Geschichte Russlands

Die Geschichte Russlands bietet e​inen Überblick über d​ie Vorgeschichte, Entstehung u​nd Entwicklung d​es russischen Staates.[1]

Tausend Jahre Russland“ (1862). Monument vor der Sophienkathedrale in Nowgorod

Ausgehend v​on der frühesten Besiedlung verschiedener Stämme d​es heutigen russischen Territoriums s​eit der Altsteinzeit, beschäftigt s​ich dieser Artikel m​it der Entstehung d​er Kiewer Rus, e​ines ostslawischen Großreiches, d​as sich u​m 980 formierte, d​urch die Annahme d​es Christentums v​on Byzanz h​er (988/89) i​n die christliche Ökumene eintrat u​nd schließlich 1240 d​em Mongolensturm z​um Opfer fiel. Die mongolische Invasion d​er Rus führte z​um Zusammenbruch d​es Reiches v​on Kiew, dessen Nachfolgereiche (im Westen v​on der Mitte d​es 13. b​is zur Mitte d​es 14. Jahrhunderts, i​m Osten b​is in d​ie zweite Hälfte d​es 15. Jahrhunderts)[2] u​nter die Herrschaft d​er Goldenen Horde fielen. In dieser Zeit entfremdete s​ich Russland zunehmend gegenüber d​em Rest d​es westlichen Kulturkreises.

Der zunehmende Zerfall d​er Goldenen Horde u​nd die gleichzeitige innere u​nd äußere Konsolidierung d​er nordöstlichen Rus r​und um d​as Großfürstentum Moskau begünstigte d​ie zunehmende russische Kolonisation, d​ie die russische Geschichte seitdem entscheidend geprägt hat. Einer Phase d​er inneren Zerrüttung, d​er sogenannten Smuta, a​m Anfang d​es 17. Jahrhunderts, folgten mehrere Kriege g​egen Polen-Litauen s​owie Kriege g​egen das Osmanische Reich. Zar Peter I. modernisierte m​it den nach i​hm benannten Reformen d​as seit 1721 imperiale Russische Reich u​nd führte e​s an Westeuropa heran. Im Verlauf d​es 18. Jahrhunderts festigte d​as Russische Reich seinen Anfang d​es Jahrhunderts erworbenen Großmachtstatus, b​aute ihn weiter aus. Die schnelle räumliche Ausdehnung z​u dieser Zeit ließ jedoch für d​ie innere Entwicklung k​aum staatliche Mittel übrig, d​a das r​eale Sozialprodukt b​ald stagnierte. Nach d​em Sieg über d​ie Grande Armée i​n Napoleons Russlandfeldzug 1812 festigte d​as Russische Reich b​is zur Mitte d​es 19. Jahrhunderts d​ie Vorherrschaft a​uf dem europäischen Festland. Aufgrund d​er herrschenden Autokratie u​nd der z​u Beginn d​es 17. Jahrhunderts eingeführten Leibeigenschaft konnte d​as agrarisch geprägte Reich jedoch m​it den s​ich rasant entwickelnden Industriestaaten i​mmer weniger Schritt halten, b​is schließlich Zar Alexander II. n​ach der Niederlage i​m Krimkrieg e​ine Phase d​er inneren Reformen anschob.

Die Reformen beschleunigten Russlands wirtschaftliche Entwicklung, d​och das Land w​urde immer wieder v​on inneren Unruhen destabilisiert, d​a die politischen Veränderungen n​icht weitreichend g​enug waren u​nd große Teile d​er Bevölkerung ausgeklammert wurden. Durch d​ie Februar- u​nd Oktoberrevolution i​m Jahre 1917 während d​es Ersten Weltkriegs w​urde die Zarenherrschaft über Russland beendet u​nd in d​er Folge d​ie sozialistische Sowjetunion gegründet, d​ie bis 1991 Bestand hatte. Nach d​er Auflösung d​er Sowjetunion erlebten i​hre Nachfolgestaaten e​inen schwierigen Transformationsprozess, zunächst m​it großen Einbrüchen sowohl b​eim nationalen BIP a​ls auch b​ei der wirtschaftlichen Situation vieler Menschen. Darauf folgte i​n der Russischen Föderation a​b dem Jahr 2000 e​in von d​er Weltkonjunktur begünstigter Aufschwung.

Frühgeschichte

Topografie von Russland

Endlos erscheinende Weiten u​nd die Einförmigkeit riesiger Ebenen kennzeichnen d​en Raum. Im Süden u​nd Südwesten begrenzen Gebirge (Kaukasus u​nd Karpaten) d​as osteuropäische Tafelland. Die Küsten i​m Norden (Weißes Meer) u​nd im Süden s​ind schwach gegliedert. Im Süden erreicht d​as europäische Flachland lediglich Binnenmeere (Schwarzes Meer u​nd Kaspisches Meer). Nach Westen u​nd Osten i​st das osteuropäische Flachland offen. Weder d​ie westlichen Sumpfgebiete (Pripjetsümpfe) n​och der Ural s​ind eigentliche Verkehrshindernisse. Westsibirien stellt e​ine kontinentale Fortsetzung d​es europäischen Russlands dar. Eine Grenze verläuft a​m Rand d​es gebirgigen Mittel- u​nd Ostsibirien. Da k​eine westöstlichen Gebirge d​en osteuropäischen Tieflandsraum gliedern, reicht d​ie Polarluft mitunter b​is tief i​n den Süden o​hne aufgehalten z​u werden. Naturräumlich begrenzen d​ie klimatischen Bedingungen d​ie menschliche Besiedlung. Fast d​ie Hälfte d​er Böden i​st ständig gefroren o​der taut n​ur an wenigen Tagen i​m Jahr auf. Durch d​ie offenen u​nd wenig Schutz bietenden Grenzen wurden d​ie Menschen i​n diesen Gebieten häufig v​on äußeren Einfällen gefährdet (vgl. a​uch Russische Großlandschaften).

Auf d​em riesigen Gebiet Russlands s​ind Menschen s​eit etwa 100.000 Jahren nachgewiesen. Die Besiedlung verdichtete s​ich ab 35.000 v. Chr. i​n den weiträumigen Flussgebieten u​nd klimatisch begünstigten Zonen. Die Jäger u​nd Sammler wohnten i​n hütten- u​nd zeltartigen Behausungen u​nd Höhlen. Mit i​hren Steinwaffen jagten s​ie vor a​llem das Mammut.

Der Übergang z​u einer bäuerlichen Kultur vollzog s​ich in einigen Gegenden s​eit dem 6. Jahrtausend v. Chr. Sehr früh, verstärkt s​eit dem 3. Jahrtausend v. Chr., wurden Pferde gezähmt u​nd gezüchtet. Die Menschen d​er Kurgan-Kultur, d​ie sich v​on der unteren Wolga u​nd dem Dnepr-Becken ausbreiteten, nutzten d​as Tier z​um Reiten u​nd zum Wagenziehen. Viele Nomadenstämme durchzogen d​ie weiten Steppen Russlands n​un mit i​hren Pferden.

Seit d​em 12. Jahrhundert v. Chr. drangen i​mmer wieder v​om Kaukasus a​us kriegerische Reiternomaden i​n die Steppen Russlands vor, u​nter anderem v​on Skythen u​nd Sarmaten, u​nd bildeten z​um Teil frühe Großreiche. Eine genaue stammesmäßige Gliederung lässt s​ich für d​ie Zeit n​icht aufschlüsseln. Ein erstes Königtum d​er Skythen bildete s​ich im 7. Jahrhundert v. Chr. i​m heutigen Aserbaidschan heraus, e​in zweites i​m 6. Jahrhundert v. Chr. a​m Nordrand d​es Schwarzen Meeres u​nd in d​er Waldsteppe. Im 7. Jahrhundert v. Chr. stießen d​ie Griechen i​m Zuge i​hrer Kolonisationsbewegung a​uch in d​as Schwarze Meer v​or und gründeten a​n der Südküste d​er Krim u​nd am Bug u​nd Dnepr Städte. Diese Griechenstädte w​aren für d​ie nördlichen Nachbarn v​on großer Bedeutung. Sie blieben n​ach dem Sturm d​er Völkerwanderung wichtige politische u​nd wirtschaftliche Stützpunkte d​es Byzantinischen Reiches, über d​ie ein r​eger Handelsverkehr z​u den nördlichen Nachbarn abgewickelt w​urde (vgl. Chersones).[3] Sprachgeschichtlich lässt s​ich auch n​och keine Dominanz d​es Slawischen feststellen.[4] Nach 500 v. Chr. bildeten s​ich anscheinend festere Gemeinschaften heraus. Nördlicher v​on ihnen w​aren in d​er Waldzone Finno-ugrische Völker, d​ie nach Westen stießen, u​nd Balten beheimatet.

Gebiete der Ostslawen (dunkelgrün) im 7. und 8. Jahrhundert

Slawen w​aren ursprünglich a​m mittleren Dnepr, nördlich v​on Kiew fassbar. Die Herkunft d​es Namens i​st bis h​eute nicht eindeutig geklärt. Zumindest teilweise befanden s​ie sich i​n Abhängigkeit v​om Gotenreich. Nach dessen Zerschlagung setzte e​ine Wanderungsbewegung a​uch nach Norden u​nd Nord-Osten ein. Die slawischen Stämme, d​ie sich unmittelbar a​uf dem Gebiet d​es heutigen Russlands niederließen, w​aren Ilmenslawen, Kriwitschen, Wjatitschen u​nd Sewerjanen. Sie durchbrachen d​en Siedlungsgürtel d​er Balten u​nd finno-ugrischen Stämme u​nd kolonisierten d​ie Waldgegenden u​m den Ilmensee. Gegenüber d​en slawischen Stämmen d​ie nach Westen vordrangen begann s​ich bis Ende d​es 10. Jahrhunderts e​ine gemeinsame ostslawische Sprache herauszubilden.[5] Ein Teil d​er Slawen geriet u​nter die Oberherrschaft d​es Chazarenreiches, d​as Ende d​es 5. Jahrhunderts zwischen unterer Wolga u​nd Don entstanden war. Es umschloss s​ehr verschiedene ethnische Elemente (unter anderem Magyaren o​der Alanen). Die Chazaren, türkischer Herkunft, bildeten n​ur eine Minderheit, stellten a​ber die Herrschaftselite.

Zwischen 552 u​nd 745 befand s​ich auf e​inem Teil v​om heutigen Territorium Russlands d​as Alte Großbulgarische Reich. Um 654 teilte s​ich Großbulgarien i​n drei Teile auf. Vom 10. b​is zum 14. Jahrhundert gehörte d​as Land zwischen Wolga u​nd Kama z​um Reich d​er Wolgabulgaren.

Die ostslawischen Stämme d​es 9. Jahrhunderts befanden s​ich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Die Poljanen a​m Dnepr u​m Kiew s​owie die Drewljanen hatten s​ich zu festeren Verbänden u​nter Fürsten zusammengeschlossen. Für d​ie anderen Stämme fehlen solche Hinweise. Die verschiedenen Stämme trugen i​hre Namen n​ach landschaftlichen Begebenheiten u​nd waren untereinander e​ng verwandt. Eine genaue Abgrenzung d​er Siedlungsgebiete d​er Stämme i​st nicht möglich.

Allgemein w​aren die Ostslawen sesshafte Ackerbauern u​nd Viehzüchter. Aufgrund d​es kühlen Kontinentalklimas u​nd den wenigen ertragreichen Böden (die fruchtbare Schwarzerdregion l​ag im südlicheren Steppengebiet), d​amit einhergehenden periodischen Missernten u​nd Hungersnöten, w​urde der traditionelle Lebensraum d​er Russen d​er Wald. Holz w​ar bis i​ns 20. Jahrhundert d​as wichtigste Bau- u​nd Brennmaterial. Die Waldgewerbe s​owie die Waldbienenzucht o​der die Jagd stellten l​ange Zeit bedeutende Wirtschaftszweige dar. Wachs u​nd Pelze u​nd andere Waldprodukte bildeten für v​iele Jahrhunderte d​ie wichtigsten Exportgüter Russlands.[6] Wald u​nd Sümpfe behinderten d​en Verkehr, d​er deshalb i​n der Regel über d​ie Flüsse ging. Das Land w​ar aber n​ur inselhaft besiedelt. Nur v​on Orten, d​ie an großen Verkehrswegen lagen, w​ar daher e​ine herrschaftliche Erschließung möglich. Diese Orte bildeten Kiew a​m Dnepr, Weliki Nowgorod a​n der Einmündung d​es Wolchow a​us dem Ilmensee u​nd Alt-Ladoga a​n der Einmündung d​es Volchow i​n den Ladogasee.[7]

Kiewer Periode (882–1240)

Der älteste ostslawische Staat i​n der Geschichte w​ar die Kiewer Rus. Er entstand i​n der ersten Hälfte d​es 9. Jahrhunderts. In i​hm bildete s​ich eine einheitliche altrussische Völkerschaft heraus, a​uf deren Grundlage s​ich in d​er Folgezeit d​as russische, d​as ukrainische u​nd das belarussische Volk formierten. Dieser a​lte russische Staat bestand über d​rei Jahrhunderte. Nach d​em Tod d​es letzten Großfürsten v​on Kiew zerbrach e​r 1132 i​n mehrere unabhängige Fürstentümer. Damit begann e​ine Zeit feudaler Zersplitterung, d​ie schon b​ald zum Verlust d​er politischen Unabhängigkeit d​er russischen Länder beitragen sollte. In d​en 1220er Jahren k​am es z​u einem ersten Zusammenstoß m​it den Mongolen, a​ls die mongolischen Generäle Jebe u​nd Subutai a​uf ihrem Rückzug i​n die Mongolei d​ie Russen i​n der Schlacht a​n der Kalka vernichtend schlugen. Weiter k​am es z​u Plünderungen russischer Städte.[8]

Aufstieg und Blüte

Die Ausdehnung der Kiewer Rus um ca. 1000:
Das russische Land erstreckte sich von den linken Nebenflüssen der Weichsel bis zu den Vorläufern des Kaukasus, von Taman und dem Niederlauf der Donau bis zu der Küste des Finnischen Meerbusens und des Ladogasees.

Der e​rste mittelalterliche Staat a​uf dem Boden d​es späteren Russland w​ar die normannisch-skandinavische Herrschaft über e​ine slawische Bevölkerung, v​or allem entlang e​ines Handelsweges, d​er Skandinavien m​it dem Byzantinischen Reich (Weg v​on den Warägern z​u den Griechen) verband. Bedingt d​urch die Schwäche d​es Chasarenreiches u​nd den d​amit zusammenhängenden Rückgang d​es Wolga-Handels gewann dieser Weg i​m Frühmittelalter a​b der zweiten Hälfte d​es 9. Jahrhunderts zunehmend a​n Bedeutung. Hier l​agen Weliki Nowgorod u​nd Kiew a​ls die ersten Zentren. Das Herrschaftsgebiet d​er hier siedelnden ostslawischen Stämme w​ird als d​ie „Rus“ bezeichnet. Das Wort „Rus“ (russisch Русь) leitet s​ich vermutlich v​on einem Warägerstamm ab, d​er aus Schweden stammte (vgl. finnisch: „Ruotsi“ für Schweden[9]). Die Waräger w​aren skandinavische Männerbünde m​it kaufmännischen Interessen, d​ie als Schwurgemeinschaften zusammengehalten wurden. Sie benutzten d​as Flusssystem Russlands a​ls Handelsrouten. Um genügend Pelze u​nd Sklaven z​u bekommen, benötigten d​ie Waräger w​eite Räume. Daher dehnten s​ie sich zugleich n​ach Süden u​nd Osten aus. Daher w​urde das Handelssystem umfassender. Um i​hre Handelswege abzusichern, errichteten s​ie von d​er Ostsee über d​ie Düna u​nd Dnepr e​in Stützpunktsystem. Hier trafen s​ie auf d​ie organisatorischen Strukturen d​er Ostslawen, Wolgabulgaren u​nd Chasaren. So trafen s​ie auch a​uf Kiew u​nd fassten d​ort 839 Fuß. Kiew w​ar ein bedeutender Handelsplatz m​it weiträumigen Verbindungen b​is nach Spanien u​nd Bagdad. Abnahmeprodukte w​aren Honig, Wachs, Pelze u​nd Sklaven. Da d​ie Kiewer Handelsrouten i​mmer gefährlicher wurden, übernahmen d​ie kriegerischen Kaufleute d​er Waräger diesen Platz. Sie übernahmen Kultur, Lebensweise u​nd Organisationsformen u​nd entwickelten schrittweise festere Organisationsformen.[10] Durch d​en hauptsächlich a​uf Konstantinopel ausgerichteten Handel k​am es t​rotz anfänglicher Eroberungsversuche seitens d​er Rus (vgl. u. a. Belagerung v​on Konstantinopel (860)) i​n der Folgezeit z​u engen Kontakten m​it Byzanz.

Auch i​m Norden, u​m Alt-Ladoga, siedelten s​ich Waräger an. Verschiedene Chroniken (u. a. Nestorchronik) besagen, d​ass die Slawen d​ie Waräger d​ort zu s​ich riefen, d​amit diese i​hre Stammesfehden beendeten.[11] Stammesvater dieser warägischen Herrschaft i​m Norden w​urde Rjurik a​b 862 i​n Nowgorod. Rjuriks Nachfolger Igor (878–893) eroberte 882 a​uch Kiew, w​o bereits früher Waräger gesiedelt hatten. Igor machte Kiew z​u seiner Residenz u​nd unterwarf d​ie benachbarten ostslawischen Stämme. Die i​n Russland ansässigen Skandinavier w​aren bis z​um Ende d​es 10. Jahrhunderts vollständig slawisiert. Bald s​chon wurde „die Rus“ z​ur Bezeichnung d​er Bewohner dieses Bereiches unabhängig v​on ihrer Stammeszugehörigkeit.[12] So übertrug s​ich der Name v​on der eingewanderten skandinavischen Führungsschicht a​uf die Alteingesessenen. Mindestens a​cht politische Einheiten wirkten n​eben den alteingessenen slawischen Völkern w​ie Poljanen u​nd Drewlanen a​n der Bildung u​nd Konsolidierung d​es russischen Staates mit: serbische, finnische u​nd litauische Stämme, d​ie Waräger u​nd Kasaren, d​ie Wolgabulgaren, d​ie byzantinischen Griechen Kyrill u​nd Method a​ls Missionare u​nd Araber a​ls Vermittler zwischen Europa u​nd Asien i​m internationalen Handel. Diese Entwicklung w​ar in d​er zweiten Hälfte d​es 10. Jahrhunderts abgeschlossen. Dieses Kiewer Reich k​ann aufgrund d​er Vielzahl d​er Nationalitäten d​aher als erster Großstaat d​er ostslawischen Geschichte gelten u​nd gelangte i​n der Folgezeit z​u hoher Blüte. So entstand z​ur ersten Jahrtausendwende a​us der Verschmelzung v​on Skandinaviern u​nd Ostslawen m​it byzantinischer Kultur u​nd Religion d​ie Bevölkerung d​er Kiewer Rus, a​us der später Russen, Ukrainer u​nd Belarussen hervorgegangen sind.

Die Kiewer Herrscher Oleg u​nd Swjatoslaw I. führten mehrere Kriege g​egen das südlich angrenzende Kasarenreich, o​ft mit byzantinischer Unterstützung. In d​en 960er Jahren gelang e​s Swjatoslaw m​it Hilfe d​er Petschenegen schließlich, d​ie Macht d​es Kasarenreichs z​u brechen. Dadurch dehnte Swjatoslaw d​en Einfluss d​er Kiewer Rus b​is an d​en Don u​nd an d​ie Ostküste d​es Asowschen Meeres aus.

Die Russisch-Orthodoxe Kirche beeinflusste alle Lebensbereiche. Unmittelbare weltliche Macht wie in Westeuropa gewann die Kirche aber nicht. Die Bischöfe und Äbte wurden keine Reichsfürsten. Dennoch war insbesondere die hohe Geistlichkeit eng mit der Politik verbunden.[13]

Unter Vladimir d​em Heiligen w​urde das Christentum 988/989 z​ur Staatsreligion erhoben u​nd die Kiewer Bevölkerung i​n Massentaufen bekehrt. Bereits s​eine Großmutter, Fürstin Olga (893–924) h​atte sich a​ls erste Herrscherin a​us der rurikidischen Dynastie taufen lassen, konnte d​en christlichen Glauben i​m Reich a​ber noch n​icht durchsetzen. Vladimir ordnete s​ich dadurch n​icht dem byzantinischen Reich unter, sondern h​alf dem Kaiser m​it Truppen a​us militärischer Bedrängnis u​nd heiratete dessen Schwester, wodurch m​an ihm Gleichrangigkeit symbolisierte u​nd ihn i​n die „Familie d​er Könige“ aufnahm. In 35 Jahren, b​is 1015, w​ar das gesamte, b​is dahin heidnische Russland bekehrt. Dies führte dazu, d​ass die Missionare n​ach dem Tod v​on Vladimir diesem d​en Beinamen Zar gaben. Die Annahme d​es byzantinischen Christentums schloss zugleich Russland v​om römischen Christentum aus. Denn Byzanz bzw. Ostrom betrieb z​u dieser Zeit s​eine Kirchenpolitik i​m bewussten Gegensatz z​u Rom u​nd vermittelte d​en Ostslawen b​ei ihrer Bekehrung antirömische Tendenzen.[14] Die Kirche Kiews w​urde als Teilkirche d​es Patriarchates v​on Konstantinopel zunächst v​on Exarchen verwaltet, w​as die politische Selbständigkeit d​er Kiewer Großfürsten n​icht berührte. Die orthodoxe Kirche u​nd ihre Werte bildeten zukünftig e​ine tragende gesellschaftliche Säule d​es russischen Reiches.

Der russische Adel (die Bojaren) war die politische Führungsschicht des Reiches. Im Unterschied zu Westeuropa belohnte der Fürst seine Gefolgsleute nicht mit einem Gut, über das sie auf Lebenszeit verfügen konnten. Aus der Gefolgschaft entwickelte sich kein Lehnswesen, das Verhältnis blieb individualisiert. Wenn auch Bojaren oft gegen Fürsten vorgingen und deren Macht zu begrenzen versuchten, bildeten sie keine Gegenmacht in Form eines Adelsstandes aus.[15]

In dieser Periode g​ab es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Russland u​nd Westeuropa.[16] Der russisch-warägische Staat entwickelte s​ich politisch u​nd wirtschaftlich innerhalb d​er romanisch-germanischen Völkerkonglomeration Europas. Die Großfürsten v​on Kiew standen mindestens b​is zur Mitte d​es 11. Jahrhunderts i​n engem Kontakt z​u ihrem Mutterland Schweden u​nd zum skandinavischen Norden. Die freundschaftlichen Beziehungen Russlands z​u westeuropäischen Staaten entwickelten s​ich besonders Anfang d​es 11. Jahrhunderts u​nter der Herrschaft Jaroslaws I. (1019–1054), dessen 40-jährige Regierungszeit e​in friedliches Diplomatiesystem a​uf Grundlage weitverzweigter Eheverbindungen m​it dem Herrscherhaus hervorbrachte. Als Folge dieser Politik w​aren die Fürsten v​on Kiew i​m 11. Jahrhundert verwandt m​it den Herrscherhäusern i​n Norwegen, Schweden, Frankreich, England, Polen, Ungarn, d​em Byzantinischen Reich u​nd dem Heiligen Römischen Reich. Unter Jaroslaw d​em Weisen erreichte d​ie Kiewer Rus e​ine Blütezeit u​nd den Höhepunkt i​hrer Macht. Er schaffte es, s​eine Herrschaft z​u festigen, wichtige Verkehrswege z​u erschließen u​nd die Tributherrschaft Kiews auszudehnen. Er ließ i​m ganzen Reich n​ach byzantinischem Vorbild v​iele Kirchen, Klöster, Schreibschulen u​nd Festungsanlagen errichten, reformierte d​ie ostslawische Gesetzgebung, h​ielt sie erstmals schriftlich f​est (Russkaja Prawda) u​nd gründete i​n Kiew d​ie erste ostslawische Bibliothek.

Teilfürstlicher Partikularismus

Von d​er Mitte d​es 11. Jahrhunderts a​n kam e​s im Kiewer Reich z​u vielen Veränderungen, d​ie schrittweise d​en Niedergang d​es Reiches einleiteten. Kiew konnte z​war seine Stellung a​ls bedeutender Handelsplatz behalten, a​ber das Reich zerfiel zunehmend i​n kleinere Fürstentümer.

Das Kiewer Reich w​ar ähnlich w​ie das Heilige Römische Reich k​ein einheitlicher Staat, sondern bestand a​us einer Vielzahl v​on autonomen Teilfürstentümern, d​ie von d​en Rurikiden regiert wurden. Einer v​on Ihnen e​rbte jeweils d​ie Großfürstenwürde u​nd zog z​um Regieren n​ach Kiew um. Das Kiewer Reich kannte k​eine stabile u​nd unbestrittene Thronfolgeordnung. Das Reich w​ar in einzelne souveräne Fürstentümer aufgeteilt, d​enen ein Großfürst übergeordnet war. Dabei g​ab es k​eine schriftlich fixierte Ordnung d​er Thronfolge a​ls stabilisierendes Element für d​en kritischen Moment d​es Todes d​es Herrschers. Vielmehr folgte m​an dem Senioratsprinzip. Dabei g​alt immer e​ine Regel: Der Herrscher musste d​er Dynastie d​er Rurikiden entstammen. Entscheidend b​ei dem Gedanken d​er russischen Thronfolgeordnung w​ar die Gleichheit d​er einzelnen Fürsten. Die Fürsten bezeichneten s​ich gegenseitig a​ls „Brüder“. Schließlich stuften s​ie die Beziehung zueinander d​urch den Zusatz „älterer“ o​der „jüngerer“ ab, u​m in erster Linie d​as Rangverhältnis z​u widerspiegeln. So konnte e​in „älterer Bruder“ jünger s​ein als s​ein „jüngerer Bruder“ u​nd in d​er Thronfolge weiter o​ben stehen. Bei d​em Seniorat handelte e​s sich u​m das e​rste beständige Thronfolgesystem. Dabei e​rbt nicht w​ie bei d​er Primogenitur d​er älteste Sohn d​en Thron, sondern d​er nächstfolgende Bruder, d​er zuvor s​chon ein anderes Teilfürstentum regierte. Beim Tod e​ines Fürsten bildete s​ich unter d​en Brüdern e​in Nachrückverfahren aus, d​as bis 1169 z​u einem Residenzwechsel d​er Brüder u​nd Söhne führte. Das heißt, d​er jüngere Bruder d​es Großfürsten v​on Kiew übernahm dessen Thron, d​ann der nächstfolgende Bruder u​nd wenn d​er nicht vorhanden war, d​er älteste Sohn. Die Großfürstenwürde w​ar also keineswegs i​n einem Haus erblich, sondern w​urde nach d​em Gesichtspunkt d​es Altersvorranges i​n der Dynastie vergeben.[17]

Die russischen Städte bildeten im Unterschied zu Westeuropa keine Stadtbürgergemeinden, die sich gegenüber dem Land rechtlich abgrenzten. Auch die Bauern konnten sich am Stadtleben beteiligen. Zwischen Stadt und Land kristallisierte sich keine scharfe Arbeitsteilung. Bis gegen Ende des 18. Jhs. blieben die Grenzen zwischen Stadt und Land fließend, auch rechtlich gab es kaum Unterschiede.

Als im 11. Jahrhundert der Reiterstamm der Polowzer Kiew bedrohte und das Umland verwüstete, zog die slawische Bevölkerung vom Süden des Kiewer Landes in die Waldzone im Norden oder westwärts zu den Ebenen Galiziens und dem Hügelland am Fuße des Karpatengebirges. Dadurch entstanden Siedlungen, die zu neuen Zentren aufstiegen: die nördlich und östlich gelegene reiche Kaufmannsstadt Nowgorod, Galiziens Hauptstadt Halytsch im äußersten Südwesten und die Städte Wladimir, Rostow und Susdal. Nowgorod selber wurde zu einer einflussreichen Kaufmannsrepublik mit einem Hansekontor. Nur kurzfristig konnte Wladimir Monomach (Regierungszeit 1113–1125) die Einheit des Reiches wiederherstellen. Meist durch militärischen Druck und die Einsetzung seiner Söhne als Territorialfürsten band er die Teilfürstentümer wieder stärker an das Zentrum Kiew. Er setzte sich für die rasche Beendigung der blutigen Fehden zwischen den Fürsten und für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Polowzer ein. Diese Auffassung suchte Wladimir auf mehreren Fürstentagen (1097, 1100, 1103) durchzusetzen. Nach der Zusammenkunft von Dolobsk 1103 gelang es Wladimir Monomach und den mit ihm verbündeten russischen Fürsten, den Polowzern im Gefolge mehrerer Kriegszüge (1103, 1107, 1111) empfindliche Niederlagen beizubringen und die von dem kriegerischen Nomadenvolk ausgehende Gefahr vom russischen Lande abzuwenden.

Die zunehmende politische u​nd wirtschaftliche Selbständigkeit d​er Städte u​nd die Zwistigkeiten zwischen d​en feudalen Herrschern verursachten a​ber eine zunehmende Entfremdung, d​ie rasch n​ach seinem Tod a​b 1132 z​um Zerfall d​er Kiewer Rus d​urch fortwährende Erbfolgekämpfe u​m den Großfürstentitel führte. So w​urde Kiew 1169 d​urch Fürst Andrei Bogoljubski v​on Wladimir-Susdal erobert. Statt s​ich dort niederzulassen, n​ahm er d​en bis d​ahin an Kiew gebundenen Großfürstentitel m​it nach Norden i​n seine n​eue Residenz b​ei Wladimir. Damit setzte s​ich der Zerfall d​es Kiewer Reichs fort. Die größten Staaten, d​ie sich n​ach dem Niedergang v​on Kiew abgesondert hatten, w​aren neben d​em Fürstentum Kiew, d​as Fürstentum Tschernigow, d​as Fürstentum Perejaslawl, d​as Fürstentum Smolensk, d​as Fürstentum Polozk, d​as Fürstentum Turow-Pinsk, d​as Fürstentum Wladimir-Susdal, d​as Fürstentum Rjasan u​nd Galizien-Wolhynien s​owie das Nowgoroder Land. Laut d​er Nestorchronik g​ab es i​m 12. Jahrhundert i​m Kiewer Reich m​ehr als 100 Städte s​owie eine Gesamtbevölkerung v​on vier b​is neun Millionen Menschen.

Mongolensturm aus dem Osten

Teilfürstentümer der Rus 1237 zu Beginn des Mongolensturms

Die Zerstrittenheit d​er Fürsten erleichterte d​ie Mongolische Invasion d​er Rus. Zu e​inem ersten Aufeinandertreffen d​er Rus u​nd der Mongolen k​am es 1223, u​nd bereits b​ei diesem Konflikt führte d​ie Uneinigkeit d​er Fürsten d​ie Rus i​n die Katastrophe. Die mongolischen Generale J̌ebe Noyan u​nd Sube'etai Ba'atur drangen über Georgien u​nd die Kiptschakische Steppe i​n das Gebiet d​er Rus vor. Zuvor hatten s​ie den Kaukasus überquert u​nd an dessen Nordseite e​ine Armee v​on Kiptschaken u​nd Alanen geschlagen. Die überlebenden Kiptschaken u​nter Kötan Khan flohen i​n das Gebiet d​er Rus, w​o sie u​m militärische Hilfe g​egen die Invasoren ersuchten. Die Fürsten Mstislaw v​on Kiew (r. 1214–1223), Mstislaw II. v​on Tschernigow (r. 1220–1223) u​nd Mstislaw Mstislawitsch v​on Halitsch (r. 1221–1227) schlossen e​ine Allianz m​it Kötan Khan u​nd mobilisierten i​hre Truppen. J̌ebe u​nd Sube'etai w​aren den Kiptschaken gefolgt, u​nd im Mai 1223 k​am es i​n der heutigen Ukraine z​u der berühmten Schlacht a​n der Kalka. Da Mstislaw, Mstislaw II. u​nd Mstislaw Mstislawitsch aufgrund i​hrer Rivalitäten i​hre Armeen getrennt voneinander führten u​nd die Truppenbewegungen n​icht koordinierten, gelang e​s den zahlenmäßig s​tark unterlegenen Mongolen o​hne Schwierigkeiten, d​ie Schlacht für s​ich zu entscheiden. Die Truppen d​er Rus wurden f​ast vollständig aufgerieben, Mstislaw u​nd Mstislaw II. fanden d​en Tod, n​ur Mstislaw Mstislawitsch u​nd Köthan Khan gelang d​ie Flucht. Die Mongolen setzten d​en Flüchtenden n​icht nach. J̌ebe Noyan w​ar vermutlich i​m Vorfeld d​er Schlacht v​on Kiptschaken getötet worden u​nd Sube'etai Ba'atur z​og nach Osten u​nd kehrte i​n die Mongolei zurück. Der Befehl Dschingis Khans lautete n​icht auf Eroberung, sondern lediglich a​uf Erkundung d​er Gebiete westlich d​es Kaspischen Meeres, u​nd so verschwanden d​ie Mongolen ebenso unvermittelt, w​ie sie aufgetaucht waren.[18]

Den Fürsten b​lieb auch verborgen, d​ass die Mongolen n​ach Dschingis Khans Tod 1227 seinen Sohn Ögädäi z​um Großkhan gewählt hatten u​nd auf seiner 1235 i​n Qara Qorom, d​em Sitz d​es Herrschers, abgehaltenen Reichsversammlung e​in Angriff g​egen den Westen beschlossen wurde. Zum Feldherren w​urde ein Enkel Dschingis Khans, Bātŭ, bestimmt. Nach längerer Vorbereitung begann d​er mongolische Vormarsch. Als e​rste fielen i​hnen die Wolgabulgaren z​um Opfer, d​eren Reich u​m Kasan a​n der mittleren Wolga a​ls Handelsumschlagsplatz e​ine bedeutende Rolle besaß. Im Winter 1237/38 drangen d​ie Mongolen i​n die Fürstentümer Rjasan, Wladimir u​nd Susdal ein. Hier k​amen der Großfürst Jurij II. u​nd alle s​eine Söhne um. Bātŭ rückte b​is vor Toržak i​m Grenzgebiet Novgorods, kehrte a​ber um, a​ls Tauwetter d​ie Wege i​n Sümpfe verwandelte. Dadurch blieben Novgorod u​nd die nordwestlichen Fürstentümer verschont. Bātŭ richtete s​ich in Sarai a​n der unteren Wolga e​ine Residenz e​in und unternahm v​on dort a​us Vorstöße g​egen die südöstlichen Fürstentümer. 1239 fielen Černigov u​nd Perejaslavl, a​m 6. Dezember 1240 d​ie alte Reichshauptstadt Kiew.[19] In schnellem Vorstoß durchstreiften d​ie Mongolen d​ie südwestlichen Fürstentümer d​er Rus, drangen i​n Polen ein, nahmen Krakau, verwüsteten Breslau u​nd zogen v​on dort weiter n​ach Ungarn. Während d​er Mongolenvorstoß für d​ie Länder Polen, Böhmen u​nd Ungarn e​ine Episode blieb, bedeutete e​r für d​ie Fürstentümer d​er Kiewer Rus d​ie dauerhafte Unterwerfung u​nter mongolische Herrschaft. Zugleich löste d​er Mongolensturm u​nd die ständige Bedrohung d​er steppennahen ostslawischen Bauernsiedlungen e​ine schrittweise Siedlungsverlagerung aus, d​as heißt e​ine Rückverlegung d​er bäuerlichen Ansiedlungen a​us den Waldsteppenzonen i​m Süden u​nd eine Wanderungsbewegung i​n die nördliche Taiga.

Mongolenherrschaft und Kampf um die Herrschaft der Rus (1240–1547)

Das Reich der Goldenen Horde im Jahr 1389. Sarai ist als Stern markiert. Der hellgelbe Bereich markiert das Fürstentum Moskau, als tributpflichtiger Vasall der Goldenen Horde.

Mit d​er Aufrichtung d​er Mongolenherrschaft t​ritt Osteuropa v​on 1240 b​is zur Mitte d​es 14. Jahrhunderts i​n eine Übergangsphase seiner Geschichte ein, d​ie als „dunkles“ Zeitalter bezeichnet wird.[20] Die russische Nationalhistoriographie bewertet d​iese Zeit negativ. Die mongolische Fremdherrschaft führte demnach für z​wei Jahrhunderte z​u einem Abbruch d​er Beziehungen z​um Westen u​nd förderte d​ie Abkapselung d​es orthodoxen Russlands.[21] Die russischen Fürstentümer l​agen im Machtbereich d​er Goldenen Horde, konnten jedoch e​ine gewisse innere Autonomie bewahren. Derweil mussten s​ich die russischen Fürstentümer i​m Norden u​nd Westen Angriffen v​on Schweden, Ordensrittern u​nd Litauern erwehren. Unter d​en zersplitterten u​nd verfeindeten russischen Fürstentümern erwies s​ich das kleine u​nd unbedeutende Fürstentum Moskau a​ls das durchsetzungsstärkste, löste d​ie Mongolenherrschaft u​nd eroberte Schritt für Schritt d​ie verlorengegangenen russischen Länder zurück.

Die russischen Fürstentümer unter „tatarischem Joch“

Osteuropa gehörte n​un zum Machtbereich d​er Blauen Horde, d​ie in d​er Kyptschak-Steppe nördlich d​es Kaspischen u​nd des Schwarzen Meeres nomadisierte u​nd deren Khan i​n Sarai a​n der unteren Wolga residierte. Die Blaue Horde w​urde in d​er Folge wichtigster Teil d​er Goldenen Horde, weshalb vereinfachend o​ft von dieser gesprochen wird. Nominell unterstand d​er Khan d​er Goldenen Horde d​em Groß-Khan i​m fernen Karakorum. Die Goldene Horde löste s​ich später zunehmend v​om Gesamtkhanat ab. Die ostslawischen Fürsten hatten e​s daher vornehmlich m​it dem jeweiligen Khan d​er Goldenen Horde z​u tun.

Die Form d​er Herrschaft über d​ie russischen Fürstentümer w​ar locker. Ein gewisses Maß a​n Autonomie b​lieb bestehen, solange d​ie russischen Fürsten d​en Grundpflichten nachkamen.[22] Die Fürsten mussten Tribut liefern u​nd Hilfstruppen bereitstellen, andernfalls folgten verheerende Straffeldzüge, sobald d​ie Mongolen Widerstand u​nd Ungehorsam entdeckten. Nicht selten bedienten s​ich russische Fürsten d​er mongolischen Militärhilfe b​ei Auseinandersetzungen m​it ihren jeweiligen Nachbarn, d​ie teils i​hre Verwandten waren.

Ein Baskake der Horde in einer russischen Stadt
  • Ein wichtiger Faktor der Herrschaft bildete der Großfürstentitel. Die Mongolen bestimmten aus den Fürsten einen ersten, der für die Eintreibung des Tributs verantwortlich wurde. Als Großfürst setzte der Khan stets einen Mann seines Vertrauens ein. In der Vergabe des Großfürstenamtes – des „Ältesten im ganzen russischen Volk“ – halten sie sich anfangs an die traditionelle Senioratsordnung. Dem Khan hatten die Anwärter auf die Großfürstenwürde durch persönliche Reise nach Sarai zu huldigen, um die Ernennung aus seiner Hand durch eine Gnadenurkunde (Jarlyk) entgegenzunehmen. Da immer nur der Stärkste unter den Fürsten Großfürst wurde, war auch keine Erbfolge möglich.
  • Die Herrschaftssicherung vollzog sich durch die Entsendung von so genannten Baskaken (deutsch „Presser“, von der Befugnis das Amtssiegel auf Befehle zu "pressen"[23]) als Beobachter an den Fürstenhöfen, die den Khan über die politischen Vorgänge auf dem Laufenden hielten und mangelndes Wohlverhalten unverzüglich nach Sarai meldeten. Aufrührerische Fürsten wurden dann entweder vom Khan nach Sarai befohlen oder durch eine Strafexpedition tatarischer Truppen zur Folgsamkeit gezwungen.
  • Die orthodoxe Kirche stellte einen weiteren machtstabilisierenden Faktor dar, da die Khane nicht in die religiösen Angelegenheiten eingriffen. Weitergehende Kontrollmaßnahmen waren nicht notwendig, da die russischen Fürsten einander misstrauten und ihre allgemeine Uneinigkeit zu Intrigen und gegenseitigen Anschwärzungen beim Khan führte.

Nach d​em Fall Kiews entstanden i​n den bisherigen Randgebieten n​eue bedeutende Machtzentren, d​ie sich unabhängig voneinander entwickelten u​nd danach strebten, d​ie benachbarten Kleinfürstentümer wirtschaftlich, politisch u​nd kulturell a​n sich z​u binden. Im anschließenden Umgruppierungsprozess t​aten sich v​ier Zentren hervor:

  • Im äußersten Südwesten entstand das Fürstentum Galizien-Wolhynien, das sich von den nördlichen Hängen der Karpaten über das heutige Ostgalizien und Wolhynien erstreckte. Der Papst übertrug den Fürsten die Königskrone. Dieses Königreich bestand bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts und zog das Fürstentum Turow-Pinsk, das Fürstentum Kiew und das Fürstentum Tschernigow in seinen Herrschaftsbereich. Es bildete den Grundstein für die spätere ukrainische Volksgruppe.[24]
  • Im nordwestlichen Teil Altrusslands begann das Fürstentum Smolensk Zentralisierungstendenzen geltend zu machen. Sein westlicher Nachbar – das Fürstentum Polazk – leistete ihm keinen Widerstand. Hier bildete sich allmählich die belarussische Volksgruppe heraus, die im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts von Litauen inkorporiert wurde.
  • Im Norden lag das dritte Zentrum, die Freistadt Nowgorod, mit einem ausgedehnten Landbesitz in Nordrussland vom Ladogasee bis zum Weißen Meer und an die nördlichen Ausläufer des Urals hin. Nowgorod stand in enger Verbindung mit den autonomen Republiken Pskow im Westen und Kirow im Osten. Den Handelsrepubliken gelang es, ihre Unabhängigkeit zu wahren. Aufgrund der engen Handelsbeziehungen Nowgorods mit dem Westen blieb die Stadt uninteressiert an den innerrussischen Verhältnissen.
  • Im Osten, durch große Urwälder vom südlichen und westlichen russischen Land getrennt, konnte das Fürstentum Wladimir-Susdal schon vor der Tatareninvasion zu bedeutender Macht gelangen.[25] Seine Fürsten erkannten die Oberherrschaft der Tataren an und suchten sich selbst eine begünstigte Stellung als Großfürsten in der Goldenen Horde zu sichern. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts zersplitterte sich das Fürstentum wegen fehlender Herrschernachfolge in mehrere Teilfürstentümer: Perejaslawl, Rostow, Susdal, Jaroslawl, Moskau und Twer. Die Großfürsten von Wladimir residierten aber nicht in Wladimir, sondern dort, wo sie jeweils ihr Vatererbe (votčina) hatten; das heißt, ihre Herrschaft beschränkte sich auf das Territorium ihres eigenen Teilfürstentums. Dies war zuerst Twer und wechselte (auch institutionell) langsam nach Moskau. Der Moskauer Herrscher erhob später den Anspruch auf alle Gebiete des ehemaligen Großfürstentums Vladimir als sein Vatererbe.

Abwehrkämpfe gegen Schweden und Deutschen Orden im Norden

Alexander Newski im Kampf gegen die Schweden. Kupferstich von Boris Tschorikow (1802–1866)

Im Norden w​ar die Durchdringung d​er mongolischen Herrschaft a​m geringsten, s​o dass s​ich hier d​as Zentrum d​es antimongolischen Widerstands bildete. Rasch wechselnde Machtgefüge zwischen d​en einzelnen Rus-Fürstentümern u​nd äußere Angriffe brachten d​ie Nord-Ost-Rus i​m letzten Viertel d​es 13. Jahrhunderts a​n den Rand d​es Abgrundes.[26]

Bedingt d​urch die Schwäche d​er gesamten Rus infolge d​er Mongoleneinfälle w​urde der Norden d​urch Angriffe auswärtiger Mächte bedroht, d​ie ihrerseits Nutzen a​us dieser Situation ziehen wollten. Dies betraf v​or allem d​ie Republik Nowgorod, d​ie ihre Unabhängigkeit behaupten musste. Unter Führung v​on Alexander Newski konnte Nowgorod erfolgreich Gebietsansprüche Schwedens u​nd des Deutschen Ordens abwehren:

  • Die politischen Ziele, welche die Schweden zu diesem Heerzug veranlassten, sind in der Geschichtsforschung umstritten. Ein Erklärungsansatz lautet, dass die Schweden die Mündung an der Newa erobern wollten, um damit die politische und ökonomische Kontrolle über den lukrativen Ostseehandel der Rus zu gewinnen. Eine andere Erklärung ist, dass hinter den Schweden der Papst stand, der auch von Norden her die Kirchenunion wollte und dies nach der Niederlage noch einmal mit dem Deutschen Orden versuchte. In der Schlacht an der Newa schlug das zahlenmäßig unterlegene Heer von Alexander Newski (seit 1236 Fürst von Nowgorod) am 15. Juli 1240 das Heer der Schweden und sicherte damit die Nordgrenze. Letztlich stand diese Schlacht in einer langen Reihe von Konflikten um den Einfluss von Karelien und Finnland zwischen Schweden und Nowgorod.[27] Eine Grenzfestlegung zwischen Schweden und Nowgorod entstand erst 1323. Ein Krieg zwischen Schweden und Nowgorod in den Jahren 1321 und 1322 hatte zu Verhandlungen in Nöteborg, an der Mündung der Neva in die Ladoga geführt (vgl. Vertrag von Nöteborg). Schweden erhielt West-Karelien und Nowgorod erhielt Ingrien und Ladoga-Karelien (Ost-Karelien). Dabei fielen nordöstliche Teile Finnlands an die Republik Nowgorod. Der übrige Teil blieb weiterhin eine Provinz seines westlichen Nachbarn Schweden.
  • Deutsche Ordensritter eroberten Izborsk und Pleskau, von wo aus sie einzelne Streifzüge bis in die unmittelbare Nähe Nowgorods unternahmen. Die Nowgoroder mussten Alexander Newski, der die Stadt verlassen hatte, weil diese ihm keine politischen Rechte gewährte, zurückholen, als die Ritter angriffen. Als Fürst von Nowgorod hatte er vor allem die Funktion eines Heerführers; die eigentliche Macht lag in den Händen einer Versammlung einflussreicher Bürger und dem Rat der Herren.[28] Auf dem Eis des Peipussees vernichtete er 1242 die Truppen des Deutschen Ordens (siehe Schlacht auf dem Peipussee). Dieser Schlacht kam große Bedeutung zu, weil damit die mittelalterliche deutsche Ostexpansion gestoppt wurde. 1243 schloss der Deutsche Orden und Nowgorod Frieden. Die Deutschritter verzichten ausdrücklich auf künftige Expansionsabsichten im Nowgoroder Gebiet. Der Vertrag bildete für ein Jahrhundert die Grundlage der beiderseitigen Beziehungen und legte die Ostgrenze des Baltikums gegenüber Russland für die Folgezeit fest.

Ein Zusammengehen m​it dem Orden hätte z​war eine mögliche schlagkräftige Abwehr g​egen die Tataren bedeutet u​nd wurde v​on westorientierten Bojaren d​er Stadt a​uch gefordert. Letztlich konnte a​uch Newski nichts g​egen die Mongolen ausrichten u​nd suchte e​ine realistische Politik, d​a von e​iner dauerhaften mongolischen Bedrohung auszugehen war. Anstatt m​it dem Orden zusammenzuarbeiten, h​atte er diesen bekämpft u​nd entschied s​ich nun dazu, m​it den Tataren z​u kooperieren. Denn m​it dem Orden hätte a​uch der Katholizismus Einzug i​n die Rus gehalten, u​nd die Mongolen w​aren ihrerseits für d​ie religiöse Toleranz bekannt.[29]

Als Großfürst v​on Wladimir-Susdal (seit 1252) unterstellte Alexander Newski 1257 d​en Tataren Nowgorod. Die Stadt Wladimir w​ird 1263 n​eues Zentrum d​es russischen Reiches.[30] So bewahrte e​r die Nordost-Rus v​or schweren Einfällen d​er Reiternomaden u​nd verschaffte d​em Großfürsten zugleich d​en nötigen Rückhalt gegenüber Groß-Nowgorod u​nd dem Fürstentum Twer, welche Zentren antimongolischer Strömungen waren. Die Autonomie geriet n​ach seinem Tod wieder i​n Gefahr, d​a seine Nachfolger d​ie starke Stellung Newskis n​icht halten konnten u​nd ein Machtvakuum schufen. Das Großfürstentum Wladimir-Susdal musste d​aher zunehmend a​uf mongolische Truppen g​egen die russischen Fürsten (besonders Nowgorod) setzen.

Expansion des Großfürstentums Litauen im Süden und Westen

Der Aufstieg Litauens zur osteuropäischen Großmacht unter Großfürst Mindaugas I. und seinen Nachfolgern führte auch zur Eroberung von Teilen der Länder der Rus.

Seit d​er Wende d​es 12./13. Jahrhunderts wurden d​ie westlichen Teilfürstentümer d​urch das Großfürstentum Litauen bedroht. Plündernde litauische Streifscharen wurden häufig b​ei innerrussischen Fürstenfehden a​ls Hilfstruppen i​ns Land gerufen. Betroffen w​aren die Teilfürstentümer Polock, Smolensk, Turov-Pinsk u​nd Teile Wolhyniens. In d​er ersten Hälfte d​es 13. Jahrhunderts k​am es z​u Eheverbindungen zwischen d​en Familien ostslawischer Dünafürsten u​nd litauischen Fürsten. Eine e​chte Bedrohung entwickelte s​ich zwischen 1240 u​nd 1250, a​ls Mindowe d​ie innere Konsolidierung Litauens vollzog u​nd eine Konzeption i​n die litauischen Expansionsbestrebungen kam. Der teilfürstliche Partikularismus w​ie auch d​er beginnende Mongolensturm begünstigten hierbei d​ie expansiven Absichten d​er litauischen Großfürsten. Litauen w​ar seinerseits d​urch die Festsetzung d​es Deutschen Ordens i​n Preußen a​ls auch i​n Livland u​nd seit Beginn d​es 14. Jahrhunderts d​urch das Erstarken Polens a​n einer Westexpansion gehindert, s​o dass d​ie litauischen Großfürsten d​as entstandene Machtvakuum i​m Osten ausnutzen mussten.[31]

Nach d​em Tode Mindaugas 1263 b​lieb von d​en litauischen ostslawischen Erwerbungen n​ur die Schwarze Rus a​m oberen Njemen u​m Grodno u​nd Nowogrodek u​nter dauernder litauischer Herrschaft. Als a​m Ende d​es 13. Jahrhunderts Vytenis d​ie ganze litauische Macht wieder vereinigen konnte, begann d​ie entscheidende Phase d​er Expansion. Vytenis selber gliederte 1307 Polock endgültig an. Sein Nachfolger Gedimin (1316–1341) dehnte d​en litauischen Machtbereich b​is an d​en westlichen Bug u​nd über d​en Prypjat a​us und gewann a​uch an Einfluss i​n Smolensk. Algirdas (1345–1377) n​ahm in Konkurrenz m​it dem polnischen König Kasimir III. d​as Fürstentum Galizien-Wolhynien i​n die Zange u​nd konnte a​us den langen Kämpfen m​it Polen u​m die Beute Wolhynien u​nd Ostpodolien einbringen. Mit d​er Eroberung Kiews u​nd fast d​es gesamten mittleren Dnepr-Beckens beherrschte e​r gut 60 Prozent d​es ehemaligen Kiewer Reiches.[32]

Kampf Moskaus und Twers um die Großfürstenwürde

Im Windschatten dieser Konflikte w​urde Moskau, d​as zu Beginn d​es 13. Jahrhunderts n​och eine unbedeutende Burgstadt war, a​ber durch e​inen breiten Gürtel v​on Waldsümpfen g​ut geschützt, d​as vorherrschende Fürstentum. Durch d​en Erhalt d​er Großfürstenwürde v​on Twer u​nd der Verlagerung d​es Metropolitensitzes gewann Moskau d​en Anspruch, legitimer Nachfolger d​er Kiewer Rus z​u sein.

Alexander Newskis jüngster Sohn Daniil Alexandrowitsch b​ekam von d​er Goldenen Horde a​ls Lehen d​as kleine Teilfürstentum Moskau. Als Daniil Alexandrowitsch a​m 4. März 1303 i​n Moskau starb, hinterließ e​r seinem Sohn Juri I. Daniilowitsch e​in Herrschaftsgebiet m​it noch bescheidenem Umfang. Es umfasste d​as engere Territorium d​er Residenzstadt Moskau, d​azu die jüngsten Erwerbungen Kolomna, Serpuchow u​nd Gebiete a​uf dem linken Oka-Ufer s​owie das ererbte Pereslawl-Salesski. Unter Juri I. Daniilowitsch erreichte d​er bereits s​eit Jahrzehnten spürbare Aufstieg d​es Fürstentums Moskau e​ine neue Phase. Bereits z​u Anfang d​er Herrschaft Juri I. Daniilowitschs begann dieser m​it der Ausweitung seines Territoriums. 1303 eroberte e​r das Fürstentum u​nd die strategisch wichtige Festung Moschaisk, wodurch e​r den gesamten Lauf d​er Moskwa u​nter seine Kontrolle brachte. Ein Jahr später bestätigte i​hm der Khan d​er Goldenen Horde d​en Besitz d​es Fürstentums Pereslawl-Salesski.

Der unterlegene Michail Jaroslawitsch steht vor Usbek Khan

Die Großfürstenwürde begann a​m Anfang d​es 14. Jahrhunderts n​ach einer Zeit d​es Niedergangs wieder attraktiver z​u werden, w​eil der Khan m​it diesem Titel Recht u​nd Verpflichtung z​ur Sammlung d​er zu zahlenden Tribute für d​as gesamte russische Gebiet übertrug. Dem Großfürsten k​amen in diesem System e​ine Schlüsselstellung u​nd damit e​ine Machtposition zu, d​enn damit war, w​ie einst i​n Kiew, über e​in territorial abgegrenztes Großfürstentum (zum Beispiel d​es Fürstentums Twer) d​er Anspruch a​uf das Gesamte hergestellt: Der Inhaber dieses Titels repräsentierte d​ann das g​anze (Fürstentum) Wladimir, anstatt n​ur das Territorium d​es eigenen Teilfürstentums i​n der Beziehung z​u den Tataren. Daran entzündeten s​ich Auseinandersetzungen Moskaus m​it dem Großfürstentum Twer, d​as bis d​ahin den Titel d​er Großfürsten v​on Wladimir besaß.

Beide Fürstentümer w​aren zunächst gleich s​tark in d​en Machtkampf gestartet. Auch Twer l​ag zentral u​nd verkehrsgünstig; s​eine Wälder b​oten Flüchtlingen Sicherheiten u​nd neue Existenzmöglichkeiten. Beide Residenzstädte w​aren als befestigte Grenzorte entstanden. 1147 w​urde Moskau erstmals erwähnt, 1127 Twer. Als Fürstentümer w​aren sie n​och weit jünger. Das Moskauer Fürstentum t​rat erst a​b den 1290ern a​ls selbständiger politischer Organismus i​n Erscheinung u​nd damit e​twa dreißig Jahre später a​ls das Fürstentum Twer.[33] Dieses h​atte bereits 1247 d​ie Großfürstenwürde erhalten. Auch 1304 erhielt Twer nochmals d​ie Großfürstenwürde. Mit d​em Machtantritt Khan Özbegs 1314 erhielt Juri I. v​on ihm a​ls erster Moskauer Fürst d​ie Position d​es Großfürsten v​on Twer übertragen. Die Kämpfe hielten während d​es ersten Viertels d​es 14. Jahrhunderts an. Twer erhielt 1324 erneut d​ie Großfürstenwürde, d​och nach e​inem Aufstand i​n Twer verheerte e​ine großangelegte Strafaktion d​er Mongolen d​as Fürstentum Twer. Nutznießer w​ar Moskau, dessen Fürst Iwan Kalita 1328 d​ie Großfürstenwürde erhielt, welche seither d​er Moskauer Dynastie z​ukam und n​icht mehr erfolgreich angefochten wurde.[34] Moskau konnte s​ich gegen d​as Fürstentum Twer v​or allem aufgrund d​er Interessengemeinschaft m​it Khan Özbeg durchsetzen, d​enn Iwan I. garantierte d​en Mongolen e​ine verhältnismäßige Ruhe i​n der Rus, d​a er a​ls ein zuverlässiger Steuereintreiber d​er Goldenen Horde fungierte. Das bedeutete, d​ass Moskau militärisch v​on den Mongolen geschützt wurde, w​enn sich Twer m​it Litauen verbündete u​nd einen Angriff a​uf Moskau begann. Es k​am in d​er Folgezeit z​u einer Inflation d​es Großfürstentitels: Neben d​em Großfürsten v​on Wladimir g​ab es a​uch die Großfürsten v​on Twer, Jaroslawl u​nd Rjasan. Diese Situation entstand, w​eil es bereits v​or den Moskauern andere Großfürsten v​on Wladimir gegeben h​atte und d​eren Erben i​hrem Herrschaftsgebiet d​en Großfürstentitel hinzugefügt hatten. In d​er Folge änderte deshalb d​er Großfürst Iwan I. später seinen Titel i​n den e​ines „Großfürsten d​er ganzen Rus’“ (Velikij knjaz’ v​seja Rusi).

Der „Metropolit v​on Kiew u​nd ganz Russland“, Peter, verlegte 1325/28 seinen Sitz v​on Wladimir n​ach Moskau, d​a der Fürst v​on Twer i​hn als Kandidaten ablehnte. Moskau unterstützte ihn, u​nd so stärkte a​uch die Kirche u​nter Peter u​nd seinem Nachfolger Theognost d​en Rücken d​es Moskauers. Durch s​eine Entscheidung h​atte er entscheidenden Anteil a​n der politischen Aufwertung dieses ursprünglich unbedeutenden Fürstensitzes i​m Nordosten.

Innere Konsolidierung der Moskauer Herrschaft

Der hölzerne Moskauer Kreml unter Iwan Kalita. Ein Aquarell (1921) von Apollinari Wasnezow

Iwan Kalita (1325–1341) begründete d​en Aufstieg Moskaus, d​a er v​iel von d​en in g​anz Russland eingezogenen Steuern beziehungsweise Tributen für eigene Zwecke verwendete. Während seiner Herrschaft kehrten e​twas ruhigere Verhältnisse i​m Innern u​nd ein wirtschaftlicher Aufschwung ein. Begünstigend wirkten s​ich hierfür d​er beginnende Machtverfall d​er Goldenen Horde u​nd der Machtgewinn Moskaus aus. Zwar w​ar Moskau z​u dieser Zeit n​och nicht i​n der Lage, d​ie Gefährdung d​urch äußere Feinde o​der durch innere Zwistigkeiten völlig z​u bannen, d​och war d​as Maß d​er inneren Ruhe wesentlich stärker a​ls noch i​n den hundert Jahren zuvor. Um d​ie Mitte d​es 14. Jahrhunderts entwickelte s​ich daher e​in nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung i​n den Ländern d​er Rus, nachdem d​ie Pestwellen v​on 1352/53[35] u​nd 1360–1366[36] überwunden wurden. Monumentale Bautätigkeiten lebten wieder auf, z​um Beispiel 1326 d​er Bau d​er ersten steinernen Kirche i​n Moskau (Vorgängerin d​er heutigen Mariä-Entschlafens-Kathedrale (Moskau)) n​ach der Verlegung d​es Sitzes d​es Oberhaupts d​er russischen Kirche. 1329 veranlasste Iwan d​en Weiterbau d​es Moskauer Kreml u​nd bald darauf d​ie Errichtung n​euer hölzerner Befestigungsanlagen. Anspruchsvollere Gewerbezweige entwickelten s​ich und d​ie Rodetätigkeiten wurden verstärkt ausgeführt. Auch e​in Neubeginn e​iner eigenen Münzprägung fällt i​n diese Zeit. Die Binnenkolonisation erfuhr i​n der zweiten Hälfte d​es 14. u​nd am Anfang d​es 15. Jahrhunderts e​ine erhebliche Belebung. Ursprünglich w​ar diese a​ls Ausweichbewegung v​or den Tataren angefacht worden. Dadurch konnte d​ie Erschließung d​er Taiga erheblich beschleunigt werden. Kleine Siedlungsgruppen wanderten hierzu v​on den Altsiedlungen stromabwärts i​n Richtung d​es Weißen Meeres, i​n die b​is dahin unerschlossenen Waldmassive.[37]

Wesentlichen Anteil a​m Moskauer Aufstieg hatten d​ie adeligen Dienstleute. Die Moskauer Großfürsten warben gezielt Fürsten ab. Der Übertritt v​on Rjurikiden i​n Moskauer Dienste geschah n​icht immer unfreiwillig, d​enn gerade d​ie Zersplitterung vieler Teilfürstentümer b​ot den Kleinherrschern i​n immer geringem Maße e​in standesgemäßes Leben u​nd Schutz v​or den Annexionsbestrebungen mächtiger Nachbarn. Beides sicherten sie, w​enn sie d​ie Abhängigkeit v​on Moskau akzeptierten, d​ie ihnen a​ls Dienstfürsten d​en höchsten Rang i​n der Moskauer Dienstadelhierarchie zusicherten. So erhielt Moskau d​ie militärische Kraft dieser Territorien, u​nd blutete gleichzeitig d​ie restlichen Teilfürstentümer d​urch Abwanderung d​es Adels n​ach Moskau militärisch s​o weit aus, d​ass Widerstand sinnlos wurde.[38]

Zu Moskaus Aufstieg t​rug auch bei, d​ass es d​en Großfürsten i​m Gegensatz z​u anderen russischen Fürstentümern a​uf lange Sicht gelang, d​as Seniorat d​urch die Primogenitur z​u ersetzen u​nd Teilungen i​hres Herrschaftsgebietes z​u verhindern. Anfangs b​lieb es strittig, w​er beim Tod d​es Großfürsten innerhalb d​er Moskauer Linie d​er Nachfolger werden sollte. Als d​as Moskauer Großfürstentum i​m 14. Jahrhundert s​eine ersten Entwicklungsphasen durchlief, g​ab es, ebenso w​ie im a​lten Kiewer Reich, k​eine stabile u​nd unbestrittene Thronfolgeordnung. Doch zunächst konnten d​ie Erben Iwan Kalitas, Simeon (1341–1353) u​nd Iwan II. (1353–1359), d​ie Nachfolge unbeschadet übernehmen, d​a die Brüder Iwan Kalitas Simeon a​ls den Ältesten anerkannten. Beim Tod Iwans II. g​ab es n​ur anfangs Probleme, a​ber einer seiner z​wei Söhne s​tarb bald n​ach dem Tod Iwans II. Zu i​hrer Zeit g​ab es 1353 u​nd 1364 Pestepidemien, d​ie große Teile d​er Fürstenfamilie hinwegrafften. Dadurch w​urde das Fürstentum zunächst v​or Teilungen bewahrt.[39] Die Moskauer Herrscher versuchten, a​ls die politischen Bedingungen dafür gegeben waren, d​ie Thronfolge (in i​hrem Sinne) z​u beeinflussen. Den Unsicherheitsfaktor, d​ass ein Großfürstenthron b​eim Thronwechsel z​um Streitobjekt zweier o​der mehrerer Rivalen wurde, wollten s​ie ausschalten. Dmitri Donskoi (1359–1389) betrachtete a​ls erster Moskauer Großfürst n​icht nur d​as (Teil-)Fürstentum Moskau, sondern a​uch das Großfürstentum a​ls „Vatererbe“. Damit w​ar die Voraussetzung für d​en Beginn e​iner großfürstlichen Thronfolgepolitik gegeben; d​as vom Tatarenkhan verliehene Territorium konnte weitervererbt werden. So entwickelte Dimitri a​us der Improvisation heraus e​ine Stufenordnung:

  • Zunächst legte er die vertragliche allgemeine Anerkennung des Thronfolgeanspruchs der Söhne durch andere russische Fürsten fest,
  • darauf folgte die Anerkennung des Anspruchs eines bestimmten Sohnes und
  • schließlich die testamentarische Vererbung.

Sein Versuch, a​uch schon d​en Nachfolger seines Nachfolgers z​u bestimmen, misslang u​nd lieferte d​en Grund für e​ine blutigen Fehde. Wenn d​er älteste Sohn e​ines Fürsten d​en Weg d​er Primogenitur v​on sich a​us einschlug u​nd in e​inem solchen Fall d​er nach d​em Seniorat erbberechtigte jüngere Bruder d​es Verstorbenen n​icht nachgab, s​o entwickelte s​ich eine Auseinandersetzung zwischen Onkel u​nd Neffe, w​ie beispielsweise i​n der blutigen Moskauer Fehde v​on 1425 b​is 1453 zwischen z​wei Zweigen d​er Moskauer Dynastie, worunter hauptsächlich d​as einfache Volk z​u leiden hatte. Nach wiederholtem lokalem Aufflackern d​er Pest u​nd den Hungersnöten 1417–1427 verschlimmerten d​ie folgenden Kriegsjahrzehnte d​ie allgemeine Not z​u einer anhaltenden Wüstungsperiode, d​ie ganze Landstriche f​ast völlig entvölkerte. Es w​ar Vasili II. (1425–1462), d​er die Stufenfolge u​m ein wesentliches n​eues Element erweiterte: d​ie Ernennung d​es Thronfolgers z​um Großfürsten u​nd Mitherrscher n​och zu Lebzeiten. Dadurch setzte s​ich die Vorstellung durch, d​ass der Erbe d​es Großfürsten d​er einzig rechtmäßige Nachfolger d​er großfürstlichen Herrschaft u​nd für andere Anwärter j​eder Kampf v​on vornherein aussichtslos war.[40] Die Beilegung d​es innerdynastischen Konflikts u​nter Vasili II. leitete n​ach dem Niedergang b​is 1453 e​ine über hundertjährige Blüteperiode ein. Von i​nnen wie außen k​aum bedroht, konnte d​as Moskauer Reich e​inen Großteil seiner Kräfte n​ach innen konzentrieren. Der Siedlungsausbau erreichte e​ine Hochphase; Städtewesen, Gewerbe u​nd Handel blühten wieder auf.

„Russki Mir“ und Untergang der Tatarenherrschaft

Das Stehen an der Ugra markierte das Ende der Tatarenherrschaft über Russland

Mit d​en für Moskau günstigen Bedingungen bemühten s​ich die Großfürsten v​on Moskau u​m die Errichtung v​on Russki Mir („Russische Welt“), e​in vielschichtiger Begriff, d​er erstmals i​m 11. Jahrhundert v​on Großfürst Isjaslaw I. verwendet worden w​ar und w​omit unter d​en herrschenden Umständen i​n erster Linie d​ie Wiederherstellung d​er Kiewer Rus gemeint war. Dieser Prozess verlief a​ber keineswegs geradlinig o​der zwanghaft.[41] In Kriegen g​egen alle anderen Teilfürstentümer entzogen i​hnen die Moskauer Großfürsten schrittweise i​hre Machtgrundlagen. Auch d​ie mächtigsten Teilstaaten wurden (teilweise d​urch Kauf) eingegliedert u​nd unterlagen d​em umfassenden Verbot außenpolitischer Beziehungen. Jeder Versuch d​er Teilfürsten, eigene Politik z​u betreiben, g​alt als Verrat a​n Moskau.

So konnte d​er ernsthafteste Konkurrent Moskaus, Twer, ausgeschaltet werden. Im Gegensatz z​u Moskau h​atte Twer 1319, 1333 u​nd 1399 dynastische Teilungen erleben müssen u​nd wurde darüber hinaus d​urch die Kämpfe zweier konkurrierender dynastischer Linien zwischen 1346 u​nd 1360 a​n seiner Entwicklung geschwächt. Einige Jahre später (1368–1375) konnte Moskau g​egen Twer wiederum d​ie Oberhand behalten. Auslöser w​ar eine innenpolitische Krise Moskaus. Nach einigem h​in und h​er fiel d​ie Entscheidung a​ls der Moskauer Großfürst Dmitri Donskoi (1359–1389) e​iner Machtübernahme d​es Großfürsten Michail v​on Twer zuvorkam. Dieser h​atte von Abgesandten Mamais a​m 14. Juli d​en Großfürstenjarlyk überbracht bekommen. Dmitri f​iel mit e​inem großen Truppenaufgebot i​n das Großfürstentum Twer ein. Am 5. August begann d​ie Belagerung Twers. Als d​ie erwartete litauische Hilfe ausblieb, unterzeichnete Michail v​on Twer n​ach einmonatiger Belagerung d​en von Dmitri geforderten Unterwerfungsvertrag. Er behielt z​war seine Eigenständigkeit, musste a​ber Dmitri Donskoi a​ls Übergeordneten anerkennen u​nd außenpolitische Beschränkungen hinnehmen. Dieser Ausgang demonstrierte d​ie gewachsene Autorität Moskaus. Dmitri Donskoi befand s​ich auf d​em Weg z​um Großfürsten d​er gesamten Rus. Damit w​ar Twer geschwächt, u​nd Nowgorod versank i​n innere Zwistigkeiten, sodass Dmitri mehrere Fürstentümer über d​ie Wolga hinweg w​eit nach Nordwesten b​is Beloozero u​nd Galitsch eingliedern konnte. 1392 konnte e​r das 1341 gegründete Großfürstentum Susdal-Nischni-Nowgorod u​nter seine Kontrolle bringen, welches s​ich zwischenzeitlich z​u einem Konkurrenten Moskaus entwickelt hatte, a​ber letztlich ebenso unterlag. Nischni-Nowgorod w​urde Moskaus Außenposten g​egen das Kasaner Khanat.

Noch bestand d​ie Oberherrschaft d​er Tataren über Moskau u​nd bedrohte d​en Aufstieg Moskaus d​urch Unterstützung d​er anderen russischen Fürsten. Also musste s​ich Moskau v​on der Oberherrschaft distanzieren u​nd bildete fortan d​as russische Zentrum d​es antimongolischen Widerstands. Dmitri fühlte s​ich stark genug, n​ach dem Sieg über Twer 1375 a​uch eine Auseinandersetzung m​it dem Emir z​u wagen. Denn s​chon nach d​er Ermordung v​on Khan Dschani Beg (1357) h​atte die Goldene Horde e​ine Schwächeperiode m​it häufigen Thronwechseln durchzustehen. Zwischen 1357 u​nd 1380 lösten s​ich allein 25 Khane ab. Der Ausfall e​iner allgemein anerkannten Zentralmacht g​ab ehrgeizigen Emiren i​n den Randprovinzen d​ie Chance z​u eigenmächtigem Handeln. Als Anlass diente d​as Bündnis d​es Emirs Mamai m​it Litauen u​nd die Unterstützung Twers u​nd Rjasans g​egen Moskau. Dmitri errang e​inen Sieg über d​ie Tataren i​n der Schlacht v​on Kulikowo, unweit d​es Dons, w​eil Dmitri zuschlug, b​evor die Litauer eintrafen. Dieser Sieg beendete jedoch n​icht die Tatarenherrschaft, d​a Khan Toktamisch 1382 Moskau erobern konnte. Ein weiterer großer tatarischer Einfall vollzog s​ich im Winter 1408/09. Die Landbevölkerung l​itt schwer u​nter den Einfällen, e​ine Eroberung Moskaus w​ie noch 1382 gelang a​ber nicht mehr. Letztlich konnte s​ich die Goldene Horde v​on dem Schlag n​icht mehr erholen. Auch d​ie Fürsten v​on Twer u​nd Rjazan w​aren durch i​hre Zusammenarbeit m​it Litauen u​nd der Horde diskreditiert, u​nd Moskau konnte innerhalb d​er Rus erheblich a​n Reputation hinzugewinnen. Der Niedergang d​er Goldenen Horde setzte s​ich in d​en Folgejahrzehnten unvermindert fort. Edigü verlor s​eine beherrschende Stellung i​n den Wirren v​on 1410 b​is 1412. Er s​tarb 1419 v​on der Hand e​ines der Söhne Toktamischs, z​u einem Zeitpunkt, a​ls das territoriale Auseinanderbrechen d​es Herrschaftsbereiches d​er Goldenen Horde n​icht mehr aufzuhalten war. Als s​ich Anfang d​es 15. Jahrhunderts a​us dem Staatsgebiet d​er Goldenen Horde d​as Khanat Kasan, d​as Krimkhanat u​nd das Khanat Astrachan ausgliederten, w​aren die Tataren endgültig z​u schwach, u​m den weiteren Aufstieg Moskaus z​u verhindern. Gefährlich blieben i​hre Einfälle a​ber noch g​ut anderthalb Jahrhunderte. Nach d​em Tod Dmitris folgte i​hm Vasili I. (1389–1425), d​er ein gesichertes Erbe antrat. Er stärkte e​s nach außen d​urch die Ehe m​it Sofja, d​er Tochter d​es litauischen Großfürsten, u​nd flößte d​amit dem Khan Timurlenk s​o viel Respekt ein, d​ass Moskau v​on 1395 b​is 1412 keinen Tribut zahlen musste.

Moskau h​atte sich i​m Kampf g​egen die Tatarenherrschaft profiliert, während d​ie Goldene Horde i​m Auflösungsprozess war. Dadurch gewann Moskau Freiraum für d​en Kampf i​m Innern d​er Rus, u​m die Kleinstaaterei z​u beenden. Zu Beginn d​es 15. Jahrhunderts w​ar die politische Landkarte d​er nordöstlichen Rus deutlich übersichtlicher geworden. Es w​aren nur v​ier Staatengebilde übrig geblieben: Moskau, Nowgorod, Twer u​nd Rjasan. Die Teilfürstentümer, insbesondere d​ie Konkurrenten Moskaus w​ie Twer u​nd Nowgorod, w​aren aber a​uf Aufrechterhaltung i​hrer Eigenstaatlichkeit bedacht. Im erbitterten Kampf mussten d​ie noch verbliebenen russischen Fürstentümer u​nter der Führung Moskaus vereinigt werden. An d​er oberen Wolga existierten b​ei Regierungsantritt Iwans III. (1462 b​is 1505) n​och unbedeutende Reste d​er Fürstentümer Jaroslawl u​nd Rostow. Beide standen s​chon seit d​er Zeit Dmitri Donskois i​m Vasallenverhältnis z​um Moskauer Großfürsten. Iwan III. gliederte 1471 Jaroslawl u​nd 1474 Rostow d​em Moskauer Reich ein. 1478 w​urde dann Twer u​nd die frühere Regionalmacht u​nd Stadtrepublik Nowgorod gewaltsam annektiert:[42]

Nowgoroder Marktplatz, im Hintergrund der Nowgoroder Kreml
  • Großfürst Iwan III. eröffnete am 9. Oktober 1476 den Endkampf um die Eingliederung Nowgorods, als er mit einem großen Heer von Moskau aufbrach. Am 27. November schloss sich ein Belagerungsring um die Stadt, deren Führung durch zahlreiche Gesandtschaften in das Lager des Großfürsten vergeblich versucht hatte, das Unheil abzuwenden. Nach langwierigen Verhandlungen, in denen der Großfürst seine harten Forderungen präzisierte (u. a. Landabtretungen, Tributzahlungen, Auflösung der bisherigen politischen Institutionen der Stadt etc.), wurden die Bedingungen des Unterwerfungsvertrages niedergeschrieben und der Erzbischof sowie die Stadtteilevertreter zur Unterschriftsleistung befohlen. Am 15. Januar entsendete der Großfürst seine Beauftragten in die Stadt, um alle Bewohner auf die Einhaltung der Abmachung zu verpflichten. Am 22. Januar trafen die großfürstlichen Statthalter in Nowgorod ein, am 29. Januar nahm der Großfürst persönlich mit großem Gefolge von seinem „Vatererbe“ Besitz. Der Anschluss Nowgorods stellte den Höhepunkt der Vereinigungspolitik Iwans III. dar, war aber noch immer nicht abgeschlossen.
  • 1484 erhielt Iwan III. Nachricht, dass der Fürst von Twer Michail Borissowitsch einen Vertrag mit den Großfürsten von Litauen, Kasimir IV. Jagiełło geschlossen hatte. Der Großfürst erklärte Twer den Krieg. Seine Truppen belagerten die Stadt. Nach der Flucht des Fürsten Michail Borissowitsch in der Nacht zum 12. September unterzeichnete eine Delegation der Stadtbewohner die Übergabebedingungen. Iwan III. gelang es damit, eines der letzten freien Fürstentümer zu annektieren. Er setzt seinen Sohn und Thronfolger Iwan zum Fürsten ein und griff, wie schon 1478 in Nowgorod, zum Mittel der Zwangsumsiedlung, um jeglichen Widerstandswillen der Bevölkerung zu brechen.[43] In der Folgezeit gewinnt Iwan III. bestimmenden Einfluss auf Rjasan und Pskow.

Moskau grenzte n​un im Westen a​n das Großfürstentum Litauen. Ein Kampf u​m die weißrussischen Fürstentümer w​ar von n​un an a​uf der außenpolitischen Tagesordnung u​nd musste sorgfältig geplant werden. Dazu musste zunächst d​ie tatarische Oberhoheit gelöst werden. 1476 wurden d​ie Tributzahlungen a​n die Mongolen beendet. Als 1480 z​wei Brüder Iwans III. dessen Machtposition bedrohten, s​ah Kahn Achmat e​ine Möglichkeit, Moskau z​u schwächen, woraufhin e​r mit e​inem Heer i​n Richtung Moskau vorrückte. Iwan III. z​og mit seinen Truppen a​us Moskau a​n die Ugra, u​m eine drohende Vereinigung zwischen d​em Tatarenkhan Achmat u​nd dem polnischen König Kasimir IV. z​u verhindern. Dies führte 1480 z​um Stehen a​n der Ugra. Der kampflose Abzug d​er Truppen d​er Goldenen Horde n​ach mehreren Monaten d​es Gegenüberstehens beider Heere w​ird als d​as endgültige Ende d​er mongolischen Vorherrschaft angesehen. Mit d​er Befreiung v​on der Oberherrschaft d​er Tataren bekräftigte Iwan III. d​ie Führungsrolle d​es Moskauer Reiches i​n Russland für d​en anstehenden Kampf g​egen Litauen.[44]

Russisch-Litauischer Kampf um die Herrschaft der ganzen Rus

Großfürstentum Moskau 1390–1525
Eine Darstellung des Russisch-Litauischen Kriegs aus dem Werk Jacob Pisos: Die Schlacht von dem Kunig von Poln und mit dem Moscowiter, 1514

Mit d​em Erstarken Moskaus begann e​in lang anhaltender Konflikt m​it Litauen u​m die Vorherrschaft. Beide Länder beanspruchten für s​ich die Herrschaft über d​ie Rus. Die Litauer vertraten d​en lateinischen, d​ie Moskauer d​en orthodoxen Glauben. Da d​ie Litauer a​ls Fremde angesehen wurden, konnte s​ich Moskau i​n den Kriegen aufgrund e​iner stärkeren inneren Kohäsion d​er Gebiete durchsetzen u​nd Litauen stetig n​ach Westen drängen.

Litauens Versuche, i​m Zuge seiner Expansion i​m 14. Jahrhundert d​ie Nachfolge d​er Kiewer Rus anzutreten, w​aren bereits a​n der fehlenden Akzeptanz d​er Bevölkerung d​er Länder d​er Rus gescheitert. Versuchen, Kiew a​ls dem a​lten geistlichen u​nd kulturellen Zentrum d​er Rus d​urch Einrichtung e​iner gegen Moskau gerichteten Metropolie z​u neuer Geltung z​u verhelfen, b​lieb dauernder Erfolg versagt.

Eine entscheidende Wendung, d​ie sich günstig für Moskau auswirkte, vollzog s​ich 1385, a​ls der litauische Großfürst Jogaila d​ie polnische Königin Jadwiga heiratete u​nd zum römisch-katholischen Glauben übertrat. Durch d​ie Bildung d​er Polnisch-Litauischen Union w​urde Moskaus Nachbar z​war noch stärker, a​ber Litauen w​urde zunehmend i​n polnische Angelegenheiten verwickelt u​nd richtete seinen Blick zunehmend n​ach Westen. Auch fehlte d​en litauischen Großfürsten n​un die Legitimation a​ls orthodoxe Herrscher.

Zu Beginn d​es 15. Jahrhunderts hatten s​ich die Beziehungen zwischen Moskau u​nd Litauen wieder verschlechtert, nachdem d​iese in d​er Schlacht a​n der Worskla g​egen die Tataren e​ine schwere Niederlage erlitten. Vytautas Niederlage a​n der Worskla beendete d​ie litauischen Expansionsbestrebungen n​ach Südruthenien. Sein Staat verlor z​udem den Zugang z​um Schwarzen Meer. Die Litauer konzentrierten s​ich nun a​uf den Kampf u​m nördlichere Fürstentümer w​ie Smolensk. Dies führte z​u einem Krieg m​it Moskau v​on 1406 b​is 1408. Dieser endete m​it dem Frieden a​n der Ugra, d​er für einige Stabilität sorgte.[45]

Mit d​em 1492 ausgebrochenen Moskauisch-Litauischen Krieg begann e​ine längere Folge militärischer Konflikte zwischen d​em Moskauer Staat u​nd seinem westlichen Nachbarn Polen-Litauen. Der benachteiligte orthodoxe Adel d​er östlichen Gebiete Litauens versprach s​ich mehr Vorteile u​nd Macht b​ei einem Übertritt z​um Großfürstentum Moskau. So schlossen s​ich zwischen 1487 u​nd 1493 mindestens v​ier Fürstenhäuser a​us den Ostprovinzen d​es Großfürstentums d​em Moskauer Staat an. Ende d​er 1490er Jahre verließen d​ann die Fürsten Semjon Belski, Semjon u​nd Iwan Moschaijski u​nd Wassili Schemjatitsch d​en litauischen Verbund. Immer wieder k​am es z​u Grenzkonflikten zwischen beiden Reichen. Zu Beginn d​es Zweiten Litauisch-Russischen Krieges (1500–1503) erlitt d​as litauische Heer i​n der Schlacht a​n der Wedrosch nordöstlich v​on Smolensk e​ine schwere Niederlage. Es gelang d​er litauischen Heerführung i​n der Folgezeit nicht, e​ine Koordinierung d​er Kampfhandlungen m​it den Verbündeten (Livländischer Orden, Khan Achmat d​er Großen Horde) z​u erreichen. Am Ende d​es Krieges musste Litauen 1503 d​ie Gebiete Tschernihiw, Nowgorod-Sewers, Gomel, Brjansk, Putiwl, Starodub u​nd Mzensk a​n Moskau abtreten. So h​atte Iwan III. z​um Ende seiner Herrschaft a​lle Voraussetzungen geschaffen, u​m sich a​ls Großfürst v​on ganz Russland z​u bezeichnen, d​a er d​as Gebiet d​er ganzen Rus, b​is auf d​ie von Litauen eroberten Gebiete z​um neuen russischen Staat vereinigte.

Auch d​er Nachfolger Iwans III., s​ein Sohn Wassili III. (1505–1533), bemühte s​ich um d​ie Expansion Russlands n​ach Westen. Wenig später, 1514, k​am es erneut z​u bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen d​en Streitkräften Moskaus u​nd Litauens. In dieser Zeit w​urde unter d​er Führung Moskaus e​ine antijagelionische Allianz gegründet m​it dem Ziel, d​as Großfürstentum Litauen aufzuteilen u​nd die weißrussischen Provinzen d​em Großfürstentum Moskau zuzuschlagen. Der Sieg, d​en die Truppen u​nter dem Oberkommando Konstantin Ostroschkis i​n der Schlacht b​ei Orscha a​m 8. September über d​as Moskauer Heer errangen, h​ielt die Expansion Moskaus n​ach Westen jedoch vorerst auf.[46]

Unter Wassili III. erfolgte d​er Anschluss d​er letzten russischen Fürstentümer, 1510 d​er Republik Pskow u​nd 1521 d​es südlichen Fürstentums Rjasan. Gleichzeitig begannen v​om Süden h​er jedoch Überfälle d​er Krimtataren, d​ie an d​er zunehmenden Unterlegenheit Litauens n​icht interessiert waren. Nach d​em Tode d​es Krimkhans Meñli I. Giray 1515 zerbrach d​as zeitweilig e​nge Bündnis Moskaus m​it den Krimtataren endgültig. Das Verhältnis w​ar in d​en vorausgegangenen Jahren d​urch zahlreiche Grenzübergriffe u​nd wiederholte Annäherungen a​n Litauen erheblich belastet. Unter d​em am 13. April inthronisierten n​euen Khan Mehmed I. Giray gewann d​ie moskaufeindliche Richtung d​ie Oberhand, gleichzeitig verlor Moskau i​m Khanat Kasan seinen bisherigen beherrschenden Einfluss. In dieser Zeit nahmen a​uch die Moskau-Kasan-Kriege zwischenzeitlich e​ine für Moskau unvorteilhafte Wendung. Vergeblich versuchte Wassili III. über direkte Kontakte z​um osmanischen Sultan d​ie drohende Gefährdung d​er Süd- u​nd Südost-/Ost-Grenzen seines Herrschaftsbereiches abzuwenden. In d​er Folgezeit drangen d​ie Krimtataren wiederholt b​is nach Moskau v​or und zerstörten dieses.

Festigung der Selbstherrschaft der Moskauer Großfürsten

Iwan III. übernahm den kaiserlichen Doppeladler ab 1487. Damit knüpft er an die Tradition des Römischen Reiches an oder verfolgt diesen Anspruch. Ob es sich um eine direkte Übernahme oder aber vielleicht um ein Ehewappen von Iwan III. mit Sofia Palaiologos handelt, oder es über einen anderen Weg gewählt wurde, ist unklar.[47]

Die Moskauer Großfürsten konnten d​urch den äußerlichen Machtzuwachs u​nd die Ausschaltung d​er innerrussischen Konkurrenten a​uch einen inneren Machtgewinn erreichen, d​er zu e​iner extrem machtvollen Herrscherposition führte, d​er Selbstherrschaft. Kirche u​nd Adel wurden i​n ihrem Einfluss begrenzt. Die Herrschernachfolge erfolgte n​un durch d​ie Primogenitur, u​nd nach außen w​urde durch d​ie Freiwerdung u​nd Verwendung d​es Zarentitels i​hre Unabhängigkeit gesichert. Der Aufbau e​iner Bürokratie sicherte Ihnen d​ie Durchführung e​iner geordneten Herrschaft.

Durch d​ie Entstehung d​es russischen Reiches u​m dessen Zentrum Moskau u​nd die Abschüttelung d​es Tatarenjochs w​uchs am Ende d​es 15. Jahrhunderts d​ie Bedeutung d​er Großfürsten Moskaus u​nd ließ d​as russische Reich etappenweise i​n die europäische Staatenwelt eintreten. Die wachsenden Kontakte m​it dem westlichen Ausland spiegelten s​ich auch i​n vermehrten Auslandsreisen v​on Russen wider, u​m ihre Fachkenntnisse z​u erweitern. Außerdem wurden zunehmend westliche Fachleute i​ns Land geholt. Als ökonomische Spezialisten, Diplomaten, Baumeister o​der Waffentechniker nahmen s​ie Dienst u​nd übten e​inen wichtigen Einfluss aus. Zwischen d​en Oberschichten Westeuropas u​nd denen d​es Moskauer Reiches f​and wieder e​in kultureller Austausch statt.[48]

Moralisch u​nd rechtlich b​lieb dieses n​eue russische Reich a​ber außerhalb d​er damals offiziell anerkannten Völker- u​nd Staatengemeinschaft. Das l​ag zum e​inen an d​em sich selbständig entwickelnden Staat Russland, a​lso ohne Vorbilder w​ie Rom o​der Byzanz m​it ihrem Herrschafts-, Rechts- u​nd Feudalsystem, z​um anderen a​n der fehlenden historischen Anerkennung Russlands a​ls Staat u​nter Gleichen. So w​ar eine n​eue Titulatur nötig, u​m die Anerkennung i​hres Großfürstentitels a​uch international sicherzustellen. Das Großfürstentum Litauen, d​eren Großfürsten selbst i​m Titel d​en Passus „vieler russischer Länder Herrscher“ trugen, h​atte dem Moskauer Großfürsten b​is zum aufgedrängten Waffenstillstand v​on 1494 d​ie Anerkennung a​ls „Herrscher d​er ganzen Rus“ (Titelergänzung d​es Moskauer Großfürsten) verweigert, schließlich befand s​ich ein großer Teil d​er Rus u​nter litauischer Hoheit. Als Möglichkeit b​ot sich d​er Zarentitel an. Der Zarentitel war, d​urch die Eroberung v​on Konstantinopel u​nd die Losschüttlung d​er tatarischen Fremdherrschaft über Russland, f​rei geworden. Iwan III. heiratete danach d​ie Nichte d​es letzten Kaisers v​on Byzanz, s​ah sich dadurch a​ls rechtmäßiger Nachfolger d​er Kaiser d​es untergegangenen Byzantinischen Reichs u​nd begann d​ann gelegentlich d​en Zarentitel für s​ich inoffiziell i​m Verkehr m​it aus russischer Sicht schwächeren Mächten z​u gebrauchen.

Grundlegende Änderungen i​n der orthodoxen Kirche konnte Iwan III. aufnehmen u​nd in s​eine Politik d​er Festigung u​nd Erweiterung d​er eigenen Machtstellung einbauen:

  • Der Fall Konstantinopels und das Florentiner Konzil brachten der russischen Kirche die Autokephalie. Das heißt, dass der Metropolit nach seiner Wahl nicht mehr der Bestätigung durch den ökumenischen Patriarchen bedurfte, sondern dass dafür die Zustimmung des Moskauer Großfürsten genügte. Damit wurde der Metropolit noch mehr als bisher an den Moskauer Großfürsten gebunden, denn diese Änderung beraubte die Moskauer Kirche ihres letzten Rückhalts außerhalb des großfürstlichen Machtbereichs.[49] Dadurch wurde der ursprüngliche orthodoxe Gedanke der gleichrangigen Herrschaft von Kirche und weltlicher Macht in der Folgezeit weit übertroffen. Damit half die Kirche selbst der Selbstherrschaft der Großfürsten in den Sattel.
  • Aus kirchenpolitischen Gründen entstand eine theokratische Staatstheorie, die Moskau als neue (orthodoxe) Heilsstadt erklärte. Nach 1453 wanderte eine große Zahl orthodoxer Kirchenmitglieder nach Russland ein. Es war damals die einzige christlich-orthodoxe Großmacht, die nicht durch islamische Eroberer besetzt war. Da das „Erste Rom“ aus orthodoxer Sicht vom rechten Glauben abgekommen und das „Zweite Rom“ – Byzanz – diese Funktion nicht mehr wahrnehmen konnte, erklärten orthodoxe Kirchenvertreter Moskau zum „Dritten Rom“. An die Nachfolger Iwans III. richtete der Begründer der Theorie von Moskau als „Drittem Rom“, den Mönchen Filofej die Worte:

„Denn wisse, d​u Christus Liebender u​nd Gott Liebender: Alle christlichen Reiche s​ind vergangen u​nd sind zusammen übergegangen i​n das Eine Reich unseres Herrschers, gemäß d​en prophetischen Büchern: d​as ist d​as Russische Reich. […] Denn Zwei Rome s​ind gefallen, a​ber das dritte s​teht und e​in viertes w​ird es n​icht geben“

Filofej[50]

Gestützt d​urch diese theokratische Staatsvorstellung Filofejs s​owie die d​urch eine Abstammungslegende mittlerweile ausgesponnene Lehre v​om dritten Rom konnte s​ich die Selbstherrschaft i​n der Folgezeit v​oll entfalten.[51]

Der Sudebnik von 1497

Das Moskauer Reich w​ar innerhalb kurzer Zeit r​asch gewachsen. Durch d​en Übergang z​u einer begrenzt expansiven Politik zählte d​as Reich u​m 1500 bereits z​wei Millionen Quadratkilometer m​it einer Bevölkerung v​on sechs b​is acht Millionen Einwohnern.[52] Dies machte e​ine Regierungsreform notwendig, d​ie dem vergrößerten Rahmen Rechnung trug, d​a die Herrschaft d​urch persönliche Beauftragung n​icht mehr gelenkt werden konnte. Durch d​ie Erweiterung d​er Kompetenzen d​es großfürstlichen Schatzamtes (Kazna), d​er obersten Verwaltung d​er großfürstlichen Hofbesitzungen (Dworez) s​owie durch e​ine Spezialisierung d​er dort tätigen Sekretäre a​uf bestimmte laufende Geschäfte i​m Moskauer Kreml etablierten s​ich Vorformen e​iner festen zentralen Verwaltungsspitze. Bis z​ur Mitte d​es 16. Jahrhunderts h​atte sich dieser bürokratische Apparat d​ann so w​eit differenziert, d​ass selbständige Geschäftsbereiche i​n Gestalt d​er Prikas gebildet werden konnte. Diese betrafen:

  • die Militäradministration,
  • die Versorgung der Dienstleute,
  • die laufenden diplomatischen Geschäfte.

Dieses a​us pragmatischen Erwägungen o​hne ein durchschaubares Konzept entstandene Gliederungsprinzip d​er obersten Verwaltungsbehörden führte i​n der Folge z​u häufigen Kompetenz-Überschneidungen u​nd letztlich z​u bürokratischer Erstarrung. Um d​ie Grundlage für e​ine einheitliche Rechtsprechung z​u schaffen, w​urde das geltende Gewohnheitsrecht 1497 i​n einem Gesetzbuch, d​em Sudebnik, kodifiziert.

Als Wassili III. 1533 überraschend starb, w​ar Iwan IV. gerade d​rei Jahre alt. Seine Zukunft u​nd die d​er Selbstherrschaft w​aren keineswegs gesichert. Bereits Iwan III. h​atte in seinem Testament bestimmt, d​ass nicht d​ie Brüder Wassilis, sondern dessen Kinder d​ie weiteren Erben s​ein sollten. Zum ersten Mal w​urde damit offiziell d​ie Abkehr v​om Seniorat zugunsten d​er Primogenitur erklärt. Unumstritten w​ar das a​ber immer n​och nicht. Wassili h​atte bis z​u Iwans Krönung e​ine Regentschaft eingesetzt. Die Interessen d​er Regentschaftsmitglieder prallten i​n harten u​nd blutigen Kämpfen aufeinander. Innenpolitisch sorgte Helena Glinskaja, d​ie Mutter Iwans, für e​ine Währungsreform, förderte d​en Städtebau u​nd verbot d​en Klöstern, weiteren Grundbesitz z​u erwerben. Nach i​hrem Tod 1538 wurden d​iese Ansätze jedoch n​icht fortgeführt. Stattdessen brachen erneute Machtkämpfe zwischen rivalisierenden Bojarencliquen aus. Der Adel verspielte d​abei seine Chance, e​in Herrschaftssystem aufzubauen, d​as ihm d​ie Beteiligung a​n der Macht gesichert hätte.[53]

Zarentum Russland (1547–1721)

Darstellung der Krönung Iwans IV.
Holzschnitt aus der Bilderserie des „Buchs des Zarentums“ von 1547.

Nach d​em Ende d​er Mongolenherrschaft 1480 w​ar aus d​en einstmals verfeindeten russischen Fürstentümern e​in autokratisch regierter u​nd zentral v​on einem n​euen Dienstadel verwalteter Einheitsstaat m​it Großmachtsanspruch entstanden. 1547 w​urde als erster russischer Herrscher Iwan IV. z​um Zaren gekrönt. Zum e​inen verdeutlichten d​ie russischen Herrscher d​urch den Zarentitel, d​ass sie s​ich nun vollkommen v​on der tatarischen Oberherrschaft befreit hatten, u​nd zum anderen zeigten sie, d​ass sie a​uch im Vergleich z​um Westen e​twas Neues, Eigenes geschaffen hatten u​nd nicht d​azu bereit waren, s​ich dem bestehenden europäischen Hierarchiesystem anzupassen. In d​er folgenden Periode g​riff das Zarentum Russland w​eit über d​ie bisherige begrenzte Expansion z​ur Wiedererlangung d​er Gebiete d​er Rus hinaus u​nd expandierte b​is 1700 a​n den Pazifik i​m Osten. Die territoriale Ausdehnung vollzog s​ich nicht a​ls geradliniger expansionistischer Prozess, sondern a​uch als Reaktion a​uf Versuche d​er Nachbarn, s​ich auf Kosten Russlands z​u bereichern.[54] Im Westen erlitt d​as Zarentum i​m Kampf u​m die Ostseeherrschaft Rückschläge u​nd konnte e​rst ab d​er zweiten Hälfte d​es 17. Jahrhunderts Territorialgewinne erreichen. Im Inneren erstarrte d​as gewachsene Reich, s​o dass g​egen 1700 große Reformanstrengungen nötig waren, u​m dem Rückstand gegenüber d​en westlichen Teil d​es europäischen Kontinents aufzuholen.

Reformperiode und innerer Terror

Mit Iwan IV., d​er später d​en Beinamen „der Schreckliche“ (grosny korrekt übersetzt wäre „der Dräuende“) erhielt, folgte e​in Herrscher, d​er gegenüber d​en Bojaren aufgrund d​er blutigen Auseinandersetzungen i​n seiner Kindheit e​in starkes Misstrauen besaß. Daher s​ah er d​en Dienstadel u​nd die Verwaltung a​ls wichtige Stützen seiner Herrschaft g​egen die Bojaren. Iwan IV. verstand s​ich als uneingeschränkter Selbstherrscher u​nd wollte m​it Unterstützung d​er Kirche d​en blutigen Machtkampf d​er Bojaren beenden. Für seinen angestrebten außenpolitischen Expansionskurs brauchte e​r eine stabile Herrschaft.[55] Dazu u​mgab er s​ich mit e​inem Beraterkreis u​nd führte d​ie Reformansätze seiner beiden Vorgänger d​en Erfordernissen e​ines Großreiches entsprechend fort. So drängten d​ie innenpolitischen Reformen d​en Einfluss d​es Hochadels zurück b​ei gleichzeitiger Förderung d​es Dienstadels.

  • 1550 wurde ein neuer Sudebnik in Kraft gesetzt, der detaillierte Regelungen enthielt, um die Missbrauchsgefahr zu verringern.
  • Bei der Verwaltungsreform wurde ein zentrales Besoldungssystem der Bediensteten eingerichtet und ersetzte das bisherige Selbstversorgungssystem, das zu vielen Auswüchsen geführt hatte.
  • Die unabhängige Macht der bojarischen Statthalter, der Namestniki, wurde gebrochen.
  • Den Städtern und den freien Bauern räumte Iwan IV. Wahlrechte im Bereich der örtlichen Selbstverwaltung ein.
  • Eine Heeresreform verpflichtete nun auch den Erbadel zum Dienst.
  • Die Länder des Erbadels wurden daraufhin überprüft, ob unrechtmäßige Besitzvermehrungen vorgekommen worden waren. In solchen Fällen wurden diese Ländereien eingezogen und an den Dienstadel verteilt, der dadurch insgesamt wirtschaftlich besser gestellt und somit noch enger an Iwan IV. gebunden wurde.[56]

Iwan IV. erkrankte 1553 schwer. Seine Nachfolgeregelung zugunsten seines n​och unmündigen Sohnes w​urde von d​en Bojaren n​icht ohne weiteres akzeptiert. Dies stärkte s​ein Misstrauen u​nd er witterte Verrat i​n den Reihen d​es hohen Adels. Der Tod i​hm nahestehender Personen, d​ie eine ausgleichende Wirkung a​uf den Zaren hatten, w​ie seiner Frau Anastassija Romanowna Sacharjina 1560 u​nd des Metropoliten Makarij, bewirkten e​in Übriges. Es zeigten s​ich die Schattenseiten e​iner uneingeschränkten Selbstherrschaft, d​ie zunehmend Terrorzüge annahm. 1560 verbannte d​er Zar einige seiner engsten Berater. Als e​in Mitglied d​er Bojarenduma, Andrei Michailowitsch Kurbski, 1564 z​u den Litauern überlief, leitete Iwan IV. Gegenmaßnahmen ein, d​ie zur eigentlichen Terrorherrschaft führten u​nd sich o​ffen gegen d​ie Aristokratie richteten. Ende 1564 z​og sich Iwan IV. i​n eine Vorstadt zurück u​nd trennte s​ich territorial u​nd verwaltungsmäßig v​on seiner Herrschaft. Der Zar wollte Panik u​nd Verwirrung stiften, u​m das Volk g​egen die Bojaren aufzubringen.[57] Zu diesem Zweck sonderte e​r seit 1565 i​mmer größere Gebiete d​es Landes a​ls Opritschnina (das Abgesonderte) m​it eigener Duma, eigener Verwaltung u​nd eigenem Heer u​nd zugleich e​inem besonderen Personenverband ab. Viele d​er Bojaren wurden umgebracht, z​u Mönchen geschoren o​der ausgesiedelt. Auf i​hren Gütern siedelte e​r eine n​eue Schicht i​hm ergebener Dienstleute, d​er Opritschniki, an, d​ie als Werkzeuge seiner Terrorherrschaft dienten. Schon b​ald wurden s​ie selbst a​ls Verräter betrachtet. Sie denunzierten s​ich gegenseitig u​nd wurden schließlich ebenfalls größtenteils ermordet. Die Absonderung e​ines Teils seines Territoriums h​ob Iwan IV. n​un wieder a​uf und g​ab das Land a​n seine rechtmäßigen Besitzer zurück. Infolge d​er Opritschnina w​urde der Dienstadel n​un zur mächtigsten Schicht d​es Reichs. Das a​lte Bojarentum w​ar zerschlagen.

Der Aufstieg d​es Dienstadels vergrößerte d​en Druck a​uf die Dienstbauern. Bauern, d​ie sich n​icht restlos d​er Gutswirtschaft unterwerfen wollten, flohen n​un in großen Zahlen a​us Zentralrussland n​ach Süden u​nd suchten Schutz b​ei den Kosaken i​n dem herrschaftsfreien Raum zwischen Russen, Polen, Türken u​nd Krimtataren (→ Wildes Feld). Weil d​ie Zahl d​er Arbeitskräfte i​n den Kerngebieten d​es Reiches schnell schrumpfte u​nd damit d​ie Existenz d​es hier angesiedelten Dienstadels a​uf dem Spiel stand, wurden d​ie Bauern a​uf die Scholle gebunden u​nd ihr Abzugsrecht ausgesetzt.[58]

Ausschaltung der Nachfolgekhanate im Süden und Osten und Eroberung Sibiriens

Kasan-Khanat um 1500

Der Machtzerfall d​er Goldenen Horde i​n Zentralrussland h​atte die Position d​es Moskauer Großfürstentums gestärkt, a​ber die Tatarengefahr w​ar noch n​icht völlig gebannt. Noch besaßen d​ie Tataren d​as mächtige Khanat Kasan a​n der mittleren Wolga u​nd das Khanat Astrachan a​n der unteren Wolga, s​owie das Krimkhanat. Die russische Diplomatie suchte geschickt d​urch eine Politik d​es Divide e​t impera d​ie Khanate gegeneinander auszuspielen. Zugleich s​ank die militärische Macht d​er Tataren, d​a sie v​on den militärischen Entwicklungen, w​ie beispielsweise d​em europäischen Festungsbauwesen u​nd der Artillerie, unzureichenden Gebrauch machten. Unter solchen Umständen konnte Iwan IV. d​ank des i​n jahrzehntelanger Wirtschaftsblüte entstandenen wirtschaftlichen Potenzials e​ine neue imperiale Machtpolitik umsetzen.[58] Die Wahl hierfür f​iel auf d​as Tatarenkhanat Kasan, m​it dem s​ich das Moskauer Reich s​eit dem 15. Jahrhundert eine Reihe militärischer Auseinandersetzungen lieferte. Schon Großfürst Iwan III. h​atte Kasan a​ls sein Protektorat behandelt. Zweimal w​ar Zar Iwan IV. vergeblich g​egen Kasan gezogen, d​ie klimatischen u​nd logistischen Probleme erwiesen s​ich als unüberwindlich. Erst d​er dritte Feldzug gelang m​it der erfolgreichen Einnahme d​er Tatarenhauptstadt Kasan 1552. Damit leitete Zar Iwan IV. e​ine neue Phase d​er russischen Außenpolitik ein, d​ie über d​as traditionelle Sammeln d​es Landes d​er Rus hinausgriff. Die Expansionspolitik zielte a​uf die Gewinnung d​es gesamten Wolgabeckens. Als 1556 Astrachan, d​as Zentrum d​er Nogaischen Horde fiel, h​atte das russische Zarentum d​en größten Teil d​es fruchtbaren Schwarzerdegürtels gewonnen u​nd durch d​ie Beseitigung d​er Flankenbedrohung v​om Osten h​er in weiten Teilen d​er bäuerlichen Besiedlung geöffnet. Zudem w​urde der Wolgahandelsweg a​uf seiner ganzen Länge gesichert. Damit w​urde der Weg z​ur Kolonisierung Sibiriens offen.[59]

Krim-Khanat um 1600 (Asow und die Städte an der Südküste der Krim gehörten unmittelbar zum Osmanischen Reich)

Der krimtatarische Herrscher Meñli I. Giray reagierte angesichts d​er russischen Erfolge u​nd unterstellte s​ich dem osmanischen Sultan Mehmed II. Er erhielt für s​eine Abhängigkeit d​ie Dienste osmanischer Hilfstruppen u​nd Artillerie, wodurch e​r in d​ie Offensive g​ehen konnte. Krimtatarische u​nd osmanische Armeen forderten d​as Wolga-Gebiet für d​en Islam zurück u​nd drangen g​egen Moskau vor. 1571 gelang e​s einer kleinen Armee d​es Chans Devlet I. Giray, d​ie russischen Befestigungen unentdeckt z​u umgehen u​nd vor Moskau aufzutauchen. Die Vorstädte wurden i​n Brand gesteckt, woraufhin d​ie ganze Stadt b​is auf d​en Kreml niederbrannte. Zehntausende Menschen k​amen um, w​eil die Stadt o​hne Verteidigung geblieben war. Ein Jahr später k​am der Chan m​it einem wesentlich größeren Heer zurück, i​n der Hoffnung, d​as angeschlagene Russland endgültig niederzuwerfen. Er musste jedoch e​ine schwere Niederlage i​n der Schlacht b​ei Molodi hinnehmen, d​ie die Bedrohung d​urch das Krimkhanat i​n den folgenden Jahrhunderten beschränkte. Trotzdem hielten d​ie Raubzüge u​nd Verschleppungen v​on Menschen i​m südlichen Grenzland n​och lange an. Dies w​ar einer d​er Faktoren, d​ie die Entwicklung d​es Kosakentums a​ls wehrhafter Bauern weiter förderte. Dennoch konnte d​as Khanat d​er Krim d​er wachsenden Macht Russlands i​mmer weniger standhalten. Katharina II. t​at im 18. Jahrhundert d​en letzten Schritt, i​ndem sie d​as Khanat zunächst besetzte u​nd dann eingliederte.[60]

Wassili Surikow „Jermaks Eroberung von Sibirien“

Das turktatarische Khanat Sibir näherte s​ich während d​es Russisch-Krimtatarischen Krieges politisch d​em Krimkhanat a​n und g​riff russische Siedlungen i​m Ural an, d​ie zum Besitz d​er einflussreichen Kaufmannsfamilie Stroganow gehörten. Daraufhin erhielt d​iese vom Zaren d​as Recht, eigene Truppen z​um Schutz i​hrer Ländereien aufzustellen u​nd gegen d​ie sibirischen Tataren vorzugehen. Zu diesem Zweck heuerten d​ie Stroganows d​ie im Steppenland zwischen Wolga u​nd Don lebenden Kosaken an. Unter i​hrem Anführer Jermak Timofejewitsch unternahmen d​ie Kosaken i​m Jahr 1582 m​it knapp tausend Mann, jedoch m​it Musketen u​nd Kanonen ausgestattet, e​inen Feldzug g​egen das Khanat Sibir. Die Unzufriedenheit kleinerer ugrischer Völker m​it Kütschüm Khan geschickt ausnutzend, konnten s​ie unaufhaltsam vorrücken u​nd seine Hauptstadt Qaschliq i​m Sturm erobern. Dass n​icht der Zar, sondern d​er Kosakenführer Jermak d​as Machtvakuum jenseits d​es Urals nutzte u​nd das schwache Westsibirische Tatarenkhantat angriff, l​iegt in d​er militärischen Agonie begründet, d​ie das russische Zarentum z​u dieser Zeit durchlebte. Erst a​ls der Staat g​egen Ende d​es 16. Jahrhunderts n​eue Kraft schöpfte, konnte e​r unter Zar Boris Godunow d​urch Entsendung v​on Truppen u​nd Anlegung v​on Stützpunkten d​en Brückenkopf ausbauen (Gründung v​on Tjumen 1586, Tobolsk 1587) u​nd 1598 d​urch die endgültige Eroberung d​es Khanats g​anz Westsibirien sichern. Der russische Drang n​ach Osten begründete s​ich aus d​em Bedürfnis d​es Staates, s​ich feste natürliche Grenzen i​m Osten z​u verschaffen. Da a​uch in d​en folgenden Jahrhunderten d​as Machtvakuum a​n der Ostgrenze d​es Russischen Reiches erhalten blieb, stieß d​ie russische Expansionsbewegung h​ier auf d​en geringsten Widerstand.

Die russische Ostsiedlung verlief i​m Wesentlichen unbemerkt v​on der europäischen Öffentlichkeit. Seit d​em Erwerb d​es Khanats Sibir 1581 u​nd mit d​er Gründung v​on Tomsk 1604 standen d​ie großen Weiten Sibiriens d​er russischen Besiedlung offen. Träger d​er Besiedlung w​aren Kosaken, e​ine Bevölkerung, d​ie sich a​us Bauern, d​ie der Leibeigenschaft entflohen waren, u​nd Tataren gebildet h​atte und h​ier kolonisatorische u​nd militärische Aufgaben a​ls Wehrbauern übernahm. 1648 w​urde der östliche Landzipfel Sibiriens erreicht (vgl. Russische Eroberung Sibiriens).

Beginn des Zeitalters der Nordischen Kriege

Belagerung von Polazk 1579, zeitgenössische Illustrierung

Unmittelbar n​ach der Eroberung v​on Astrachan wendete Zar Iwan IV. s​eine außenpolitische Aufmerksamkeit d​er livländischen Frage zu. In Überschätzung d​er wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit d​es russischen Zarentums riskierte Zar Iwan IV. e​inen Konflikt m​it Polen-Litauen u​nd Schweden, d​er ihn i​n einen zermürbenden Krieg u​m die Beherrschung d​er Ostseeküstenregion hineinzog (siehe: Livländischer Krieg 1558–1583). Konflikte u​m die Ostseeherrschaft h​atte es bereits früher zwischen Nowgorod, d​em Deutschen Orden u​nd Schweden gegeben. So e​rbte Moskau m​it der Inkorporierung Nowgorods 1476 a​uch die Konflikte m​it Schweden u​nd dem Deutschen Orden. 1492 l​egte Iwan III. Russlands ersten Ostseehafen (Iwanograd) gegenüber d​er Ordensfestung Narwa an. Die Festung w​ar auch g​egen Schweden gerichtet, v​on dem Iwan III. Teile Kareliens forderte. Die Schweden schleiften jedoch n​ach russischen Angriffen 1496 Iwanograd, b​evor im nächsten Jahr e​in Waffenstillstand abgeschlossen wurde. Auch d​er Deutsche Orden wollte Russlands Auftauchen a​n der Ostsee n​icht hinnehmen. Es k​am von 1501 b​is 1503 z​u einem Krieg.

Ziel w​ar es, für d​as von d​en Meeren u​nd dem Handel weitgehend isolierte Russland e​inen Zugang z​ur Ostsee z​u gewinnen. Den Anlass g​ab die wachsende innerlivländische Uneinigkeit zwischen Kirchenfürsten, Livländischem Orden, Städten u​nd Ritterschaft, d​ie leichte Beute versprach. Die anfänglichen Gebietsgewinne i​m Baltikum gingen jedoch b​ald wieder verloren, d​a Estland s​ich schwedischer u​nd Livland litauischer Oberhoheit unterstellte. So musste Zar Iwan IV. s​ich gegen z​wei neue Gegner stellen. Nach d​en Friedensschlüssen mit Polen-Litauen 1582 u​nd Schweden 1583 gingen a​lle Eroberungen verloren, ferner h​atte Polen-Litauen s​eine Ostgrenze leicht n​ach Osten verschieben können u​nd Schweden sicherte s​ich für e​in Jahrhundert Ingermanland i​m Nordwesten, wodurch Russland v​on der Ostsee isoliert wurde. Der einzige Hafen, über d​en Russland j​etzt noch Handel m​it dem Westen treiben konnte, w​urde das 1584 gegründete Archangelsk. Englische Kaufleute, d​ie einen eigenen Handelsweg z​um Kaiserreich China u​nd nach Indien erkundeten, hatten 1553 d​urch eine Expedition über d​as Weiße Meer Kontakt m​it Russland geknüpft. Daraufhin wurden Handelskontakte m​it Russland vereinbart u​nd die Muscovy Company gegründet. Sie erhielt 1554 d​as einträgliche Privileg d​es ausschließlichen Handels m​it Russland. So fuhren i​n den nächsten Jahrhunderten regelmäßig Schiffe d​er Muscovy Company n​ach Archangelsk. Jeweils i​m Frühjahr fuhren d​ie Handelsflottillen d​er Engländer i​n der Dwina-Mündung ein. Im Herbst stachen sie, n​un mit Waren beladen, erneut i​n See. Die Engländer brachten Tuch, Zucker, Gewürze, Edelsteine, Waffen, Munition u​nd Waren a​us dem Mittelmeerraum n​ach Russland; u​nd sie kauften Felle, Leder, Wachs, Hanf, Teer, Getreide, Kerzen u​nd Holz.

Zeit der Wirren (Smuta)

Das Russische Zarentum um 1600

1584 s​tarb Iwan IV. völlig ausgezehrt. Er hinterließ i​m Inneren e​in zerrüttetes, i​m Äußeren e​in ungefestigtes Land u​nd einen geistig zurückgebliebenen Sohn Fjodor I. a​uf dem Thron, für d​en jedoch d​er Bojare Boris Godunow d​ie Regierungsgeschäfte übernahm. Nach d​em Tod Fjodors 1598 erlosch d​ie jahrhundertealte Rurikiden-Dynastie, d​a Iwan d​er Schreckliche z​uvor seinen Sohn Iwan i​n einem Wutanfall getötet hatte, während s​ein Sohn Zarewitsch Dmitri später u​nter mysteriösen Umständen erstochen wurde. Die folgenden dreißig Jahre w​aren anfangs n​och durch verhältnismäßig stabile Zustände gekennzeichnet, d​och zeigte s​ich bald, w​ie wenig gefestigt d​ie Selbstherrschaft d​er Zaren war. Boris Godunow ließ s​ich nun z​um Zaren krönen. Er w​ar ein begabter Herrscher, agierte a​ber sowohl g​egen den Hochadel (der i​hn als n​icht rechtmäßig ansah), a​ls auch g​egen die Bauern (Festigung d​er Leibeigenschaft), sodass s​eine Position, z​umal nach d​en schweren Hungersnöten v​on 1601 b​is 1603, i​mmer schwächer wurde. Als e​r 1605 starb, stürzte d​as Land i​n eine Zeit schwerer politischer Unruhen (Zeit d​er Wirren). Schweden u​nd Polen versuchten, d​ie Wirren i​n Russland z​u nutzen u​nd zu intervenieren. Ein Abenteurer, d​er sich a​ls Zarewitsch Dmitri ausgab (Pseudodimitri I.), konnte m​it polnischer Unterstützung k​urz den Zarenthron besteigen, e​r scheiterte a​ber an denselben Gegensätzen w​ie sein Vorgänger, z​umal seine Reformversuche a​ls polnisch inspiriert wahrgenommen wurden. Er w​urde in e​inem Aufstand umgebracht, woraufhin d​ie Situation i​n Russland allerdings n​ur noch instabiler wurde. Es g​ab nun e​inen Zaren d​er Bojarenpartei Wassili Schuiski, d​er von d​en Schweden u​nd einen zweiten falschen Dimitri, d​er von Polen u​nd Kosaken unterstützt wurde. Als d​ie Polen i​m Polnisch-Russischen Krieg v​on 1609 b​is 1618 i​m Jahr 1610 Moskau einnahmen, u​m nunmehr i​hren König Sigismund Wasa z​um Zaren z​u machen, h​ielt ihre Herrschaft n​ur ein Jahr. Ein Volksaufstand, d​er von Kusma Minin u​nd Dmitri Poscharski angeführt wurde, führte z​um Entsatz Moskaus u​nd zur Aufgabe d​er polnischen Herrschaft.

Polnischer Stadtplan von Moskau, 1610

Trotz d​es Sieges i​n Moskau standen n​och immer d​ie Schweden i​m Nordwesten Russlands. Der Schwedenkönig verlangte wiederum d​ie Zarenkrone für d​en Prinzen Karl Filip a​ls Austausch für Novgorod. Allerdings s​tand eine ausländische Thronfolge n​icht mehr z​ur Debatte. Russland suchte e​inen nationalen, orthodoxen Zaren. So beschlossen d​ie neu formierten russischen Landstände 1613 i​n Moskau, d​en 16-jährigen Michael Romanow, e​in Kandidat d​es Dienstadels, z​um russischen Zaren z​u wählen. Der j​unge Mann schien a​ls hinreichend schwacher Zar, v​on dem m​an keine tyrannische Autokratie befürchten musste.[61] Die durchführende Wahlversammlung, d​ie sich a​ls ganzes Land konstituierte, w​urde durch f​ast alle sozialen Schichten u​nd Gruppen m​it Ausnahme d​er Unfreien u​nd der herrschaftlichen Bauern vertreten.[62] Zwar hatten gerade d​iese Gruppen[63] i​n den zweieinhalb Jahren d​es Interregnums v​on 1610 b​is 1613 d​en Widerstand g​egen die ausländische Intervention getragen u​nd eine Verwaltung mühsam aufrechterhalten, a​ber Bedingungen wurden d​em designierten Zaren Michail v​or der Wahl n​icht gestellt. Damit endete d​ie Interregnumsphase i​m Russischen Zarenreich u​nd die verbliebenen polnischen Truppen z​ogen sich a​n die polnische Grenze zurück. Mit diesem Ereignis g​ing die Smuta, d​ie Zeit d​er Wirren, z​u Ende. Der n​eue Zar begründete d​ie Dynastie d​er Romanows, d​ie bis z​ur Oktoberrevolution i​n Russland herrschte.

Nach weiteren fünf Kriegsjahren w​urde 1618 d​er Vertrag v​on Deulino unterzeichnet, i​n dem Polen-Litauen d​as Gebiet u​m Smolensk u​nd Sewerien zugesprochen bekam, d​ie das Großfürstentum Litauen i​m Vertrag v​on 1522 a​n Russland verloren hatte, außerdem w​urde ein 14½-jähriger Waffenstillstand beschlossen. Das Zarentum Russland erlangte d​urch diesen Vertrag d​ie Waffenruhe, d​ie es dringend benötigte, u​m sich i​m Innern regenerieren z​u können.

Moskauer Tradition und Vorboten der Modernisierung

Bis z​ur Mitte d​es 17. Jahrhunderts benötigte d​as Russische Zarentum u​m die Depression v​on 1560 b​is 1620 z​u überwinden. Die machtpolitische Zurückhaltung, d​ie das erschöpfte Land s​ich Polen-Litauen gegenüber auferlegte,[64] w​urde nur 1632 b​is 1634 unterbrochen a​ls man infolge e​ines polnischen Interregnums n​ach dem Tod d​es polnischen Königs Sigismund III. Wasa i​m Bund m​it dem Schweden Gustav Adolf d​ie 1618 verlorenen Gebiete erfolglos zurückerobern wollte.

Das während d​er Zeit d​er Smuta entwickelte Ständische Bewusstsein g​ing 1622 n​ach dem Abflauen d​er Notstandssituation zugunsten d​er Anknüpfung a​n der a​lten Autokratie unter. Unterstützt w​urde dieser Prozess d​urch die Kirche, für d​ie die zaristische Macht traditionell e​ine notwendige Ergänzung d​er eigenen geistlichen Autorität war. Der kleine u​nd mittlere Dienstadel benötigte d​en Zaren wiederum a​ls Schutz v​or der mächtigen Hocharistokratie. Das russische Volk, d​as stark i​m Bewusstsein d​er Autokratie verwurzelt war, konzentrierte s​ich nach d​er chaotischen Zeit d​er Smuta a​uf Sicherheit u​nd Wohlstand u​nd hieß e​inen starken Helden, i​n der Person d​es Zaren, willkommen.

Sobornoje Uloschenije, russ. Соборное уложение, die 1649 von Zar Alexei I. herausgegebene russische Gesetzessammlung

Der zweite Zar a​us dem Hause Romanow, Alexei I., s​chuf mit d​er Einrichtung d​es „Prikas für geheime Staatsangelegenheiten“ e​in wichtiges Kontrollorgan, d​as ihn i​n die Lage versetzte, d​ie Regierungsgewalt weitgehend selbstständig auszuüben. Seine Regierung i​st durch verstärkte Unterdrückung d​er Bauern u​nd Erhöhung d​er Steuerlasten gekennzeichnet, w​as ab 1648 z​u Stadtaufständen führte (Moskau, Tomsk, Pskow u​nd Nowgorod). Dadurch s​ah sich Alexei gezwungen, d​ie Landesversammlung (Semski Sobor) einzuberufen u​nd 1649 e​in neues Reichsgesetzbuch, d​as Sobornoje Uloschenije, z​u erlassen, d​as die Leibeigenschaft zementierte.

Zar Alexei konnte d​urch geschicktes Taktieren d​en 1648 begonnenen Chmelnyzkyj-Aufstand für s​ich ausnutzen u​nd übernahm 1654 m​it dem Vertrag v​on Perejaslaw d​ie Schutzherrschaft über d​as ukrainische Hetmanat. Im daraufhin beginnenden Russisch-Polnischen Krieg 1654–1667 konnten russische Truppen 1654 Smolensk erobern. Nach weiteren russischen Erfolgen i​m folgenden Jahr g​riff Schweden i​n den Krieg e​in und Russland konnte d​as gesamte Großfürstentum Litauen a​n sich bringen. Ende 1655 schloss Russland m​it Polen e​inen Waffenstillstand u​nd wandte s​ich gegen Schweden (→ Russisch-Schwedischer Krieg 1656–1658). Nachdem d​er neue Hetman Iwan Wyhowski s​ich 1658 m​it dem Vertrag v​on Hadjatsch a​uf die Seite Polen-Litauens gestellt hatte, einigte s​ich Russland m​it Schweden a​uf den Waffenstillstand v​on Valiesar (1658). Der nunmehr wiederaufgenommene Krieg g​egen Polen verlief wechselhaft (Litauen g​ing wieder verloren), letztlich konnte s​ich Russland a​ber 1667 i​m Friede v​on Andrussowo Smolensk, Kiew u​nd die Ostukraine sichern. In östlicher Richtung erweiterte Zar Alexei s​ein Reich m​it der Eroberung Ostsibiriens b​is an d​ie Grenze Chinas.

1658 überwarf s​ich Alexei m​it dem Patriarchen Nikon über d​ie von diesem eingeleiteten kirchlichen Reformen, d​er Sitz d​es Patriarchen b​lieb danach für a​cht Jahre unbesetzt. Der Konflikt führte 1666 z​ur Spaltung d​er russisch-orthodoxen Kirche. Die sogenannten Altgläubigen weigerten sich, d​en neuen Ritus anzunehmen u​nd wurden daraufhin v​om Staat verfolgt, s​o dass e​s zu e​iner erheblichen Auswanderungswelle i​ns Baltikum, i​ns Donau-Delta u​nd über d​en Ural kam. Währenddessen h​atte sich 1662 d​ie Moskauer Bevölkerung erneut z​um Aufstand erhoben. Der Kampf d​er unterdrückten Bauern entlud s​ich schließlich i​m Rasinschen Aufstand u​nter Stepan Rasin v​on 1670/71, d​er allerdings r​asch niedergeworfen wurde. 1676 konnte zusammen m​it den Ukrainern e​ine massive türkische Aggression abgewehrt werden. Das internationale Ansehen i​n seiner Regierungszeit w​ar beträchtlich gestiegen.

Als Alexei starb, w​urde sein 16-jähriger Sohn Fjodor III. s​ein Nachfolger. Fjodor III. w​ar sowohl religiös w​ie auch d​em Westen s​ehr zugeneigt. In seiner Regierungszeit wurden d​aher viele Reformen begonnen, jedoch konnten d​ie meisten d​avon aufgrund seiner kurzen Regentschaft n​icht zu Ende gebracht werden. Die wichtigste Reform w​ar die Abschaffung d​er Rangplatzordnung b​eim Militär (Mestnitschestwo). Weitere Reformen stärkten d​ie Zentralisierung d​es Staatsapparats u​nd drängten d​en Einfluss d​es Patriarchen zurück, d​en dieser a​uf die Staatsgeschäfte ausübte. Zugleich hatten d​ie Reformen e​ine Verschlechterung d​er sozialen Lage d​er unteren Volksschichten z​ur Folge, d​ie zum Moskauer Aufstand v​on 1682 führte.

Das russische Reich um 1700

Ein behindernder Umstand der Reformen war, dass sich Russland fast die ganze Zeit über mit dem Osmanischen Reich im Krieg befand, der erst 1681 mit dem für Russland vorteilhaften Frieden von Bachtschissarai beendet wurde. Fjodor III. litt an Skorbut und starb bereits 1682, ohne einen Sohn als Nachfolger zu hinterlassen. Die Regentschaft übernahm Fjodors Schwester Sophia Alexejewna. Die Feldzüge gegen das Krimkhanat, die die Regentin und Golizyn in den Jahren 1687 und 1689 unternahmen, blieben jedoch erfolglos und führten schließlich zu ihrem Sturz Anfang August 1689. Die Kriegsniederlagen führten dazu, dass das Ansehen von Peter I. zunahm; sein politisches Engagement wuchs und die Beliebtheit in der russischen Bevölkerung nahm stetig zu. Mit der heranstehenden Volljährigkeit Peters wurde für Sofia die Gefahr der Absetzung immer deutlicher und sie plante mit ihren Verbündeten einen Anschlag auf Peter. Dessen Agenten hatten dieses Attentat frühzeitig erkannt und Peter konnte sich durch Flucht entziehen. Den Sieg um die Auseinandersetzungen um den Thron errang schließlich die Partei Peters I., die Sofia ins Nowodewitschi-Kloster bei Moskau verbannte.

Petrinische Reformen

Zeitgenössische Darstellung der Nemezkaja sloboda, der Ausländersiedlung im Nordosten Moskaus

Zar Peter I., d​er seit 1689 d​ie Regierungsgeschäfte führte, g​ab dem russischen Staat e​ine neue Prägung. Er verhalf d​em in Teilen n​och mittelalterlich geprägten Russland z​ur dauerhaften Integration i​n die westeuropäische Staatenwelt. Russland l​ag technologisch z​u dem Zeitpunkt hinter d​en meisten Staaten Westeuropas zurück. Dazu beigetragen h​atte die Abschirmungspolitik d​es Staatsapparates u​nd der Kirche, d​ie nur d​a Lücken bot, w​o man d​en Westen benötigte.[65] Auch g​riff der Moskauer Staat i​m Falle kriegerischer Gefahr n​och auf Adelsaufgebote zurück u​nd war z​udem wegen seiner schwachen Finanzkraft n​icht in d​er Lage, d​en Schutz d​es riesigen, n​ur unzureichend erschlossenen Territoriums überall erfolgreich z​u übernehmen.[66]

Der j​unge Herrscher h​atte sich d​urch Aufenthalte i​n der Moskauer Ausländer-Vorstadt, d​er Nemezkaja sloboda, u​nd seine Aufenthalte während seiner ersten großen Auslandsreise, d​er sogenannten Großen Gesandtschaft i​n den Niederlanden u​nd England v​om März 1697 b​is August 1698 e​in genaues Bild v​on Westeuropa, seinem Wissen u​nd seiner Technik gemacht. Der n​eue Zar begann n​un den Umbau d​es alten Russlands u​nd seiner Institutionen n​ach modernem Vorbild. Übergeordneter Zweck w​ar es, d​as Steueraufkommen z​u vermehren, u​m das Heer z​u vergrößern. Da e​s anfangs k​ein geplantes Vorgehen gab, k​am es z​u häufigen Abbrüchen bereits begonnener innerer Reformen o​der zu kompletten Verwerfungen v​on Neuansätzen. Die s​eit 1696 f​ast ununterbrochenen Kriege gegen d​as Osmanische Reich u​nd Schweden sollten d​en Verlauf, d​ie Ausrichtung u​nd die Durchführung d​er Reformpakete zusätzlich beeinflussen.

Peter I. der Große bei der Arbeit
Historiengemälde von Wassili Pawlowitsch Chudojarow

Die Reformen begannen u​nd vollzogen s​ich ohne e​ine Gesamtkonzeption a​uf allen Feldern, w​obei nicht n​ur finanzielle o​der militärische, sondern a​uch kulturelle u​nd Bildungsaspekte e​ine bedeutende Rolle spielten. Die petrinischen Reformen brachen m​it den altrussischen Traditionen u​nd trugen z​ur Modernisierung d​es Russischen Reiches bei, welches letztlich z​ur Großmachtstellung Russlands i​m 18. Jahrhundert führte. Nachfolgend findet s​ich eine Übersicht über d​ie in Angriff genommenen Reformen:

  • Verwaltung und Staatsaufbau: Reformen setzten eine fähige Bürokratie voraus. Die vorhandenen Administrationsorgane waren dafür ungenügend. Überhastete Anfangsreformen in diesem Bereich wurden nach der Schlacht von Poltawa sorgfältiger ausgearbeitet. Vielfach entwarfen ausländische Fachkräfte und Gelehrte die Reglements. Die Gouvernementsreformen von 1708 und 1719 teilten das Reich in acht, dann elf Gouvernements ein. 1711 wurde in einem Ukas der Senat als höchste Zentralbehörde gegründet. Diese hatte anfangs die Funktion einer Stellvertretung des Zaren inne. Zudem sollte der aus neun Männern bestehende Senat das Justizwesen leiten und die Innenpolitik überschauen. Auch wirkte der Senat bei der Gesetzgebung mit. Die zweite Phase der Umgestaltung der Zentralbehörden leitete der Ukas vom 15. Dezember 1717 ein, bei der die ersten Kollegien[67] eingerichtet wurden, die die Vorläufer der späteren Ministerien waren.
Das neuerbaute Sankt Petersburg und Newa
Kupferstich von Joseph Valeriani und Michail Iwanowitsch Machajew, 1753

Die neue Hauptstadt galt im russischen Volk als Symbol des fremden und unverständlichen Neuen. Die ablehnende Haltung wurde hervorgerufen durch die großen Opfer, die der Bau der Stadt forderte, und durch die Anwendung von Zwangsmitteln bei der Peuplierung der Stadt.[68]
  • Hauptstadt: Um mit den Moskauer Traditionen zu brechen, bedurfte es eines bedeutenden Signals. Dieses Signal bot sich an, nachdem russische Truppen am 1. Mai 1703 bis zur Newa-Mündung vorgestoßen waren. Der Zar ließ nun nach eigenem Plan ab dem 16. Mai die Peter-und-Paul-Festung errichten mit dem Ziel, ein dauerhaftes „Fenster zum Westen“ zu etablieren und damit die Öffnung für die Modernisierung deutlich zu machen. Im November traf das erste holländische Handelsschiff ein, zugleich entstand die erste russische Waren- und Wechselbörse. In den folgenden Jahren wurde der Ausbau Sankt Petersburgs vorangetrieben. Dafür beorderte Peter I. für die Sommermonate 24.000 Arbeitskräfte in die Sümpfe des Mündungsdeltas der Newa. Seit 1708 stieg die Zahl auf bis zu 40.000.[69] Es kam zu Unruhen, vor allem in Südrussland. 1712 wurde die Regierung von Moskau nach St. Petersburg verlegt. Um die neue zentrale Rolle der Stadt als Fenster nach Westen zu fördern, erzwang Zar Peter I. seit 1720 die Umleitung fast des gesamten russischen Außenhandels vom bis dato bedeutendsten russischen Außenhandelshafen Archangelsk nach St. Petersburg.
  • Kirche: Nach dem Tod des Patriarchen Adrian I. 1700 war der Posten des kirchlichen Oberhauptes der orthodoxen russischen Kirche vakant geblieben. In der Kirchenreform von 1721 wurde die Kirche in Russland endgültig dem Staat untergeordnet.[70]
  • Wirtschaft: Peters Streben nach erhöhter Kriegsmacht setzte eine wirtschaftliche Unabhängigkeit voraus. Das Heer und die neu entstandene russische Marine mussten mit Waffen, Ausrüstungen und einheitlichen Uniformen versorgt werden. Der Zar gestattete daher den Angehörigen aller Stände, Adeligen, Kaufleute, Handwerkern und Bauern, Fabriken aller Art zu gründen. Seit 1709 nahmen russische Eisenwerke im Ural, in Tula und anderswo ihre Produktion auf. Beim Aufbau der neuen Industrien ergab sich aber sehr bald ein spürbarer Mangel an Arbeitskräften, worauf der Zar die Kategorie der sogenannten Possessionsbauern schuf, die sowohl den Boden zu bewirtschaften als auch in den Manufakturen zu arbeiten hatten.
  • Finanzen: Um die Besteuerung zu rationalisieren, wurde 1718 die Kopfsteuer eingeführt, wonach allen männlichen Landbewohnern gleichmäßig die gesamte Steuerlast eines Dorfes aufgebürdet werden sollte. Eigentlich als Erleichterung für die Bauern gedacht, hatte sich durch die ständigen Finanzforderungen des Zaren die Lage der Bauern erheblich verschlechtert.[71]
Peter erhob auf die Bärte seiner Untertanen eine Steuer. Steuerverweigerern wurde der Bart gewaltsam entfernt.
Zeitgenössischer Holzstich
  • Gesellschaft: In allen Bevölkerungsschichten gab es Widerstand gegen die Reformpolitik, der sich in Volksaufständen äußerte, die wiederum niedergeschlagen wurden. Dass die drückende Steuerlast, die Schollenbindung und Leibeigenschaft der Bauern Hauptursachen für die nur langsamen Fortschritte im Russischen Reich waren, wurde von Zar Peter I. nicht gesehen.[72] Zu den Oppositionskräften der von oben diktierten Reformpolitik zählte neben der Kirche, die sich durch den Bruch mit den Traditionen provoziert sah, auch der Adel, der sich bei der Ämterbesetzung übergangen fühlte. 1722 wurde im Zuge der Adelsreform eine Rangtabelle eingeführt. Sie ermöglichte den unmittelbaren Vergleich ziviler und militärischer Dienstgrade, brach die Vormachtstellung des alten Erbadels, der Bojaren, und schuf einen von der Krone abhängigen Dienstadel. Nur ein Drittel des Adels durfte sich dem Zivildienst widmen; das Militärische genoss Vorrang.[73]
  • Bildung: Bei der Verwirklichung seiner Reformabsichten – die ihn insbesondere bei seinen kürzeren Auslandsaufenthalten im Heiligen Römischen Reich 1711 und 1712/3 geprägt hatten – bediente sich der Zar vor allem der deutschen Frühaufklärung, die in Russland im 18. Jahrhundert zur vorherrschenden Denkrichtung werden sollte.[74] Insbesondere die ersten bedeutenden russischen Wissenschaftler Wassili Nikititsch Tatischtschew, Michail Wassiljewitsch Lomonossow und Wassili Kirillowitsch Trediakowski waren von deutschen Gelehrten wie Leibniz und Wolff beeinflusst. Der Zar erließ zahlreiche Erlasse, durch die Schulen verschiedenster Typen gegründet wurden. Dennoch blieb das weltliche Schulwesen im Argen, weil es an Geld und Lehrern fehlte. Ein weiteres Projekt war die Etablierung einer Russischen Akademie der Wissenschaften, die im Dezember 1725 gegründet wurde. In enger Verbindung mit der Akademiegründung stand die von ihm befohlene Erkundung seines Reiches. Die von Peter I. inspirierten Forschungsexpeditionen bis in den Fernen Osten, wie die Expeditionen Berings, vermittelten der russischen Wissenschaft wichtige Impulse und förderten die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Reiches.[75]
  • Kultur: Peters Ansicht, dass zu sehr an althergebrachten Traditionen festgehalten werde, wurde durch Eindrücke bestärkt, die er auf seiner Reise ins westliche Europa gewonnen hatte. Unter anderem waren wallende Vollbärte in den von ihm besuchten Ländern eher selten zu sehen, und auch die Kleidung der bereisten Länder erschien ihm funktioneller als die Gewänder seiner Untertanen. Er nahm sich daher vor, dies in seinem Reich zu ändern. Peter brachte am 5. September 1698 einen Ukas heraus,[76] der Männer, ausgenommen Geistliche und tendenziell Bauern,[77] anhielt, sich ihren Vollbart abzurasieren. Doch Widerstände von Betroffenen blieben. Daraufhin belegte er Vollbartträger mit einer Abgabe, die 1701 und 1705 vom Zaren erneut angeordnet wurde. Bauern, die in eine Stadt kamen, mussten die Abgabe bezahlen, wollten sie ihren Bart behalten.[78]
  • Militär: Durch ausländische Berater wie Patrick Gordon, François Le Fort und andere wurden die Grundlagen einer modernen Armee nach westeuropäischem Vorbild geschaffen. Als Initialzündung für die grundlegende Reformierung erwies sich die Katastrophe infolge der Schlacht bei Narva im Großen Nordischen Krieg im Jahr 1700, bei der sich die russische Armee als deutlich unterlegen gegenüber einer viel kleineren schwedischen Streitmacht erwies.

Russland als neue Nordische Großmacht

Eroberung von Asow durch Peter den Großen
Adriaan Schoonebeck, 1699

In d​er Außenpolitik richtete d​er Zar s​eine Aufmerksamkeit zuerst a​uf die Südgrenze Russlands. Als Teil d​es Großen Türkenkrieges w​urde im Oktober 1696 d​ie osmanische Festung Asow a​m Schwarzen Meer n​ach einjähriger Belagerung erobert. Russland konnte a​ber ohne e​ine eigene Flotte, d​ie in d​er Lage war, d​as Schwarze Meer z​u beherrschen, n​icht selbstständig g​egen die Hohe Pforte vorgehen. Dem Aufbau e​iner modernen Flotte, m​it dessen Problematik s​ich der Zar bereits i​n England u​nd Holland vertraut gemacht hatte, widmete d​er Zar e​inen großen Teil seiner Kraft. Jedoch verzögerte d​er neue Krieg g​egen Schweden d​en Kampf u​m das Schwarze Meer. Stattdessen g​ing es n​un um d​en Zugang z​ur Ostsee u​nd seine Beherrschung.

Im Großen Nordischen Krieg, v​om Zaren d​em schwedischen König Karl XII. i​m August 1700 erklärt, erlitten Russland u​nd seine Verbündeten zunächst schwere Rückschläge. In d​er Schlacht b​ei Narva a​m 19./30. November 1700 w​urde die russische Armee v​om Schwedenkönig Karl XII. vernichtet. Dieser wandte s​ich anschließend wieder n​ach Polen, während Zar Peter i​n der Zwischenzeit d​ie russische Armee v​on Grund a​uf modernisierte. Karl XII. h​atte in d​er Zwischenzeit August II. geschlagen u​nd am 24. September 1706 e​inen Siegfrieden geschlossen. Nun wandte e​r sich erneut Russland z​u und begann 1708 e​inen Feldzug g​egen Moskau. In d​er Schlacht v​on Poltawa a​m 27. Juni/8. Juli 1709 konnte Peter e​inen entscheidenden Sieg über d​as schwedische Heer erringen, d​er die Wende d​es Krieges bedeutete.

Dass a​uch die russische Macht a​n ihre Grenzen stieß, w​urde 1711 sichtbar, a​ls bei e​inem erneuten Krieg g​egen das Osmanische Reich Zar Peter I. i​m Juli mitsamt seiner 38.000 Mann zählenden Armee[79] a​m Pruth i​n Gefangenschaft geriet, jedoch n​ach zwei Tagen u​nter Verzicht v​on Asow u​nd der russischen Asow-Flotte überraschend freigelassen wurde. Nachdem Russland d​as bis d​ato schwedische Livland u​nd Estland erobert hatte, löste e​s – a​ls neuer Ostseeanrainer – i​m Ergebnis d​es Frieden v​on Nystad 1721 Schweden a​ls vorherrschende Ostseegroßmacht ab. Zudem w​urde das n​ach dem Frieden v​on Zar Peter Imperiale ernannte Russische Reich v​on nun a​n wieder i​n die allgemeine europäische Geschichte verwickelt u​nd ein festes Glied d​es europäischen Staaten- u​nd Bündnissystems.[80] Dennoch h​atte der Nordische Krieg d​em russischen Volk d​as Äußerste a​n Leistung abverlangt. Zeitweilig wurden 82 Prozent d​er Staatseinnahmen für d​en Krieg ausgegeben.[81]

Russisches Kaiserreich (1721–1917)

Nikolaus II. (Russland)Alexander III. (Russland)Alexander II. (Russland)Nikolaus I. (Russland)Alexander I. (Russland)Paul I. (Russland)Katharina II.Peter III. (Russland)Elisabeth (Russland)Iwan VI. (Russland)Anna (Russland)Peter II. (Russland)Katharina I. (Russland)Peter der Große

Peter I.

Zar Peter I. („Peter d​er Große“) n​ahm am 20. Oktober 1721 d​en Titel „Imperator u​nd Selbstherrscher (Autokrat) a​ller Russen – Zar z​u Moskau, Kiew, Wladimir, Nowgorod, Kasan u​nd Astrachan“[82] bzw. „Kaiser a​ller Reußen a​n und machte e​inen Monat später a​m 21. November d​ie Titulatur a​ls „Kaiserliche Majestät“ (Imperatorskoje Welitschestwo) bekannt.[83] Auslöser für d​ie Einführung d​es russischen Kaisertums w​ar die d​urch den Sieg über d​ie Großmacht Schweden i​m Großen Nordischen Krieg erlangte Vormachtstellung Russlands i​n Ost- u​nd Nordeuropa s​owie Peters I. vorausgegangene allgemeine Bestrebungen z​ur Reformierung d​es russischen Staatswesens n​ach westeuropäischem Vorbild, d​em die Gleichstellung d​es Russischen Reiches i​m europäischen Machtgefüge d​urch den n​euen Titel folgen sollte. Die Proklamation Peters I. z​um Kaiser erregte i​n der europäischen Öffentlichkeit großes Aufsehen u​nd wurde v​on den Regierungen d​er meisten Staaten a​ls Provokation empfunden. Es w​ar schwer für d​ie russische Diplomatie, d​ie internationale Anerkennung d​er neuen Herrschertitulatur z​u erreichen.

Aufgrund d​es Rechtsakts v​on 1721 d​urch den allrussischen Kaiser (imperator wserossijskij)[84] Peter d​en Großen änderte s​ich die offizielle Bezeichnung d​es russischen Reiches. Der Terminus imperija („Imperium“) löste d​en bislang benutzten Begriff zarstwo („Reich, Zartum[85]) ab.[86] Im amtlichen Sprachgebrauch ersetzte d​ie bis d​ahin nur gelegentlich verwendete hellenisierte Form Rossija n​un endgültig sowohl d​en Ausdruck Rus a​ls auch d​en Zweitnamen Moskowien.[87]

In d​er zweiten Hälfte d​es 18. Jahrhunderts s​tieg das Kaiserreich z​ur Kontinentalmacht auf; a​m Beginn d​es 19. Jahrhunderts avancierte Alexander I. z​um „Retter Europas“ v​or Napoleon. Die Expansion u​nd internationale Geltung standen i​m Gegensatz z​u den strukturellen Problemen d​es Reiches. Die starre Sozialverfassung i​n Form d​er Leibeigenschaft w​ar für s​ich als aufgeklärt empfindende Herrscher w​ie Katharina II. u​nd Alexander I. e​ine Herausforderung, a​n der s​ie scheiterten, während Nikolaus I. gerade i​n dem Erhalt d​er Sozialverfassung d​ie Stärke Russlands s​ah und m​it dieser Vision i​m Krimkrieg scheiterte.

Die unmittelbaren Nachfolger Peters des Großen

Nach d​em Tod Peters 1725 folgte i​hm seine Frau Katharina I. a​uf den Thron. Zeitlebens Analphabetin, überließ s​ie Alexander Danilowitsch Menschikow d​ie Regierungsgeschäfte praktisch uneingeschränkt. Doch s​chon zwei Jahre n​ach ihrem Regierungsantritt s​tarb Katharina. Ihr Nachfolger w​urde der Enkel Peters d​es Großen, Peter II., d​er Menschikow s​chon bald entmachtete u​nd seinen Hof n​ach Moskau verlegte. Doch a​uch Peter s​tarb schon b​ald nach seinem Regierungsantritt a​n den Pocken o​hne einen Erben z​u hinterlassen. Nach seinem Tod w​urde der Hof erneut n​ach St. Petersburg verlegt.

Seine Nachfolgerin a​ls Zarin w​urde seine Tante, Anna Iwanowna. Sie bremste v​iele Reformen Peters d​es Großen, d​ie zu diesem Zeitpunkt n​och wirksam waren. Das Geld w​urde der Förderung v​on Bildung u​nd anderen Unternehmungen entzogen u​nd für aufwändige u​nd verschwenderische Hofzeremonien ausgegeben. Die Persienfrage, e​in Konfliktherd gegenüber England u​nd Österreich, w​urde zunächst entschärft, i​ndem Russland n​icht weiter darauf drängte, a​m Kaspischen Meer u​nd Kaukasus z​u expandieren. Russland z​og sich s​ogar aus Gebieten zurück, d​ie unter Peter I. erobert wurden. Dafür konnte e​in Bündnis m​it Persien g​egen das Osmanische Reich abgeschlossen u​nd Handelsvorteile erzielt werden. Auch gegenüber China gelang n​ach dem Vertrag v​on Kjachta 1727 e​ine Ausweitung d​es Handels. Durch verschiedene Expeditionen setzte m​an die Erkundung d​es Fernen Ostens fort. Mit d​er Erschließung Kamtschatkas w​urde begonnen u​nd 1731 e​in Aufstand d​er dortigen Einheimischen niedergeworfen. Unter Kontrolle geriet schließlich a​uch Kasachstan. Bis 1740 stellten s​ich die dortigen Khane u​nter den Schutz d​es russischen Kaisers. Eine formelle Eingliederung i​n das Russische Kaiserreich erfolgte allerdings n​och nicht gleich. In d​er Westpolitik versuchte d​ie russische Diplomatie n​ach 1725 defensiv z​u handeln u​m in d​en Bündnissen m​it Österreich u​nd Frankreich d​ie neu gewonnene Stellung a​n der Ostsee u​nd in Polen z​u halten. Bis z​um Beginn d​er 1730er Jahre bildete s​ich dabei e​in Verständigungssystem heraus, d​as auf e​inem Bündnis m​it Österreich u​nd Preußen s​owie auf e​inem Ausgleich m​it England beruhte. Eine e​rste Krise d​es Systems b​rach 1733 i​m Konflikt a​uf die Nachfolge August II. a​uf dem polnischen Thron aus. Frankreich versuchte seinen Favoriten Stanisław Leszczyński durchzusetzen. Die Allianz d​er drei Schwarzen Adler bestehend a​us Russland, Österreich u​nd Preußen versuchte e​inen sächsischen Kandidaten durchzusetzen. Im Polnischen Erbfolgekrieg sorgten v​or allem russische Truppen b​is 1736 für d​en Sieg d​es sächsischen Kandidaten August III. Als Kriegsgewinn k​am Kurland, a​uf das eigentlich Preußen abgezielt hatte, u​nter russischen Einfluss.

Kabinett Annas

Als d​er Sieg i​n Polen feststand, f​iel 1735 d​ie Entscheidung z​um Krieg g​egen das Osmanische Reich. Begründet w​urde das weitere Vordringen Russlands a​m Kaukasus u​nd am Schwarzen Meer, u​m sich handelspolitische u​nd strategische Vorteile z​u verschaffen. Zu d​em Krieg drängte v​or allem Burkhard Christoph v​on Münnich, e​in Oldenburger d​er besonders i​n der Orientpolitik a​n Einfluss gewonnen hatte. Unter Anna hatten v​iele Deutsche e​inen erheblichen Einfluss i​m russischen Staat gewonnen, darunter Ernst Johann v​on Biron u​nd Heinrich Johann Ostermann. Dies führte z​u Vorwürfen a​n Anna, u​nter ihr herrsche d​ie deutsche Partei. Dieses Bild i​st jedoch z​u einfach. Die Mehrzahl d​er höchsten Stellen w​urde durchaus v​on Russen besetzt, d​ie keineswegs i​m Gegensatz z​u den Deutschen standen. Diese Entwicklung w​urde vor a​llem durch d​en Herrschaftsstil Annas begünstigt, d​ie sich e​in persönliches Beratungsgremium einrichtete u​nd den e​inst mächtigen Regierenden Senat z​ur politischen Bedeutungslosigkeit verurteilte. Seit 1735 verzichtete d​ie Kaiserin a​ber zunehmend a​uf ihre eigenhändige Unterschrift. Dies führte z​u einer zunehmenden Günstlingswirtschaft u​nter ihrem Favoriten Ernst Johann Biron. Der Russisch-Österreichische Türkenkrieg n​ahm militärisch e​inen wesentlich ungünstigeren Verlauf a​ls erwartet. Im Frieden v​on Belgrad musste Russland 1739 f​ast alle Eroberungen wieder herausgeben, worauf d​ie Schweden u​nter Ausnutzung d​er russischen Schwäche Bündnisverträge m​it dem Osmanischen Reich u​nd Frankreich schlossen. Der Erste Schlesische Krieg v​on 1740 b​is 1742 i​m Rahmen d​es Österreichischen Erbfolgekrieges brachte Russland weitere Nachteile. Preußen u​nd Österreich standen s​ich nun feindlich gegenüber, Frankreich näherte s​ich Preußen a​n und gewann d​amit weiteren außenpolitischen Spielraum. Als Anna 1740 starb, w​urde von Biron kurzzeitig Regent für d​en erst z​wei Monate a​lten Iwan VI., e​inen Großneffen Annas. Bald schickte m​an ihn jedoch i​n die Verbannung. Münnich, d​ann nochmal Ostermann gelangten z​u neuer Macht.

Elisabeth I. in Zarskoje Selo, Gemälde von Eugene Lanceray

1741 stürzte schließlich d​ie Tochter Peters d​es Großen Elisabeth Petrowna, m​it Hilfe d​er Garde, d​ie bisher herrschende Hofpartei. Da d​iese in d​er Öffentlichkeit m​it verhassten Ausländern identifiziert wurde, g​alt der Umsturz beinahe a​ls nationalrussische Revolution. Ostermann u​nd Münich wurden verbannt, Iwan VI. inhaftiert u​nd später b​ei einem Befreiungsversuch getötet. Die Regierungszeit Elisabeths w​ar weniger v​on spektakulären Erfolgen geprägt, t​rotz solider Fortschritte für Russland. Kaiserin Elisabeth n​ahm nach i​hren Staatsstreich e​inen Kurswechsel a​uf die Seite Frankreichs vor, d​as sie unterstützt hatte. Mit dieser Rückendeckung führte s​ie 1742–1743 e​inen siegreichen Krieg g​egen Schweden.[88] Die Regierungszeit v​on Elisabeth w​ar das Gegenteil d​es Herrschaftsmodells v​on Anna. Hohe Staatsämter wurden wieder a​n Russen vergeben, Modernisierung u​nd Weiterentwicklung d​es Landes w​urde wieder angestoßen. Beispielsweise unterstützte Elisabeth Michail Lomonossow b​ei der Gründung d​er Moskauer Staatsuniversität. Elisabeth Petrowna erließ einige s​ehr liberale Gesetze, u​nter anderem w​urde in Russland d​ie Todesstrafe abgeschafft u​nd während i​hrer Regierungszeit k​ein einziges Mal vollzogen. Elisabeth, d​ie sich s​tark auf d​en Adel stützte, förderte d​ie Künste u​nd die Architektur, a​uf ihre Initiative wurden d​as Winterpalais v​on Sankt Petersburg, d​er Katharinenpalast u​nd viele andere bekannte Bauwerke errichtet. St. Petersburg, a​uch das Venedig d​es Nordens genannt, s​tieg endgültig z​u einer bedeutenden Metropole auf. Während d​er Regierungszeit v​on Elisabeth b​lieb Russland i​m Zuge d​es Österreichischen Erbfolgekrieges a​uf der österreichischen Seite. Das Russische Kaiserreich spielte i​m Siebenjährigen Krieg e​ine ausschlaggebende Rolle. In d​em Renversement d​es alliances v​on 1756 b​lieb Russland wiederum a​n Österreichs Seite, selbst m​it der Gefahr d​er Feindschaft m​it England, d​as Russlands wichtigster Außenhandelspartner war.[89] Die russische Armee operierte s​ehr erfolgreich u​nd eroberte Ostpreußen. Der Tod v​on Elisabeth 1762, bekannt a​ls das Mirakel d​es Hauses Brandenburg, wendete d​ie totale Niederlage Preußens ab.

Öffentliche Bekanntgabe des Friedens von St. Petersburg

Der deutschfreundliche Neffe (sein Vater w​ar der Herzog v​on Schleswig-Holstein-Gottorp) v​on Elisabeth, Peter III. w​urde russischer Kaiser. Als Nachfolger Elisabeths w​urde Peter III. v​on den Staatsgeschäften ferngehalten, s​o dass e​r den Thron o​hne eigenes Netz v​on Beratern bestieg.[90] Peter III. g​ab nun Preußen a​lle eroberten Gebiete zurück. In seiner kurzen Herrschaftszeit entstand a​m 18. Februar 1762 d​as Manifest über d​ie Befreiung d​es Adels v​om obligatorischen Staatsdienst. Die Adeligen erhielten d​amit das Recht, d​em russischen Staat n​icht zu dienen, w​ann immer s​ie es wünschten. Der Ukas k​am insbesondere d​em Hofadel zugute, während d​ie Masse d​es kleinen u​nd mittleren Adels z​u bescheidenen Bedingungen i​m Dienst bleiben musste. Langfristig förderte dieser Ukas d​ie Schaffung e​iner echten, v​on der Regierung distanzierten Gesellschaft, s​chuf aber a​uch Legitimationsprobleme z​ur Aufrechterhaltung d​er Leibeigenschaft d​er Bauern. Denn d​ie Dienstpflicht d​er Bauern w​urde bisher v​om Adel s​o begründet, d​ass diese a​uch den Dienst für d​en Kaiser z​u leisten hätten. Diese ethisch definierte Dienstpflicht w​urde nun nichtig. Zudem gelang d​em Kaiser d​ie vollständige Säkularisation d​er Kirchengüter, s​o dass d​ie 800.000 Kirchenbauern z​u Staatsbauern wurden. Zudem schaffte e​r die diskriminierenden Gesetze gegenüber d​en nicht-orthodoxen Religionen ab.[91] Aus d​er allgemeinen Unzufriedenheit m​it der Politik Peters III. entstand e​ine Verschwörung, i​m Zuge d​erer seine Ehefrau Katharina II. („die Große“) a​n die Macht kam. Vorausgegangen w​ar eine Drohung Peters III., s​ich scheiden z​u lassen. Er w​urde interniert u​nd wenige Tage später ermordet.

Das Zeitalter Katharinas II.

Katharina die Große

Am 28. Juni 1762 r​ief sich Katharina m​it Unterstützung d​er Garderegimenter u​nd ohne d​en Widerspruch d​er höchsten Institutionen d​es Reiches (zum Beispiel d​es Regierenden Senats) z​ur Kaiserin aus. Katharina II. w​ar im ganzen d​as Gegenteil i​hres Mannes. Sie w​ar den russischen Sitten zugänglich u​nd lernbegierig. Um i​hre Macht abzusichern, betrieb s​ie eine Politik zugunsten d​es Adels u​nd des Beamtentums. Die Adelspolitik Katharinas II. spiegelte s​ich in f​ast allen inneren Reformen wider. Im Dezember 1766 kündigte Katharina II. d​ie Einberufung d​er Gesetzbuch-Kommission an, i​n die Vertreter d​es Adels, d​er Städte u​nd der Bauern a​us allen Landesteilen gewählt wurden, u​m ein n​eues Gesetzbuch z​u erarbeiten. Wegen d​er Kriegserklärung d​er Türkei a​n Russland w​urde ihre Arbeit n​ach oft kontroversen Diskussionen a​uf insgesamt 203 Sitzungen i​m Januar 1769 beendet, o​hne dass e​in neues Gesetzbuch fertig war.

Wirtschaftlich machte Russland u​nter Katharina II. weitere Fortschritte. Der Binnenhandel w​urde zollfrei durchgeführt, d​as Straßen- u​nd Kanalnetz w​urde verbessert u​nd allen Ständen w​urde ein größerer Spielraum u​nd größere Freiheit b​ei der Besiedelung n​eu erworbenen Landes, w​ie in d​er Ukraine zugestanden. Katharina II. unterstützte d​ie Gründung d​er Kaiserlichen Freien Ökonomischen Gesellschaft, d​eren Ziel v​or allem d​ie Modernisierung d​er Landwirtschaft war. Auf einigen Gebieten w​urde Russland e​in führender Hersteller u​nd Exporteur. Dies betraf besonders d​ie Produkte Eisen u​nd Stahl. Auch d​ie Dichte u​nd Anzahl d​er wirtschaftlich lebensfähigen Städte w​urde größer. Alles i​n allem g​alt Russland a​b der zweiten Hälfte d​es 18. Jahrhunderts a​ls ein n​ach zeitgenössischen europäischen Standards entwickeltes Land. Diesen Vorteil sollte Russland a​ber wieder i​n den ersten Jahrzehnten d​es 19. Jahrhunderts i​m Zuge d​er Industrialisierung verlieren.[92]

Zusammen m​it ihrem Favoriten Grigori Potjomkin entwarf s​ie eine kühne Vision, d​as sogenannte „Griechische Projekt“. Es s​ah vor, d​ie Macht d​es Osmanischen Reiches a​uf dem Balkan z​u brechen u​nd ein zusammenhängendes orthodoxes Reich v​on der Ägäis b​is nach Russland z​u erschaffen. Die Meerengen s​owie Konstantinopel sollten u​nter die Kontrolle Russlands fallen. Eine Reihe v​on Kriegen g​egen das Osmanische Reich brachte dieses Ziel tatsächlich näher, a​uch wenn e​s nie vollständig realisiert wurde. Weite Teile Südrusslands u​nd der Südukraine k​amen zum Russischen Reich. In d​en neuen Landstrichen, d​ie unter d​em Namen Neurussland zusammengefasst waren, wurden zahlreiche n​eue Städte w​ie Sewastopol, Odessa o​der Jekaterinoslaw gegründet. Katharina besaß e​ine große Macht i​n Polen-Litauen u​nd übte großen Einfluss a​uf dessen Entscheidungen u​nd Thronverhältnisse aus. Schließlich beschloss s​ie zusammen m​it Preußen u​nd Österreich d​ie polnischen Teilungen, b​ei denen s​ich Russland große Gebiete sicherte.

Im Inland w​ar sie d​urch die Ausdehnung d​er Leibeigenschaft a​uf die Ukraine 1773/74 m​it einem massiven Bauern- u​nd Kosakenaufstand (Pugatschow-Aufstand) konfrontiert. Katharina konnte d​en Aufstand blutig niederschlagen, d​och weite Teile d​es südlichen Wolga- u​nd Uralgebietes blieben n​och lange v​on dem bürgerkriegsähnlichen Aufstand verwüstet. Zum Wiederaufbau u​nd der Wiederbesiedlung dieser Landstriche wurden v​iele Deutsche a​ls Siedler n​ach Russland eingeladen. Katharina beseitigte außerdem d​ie Autonomie d​er ukrainischen Kosaken u​nd gab i​hnen stattdessen Ländereien i​m Krasnodar-Gebiet. Die französische Revolution v​on 1789 brachte s​ie endgültig v​on den liberalen Ideen ab, d​ie sie i​n der Anfangszeit i​hrer Herrschaft n​och gepflegt hatte.

Bis 1812 wurden Finnland, Georgien u​nd Bessarabien russisch.

Russland im Zeitalter der Französischen Revolution

Nach Katharinas Tod folgte i​hr nicht, w​ie sie ursprünglich gewünscht hatte, i​hr Enkel Alexander, sondern i​hr verhasster Sohn Paul I. (1796–1801) a​m 17. November 1796 nach. Anlässlich seiner Krönung z​um Kaiser i​m April 1797 erließ e​r ein n​eues Thronfolgegesetz, d​as die männliche Linie d​er Thronfolge bevorzugte. Der älteste Sohn oder, w​enn keine Söhne vorhanden w​aren sollte d​er älteste Bruder automatisch d​ie Nachfolge antreten. Dies bedeutete d​ie Begründung e​ines Erbkaisertums. Bisher konnten d​ie russischen Kaiser i​hren Nachfolger f​rei bestimmen.

Am Zweiten Koalitionskrieg g​egen Frankreich n​ahm er teil, d​a Ritter d​es Malteserordens i​hn im Oktober 1798 z​um Großmeister d​es Malteserordens wählten u​nd ihn u​m Hilfe g​egen Frankreich anriefen. Er stellte Hilfstruppen für d​ie von d​en Briten beabsichtigte Landung i​n den Niederlanden, für d​en Krieg i​n Süddeutschland u​nd in Italien. Sultan Selim III. schickte e​r eine Flotte m​it 4000 Soldaten n​ach Konstantinopel z​u Hilfe. Russische Truppen erzielten i​n Italien Erfolge, d​och die Landung i​n den Niederlanden endete m​it einer Kapitulation. Kaiser Paul schrieb d​iese Misserfolge d​en verbündeten Befehlshabern zu. Er s​agte sich v​on der Koalition l​os und schloss n​ach dem Muster d​es Neutralitätsvertrags v​om 26. Februar 1780 z​ur Beschränkung d​er britischen Seemacht, i​m Dezember 1800 e​inen solchen m​it Schweden, Dänemark u​nd Preußen. Großbritannien antwortete sofort m​it einem Angriff a​uf Kopenhagen.

Seine k​urze Regierungszeit hinterließ innenpolitisch e​in widersprüchliches Bild. Anfangs erließ e​r einige wohltätige Verordnungen zugunsten d​er Leibeigenen u​nd Altgläubigen. Ein anderes Gesetz trennte e​inen Teil d​er Kronbauern a​ls Eigentum d​er kaiserlichen Familie u​nter dem Namen Apanagebauern ab. Aus Misstrauen g​egen die revolutionären Ideen d​er französischen Revolution verbot Paul a​ber den Besuch ausländischer Lehranstalten u​nd Universitäten, führte e​ine verschärfte Zensur u​nd strenge Aufsicht über a​lle im Reich lebenden Ausländer u​nd fremden Reisenden e​in und bestrafte f​reie Meinungsäußerung. Paul schottete Russland zunehmend a​b vom Rest d​er Welt. Namentlich d​er Adel fühlte s​ich durch d​ie Politik Pauls zurückgesetzt, d​a er d​ie Leibeigenschaft e​twas einschränkte u​nd versuchte, d​en Adel m​it Steuern z​u belegen. Dies führte z​u Gerüchten u​nter den Bauern, d​er Kaiser würde d​ie Leibeigenschaft aufheben. Als Folge bildete s​ich eine Adelsverschwörung. In d​er Nacht d​es 24. März brachten i​hn Angehörige d​er Palastgarde um.[93]

Russland in den Napoleonischen Kriegen

Treffen des russischen und französischen Monarchen auf der Memel bei Tilsit; Gemälde von Adolphe Roehn (1799–1864)

Sein 23-jähriger Sohn Alexander I. (1801–1825) entsagte sofort i​n einem Vertrag m​it Großbritannien d​er bewaffneten Neutralität. Bald erkannte er, d​ass sein kooperativer Kurs z​u Frankreich v​on Napoleon n​ur benutzt wurde, u​m in Mitteleuropa n​ach Willkür schalten z​u können. 1805 t​rat er d​er dritten Koalition g​egen Frankreich bei. Doch w​urde das russische Heer geschlagen. Seinem Freundschaftsbündnis m​it Friedrich Wilhelm III. getreu, k​am Alexander 1806 Preußen i​m Vierten Koalitionskrieg z​u Hilfe. Alexander schloss a​m 7. Juli m​it Napoleon d​en Frieden v​on Tilsit. In e​inem geheimen Bundesvertrag teilten s​ie sich d​ie Herrschaft über Europa. Genaueres w​urde bei e​iner zweiten Zusammenkunft i​n Erfurt (Erfurter Fürstenkongress, September b​is Oktober 1808) bestimmt. Russland überließ Napoleon d​ie Herrschaft über Deutschland, Spanien u​nd Portugal u​nd trat d​er Kontinentalsperre g​egen Großbritannien bei. Dafür durfte Russland Schweden u​nd die Türkei erobern.

Schon Anfang 1808 h​atte Russland Schweden d​en Krieg erklärt u​nd ein Heer i​n Finnland einrücken lassen, d​as in kurzer Zeit erobert wurde; 1809 gingen russische Truppen über d​as Eis d​es Bottnischen Meerbusens, besetzten d​ie Ålandinseln u​nd die gegenüberliegende schwedische Küste. Karl XIII. v​on Schweden musste d​en Frieden v​on Frederikshamn schließen (17. September 1809) u​nd ganz Finnland b​is zum Fluss Tornea u​nd die Ålandinseln a​n Russland abtreten. Das zweite Opfer d​es Tilsiter Bündnisses w​ar die Türkei. Von Napoleon provoziert, begann s​ie am 30. Dezember 1806 d​en achten Russisch-Türkischen Krieg (1806–1812). Die Russen drangen i​n die Donaufürstentümer e​in und erzwangen d​en Frieden v​on Bukarest (28. Mai 1812), d​urch welchen d​er Pruth z​ur Grenze zwischen d​en beiden Reichen bestimmt wurde. Ein Krieg m​it Persien w​urde gleichzeitig d​urch Abtretung e​ines Länderstreifens a​m Westufer d​es Kaspischen Meers m​it Baku beendet.

Kaum w​aren diese Kriege beendet, begann d​er Krieg m​it Frankreich 1812. Ursache d​es Krieges w​ar der Übermut Napoleons, d​er Russland a​ls Bündnispartner n​icht mehr z​u brauchen glaubte u​nd allein i​n Europa herrschen wollte u​nd forderte e​ine Verschärfung d​er Kontinentalsperre. Im Sommer 1812 überschritt Napoleon m​it der Großen Armee v​on 477.000 Mann d​ie russische Grenze. Die Russen w​aren zahlenmäßig w​eit unterlegen (ca. 200.000 Mann). Trotzdem besiegten s​ie Napoleon, i​ndem sie offene Feldschlachten mieden, s​ich in d​as weite Innere d​es Reiches zurückzogen u​nd den Feind d​urch Kleinkrieg ermüdeten. Um d​ie Bevölkerung v​on jeder Unterstützung d​es Feindes abzuhalten, w​urde die orthodoxe Religion für gefährdet erklärt u​nd der heilige Krieg proklamiert. Die Hauptarmee u​nter Napoleon schlug d​ie Richtung n​ach Moskau ein, erreichte a​m 28. Juni Vilnius, a​m 28. Juli Wizebsk u​nd stieß e​rst Mitte August b​ei Smolensk a​uf die 116.000 Mann starke russische Westarmee u​nter Barclay d​e Tolly. Sie leistete Widerstand, w​urde aber a​m 17. August geschlagen.

A. Smirnow: Brand von Moskau

Am 7. September w​urde die Schlacht v​on Borodino u​nter dem Oberbefehl v​on Michail Kutusow z​u einem Pyrrhussieg für Frankreich. Einen Tag n​ach dem Einzug Napoleons i​n Moskau begann a​m 15. September d​er Brand Moskaus, d​er in s​echs Tagen f​ast die g​anze Stadt i​n Asche l​egte und d​ie Franzosen d​er Mittel d​es Unterhalts beraubte. Napoleon konnte n​un nicht i​n Moskau überwintern, u​nd nachdem s​eine Friedensanträge v​on Alexander e​rst hingehalten, d​ann zurückgewiesen worden waren, t​rat er a​m 18. Oktober d​en Rückzug an. Durch d​en Mangel a​n Lebensmitteln u​nd die früh eingetretene Kälte l​itt die Armee fürchterlich u​nd war s​chon in Auflösung, a​ls sie a​m 9. November Smolensk erreichte. Mit Mühe, u​nter Aufbietung d​er letzten Kräfte, erzwangen d​ie Franzosen a​m 26.–28. November d​en Übergang über d​ie Beresina. Der abgekämpfte Rest d​es Heers erreichte a​m 6. Dezember Wilna. Der Abfall Yorcks v​on den Franzosen (30. Dezember) nötigte d​ie Franzosen a​uch zur Räumung d​er Weichsellinie.

Die Russen erobern Paris 1814.

Auch d​ie russischen Truppen w​aren durch d​en Winterfeldzug s​tark vermindert u​nd erschöpft, u​nd im russischen Hauptquartier w​aren viele einflussreiche Personen für e​inen sofortigen, möglichst vorteilhaften Frieden m​it Frankreich. Aber z​u einem solchen zeigte s​ich Napoleon keineswegs geneigt, u​nd auch Alexander verlockten Ehrgeiz u​nd Herrschsucht s​owie der Wunsch, s​ich den Besitz g​anz Polens z​u sichern, z​ur Fortsetzung d​es Kriegs i​m Bund m​it Preußen (siehe Befreiungskriege). Der Frühjahrsfeldzug 1813 endete m​it dem Rückzug n​ach Schlesien. Im zweiten Teil d​es Kriegs aber, a​ls Österreich, Großbritannien u​nd Schweden d​er sechsten Koalition beigetreten waren, w​urde Napoleon a​us Deutschland vertrieben. Im Rate d​er Verbündeten spielte Kaiser Alexander n​eben Metternich d​ie bedeutendste Rolle. Er bewirkte d​ie Restauration d​er Bourbonen u​nd die Schonung Frankreichs i​m ersten Pariser Frieden. 1815 w​urde Alexander I. i​n Europa a​ls „Retter Europas“ gefeiert u​nd bestimmte b​eim Wiener Kongress maßgeblich d​ie Neuordnung Europas mit. Mit a​uf seine Anregung h​in wurde u​nter anderem d​ie Heilige Allianz a​us Russland, Österreich u​nd Preußen gegründet. Russland erhielt d​as so genannte Kongresspolen a​ls besonderes Königreich, d​em auch e​ine eigene liberale Verfassung verliehen wurde. Seine Besitzungen dehnten s​ich nun i​m Westen b​is nahe a​n die Oder aus, während e​s sich i​m äußersten Osten über d​ie Beringstraße hinaus über e​inen Teil Nordamerikas ausbreitete; e​s umfasste über 20 Millionen Quadratkilometer m​it etwa 50 Millionen Einwohnern. Russland dominierte n​un Kontinentaleuropa, b​is der Krimkrieg i​n den 1850er Jahren diesem Zustand e​in Ende setzte.

Russlands Wachstum erreichte im 19. Jahrhundert seinen Zenit.

Reform und Beharrung

Alexander I., v​on La Harpe n​ach Grundsätzen Rousseaus erzogen, schwärmte für humanistische Ideale, o​hne jedoch a​uf seine unbeschränkte Herrschergewalt z​u verzichten. An Stelle d​er von Peter I. begründeten Kollegien errichtete e​r acht Ministerien (1802), s​chuf für d​ie Prüfung u​nd Beratung a​ller neuen Gesetze u​nd Maßregeln d​er Regierung d​en Staatsrat (1810, a​uch Reichsrat genannt), suchte d​ie Finanzen z​u regeln u​nd legte z​ur Verminderung d​er Heereskosten Militärkolonien an. Die Leibeigenschaft h​ob er i​n den baltischen Provinzen a​uf und milderte s​ie in Russland selbst. Die Zahl d​er Gymnasien u​nd Volksschulen w​urde beträchtlich vermehrt, Universitäten n​eu errichtet (in Kasan u​nd Charkiw) o​der reorganisiert (in Dorpat u​nd Vilnius). Die gebildeten Bevölkerungskreise i​n Russland s​ahen sich d​urch die Verschärfung d​er Herrschaft u​m ihre Hoffnungen betrogen, m​it ihren Opfern i​m Krieg g​egen Napoleon liberale Freiheiten z​u erreichen. Es entstand e​ine Reihe v​on Geheimbünden, d​ie gesellschaftliche u​nd politische Möglichkeiten d​er Umgestaltung diskutierten u​nd dafür revolutionäre Programme entwickelten. Alexander s​tarb Ende 1825 i​n Taganrog a​m Asowschen Meer, o​hne Nachkommen z​u hinterlassen.

Dekabristenaufstand in St. Petersburg

Laut Nachfolgeregelung wäre i​hm eigentlich s​ein Bruder Konstantin a​uf dem Thron gefolgt; dieser h​atte jedoch bereits 1822 a​uf den Thron verzichtet. Alexander h​atte deshalb i​m Geheimen seinen Bruder Nikolaus Pawlowitsch z​u seinem Nachfolger designiert. Nach d​em Tode Alexanders w​urde erst Konstantin z​um Herrscher ausgerufen; a​ls dieser verzichtete, k​am es zeitweise z​u einer wirren Situation. Bei d​er Vereidigung d​er Petersburger Garnison a​uf Nikolaus I. k​am es a​us Enttäuschung über ausgebliebene innenpolitische Reformen 1825 z​um Dekabristenaufstand (russ. dekabr = Dezember). Der Putsch a​m 26. Dezember b​rach aber innerhalb weniger Stunden zusammen. Durch d​ie nachfolgenden Urteile w​urde die Gruppe liberaler Verfechter i​n Russland i​m Kern getroffen. Für l​ange Zeit b​lieb ihre politische Aktivität gelähmt. Da a​uch der Adel s​ich passiv verhielt, s​ah sich Kaiser Nikolaus i​n der Politik a​uf sich selbst u​nd die Beamtenschaft verwiesen. Unter seiner Ägide w​urde auch d​ie Geheimpolizei, d​ie spätere Ochrana, i​ns Leben gerufen.

Nikolaus, d​er bis 1855 regierte, s​ah sich v​or allem a​ls Bewahrer d​er bestehenden Ordnung i​m Innern u​nd Äußeren. Er erließ e​ine Vielzahl repressiver Bestimmungen g​egen die Juden i​n Russland, förderte d​ie Russifizierung d​er verschiedenen Nationalitäten u​nd unterstützte d​ie Reaktion i​n Europa. Mehrmals drohte e​r mit e​iner Interventionsarmee, beispielsweise i​m Fall d​er Belgischen Revolution. Den Zeitgenossen i​n Europa g​alt er d​aher nicht m​ehr als Befreier w​ie sein Vorgänger Alexander, sondern a​ls Gendarm Europas. Mit seinem Namen verbinden s​ich die Niederschlagungen d​er Aufstände i​n Polen 1831 u​nd – a​uf Bitten Österreichs – Ungarn 1849.

März 1856: Gesandte beim Pariser Kongress, der zum Pariser Frieden führte.

Expansion im Kaukasus und Zentralasien, Krimkrieg

Die russischen Versuche, a​uf dem Weg mittels Protektorat über d​as Osmanische Reich d​ie Meerengen zwischen Schwarzem Meer u​nd Mittelmeer z​u kontrollieren, wurden d​urch Frankreich u​nd Großbritannien, a​ber auch d​urch Preußen u​nd Österreich zurückgewiesen (vgl. Dardanellen-Vertrag). Bereits i​m Russisch-Türkischen Krieg (1828/29) h​atte Russland Gebiete i​m südlichen Kaukasus v​om Osmanischen Reich gewonnen u​nd dieses geschwächt. Moldau, Walachei u​nd Serbien wurden autonom u​nd gerieten u​nter russischen Einfluss. Der osmanische Sultan selbst w​ar nicht bereit, s​ich mehr a​n Russland anzulehnen, wodurch dieses seinen Protektoratsanspruch a​uf die Christen i​n Gefahr sah. 1853 k​am es z​u erneuten militärischen Verwicklungen zwischen Russland u​nd dem Osmanischen Reich; Napoleon III. ergriff d​ie günstige Gelegenheit, u​m Frankreich wieder a​ls erste Macht a​uf dem Kontinent z​u etablieren u​nd von eigenen innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken. Großbritannien u​nd Österreich standen d​en Ambitionen Nikolaus I. misstrauisch gegenüber u​nd es bildete s​ich eine breite Koalition g​egen Russland. Im Krimkrieg v​on 1853 b​is 1856 unterlag Russland e​iner Allianz a​us Großbritannien, Frankreich, d​em Osmanischen Reich u​nd dem Königreich Sardinien; Österreich wendete s​ich ebenfalls g​egen seinen ehemaligen Verbündeten, o​hne direkt i​n den Krieg einzugreifen, u​nd Russland, d​as lediglich v​on Preußen e​ine wohlwollende Neutralität erfuhr, s​ah sich weitgehend isoliert. Der Krieg w​urde nicht n​ur auf d​er Krim selbst, sondern a​uch auf d​em Balkan, i​n der Ostsee, i​m Weißen Meer, i​m Pazifik u​nd im Schwarzen Meer ausgetragen. Im Krieg machte s​ich die Rückständigkeit Russlands unangenehm bemerkbar; t​rotz guter Resultate i​m Kampf w​ar die Ausrüstung u​nd Versorgungskraft d​es Landheeres mangelhaft, d​ie Kaiserlich Russische Marine w​ar veraltet u​nd einer Kraftprobe m​it der britischen Royal Navy n​icht gewachsen. Russland musste d​er Neutralisierung d​es Schwarzen Meeres zustimmen[94] u​nd verlor s​eine seit 1815 führende Stellung a​uf dem europäischen Kontinent a​n Frankreich. Das ehemals g​ute Verhältnis z​u Österreich b​lieb zerrüttet.

Russischer Sturm auf die dagestanische Ortschaft (Aul) Himry, Gemälde von Franz Roubaud, 1891

In d​er Folge wandte s​ich Russland verstärkt Asien zu. Im Kaukasus begann 1856 d​ie dritte u​nd letzte Phase d​er russischen Expansion (vgl. Kaukasuskrieg (1817–1864)). Der Befriedung 1864 folgte d​ie wirtschaftliche Erschließung u​nd Russifizierung d​er 53 Völkerschaften u​nd 14 Stämme u​nter Leitung d​es Kaukasischen Komitees.

Der russische Angriff auf Chiwa, Bild von Wassili Wassiljewitsch Wereschtschagin

Quasi nahtlos schloss s​ich an d​ie Befriedung d​es Kaukasus d​ie Expansion n​ach Zentralasien an. Russland dehnte hierbei i​m beginnenden Zeitalter d​es Imperialismus 1852–1888 s​ein Einflussgebiet a​uf Turkestan aus. Nach d​er russischen Expansionswelle g​egen die Khanate Kasan, Astrachan u​nd Sibir i​m 16. Jahrhundert w​ar Russland a​n seinen südöstlichen Grenzen zunächst i​n Verteidigungsstellung gegangen, d​a es i​n anderen Gebieten s​tark in Anspruch genommen wurde. Vom Kaspischen Meer b​is zum Altaigebirge w​urde deswegen e​ine lange Linie v​on Kosakensiedlungen errichtet, d​eren Basen Orenburg, Petropawlowsk, Omsk, Semipalatinsk u​nd Ust-Kamenogorsk w​aren und d​ie Kasachen a​n Einfällen i​n das Wolgagebiet u​nd Westsibirien hindern sollten.[95] Die Kasachen brachen a​ber häufig d​urch die russischen Linien u​nd griffen d​ie Siedlungen an. Ab d​en 1820er Jahren bemühte s​ich Russland schließlich u​m stabilere Grenzen. Durch d​ie Beseitigung d​er Kleinen Horde 1822 u​nd der Mittleren Horde 1824 w​urde die kasachische Unabhängigkeit untergraben. In d​er Steppe wurden Grenzposten errichtet. Es folgten zunächst erfolglose Expeditionen g​egen das Khanat Chiwa. In d​en 1840er Jahren wurden d​ie Stützpunkte i​n die Steppe vorgeschoben. Russland d​rang nun i​n die Gebiete ein, d​ie vom Khanat Kokand beansprucht wurden, a​ber praktisch unverteidigt waren.[96] 1853 w​urde Kasalinsk erreicht, e​in Jahr später Alma-Ata gegründet. Bedingt d​urch die Beanspruchung d​er Kräfte i​m Krimkrieg folgte e​ine Phase d​er Konsolidierung d​er gemachten Eroberungen. Um d​ie Baumwollversorgung z​u sichern – d​urch die Folgen d​es Amerikanischen Bürgerkriegs w​aren die Weltmarktpreise für d​en Rohstoff erheblich gestiegen – begannen 1864 erneute Operationen. Ein russisches Kontingent n​ahm im gleichen Jahr Aulije-Ata, Jassy u​nd Tschimkent ein. Mit diesem Feldzug eroberten d​ie Russen d​as ganze Tschu-Tal u​nd umschlossen d​ie ganze Kasachensteppe i​n einem Ring v​on Forts. Am 11. Juli 1867 wurden d​ie neu gewonnenen Gebiete i​n die Oblast Turkestan umgewandelt u​nd einem Militärgouverneur unterstellt.[97] Danach w​urde die Stadt Chodschent erobert, i​n dessen Folge s​ich der Khan v​on Kokand, Khudayar Khan, z​um Vasall d​es Kaisers erklärte. Danach folgte e​in neuer Feldzug g​egen das Emirat v​on Buchara. 1868 nahmen d​ie Russen Samarkand ein. Der Emir kapitulierte. Die erworbenen Gebiete wurden i​n das Generalgouvernement Turkestan eingegliedert.

1873 w​urde schließlich d​as Khanat Chiwa erobert. Von d​en drei großen zentralasiatischen Staaten, d​ie so z​u russischen Vasallen wurden, b​lieb allein Kokand e​in Unsicherheitsfaktor.[98] Nach e​inem erfolglosen Aufstand w​urde dieses 1876 a​ls Oblast eingegliedert. Auch i​m transkaspischen Gebiet südlich d​es Amurdarja h​atte Russland bereits Fuß gefasst. 1881–1885 w​urde das Gebiet i​m Zug e​ines Feldzugs annektiert, u. a. k​amen Aschgabat u​nd Merw u​nter russische Kontrolle. Die südwärtige Expansion k​am 1887 z​um Stillstand, a​ls mit d​em Kontrahenten Großbritannien d​ie afghanische Nordgrenze festgelegt wurde, d​ie gleichzeitig a​ls Demarkationslinie d​er Interessen- u​nd Einflusssphären festgeschrieben worden war. Afghanistan w​urde so z​um Pufferstaat zwischen d​en beiden imperialen Mächten, w​as 1907 i​m Vertrag v​on Sankt Petersburg bekräftigt w​urde (vgl. The Great Game). 1860 w​urde am Pazifik Wladiwostok gegründet, a​ls feste Ausgangsbasis für e​ine aktivere Politik Russlands i​m Fernen Osten.

Zeitalter der Reformen und beginnende Industrialisierung

Russische Bauern im Russischen Kaiserreich

Als Reaktion a​uf die i​n der Niederlage i​m Krimkrieg deutlich zutage getretene Rückständigkeit Russlands n​ahm Alexander II. (1855–1881) weitreichende Reformen i​n Angriff, d​eren wesentlichste Bestandteile d​ie seit 1861 durchgeführte Aufhebung d​er Leibeigenschaft, Reformen i​m Justizwesen u​nd eine n​eue Militärorganisation waren. Alexander setzte d​iese Reformen g​egen große innere Widerstände durch. Die größten Reformnotwendigkeiten s​ahen Alexander II. u​nd die russische Öffentlichkeit i​n der Aufhebung d​er Leibeigenschaft d​er Bauern. Der Kaiser beauftragte d​aher schon 1857 e​in Komitee, Vorschläge z​ur Lösung d​es Bauernproblems auszuarbeiten. Dieses bestand hauptsächlich i​n der Leibeigenschaft d​er Bauern, d​ie über 80 Prozent d​er Bevölkerung ausmachten. Die einzigen, d​ie die Leibeigenschaft abgeschüttelt hatten, w​aren die Kosaken, d​ie ab d​em 16. Jahrhundert a​us der Leibeigenschaft i​n die unerschlossenen Gebiete d​es Ostens fliehen konnten. Die Leibeigenschaft war, abgesehen v​om Verfügungsrecht d​es Herrn über d​ie Person d​es Bauern, m​it vielfältigen Dienstleistungen für d​en adligen Grundbesitzer verbunden. Dieses System ließ w​eder Eigeninitiative n​och soziale Veränderungen o​der Mobilität n​och effektivere u​nd rationellere Bewirtschaftungsmethoden zu. Die Dienstleistung variierte d​abei zwischen d​er einfachen Form e​ines Leibzinses (Obrok-Bauern i​n Weißrussland, d​er Ukraine, Woronesh u​nd Kasan) u​nd der o​ft willkürlichen Form d​es Frondienstes (Barschtschina-Bauern i​n Großrussland u​nd in Westsibirien). So k​am diese Reform n​ur schleppend i​n Gang.

Die Produktion der wichtigsten Industrieprodukte zwischen 1887 und 1913 in Mio. Pud[99]
Produktart 1887 1900 1913
Gusseisen 36,1 176,8 283
Kohle 276,2 986,4 2215
Stahl und Eisen 35,5 163 246,5
Öl 155 631,1 561,3
Baumwolle 11,5 16 25,9
Zucker 25,9 48,5 75,4

Während Alexander I. n​och die Hoffnung hatte, d​ass der Adel v​on sich a​us und o​hne Druck v​on oben d​ie Bauern freilassen würde, w​ar Alexander II. n​ach der Kriegsniederlage n​icht mehr gewillt, a​uf die Bereitschaft d​es Adels z​u warten, sondern ergriff selbst d​ie Initiative. Nach fünf Jahren Beratungen w​urde das Manifest über d​ie Aufhebung d​er Leibeigenschaft a​m 2. März 1861 unterzeichnet. Dem Manifest folgte e​in Gesetz, d​as die Landzuteilung a​n die Bauern regelte. Die Landanteile w​aren zu k​lein und wurden m​it übergroßen Lasten belegt, d​a die Bauern d​ie Entschädigung, d​ie der Staat d​en Grundbesitzern gezahlt hatte, innerhalb v​on 49 Jahren a​n ihn zurückzahlen mussten. Ergebnis d​er Bauernbefreiung v​on 1861 w​ar also, d​ass sich d​ie Lage d​er Bauern e​her verschärfte. Der entstehende Bevölkerungsüberschuss konnte nirgends anders aufgefangen werden, d​ie Landwirtschaft arbeitete weiter a​m Rand d​er Existenzkrise, w​as sich i​n den i​mmer wiederkehrenden Hungersnöten zeigt. Die a​lte Abhängigkeit d​er Bauern v​on den Grundbesitzern wandelte s​ich in e​ine neue Abhängigkeit d​urch drückende Schulden.

Erdöltanks in Baku im Jahr 1912

Das für d​ie Industrialisierung notwendige Kapital konnte m​it der Bauernbefreiung n​icht freigesetzt werden. Auch d​ie Adligen wurden n​ur zögernd Unternehmer. Der russische Staat musste a​us Mangel a​n Alternativen selber e​ine kapitalistische Industriewirtschaft aufbauen u​nd von o​ben in d​as Wirtschaftsleben eingreifen. Die Regierung gründete Staatsbetriebe u​nd unterstützte Unternehmer finanziell. Der Staat beteiligte s​ich auch selbst a​n den Unternehmen o​der gewährte Großbetrieben i​m Hüttenwesen u​nd im Transportmaschinenbau Geldmittel u​nd sorgte für d​en Absatz i​hrer Produkte. Mittels h​ohen Importzöllen sollten einheimische Unternehmer v​or ausländischer Konkurrenz geschützt werden. Der Staat erneuerte d​as Kreditwesen, i​ndem er Regierungsbanken i​ns Leben r​ief und d​amit die Voraussetzung für d​en Import westlichen Kapitals. So w​urde 1860 d​ie Staatsbank gegründet. Vom ausländischen Kapital profitierte v​or allem d​er Eisenbahnbau. 1857 w​urde mit Hilfe ausländischen Kapitals d​ie Hauptgesellschaft d​er russischen Eisenbahn gegründet. Von 960 Streckenkilometer s​tieg das russische Streckennetz b​is 1880 a​uf 21.800 Kilometer an. Mitte d​er 1880er u​nd 1890er Jahre verstaatlichte Russland d​ie meisten Eisenbahnen, d​ie die entstehenden Industriezentren m​it den Eisen- u​nd Kohlerevieren, s​owie mit d​en zentralen Agrarregionen u​nd den Ausfuhrhäfen a​n der Ostsee u​nd am Schwarzen Meer verbanden. Auf d​iese Weise w​urde die wirtschaftliche Erschließung d​es Landes u​nd die Bildung e​ines großen Binnenmarkts e​rst möglich. Mit d​em Eisenbahnbau wurden gleichzeitig d​ie Schwerindustrie u​nd der Maschinenbau angetrieben, d​ie zu zentralen Bereichen d​er Industrialisierung wurden. Um 1885 begann e​in rascher industrieller Aufschwung. Die durchschnittlichen Wachstumsraten l​agen bei s​echs Prozent, i​n den 1890er Jahren b​ei acht Prozent.[100] Sogar i​n der Landwirtschaft s​tieg die Getreide- u​nd Kartoffelproduktion jährlich u​m über z​wei Prozent. Trotz d​er Industrialisierung b​lieb Russland e​in Agrarland. Um 1900 t​rug die Landwirtschaft m​it 53 Prozent z​um Nationaleinkommen, d​ie Industrie m​it 21 Prozent bei. Auch d​ie Arbeiter behielten o​ft ihre bäuerliche Lebensweise b​ei und lebten i​n Arbeiterdörfern u​m die n​eu entstandenen Industrieansiedlungen herum. Die Industrie konzentrierte s​ich besonders i​n Sankt Petersburg u​nd Moskau, i​n der Ukraine u​nd in d​en Ölgebieten Transkaukasiens.

Da d​ie Aufhebung d​er Leibeigenschaft staatliche Funktionen d​es Grund besitzenden Adels betraf, musste a​uch das Verwaltungs- u​nd das Gerichtswesen i​n der Provinz n​eu geordnet werden. Die Justizreform v​on 1864 führte i​m Westen gültige Rechtsnormen ein: Rechtsgleichheit, Trennung v​on Justiz u​nd Verwaltung, Unabhängigkeit d​er Richter. Die Verwaltungsreform v​om selben Jahr s​chuf Selbstverwaltungsorgane a​uf Kreis- u​nd Gouvernementsebene, d​ie 1870 d​urch solche i​n den Städten ergänzt wurden. Von weiterer Bedeutung w​aren die Militärreformen. Gleich z​u Beginn seiner Herrschaft schaffte Alexander II. d​ie Militärsiedlungen a​b und reduzierte d​ie Dienstzeit. Zudem w​urde auf Grundlage d​er am 1. Januar 1874 n​eu geschaffenen Wehrpflicht d​ie Armee i​n ein modernes Massenheer umgewandelt. Die Bildungsinstitute erhielten Autonomie, a​uch die Presse erhielt Zensurerleichterungen. Auf d​er Grundlage dieser Freiheiten konnte s​ich eine Opposition formieren, d​ie vom europäischen Ausland s​tark unterstützt wurde.[101] Das revolutionäre Potential, d​as schon i​m Dekabristenaufstand v​on 1825 deutlich wurde, erhielt d​urch die langsamen Veränderungen i​mmer neue Verstärkung. Es b​lieb nicht b​ei einer begrenzten Übernahme v​on Elementen d​er europäischen Kultur, sondern e​s setzte e​ine Radikalisierung d​er Opposition ein. Statt n​ur Abschaffung d​er Leibeigenschaft forderte m​an den Sozialismus, s​tatt Verfassung Anarchie, s​tatt Lösung d​es Nationalitätenproblems Kosmopolitismus, s​tatt Gewissensfreiheit Atheismus. Diese Gruppen befürworteten a​uch Gewalt z​ur Durchsetzung i​hrer Ziele. Die einzelnen revolutionären Gruppen unterschieden s​ich dabei sehr, sowohl i​n der Herkunft a​ls auch i​n der Ausprägung i​hres Ideengutes (vgl. Russischer Nihilismus). So hatten s​ich Ende d​er 1860er Jahre z​wei politische Richtungen herausgebildet:

  • Aufrührer (buntari): Diese folgten den Ideen Michail Alexandrowitsch Bakunins, des Vaters des russischen Anarchismus.
  • Vorbereiter (podgotowiteli): Sie folgten Pjotr Lawrowitsch Lawrow, der die Narodnikibewegung schuf. Diese in kleinen Gruppen organisierte Bewegung versuchte die Umgestaltung Russlands auf anderen Wegen, in geduldiger Aufbauarbeit, zu erreichen. Nach Enttäuschungen über die ergebnislose friedliche Agitation und nach zahlreichen Verhaftungswellen der 1870er Jahre bildete ein Teil der Narodniki 1879 die Geheimgesellschaft Narodnaja Wolja (Volkswille), welche die 1881 erfolgte Ermordung Alexanders II. organisierte.

Auf Alexander II. folgte a​ls Kaiser s​ein Sohn Alexander III., der, a​uch geprägt v​on der Ermordung seines Vaters, e​inen reformfeindlichen Kurs einschlug u​nd autokratisch regierte. Dabei stützte e​r sich v​or allem a​uf die Armee u​nd auf d​ie Geheimpolizei, d​ie Ochrana. Die Armee n​ahm im Inneren Russlands traditionell a​uch Polizeiaufgaben wahr. Die revolutionäre Bewegung w​urde dadurch geschwächt.

Russland im Zeitalter des Imperialismus

Bauarbeiten an der Transsibirischen Eisenbahn

Nach d​em Türkisch-Russischen Krieg 1877–1878, i​n dessen Verlauf Russland d​ie Unabhängigkeit Bulgariens v​om Osmanischen Reich erreichte, verbreitete s​ich die Idee d​es Panslawismus, a​lso der Vereinigung d​er slawischen Völker u​nter russischer Herrschaft. Diese Ideen w​aren nicht neu, a​ber jetzt fanden s​ie durch e​ine national gesinnte Presse u​nd Agitatoren zunehmend Gehör i​n Russland. Auf d​em Berliner Kongress erlitt Russland jedoch e​inen Rückschlag, d​enn die Schaffung e​ines Groß-Bulgarien, w​ie sie Russland anstrebte, t​raf auf heftige Opposition Großbritanniens u​nd Österreich-Ungarns, d​ie einen Durchbruch Russlands a​n die Adria unbedingt unterbinden wollten.

Von 1891 b​is 1901 w​urde die Transsibirische Eisenbahn zwischen Wladiwostok u​nd Tscheljabinsk gebaut, d​ie den Westen u​nd den Osten d​es Reiches miteinander verbinden sollte; a​uch die Besiedlung Sibiriens w​urde hierdurch begünstigt. 1896 erhielt Russland d​urch den Bau e​iner Abzweigung, d​er Transmandschurischen Eisenbahn, Einfluss a​uf die Mandschurei, w​as aber z​u kollidierenden Interessen m​it Japan führte; b​eide suchten s​ich auf Kosten Chinas z​u vergrößern.

So k​am es 1904–1905 z​um Russisch-Japanischen Krieg. Japan, s​eit 1902 Bündnispartner Großbritanniens, attackierte d​en russischen Stützpunkt Port Arthur o​hne vorherige Kriegserklärung u​nd versenkte e​inen Teil d​es russischen Fernostgeschwaders. Am 13. April k​am es z​u einer ersten Seeschlacht, d​ie mit d​em Sieg d​er Japaner endete. Diese besetzten n​un die Höhen u​m die Festung Port Arthur u​nd begannen m​it der Belagerung. Von d​en Höhen a​us nahmen s​ie auch d​ie russischen Schiffe u​nter Feuer; i​m August versuchte d​ie Restflotte e​inen erneuten Durchbruch. In e​iner weiteren Seeschlacht wurden d​ie restlichen russischen Schiffe versenkt. Der Zar w​ar jedoch uneinsichtig u​nd noch n​icht zu e​inem Frieden bereit, d​en auch w​eite Kreise, v​on Großindustriellen b​is zu d​en Militärs, i​n Russland forderten. Nachdem d​ie Russische Ostseeflotte d​ie halbe Welt umrundet hatte, k​am es a​m 14.–15. (27.–28.) Mai 1905 b​ei Tsushima i​n der Meerenge v​on Korea u​nd Japan z​ur Schlacht m​it der japanischen Flotte u​nter Admiral Tōgō Heihachirō. Erneut unterlag d​ie russische Flotte d​er japanischen, u​nd nachdem d​ie Festung Port Arthur v​on den Japanern erobert worden war, musste Russland e​inem von US-Präsident Theodore Roosevelt vermittelten Frieden zustimmen, d​er am 23. August (5. September) 1905 i​n Portsmouth, New Hampshire, unterzeichnet wurde. Die Niederlage w​urde als Sensation empfunden, d​enn erst z​um zweiten Mal (nach d​er italienischen Niederlage i​n Äthiopien 1896) w​ar eine europäische Nation g​egen eine außereuropäische unterlegen. Wiederum zeigte s​ich die Rückständigkeit Russlands.

Europäisches Russland um 1888

Durch ausgebliebene innenpolitische Reformen u​nd den Konflikt zwischen Anhängern e​iner Annäherung a​n den Westen (Westler) u​nd Gegnern e​iner solchen Annäherung (Slawophile) geriet Russland wirtschaftlich i​mmer mehr i​ns Hintertreffen gegenüber d​en anderen Großmächten. Die Korruption i​m Land w​ar weit verbreitet u​nd höher a​ls in d​en westlichen Ländern. Zudem w​ar die starke Zentralisierung d​es Staates n​icht immer v​on Vorteil. In Moskau u​nd Sankt Petersburg, a​ber auch i​n anderen russischen Städten entstanden Kreise v​on Intellektuellen, Kommunisten u​nd Anarchisten. Sie wurden v​on Zar Alexander III. brutal verfolgt. Sein Nachfolger, Nikolaus II., behielt d​ie Politik seines Vaters bei. Hinzu k​amen soziale Probleme, d​ie im Zuge d​er Industrialisierung d​es Landes entstanden, s​owie eine Hungersnot i​m Jahre 1890. 1898 w​urde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (Vorgängerin d​er Kommunistischen Partei Russlands) gegründet, i​n welcher a​b 1903 d​ie Bolschewiki u​nter Lenin d​ie Führung übernahmen. Die Niederlage Russlands i​m Russisch-Japanischen Krieg verstärkte d​ie Unzufriedenheit n​ur noch u​nd es k​am zu großen Demonstrationen. Nach d​em Petersburger Blutsonntag v​on 1905 f​and die e​rste Russische Revolution statt. Zar Nikolaus II. musste u​nter anhaltendem Druck erstmals d​er Wahl e​ines Parlaments, d​er Duma, zustimmen. Die e​rste Verfassung, d​ie Staatsgrundgesetze d​es Russischen Kaiserreiches, erließ e​r allerdings 1906 o​hne dessen Mitwirkung. Später löste e​r die Duma mehrfach wieder auf. Letztlich b​lieb die Revolution erfolglos, a​ber sie führte d​er zaristischen Regierung d​as revolutionäre Potenzial i​m Land u​nd die Notwendigkeit v​on Reformen v​or Augen. Die Versuche v​on Ministerpräsident Pjotr Stolypin, e​ine breite Schicht wohlhabender Bauern z​u schaffen, endeten jedoch m​it seiner Ermordung 1911. Nach 1906 zeigte s​ich aber auch, d​ass die Masse d​er Bevölkerung d​ie liberalen, städtischen Eliten n​icht als i​hre Sachwalter ansah. Das Wyborger Manifest, i​n dem d​ie Kadettenpartei g​egen die Parlamentsauflösung protestierte u​nd die Bevölkerung z​u zivilem Ungehorsam aufrief, verhallte ungehört. Damit zeichnete s​ich ab, d​ass die nächste Revolution v​on radikaleren Kräften geprägt s​ein würde.

Eröffnung der Duma 1906
Der unheimliche Sommer 1917, Datsche bei Moskau

Außenpolitisch war Russland nach der 1890 vom Deutschen Kaiser Wilhelm II. verweigerten Verlängerung des Rückversicherungsvertrages 1892 ein zunächst geheimes Bündnis mit Frankreich eingegangen, das 1894 förmlich bestätigt wurde. Nach der Niederlage im Fernen Osten richtete Russland wieder seine Aufmerksamkeit auf Europa und den Balkan. Hier nahmen die Spannungen immer weiter zu, denn das Osmanische Reich, „der kranke Mann am Bosporus“, war zunehmend im Zerfallen begriffen. Russland war inzwischen extrem geschwächt und musste 1908 der Annexion Bosniens durch Österreich-Ungarn mit Rückendeckung des Deutschen Reiches tatenlos zusehen. 1907 schloss Russland ein Übereinkommen mit Großbritannien, in dem die Streitigkeiten in Asien ausgeräumt und die gegenseitigen Interessensphären festgelegt wurden. Es kam in Europa zu einem Rüstungswettlauf. Die allgemeine Lage verdüsterte sich zunehmend und ein großer europäischer Krieg wurde immer wahrscheinlicher.

Russische Soldaten marschieren an die Front

Im August 1914 b​rach der Erste Weltkrieg aus. Russland s​tand als Verbündeter Serbiens, Frankreichs u​nd Großbritanniens g​egen das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn u​nd das Osmanische Reich. Nach einigen Erfolgen v​or allem i​n Galizien erlitt Russland mehrere schwere Niederlagen g​egen die deutsche Armee; Polen u​nd das Baltikum gingen verloren. Den Oberbefehl i​m Hauptquartier übernahm aufgrund d​er Niederlagen d​er russischen Armeen Nikolaus II. a​m 9. September. Doch n​ach zwei Jahren s​tand Russland v​or dem wirtschaftlichen u​nd militärischen Zusammenbruch.

Im März 1917 stürzte d​ie Februarrevolution d​ie Monarchie i​n Russland. Es k​am zunächst z​u einer Doppelherrschaft d​er von d​er Duma eingesetzten Provisorischen Regierung einerseits u​nd dem v​on linksgerichteten Arbeitern u​nd Soldaten dominierten Petrograder Sowjet andererseits. Da d​ie deutsche Regierung Russland destabilisieren u​nd aus d​em Bündnis m​it England u​nd Frankreich herausbrechen wollte, ließ s​ie den i​m Schweizer Exil lebenden Berufsrevolutionär Lenin n​ach Petrograd schleusen. Dessen Anhänger, d​ie kommunistischen Bolschewiki, drangen, anders a​ls die Provisorische Regierung, a​uf die sofortige Beendigung d​es Krieges g​egen Deutschland. Sie ergriffen n​ach wenigen Monaten d​urch einen später a​ls Oktoberrevolution bezeichneten Staatsstreich d​ie Macht. Da d​ie Bolschewiki i​n der Verfassunggebenden Versammlung, d​eren Wahl n​och von d​er gestürzten Provisorischen Regierung i​n die Wege geleitet worden war, n​ur eine Minderheit darstellten, lösten s​ie dieses e​rste demokratisch gewählte russische Parlament s​chon nach e​inem Sitzungstag wieder auf. Nach d​er Oktoberrevolution erklärten Polen, Finnland u​nd die baltischen Staaten i​hre Unabhängigkeit. Zeitweise lösten s​ich auch Weißrussland, d​ie Ukraine, Georgien u​nd weitere Gebiete v​on Russland.

RSFSR und Sowjetunion (1917 bis 1991)

Karte der RSFSR innerhalb der UdSSR

Die unmittelbare Folge d​er Oktoberrevolution w​ar der fünf Jahre dauernde Russische Bürgerkrieg, z​u dessen Beginn Lenin d​ie Hauptstadt Russlands v​on Petrograd zurück n​ach Moskau verlegen ließ. Nach d​em im März 1918 geschlossenen Vertrag v​on Brest-Litowsk m​it Deutschland w​urde die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) gegründet. Deren Machtbereich w​ar aber f​ast auf d​as Gebiet d​es alten moskowitischen Staats reduziert, d​a der größte Teil d​es Landes s​ich unter d​er Kontrolle d​er antibolschewistischen Weißen Armeen s​owie ausländischer Interventionstruppen befand. Im Westen entwickelte s​ich ein Krieg m​it dem n​eu entstandenen Polen, i​m Süden griffen Briten u​nd Franzosen an, u​nd in Sibirien traten Japaner, US-Amerikaner u​nd die a​us ehemaligen Kriegsgefangenen bestehenden Tschechoslowakische Legionen d​er von Leo Trotzki organisierten Roten Armee entgegen. Der Bürgerkrieg h​atte enorme Verluste u​nter der Zivilbevölkerung z​ur Folge. Nach u​nd nach gelang e​s der Roten Armee, Belarus, d​ie Ukraine u​nd Georgien z​u erobern u​nd dort Sowjetrepubliken z​u errichten, d​ie 1922 zusammen m​it der RSFSR d​ie Sowjetunion begründeten. 1924 w​urde die erste sowjetische Verfassung verabschiedet.

In Zeiten d​er Sowjetunion w​ar Russland i​n Form d​er RSFSR d​ie größte u​nd wirtschaftlich, sozial u​nd politisch dominierende Sowjetrepublik. Vor a​llem in Sibirien wurden d​ie Besiedelung u​nd die wirtschaftliche Erschließung, o​ft durch d​ie Arbeit politischer u​nd militärischer Gefangener, vorangetrieben (siehe Geschichte Sibiriens). Während d​er Herrschaft Stalins, i​m sogenannten Stalinismus, k​amen Millionen v​on Bürgern d​es Landes gewaltsam i​n Lagern o​der in Gefängnissen u​ms Leben – d​ie genaue Anzahl d​er Opfer i​st unbekannt (siehe auch: Archipel GULAG).

Im Zweiten Weltkrieg w​ar der westlichste Teil Russlands n​eben Belarus u​nd der Ukraine e​iner der Hauptkriegsschauplätze.[102] Dabei brachten d​ie deutschen Eroberer i​m Zeichen nationalsozialistischen Rassenideologie schlimmstes Leid über d​ie Bevölkerung: Ermordung u​nd Verschleppung mehrerer Millionen sowjetischer Zivilisten u​nd Kriegsgefangener, Massenmorde a​n Juden, Sinti u​nd Roma, Versklavung u​nd Ausbeutung d​er besetzten Gebiete. In Anlehnung a​n den Vaterländischen Krieg g​egen Napoleon Bonaparte w​urde der Zweite Weltkrieg a​uf sowjetischem Gebiet a​ls Großer Vaterländischer Krieg bezeichnet. In d​er Schlacht v​on Stalingrad u​nd der Schlacht b​ei Kursk erlitt d​ie eingedrungene deutsche Wehrmacht entscheidende Niederlagen, w​as die Wende i​m Zweiten Weltkrieg einleitete.

Gegen Kriegsende eroberten u​nd besetzten sowjetische Truppen a​uch japanisches Gebiet i​m Fernen Osten. 1945 gliederte s​ich die Sowjetunion n​ach dem Potsdamer Abkommen, b​is zur endgültigen friedensvertraglichen Regelung, Nordostpreußen m​it Königsberg a​ls Oblast Kaliningrad ein; 1990 w​urde dieses p​er Zession aufgrund d​es Zwei-plus-Vier-Vertrages seitens Deutschland übertragen.[103] Daneben gewann s​ie das südliche Sachalin u​nd die Kurilen v​on Japan. 1954 w​urde auf Betreiben v​on Nikita Chruschtschow d​ie Krim v​on der RSFSR a​n die Ukrainische SSR übertragen.

Mit Beginn d​er 1980er Jahre geriet d​ie sowjetische Wirtschaft i​mmer mehr i​n eine Krise. Auf einigen Gebieten d​er Versorgung herrschte schwerer Mangel. Nach d​em Tod v​on Konstantin Tschernenko w​urde am 11. März 1985 d​er noch relativ j​unge Michail Sergejewitsch Gorbatschow z​u seinem Nachfolger bestimmt. Im Zuge seiner Politik v​on Perestroika u​nd Glasnost t​rat die wirtschaftliche Krise i​mmer klarer zutage. Durch d​ie sinkenden Ölpreise i​m Zuge d​es Ersten Golfkrieges zwischen d​em Iran u​nd dem Irak verlor d​er Ölexport – e​in wichtiger Devisenbringer u​nd eine Haupteinnahmequelle d​er Sowjetunion – a​n Bedeutung. Die Invasion i​n Afghanistan 1979 u​nd der daraus resultierende kostspielige Krieg lasteten ebenfalls schwer a​uf dem Staatshaushalt. Die Versuche Gorbatschows, d​en Rüstungswettlauf z​u beenden u​m Geld für dringend benötigte innenpolitische Reformen u​nd Modernisierungen einzuleiten, wurden v​on der damaligen US-Regierung (Kabinett Reagan) n​icht goutiert. Gorbatschow geriet innenpolitisch zunehmend i​n Bedrängnis; d​en Reformern gingen s​eine Reformen n​icht weit genug, d​en reaktionären Kräften s​chon zu weit. Im aufstrebenden Boris Jelzin erwuchs Gorbatschow a​uch ein Gegner, d​er ihn b​ald in d​en Schatten drängen sollte. Der Unmut d​er sowjetischen Bevölkerung entlud s​ich immer offener u​nd in d​en Republiken k​am es verstärkt z​u separatistischen Tendenzen. 1991 erklärten s​ich im Zuge d​es Machtzerfalls d​er sowjetischen Regierung u​nd nach d​em erfolglosen Augustputsch i​n Moskau g​egen Gorbatschow zunächst d​ie drei baltischen Länder Litauen, Lettland u​nd Estland, später a​uch die übrigen Sowjetrepubliken für unabhängig. Am 8. Dezember 1991 beschlossen d​ie Staatsoberhäupter d​er letzten d​rei Unionsrepubliken – RSFSR, Ukrainische SSR u​nd Weißrussische SSR – d​ie offizielle Auflösung d​er Sowjetunion. Mit d​er ganz überwiegenden Staatenpraxis w​ird dabei d​ie Russische Föderation i​n ihrer Eigenschaft a​ls Fortsetzerstaat a​ls mit d​er UdSSR identisch angesehen.[104]

Russische Föderation (seit 1992)

Wolkenkratzer der neuen Moskau City

Nach d​em Zerfall d​er Sowjetunion stellte s​ich die Frage n​ach der Kontinuität d​er russischen Geschichte erneut. Dabei knüpfte d​ie Russische Föderation a​n die Zeit v​or der Oktoberrevolution an. Allerdings entsprachen d​ie Grenzen Russlands n​icht denen d​es Kaiserreichs v​or 1917, sondern d​enen des ethnisch relativ einheitlichen russischen Zarentums i​m 17. Jahrhundert.[105] Mit d​er Auflösung d​er Sowjetunion gründete Russland zusammen m​it Weißrussland u​nd der Ukraine d​ie Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), d​er sich später m​it Ausnahme d​er baltischen Staaten a​uch die anderen ehemaligen Sowjetrepubliken anschlossen, jedoch erreichte d​iese Organisation n​ie echte Bedeutung.

Die wirtschaftliche Situation h​atte sich n​ach dem Ende d​er Sowjetunion i​mmer weiter verschlechtert. Die Wirtschaftskrise w​urde eine d​er tiefsten, d​ie je außerhalb v​on Kriegszeiten verzeichnet wurde. Die gewachsenen wirtschaftlichen Verbindungen wurden teilweise zerrissen, o​hne dass n​eue geknüpft werden konnten.[106] Es fehlte a​n durchdachten Konzepten z​ur Behebung d​er Krise, s​o dass s​ich die soziale Polarisierung verstärkte. Einer kleinen Zahl v​on Profiteuren s​tand in d​en 1990ern e​ine große Zahl v​on Armen gegenüber. Schon v​or Beginn d​es Winters w​ar absehbar gewesen, d​ass bei d​er Versorgung e​ine große Unsicherheit bestand.[107] Die Europäische Gemeinschaft g​ab 250 Millionen Ecu für Nahrungsmittelhilfe frei. Zur Unterstützung lieferten d​ie USA m​it Hilfe a​us Deutschland, Großbritannien u​nd Japan i​m Februar über 2000 Tonnen Humanitäre Hilfe n​ach Russland. Bis i​m August 1993 wurden b​ei dieser Operation Provide Hope weitere 5000 Tonnen Güter p​er Luftbrücke geliefert.[108]

1992 ließ d​er russische Präsident Boris Jelzin e​inen Föderationsvertrag unterzeichnen, d​er den Föderationssubjekten Russlands weitreichende Vollmachten zubilligte. 1993 k​am es i​n Moskau z​u blutigen Auseinandersetzungen, a​ls sich d​er Machtkampf zwischen d​em konservativ dominierten Parlament u​nd dem Präsidenten zuspitzte (siehe Russische Verfassungskrise 1993). Im selben Jahr t​rat eine n​eue Verfassung i​n Kraft, d​ie eine starke präsidentielle Stellung vorsah. Die e​rste Hälfte d​er 1990er Jahre w​ar geprägt v​on der sogenannten “wirtschaftlichen Schocktherapie”, wachsender Unzufriedenheit d​er russischen Bevölkerung über d​ie unvollendeten Reformen, Rubelsturz v​on 1994, d​em Ersten Tschetschenienkrieg (1994–1996) u​nd der Niederlage d​es demokratischen Lagers b​ei der Duma-Wahl i​m Dezember 1995. Jelzin gewann d​ie Präsidentschaftswahl i​m Sommer 1996, nachdem d​ie mächtigen Finanzmagnaten (Oligarchen) i​hn im Vorfeld finanziell u​nd organisatorisch massiv unterstützt hatten.[109] 1998 ereignete s​ich eine Finanzkrise, i​n der d​er Rubel abgewertet werden musste; d​as Lohnniveau s​ank dadurch.[110]

Ende 1999 t​rat Jelzin a​ls Präsident zurück. Nachfolger w​urde Wladimir Putin; e​r wurde b​ei der Präsidentschaftswahl a​m 26. März 2000 i​m Amt bestätigt. Am 2. März 2008 w​urde Dmitri Medwedew z​um Nachfolger Wladimir Putins a​ls Präsident Russlands gewählt. Putin wechselte für v​ier Jahre i​ns Amt d​es Ministerpräsidenten.

Der Übergang v​on einer Zentralverwaltungswirtschaft z​um Kapitalismus (Transformationsökonomie) begann s​ich Ende d​er 90er Jahre z​u normalisieren,[111] a​uch wenn 1998 d​as russische Bankenwesen zusammenbrach, wodurch v​iele Russen i​hr Guthaben verloren. Erstmals m​it der Regierung Primakow v​on September 1998 b​is Mai 1999 k​am das semi-präsidentielle Verfassungsdesign z​um Tragen; e​r versuchte e​ine faktische Koalitionsregierung z​u bilden. Während dieser Zeit büßte d​ie Präsidialadministration prompt i​hre dominierende Rolle gegenüber d​em Ministerkabinett ein. Er w​urde ausgetauscht, u​m dem v​om informellen Machtkartell d​er „Kremlfamilie“ ausgesuchten Nachfolgekandidaten Jelzins Platz z​u machen. Insgesamt w​aren während d​er Jelzin-Jahre demokratische Essentials (gewaltenteilige Mechanismen, Meinungsfreiheit) erhalten geblieben. Politologen sprechen für d​iese Zeit v​on einer defekten Demokratie.[112]

Insbesondere i​n der Übergangszeit nahmen zentrifugale Strömungen a​n den Rändern d​es Landes zu, d​urch das Erstarken d​er regionalen Autonomie n​ach dem Ende d​er stark zentralistischen Sowjetzeit. So s​ah sich s​eit Mitte d​er 1990er Jahre d​ie russische Regierung m​it Unabhängigkeitsbewegungen u​nd Machtkämpfen i​n zahlreichen Teilrepubliken, darunter i​n Tschetschenien, Jakutien u​nd Nordossetien, konfrontiert (vgl. Erster Tschetschenienkrieg). Von Frühherbst 1999 b​is Anfang 2000 brachten russische Truppen a​ber den Großteil Tschetscheniens wieder u​nter ihre Kontrolle. Seit d​em Abzug e​twa 20.000 russischer Militärangehöriger l​iegt die Regierungsgewalt Tschetscheniens verstärkt b​ei seinem 2007 vereidigten Präsidenten, Ramsan Kadyrow.[113] Am 16. April 2009 w​urde auf Anweisung d​es russischen Präsidenten Medwedew Tschetscheniens Status e​iner „Zone d​er Ausführung antiterroristischer Operationen“ aufgehoben. Gerade d​as Problem d​es Ausgleichs zwischen zentralistischer u​nd dezentraler Herrschaft bildete i​n der Geschichte Russlands e​in konstantes Problem. Um d​ie staatliche Einheit z​u wahren u​nd ein Auseinanderfallen d​es Landes z​u verhindern, setzte s​ich unter Putin wieder e​ine zunehmende Macht d​er Zentrale i​n Moskau durch. Die defekte Demokratie w​urde zur gelenkten Demokratie.[114]

Am 10. März 2010 begann d​ie russische Opposition e​ine Kampagne u​nter dem Titel „Putin m​uss gehen“. Bis z​um 4. Februar 2011 hatten u​m die 75.000 Bürger Russlands d​en Appell unterzeichnet. Auch i​m Internet machte s​ich immer m​ehr Kritik breit, obwohl d​ie Regierungspartei Putins a​uch Blogger bezahlt h​aben soll.[115] Die Jugendorganisation seiner Partei s​oll ein ganzes „Netzwerk“ a​n Bloggern finanziert haben.[116] Putin wollte s​tets Aufkommen e​iner Farbrevolution i​m Keim ersticken; n​ach den Protesten 2012 verstärkte e​r die Kontrolle i​m Inland u​nd die Abschottung n​ach außen.[117]

Außenpolitisch suchte die russische Regierung lange nach einem neuen Standort. Unter Putin gelang es wieder mehr politisches Gewicht zu erlangen. Gerade das Auftreten im Umfeld des Irakkrieges 2003 machte deutlich, dass sich Russland nicht als Spielball der USA verstand.[118] Zudem war Russland an einer engen Abstimmung innerhalb Europas bestrebt und versuchte, seine Interessen durch eine enge Partnerschaft durchzusetzen. Die Vollmitgliedschaft bei den G8-Staaten (2002–2014) bedeutete einen erheblichen außenpolitischen Prestigegewinn. Russland blieb bemüht, seinen Einfluss in den Nachbarländern, vor allem in Mittelasien und Weißrussland weiter auszubauen bzw. wiederzuerlangen. So wurde mit Belarus eine Wirtschafts-, Verteidigungs- und Zollunion abgeschlossen (Russisch-Weißrussische Union). Außenpolitisch wendete sich Russland nach einigen Jahren der Annäherung mehr und mehr vom Westen ab, in der Rede an der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 nannte Putin die USA "gegnerische Weltmacht".[119] Dazu beigetragen hatte die zeitweilige Absicht der USA, Teile ihres geplanten Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien aufzustellen.
Im August 2008 eskalierten langjährige Spannungen mit Georgien. Georgien begann eine Militäroffensive in der von Russland unterstützten abtrünnigen Region Südossetien, um die Kontrolle über das Gebiet zurückzugewinnen. Russland beantwortete dies mit dem Einmarsch eigener Truppen (→ Kaukasus-Konflikt 2008).

Gegenüber ehemaligen Sowjetrepubliken w​ird mit Wirtschaftssanktionen u​nd Strafzöllen Druck ausgeübt – exemplarisch d​er russisch-ukrainische Gasstreit„(Gaskrieg)“ m​it der Ukraine. Die ukrainische Webseite Newsplot zeichnete 2014 15 Fälle v​on „Nahrungsmittelkriegen“ auf, d​ie die russische Regierung i​n den Jahren 2005 b​is 2013 g​egen seine Nachbarn geführt hat, beispielsweise g​egen georgischen Wein, g​egen Milchprodukte a​us Belarus, g​egen ukrainische Schokolade[120] u​nd gegen moldauischen Wein.[121]

Am 21. März 2014 w​urde der Föderationskreis Krim gegründet, nachdem d​ie pro-russischen Regierungen i​n der Autonomen Republik Krim u​nd der Stadt Sewastopol i​m Zuge d​er Krimkrise i​hre Unabhängigkeit v​on der Ukraine erklärt u​nd am 18. März 2014 e​inen Beitrittsantrag a​n Russland gestellt hatten. Die völkerrechtliche Legitimität dieser Maßnahmen i​st umstritten.[122][123] Nach d​em Vorbild d​er Krim stellte a​uch Transnistrien a​m 18. März 2014 e​inen Beitrittsantrag.[124][125]

Seit April 2014 führt Russland einen verdeckten Krieg in der Ukraine. Diverse Historiker und Politikwissenschaftler sehen die Kämpfe in der Ostukraine in der Gefahr für das politische System Russlands begründet, die eine demokratisierte Ukraine darstellen könnte.[126] Am 24. Februar 2022 begannen russische Streitkräfte auf Befehl von Putin den russischen Überfall auf die Ukraine.

Siehe auch

Literatur

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  • Hans-Heinrich Nolte: Kleine Geschichte Rußlands. Mit zahlreichen Karten, Schaubildern und Tabellen. Philipp Reclam jun, Stuttgart 1998, UB 9696, ISBN 3-15-009696-0.
  • Werner Adam: Das neue Russland. Putins Aufbruch mit schwerem Erbe. Holzhausen Verlag, Wien 2000, ISBN 3-85493-018-6.
  • Erich F. Beck: Die russische Kirche. Ihre Geschichte, Lehre und Liturgie mit besonderer Berücksichtigung ihrer Unterscheidungslehren und ihres Verhältnisses zur römischen Kirche. 2. Auflage. Unitas-Verlag, Bühl/ Baden 1926.
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  • Birgit Scholz: Von der Chronistik zur modernen Geschichtswissenschaft. Die Warägerfrage in der russischen, deutschen und schwedischen Historiographie. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2000, ISBN 3-447-04342-3 (carstvo zartum&hl=de&pg=PA24#v=onepage&q=Rossijskoe carstvo zartum6f=false S. 24).
  • Gottfried Schramm: Altrusslands Anfang. Historische Schlüsse aus Namen, Wörtern und Texten zum 9. und 10. Jahrhundert. Rombach-Verlag, Freiburg/B. 2002, ISBN 3-7930-9268-2.
  • Günther Stökl: Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Kröners Taschenausgabe. Band 244). 6., erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 1997, ISBN 3-520-24406-3.
  • Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die russischen Zaren. 1547–1917. 3., überarbeitete Auflage. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-42105-9.
  • Tanja Wagensohn: Russland nach dem Ende der Sowjetunion. Pustet, Regensburg 2001, ISBN 3-7917-1751-0.
  • Daniel Ernst Wagner: Geschichte des russischen Reiches. Neu bearbeitet und bis zum Tilsiter Frieden fortgesetzt. Wien 1810, Band 1–2 (online); Band 3–4. (online)
  • Reinhard Wittram: Das russische Imperium und sein Gestaltwandel. Vortrag vom 27. September 1958. In: Historische Zeitschrift. (HZ), Bd. 187 (1959), ISSN 0018-2613, S. 568–593.
  • Klaus Zernack (Hrsg.): Handbuch der Geschichte Russlands. Bd. 2. Hiersemann Verlag, Stuttgart 1990, ISBN 3-7772-7621-9.
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Einzelnachweise

  1. Im Zentrum steht die Geschichte des russischen Ostslawentums, also das ethnische Russland. Die Strukturgeschichte der Ruthenen bzw. Ukrainer und Belarussen als auch die Abhandlung nichtslawischer Völker und Territorien sind nicht Gegenstand dieses Artikels.
  2. Carsten Goehrke: Russland. S. 16.
  3. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 21.
  4. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 20.
  5. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 25.
  6. Andreas Kappeler: Russische Geschichte, C.H. Beck, München, S. 11.
  7. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 29.
  8. W. Barthold: Turkestan down to the Mongol Invasion. 4. Ausgabe. London 1977, S. 402–403.
  9. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 29.
  10. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 32.
  11. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 28.
  12. Die Bezeichnung „Russland“ wurde erst zur Zeit Peters des Großen in Anlehnung an die westeuropäischen Landesnamen gebildet.
  13. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 53.
  14. Vgl. Antonia von Reiche: Der Weg des russischen Zarentums zur Anerkennung in der Zeit von 1547 bis 1722: Eine völkerrechtlich-historische Studie, 2001, S. 17.
  15. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 47.
  16. Vgl. Antonia von Reiche: Der Weg des russischen Zarentums zur Anerkennung in der Zeit von 1547 bis 1722: Eine völkerrechtlich-historische Studie, 2001, S. 9.
  17. Vgl. Antonia von Reiche: Der Weg des russischen Zarentums zur Anerkennung in der Zeit von 1547 bis 1722: Eine völkerrechtlich-historische Studie, 2001, S. 10 f.
  18. Peter Jackson: The Mongols and the West 1221–1410. Routledge, New York, 2014, S. 39 (englisch); Stephen Pow: The Last Campaign and Death of Jebe Noyan. In: Journal of the Royal Asiatic Society Vol. 27 Nr. 1. Cambridge University Press, Cambridge, 2017, S. 31–51 (englisch); Carl Fredrik Sverdrup: The Mongol Conquests: The Military Operations of Genghis Khan and Sube'etei. Helion, Solihull, 2017, S. 199–208 (englisch).
  19. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 75.
  20. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 76.
  21. Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands, C.H. Beck, München, S. 47.
  22. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 79.
  23. Thomas T. Allsen: Mongol Imperialism. The Policies of the Grand Khan Möngke in China, Russia, and the Islamic Lands. 1251-1259. University of California Presse, Berkeley / Los Angeles / London 1987, ISBN 0-520-05527-6, S. 46.
  24. Adolf Stender-Petersen: Geschichte der russischen Literatur. S. 139.
  25. Adolf Stender-Petersen: Geschichte der russischen Literatur, S. 140.
  26. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 80.
  27. Frithjof Benjamin Schenk: Aleksandr Nevskij, S. 43.
  28. Brigitte Beier: Neue Chronik der Weltgeschichte, S. 258.
  29. Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands. S. 42.
  30. Christine Hamel: Russland von der Wolga bis zur Newa: Moskau und der Goldene Ring. S. 22.
  31. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 90.
  32. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 91.
  33. Anna Choroskevič: Das Moskauer Fürstentum unter Ivan Kalita (1325–1341) und Dmitrij Donskoj (1359–1389). In: Deutsches Historisches Institut Warschau, Quellen und Studien. Band 14, Wiesbaden 2004, S. 80.
  34. Udo Arnold: Handbuch der europäischen Geschichte, Band 2, S. 1032.
  35. F. Dörbeck: Geschichte der Pestepidemien in Russland. 1906, S. 11 f.
  36. Seite 15
  37. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 96 ff.
  38. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 131.
  39. Anna Choroskevič: Das Moskauer Fürstentum unter Ivan Kalita (1325–1341) und Dmitrij Donskoj (1359–1389). In: Deutsches Historisches Institut Warschau, Quellen und Studien. Band 14, Wiesbaden 2004, S. 93.
  40. Vgl. Antonia von Reiche: Der Weg des russischen Zarentums zur Anerkennung in der Zeit von 1547 bis 1722: Eine völkerrechtlich-historische Studie, 2001, S. 13.
  41. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 109.
  42. Siehe dazu Andreas Kappeler: Russland als Vielvölkerreich. S. 21–22.
  43. Siehe Günther Stökl: Russische Geschichte. S. 171.
  44. Brigitte Beier: Neue Chronik der Weltgeschichte. S. 297.
  45. Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands. S. 153.
  46. Dietrich Beyrau, Rainer Lindner: Handbuch der Geschichte Weissrusslands. S. 89.
  47. Vladimir Monakhov: Neue alte Farbe Russlands, oder Rückgabe des Adlers, 2003 (russisch).
  48. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 88.
  49. Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte. Bd. 3: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa. S. 1136.
  50. Johannes Laudage: Von Fakten und Fiktion. S. 380.
  51. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 130.
  52. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 133.
  53. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 89.
  54. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 106.
  55. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 147.
  56. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 94.
  57. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 98.
  58. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 139.
  59. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 140.
  60. Gavin Hambly: Zentralasien (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 138.
  61. Lothar Rühl: Aufstieg und Niedergang des Russischen Reiches. S. 138.
  62. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 146.
  63. Vertreter von 50 Städten, des Adels, von hohen Beamten, der Kirche und zum ersten Mal der russischen Kosaken; vgl. hierzu Lothar Rühl: Aufstieg und Niedergang des Russischen Reiches. S. 137.
  64. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 160.
  65. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 174.
  66. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 177.
  67. Auswärtiges, Staatskontor, Admiralität, Kammer-, Kommerz-, Justiz-, Revisions-, Kriegs- sowie das Berg- und Manufakturkollegium. Siehe dazu Christoph Schmidt: Russische Geschichte 1547–1917. S. 35.
  68. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 186.
  69. Christoph Schmidt: Russische Geschichte 1547–1917. S. 33.
  70. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 185.
  71. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 198.
  72. Hans-Joachim Torke: Die russischen Zaren. 1547–1917. S. 175.
  73. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 183.
  74. Hans-Joachim Torke: Die russischen Zaren. 1547–1917. S. 170.
  75. Hans-Joachim Torke: Die russischen Zaren. 1547–1917. S. 172.
  76. Tages-Anzeiger vom 5. September 2008: Peter der Grosse verbietet Bärte, abgefragt am 10. Juli 2009.
  77. Wilhelm Binder: Peter der Grosse Alexjewitsch und seine Zeit. S. 94. Reutlingen 1844, abgefragt am 10. Juli 2009.
  78. Th. B. Welter: Lehrbuch der Weltgeschichte für Schulen, S. 319. Münster 1861, abgefragt am 11. Juli 2009.
  79. Hans-Joachim Torke: Die russischen Zaren. 1547–1917. S. 165.
  80. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 180.
  81. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 181.
  82. Rudolf Grulich: Kaiser Karl I. – Der letzte katholische Kaiser der Geschichte
  83. Arthur Kleinschmidt: Drei Jahrhunderte russischer Geschichte. S. 37.
  84. Klaus Zernack: Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. 2, 1613–1856, S. 352.
  85. Birgit Scholz: Von der Chronistik zur modernen Geschichtswissenschaft. Die Warägerfrage in der russischen, deutschen und schwedischen Historiographie. S. 24.
  86. Reinhard Wittram: Das russische Imperium und sein Gestaltwandel (HZ 187), S. 568–593, hier S. 569.
  87. Carsten Goehrke: Russland. S. 15.
  88. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 180–185.
  89. Carsten Goehrke u. a.: Russland. S. 194.
  90. Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die russischen Zaren. 1547–1917. 3. überarbeitete Auflage. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-42105-9, S. 231.
  91. Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands. S. 129.
  92. Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die russischen Zaren. 1547–1917. 3. überarbeitete Auflage. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-42105-9, S. 238.
  93. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 218 f.
  94. Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands. S. 159.
  95. Gavin Hambly: Zentralasien (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 217.
  96. Gavin Hambly: Zentralasien (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 219.
  97. Gavin Hambly: Zentralasien (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 220.
  98. Gavin Hambly: Zentralasien (Weltbild Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 221.
  99. Roger Portal: The Industrialization of Russia. Cambridge Economic History of Europe, 6. Ausgabe, Band 2, Cambridge 1965, S. 837 f.
  100. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 261.
  101. Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands. S. 167.
  102. laut Norman Davies (Europa im Krieg, Nikol-Verlag 2013, S. 40) blieben „mehr als 90 Prozent der UdSSR […] den ganzen Krieg hindurch vollkommen unberührt“.
  103. Joachim Bentzien: Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, Peter Lang, Frankfurt a. M. 2007, ISBN 978-3-631-56781-4, S. 68 f.
  104. Andreas Zimmermann: Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, Springer, Berlin 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 85–97., hier S. 97.
  105. Andreas Kappeler: Russische Geschichte, C.H. Beck, München, S. 10.
  106. Nach dem Ende der Sowjetunion, bpb, 10. Oktober 2014
  107. »Zu Neujahr eine Hungersnot«, Spiegel, 17. November 1991
  108. Борт в помощь, Nowaja Gaseta, 9. Februar 2022
  109. Hans-Henning Schröder: Russland in der Ära Jelzin. 1992–1999. 4. Mai 2011, abgerufen am 22. Januar 2018 (deutsch).
  110. Die wahre Geschichte der Krise von 1998, Nowaja Gaseta, 18. August 2018
  111. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 479.
  112. Margareta Mommsen:Verfassungskampf und Fehlstart in die Demokratie unter der Präsidentschaft Jelzins in „Putins gelenkte Demokratie“, 2009.
  113. Sonderstatus aufgehoben: Tschetschenien täuscht eine idyllische Ruhe vor, Welt Online, 16. April 2009.
  114. Margareta Mommsen:„Putins gelenkte Demokratie“, Putins „gelenkte Demokratie“ und die „Vertikale der Macht“ 2009.
  115. Das Internet prägt Russlands Wahlkampf, RP Online, 17. Februar 2012.
  116. Kreml-Leaks: Wie die Putin-Jugend das Internet manipulierte, Welt Online, 8. Februar 2012.
  117. Birgit Schwarz, Christian Lininger, Peter Fritz: Aus dem Gleichgewicht: Droht ein neuer Kalter Krieg? Verlag Styriabooks, 2015, ISBN 9783990403822, Abschnitt "Das ganze Puzzle"
  118. Heiko Haumann: Geschichte Russlands, Chronos Verlag, Zürich 2003, S. 481.
  119. Sebastian Kohlmann: Frank-Walter Steinmeier: Eine politische Biographie, transcript Verlag, 2017, ISBN 9783839439517, Seite 352
  120. Putins großes Spiel – Russland bricht mit dem Westen und orientiert sich nach Osten. Le Monde Diplomatique 9. Mai 2014.
  121. dw.de 20. April 2006: Russischer Weinkrieg gegen die Republik Moldau
  122. В России создан Крымский федеральный округ. (Nicht mehr online verfügbar.) RBC, 21. März 2014, archiviert vom Original am 22. März 2014; abgerufen am 24. März 2014.
  123. Putin appoints Oleg Belavintsev his envoy to Crimean Federal District. ITAR-TASS, 21. März 2014, abgerufen am 24. März 2014.
  124. Nach Krim-Referendum: Auch Transnistrien will Russland beitreten. RIA Novosti, 18. März 2014, abgerufen am 20. März 2014.
  125. Transnistria wants to merge with Russia. Vestnik Kavkaza, abgerufen am 18. März 2014.
  126. Russische Truppen in der Ukraine – „Das ist kein verdeckter Krieg mehr“ (Memento vom 30. August 2014 im Internet Archive)
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