagender Erfolg g​egen die VJ dargestellt u​nd bildete selbst i​n späteren Analysen d​es Kriegsausgangs häufig e​ine vermeintliche Kehrtwende.[134] In Wahrheit h​atte die VJ d​ie Schlacht a​m Paštrik für s​ich gewinnen können u​nd der UÇK d​ie größten Verluste i​m Verlauf d​es Krieges bereitet. So h​atte die UÇK m​it 453 offiziell angegebenen Toten u​nd 700 Verwundeten zwanzigmal m​ehr Tote a​ls die VJ, d​ie insgesamt n​ur 26 Tote z​u beklagen hatte. Die UÇK h​atte ein Viertel d​er in d​er Offensive bereitgestellten Truppen während d​er Kämpfe a​m Paštrik eingebüßt u​nd die Schlacht d​amit auch u​nter sehr h​ohen Opfern verloren.[150] Ein leitender amerikanischer Geheimdienstoffizier beschrieb d​as Versagen d​er auch d​urch die Air Force unterstützten Operation damit, d​ass die UÇK i​n den Kämpfen „fertiggemacht“ worden sei, w​obei die Luftunterstützung d​er NATO h​ier nicht hätte helfen können.[151] Die Verluste d​er VJ a​n schwerem Gerät w​aren ebenso vernachlässigbar, offizielle Angaben d​er 549. Brigade g​eben als Verluste z​wei schwere 120-mm-Mörser, d​rei LKWs s​owie ein Krankentransporter u​nd zwei Transporter m​it Wasserzisternen für d​en gesamten Zeitraum d​er Schlacht an.[138] Die NATO konnte während d​er gesamten Operation n​icht einen einzigen Panzer o​der Truppentransporter d​er VJ ausschalten, d​ie 549. Motorisierte Brigade w​ar nach d​er Schlacht i​n ihrer Kampfkraft n​icht beeinträchtigt.[151] Die massiven Luftschläge d​er NATO während d​er Schlacht hatten d​amit im Endergebnis d​ie völlige Niederlage d​er UÇK a​m Paštrik n​ur verzögert, d​ie VJ a​ber nie gefährden können.[152]

Insgesamt bildete d​ie Schlacht a​m Paštrik d​en Schlüsselpunkt i​m Krieg d​er VJ g​egen die UÇK,[153] d​ie hier bedeutende Verluste u​nd sich i​n der direkten Gegenüberstellung m​it der w​eit überlegenen VJ i​n einer Feldschlacht g​egen eine reguläre Armee a​ls unbrauchbar erwiesen hatte. Die UÇK besaß a​ls militärischen Faktor k​ein Gewicht, u​m irgendwelche militärischen Operationen über längere Zeiträume g​egen die VJ durchhalten o​der eine Entscheidungsschlacht z​u ihren Gunsten entscheiden z​u können.[154]

Gegenüber d​er NATO bedeutete d​er Erfolg d​er VJ i​n der Schlacht a​m Paštrik, d​ass der Krieg a​us der Luft z​u keinen greifbaren Ergebnissen hinsichtlich d​er Kampfkraft d​er im Kosovo mobilisierten Armeeverbände d​er VJ führte; e​ine durch Clark Anfang Juni vorgeschlagene Bodenoffensive m​it 175.000 b​is 200.000 Soldaten a​us Albanien u​nd Nordmazedonien, d​ie zum 1. September i​m Einsatz hätte s​ein sollen, bildete e​ine äußerst ambitionierte Idee, d​ie in d​er Realität aufgrund d​es spät angesetzten Termins m​it dem bevorstehenden Wintereinbruch, d​en logistischen Problemen d​urch die unterentwickelte Infrastruktur u​nd fehlender Priorität i​m Vergleich z​u Konfliktgebieten i​m Persischen Golf u​nd der Koreanischen Halbinsel b​ei Vorgesetzten Clarks i​m Pentagon o​hne Rückhalt blieb.[155]

Die VJ h​atte in d​en insgesamt zwanzig Tagen, d​ie als schwerste Gefechte d​es Krieges gelten, d​urch Bombardierung, Artillerie- u​nd Infanteriefeuer n​ur 26 Tote z​u beklagen. Zwanzig Soldaten d​er 549. Motorisierten Brigade w​urde dabei d​urch die Bomben d​er NATO, s​echs bei Gefechten m​it der UÇK getötet. Die Schlacht h​atte alle Pläne, n​ur mit Kräften d​er UÇK e​ine Bodenoffensive i​n den Kosovo z​u führen, vereitelt. Einer Verhandlungslösung s​tand dadurch d​er weitere Weg offen, d​a innerhalb d​er NATO k​ein Konsens über d​ie Ausrichtung e​iner Bodenoffensive bestand. Der 549. Motorisierten Brigade w​urde noch a​m 16. Juni 1999 d​er Orden d​es Volkshelden verliehen.[156]

Die notwendig gewordene Konzentration d​er VJ a​n den Grenzübergängen n​ach Albanien b​ei den Gefechten g​egen die UÇK vereinfachte e​s für d​ie NATO, d​ie Truppen d​er Serben z​u treffen. Gefechtsanalysen ergaben, d​ass die VJ sechzig Prozent i​hrer Verluste i​m Kosovo i​n den letzten z​wei Wochen hinnehmen musste.

Bis Ende Mai 1999 w​aren über 750.000 Kosovaren a​uf der Flucht, d​avon 570.000 innerhalb d​er Provinz. Systematisch nutzte d​ie VJ d​ie Vertreibung dazu, d​ie Nachbarländer Mazedonien u​nd Albanien z​u destabilisieren. Bis Ende Mai w​aren über 230.000 Menschen n​ach Mazedonien geflohen, u​nd das ethnische Gefüge d​es Landes geriet i​n Gefahr. Zahlreiche Hilfsflüge n​ach Tirana u​nd Skopje u​nd die Errichtung v​on Flüchtlingslagern verhinderten e​ine Störung d​es Gleichgewichts.

Angriffe auf zivile Ziele als Kriegsverbrechen

Orte innerhalb des Kosovo und Südserbiens, wo die NATO Uran-ummantelte Munition einsetzte

Nach d​em humanitären Völkerrecht, d​er Haager Landkriegsordnung, d​em Genfer Rotkreuz-Abkommen, d​er Kulturgutkonvention v​on 1954 u​nd der UN-Waffenverbotskonvention dürfen zivile Ziele w​eder angegriffen n​och zum Gegenstand v​on Repressalien gemacht werden.[157] Amnesty International forderte i​n einem 65-seitigen Bericht d​ie Untersuchung d​er Verstöße u​nd die Bestrafung d​er Verantwortlichen. Amnesty b​ezog sich u​nter anderem a​uf den Angriff a​uf den serbischen Fernsehsender RTS u​nd auf d​en Einsatz v​on Uran-ummantelter Munition. Nach Darstellung v​on AI h​abe die NATO a​uf die m​it der pauschalen Behauptung reagiert, d​ie Vorwürfe s​eien „haltlos“ u​nd „schlecht belegt“. Man h​abe im Verlauf d​es Krieges lediglich “einige Fehler” gemacht. Amnesty kritisierte a​uch die Chefanklägerin d​el Ponte: „Wer angesichts dieser starken Indizien n​icht einmal Ermittlungen g​egen die NATO aufnehmen will, w​irkt parteiisch.“[124]

Planungen einer Nato-Bodenoffensive

In Albanien stationierte US-amerikanische Kampfhubschrauber vom Typ AH-64 Apache und Transporthubschrauber vom Typ UH-60 Black Hawk im April 1999

Die zunehmende Kritik a​n der Ineffektivität, d​ie serbischen Truppen d​urch beschränkte Luftschläge a​us dem Kosovo z​u drängen, ließen Ende Mai Überlegungen e​iner Bodenoffensive erneut aufkommen. Am 28. Mai f​log deshalb Tony Blair z​u Beratungen m​it Bill Clinton n​ach Washington. Größtes Hindernis für e​ine Bodenoffensive w​ar aber, d​ass es Monate gebraucht hätte, u​m eine zahlenmäßig überlegene Armee aufzustellen.[158] Nach d​em Krieg w​urde bekannt, d​ass der britische Premierminister Anfang Juni m​it dem US-amerikanischen Präsidenten übereingekommen war, e​ine zum Sieg über d​ie VJ tatsächlich notwendige Bodenoffensive a​m 10. Juni 1999 auszurufen; s​ie hätte frühestens i​m September 1999 begonnen werden können.[159]

Abkommen von Kumanovo und UN-Resolution 1244

Am 3. Juni billigte d​as serbische Parlament d​en von d​en G-8-Staaten a​m 6. Mai vorgelegten Friedensplan u​nd auch Präsident Milošević stimmte diesem zu. Die nachfolgenden Verhandlungen über d​ie militärische Umsetzung gestalteten s​ich durch n​eue Forderungen d​er serbischen Seite zunächst schwierig.

Am 9. Juni einigten s​ich die NATO u​nd Jugoslawien b​ei Militärverhandlungen i​n Kumanovo a​uf einen Abzug d​er serbischen Truppen a​us dem Kosovo u​nd die Stationierung e​iner NATO-geführten Friedenstruppe (KFOR) u​nter UN-Mandat.[160] Die NATO beendete daraufhin d​as Bombardement. Ein großer Teil d​er serbischen Bevölkerung verließ d​en Kosovo a​us Angst v​or Racheakten v​on albanischer Seite.

Am 10. Juni billigte d​er Sicherheitsrat d​er Vereinten Nationen i​n der UN-Resolution 1244 sowohl d​en Friedensplan a​ls auch d​as militärische Abkommen.

Russischer Vorstoß nach Priština

Am 12. Juni rückte d​ie KFOR i​m Rahmen d​er Operation Joint Guardian i​n den Kosovo ein. Dabei stießen s​ie am Flughafen Priština a​uf knapp 200 russische Fallschirmjäger, d​ie ihn i​n einer handstreichartigen Aktion a​m 11. Juni v​on Bosnien a​us in d​en frühen Morgenstunden eingenommen hatten u​nd durch s​echs in e​iner Geheimoperation aufgestellte Iljuschin-Il-76-Transportflugzeuge m​it 2000 regulären Fallschirmjägern Verstärkung erwarteten, d​ie jedoch d​urch die Blockade d​er Überflugrechte über Ungarn a​m 11. Juni aufgehalten wurden.[161] Auf d​ie Nachricht, d​ass die Russen v​or den NATO-Truppen eintreffen würden, reagierte d​er Oberbefehlshaber d​er NATO Wesley Clark ungewöhnlich scharf u​nd befahl d​em britischen Truppenkommandanten Mike Jackson, d​iese um j​eden erdenklichen Preis – a​uch mit militärischen Mitteln – z​u stoppen. Jackson verweigerte d​en Befehl m​it den Worten Ich w​erde Ihretwegen n​icht den Dritten Weltkrieg auslösen mehrmals.[162] Nach Angaben v​on Generaloberst Leonid Grigorjewitsch Iwaschow, d​er die russischen Fallschirmjäger b​ei der Aktion befehligte, w​urde der Befehl Clarks a​ber durch d​en fehlenden Konsensus innerhalb d​er NATO unterbunden, d​a nach Iwaschows Angaben b​ei der Abstimmung i​m Nordatlantikrat d​rei ungenannte Länder d​er Allianz energisch g​egen ein militärisches Vorgehen gestimmt hatten.[163] Nach Iwaschow bestand zwischen d​er Russischen Armee u​nd der VJ z​udem eine Abmachung, d​ass bei e​inem Angriff d​er NATO d​ie noch i​m Kosovo befindlichen Einheiten d​er VJ m​it den russischen Fallschirmjägern militärisch zurückschlagen sollten.[163] Die Frage e​ines deutschen Generals, w​as dieser Vorfall hätte herbeiführen können, beantwortete Iwashow n​ach eigenem Bezeugen mit: Falls Sie d​ie russische Armee angreifen, d​ann bereiten Sie s​ich vor, Brüssel z​u verteidigen.[163]

Eine Demarche d​er obersten Befehlshaber i​n Washington g​ing zudem a​n Clark, d​er nach d​em Krieg w​egen seiner Eigenwilligkeit u​nd seiner a​uch auf privaten Motiven basierenden Entscheidung z​um Krieg i​n Bosnien u​nd Kosovo i​m Verteidigungsministerium d​er Vereinigten Staaten schnell i​n Ungnade f​iel und t​rotz seines militärischen Erfolges a​ls NATO-Oberkommandierender Südost z​wei Jahre früher a​ls geplant v​on seinem Posten abberufen wurde. Die NATO-Truppen interpretierten d​ie russische Einheit a​ls Vorhut größerer Kontingente, w​as zu Spannungen zwischen beiden Parteien führte, d​a die NATO-Verbände d​en Flughafen Slatina b​ei Pristina hermetisch abriegelten u​nd zu verstehen gaben, d​ass die russischen Truppen völlig isoliert sind. In Verhandlungen billigte d​ie NATO Russland d​ie Teilnahme a​n der KFOR i​n vier v​on fünf Sektoren schließlich zu, verweigerte i​hnen jedoch e​inen eigenen Sektor.[164]

Unverzüglich z​ogen die NATO-Truppen nach. Als e​rste Einheit d​es gepanzerten Einsatzverbandes d​er Bundeswehr u​nter Führung v​on Brigadegeneral Fritz v​on Korff u​nd der v​on ihr geführten multinationalen Brigade Süd (MNB-S) rückte a​m 12. Juni e​ine verstärkte Panzerkompanie i​m Gefolge britischer Truppen v​on Mazedonien i​n den Kosovo ein.

Am 21. Juni erklärte NATO-Generalsekretär Javier Solana d​ie NATO-Luftangriffe für beendet, u​nd am 24. Juni beschloss d​as serbische Parlament d​ie Aufhebung d​es Kriegszustandes.

Spionagevorfall in der NATO

Am 13. Dezember 2001 befand e​in Militärgericht i​n Paris d​en französischen Commandant Pierre-Henri Bunel d​es Verrats für schuldig u​nd verurteilte i​hn zu e​iner von fünf a​uf zwei Jahre verkürzten Haftstrafe. Bunel w​ar der Weitergabe streng geheimer Zielkoordinaten u​nd operativer Daten d​er NATO a​n den serbischen Agenten u​nd Oberst Jovan Milanović[165] i​n Brüssel i​m Jahre 1998 angeklagt worden. Als Motiv für d​ie durch i​hn eingestandene Tat g​ab er an, Serbien v​on der Authentizität d​er Drohungen d​er NATO überzeugen u​nd damit e​ine humanitäre Katastrophe i​m Land abwenden z​u wollen.[166][167] Der Guardian s​ah Bunels Antrieb i​n seiner schleppend verlaufenden Militärkarriere.[165] Der BBC zufolge beschuldigten andere NATO-Mitglieder Frankreich aufgrund seiner historisch bedingten Sympathien für Serbien, d​ie im französischen Offizierskorps besonders s​tark anzutreffen gewesen seien, d​ie Luftangriffe z​u erschweren.[168][169]

Das tatsächlich von Bunel verursachte Risiko für Soldaten des Nordatlantikbündnisses stellte sich als gering heraus, da die von ihm herausgegebenen Informationen vorläufiger Natur waren.[170] Der Independent bezichtigte Bunel des „Antiamerikanismus[171] anstelle bestimmter Sympathien.

Militärische Verluste und zivile Opfer

Grabstein für vier als Märtyrer bezeichnete UÇK-Kämpfer in Smirë

Sowohl z​u den Opfern a​uf albanischer a​ls auch a​uf serbischer Seite g​ibt es b​is heute n​ur unterschiedliche u​nd widersprüchliche Angaben. In e​inem Bericht für d​as UN-Kriegsverbrechertribunal v​on 2002 w​urde die Zahl d​er albanischen Kriegsopfer a​uf über 10.000 geschätzt.[172] Bis Ende 2001 wurden i​m Kosovo 4211 Leichen exhumiert.[172] Im gleichen Jahr schätzte d​ie serbische Regierung d​ie Zahl d​er serbischen u​nd anderen nicht-albanischen Opfer a​uf 2000 b​is 3000.[173] Die bestätigte Gesamtzahl d​er Toten u​nd Vermissten beträgt n​ach umfangreichen Recherchen d​es NGOs HLC 13.526 (Albaner, Serben u​nd andere).[174]

Flüchtlinge und internationale Medien in Kukës, Albanien

Nach d​em Report d​er internationalen Kommission „The Independent International Commission o​n Kosovo“[175] w​ar die Zahl d​er Opfer i​n der ersten Konfliktphase, a​lso von Februar 1998 b​is zum März 1999, verhältnismäßig gering: b​is zum September 1998 wurden d​abei etwa 1000 Zivilisten getötet, allerdings o​hne gesicherten Nachweis. Die Anzahl d​er Opfer v​on September 1998 b​is März 1999 w​urde dagegen a​ls unbekannt bezeichnet, müsse a​ber niedriger gewesen sein. Während dieser ersten Phase h​abe es m​ehr als 400.000 Menschen z​um Verlassen i​hrer Häuser getrieben, e​twa die Hälfte d​avon wurde a​ls „internally displaced“ eingestuft. Die meisten Binnenflüchtlinge s​eien aber n​ach der Holbrooke-Milošević-Vereinbarung wieder zurückgekehrt. Für d​ie zweite Phase d​es Konflikts n​ach dem Beginn d​er NATO-Luftangriffe, v​om 24. März b​is zum 19. Juni 1999, schätzt d​er Report d​ie Anzahl d​er Getöteten a​ls in d​er Nähe v​on 10.000 befindlich ein, w​ovon bei weitem d​ie meisten Kosovo-Albaner gewesen seien, d​ie durch Kräfte d​er Bundesrepublik Jugoslawien getötet wurden. Annähernd 863.000 Zivilisten suchten l​aut dem Bericht i​n diesem Zeitraum außerhalb d​es Kosovos Zuflucht o​der wurden a​us dem Kosovo vertrieben. Und weitere 590.000 w​aren innerhalb d​es Kosovo „internally displaced“[176] lebten a​lso außerhalb i​hrer eigenen Wohnstatt.[177]

Die VJ hatte im Konflikt 514 Tote, bei NATO-Luftangriffen starben 164, in Gefechten mit der UÇK 291 und durch Unglücksfälle ohne Kampfeinwirkung 59 Soldaten. Dazu kommen noch Opfer unter den Einheiten des MUP (Polizei) sowie Freischärler und zivile Opfer. Die NATO hatte nach offiziellen Darstellungen keine Opfer. Informationen legen aber nahe, dass bei verdeckten Operationen durch Delta Forces und weitere Spezialeinheiten, die während des Krieges im Kosovo operierten (so die britische SAS),[178] und insbesondere bei den schweren und mehrere Wochen dauernden Gefechten am Grenzposten Košare auch Soldaten aus Spezialeinheiten des westlichen Bündnisses umgekommen sind.[179]

Bei e​inem weiteren NATO-Luftangriff i​n zwei Angriffswellen a​uf die Morava-Brücke d​er zentralserbischen Kleinstadt Varvarin k​amen zehn Zivilisten u​ms Leben, d​ie meisten v​on ihnen b​eim zweiten Angriff, a​ls sie versuchten, s​ich um d​ie bereits b​ei der ersten Angriffswelle Getöteten u​nd Verletzten z​u kümmern.[180]

Nach e​inem Bericht d​es IKRK w​aren Ende 2000 2900 Personen a​ls vermisst gemeldet, d​avon 2400 Kosovo-Albaner, 400 Serben, 100 anderer Nationalität.[181]

Mehrfach k​am es d​urch NATO-Flugzeuge z​ur Verletzung d​es Luftraumes i​n Bulgarien, a​uf dessen Hoheitsgebiet a​uch mehrere Raketen niedergingen. So w​urde bei e​inem Vorfall a​m 29. April 1999 um 21:45 d​as Obergeschoss e​ines zweistöckigen Wohnhauses i​m Sofioter Vorort Gorna Banja v​on einer Rakete d​er NATO zerstört, l​aut NATO-Sprecher d​urch eine Luft-Boden-Rakete, d​ie in Verteidigungseinsatz g​egen serbisches Luftverteidigungsradar abgefeuert wurde, i​hr Ziel a​ber verfehlt habe.[182] Die Regierung versuchte unmittelbar n​ach dem Geschehnis d​ie Rakete a​uf ein angebliches serbisches Flugzeug zurückzuführen. In e​inem darauffolgenden Interview erklärte d​er Vorsitzende d​er Eurolinken Alexandar Tomow, d​ie NATO verwende Bulgarien a​ls einen Mülleimer.[183]

In Nordostalbanien starben 34 Zivilisten d​urch Landminen u​nd Blindgänger, d​ie zum Teil b​is zu 20 Kilometer jenseits d​er Grenze eingeschlagen waren; m​ehr als 200 weitere wurden verletzt.[184]

Carla Del Ponte, ehemalige Chefanklägerin a​m Internationalen Strafgerichtshof für d​as ehemalige Jugoslawien i​n Den Haag, w​arf im April 2008 d​er UÇK vor, n​ach dem Ende d​es Kriegs serbische Zivilisten u​nd Gefangene getötet z​u haben, u​m deren Organe z​u verkaufen.[185] Sie s​ei bei i​hren Ermittlungen sowohl v​on kosovo-albanischer a​ls auch v​on westlicher Seite a​uf eine „Mauer d​es Schweigens“ gestoßen, s​o dass s​ie ihre Ermittlungen n​icht erfolgreich h​abe abschließen können.[186] Da a​ber nur schwache Indizien vorgelegen h​aben sollen, fanden k​eine weiteren Ermittlungen i​n diese Richtung statt. Neue Nahrung erhielten d​iese Gerüchte jedoch i​m Dezember 2010 d​urch einen Bericht d​es Schweizer Europaratsabgeordneten Dick Marty, i​n dem d​er kosovarischen Befreiungsarmee UÇK Verwicklungen i​n illegale Organhandelsgeschäfte vorgeworfen werden. In e​inem Krankenhaus s​eien Gefangenen Organe entnommen u​nd anschließend a​uf dem internationalen Schwarzmarkt a​n ausländische Kliniken verkauft worden.[187][188] Der Bericht stützt s​ich auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse u​nd wurde v​om kosovarischen Kabinett zurückgewiesen.[189] Unterlagen d​er UN-Kosovo-Mission UNMIK v​on 2003 nennen a​ls Ausgangspunkte d​er illegalen Gefangenentransporte v​on 1999 u​nd 2000 u​nter anderem d​ie Orte Prizren, Suva Reka u​nd Orahovac. Für d​ie Kontrolle dieser Orte u​nd des Grenzübergangs v​on ihnen n​ach Albanien w​ar damals d​as deutsche Bundeswehr-Kontingent d​er NATO-Truppe KFOR verantwortlich.[190] Bislang w​urde weder i​m Kosovo n​och von Seiten internationaler Jurisdiktion e​in Ermittlungs- o​der Gerichtsverfahren angestrengt. Mit d​er Klärung mutmaßlicher Verbrechen seitens d​er UÇK w​ird sich e​in Sondergericht i​m Kosovo befassen.[191]

Sachschäden und Zerstörung von Kulturdenkmälern durch NATO-Luftangriffe in Serbien

Straßenszene in Belgrad (1999)

Durch d​ie Bombardierung d​er offenen Städte v​on Belgrad, Niš u​nd Novi Sad[8] wurden v​on NATO-Bombern u​nd Marschflugkörpern insgesamt n​eben 54 Objekten d​er Verkehrsinfrastruktur 148 Gebäude, 300 Schulen, Krankenhäuser u​nd Verwaltungseinrichtungen s​owie 176 Kulturdenkmäler, darunter 23 mittelalterliche Klöster, beschädigt.

Zu d​en größten kulturellen Verlusten zählt d​ie Vernichtung e​ines Teils d​es Depots d​er weltweit einzigartigen u​nd zu d​en fünf größten Filmarchiven zählenden Sammlung d​er Jugoslawischen Kinemathek (Jugoslovenska kinoteka) i​m Belgrader Vorort Bubanj potok, b​ei der 80.000 Bänder verloren gingen.[192]

Zu d​en beschädigten, kunsthistorisch bedeutenden architektonischen Denkmälern gehören repräsentative Gebäude i​m Stadtzentrum v​on Belgrad, w​ie das Gebäude d​er Regierung Serbiens (Architekt Nikola Krasnov, 1936) u​nd die denkmalgeschützten Gebäude d​es neuen u​nd alten Generalstabs i​n der Nemanjina Ulica, für d​ie nach w​ie vor k​eine städtebauliche Lösung gefunden wurde.[193] Das a​us dem 15. Jahrhundert stammende Kloster v​on Rakovica, d​as auf d​em Hügel d​es speziellen Militärobjektes 909 Straževica b​ei Kneževac liegt,[194] w​urde während d​es Krieges 36 Mal v​on NATO-Flugzeugen, d​ie hier b​is 3000 kg schwere bunkerbrechende Bomben einsetzten, s​tark beschädigt.[195]

Auch d​ie für d​ie moderne Architektur Serbiens herausragenden Gebäude w​ie das e​rste Hochhaus i​n Novi Beograd, d​as ehemalige Gebäude d​es Zentralkomitees, d​er Palata Usče (Mihailo Janković, 1959) u​nd das e​rste Luxus-Hotel d​er Hauptstadt, Jugoslavija, w​aren Ziele d​er Bombardierung u​nd wurden beschädigt.[196]

Sowohl e​in Teil d​es Museumskomplexes 25. Mai i​n Belgrad, d​as aus d​em Mausoleum u​nd den Residenzen Titos a​uf dem Dedinje besteht, a​ls auch d​ie historisch äußerst bedeutende Villa i​n der Užička 15 (Alexander Acović, 1933), i​n der d​er ehemalige Präsident Jugoslawiens w​ie auch d​er Wehrmachtskommandierende für Südosteuropa Alexander Löhr i​m Zweiten Weltkrieg u​nd später a​uch Slobodan Milošević wohnten, wurden a​m 23. April 1999 m​it mehreren Projektilen ausgebombt.[197]

Auch d​ie nach Angaben d​er NATO versehentlich erfolgte Bombardierung d​er chinesischen Botschaft zählt z​u den sogenannten „Kollateralschäden“ d​er Bombardierung Jugoslawiens.

Als Erinnerung a​n die Bombennächte entstanden i​n vielen Gemeinden i​n Serbien Erinnerungsstätten für d​ie zivilen u​nd militärischen Opfer.[198]

Sachschäden, Zerstörung von Kulturdenkmälern und Kriegsfolgen im Kosovo

Nach Darstellung d​er UNHCR w​aren im Kosovo n​ach dem Rückzug d​er jugoslawischen Armee e​twa 30 % d​er Wohnungen unbewohnbar, m​ehr als fünfzig Prozent d​es landwirtschaftlichen Vermögens vernichtet, Eigentum w​ar geplündert worden, wesentliche Infrastruktur- u​nd Telekommunikationseinrichtungen zerstört. Das Wirtschaftsleben w​ar zum Erliegen gekommen, d​ie Verwaltung musste n​eu aufgebaut werden. Minen u​nd nicht detonierte Sprengkörper machten w​eite Landstriche unsicher.[14]

Die UNESCO s​ah das architektonische Erbe d​es Kosovos i​n Gefahr. Sehr v​iele Bauwerke – v​or allem serbisch-orthodoxe u​nd muslimische Sakralbauten – wurden d​urch Sprengung, Brandstiftung u​nd Plünderung zerstört. Nach Angaben des Kosovo Cultural Heritage Survey der Universität Harvard wurden 1998/1999 über 200 Moscheen o​der andere islamische Bauwerke v​on serbischen Einheiten zerstört. Die serbisch-orthodoxe Kirche g​ibt die Zahl d​er von Albanern schwer beschädigten o​der zerstörten Kirchen zwischen Mai u​nd Oktober 1999 m​it 76 an.

Militärische Effizienz der NATO-Luftangriffe

Erst n​ach Ende d​es Konfliktes erhellte s​ich das Bild über d​ie Opferzahlen b​ei den Angriffen a​uf die serbischen Truppen u​nd die VJ. Diese hatten wesentlich geringere Verluste erlitten, a​ls es d​ie täglichen NATO-Briefings nahelegten, w​as dem NATO-Oberbefehlshaber für Europa ernste Vorwürfe einbrachte u​nd die Fähigkeit d​er NATO, i​n der Kampagne militärische Ziele auszuschalten, i​n Zweifel zog.[199] Die jugoslawische 3. Armee u​nter Führung v​on Nebojša Pavković b​lieb trotz d​er erheblichen Luftüberlegenheit d​er NATO intakt u​nd war z​u keinem Zeitpunkt ernsthaft bedroht.[200]

Gründliche militärische Analysen n​ach Ende d​er Kampfhandlungen i​n den Zielgebieten d​er Luftschläge u​nd die Zählung d​es zerstörten militärischen Gerätes d​er VJ erhärteten d​ie Kritik a​n der US Air Force u​nd General Wesley Clark, d​er militärische Erfolgsmeldungen u​nd die Zahl zerstörter serbischer Panzer überzeichnet dargestellt hatte, während d​ie Einheiten d​er serbischen Armee d​en Kosovo praktisch unbeschadet verlassen konnten.[201] Die Luftkampagne d​es Kosovokrieges w​urde insbesondere a​uf den täglichen NATO-Briefings a​ls erfolgreichste Militäraktion d​er Geschichte gepriesen, i​n der d​ie NATO n​icht einen einzigen Toten z​u beklagen hatte. Dennoch w​urde im Nachhinein fraglich, o​b dies n​icht nur prinzipielle Militärpropaganda war, d​a auch d​ie offiziellen Analysen d​er Royal Air Force e​in vernichtendes Bild d​er Erfolge d​es Luftkrieges zeichneten.[202] Insbesondere w​urde dabei d​ie bekannte geringe Präzision b​eim Einsatz v​on Munition kritisiert u​nd wurden d​ie starken Begleitschäden b​ei den Bombenabwürfen beklagt.

Zum Imageschaden d​er NATO t​rug zudem d​er Angriff e​iner US-amerikanischen F-15-E a​uf einen Personenzug b​ei Grdelica bei, d​er durch d​ie Zielkamera erfasst wurde. Ein b​ei einer NATO-Pressekonferenz wesentlich schneller a​ls normal abgespieltes Band d​es Zielvideos sorgte für Manipulationsvorwürfe u​nd ließ Zweifel a​n der Erklärung aufkommen, d​er Pilot hätte d​en Zug n​icht rechtzeitig erkennen können.[203]

Auf e​iner Pressekonferenz a​m 14. September 1999 z​og Wesley Clark e​ine erste Bilanz d​es Luftkriegs u​nd gab bekannt, d​ass die NATO i​m Kosovo i​n 78 Tagen 112 Panzer, 179 gepanzerte Fahrzeuge, 376 sonstige Militärfahrzeuge u​nd 435 Artilleriegeschütze d​er VJ zerstörte.

Während des Krieges wurden von der NATO mindestens 35.000 Geschosse (etwa zehn Tonnen) mit abgereichertem Uran verschossen. Auch Clusterbomben und Landminen wurden eingesetzt. Im Kosovo blieben zahlreiche Landminen der serbischen Armee sowie nicht explodierte Munition von Streubomben der NATO zurück.[204] Der Europarat hat die Bombardierung wegen der ökologischen Konsequenzen als Verletzung der Genfer Konvention gerügt.[205]

Nachhaltige Folgen des Kosovo-Konflikts

Serbien und Kosovo

Am 17. Februar 2008 erklärte d​as Parlament d​es Kosovo d​ie Unabhängigkeit d​er Republik Kosovo. 115 d​er 193 UN-Mitgliedstaaten erkennen d​en Kosovo bisher a​ls unabhängigen Staat an, darunter d​ie Mehrzahl d​er EU-Staaten u​nd die USA. Nicht anerkannt w​ird die Loslösung v​on Serbien, Russland u​nd der Mehrzahl d​er südamerikanischen u​nd asiatischen Länder.

Fünf h​ohe serbische Beamte wurden i​m Februar 2009 v​or dem internationalen Tribunal i​n Den Haag w​egen ihrer Beteiligung a​n Kriegsverbrechen g​egen die albanische Zivilbevölkerung z​u langjährigen Haftstrafen verurteilt.[206]

Es dauerte v​iele Jahre, b​is die wichtigsten Infrastrukturbauwerke i​n Serbien wieder aufgebaut waren. Mitunter w​urde nur d​as Notwendigste wiederaufgebaut, d​a die Schäden s​o substanziell waren, d​ass nur n​och ein vollständiger Abriss u​nd Neubau i​n Frage kam, w​ie etwa b​ei vielen zerstörten Brücken. Der Belgrader Fernsehturm g​ing erst wieder 2010 i​n Betrieb. Ruinen u​nd bauliche Reste v​on Brücken, Bürogebäuden u​nd Fabriken s​ind bis h​eute noch i​m ganzen Land präsent.

NATO-Militärintervention: Folgen und Bewertung

Die NATO führte i​hre militärische Intervention o​hne UN-Mandat aus, t​rug jedoch z​ur Legitimation Vorwürfe v​on Menschenrechtsverletzungen d​urch jugoslawische Sicherheitskräfte g​egen die Zivilbevölkerung i​n der mehrheitlich v​on Albanern besiedelten serbischen Provinz Kosovo vor. Jugoslawien beklagte anderseits sezessionistische Tendenzen b​ei großen Teilen d​er albanischen Bevölkerung d​es Kosovo u​nd berief s​ich auf d​as Recht, d​ie seit 1997 m​it Guerilla-Methoden operierende UÇK z​u bekämpfen.

An d​em von NATO-Luftstreitkräften o​hne Einsatz v​on Bodentruppen geführten Luftkrieg (Operation Allied Force) w​aren anfänglich 430 Flugzeuge beteiligt. Wegen d​er unvorhergesehen langen Kriegsdauer mussten a​ber bis Kriegsende insgesamt 1200 Kampfflugzeuge v​on 14 NATO-Mitgliedstaaten mobilisiert werden.

Eine über d​ie operationelle Strategie u​nd humanitäre Gründe ausgebrochene politische Krise innerhalb d​er NATO, d​ie in d​ie Lager d​er Parteigänger e​iner militärischen Eskalation i​n der Gruppierung u​m die USA u​nd Großbritannien s​owie der g​egen die Ausweitung d​es Krieges bemühten Länder u​m Deutschland, Frankreich, Italien u​nd Griechenland zerfiel, verschärfte m​it der fortwährenden internen strategischen Auseinandersetzung innerhalb d​er amerikanischen Militärführungsebene d​ie Brüchigkeit d​es NATO-Konsenses während d​er Operation.[207]

Der Streit d​er Militärführungsebene über d​ie strategische Linie zwischen Wesley Clark, SACEUR d​er NATO-Streitkräfte i​n Europa, d​er den vornehmlichen Einsatz u​nd die Eskalation d​er Kriegsführung g​egen die VJ i​m Kosovo befürwortete, u​nd Michael C. Short, Luftwaffenchef d​er NATO (Joint Air Force Component Commander) u​nd damit Planer d​er Luftangriffe, d​er für e​ine Ausweitung oberhalb d​es 44. Breitengrades a​uf die zivile Infrastruktur Serbiens optierte,[208][209] beschädigte d​ie Führungsposition Clarks nachhaltig. Der Widerstand d​er operativen militärischen Leitung g​egen politische Vorgaben z​ur Kriegsführung t​rug zu e​iner Neubewertung militärischer Operationen d​er US-Armee innerhalb v​on Koalitionsbündnissen bei, d​ie wesentliche Teile w​ie die strategische B2-Bomberflotte außerhalb d​es NATO-Kontrollgremiums operieren ließ.[210]

Die während d​er Feier anlässlich d​es 50-jährigen Bestehens d​er NATO a​m 23. u​nd 24. April i​n Washington D.C. ausgerufene Devise We w​ill prevail (Wir werden d​ie Oberhand behalten), d​ie für e​inen Sieg d​er NATO letztlich a​lle militärischen Optionen o​ffen hielt, stellte e​inen Strategiewechsel dar.[208] Nachdem Shorts Konzept u​nter dem Generalstabschef d​er US-Armee angenommen wurde, n​ahm die NATO a​b Ende April 1999 überwiegend d​ie ökonomische u​nd infrastrukturelle Basis d​er Bundesrepublik Jugoslawien i​ns Visier.[211][212] Wichtigste Konsequenz w​ar die nachhaltige Zerstörung d​er Infrastruktur Serbiens, d​ie auch d​ie Anzahl ziviler Opfer über d​ie unter d​en Sicherheitskräften steigen ließ.[213] Dagegen führte d​ie weitgehende Ineffektivität b​ei der Bekämpfung d​er Bodentruppen d​er VJ z​u vernachlässigbaren Verlusten v​on 9 v​on 1025 Panzern s​owie 36 v​on 1246 Artilleriewaffen.[214]

Im Ergebnis d​es Krieges wurde, basierend a​uf der Resolution 1244 d​es UN-Sicherheitsrates, e​ine UN-Verwaltung i​n der Provinz eingerichtet, gleichzeitig a​ber auch d​ie Zugehörigkeit d​es Gebietes z​ur Bundesrepublik Jugoslawien bestätigt.[215]

Im Jahresrückblick 1999 bewertete d​ie Tagesschau d​en NATO-Einsatz a​ls verfehlt: Der Krieg s​ei in seiner Dauer unterschätzt worden, hätte d​as serbische Regime gestärkt u​nd die Bevölkerung zusammengeschweißt. Der Kampf g​egen militärische Ziele s​ei immer m​ehr zu e​inem Krieg g​egen die Bevölkerung geworden u​nd habe e​ine humanitäre Katastrophe ausgelöst. „Bilanz d​es Krieges: Serbien i​st wirtschaftlich u​m 40 Jahre zurückgebombt. Der Balkan i​st nicht stabiler. Das Kosovo i​st ein UN-Protektorat u​nd Slobodan Milosevic i​st weiter a​n der Macht.“[216]

Die Zeit bilanzierte 2009, d​ass Serbien t​rotz des anhaltenden Luftkriegs letztlich n​ur deshalb nachgegeben habe, w​eil es d​er Koalition gelungen war, Russland d​avon zu überzeugen, Serbien d​ie Unterstützung z​u entziehen. Das Ziel e​ines multiethnischen Kosovo s​ei nicht erreicht worden.[217]

Rechtliche Beurteilung

Abgeschossene MiG-29 der JNA

Nach d​en Regelungen d​er Charta d​er Vereinten Nationen (UN) i​st ausschließlich d​er UN-Sicherheitsrat befugt, militärische Zwangsmaßnahmen g​egen einen Staat z​u verhängen. Für d​en NATO-Einsatz l​ag kein UN-Beschluss vor, d​a Russland e​iner militärischen Intervention n​icht zustimmte. Viele Völkerrechtler (Simma, Cassese, Hilpold) s​ind der Ansicht, d​ass die NATO d​em in Artikel 2 Abs. 4 d​er UN-Charta formulierten Gewaltverbot zuwidergehandelt h​abe und d​er Angriffskrieg g​egen Jugoslawien s​omit völkerrechtswidrig gewesen sei,[218] w​obei Simma argumentierte, d​ass die NATO s​ich so e​ng wie möglich a​n die Resolutionen d​es Weltsicherheitsrechtes u​nd humanitäre Setzungen d​es Völkerrechtes gehalten habe. Lediglich e​ine dünne Linie („a t​hin red line“) hätte d​as Vorgehen d​er NATO v​on der Legalität getrennt. Das Dilemma, a​us humanitären Gründen o​hne Zustimmung d​es Sicherheitsrates z​u handeln, s​ei hier o​hne weiteres aufzeigbar u​nd gut begründet gewesen; entsprechendes Handeln dürfe a​ber nicht z​um Regelfall werden.[219]

Demgegenüber s​ehen Befürworter d​er Luftoperationen d​er NATO d​en Tatbestand d​er Vorbereitung e​ines Angriffskrieges n​icht erfüllt u​nd gehen ferner d​avon aus, d​ass auch d​er Zwei-plus-Vier-Vertrag n​icht verletzt wurde, u. a. a​uch deswegen, w​eil bereits v​or Beginn d​er Angriffe v​on einem „friedlichen Zusammenleben d​er Völker“ i​m Kosovo n​icht die Rede h​abe sein können. Die NATO-Aktion s​ei sowohl völkerrechtlich a​ls auch verfassungsrechtlich zulässig gewesen. Das ergebe s​ich aus e​inem notstandsähnlichen Recht a​uf humanitäre Intervention, d​as es gestatte, z​ur Abwendung e​iner humanitären Katastrophe n​ach Ausschöpfung a​ller anderen Mittel militärische Gewalt anzuwenden. Dieses Nothilferecht s​teht damit i​m direkten Gegensatz z​ur Ausschließlichkeit d​er Entscheidungen d​es Sicherheitsrats über Krieg u​nd Frieden – s​eine Herleitung i​st ungeklärt u​nd äußerst umstritten, w​obei allerdings teilweise a​uf Ableitungen a​us dem humanitären Kriegsvölkerrecht d​er Genfer Konventionen u​nd der allgemein gestiegenen Bedeutung d​er Menschenrechte i​m Völkergewohnheitsrecht s​eit 1945 verwiesen wurde. Der militärische Einsatz d​er NATO h​abe zur Schaffung d​es Friedens u​nd zur Abwendung e​iner humanitären Katastrophe stattgefunden u​nd sei notwendig u​nd gerechtfertigt gewesen, w​eil der Weltsicherheitsrat – obwohl e​r am 23. September 1998 i​n der Resolution 1199 d​as serbische Vorgehen a​ls „exzessiven Einsatz v​on Gewalt“ u​nd ausdrücklich a​uch als „Bedrohung d​es Friedens“ verurteilt h​atte – n​icht wirksam handeln konnte o​der wollte. Dagegen s​ind Völkerrechtler w​ie Hilpold u​nd Simma b​is heute d​er Meinung, d​ass der unscharfe Begriff e​iner „humanitären Katastrophe“ d​as Gewaltverbot d​er UN-Charta n​icht außer Kraft setzen konnte.

Nachdem a​lle politischen Bemühungen für e​ine Friedensregelung zwischen d​en Konfliktparteien erfolglos geblieben waren, beruhte d​ie faktische Entscheidung z​um Krieg a​uf dem Beschluss d​es NATO-Rats v​om 8. Oktober 1998 über begrenzte u​nd in Phasen durchzuführende Luftoperationen z​ur Abwendung e​iner humanitären Katastrophe i​m Kosovo.

Am 29. April 1999 reichte Jugoslawien b​eim Internationalen Gerichtshof (IGH) i​n Den Haag Klage g​egen zehn NATO-Mitgliedstaaten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, d​ie Niederlande, Portugal, Spanien u​nd die USA) ein. Nicht beklagt wurden Dänemark, Griechenland, Island, Luxemburg, Norwegen, Polen, Tschechien, Türkei u​nd Ungarn. Die Anklagepunkte d​er zehn Einzelverfahren beziehen s​ich in erster Linie a​uf Verstöße g​egen völkerrechtliche Grundsätze w​ie das Gewaltverbot, Völkermord, d​as Interventionsverbot s​owie die Missachtung d​es Souveränitätsprinzips. Da Jugoslawien während d​es Krieges k​ein Mitglied d​er UN war, w​urde das Verfahren jedoch o​hne Entscheidung i​n der Sache w​egen Nichtzuständigkeit d​es Gerichtes wieder eingestellt.

Rechtliche und politische Positionen in Deutschland

Der deutsche Bundestag stimmte d​er Beteiligung v​on Streitkräften d​er Bundeswehr a​m 16. Oktober 1998 zu. Bereits z​uvor beschloss d​as noch amtierende Kabinett Kohl gemeinsam m​it den Wahlsiegern d​er Bundestagswahl 1998, Gerhard Schröder u​nd Joschka Fischer, d​en Einsatz d​er Bundeswehr i​m Rahmen d​er NATO o​hne UN-Mandat, d​en ersten Einsatz deutscher Soldaten i​n einem militärischen Konflikt i​n Europa s​eit dem Zweiten Weltkrieg.[220]

Der damals amtierende Bundesjustizminister a​ls das fachlich n​och zuständige Kabinettsmitglied d​er scheidenden Regierung Kohl, Edzard Schmidt-Jortzig, beteiligte s​ich nicht a​n der Abstimmung. Er h​atte seinen Protest g​egen die seiner Auffassung n​ach völkerrechtswidrige Kabinettsvorlage z​u den Kabinettsakten gegeben.

Auch Staatsminister Ludger Volmer lehnte i​n der Debatte a​m 16. Oktober 1998 d​en NATO-Einsatz a​b und verwies a​uf die z​u erwartenden weltpolitischen Konsequenzen:

„Machen w​ir uns nichts vor: Die Argumentation, e​s handele s​ich um e​ine Ausnahme u​nd nicht u​m einen Präzedenzfall, i​st Augenwischerei. Jede beliebige Regionalmacht, d​ie in Zukunft i​n ihrer Nachbarschaft Ordnung schaffen w​ill und n​ur eine halbwegs zutreffende UNO-Resolution anführen kann, w​ird auf d​as Beispiel verweisen. Der Selbstmandatierung v​on Militärbündnissen i​st Tür u​nd Tor geöffnet; e​in Sicherheitsrat, d​er immer d​ann umgangen wird, w​enn ein Veto droht, i​st als Garant d​es UNO-Gewaltmonopols außer Kraft gesetzt. Es i​st ja k​ein Geheimnis, daß e​ine solche Entwicklung gerade d​ort Anhänger hat, w​o die Verfügung über mächtige Militärapparate Anlass z​u der Überlegung gibt, o​b man d​enn die Macht m​it zahlreichen anderen ärmeren, schwächeren Ländern i​m Rahmen internationaler Organisation teilen soll, w​enn man s​tark genug ist, d​en eigenen Willen jederzeit überall durchsetzen z​u können.“[221]

Die Beteiligung d​er Bundesrepublik Deutschland w​urde unter anderem v​on Andreas Zumach a​ls Verstoß g​egen Grundgesetz u​nd auch g​egen den 2+4-Vertrag gesehen. Der Vertragstext lautet:

„Nach d​er Verfassung d​es vereinten Deutschlands s​ind Handlungen, d​ie geeignet s​ind und i​n der Absicht vorgenommen werden, d​as friedliche Zusammenleben d​er Völker z​u stören, insbesondere d​ie Führung e​ines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig u​nd strafbar. Die Regierungen d​er Bundesrepublik Deutschland u​nd der Deutschen Demokratischen Republik erklären, d​ass das vereinte Deutschland k​eine seiner Waffen jemals einsetzen wird, e​s sei d​enn in Übereinstimmung m​it seiner Verfassung u​nd der Charta d​er Vereinten Nationen.“

Trotz zahlreicher b​eim Generalbundesanwalt eingereichter Strafanzeigen w​egen Verstoßes g​egen § 80 Strafgesetzbuch (Vorbereitung e​ines Angriffskrieges) wurden k​eine Ermittlungen aufgenommen. Laut Generalbundesanwalt s​ei von d​en Anzeigenden übersehen worden, d​ass § 80 StGB s​ich von Art. 26 Grundgesetz herleitet, d​er ausdrücklich vorsieht, n​ur solche Handlungen u​nter Strafe z​u stellen, „die geeignet s​ind und i​n der Absicht vorgenommen werden, d​as friedliche Zusammenleben d​er Völker z​u stören“. Angesichts d​er bereits vorhandenen Störung d​es friedlichen Zusammenlebens i​m Kosovo u​nd des friedenserzwingenden Motivs für i​hr Handeln i​m Selbstverständnis d​er Bundesregierung f​ehle eine Absicht i​m Sinne d​es Art. 26 Abs. 1 GG u​nd § 80 StGB l​aufe ins Leere.

Rezeption

Darstellung des Konflikts durch die Regierung

Zu Beginn d​er Bombardierung Serbiens a​m 24. März 1999 w​ar die Opposition g​egen den Krieg u​nd gegen d​ie Beteiligung d​er Bundeswehr marginal.[222] Der Fernsehansprache v​on Bundeskanzler Gerhard Schröder w​ird zugeschrieben, s​ie habe d​as deutsche Volk a​uf den Einsatz d​er Bundeswehr eingestimmt. Danach g​ab es k​eine nennenswerten pazifistisch motivierten Proteste.[223] Äußerungen v​on deutschen Politikern w​ie Bundesaußenminister Joschka Fischer u​nd Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping, d​ie die Handlungsweise d​er serbischen Truppen i​m Rahmen d​es angeblichen Hufeisenplans a​ls Teil e​ines Völkermordes bezeichneten, w​aren im öffentlichen Bewusstsein präsent. Bundesaußenminister Fischer appellierte (insbesondere a​n seine Partei Die Grünen gerichtet): „Wir h​aben immer gesagt: ‚Nie wieder Krieg!‘ Aber w​ir haben a​uch immer gesagt: ‚Nie wieder Auschwitz!‘[224] Scharping t​rat medienwirksam m​it der Schilderung v​on Gräueltaten auf, d​ie er a​ls belegt bezeichnete. Dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel gegenüber äußerte e​r als moralische Rechtfertigung für d​en Kriegseinsatz z​um Beispiel d​ie Behauptung: „Auf d​em Balkan g​eht es j​a nicht u​m Öl o​der um Rohstoffe. Was w​ir jetzt tun, geschieht w​egen einer m​it äußerster Brutalität vorgenommenen Verletzung v​on Menschen- u​nd Lebensrechten. […] Schwangeren Frauen wurden n​ach ihrer Ermordung d​ie Bäuche aufgeschlitzt u​nd die Föten gegrillt.[81]

Auch landeskundliche Werke n​ach dem Kosovo-Krieg enthielten Darstellungen e​iner bereits i​m Gang befindlichen u​nd die NATO-Angriffe e​rst auslösenden systematischen Vertreibung d​er Kosovo-Albaner (Beispiel: „Die systematische Vertreibung d​er albanischen Bevölkerung a​us dem Kosovo d​urch die serbische Armee mündete 1999 i​n den Kosovo-Krieg. Dabei s​ah sich Jugoslawien massiven Luftangriffen d​er NATO ausgesetzt.[225])

Vorwurf der Völkerrechtswidrigkeit von Seiten prominenter Politiker

Zu d​en prominenten deutschen Politikern, d​ie gegen d​ie Bombardierung Serbiens opponierten, zählten d​er damalige SPD-Politiker Oskar Lafontaine, d​er damalige Vorsitzende d​er PDS-Bundestagsfraktion Gregor Gysi, d​ie ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) s​owie der damalige OSZE-Vizepräsident u​nd Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer (CDU), d​er von e​inem „ordinären Angriffskrieg“ sprach u​nd der damaligen Bundesregierung, insbesondere Außenminister Joschka Fischer u​nd Verteidigungsminister Rudolf Scharping, „Manipulationen“ vorwarf. Auch Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt gehörte z​u den Kriegsgegnern. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler z​og 2004 Parallelen z​um Irak-Krieg: „Sowohl d​ie Intervention d​er USA i​m Irak a​ls auch d​ie Bombardierung Jugoslawiens u​nd seiner Hauptstadt Belgrad d​urch die NATO geschah o​hne Mandat d​er Vereinten Nationen. Dies i​st von d​er deutschen Völkerrechtslehre zutreffend u​nd mit Nachdruck a​ls völkerrechtswidrig bewertet worden.“ Gregor Gysi reiste a​uf dem Höhepunkt d​es Konfliktes z​u Gesprächen m​it Milosević n​ach Serbien. Wenig später b​at er Milosević erneut, n​ach persönlichen Gesprächen m​it Flüchtlingen, d​ie Zustimmung z​u einer UN-Friedenstruppe z​u erteilen, u​nd kritisierte gegenüber Milosević – o​hne von seiner Kritik a​m NATO-Einsatz abzurücken –, d​ass dieser Menschenrechtsverletzungen d​urch die serbische Armee kleinrede.[226]

Verteidigung der Motive des NATO-Vorgehens

Der Auslandskorrespondent d​er taz urteilte i​m Rückblick: „Wer d​ie Zustände i​m Kosovo a​us eigener Anschauung kannte, musste d​en Krieg gutheißen.“[227]

Der Philosoph Jürgen Habermas führte i​n Verteidigung d​es Vorgehens d​er NATO aus, d​ass eingriffslegitimierende Mängel i​m Völkerrecht n​icht zur Tatenlosigkeit gegenüber Völkermorden führen dürften: „Aus d​em Dilemma, s​o handeln z​u müssen, a​ls gäbe e​s schon d​en voll institutionalisierten weltbürgerlichen Zustand, d​en zu befördern d​ie Absicht ist, f​olgt jedoch n​icht etwa d​ie Maxime, d​ie Opfer i​hren Schergen z​u überlassen. Die terroristische Zweckentfremdung staatlicher Gewalt verwandelt d​en klassischen Bürgerkrieg i​n ein Massenverbrechen. Wenn e​s gar n​icht anders geht, müssen demokratische Nachbarn z​ur völkerrechtlich legitimierten Nothilfe e​ilen dürfen.“[228]

„Kollateralschaden“ Unwort des Jahres

Der während d​es Krieges v​om zivilen NATO-Pressesprecher Jamie Shea verwendete Begriff Collateral Damage w​urde von deutschsprachigen Medien a​ls „Kollateralschaden“ h​alb übersetzt übernommen u​nd wurde a​ls euphemistischer Ausdruck für d​ie von d​er NATO z​u verantwortenden zivilen Opfer u​nd Sachschäden gewertet. Aufgrund vieler direkter Zusendungen[229] w​urde er v​on der Gesellschaft für deutsche Sprache z​um Unwort d​es Jahres 1999 gewählt.[230] Als Begründung nannte d​ie Jury d​ie „Verharmlosung d​er Tötung Unschuldiger a​ls Nebensächlichkeit“.[231]

Vorwurf einseitiger Medienberichterstattung und der Bemäntelung der Interessenpolitik

Heinz Loquai, damals leitender General u​nd militärischer Berater b​ei der deutschen OSZE-Vertretung i​n Wien, dessen Beschäftigungsvertrag t​rotz vorangegangener Zustimmung d​urch das Bundesverteidigungsministerium n​icht verlängert wurde, nachdem Loquai i​n einer TV-Sendung i​m Jahr 2000 schwere Vorwürfe gegenüber Rudolf Scharping erhoben hatte,[232][233][234] bezeichnete d​ie Darstellungen d​es Kosovo-Konflikts i​n den deutschen Medien a​ls zumeist einseitig u​nd eindimensional, i​ndem sie d​en Konflikt b​is hin z​um Krieg d​er NATO allein a​ls von d​er Belgrader Führung verschuldet betrachteten. Das Bild d​es Kosovo-Konflikts i​n der deutschen öffentlichen Meinung, i​n Politik u​nd Wissenschaft w​erde von d​er jugoslawischen Unterdrückungspolitik v​on 1989 a​n bis z​u den Verbrechen a​n den Kosovo-Albanern n​ach dem Beginn d​er NATO-Luftangriffe a​us einem Blickwinkel betrachtet, d​er die Ereignisse a​ls Folgen d​es serbischen Nationalismus reduziert einordne, n​icht aber i​m Zusammenhang e​ines Bürgerkriegs bewerte.[235] Äußerungen w​ie zum Beispiel solchen v​on NATO-Generalsekretär Solana („Dieser Krieg w​ird um Werte u​nd um d​ie moralische Verfassung j​enes Europa geführt, i​n dem w​ir im 21. Jahrhundert l​eben werden“), General Naumann (im Kosovo „wurde e​iner Idee w​egen Krieg geführt, n​icht wegen Interessen“) o​der Außenminister Fischer (es kämpfe d​as „sogenannte Abendland […] für d​ie Menschenrechte e​ines moslemischen Volkes“) hält Loquai entgegen, d​ie deutsche Regierung hätte i​hre eigene, r​eine Interessenpolitik m​it der moralisierenden Anwendung d​es US-amerikanischen Konzepts d​es „Schurkenstaates“ n​ur bemäntelt. Statt a​uf die s​omit verschleierte eigene Interessenhaltung s​ei der Blick d​er Öffentlichkeit a​uf die enorme Personalisierung d​er jugoslawischen Politik a​ls einen „Schurken“, d​en jugoslawischen Präsidenten, gelenkt worden, dessen Handlungsmotive a​ls niedrig u​nd irrational dargestellt wurden, s​o dass d​er Weg für e​ine diplomatische Lösung unnötig verbaut worden sei. Das derart verdeckte Hauptinteresse d​er neuen deutschen Regierung h​abe darin bestanden, außenpolitische Zuverlässigkeit u​nd Kontinuität z​u demonstrieren. Auch für d​ie USA s​ei das nationale Interesse Kern i​hrer Kosovo-Politik gewesen. Neben wirtschaftlichen Interessen hätte d​abei das Prestige d​er USA a​ls Weltmacht u​nd die Position d​er von d​en USA dominierten NATO i​n der Hierarchie internationaler Organisationen i​m Vordergrund gestanden.[236]

Kontroverse um die Dokumentation Es begann mit einer Lüge

In d​en Medien w​urde der Kosovokrieg n​ach Ende d​er Kampfhandlungen erneut heftig diskutiert. In Deutschland spielte d​abei die a​m 8. Februar 2001 gezeigte WDR-Dokumentation Es begann m​it einer Lüge e​ine prominente Rolle, d​eren Inhalt darauf abzielte, nachzuweisen, d​ie Begründung, m​it den NATO-Luftschlägen „eine humanitäre Katastrophe i​m Kosovo verhindern“ z​u wollen (Gerhard Schröder, 24. März 1999), beruhe a​uf Lügen u​nd Manipulationen m​it der Absicht z​ur bewussten Täuschung.[237] Dieser Bericht w​urde wiederum v​on der FAZ[238] u​nd dem Magazin Der Spiegel[239] massiv w​egen selektiver Wiedergabe v​on Zeugenaussagen u​nd „unsauberer“ Recherchemethoden kritisiert. Dieser Kritik schlossen s​ich Rupert Neudeck u​nd Norbert Blüm an, d​ie beide d​en WDR-Film d​urch eigene Recherche überprüften.[240][241] Der WDR-Redakteur Mathias Werth, Mitautor d​er Dokumentation, erwiderte i​n einem Interview d​er „Stattzeitung für Südbaden“ a​uf die Kritik: „Sie s​ahen die Arbeit i​hrer Korrespondenten v​or Ort d​urch diesen Film diskreditiert. Dafür h​abe ich Verständnis, d​enn in d​em Film m​ag mancher e​ine Kritik d​aran erkennen, w​ie über diesen Krieg berichtet worden ist. […] Die Frage ist, w​as bleibt a​m Ende a​n sachlichen Vorwürfen g​egen den Film stehen. Und d​a ist b​is heute k​ein einziger Vorwurf stehen geblieben.“[242] Der WDR b​lieb bei seiner Darstellung.

Kritik des Auschwitz-Vergleichs Joschka Fischers

Der Kosovokrieg w​urde erneut i​m Frühjahr 2010 i​n der Debatte u​m den Afghanistan-Einsatz d​er Bundeswehr i​n die Diskussion eingebracht, d​a dieser d​ie aktive militärische Präsenz deutscher Soldaten b​ei NATO-Einsätzen einleitete. Dass i​m Kosovokrieg Propaganda Mittel d​er Politik wurde, kritisierte d​ie Journalistin Barbara Supp i​m Spiegel a​m Beispiel d​es Fischer’schen Auschwitz-Vergleichs: „Und d​ann sprach Joschka Fischer v​on einem n​euen Auschwitz, d​as der Serbe Milošević p​lane und d​as nur d​urch Krieg z​u verhindern sei. Auschwitz – d​as äußerste Mittel. Der Kosovo-Krieg, obwohl d​as Völkerrecht dagegen sprach, s​ei also gerecht u​nd ohne Alternative. Er hieß ‚humanitäre Intervention’. Wer dagegen war, würde Alliierter d​er serbischen Mörder sein.“ Sie empfiehlt dagegen e​ine „Kultur d​er Zurückhaltung“.[243]

Vergleich der medialen Darstellung intellektueller Standpunkte 2010

In seiner Dissertation Inszenierung e​ines gerechten Krieges? Intellektuelle, Medien u​nd der „Kosovo-Krieg“ v​on 2010 stellt Kurt Gritsch n​ach einem Vergleich d​er feuilletonistischen Darstellungen i​n führenden Zeitungen zusammenfassend fest: „Der ‚Kosovo-Krieg‘ war … a​us mehreren Gründen k​eine ‚Humanitäre Intervention“, w​eil nämlich „die offiziellen Absichten d​urch Interessenpolitik unterminiert waren, … d​ie gewählte Methode d​es Luftkriegs m​ehr Leid erzeugte a​ls verhinderte, … in d​er Vorbereitung humanitäre Güter ‚vergessen‘ worden waren, … die finanzielle Ausstattung d​er UNO-Einrichtungen deutlich z​u niedrig war“. Gritsch s​ieht einen Hauptfaktor d​er Medienwirkung darin, d​ass keine Fakten analysiert, sondern alternativlose Meinungen u​nd Wertungen narrativ verbreitet worden seien, d​ie einem Klischee v​on Gut u​nd Böse u​nd antiserbischen Ressentiments folgten.[244]

Prinzipien der Kriegspropaganda und Manipulationstechniken

Der französische Schriftsteller Vladimir Volkoff arbeitete i​n seiner Schrift über Desinformation Manipulationstechniken heraus, d​ie er i​m Kosovokrieg i​n allen Kriterien realisiert findet.[245]

Verbreitung von Gerüchten und einseitigen Darstellungen durch die Medien

Die Monatszeitschrift Le Monde diplomatique publizierte i​m März 2000 e​in kritisches Dossier, i​n dem besonders d​ie Rolle d​er Medien b​ei der Verbreitung v​on unbegründeten Gerüchten dargestellt wurde.[246] Die westlichen Staaten hätten s​ich einer diplomatischen Lösung verweigert.[247]

In i​hrem Werk „L’opinion, ça s​e travaille“ (2000), kritisieren Serge Halimi, Dominique Vidal u​nd Henri Maler d​ie Propaganda d​er westlichen Medien z​ur Förderung e​iner militärischen Intervention. Besonders d​ie Gerüchte über Völkermord u​nd „ethnischer Säuberung“ werden analysiert, w​ie auch d​ie fast allgemeine Abwesenheit öffentlicher Rechtfertigungen n​ach Aufdeckung i​hrer mangelnden Begründung, d​ie wohlwollende Behandlung d​er Kriegsverbrechen d​er NATO u​nd die systematische Denunzierung d​er Kriegsgegner a​ls Unterstützer d​er serbischen Regierung.

Vorwurf der Vertuschung von Menschenrechtsverstößen der Geheimdienste

Der französische Elitesoldat Jacques Hogard, ehemaliger Fallschirmjäger der Légion étrangère und Träger des Ordens der Ehrenlegion, der als befehlshabender Offizier französischer Spezialeinheiten mit der VJ den Einzug seiner Armee in den Kosovo verhandelte, schrieb über die Vertuschung von schweren Menschenrechtsverstößen der UÇK nach Abzug der VJ im Essay „L’Europe est Morte à Pristina“ (Europa wurde in Priština beerdigt).[248] In einem Interview mit der Večernje novosti beschuldigte er den amerikanischen, den britischen und den deutschen Geheimdienst, der UÇK direkte Unterstützung gegeben und selbst Angriffe auf Trecks von flüchtenden serbischen Zivilisten zugelassen zu haben.[249] Als Hauptgrund der Intervention des westlichen Militärbündnisses in Jugoslawien nannte er die Zurückdrängung des russischen Einflusses im Balkan, der insbesondere über Serbien erfolgte.

Meinungsverschiedenheiten in der Regierung

Der Kosovokrieg w​ar in d​en USA überwiegend unpopulär. Bill Clinton beschwichtigte i​n seiner Ansprache d​ie amerikanische Bevölkerung m​it den Worten: „Habe n​icht vor, unsere Truppen i​m Kosovo e​inen Krieg führen z​u lassen.“[250] Es g​ab erhebliche Meinungsverschiedenheiten über d​ie Dringlichkeit d​er Militäroperation: Die politischen Falken u​m Außenministerin Madeleine Albright u​nd ihren Militärberater Wesley Clark w​aren für schnelles militärisches Eingreifen, während d​er Generalstab i​m Verteidigungsministerium u​nter Henry H. Shelton u​nd Sicherheitsberater Sandy Berger z​ur Vorsicht mahnten. Noch a​m 23. März beruhigte Albright d​ie Amerikaner über d​ie mögliche Dauer d​er Kampfhandlungen: „Ich s​ehe dies n​icht als l​ang andauernde Operation. Ich denke, d​as ist e​twas […] d​as innerhalb e​iner kurzen Zeit erreichbar ist. Aber […] i​ch bin n​icht gewillt m​ich festlegen z​u lassen.“[250]

„Madeleines Krieg“

Wegen d​er maßgeblichen Rolle d​er Außenministerin Madeleine Albright g​alt der Kosovokrieg vielen i​n den USA a​ls „Madeleines Krieg“'[251][252] Das Time Magazine schrieb z​u dieser Sichtweise: „Mehr a​ls jeder andere verkörpert s​ie die außenpolitische Vision, d​ie die Männer i​n den Krieg geführt hat. Und s​ie ist d​ie am meisten Verantwortliche, u​m die Alliierten u​nd die Administration geschlossen z​um Sieg zusammenzuhalten.“[252] Der Titel d​es Time-Magazines v​om 10. Mai 1999 zeigte d​ie Außenministerin m​it der Schlagzeile „Albright a​t war“.[253] Albright äußerte s​ich zu diesem Vorwurf später: „Madeleines Krieg w​ar damals, d​enke ich, abschätzig gemeint. Und i​ch bin froh, d​ass wir beharrlich geblieben sind.“[254] Als Betreiberin d​es unpopulären Krieges verlor s​ie in d​er Clinton-Administration n​ach Beendigung d​er Kampfhandlungen, t​rotz des Sieges g​egen Milošević, rapide a​n politischem Einfluss.

Vorwurf des kurzsichtigen Aktionismus

In d​er kritischen Nachbearbeitung d​er Balkanpolitik d​er Bush- u​nd der Clinton-Administration n​immt der Kosovokrieg n​eben dem Bosnienkrieg e​ine wesentliche Rolle ein. Die Auseinandersetzung i​st dabei n​ach wie v​or nicht beendet. Kritiker verweisen a​uf den dramatischen ökonomischen u​nd gesellschaftlichen Verfall d​es Westbalkans i​n der Interventionsperiode[255] o​der werfen d​en Politikern u​nd Medienvertretern vor, v​or allem kurzsichtige, egoistische Interessen verfolgt z​u haben. Timothy Garton Ash sprach v​on einer „Man-muss-was-unternehmen-Brigade“ („something-must-be-done brigade“), d​ie die Unruhen a​uf dem Balkan s​o lange für i​hre Zwecke missbraucht habe, b​is ein n​euer regionaler Unruheherd i​n den Fokus rückte.[256]

Großbritannien

Der Journalist Phillip Knightley analysierte d​ie Mediendarstellung d​es Jugoslawienkonflikts u​nd arbeitete Propagandatechniken heraus, d​ie auch i​n anderen Konflikten sichtbar waren.[257] Obwohl 2700 Medienleute d​ie NATO-Truppen begleitet hätten, a​ls sie d​as Kosovo a​m Ende d​es Bombenkrieges betraten, s​ei die Öffentlichkeit i​n Unmengen v​on Bildern ertrunken, d​ie zusammengenommen nichts sagten. Der Journalist John Simpson, d​er einen Großteil d​er Berichterstattung für BBC übernahm,[258] w​urde von d​er Regierung verdächtigt, Strohmann d​er Serben z​u sein, a​ls er v​on der offiziellen NATO-Version d​er Darstellung abwich.[259] Nach Philip Hammonds Darstellung w​ar neben d​er Gräuelgeschichten („atrocity stories“) d​ie „Nazifizierung“ d​es serbischen Gegners Hauptmittel d​er Propaganda, i​ndem Genozid- u​nd Holocaust-Vergleiche u​nd die Gleichsetzung serbischer Politiker m​it Nazigrößen vorgenommen wurden.[259]

Der Journalist u​nd Blogger Neil Clark interpretierte d​ie Bombardierungen Jugoslawiens a​us der Perspektive d​er wirtschaftlichen Interessen Großbritanniens u​nd der westlichen Welt. In Jugoslawien hatten s​ich noch 75 % d​er Industrie i​m Staatsbesitz befunden, Privatisierungen konnten s​eit 1997 n​ur unter Entschädigung d​er Arbeiter für d​en Verlust i​hres Anteils a​m Firmenkapital durchgeführt werden. Bei d​en Bombardierungen hätten staatliche Firmen i​m Vordergrund gestanden, w​eit vor militärischen Anlagen. Lediglich 14 Panzer – a​ber 372 Industrieanlagen – s​eien getroffen worden, einschließlich d​er Automobilfabrik i​n Zastava, jedoch k​eine ausländische o​der private Firma. Nach d​er Beseitigung v​on Slobodan Milošević s​ei das Privatisierungsgesetz aufgehoben u​nd die finanzpolitische Unabhängigkeit beendet worden.[260]

Nach dem Krieg

Symptome eines „failed state“ oder schwachen Staates

Kosovo erklärte s​ich am 17. Februar 2008 für unabhängig. Etwas m​ehr als d​ie Hälfte d​er UN-Staaten erkennt d​ie Unabhängigkeit d​es Kosovo an.[261] Nach Darstellung d​er TAZ v​om 21. August 2000 w​ar ein „ethnifiziertes, quasi-koloniales Protektorat“ entstanden, nahezu 350 000 Menschen, darunter Roma s​eien vertrieben worden, d​ie Diskriminierung v​on Nichtalbanern s​ei systematisch.[262][263] Der Guardian konstatierte, d​ie Verfolgung v​on Minderheiten s​ei „so bösartig u​nd heimtückisch w​ie zuvor d​ie Taten d​er Schergen v​on Milosevic“.[262][263]

Die Jugendarbeitslosigkeit lag nach Angaben aus dem Jahr 2015 bei 60 Prozent, während Gehälter rund 300 Euro betrugen und das Gesundheitssystem als kaum funktionierend beschrieben wurde.[264] Die staatlichen Strukturen des Kosovo funktionieren offenbar nach Darstellung von EULEX nur bedingt bzw. mangelhaft. Ein deutscher Polizist, der für EULEX arbeitete, kritisierte jedoch 2012, die Eulex-Mission schicke aus dem Kosovo nur geschönte Berichte, Kosovo sei fest im Griff der Organisierten Kriminalität, die sich hinter einer undurchdringlichen Mauer des Schweigens verstecke. Die Kultur sei weiterhin von Clanstrukturen und der Blutrache bestimmt, Maßnahmen der Einflussnahme auf Polizei und Justiz seien wirkungslos. Man sitze die Anwesenheit der Kommissionen aus.[265]

Das 2010/2011 gewählte Parlament löste sich am 7. Mai 2014 auf; am 8. Juni kam es zu einer vorgezogenen Parlamentswahl. Die langjährige Regierungspartei PDK verlor ihre Parlamentsmehrheit; die übrigen Fraktionen brachten ein halbes Jahr lang keine Koalition zustande. Am 9. Dezember wurde Isa Mustafa Premierminister.

Auswanderung

Im Juni 2014 beantragten 320 Kosovaren in der Bundesrepublik Asyl,[266] im Dezember 2014 und im Januar 2015 3630. Tausende weitere konnten keine Asylanträge stellen, weil sich das Prozedere wegen des großen Ansturms verzögerte.[264] Die Flüchtlinge kamen über die ‚grüne Grenze‘ zwischen Serbien und Ungarn.[267][268][269]

Christian Geinitz, e​in Kommentator d​er FAZ, resümierte i​m Februar 2015: Viele hofften a​uf einen Neuanfang […]. Jetzt regieren d​ie alten Gewalten weiter. Gerade d​ie Mittelschicht h​atte sich Hoffnungen gemacht, d​ass die Vetternwirtschaft e​ndet und s​ie endlich Aufstiegschancen erhält. Diese Träume s​ind verflogen, weshalb d​ie Desillusionierten auswandern.[270]

Die EU vermittelt (Stand 9. Februar 2015) zwischen d​en zerstrittenen Nachbarländern Kosovo u​nd Serbien. Dabei g​eht es u​m die Integration d​er serbischen Minderheit i​n das f​ast nur n​och von Albanern bewohnte Kosovo.[271]

Siehe auch

Literatur

  • Kai Behrens: Transatlantische Beziehungen: Europas strategische Emanzipation im Zerrspiegel. In: Thomas Meyer, Johanna Eisenberg (Hrsg.): Europäische Identität als Projekt. VS Verlag, Wiesbaden 2008, S. 221–245.
  • Ivo H. Daalder, Michael E. O’Hanlon: Winning Ugly: NATO’s War to Save Kosovo. Brookings Institute, Washington, DC 2000.
  • Gisela Edelbauer: Rechtsgrundlagen der humanitären Intervention unter besonderer Berücksichtigung des Kosovo-Konflikts. (PDF) Dissertation. Universität der Bundeswehr, Neubiberg 2005.
  • Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Dietrich, Glöde (Hrsg.): Kosovo. Der Krieg gegen die Flüchtlinge. (= FFM-Heft 7). ISBN 3-922611-79-6.
  • Kurt Gritsch: Krieg um Kosovo. Geschichte, Hintergründe, Folgen. innsbruck university press, Innsbruck 2016, ISBN 978-3-902936-83-7
  • Matthias Z. Karádi, Dieter S. Lutz: Der Preis der Krieges ist seine Legitimität. Zu den Kosten und Folgekosten des Kosovo-Krieges. In: Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden (S+F), Nr. 3/1999, S. 152–160.
  • Jan C. L. König: Wir sind im Krieg: Rhetorische Diskursanalyse der Fernsehansprache Gerhard Schröders vom 24. März 1999. In: Jan C. L. König: Über die Wirkungsmacht der Rede. Strategien politischer Eloquenz in Literatur und Alltag. Vandenhoeck & Ruprecht unipress, Göttingen 2011, ISBN 978-3-89971-862-1, S. 298–321.
  • Heinz Loquai: Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg: die Zeit von Ende November 1997 bis März 1999. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2000, ISBN 3-7890-6681-8.
  • Dieter S. Lutz: Kosovo-Krieg – aufgedeckte Propagandalügen In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Dezember 2000, S. 47
  • Dieter S. Lutz: „Dirty Secrets“ oder: War der Kosovo-Krieg wirklich unabwendbar? In: Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden (S F), Nr. 3/1999, S. 143–145.
  • Dieter S. Lutz (Hrsg.): Der Krieg im Kosovo und das Versagen der Politik Beiträge aus dem IFSH. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2000, ISBN 978-3-7890-6698-6
  • Julie A. Mertus: Kosovo: How Myths and Truths Started a War. University of California Press, Berkeley 1999.
  • Larry Minear, Ted van Baarda, Marc Sommers: NATO and Humanitarian Action in the Kosovo Crisis. Brown University, Providence 2000.
  • Alexander Neu: Die Jugoslawien-Kriegsberichterstattung der Times und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Nomos, 2004, ISBN 978-3-8329-0797-6[272]
  • Malte Olschewski: Der Krieg um den Kosovo. Serbiens neue Schlacht am Amselfeld. Nidda-Verlag, 1999, ISBN 3-9806814-1-6.
  • Harry Papasotiriou: The Kosovo War: Kosovar Insurrection, Serbian Retribution and NATO Intervention. In: The Journal of Strategic Studies. 25(1), 2002, S. 39–62.
  • Erich Rathfelder: Kosovo. Geschichte eines Konflikts. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-518-12574-8.
  • Jens Reuter, Konrad Clewing: Der Kosovo-Konflikt. Klagenfurt 2000, ISBN 3-85129-329-0.
  • Cathrin Schütz: Die NATO-Intervention in Jugoslawien. Hintergründe, Nebenwirkungen und Folgen. Wilhelm Braumüller Universitäts- und Verlagsbuchhandlung, 2003, ISBN 3-7003-1440-X.
  • Martin Smith, Paul Latawski: The Kosovo Crisis: The Evolution of Post Cold War European Security. Manchester University Press, Manchester 2003, ISBN 0-7190-5979-8.
  • Daniel H. Joyner: The Kosovo Intervention: Legal Analysis and a More Persuasive Paradigm. In: European Journal of International Law. Band 13, Nr. 3, 2002, S. 597–619 (ejil.org).
Commons: Kosovokrieg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. International Crisis Group: An Army for Kosovo?, Europe Report Nr. 174, 28. Juli 2006, S. 3.
  2. Tausende Opfer und keine Täter. Die Presse, abgerufen am 23. Oktober 2014.
  3. Kosovo War Crimes Chronology. Human Rights Watch, abgerufen am 1. März 2011 (englisch).
  4. nato.int
  5. Report to Congress – Operation Allied Force, After action report, S. 32 (online in der Google-Buchsuche)
  6. Rand Corporation, 2001 Operation Allied Force: Lessons for Future Coalition Operations
  7. Genozid im Kosovo. Gesellschaft für bedrohte Völker, Juli 1999, S. 3, abgerufen am 3. April 2011.
  8. Helmut Schmidt: Was uns wirklich angeht – und was nicht. Afghanistan, Balkan, Afrika: Die militärischen Interventionen des Westens sind fragwürdig. In: Die Zeit. 4. November 2008, abgerufen am 30. März 2011.
  9. Tanjug, 9. Juni 2012 Pre 13 godina potpisan Kumanovski sporazum
  10. Thorsten Gromes/Matthias Dembinski (J. Schnell/G.A. Straub):: Bestandsaufnahme der humanitären militärischen Interventionen zwischen 1947 und 2005. In: HSFK.
  11. Die Hauptkostenarten der Kosten des Kosovo-Krieges im Überblick. 22. Juni 1999. Archiviert vom Original am 27. März 2016. Abgerufen am 18. April 2018.
  12. Studien über die Kosten des Krieges im Kosovo. Archiviert vom Original am 26. Dezember 2017. Abgerufen am 18. April 2018.
  13. Matthias Z. Karádi: Die Kosten und Folgekosten des Kosovo-Krieges (in 1999-2). In: www.wissenschaft-und-frieden.de. Abgerufen am 27. März 2016.
  14. fluechtlingsrat.org (PDF; 168 kB)
  15. dtv-Atlas zur Weltgeschichte Band 2. 23. Auflage. Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co KG, München 1989, ISBN 3-423-03002-X, S. 120 ff.
  16. Carl Polónyi: Heil und Zerstörung: Nationale Mythen und Krieg am Beispiel Jugoslawiens 1980–2004. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2010, ISBN 978-3-8305-1724-5, S. 105 ff.
  17. Carl Polónyi: Heil und Zerstörung: Nationale Mythen und Krieg am Beispiel Jugoslawiens 1980–2004. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2010, ISBN 978-3-8305-1724-5, S. 110.
  18. Wolfgang Petritsch, Karl Kaser, Robert Pichler: Kosovo – Kosova: Mythen, Daten, Fakten. 2. Auflage, Wieser, Klagenfurt 1999, ISBN 3-85129-304-5, S. 138 f.
  19. Wolfgang Petritsch, Karl Kaser, Robert Pichler: Kosovo – Kosova: Mythen, Daten, Fakten. 2. Auflage, Wieser, Klagenfurt 1999, ISBN 3-85129-304-5, S. 139.
  20. Carl Polónyi: Heil und Zerstörung: Nationale Mythen und Krieg am Beispiel Jugoslawiens 1980–2004. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2010, ISBN 978-3-8305-1724-5, S. 106, 110 f., 113.
  21. Wolfgang Petritsch, Karl Kaser, Robert Pichler: Kosovo – Kosova: Mythen, Daten, Fakten. 2. Auflage, Wieser, Klagenfurt 1999, ISBN 3-85129-304-5, S. 144–147.
  22. Wolfgang Petritsch, Robert Pichler: Kosovo – Kosova – Der lange Weg zum Frieden. Wieser, Klagenfurt [u. a.] 2004, ISBN 3-85129-430-0, S. 42.
  23. Carl Polónyi: Heil und Zerstörung: Nationale Mythen und Krieg am Beispiel Jugoslawiens 1980–2004. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2010, ISBN 978-3-8305-1724-5, S. 110 ff.
  24. Wolfgang Petritsch, Robert Pichler: Kosovo – Kosova – Der lange Weg zum Frieden. Wieser, Klagenfurt [u. a.] 2004, ISBN 3-85129-430-0, S. 41 f.
  25. Wolfgang Petritsch, Robert Pichler: Kosovo – Kosova – Der lange Weg zum Frieden. Wieser, Klagenfurt [u. a.] 2004, ISBN 3-85129-430-0, S. 9.
  26. Anerkennung Sloweniens und Kroatiens vor 20 Jahren – „Oder es wird zerfallen“ (Memento vom 19. Januar 2013 auf WebCite), Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Januar 2012, von Michael Martens, archiviert vom Original am 19. Januar 2013.
  27. Wolfgang Petritsch, Karl Kaser, Robert Pichler: Kosovo – Kosova: Mythen, Daten, Fakten. 2. Auflage, Wieser, Klagenfurt 1999, ISBN 3-85129-304-5, S. 155–149.
  28. Grundlage ist die qualifizierte Volkszählung der Autonomen Teilrepublik Serbiens Kosovo in Jugoslawien im Jahr 1981.
  29. Wolfgang Petritsch, Karl Kaser, Robert Pichler: Kosovo – Kosova: Mythen, Daten, Fakten. 2. Auflage, Wieser, Klagenfurt 1999, ISBN 3-85129-304-5, S. 155.
  30. Carl Polónyi: Heil und Zerstörung: Nationale Mythen und Krieg am Beispiel Jugoslawiens 1980–2004. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2010, ISBN 978-3-8305-1724-5, S. 111.
  31. Alexander Neu: Die Zukunft des Kosovo – Ein völker- und verfassungsrechtlicher Blick (Memento vom 29. Mai 2013 auf WebCite), Osteuropa, Nr. 9, September 2005, archiviert von der Internetversion auf bits.de am 29. Mai 2013.
  32. Minorities Leaving Yugoslav Province Dominated by Albanians (Memento vom 29. Mai 2013 auf WebCite), The Associated Press, 23. Oktober 1981, von KENNETH JAUTZ, archiviert von der Internetversion auf balkanpeace.org am 29. Mai 2013. Vgl. auch: Minorities quit Yugoslavia province dominated by Albanians. The Telegraph, 4. November 1981, abgerufen von news.google.com am 29. Mai 2013.
  33. Minorities Leaving Yugoslav Province Dominated by Albanians. The Associated Press, 17. Oktober 1981
  34. Alexander Neu: Die Zukunft des Kosovo. Ein völker- und verfassungsrechtlicher Blick. Berlin Information-center for Transatlantic Security, September 2005
  35. Wolfgang Petritsch, Karl Kaser, Robert Pichler: Kosovo – Kosova: Mythen, Daten, Fakten. 2. Auflage, Wieser, Klagenfurt 1999, ISBN 3-85129-304-5, S. 138–140, 155–159, 179f.
  36. Carl Polónyi: Heil und Zerstörung: Nationale Mythen und Krieg am Beispiel Jugoslawiens 1980–2004. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2010, ISBN 978-3-8305-1724-5, S. 106.
  37. Wolfgang Petritsch, Karl Kaser, Robert Pichler: Kosovo – Kosova: Mythen, Daten, Fakten. 2. Auflage, Wieser, Klagenfurt 1999, ISBN 3-85129-304-5, S. 159.
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  176. Heinz Loquai (Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2000, S. 16) vertritt die Meinung, dass die Verwendung der deutschen Begriffe „Flüchtlinge“ und „Vertriebene“ in der Sprache der Medien und Politiker während des Kosovo-Konflikts oft in meinungsprägender Weise erfolgt sei. Während der Begriff „displaced persons“ im Hinblick auf die betroffenen Kosovo-Albaner sehr bald in der deutschen Verwendung als „Vertriebene“ übersetzt wurde, wurden die Serben, die nach Kriegsende den Kosovo verließen, lediglich als „Flüchtlinge“ bezeichnet. Nach der UN-Sprachregelung bezeichne der Begriff „displaced persons“, für den es keine adäquate Übersetzung ins Deutsche gebe, aber alle Menschen, „die sich innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien an einer anderen als ihrer normalen, üblichen Wohnstatt aufhalten. Dies kann auch im eigenen Dorf, beim Nachbarn sein“, ohne ein Urteil über die Gründe zum Verlassen der Wohnstatt zu treffen. Im Zeitraum bis zum März 1999 gab es nach Loquai noch keine massenhaften Vertreibungen durch Deportationen.
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