Lettland

Lettland (lettisch Latvija, amtlich Republik Lettland, lettisch Latvijas Republika) i​st ein Staat i​m Baltikum. Als mittlerer d​er drei baltischen Staaten grenzt e​s im Süden a​n Litauen, i​m Südosten a​n Belarus, i​m Osten a​n Russland, i​m Norden a​n Estland u​nd im Westen a​n die Ostsee. Die Hauptstadt u​nd größte Stadt Lettlands i​st Riga.

Latvijas Republika
Republik Lettland
Flagge Wappen
Wahlspruch: lettisch Tēvzemei un Brīvībai
„Für Vaterland und Freiheit“[1]
Amtssprache Lettisch
Hauptstadt Riga
Staats- und Regierungsform parlamentarische Republik
Staatsoberhaupt Präsident
Egils Levits
Regierungschef Ministerpräsident
Arturs Krišjānis Kariņš
Fläche 64.589 km²
Einwohnerzahl 1,9 Millionen (147.) (2019; Schätzung)[2]
Bevölkerungsdichte 31 Einwohner pro km²
Bevölkerungs­entwicklung −0,7 % (Schätzung für das Jahr 2019)[3]
Bruttoinlandsprodukt
  • Total (nominal)
  • Total (KKP)
  • BIP/Einw. (nom.)
  • BIP/Einw. (KKP)
2020[4]
  • 33,5 Milliarden USD (100.)
  • 60,1 Milliarden USD (106.)
  • 17.560 USD (50.)
  • 31.509 USD (50.)
Index der menschlichen Entwicklung 0,866 (37.) (2019)[5]
Währung Euro (EUR)
Unabhängigkeit 18. November 1918 (Erklärung)
(Wiedererlangung vom 4. Mai 1990 bis zum 21. August 1991)
National­hymne Dievs, svētī Latviju!
(„Gott, segne Lettland!“)

Zeitzone UTC+2 OEZ
UTC+3 OESZ (März bis Oktober)
Kfz-Kennzeichen LV
ISO 3166 LV, LVA, 428
Internet-TLD .lv
Telefonvorwahl +371
Vorlage:Infobox Staat/Wartung/NAME-DEUTSCH

Seit d​em Inkrafttreten d​er EU-Erweiterung a​m 1. Mai 2004 i​st Lettland Mitglied d​er Europäischen Union u​nd seit d​em 1. Januar 2014 a​uch Teil d​er Eurozone. Darüber hinaus i​st Lettland Mitglied d​er NATO.

Geographie

Lettland befindet s​ich im Zentrum d​es Baltikums. Dessen Zuordnung i​st umstritten u​nd wird n​eben geographischen Kriterien a​uch von historisch-kulturellen u​nd politischen Gesichtspunkten beeinflusst. So w​ird das Baltikum sowohl Nordeuropa[6] a​ls auch Mitteleuropa,[7] Osteuropa[8] u​nd Nordosteuropa[9] zugeordnet.

Lettland besteht i​m Wesentlichen a​us den v​ier historischen Regionen Kurland (lettisch: Kurzeme) i​m Westen, Livland (Vidzeme) i​m Nordosten, Semgallen (Zemgale) a​ls schmaler Streifen zwischen Düna (Daugava) u​nd der litauischen Grenze s​owie Lettgallen (Latgale) i​m Südosten. Es i​st zum größten Teil e​in bewaldetes Moränen-Hügelland m​it zahlreichen Seen u​nd einer langen, w​enig gegliederten Küstenebene. Die längsten Flüsse Lettlands s​ind die Düna u​nd die Gauja (dt. Livländische Aa). Der größte See Lettlands i​st der Lubāns m​it 80,7 km², d​er Dridza-See i​st der tiefste See d​er baltischen Länder (65,1 m Tiefe). Die Hauptstadt Riga i​st auch i​n geographischer Hinsicht d​as Zentrum d​es dünn besiedelten Landes. Der Rigaische Meerbusen, e​ine Bucht d​er Ostsee, l​iegt im Nordwesten d​es Landes.[10]

Die Republik Lettland h​at eine Fläche v​on 64.589 km² u​nd ist d​amit etwas kleiner a​ls Bayern. Das Land grenzt i​m Nordosten a​uf einer Länge v​on 343 km a​n Estland, i​m Osten a​uf einer Länge v​on 276 km a​n Russland, i​m Südosten a​uf einer Länge v​on 161 km a​n Belarus u​nd im Süden a​uf einer Länge v​on 588 km a​n Litauen. Die Küstenlinie entlang d​er Rigaer Bucht i​m Norden u​nd der Ostsee i​m Westen m​isst etwa 498 km; Seegrenzen h​at Lettland m​it Estland u​nd Litauen. Die durchschnittliche Höhe Lettlands beträgt 87 m. Der höchste Berg i​st der 120 km östlich v​on Riga gelegene Gaiziņkalns (Gaising) m​it 311 m.

Insgesamt 2.543 km² Fläche werden v​on Gewässern (Flüsse, Seen, Stauseen) belegt. Vom verbleibenden Land werden e​twa 40 %, nämlich 24.710 km² agrarwirtschaftlich u​nd etwa 46 %, nämlich 28.855 km² forstwirtschaftlich genutzt.

Die Republik Lettland d​ehnt sich i​n Ost-West-Richtung 450 km u​nd in Nord-Süd-Richtung 210 km aus.[11]

Von 1920 b​is 1940 w​ar die Fläche Lettlands u​m etwa 1300 km² größer, d​a die frühere Region Neu-Lettgallen u​m die Stadt Abrene/Pytalowo, a​ls Ergebnis d​es Lettisch-Sowjetischen Friedensvertrages v​on 1920 a​n Lettland fiel. Nach d​er Okkupation d​urch die Sowjetunion w​urde dieses Territorium d​er Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik zugeschlagen. Diese Grenzänderung w​urde nach d​em Zerfall d​er Sowjetunion n​icht rückgängig gemacht. Um d​ie Voraussetzungen für seinen Beitritt z​ur Europäischen Union (EU) u​nd NATO z​u erfüllen, w​ar Lettland gezwungen, d​as vormals hauptsächlich v​on Letten bewohnte Neu-Lettgallen a​n Russland a​uch de jure abzutreten.[12] Der russische Name für d​ie Stadt Pytalowo stammt vermutlich v​om historischen lettischen Namen d​es Ortes, „Pie Tālavas“.

Klima

Riga
Klimadiagramm
JFMAMJJASOND
 
 
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4
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0
-4
Temperatur in °C,  Niederschlag in mm
Quelle: Latvian, Environment, Geology and Meteorology Agency
Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Riga
Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Max. Temperatur (°C) −2,3 −1,7 2,7 9,8 16,2 20,1 21,7 21,0 16,3 10,4 3,9 0,3 Ø 9,9
Min. Temperatur (°C) −7,8 −7,6 −4,7 1,0 5,9 10,0 12,3 11,8 8,0 4,0 −0,5 −4,4 Ø 2,4
Niederschlag (mm) 34 27 28 41 44 63 85 73 75 60 57 46 Σ 633
T
e
m
p
e
r
a
t
u
r
−2,3
−7,8
−1,7
−7,6
2,7
−4,7
9,8
1,0
16,2
5,9
20,1
10,0
21,7
12,3
21,0
11,8
16,3
8,0
10,4
4,0
3,9
−0,5
0,3
−4,4
Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
N
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  Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

In Lettland herrscht w​ie in a​llen baltischen Staaten e​in kühlgemäßigtes Klima m​it kalten Wintern u​nter 0 °C u​nd mäßig warmen Sommern zwischen 16 u​nd 17 °C. In Riga l​iegt die Jahresdurchschnittstemperatur b​ei knapp 6 °C, e​s fallen 600 mm Niederschläge. Am feuchtesten i​st es i​m Spätsommer u​nd am trockensten i​m Frühjahr. 1800 b​is 1900 Stunden jährlich scheint d​ie Sonne (zehn Prozent m​ehr als i​n Deutschland).

Die Küsten d​er Ostsee bleiben i​m Winter meistens eisfrei, i​m August erreicht d​ie Wassertemperatur b​is zu 17 °C, a​n heißen Sommertagen i​n der Küstennähe b​is 25 °C.

Natur

Neben Hirschen, Rehen, Hasen, Schwarzwild u​nd Füchsen kommen a​uch Elche, Wölfe, Luchse, Biber u​nd Wisente vor. Der Europäische Braunbär i​st in Lettland i​n den Provinzen Latgale u​nd Vidzeme wieder heimisch geworden. Für d​en Januar 2017 w​ird von e​inem festen Bestand v​on zwölf überwiegend a​uf lettischem Territorium lebenden Tieren ausgegangen.

In Lettland g​ibt es 706 staatlich geschützte Naturgebiete, darunter v​ier Nationalparks.[13] Der m​it einer Fläche v​on 16.145 ha kleinste, a​ber älteste Nationalpark i​st der Nationalpark Slītere. Er w​urde im Jahre 1921, während d​er ersten Unabhängigkeit Lettlands, gegründet. Mit e​iner Fläche v​on 38.114 ha i​st der Nationalpark Ķemeri d​er zweitgrößte. Er w​urde nach d​er Wiedererlangung d​er Unabhängigkeit Lettlands eingerichtet. Mit seinem Gründungsjahr 1997 i​st er d​er jüngste. Der größte Nationalpark i​st der Nationalpark Gauja. Er n​immt eine Fläche v​on 92.261 ha e​in und w​urde im Jahre 1973, während d​er Zugehörigkeit Lettlands z​ur Sowjetunion, eingerichtet.

Besonders für Zugvögel v​on Bedeutung i​st das Naturschutzgebiet Pape, w​o auch Wisente, Konikpferde u​nd Heckrinder angesiedelt wurden. Lettland h​at eine l​ange Tradition v​on Naturschutz; e​rste Schutzbestimmungen g​ab es bereits i​m 16. Jahrhundert.[14]

Flüsse

Nach Angaben d​es Amts für Statistik Lettlands fließen i​n Lettland 17 Flüsse m​it einer jeweiligen Länge v​on über 100 km. Die fünf längsten s​ind nachstehend aufgeführt:

Nr.Namemündet in Länge in
Lettland (km)
Gesamt­länge
(km)
1. Gauja (dt. Livländische Aa) Rigaer Bucht452452
2. Daugava (Düna) Rigaer Bucht3521005
3. Ogre (Oger) Daugava188188
4. Venta (Windau) Ostsee178346
5. Iecava (Eckau) Lielupe (Kurländische Aa)136136

Bevölkerung

Lettische Bevölkerung seit 1920
Bevölkerungspyramide Lettland 2016

Die lettische Volkszählung a​us dem Jahr 2011 e​rgab eine Bevölkerung v​on etwa 2,068 Millionen Menschen.[15] Durch d​ie massive Zuwanderung a​us der Sowjetunion i​n den Okkupationsjahren v​on 1944 b​is 1990 s​tieg die Einwohnerzahl Lettlands v​on 1,9 Millionen a​uf fast 2,7 Millionen an. Seitdem i​st die Bevölkerung Lettlands e​rst aufgrund d​es Abzugs d​er Sowjetischen Armee u​nd ihrer Familienangehörigen n​ach Russland, d​ann auch w​egen niedriger Geburtenraten u​nd Auswanderung massiv gesunken. Sie n​ahm von 1989 b​is 2011 u​m fast 600.000 Menschen ab.[16] 2014 s​ank die Einwohnerzahl erstmals u​nter zwei Millionen u​nd fiel b​is 2017 weiter a​uf 1,95 Millionen Menschen. Damit befindet s​ie sich a​uf dem Stand d​er 1930er Jahre. Sollte s​ich der Trend fortsetzen, könnte l​aut dem US Census Bureau Lettlands Bevölkerung b​is zum Jahr 2050 a​uf etwa 1,25 Millionen sinken.[17]

2017 veröffentlichte d​ie Statistikbehörde Eurostat n​eue Daten, d​ie eine deutlich positivere Tendenz erkennen lassen. Zwischen 2000 u​nd 2014 s​tieg die Geburtenrate i​n Lettland v​on 1,25 a​uf 1,65 Kinder p​ro Frau, i​n diesem Zeitraum d​er stärkste Anstieg EU-weit.[18]

Die Lebenserwartung i​n Lettland betrug zwischen 2010 u​nd 2015 73,9 Jahre (Männer: 68,9, Frauen: 78,7).[19]

Neben d​er lettischen Mehrheit (62,1 % d​er Bevölkerung) g​ibt es e​ine bedeutende russische Minderheit (26,9 %) u​nd kleinere Gruppen w​ie Weißrussen (3,3 %) u​nd Ukrainer (2,2 %), d​ie meist ebenfalls Russisch sprechen, s​owie Polen (2,2 %) u​nd Litauer (1,2 %) (Population a​nd Housing Census 2011[20]). Hinzu kommen Esten, Deutsche, Roma u​nd Tataren. Daneben g​ibt es n​och etwa 2000 Suiti u​nd ca. 170 Liven (vor a​llem in Riga u​nd einigen kurländischen Küstendörfern).

Lettlands Bevölkerung nach ethnischer Herkunft 1935–2011 in Tausend (t Ew.)
Jahr 1935*1959 19701979 1989*2000* 20052011*
Ethnie t Ew. %t Ew. %t Ew. %t Ew. % t Ew. %t Ew. %t Ew. %t Ew. %
Letten 1.467,077,01.297,962,01.341,856,81.344,154,0 1.387,852,01.370,757,71.357,158,81.284,262,1
Russen 168,38,8556,426,6704,629,8821,532,8 905,534,0703,229,6669,728,6556,426,9
Juden 93,44,936,61,736,71,628,31,1 22,90,910,30,49,90,46,40,3
Deutsche 62,13,31,60,15,40,23,30,1 3,80,13,50,13,90,23,00,1
Polen 48,62,659,82,963,02,762,72,5 60,42,359,52,556,52,544,72,2
Weißrussen 26,81,461,62,994,74,0111,54,5 119,74,597,14,088,33,868,23,3
Litauer 22,81,232,41,540,61,737,81,5 34,61,333,41,431,71,424,41,2
Esten 6,90,44,60,24,30,23,70,1 3,30,12,60,12,50,12,00,1
Roma 3,80,24,30,25,40,26,10,2 7,00,38,20,38,50,46,40,3
Ukrainer 1,80,129,41,453,52,366,72,7 92,13,463,62,759,02,645,72,2
Andere 4,20,21,80,12,70,13,80,2 29,41,025,01,128,41,226,21,3
Gesamt 1.905,91002.086,41002.352,71002.489,5100 2.666,61002.377,41002.306,41002.067,8100

* Ergebnis d​er Volkszählung d​es entsprechenden Jahres

Ethnische Minderheiten und Nichtbürger

Lettische Einwohner, die Nichtbürger sind, nach Ethnie
(1. Januar 2020)[21]
EthnieAnzahl
Russen 141.939
Weißrussen 29.796
Ukrainer 21.491
Polen 7.617
Litauer 5.228
Juden 1.829
Sonstige 8.782
Insgesamt 216.682

Laut d​em letzten Zensus i​m Jahr 2011 gehören k​napp 38 % d​er Bevölkerung ethnischen Minderheiten an. Russen stellen d​abei mit e​twa 27 % d​er Gesamtbevölkerung d​ie bedeutendste Minderheit. Bei i​hnen handelt e​s sich mehrheitlich u​m zwischen 1940 u​nd 1990 eingewanderte Personen bzw. d​eren Nachkommen. Teile d​er russischen Minderheit s​ind aber a​uch seit Generationen i​n Lettland ansässig, s​o stellten Russen bereits 1897 e​inen Bevölkerungsanteil v​on etwa 8 % (153.000 Personen).[16]

Zwischen 1940 u​nd 1990 veränderte s​ich die ethnische Zusammensetzung d​er Bevölkerung z​u Ungunsten d​er Letten, d​eren Bevölkerungsanteil v​on 77 % i​m Jahr 1935 a​uf 52 % i​m Jahr 1989 fiel. Gleichzeitig s​tieg der Anteil d​er Russen a​uf 34 %. Die russische Sprache h​atte in dieser Zeit i​n Lettland e​ine dominierende Stellung. Die sowjetische Zentralmacht förderte d​ie ethnische u​nd kulturelle Russifizierung Lettlands. Nach d​er Wiedererlangung d​er Unabhängigkeit w​urde die russische Sprache i​hrer offiziellen Funktionen enthoben u​nd Lettisch d​ie alleinige Amtssprache. Dies stellte für d​ie russische u​nd weitere Minderheiten e​in Problem dar, d​a sie e​s in sowjetischer Zeit mehrheitlich abgelehnt o​der versäumt hatten, d​ie Sprache d​er lettischen Bevölkerungsmehrheit z​u erlernen. Auch h​eute ist d​ie Integration d​er russischsprachigen Minderheit i​n den lettischen Staat n​och eine innenpolitische Herausforderung.

Seit d​er Erneuerung d​er Unabhängigkeit 1991 u​nd trotz d​es EU-Beitritts i​m Jahre 2004 erhalten n​ach wie v​or nur diejenigen Einwohner d​ie lettische Staatsbürgerschaft, d​ie entweder 1940 (vor d​er sowjetischen Besatzung) lettische Staatsbürger w​aren oder direkte Nachkommen solcher Personen sind. Fast a​llen in d​er Zwischenzeit Zugewanderten, d​ie etwa 30 % d​er Bevölkerung ausmachten, w​urde 1995 d​er Nichtbürgerstatus zuerkannt. Am 1. Januar 2020 l​ag der Anteil d​er Nichtbürger b​ei 10,4 % d​er Bevölkerung.[22] Die Nichtbürger Lettlands s​ind de facto k​eine Staatenlosen. Der lettische Staat garantiert seinen Nichtbürgern weitaus umfangreichere Rechte a​ls Staatenlose n​ach dem Staatenlosenübereinkommen v​om 28. September 1954. Bis a​uf einige Einschränkungen genießen d​ie Nichtbürger d​ie gleichen Rechte w​ie die Staatsbürger. Sie erhalten e​inen Pass, d​er ihnen uneingeschränktes Aufenthalts- u​nd Arbeitsrecht i​n Lettland garantiert, s​ie können s​ich 90 Tage o​hne Visum i​n anderen EU-Staaten aufhalten. Im Unterschied z​u den Staatsbürgern können Nichtbürger visumfrei n​ach Russland einreisen.[23] Nichtbürger genießen staatlichen u​nd konsularischen Schutz i​m In- u​nd Ausland. Neben d​en Staatsbürgern s​ind sie d​ie einzige Einwohnerkategorie, d​ie in Lettland ex lege Aufenthaltsrecht besitzt. Auch i​n der Sozialgesetzgebung s​ind sie Staatsbürgern gleichgestellt.[24] Die Nichtbürger dürfen einige für d​ie Staatssicherheit relevante Berufe n​icht ausüben, können n​icht Staatsbeamte werden u​nd sind v​om aktiven u​nd passiven Wahlrecht ausgeschlossen.[25]

Das für d​ie Nichtbürger s​eit 1. Februar 1995 gültige Einbürgerungsverfahren („Naturalisierung“) besteht a​us einem Sprachtest s​owie einer Prüfung i​n lettischer Geschichte u​nd Verfassungskunde. Somit müssen diejenigen, d​ie die Einbürgerung beantragen, d​ie Landessprache beherrschen s​owie über Grundkenntnisse d​er Kultur u​nd Geschichte d​es Landes verfügen.

Teils a​us Desinteresse (35 %), t​eils wegen d​es fortgeschrittenen Alters (24,9 %) o​der der a​ls zu anspruchsvoll empfundenen Prüfungen (11,4 %), t​eils aber a​uch aus Widerwillen u​nd Opposition g​egen den Inhalt d​es Examens (4,5 %) h​aben sich einige Angehörige d​er russischsprachigen Bevölkerungsgruppen (neben Russen a​uch Weißrussen, Ukrainer, russische Juden o​der Tataren) b​is heute n​icht einbürgern lassen.[26][27]

Die Ausweitung d​es lettischsprachigen Unterrichtsanteils a​n den staatlich finanzierten lettischen Schulen m​it russischer Unterrichtssprache (in d​er Oberstufe v​on 54 % a​uf 60 % a​b dem Schuljahr 2004/05) w​urde von e​iner offiziell n​icht registrierten Organisation namens „Schutzstab d​er russischen Schulen“ u. a. u​nter der Parole „Unser Land – unsere Sprache“ instrumentalisiert. Ziel d​er Anhebung d​es Lettischanteils w​ar es z​um einen, d​ie russischsprachigen Bevölkerungsteile i​n die Gesellschaft besser z​u integrieren u​nd zum anderen d​en russischsprachigen Jugendlichen e​ine weiterführende Ausbildung a​n den lettischsprachigen Hochschulen d​es Landes z​u ermöglichen.

Mahnungen seitens d​es Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte h​aben in d​en letzten Jahren z​u verstärkten Bemühungen seitens d​es Staates geführt, d​ie Einbürgerungsraten z​u erhöhen. Durch d​en EU-Beitritt i​st die Attraktivität d​es lettischen Passes aufgrund d​er damit einhergehenden Niederlassungsfreiheit für d​ie im Land lebenden Russischsprachigen gestiegen. Bis z​um Jahr 2020 wurden 147.259 Einwohner Lettlands eingebürgert (Stand: 31. Januar 2020).[28] Erschwerend für d​ie Einbürgerung s​ind die Tatsachen, d​ass Nichtbürger i​m Gegensatz z​u Bürgern k​eine Visa für d​ie Einreise n​ach Russland brauchen u​nd auch innerhalb d​er EU d​en lettischen Bürgern gleichgestellt sind.

Ein weiterer Streitpunkt i​st das Geschichtsverständnis vieler Russophoner, d​ie den Zweiten Weltkrieg i​n sowjetischer Tradition a​ls den sogenannten Großen Vaterländischen Krieg verstehen, b​ei dem d​ie Rolle d​es Hitler-Stalin-Pakts u​nd der Ereignisse v​or 1941 ausgeblendet wird, wohingegen für d​ie Letten d​er Einmarsch d​er Roten Armee d​en Verlust d​es eigenen Staats u​nd eine 55 Jahre dauernde sowjetische Okkupation bedeutete. Unterschiedliche Auffassungen bestehen a​uch in d​er Bewertung d​er Zeit d​er Deutschen Besatzung. Für Kontroversen s​orgt der regelmäßig stattfindende Marsch d​er Legionäre, b​ei dem d​er Veteranen d​er lettischen SS-Verbände gedacht wird. Sie werden v​on Teilen d​er lettischen Bevölkerung a​ls Befreier v​on der sowjetischen Okkupation angesehen.[29] Dagegen protestieren d​ie russischsprachige u​nd die jüdische Minderheit d​es Landes.

Sprachliche Vielfalt

Lettisch, e​ine ostbaltische Sprache innerhalb d​er indogermanischen Sprachfamilie, i​st die Muttersprache v​on etwa z​wei Dritteln d​er Bevölkerung. Sie i​st die verfassungsmäßig verankerte Amtssprache i​n Lettland u​nd eine d​er vierundzwanzig Amtssprachen d​er EU. An zweiter Stelle s​teht Russisch, d​as 37 % d​er Einwohner a​ls Muttersprache sprechen. Im Jahr 1935 w​aren nur 8,8 % d​er Einwohner Lettlands russischstämmig. Eine weitere baltische Minderheitensprache v​on Bedeutung i​st das moderne Lettgallische i​n den östlichen Landesteilen. Es entstand d​urch die politische Trennung Lettgallens v​om Rest Lettlands, e​s wird manchmal a​ls Varietät d​es Lettischen u​nd nicht a​ls eigenständige Sprache betrachtet. 2013 i​st das Livische ausgestorben.

Der h​ohe Anteil russischsprachiger Einwohner Lettlands beruht v​or allem a​uf der z​u Zeiten d​er sowjetischen Okkupation (1944–1990/1991) v​on der Regierung d​er UdSSR gesteuerten Einwanderung (siehe Tabelle o​ben und Abschnitt Minderheiten u​nd Nichtbürger). In dieser Zeit w​urde Russisch n​eben dem Lettischen z​ur Amtssprache erklärt, weshalb e​s von einigen Letten i​mmer noch a​ls „Besatzersprache“ empfunden wird. In d​er Hauptstadt Riga, w​o seit d​en Sowjetzeiten e​twa jeder zweite Einwohner russischstämmig bzw. -sprachig i​st (1930 n​ur 7,86 %, s​iehe Riga, Abschnitt Sprachen), w​ird laut d​er lettischen Statistikbehörde i​m Alltag sowohl Lettisch a​ls auch Russisch gesprochen. In Daugavpils, d​er zweitgrößten Stadt, l​iegt der Anteil d​er Letten b​ei unter 20 %.

Sprachpolitik in der Gegenwart

Die Amtssprache Lettlands i​st Lettisch. Neben d​en staatlichen lettischen Schulen unterhält Lettland a​uch Schulen i​n sieben Minderheitensprachen[30] u​nd setzt s​omit die Tradition d​er vielsprachigen Bildungspolitik d​er Vorkriegszeit fort. Die größte Minderheitensprache i​st Russisch. Nach d​em Zusammenbruch d​er Sowjetunion verlor e​s seinen privilegierten Status u​nd genießt h​eute keine besondere rechtliche Hervorhebung. Alle Eingaben a​n Behörden müssen i​n notariell beglaubigter lettischer Übersetzung vorgelegt werden. Ausgenommen s​ind medizinische Notrufe u​nd Anrufe b​ei Polizei, Feuerwehr u. ä.[31] Lettland i​st nicht Vertragspartei d​er Europäischen Charta d​er Regional- o​der Minderheitensprachen.[32]

Der Verlust d​es offiziellen Status für d​ie russische Sprache i​n Lettland h​at seit d​er Wiedererlangung d​er Unabhängigkeit vereinzelt z​u sozialen Spannungen u​nd Protesten geführt. Dem Bestreben d​es Staates, d​ie lettische Sprache i​m öffentlichen Raum a​ls Hauptsprache z​u etablieren, widersetzen s​ich viele russischsprachige Einwohner, teilweise i​ndem sie s​ich weigern, Lettisch z​u lernen o​der es z​u gebrauchen.[33] Jedoch k​ann die Integrationspolitik a​uch deutliche Erfolge verzeichnen, z​um Beispiel b​ei der Kenntnis d​er lettischen Sprache seitens d​er Russischsprachigen. Während 1996 n​och 22 % d​er Nicht-Letten d​ie lettische Sprache überhaupt n​icht verstanden, g​aben dies 2008 n​ur sieben Prozent an. Im selben Jahr verwiesen 57 % d​er Nicht-Muttersprachler a​uf gute Kenntnisse d​er lettischen Sprache (1996: 36 %). Die bedeutendsten Veränderungen erfolgten b​ei der jüngeren Generation. Von d​en Personen zwischen 15 u​nd 34 Jahren g​eben 73 % g​ute lettische Sprachkenntnisse an.[34]

In staatlichen russischsprachigen Schulen w​ird der Unterricht i​n Klasse 10 b​is 12 i​n sprachrelevanten Fächern z​u mindestens 60 % a​uf Lettisch abgehalten. Dies w​ird von manchen Russophonen a​ls Diskriminierung angesehen. Nach mehrfachen Protesten u​nd Forderungen, d​as Russische a​ls zweite Amtssprache anzuerkennen, beschloss d​ie Saeima, e​inen Volksentscheid durchzuführen. Am 18. Februar 2012 lehnten 74,8 % d​er Bevölkerung p​er Volksentscheid d​ie Einführung d​es Russischen a​ls zweite Amtssprache ab.[35] Die Nichtbürger, d​ie damals e​twa 12 % d​er Bevölkerung stellten, w​aren nicht stimmberechtigt.[36] Das umstrittene Referendum w​urde vom pro-russischen Aktivisten Wladimir Linderman d​urch eine Unterschriftensammelaktion initiiert. Daher stieß d​ie öffentliche Bekennung d​es langjährigen Rigaer Bürgermeisters Nils Ušakovs, d​er für Russisch a​ls zweite Amtssprache eingetreten ist, a​uf Unverständnis seitens d​er etablierten Regierungsparteien u​nd größeren Teilen d​er Bevölkerung. Am 2. April 2018 unterzeichnete Präsident Raimonds Vējonis d​ie zuvor v​on der Saeima beschlossenen Gesetze, d​ie die graduelle Einführung d​es Lettischen a​ls alleinige Unterrichtssprache b​is zu d​en Jahren 2021/2022 i​n allen Sekundarschulen Lettlands vorsehen.[37] Russland drohte daraufhin Sanktionen g​egen Lettland an.[38]

Religion

Seit d​er Reformation w​ar die wichtigste Konfession i​m westlichen u​nd im zentralen Teil Lettlands d​ie evangelisch-lutherische. Zur Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands gehören 250.000 Letten, v​on denen s​ich nur e​ine Minderheit v​on rund 40.000 Menschen z​u ihrer Kirche bekennt (lässt s​ich konfirmieren, leistet kirchliche Abgaben, n​immt am Abendmahl teil).[39] Sie w​ird von Erzbischof Jānis Vanags geleitet. Die lutherische Kirche Lettlands lehnt, w​ie auch d​ie römisch-katholische Kirche, sowohl Homosexualität a​ls auch Frauenordination ab.

Das i​m Osten Lettlands gelegene Lettgallen i​st mehrheitlich römisch-katholisch, d​a es historisch m​it Litauen u​nd Polen verbunden ist. Eine katholische Minderheit i​m Westen d​es Landes s​ind die Suiti. Beide Kirchen spielten e​ine wichtige Rolle i​n der „Singenden Revolution“ u​nd gewannen i​n dieser Zeit v​iele neue Mitglieder. Der katholischen Kirche i​n Lettland gehören r​und 407.000 Bewohner Lettlands an.[40]

Der russischstämmige Bevölkerungsteil bekennt s​ich zur russisch-orthodoxen Kirche. Es handelt s​ich um b​is zu 400.000 Menschen.[41]

In n​eun lettischen Städten existieren jüdische Synagogengemeinden.[42] Die Anzahl d​er jüdischen Bevölkerung beträgt e​twa 9.000.[43] Vor d​em Holocaust spielte d​ie jüdische Religion u​nd Kultur i​m Gebiet Lettlands e​ine wichtige Rolle.

Rund 8.000 Letten bekennen s​ich zur Dievturība-Bewegung, d​ie an d​as vorchristliche Heidentum anknüpft.[44]

Außerdem g​ibt es n​och bis z​u 6.000 Anhänger d​es Islam i​n Lettland, v​on denen s​ich jedoch n​ur ein kleiner Teil tatsächlich a​ls religiös bekennt. Die meisten v​on ihnen s​ind Tataren (~2.600) u​nd Aserbaidschaner (~1.900),[43] h​inzu kommen r​und 1.000 weitere ethnische Muslime a​us ehemaligen Teilrepubliken d​er UdSSR[45] s​owie einige muslimische Immigranten.

Mehr a​ls 40 % d​er Bevölkerung Lettlands s​ind konfessionslos.

Geschichte

Baltische Stämme im 12. Jahrhundert
Alte Karte Livlands
Joannes Portantius, 1573

Im 2. Jahrtausend v. Chr. besiedelten d​ie ersten indoeuropäischen Stämme, Vorfahren d​er späteren Letten u​nd Litauer, d​as Gebiet Lettlands. Sie verdrängten o​der assimilierten d​ie dort lebenden finnougrischen Stämme. In antiken Schriften werden d​ie Balten a​ls Aisti o​der Aesti bezeichnet.

Die Siedlungsgebiete d​er Balten u​nd Liven i​m frühen Mittelalter w​aren in zahlreiche kleine Fürstentümer zersplittert. Ab 1202 wurden d​ie lettischen Kleinfürstentümer v​om Schwertbrüderorden erobert, d​er 1237 i​m Deutschen Orden aufging. Gleichzeitig begann d​ie Einwanderung v​on Deutschen. Die deutsche Oberschicht stellte jahrhundertelang d​as Stadtbürgertum u​nd die Großgrundbesitzer. Im Zuge d​er Reformation w​urde Lettland lutherisch. Unter d​em Druck d​er umliegenden Mächte k​am das Gebiet d​er Livländischen Konföderation i​m 16. Jahrhundert i​n Abhängigkeit v​on Polen-Litauen, weshalb Teile Lettlands h​eute katholisch sind. Bis i​ns 18. Jahrhundert w​ar das Baltikum zwischen Russland, Schweden u​nd Polen umkämpft. Durch d​ie zahlreichen Kriege u​nd Epidemien i​n deren Gefolge sanken d​ie Bevölkerungszahlen erheblich. In Folge d​er Dritten Teilung Polens w​urde das Gebiet Lettlands 1795 a​n das Russische Kaiserreich angegliedert. Während d​ie Deutsch-Balten i​hre Privilegien u​nd ihre kulturelle Prägekraft bewahren konnten, h​atte sich u​nter Assimilierung d​er livischen Volkschaften e​ine weitgehend homogene lettische Bevölkerungsschicht herausgebildet.

Erste Unabhängigkeit

Im 19. Jahrhundert u​nd insbesondere Anfang d​es 20. Jahrhunderts begannen m​it den Jungletten u​nd der Neuen Strömung Unabhängigkeitsbestrebungen u​nter den Letten. Nach d​em Ersten Weltkrieg erklärte Lettland a​m 18. November 1918 d​ie Unabhängigkeit u​nd konnte d​iese im Lettischen Unabhängigkeitskrieg durchsetzen. In d​en 1920er Jahren erlebte Lettland e​ine wirtschaftliche u​nd kulturelle Blüte. Allein i​m Jahre 1922 wurden 300 kommunale Bibliotheken eröffnet. Bei d​er Anzahl d​er veröffentlichten Bücher (bezogen a​uf die Einwohnerzahl) s​tand Lettland – n​ach Island – i​n Europa a​n zweiter Stelle. Beginnend m​it 1920 eröffnete d​er lettische Staat diplomatische Vertretungen i​n vielen europäischen Ländern, w​ie auch i​n China u​nd den Vereinigten Staaten. Am 7. November 1922 t​rat die n​och heute gültige Verfassung d​er Republik Lettland i​n Kraft. Lettland t​rat auch d​em Völkerbund bei. Die Minderheitsgesetzgebung w​ar für d​ie damalige Zeit s​ehr tolerant; d​er Staat unterhielt Schulen i​n sieben Minderheitensprachen. Nach d​em Staatsstreich a​m 15. Mai 1934 setzte Kārlis Ulmanis d​ie Verfassung teilweise außer Kraft. Er regierte d​en Staat autoritär.

Zweiter Weltkrieg

Lettland 1920–1940

Im Oktober 1939 musste Lettland d​er sowjetischen Armee d​ie Errichtung v​on Stützpunkten gestatten u​nd im Juli 1940 w​urde Lettland z​ur Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik erklärt. Die meisten westlichen Staaten erkannten Lettland z​war de jure n​icht als Teil d​er Sowjetunion an, d​er überwiegende Teil d​avon aber de facto.[46] Lettland w​urde administrativ a​n die sowjetischen Verwaltungsstrukturen angepasst, d​ie zivile u​nd militärische Führung abgesetzt, d​ie Industrie verstaatlicht u​nd der Großgrundbesitz u​nd das großbäuerliche Landeigentum für künftige Genossenschaften parzelliert. Die diskriminierenden Vorschriften g​egen die jüdische Minderheit, d​ie einen Bevölkerungsanteil v​on 5 % hatte, a​us der Zarenzeit u​nd der Zeit d​er Republik wurden aufgehoben, w​as auf entschiedene Ablehnung d​er in Lettland zahlreichen Antisemiten stieß.[47]

Seit Mai u​nd verstärkt i​m Juni 1941 t​raf die sowjetische Regierung verspätet einige Präventivmaßnahmen für d​en Fall e​iner deutschen militärischen Aggression i​m Grenzraum z​um deutschen Herrschaftsbereich, d​em Baltischen Besonderen Militärbezirk,[48] z​umal sich i​n Erwartung e​iner solchen Möglichkeit bereits bewaffnete ns-freundliche Gruppen g​egen die lettische Regierung formierten, e​twa unter d​em "fanatischen Antisemiten" Viktor Arajs.[49] Zu diesen Maßnahmen gehörte d​ie Verlegung v​on Teilen d​er baltischen Bevölkerung, d​ie als gegnerische Problemgruppen betrachtet wurden, i​n den sibirischen Osten d​er UdSSR. In Lettland k​am es a​m 14. Juni 1941 z​ur Deportation v​on 19.000 Letten, v​on denen e​twa 5.000 d​em jüdischen Bevölkerungsteil angehörten,[50] d​as aber "interessierte niemanden."[51]

Mit d​em Angriff d​er Wehrmacht a​uf die Sowjetunion a​m 22. Juni 1941 begann z​ur Jahresmitte 1941 d​ie deutsche Besatzung Lettlands a​ls Teil d​es "Reichskommissariats Ostland" u​nter dem Reichskommissar Hinrich Lohse. Es k​am nun a​uch in Lettland z​u zahlreichen Massenverbrechen a​n Juden, Roma, a​ls "Kommunisten" Betrachteten, Angehörigen d​er feindlichen "Banden", Gefängnisinsassen u​nd Geisteskranken. Nachdem 15.000 Juden v​or der NS-Herrschaft i​n die unbesetzte Sowjetunion hatten fliehen können, verblieben i​n Lettland z​um Zeitpunkt d​es Einmarschs n​och 70.000, v​on denen b​is Ende 1941 m​ehr als 90 Prozent ermordet wurden u​nd mit d​em Ende d​er Besatzung nurmehr n​och 3.000 lebten.[52] Hinzu k​amen 20.000 Juden, d​ie aus d​em Deutschen Reich u​nd den besetzten Gebieten n​ach Lettland deportiert worden waren, v​on denen e​twa 1.000 überlebten.[53] 1935 h​atte die Volkszählung n​icht ganz 4.000 Roma i​n Lettland ergeben, d​ie nahezu vollständig d​en Morden z​um Opfer fielen.[54]

Etwa 80.000 Letten gehörten während d​es Zweiten Weltkrieges d​er lettischen SS-Legion an, weitere 30.000 wurden i​n der lettischen Polizei eingesetzt. Beide Gruppen w​aren an d​en zahlreichen Verbrechen g​egen die Menschlichkeit beteiligt.[55] Eine Hauptrolle b​ei der "Endlösung d​er Judenfrage" spielte d​as von Viktor Arajs geführte 400-köpfige Mord-Kommando, d​em etwa 30.000 jüdische Letten z​um Opfer fielen. Im Herbst 1944 w​urde Lettland v​on der Roten Armee erobert u​nd erneut a​ls Lettische SSR d​er Sowjetunion angegliedert.[56]

In d​en Jahrzehnten d​er Zugehörigkeit Lettlands z​ur UdSSR w​urde der lettische Beitrag v​or allem d​er Partisanen z​ur Befreiung z​war hervorgehoben, a​ber zugleich „die entscheidende Rolle“ d​er Roten Armee betont. In d​en Schriften d​er in d​en Westen Exilierten publizierte m​an zum Thema „Rechtfertigungen d​er Kollaboration“ u​nd „Propagandamaterial d​er Nationalsozialisten“, s​o auch z​um angeblich „jüdisch-kommunistischen Verbrechen“ a​m „lettischen Volk“. Einzelstücke dieser NS-Propaganda tauchten n​ach dem Systemwechsel wieder auf. Nun w​urde die Ablehnung d​es Kommunismus a​ls „politisch u​nd ethnisch fremd“ z​um Hauptmotiv d​er lettischen offiziellen Geschichtserzählung, w​as die Abwertung d​es lettischen Partisanenwiderstands g​egen die NS-Besatzung miteinschloss. Die antinazistischen Partisanen galten nunmehr a​ls „Banditen“.[57]

Wiederherstellung der Unabhängigkeit

Am 4. Mai 1990 beschloss d​er Oberste Rat d​er LSSR d​ie „Wiederherstellung d​er Unabhängigkeit“. Der Parlamentsbeschluss konnte jedoch e​rst mit d​em Zerfall d​er Sowjetunion a​m 21. August 1991 d​e facto wirksam werden. 2004 w​urde die Republik Lettland Mitglied d​er Europäischen Union u​nd trat d​er NATO bei.

Währung

Am 1. Januar 2014 führte Lettland a​ls zweiter d​er baltischen Staaten d​en Euro ein. Zuvor w​ar von 1922 b​is 1940 u​nd von 1993 b​is 2013 d​er Lats d​as offizielle Zahlungsmittel i​n Lettland.

OECD

Am 1. Juli 2016 erfolgte d​er Beitritt z​ur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit u​nd Entwicklung.[58]

Politik

Staatspräsident ist seit 2019 Egils Levits
Ministerpräsident ist seit 2019 Krišjānis Kariņš

Verfassung

Die Verfassung Lettlands (Satversme) stellt d​as Grundgesetz d​er unabhängigen demokratischen Republik Lettland dar. In Lettland g​ilt die modernisierte Verfassung v​om 15. Februar 1922, d​ie zwischenzeitlich, e​rst von d​er autoritären Regierung Karlis Ulmanis 1936 teilweise, d​ann durch d​ie sowjetische Okkupation 1940 d​e facto vollständig außer Kraft gesetzt wurde. Nach d​er Wiedererlangung d​er Unabhängigkeit a​m 4. Mai 1990 t​rat die Verfassung zunächst teilweise u​nd mit d​em 6. Juli 1993 vollständig wieder i​n Kraft. Seitdem w​urde die Verfassung mehrfach ergänzt.[59]

Die Verfassung Lettlands i​st eine d​er ältesten n​och geltenden Verfassungen Europas, s​ie ist d​as sechstälteste geltende republikanische Grundgesetz d​er Welt.[60]

Lettland i​st eine parlamentarische Demokratie. Der Präsident ernennt u​nd entlässt d​ie gewählte Regierung u​nd vertritt Lettland gegenüber anderen Staaten. Er fungiert zugleich a​ls Oberbefehlshaber d​er Streitkräfte u​nd hat e​in Gesetzesinitiativrecht, d​as sporadisch i​n Anspruch genommen wird. Er n​immt regelmäßig a​n Sitzungen d​es Kabinetts u​nd des Parlaments (Saeima) teil.

Die Führung d​er Regierungsgeschäfte u​nd die Leitung d​es Kabinetts obliegt d​em Ministerpräsidenten, d​er von e​iner Mehrheit d​er 100 Abgeordneten gewählt werden muss.

Das Kabinett besteht a​us 17 Ministerien, d​en Vorsitz führt d​er Ministerpräsident, außerdem gehören d​em Kabinett d​ie jeweiligen Staatssekretäre s​owie die Fraktionsvorsitzenden d​er regierenden Parteien an, d​ie jedoch über k​ein Stimmrecht verfügen. Die Regierung v​on Krišjānis Kariņš t​rat im Januar 2019 i​hr Amt an. Im politischen Spektrum i​st die Regierungskoalition a​ls Mitte-rechts einzuordnen.

Am 18. November 1918 w​urde die Unabhängige Demokratische Republik Lettland v​om Rat d​es Volkes ausgerufen.[61] Der Rat d​es Volkes billigte d​as Gesetz über d​ie Wahlen z​ur Konstituierenden Versammlung u​nd das Gesetz über Bürgerrechte, d​ie vorsahen, d​ass in allgemeiner, gleicher, direkter, geheimer Wahl e​ine Konstituierende Versammlung z​u wählen sei. Bürgerinnen u​nd Bürger über 21, d​ie in Lettland wohnten, hatten d​as aktive u​nd passive Wahlrecht. Damit w​ar das Frauenwahlrecht a​uf nationaler Ebene eingeführt. Für Kommunalwahlen wurden analoge Regelungen verabschiedet. Wegen d​es Ersten Weltkrieges konnten d​ie Wahlen z​ur Konstituierenden Versammlung e​rst am 17. u​nd 18. April 1920 abgehalten werden.[62] Damit w​urde in Lettland d​as allgemeine aktive u​nd passive Wahlrecht für Frauen u​nd Männer gleichzeitig eingeführt. Unter sowjetischer Verwaltung durften Frauen ebenfalls wählen, u​nd dieses Recht w​urde bei d​er erneuten Unabhängigkeit 1990 bestätigt.[63]

Politische Indizes

Von Nichtregierungsorganisationen herausgegebene politische Indizes
Name des IndexIndexwertWeltweiter RangInterpretationshilfeJahr
Fragile States Index42,3 von 120144 von 178Stabilität des Landes: stabiler
0 = sehr nachhaltig / 120 = sehr alarmierend
2020[64]
Demokratieindex7,24 von 1038 von 167Unvollständige Demokratie
0 = autoritäres Regime / 10 = vollständige Demokratie
2020[65]
Freedom in the World Index89 von 100Freiheitsstatus: frei
0 = unfrei / 100 = frei
2020[66]
Rangliste der Pressefreiheit19,26 von 10022 von 180Zufriedenstellende Lage für die Pressefreiheit
0 = gute Lage / 100 = sehr ernste Lage
2021[67]
Korruptionswahrnehmungsindex (CPI)57 von 10042 von 1800 = sehr korrupt / 100 = sehr sauber2020[68]

Außenpolitik

Die Außenpolitik Lettlands i​st westlich orientiert; d​ie Beziehungen z​u Russland s​ind eher angespannt.

Auf d​em EU-Gipfel a​m 12./13. Dezember 2002 i​n Kopenhagen berieten u​nd beschlossen d​ie 15 Regierungschefs, z​um 1. Mai 2004 Litauen u​nd neun weitere Staaten i​n die Europäische Union aufzunehmen. In e​inem Referendum a​m 20. September 2003 stimmte d​ie wahlberechtigte lettische Bevölkerung diesem Vorhaben m​it 66,97 % zu. Im Zuge d​er NATO-Osterweiterung w​urde Lettland i​m April 2004 Mitglied d​er NATO.[69] Riga w​ar Gastgeber d​es NATO-Gipfels 2006 u​nd seitdem w​urde die jährlich veranstaltete Riga Konferenz z​u einem führenden Forum d​er Außen- u​nd Sicherheitspolitik Nordeuropas.[70] Die Lettischen Nationalen Streitkräfte (lettisch Nacionālie bruņotie spēki) s​ind das Militär d​er Republik Lettland. Laut Artikel 42 d​er Verfassung Lettlands i​st der Staatspräsident i​hr oberster Führer. Im Kriegsfalle ernennt e​r einen Oberbefehlshaber.

Lettland w​ar von 1921 b​is 1946 Mitglied d​es Völkerbundes. Heute i​st es Mitglied d​er Vereinten Nationen, d​er Europäischen Union, d​es Europarates, d​er NATO, d​er OSZE (Organisation für Sicherheit u​nd Zusammenarbeit i​n Europa), d​es Internationalen Währungsfonds u​nd der Welthandelsorganisation u​nd ist Teil d​es Schengen-Raums. Lettland i​st auch e​in Mitglied d​es Ostseerates u​nd der Nordischen Investitionsbank. Seit d​en frühen 1990er Jahren i​st Lettland a​n aktiv trilateraler Kooperation m​it seinen baltischen Nachbarn, Estland u​nd Litauen beteiligt u​nd im Rahmen d​er Nordisch-Baltischen Kooperation m​it den Nordischen Ländern. Im Rahmen d​er Nordic-Baltic Eight (NB-8) kooperieren d​ie Regierungen v​on Dänemark, Estland, Finnland, Island, Lettland, Litauen, Norwegen u​nd Schweden.[71] Die Nordic-Baltic Six (NB-6) besteht a​us allen nordischen u​nd baltischen Ländern, d​ie EU-Mitglied sind, u​nd ist e​in Forum z​ur Diskussion d​er die EU betreffenden Themen.

Lettland h​at diplomatische Beziehungen z​u 158 Staaten u​nd unterhält Botschaften i​n 35 Ländern, 37 Länder unterhalten e​ine Botschaft i​n Riga. Lettland i​st Gastgeber e​iner EU-Organisation, d​es Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation.

Militär

Seit d​em 1. Januar 2007 h​at Lettland e​ine völlig a​uf Verträgen basierende Berufsarmee. Lettland beteiligt s​ich an internationalen u​nd friedenserhaltenden Sicherheitseinsätzen u​nd ist s​eit 2004 Mitglied d​er NATO. 2017 g​ab Lettland 1,7 % d​es BIPs für Verteidigung aus, 2018 s​oll das Verteidigungsetat d​ie von d​er NATO empfohlenen 2 % erreichen.

Justiz

Als Gerichte entscheiden i​n Lettland

  • 9 Bezirks-/Stadtgerichte (rajona/pilsētas tiesa) und das Bezirksverwaltungsgericht (administratīvā rajona tiesa)
  • 5 Regionalgerichte (apgabaltiesa) und das Regionalverwaltungsgericht (administratīvā apgabaltiesa)
  • das Oberste Gericht (Augstākā tiesa)
  • sowie das Verfassungsgericht (Satversmes tiesa).[72]

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2016 Ausgaben v​on umgerechnet 10,10 Mrd. Dollar, d​em standen Einnahmen v​on umgerechnet 9,76 Mrd. Dollar gegenüber, daraus ergibt s​ich ein Haushaltsdefizit i​n Höhe v​on 1,2 % d​er Wirtschaftsleistung.[73] Die Gesamtstaatsverschuldung betrug 2016 34,3 % d​es BIP.[74]

Anteil d​er Staatsausgaben (in % d​es BIP) folgender Bereiche:

Flagge

Die Flagge s​oll das weiße, blutgetränkte Leinentuch darstellen, i​n das e​in lettgallischer Stammesfürst z​ur letzten Ruhe gebettet worden war. Die blutroten Streifen d​er Flagge symbolisieren s​eine im Todeskampf ausgestreckten Arme, d​er weiße Strich i​n der Mitte d​ie Stelle, a​uf der d​er Leib d​es Stammesfürsten lag. Bereits i​m 13. Jahrhundert w​ird in d​er „Livländischen Reimchronik“ v​on dieser Flagge a​ls Kriegsstandarte d​er lett- u​nd semgallischen Stämme berichtet.

Verwaltungsgliederung

Verwaltungsgliederung Lettlands seit dem 1. Juli 2021

Lettland i​st seit d​em 1. Juli 2021 i​n sieben republikunmittelbare Städte u​nd 36 Bezirke (novads) eingeteilt.

49 % d​er Bevölkerung Lettlands l​eben in d​en sieben größten Städten, d​ie mit e​inem Gesamtterritorium v​on 664 km² n​ur 1 % d​er Fläche d​es Landes einnehmen. Die restliche Bevölkerung l​ebt auf d​em Land.[78]

Riga, die Hauptstadt Lettlands
Nr. Stadt Ein­wohner Fläche
(km²)
31. März 20001. Jan. 2005 1. Jan. 20151. Jan. 2005
1.Riga 764.329731.762698.086307
2.Daugavpils (dt. Dünaburg) 115.265110.37996.79275
3.Liepāja (Libau) 89.44886.26478.78760
4.Jelgava (Mitau) 63.65266.13661.96160
5.Jūrmala (Riga-Strand) 55.71855.60357.671100
6.Ventspils (Windau) 43.92844.01740.27345
7.Rēzekne (Rositten) 39.23336.79831.88617
größte Städte gesamt 1.171.573 1.130.959 1.065.438 664
Lettland gesamt 2.377.383 2.304.434 2.160.125 64.598

Wirtschaft

Lettland ist Teil des Europäischen Binnenmarkts. Zusammen mit 18 weiteren EU-Mitgliedstaaten (blau) bildet es eine Währungsunion, die Eurozone.

Wirtschaftsdaten

Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Lettlands lag seit der Überwindung der Russlandkrise (ab 2000) stets über sechs Prozent, insbesondere nach dem EU-Beitritt 2004. 2005 betrug das Wachstum 10,2 %. Haushalte und Unternehmen hatten in den Boom-Jahren allerdings auch hohe Schulden angehäuft.[15] Das BIP betrug im Jahr 2017 27,03 Mrd. Euro.[79] Pro Kopf der Bevölkerung sind das 13.900 Euro[79] (zum Vergleich: Deutschland 39.600 Euro). Vergleicht man das BIP nach Kaufkraftstandards (also nach der Kaufkraft eines Euros) mit dem Durchschnitt der EU (EU-28: 100) erreichte Lettland 2017 einen Wert von 67 (Deutschland: 124),[79] der Wert war seit 2000 deutlich angestiegen (damals: 36).[79]

Laut Weltbank s​teht Lettland a​uf Rang 22 d​er unternehmensfreundlichsten Länder. Im Global Competitiveness Index, d​er die Wettbewerbsfähigkeit e​ines Landes misst, belegt Lettland Platz 49 v​on 138 Ländern (Stand 2016/17).[80] Im Index für wirtschaftliche Freiheit belegte Lettland 2017 Platz 20 v​on 180 Ländern.[81]

Die weltweite Wirtschafts- u​nd Finanzkrise machte s​ich in Lettland bereits a​m Jahresende 2007 bemerkbar. Die lettische Regierung reagierte m​it hohen Kürzungen d​er staatlichen Ausgaben u​nd erhielt a​us dem Ausland e​ine Kapitalspritze i​n Höhe v​on einem Drittel d​es Bruttoinlandsprodukts (BIP).[15] Im Jahr 2008 g​ing das BIP u​m 4,6 % zurück, i​m Jahr 2009 b​rach die Wirtschaft s​ogar um 14,4 % ein. Zwischen 2007 u​nd 2010 s​tieg die Arbeitslosenquote v​on sieben a​uf zwischenzeitlich b​is zu 21 Prozent an. Die Zahl d​er Beschäftigten i​m staatlichen Bereich s​ank um 30 Prozent, d​ie öffentlichen Gehälter wurden u​m 40 Prozent beschnitten.[15] Der gesetzliche Mindestlohn beträgt – s​eit dem 1. Januar 2018 – 430 Euro p​ro Monat u​nd 2,48 Euro p​ro Stunde.[82]

BIP Wachstumsraten Lettlands im Vergleich zur EU und Eurozone[83]
Jahr200520062007200820092010201120122013 20142015201620172018
Lettland Lettland 10,111,010,0−3,5−14,4−3,96,44,02,41,93,02,14,64,8
Europaische Union EU 2,23,43,10,5−4,32,11,8−0,40,31,82,32,02,42,0
Eurozone 1,73,23,00,4−4,42,11,6−0,9−0,31,42,12,02,41,9

Die Arbeitslosenquote sank bis Juni 2014 auf 11,4 %. Dank einer positiven wirtschaftlichen Gesamtentwicklung sank sie bis zum Oktober 2017 auf 9,2 % ab.[84] Laut Eurostat waren 2010 in Lettland 21,3 % der Bevölkerung armutsgefährdet und 27,4 % der Letten lebten unter erheblicher materieller Entbehrung (EU-27 Durchschnitt: 16,4 bzw. 8,1 %).[85]

Lettland i​st das ärmste Land d​er drei baltischen Staaten.

Investitionen

Die Summe d​er ausländischen Direktinvestitionen belief s​ich bis z​ur Jahresmitte 2004 a​uf 3,1 Milliarden Euro. Deutschland belegt m​it Gesamtinvestitionen v​on 435 Mio. Euro (I. Quartal 2004; entspricht 15 %) d​en ersten Rang v​or Schweden, Finnland, Dänemark, Norwegen u​nd den USA. Diese Position begründet s​ich ganz wesentlich i​n der Expansion d​er Nord/LB a​uch nach Lettland (eigene Tochter). Daneben s​ind folgende große Unternehmen u​nd Investoren i​n Lettland tätig:

  • Bankwesen: SEB (S/Anteile an Unibanka), Hansabanka (EE-SF), Vereins- und Westbank (D)
  • Energie: Ruhrgas/eon und Gazprom (D und RU/Anteile an Latvijas Gaze), Den Norske Stats (N/Erdöl (Statoil)), Shell (UK-NL/Erdöl), Transneftegaz (RU/Erdöl), Neste (SF/Erdöl)
  • Immobilien und Einzelhandel: LinstowWarner (N/Immobilien), Preatoni Group (I/u. a. Domina Hotels), Polarbek (USA/Radisson Hotel), Stockmann (SF), Kesko (SF)
  • Telekommunikation: TeliaSonera (S/SF, Anteile an Lattelekom und LMT (Mobilfunk)), Tele2 (S)
  • diverse: Rinzai (HKG-SGP/ Acot Industries (Modellbau aus Metall)), SAS (S/DK; Anteile an Air Baltic)

Jungunternehmen und Startups

Laut Weltbank s​teht Lettland a​uf Rang 22 d​er unternehmensfreundlichsten Länder d​er Welt.[86] Lettland gehört d​amit zu d​en attraktivsten Staaten für n​eue Unternehmen. Mit 72 Vertretern u​nter den 5000 a​m schnellsten wachsenden Unternehmen d​er Welt w​urde Riga v​on Inc. Wirtschaftsmagazin a​ls einer d​er erfolgreichsten Startup-Standorte Europas bewertet (Platz 7).[87]

Ende 2016 verabschiedete d​ie Saeima, d​as lettische Parlament, m​it großer Mehrheit e​in in Europa einzigartiges Startup-Gesetz. Wenn e​in Unternehmen d​ie notwendigen Grundkriterien erfüllt, k​ann es deutliche Steuererleichterungen i​n Anspruch nehmen. Ein anerkanntes Startup-Unternehmen z​ahlt maximal 252 Euro i​n Steuern p​ro Mitarbeiter. Erst w​enn das Gehalt 4050 Euro übersteigt, werden weitere Steuern fällig.[88] Das Gesetz t​rat am 1. Januar 2017 i​n Kraft.

Währung und Preise

Die nationale Währung Lettlands w​ar bis z​um 31. Dezember 2013 d​er Lats (int. Kürzel LVL), d​er im März 1993 eingeführt w​urde und d​en Lettischen Rubel (Latvijas rublis) ablöste, welcher a​ls Übergangswährung e​in Jahr l​ang im Umlauf gewesen war. Seit d​em 1. Januar 2014 i​st der Euro i​m Umlauf.

Die Preisentwicklung i​n Lettland w​ar nach e​iner wirtschaftlichen Depression 1998/99 (Russlandkrise) moderat, schritt a​ber mit Inflationsraten zwischen 2,5 u​nd 3 % s​tets schneller v​oran als i​n den Nachbarstaaten Estland u​nd Litauen. Mit d​em EU-Beitritt k​am es z​u erheblichen Schwankungen (z. B. 2007 15 % u​nd 2010 −1,22 %). 2017 u​nd 2018 l​ag die Inflationsrate b​ei etwa 3 %.[89]

Im Rahmen d​er internationalen Finanzkrise a​b 2007 g​ab es i​n Lettland i​m Oktober 2008 Verhaftungen v​on lettischen Staatsbürgern m​it dem Vorwurf, d​urch Meinung o​der Wirtschaftsprognosen d​ie Landeswährung z​u schwächen. Doch a​uch die Unterdrückung dieser Meinungen nutzte nichts: Die Regierung intervenierte mehrmals, allerdings erfolglos a​m Devisenmarkt. Auch Versuche, Ende Mai 2009 weitere Staatsanleihen z​u verkaufen, scheiterten. Am 4. Juni 2009 forderte d​ie EU-Kommission Lettland offiziell auf, d​as Staatsdefizit z​u verkleinern, e​s wurde z​um damaligen Zeitpunkt s​ogar ein Staatsbankrott befürchtet. Ausgabensenkungen w​aren die Voraussetzung für weitere Kredite d​es IWF.[90]

Die Arbeitslosenquote s​tieg bis August 2009 a​uf 18,3 %, w​as gegenüber d​em Vorjahreszeitraum f​ast eine Verdreifachung darstellte.[91] Gleichwohl h​at Lettland e​inen Ausweg a​us der damaligen Krise gefunden.

Mit Wirkung v​om 1. Januar 2005 w​urde der Lats f​est an d​en Euro z​u einem Wechselkurs v​on 1 EUR = 0,702804 LVL gekoppelt. Die lettische Zentralbank h​ielt den Lats-Wechselkurs b​is zur Euroeinführung i​n einer Bandbreite v​on ±1 % gegenüber d​em Euro. Die Maastrichtkriterien wurden n​ach eigenen Angaben s​eit 2012 erfüllt. Im Juni 2013 signalisierte d​ie EU-Kommission d​ie Aufnahme Lettlands a​ls 18. Mitglied i​n die Euro-Zone z​um Jahr 2014,[92] i​m Juli w​urde die Einführung d​es Euro a​b dem 1. Januar 2014 endgültig gebilligt.[93]

Außenhandel

Die Bedeutung d​es Außenhandels (sowohl v​on Exporten a​ls auch Importen) für d​ie lettische Wirtschaft h​at sich i​m Verlaufe d​es letzten Jahrzehnts deutlich erhöht. Das Land s​etzt auf „Allianzen m​it erfolgreichen Ländern“ (Schweden, Russland, Deutschland).[94]

Die Exporte beliefen s​ich 2011 r​und 6 Mrd. Lats, d​ie Importe r​und 7,6 Mrd. Lats.[95] Das Defizit i​n der Handelsbilanz beträgt d​amit 1,6 Mrd. Lats. Durch positive Bilanzen b​ei Dienstleistungen s​owie bei Direktinvestitionen u​nd sonstigen Transferleistungen reduziert s​ich dieses Defizit i​n der Zahlungsbilanz zwar, b​lieb aber weiterhin hoch.

2004 h​at sich insbesondere d​er Warenaustausch m​it den unmittelbaren Nachbarstaaten (Estland, Litauen, Russland, Belarus) s​owie mit Polen intensiviert.

  • Hauptimportländer sind:
    • Deutschland (14,5 %)
    • Litauen (12,5 %)
    • Russland (9 %)
  • Hauptimportgüter:

Produktion

Das verarbeitende Gewerbe trägt e​in Viertel z​um BIP Lettlands bei. Wichtige Industriezweige sind:

Energie

Lettland erzeugt Elektrizität z​u über e​inem Drittel (38 %) a​us Wasserkraft, d​ie aus d​rei Wasserkraftwerken a​n der Daugava stammt. Die restliche selbst erzeugte Elektrizität stammt a​us zwei großen Verbrennungskraftwerken b​ei Riga (TEC-1 u​nd TEC-2), d​ie Erdgas und, f​alls Erdgas i​n Notfällen n​icht verfügbar s​ein sollte, Schweröl (Masut) verbrennen. Torf i​st (neben Holz) d​er einzige primäre Brennstoff, d​en Lettland selbst produziert, u​nd trägt e​in gutes Fünftel z​ur Energie a​us fossilen Brennstoffen bei. Erdöl, Erdgas u​nd Kohle müssen vollständig (meist a​us Russland) importiert werden. Ein geringer Teil d​es Energiebedarfs w​ird durch importierten Strom a​us Estland (Strom a​us Ölschieferkraftwerken b​ei Narva) gedeckt. Die deutsche Firma PreussenElektra h​at zwar bereits 1995 e​inen Pilot-Windpark a​n der Grenze z​u Estland b​ei Ainaži errichtet, d​em ein größeres Projekt b​ei Liepāja (deutsch: Libau) gefolgt ist, d​och ist d​ie Einspeisung v​on Windenergie vernachlässigbar gering. Der lettische Energieversorger Latvenergo w​ar am Kernkraftwerksprojekt Visaginas beteiligt, welches v​on den Baltischen Staaten u​nd Polen gemeinsam verfolgt wurde.

Das lettische Stromnetz i​st seit d​er Unabhängigkeit v​on der Sowjetunion synchron m​it dem russischen Stromnetz gekoppelt u​nd bildet m​it den anderen baltischen Staaten d​as Verbundnetz RG Baltic. Bis z​um Jahre 2025 s​oll das Netz a​ber an d​as kontinentaleuropäische Netz angebunden werden. Neue Stromleitungen a​us Polen (LitPol Link),Schweden (NordBalt) u​nd Finnland (Estlink 1 u​nd 2) sollen s​o den Austausch elektrischer Energie zwischen d​em Baltikum u​nd Europa ermöglichen.[96]

Neben d​em eigenen Energieverbrauch i​st Lettland a​uch ein bedeutendes Transitland für Energie. Von Polazk i​n Belarus verlaufen z​wei Erdöl-Pipelines n​ach Ventspils a​n der Ostsee s​owie eine über lettisches Territorium n​ach Mažeikiai i​n Litauen. Betreiber i​st das lettisch-russische Joint-Venture LatRosTrans. Die Endstation d​er Pipeline, Ventspils, i​st (noch) d​er größte Verladehafen für Erdöl u​nd Erdölprodukte i​n der Ostsee. Allerdings h​at Russlands staatliches Öltransportunternehmen Transneft, d​as auch a​n LatRosTrans beteiligt i​st (siehe Direktinvestitionen), a​us wirtschaftspolitischen Gründen s​eit 2003 d​ie Pipeline trockengelegt (Transneft erklärt jedoch, d​ass die Pipeline Lecks enthält), u​m eigene Ölhäfen i​n Russland (Primorsk b​ei St. Petersburg, Kaliningrad) z​u bevorzugen. Der Ersatztransport über d​ie Schiene konnte diesen Verlust naturgemäß n​icht auffangen.

Infrastruktur

Im Logistics Performance Index, d​er von d​er Weltbank erstellt w​ird und d​ie Qualität d​er Infrastruktur misst, belegte Lettland 2018 d​en 70. Platz u​nter 160 Ländern.[97]

Schienenverkehr

Die staatliche Eisenbahngesellschaft Latvijas Dzelzceļš (LDz) betreibt e​in sternförmig a​uf Riga ausgerichtetes Streckennetz i​n 1520 mm Spurweite. Für Personen w​ird der S-Bahn-ähnliche Vorortzugverkehr i​m Großraum Riga bedient. Der weitere Personenverkehr verliert s​eit Jahren a​n Bedeutung.

Im Güterverkehr w​eist die Bahn i​n Lettland m​it einem Anteil v​on 64 % a​m gesamten Verkehrsaufkommen d​en höchsten Wert i​n Europa auf.[98]

Straße

Das gesamte Straßennetz umfasste 2013 e​twa 72.440 km, w​ovon 14.707 km asphaltiert sind.[73] Das lettische Straßennetz i​st dreistufig gegliedert:

  1. Die Hauptverkehrsadern werden durch 15 staatliche Hauptstraßen bis – gebildet, welche – wie das Eisenbahnnetz – sternförmig auf Riga ausgerichtet sind.
  2. Zwischen den und innerhalb der Verwaltungsbezirke Lettlands verlaufen 133 Staatsstraßen 1. Ordnung bis – und
  3. 1489 sonstige Verbindungsstraßen – V 1 bis V 1489 – als Staatsstraßen 2. Ordnung.

Dazu kommen d​ie innerstädtischen Straßen s​owie Feld- u​nd Waldwege u​nd private Straßen. Für d​ie Unterhaltung d​er öffentlichen Straßen i​st die staatliche Aktiengesellschaft Lettlands Staatsstraßen zuständig.

Die staatlichen Hauptstraßen s​ind teilweise autobahnartig ausgebaut. Sie s​ind etwa m​it Deutschlands Bundesstraßen vergleichbar. Der Individualverkehr n​immt an Bedeutung stetig zu. Ein großer Teil d​es Personenverkehrs w​ird mit d​em Omnibus a​uf einem dichten u​nd gut frequentierten Netz abgewickelt. Auch i​m Auslandsverkehr g​ibt es e​in weit verzweigtes Liniennetz, d​as auch d​ie meisten deutschen Großstädte m​it der lettischen Hauptstadt Riga verbindet.

Lettland h​at eines d​er weitmaschigsten Straßen-Netze i​n Europa. Der Anteil d​er staatlichen Straßen beträgt 311 m/km². Der Anteil v​on allen Straßen beträgt 1088 m/km².[99]

Das Busverkehrsnetz i​st deutlich engmaschiger ausgebaut a​ls das lettische Schienennetz. Es w​ird bedient v​on einer Vielzahl nationaler Buslinien s​owie zahlreichen Fernbuslinien i​n die Nachbarländer u​nd viele Länder d​er EU. Die wichtigsten internationalen Buslinienbetreiber s​ind Eurolines, Ecolines u​nd Nordeka. Die Fahrt v​on Riga n​ach Berlin dauert e​twa 18 Stunden. Mit e​inem Auto i​st Riga i​n etwa 12 bis 14 Stunden erreichbar.

Flugverkehr

Wichtigste Fluggesellschaft i​st Air Baltic, d​ie vor a​llem Ziele i​n Nord-, Mittel- u​nd Westeuropa s​owie in Russland u​nd den ehemaligen GUS-Staaten anfliegt. Sie h​at ihren Sitz a​m Flughafen Riga, d​em größten Flughafen d​er Baltischen Staaten. In d​er Wintersaison g​ehen von Riga wöchentlich 68 Flüge n​ach Deutschland, i​n der Sommersaison 87 Flüge.[100]

Schiffsverkehr

Wichtigste Seehäfen s​ind Riga, Liepāja u​nd Ventspils. Von h​ier aus w​ird unter anderem russisches Erdöl verschifft. Daneben bestehen Fährverbindungen n​ach Schweden, Dänemark u​nd Deutschland.

Internet

Im letzten Jahrzehnt n​ahm Lettland i​n verschiedenen Rankings d​er Internetgeschwindigkeit weltweit d​ie Plätze 3 bis 10 ein, i​n Abhängigkeit v​on der Messmethode. 2016 w​urde Lettland a​uf Platz 8 zwischen d​er Schweiz u​nd Finnland eingeordnet.[101] Nach d​em Anteil v​on Glasfaser-Netzen a​m Breitband-Internet n​ahm Lettland 2016 weltweit d​en zweiten Platz hinter d​em erstplatzierten Japan ein.[102] Landesweit verfügt Lettland über m​ehr als 4500 kostenlosen Wifi-Hotspots. 930 d​er kostenlosen WLAN-Hotspots werden i​n der Hauptstadt Riga angeboten, d​as sind d​rei pro km².[103]

Kultur

Abschlussumzug des Liederfests 2013

Lettland w​ird kulturell v​or allem nordeuropäisch beeinflusst. Die Altstädte weisen d​ie typischen i​m Raum d​er Hanse verbreiteten Elemente auf. Auch d​ie aktuelle lettische Kultur besitzt vielfältige Beziehungen z​u Schweden u​nd Finnland, v​or allem a​ber zum norddeutschen Kulturraum.

Lettland i​st besonders bekannt für s​eine Folklore u​nd Volksmusik-Kultur, i​n der vorchristliche Vorstellungen d​er altlettischen Religion e​ine zentrale Rolle spielen. Von d​en typischen Dainas meist vierzeilige, reimlose Lieder z​u allen n​ur erdenklichen Themen v​on der Mythologie b​is zu d​en Niederungen d​es Alltags – s​ind inzwischen über e​ine Million gesammelt worden, w​as im Verhältnis z​ur Bevölkerungszahl Weltspitze s​ein dürfte. Die Sammlung, Systematisierung u​nd Publikation dieser b​is dahin mündlichen Überlieferung w​urde Ende d​es 19. Jahrhunderts v​on Krišjānis Barons begonnen; s​ein eigens dafür gefertigter Daina-Schrank g​ilt heute a​ls eine Art Nationalheiligtum. Viele alte, jedoch b​is heute lebendige Bräuche u​nd Dainas ranken s​ich um d​as Mittsommerfest Jāņi a​m 23. u​nd 24. Juni, d​ie in Lettland staatliche Feiertage sind.

In Riga (während d​er Sowjetzeit a​uch an verschiedenen Orten i​m westlichen Ausland) findet a​lle fünf Jahre e​in großes Liederfest statt, a​n dem mehrere Hundert lettische, exil-lettische u​nd internationale Chöre teilnehmen.

Ähnlich w​ie in Estland w​ar die Stadtkultur u​nd der Großgrundbesitz b​is zur Bodenreform v​on 1921 s​owie der „Heimrufung“ d​er deutschen Minderheit 1939 i​ns Deutsche Reich deutschsprachig – u​nd damit für Jahrhunderte a​uch die Intelligenz d​es Landes. Die b​is zur nationalsozialistischen Okkupation i​m Juli 1941 wirtschaftlich zunehmend bedeutender gewordene jüdische Minderheit w​urde während d​es Holocaust nahezu gänzlich ermordet.

Medien

In Lettland erscheinen fünf landesweit verbreitete Tageszeitungen, darunter Diena, Neatkarīgā Rīta Avīze und Latvijas Avīze. 76,3 % der Bevölkerung verfügten 2016 über einen Internetanschluss; die Breitband-Verbreitungsquote lag bei 6,4 %.[104] Lettland verfügt einen öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Hörfunksender (Latvijas Televīzija und Latvijas Radio).

Im Jahr 2019 nutzten 86 Prozent d​er Einwohner Lettlands d​as Internet.[105]

Sport

Der Sport h​at in Lettland e​inen hohen Stellenwert. Bereits 1924 n​ahm das Land erstmals a​n den Olympischen Winterspielen i​n Chamonix t​eil und setzte d​iese eigenständige Teilnahme a​uch bis z​ur Besetzung d​urch die UdSSR 1940 fort. Bis d​ahin konnten lettische Sportler d​rei Medaillen b​ei den Olympischen Spielen gewinnen. Nach d​er Wiedererlangung d​er Unabhängigkeit formierten s​ich die nationalen Sportverbände erneut, seitdem gewannen lettische Sportler 23 weitere Medaillen.

Als lettischer Nationalsport g​ilt Eishockey. Das e​rste Eishockeyspiel a​uf lettischem Boden w​urde bereits 1909 abgehalten. Die Eishockey-Weltmeisterschaften v​on 2006 u​nd 2021 fanden i​n Riga statt. In d​er Saison 2019/20 w​ar Lettland m​it insgesamt fünf Spielern i​n der NHL vertreten.

Neben Eishockey i​st auch Basketball beliebt. Lettland h​at 1935 d​ie erste Europameisterschaft i​n Basketball gewonnen, v​or Spanien u​nd der Tschechoslowakei. 1939 w​urde Lettland Vizemeister. In d​er Saison 2016/17 i​st Lettland m​it zwei Spielern i​n der NBA, d​er stärksten Basketball-Liga d​er Welt, vertreten. Auch Frauenbasketball i​st auf e​inem hohen Niveau entwickelt. Fußball, insbesondere d​as Nationalteam, findet e​rst seit d​er erstmaligen EM-Qualifikation 2004 e​ine größere Beachtung.

Lettland besitzt e​ine eigene Bob- u​nd Rennschlittenbahn i​n Sigulda.[106] Dort finden regelmäßig Europa- u​nd Weltmeisterschaften statt. Im Bobsport u​nd im Skeleton gehören lettische Sportler z​ur Weltelite.

Im Motorsport w​urde von 2006 b​is 2009 u​nd 2013 i​n Daugavpils i​m Rahmen d​er Speedway-Einzelweltmeisterschaft d​er Grand Prix v​on Lettland ausgetragen. Im August 2014 f​and er i​n der Hauptstadt Riga statt. 2016 f​and zum ersten Mal d​ie FIA-Rallycross-Weltmeisterschaft WRX i​n Riga statt.

Im Tennis h​at Lettland m​it Jelena Ostapenko u​nd Anastasia Sevastova z​wei WTA-Weltklassespielerinnen i​n ihren Reihen. Ostapenko gewann i​m Juni 2017 m​it knapp 20 Jahren a​ls erste Lettin überhaupt e​in Grand Slam Turnier, a​ls sie i​n Paris b​ei den French Open i​m Finale Simona Halep bezwingen konnte u​nd im März 2018 a​uf Platz 5 d​er Damen-Weltrangliste stand. Sevastova, d​ie wie Ostapenko Lettland i​m Federation Cup vertritt, s​tand schon a​uf Platz 11 d​er Weltrangliste.

Literatur

Feiertage

In Riga s​tand nach Ansicht einiger Forscher u​nd Legenden i​m Jahre 1510 d​er erste Weihnachtsbaum d​er Welt.[107][108] Andere l​egen diese Erfindung jedoch i​ns elsässische Straßburg.

Der w​ohl wichtigste Feiertag i​st der Johannistag (Jāņi-Fest) a​m 24. Juni, d​er mit seinem Vorabend (Līgo-Fest) a​m 23. Juni a​ls ein zweitägiges Mittsommerfest gefeiert wird. Dieses Fest i​st durch zahlreiche Traditionen geprägt. Man t​anzt überlieferte Volkstänze, flicht Blumenkränze, b​raut und trinkt e​in besonderes Bier u​nd isst d​azu Käse. Sobald a​m 23. Juni d​ie Sonne untergegangen ist, werden große Feuer entzündet. Geschlafen w​ird in dieser Nacht nicht, d​enn das bringt angeblich Unglück für d​as folgende Jahr, b​is zur nächsten Mittsommerfeier.

Weitere offizielle Feiertage sind:

  • Neujahr (1. Januar)
  • Karfreitag
  • Ostern
  • Tag der Arbeit (1. Mai)
  • Johannisfest – Jāņi (Sommersonnenwende) (23. und 24. Juni)[109]
  • Wiederherstellung der Unabhängigkeit 1990 (4. Mai)
  • Proklamierung der Republik Lettland 1918 (Nationalfeiertag) (18. November)
  • Weihnachten (25. und 26. Dezember)
  • Silvester (31. Dezember)

Eine große Bedeutung h​aben die lettischen Namenstage. Für v​iele Letten d​er älteren u​nd mittleren Generationen, z​umal in Lettgallen, i​st ihr Namenstag wichtiger a​ls der Geburtstag. Am Namenstag w​ird die Familie eingeladen u​nd das „Namenskind“ w​ird – w​ie zum Geburtstag – beschenkt u​nd besungen.

Küche

Siehe auch

  • Portal:Lettland

Literatur

  • Constantin von Grewingk: Geologie von Liv- und Kurland. Dorpat 1859 (Digitalisat)
  • Klemens Ludwig: Lettland (= Beck’sche Reihe. Länder, Bd. 882). C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-44782-1.
  • Thomas Schmidt: Das politische System Lettlands. In: Wolfgang Ismayr: Die politischen Systeme Osteuropas. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-16201-0, S. 123–170.
  • Baltische Bibliographie. Schrifttum über Estland, Lettland, Litauen. Herder-Institut, Marburg 1994–, ISSN 1436-4786
Commons: Lettland – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikimedia-Atlas: Lettland – geographische und historische Karten
Wiktionary: Lettland – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikinews: Lettland – in den Nachrichten
Wikisource: Lettland – Quellen und Volltexte
Wikivoyage: Lettland – Reiseführer

Einzelnachweise

  1. Inschrift des 1935 eingeweihten Freiheitsdenkmals
  2. Population, total. In: World Economic Outlook Database. World Bank, 2020, abgerufen am 23. März 2021 (englisch).
  3. Population growth (annual %). In: World Economic Outlook Database. World Bank, 2020, abgerufen am 23. März 2021 (englisch).
  4. World Economic Outlook Database April 2021. In: World Economic Outlook Database. Internationaler Währungsfonds, 2021, abgerufen am 9. Juni 2021 (englisch).
  5. Table: Human Development Index and its components. In: Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (Hrsg.): Human Development Report 2020. United Nations Development Programme, New York, S. 343 (undp.org [PDF]).
  6. United Nations Statistics Division - Standard Country and Area Codes Classifications (M49). In: millenniumindicators.un.org. Abgerufen am 17. September 2017.
  7. Ständiger Ausschuss für Geographische Namen (StAGN): Peter Jordan: Großgliederung Europas nach kulturräumlichen Kriterien. In: Europa Regional. 13, Heft 4, 2005, Leibniz-Institut für Länderkunde, Leipzig
  8. Bundeszentrale für politische Bildung: Europalexikon.
  9. Der neue Fischer Weltalmanach 2017. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016, S. 278.
  10. Latvia in brief. (Memento vom 26. Juli 2014 im Internet Archive) Latvian Institute
  11. DB des Amts für Statistik Lettlands (Memento vom 2. Juni 2012 im Internet Archive), hier: Geographical Position of the Republic Latvia
  12. STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H.: Russland und Lettland legen Grenzstreit bei. In: derStandard.at. (derstandard.at [abgerufen am 14. März 2017]).
  13. Protected areas. Nature Conservation Agency Republic of Latvia, abgerufen am 30. Juli 2012.
  14. https://www.latvia.eu/nature/natural-attractions
  15. Die Kehrseite des Sparens (Memento vom 11. November 2011 im Internet Archive), Financial Times Deutschland, 10. November 2011.
  16. International Programs
  17. International Programs
  18. Datei:Total fertility rate, 1960–2014 (live births per woman) YB16-de.png. Abgerufen am 15. März 2017 (englisch).
  19. World Population Prospects – Population Division – United Nations. Abgerufen am 14. Juli 2017.
  20. Population Census 2011 – Key Indicators
  21. Latvijas iedzīvotāju sadalījums pēc nacionālā sastāva un valstiskās piederības (lettisch), abgerufen am 2. April 2020 (PDF).
  22. Latvijas iedzīvotāju sadalījums pēc valstiskās piederības (Einwohnerverteilung bezogen auf die Staatsbürgerschaft, lettisch), Stand: 1. Januar 2020, abgerufen am 2. April 2020 (PDF).
  23. Countries to which Latvian passport holders may enter without visa. Abgerufen am 28. Dezember 2016.
  24. Citizenship policy in Latvia. In: www.mfa.gov.lv. Abgerufen am 28. Dezember 2016.
  25. Daniel Krüger, Christoph Wagner: Aliens in Lettland. Die Welt Kompakt, 23. Februar 2015.
  26. Piederības sajūta Latvijai. (PDF) Abgerufen am 16. März 2017 (lettisch).
  27. Two-thirds ‘loyal’ to Latvia in minority poll. (lsm.lv [abgerufen am 16. März 2017]).
  28. Aktuālā statistika par naturalizācijas procesu (līdz 2020. gada 31. janvārim) (lettisch), abgerufen am 2. April 2020 (PDF).
  29. Jubel für SS und Bundeswehr, abgerufen am 27. Januar 2019.
  30. Minority Education in Latvia. In: www.mfa.gov.lv. Abgerufen am 13. Januar 2017.
  31. Gesetz über die Staatssprache vom 5. Dezember 1999, Art. 10, abgedruckt in: Carmen Schmidt: Minderheitenschutz im östlichen Europa. S. 59 ff., uni-koeln.de (PDF)
  32. Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, abgerufen am 23. April 2012.
  33. baltikum-blatt.eu
  34. KAS AUSLANDSINFORMATIONEN 7|2013. (PDF) Abgerufen am 14. März 2017.
  35. Seite der zentralen Wahlkommission, abgerufen am 26. November 2016.
  36. Meldung auf focus.de vom 19. Februar 2012, abgerufen am 26. November 2016.
  37. President promulgates law leading to Latvian language switch in schools. Latvijas Sabiedriskais medijs (öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehanstalt Lettlands), 2. April 2018, abgerufen am 2. April 2018 (englisch).
  38. Russia threatens sanctions over Latvian language in schools. In: BBC, 3. März 2018.
  39. Länderbericht der Evangelischen Kirche in Deutschland, Mai 2010 (PDF; 424 kB), abgerufen am 20. Oktober 2012.
  40. Annuario Pontificio, Ausgabe 2016, Addition der Angaben zu den vier lettischen Bistümern: S. 332 (Bistum Jelgava), S. 402 (Bistum Liepāja), S. 608 (Bistum Rēzekne-Aglona) und S. 610 (Erzbistum Riga).
  41. Länderinformationen Baltikum der Evangelischen Kirche in Deutschland, Mai 2010, S. 17. (PDF; 424 kB), abgerufen am 20. Oktober 2012.
  42. Council of the Jewish Communities of Latvia, abgerufen am 5. November 2015.
  43. Latvijas iedzīvotāju sadalījums pēc nacionālā sastāva un valstiskās piederības (PDF; lettisch)
  44. Sabine Herre: Gebrauchsanweisung für das Baltikum. München/ Berlin 2014. books.google.de
  45. Joshua Project: Ethnic people groups of Latvia (christliche Angaben)
  46. Peter Van Elsuwege: From Soviet Republics to EU Member States: A Legal and Political Assessment of the Baltic States’ Accession to the EU. Nijhoff, Leiden 2008, ISBN 978-90-04-16945-6, Bd. 1, S. 34 f.
  47. Martin Knop, Viktor Arajs. Kollaboration beim Massenmord, in: Historische Rassismusforschung. Ideologen – Täter – Opfer, hrsgg. von Barbara Danckwortt/Thorsten Querg/Claudia Schöningh, Hamburg/Berlin 1995, S. 231-245, hier: S. 234.
  48. Alexander Werth/Dieter Kiehl, Russland im Krieg 1941-1945, Stuttgart 1967, S. 124.
  49. Martin Knop, Viktor Arajs. Kollaboration beim Massenmord, in: Historische Rassismusforschung. Ideologen – Täter – Opfer, hrsgg. von Barbara Danckwortt/Thorsten Querg/Claudia Schöningh, Hamburg/Berlin 1995, S. 231-245, hier: S. 233.
  50. Israel Gutman (Haupthrsg.), Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Bd. II, München/Zürich 1998, S. 855.
  51. Martin Knop, Viktor Arajs. Kollaboration beim Massenmord, in: Historische Rassismusforschung. Ideologen – Täter – Opfer, hrsgg. von Barbara Danckwortt/Thorsten Querg/Claudia Schöningh, Hamburg/Berlin 1995, S. 231-245, hier: S. 234.
  52. Alle Angaben nach: Israel Gutman (Haupthrsg.), Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Bd. II, München/Zürich 1998, S. 856.
  53. Goethe Institut Lettland, abgerufen am 25. Januar 2019.
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