Birobidschan
Birobidschan (russisch Биробиджа́н, jiddisch ביראָבידזשאַן) ist mit 75.413 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010)[1] die Hauptstadt der Jüdischen Autonomen Oblast im Föderationskreis Fernost, Russland. Sie liegt am Amur-Zufluss Bira 172 km westlich der Großstadt Chabarowsk.
Stadt
Birobidschan
Биробиджан
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Liste der Städte in Russland |
Geschichte
Gegründet 1915 unter dem Namen Tichonkaja (Тихонькая) und am 28. März 1928 unter Stalin mit dem Status einer Siedlung städtischen Typs versehen, wurde der Ort 1931 in Birobidschan umbenannt.[2] 1937 wurden die Stadtrechte verliehen.
Der Name Birobidschan leitet sich von den beiden Flüssen Bira (ewenk. für Fluss) und Bidschan (Lagerplatz) ab, die in dieser Gegend zusammenfließen. Die Stadt hat einen Bahnhof an der Transsibirischen Eisenbahn.
Bevölkerungsentwicklung
Jahr | Einwohner |
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1939 | 29.648 |
1959 | 40.667 |
1970 | 55.724 |
1979 | 68.630 |
1989 | 83.667 |
2002 | 77.250 |
2010 | 75.413 |
Anmerkung: Volkszählungsdaten
Medien
In der Stadt erscheint u. a. seit 1930 täglich außer am Samstag und Sonntag die jiddischsprachige Zeitung Birobidschaner Schtern, früher in zwei Ausgaben in russischer und jiddischer Sprache, seit einigen Jahren nur noch als zweisprachige Ausgabe.[3] Sie gehört zu den rund 100 jiddischsprachigen Medien weltweit. Während der Sowjetzeit wurde eine Zeitschrift herausgegeben, die sich Najlebn (= „Neuleben“ bzw. „Neuanfang“) nannte und neue Siedler anlocken sollte. In Najlebn wurden u. a. Gedichte von Oleksandr Bejderman veröffentlicht. In Birobidschan wird auch ein Radioprogramm auf Jiddisch ausgestrahlt.
Jüdisches Leben
Aufgrund der Emigration von Juden nach Israel und Europa leben nur noch wenige Juden in Birobidschan.[4] In Schulen wird neben Russisch auch in Jiddisch unterrichtet. Die dort noch lebenden Juden gaben bei einer Umfrage, warum sie Jiddisch lernen wollen, an, dass dies die Sprache ihrer Ahnen sei und dass diese bewahrt werden müsse. Dennoch gaben über 80 % Russisch als ihre Muttersprache an. Das jüdische Kammermusiktheater und ein jiddisches Theater haben sich bis heute erhalten.[5] Die Menschen in Birobidschan leben vorwiegend von der Landwirtschaft und von der Arbeit in industriellen Betrieben (z. B. Schuh- und Strumpf-Fabriken, Landmaschinenbau Dalselmasch).
Synagoge
In der Sowjetunion wurde die Religionsausübung erschwert und war zeitweise mit Risiken verbunden. Trotzdem versammelten sich gläubige Juden seit der Gründung der Oblast regelmäßig in Privathäusern zu Gottesdiensten. Die Gemeinde hatte allerdings lediglich einen Kantor und keinen Rabbiner zur Verfügung.[6]
Die letzte Synagoge brannte im Jahr 1950 nieder. Erst in den 1980er Jahren wurde bei einer Aufbauaktion zu Ehren des 50-jährigen Jubiläums Birobidschans eine Synagoge in einem Holzhaus eingeweiht. Die alten Juden, denen ihre Religion noch vertraut gewesen war, lebten zum Großteil nicht mehr. Die Synagoge wurde von einem jüdischen Mann und mehreren älteren Frauen zum Gebet genutzt. Sie verehrten allerdings Jesus und waren Anhängerinnen der Siebenten-Tags-Adventisten.[7]
In den 1990er-Jahren wurde eine neu erbaute Synagoge eröffnet. Seit einigen Jahren lehrt dort der aus Israel zugezogene Rabbiner Mordechai Scheiner (alternative Schreibweise Mordechai Sheiner). Die Gemeinde hat unter anderem eine Jugendorganisation, die sich Chaverim nennt.
Weiterführende Bildungseinrichtungen
- Pädagogische höhere Lehranstalt
- Staatliches Pädagogisches Institut Birobidschan
Söhne und Töchter der Stadt
- Wladimir Kusnezow (* 1963), Gewichtheber[8]
- Yoel Razvozov (* 1980), israelischer Judoka und Politiker
Klimatabelle
Birobidschan | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Birobidschan
Quelle: Roshydromet |
Siehe auch
Literatur
- Die große Politik in der kleinen Welt von Birobidschan. Wahlkampf im Jüdischen Autonomen Gebiet in Russlands Fernem Osten. In: NZZ, 24. November 2007, Internationale Ausg. S. 6.
- Antje Kuchenbecker: Zionismus ohne Zion. Birobidžan: Idee und Geschichte eines jüdischen Staates in Sowjet-Fernost. Metropol Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-932482-20-4.
- Matthias Messmer: Stalins utopisches Jerusalem. In: NZZ, 10. Oktober 2013, S. 45.
- Robert Weinberg: Birobidshan. Stalins vergessenes Zion. Illustrierte Geschichte 1928–1996. Neue Kritik, 2003, ISBN 978-3-8015-0367-3.
Weblinks
- Offizielle Website der Stadtverwaltung (russisch)
- Geschichte der Stadt in der „Elektronischen Jüdischen Enzyklopädie“ (russisch)
- Birobidschan auf mojgorod.ru (russisch)
- Regionalredaktion Birobidschan des Fernsehsenders Rossija 1 (russisch)
- Fotos aus der Frühphase der jüdischen Besiedlung. Meeting of Frontiers
- Schematische Karte von Birobidschan und Umgebung (russisch)
- Schematische Karte von Birobidschan (russisch)
Einzelnachweise
- Itogi Vserossijskoj perepisi naselenija 2010 goda. Tom 1. Čislennostʹ i razmeščenie naselenija (Ergebnisse der allrussischen Volkszählung 2010. Band 1. Anzahl und Verteilung der Bevölkerung). Tabellen 5, S. 12–209; 11, S. 312–979 (Download von der Website des Föderalen Dienstes für staatliche Statistik der Russischen Föderation)
- Matthias Messmer: Stalins utopisches Jerusalem. In: Neue Zürcher Zeitung (online). 30. Oktober 2013, abgerufen am 6. Juli 2018.
- Birobidzhaner Shtern (Memento vom 10. Mai 2011 im Internet Archive) bzw. dessen jiddischer Teil (Memento vom 13. Mai 2011 im Internet Archive).
- Antje Kuchenbecker: Kein Ort zum Bleiben. In: Die Zeit, Nr. 41/1993.
- Birobidschan. hagalil.com; abgerufen 15. Januar 2012.
- Robert Weinberg: Birobidshan. Stalins vergessenes Zion.
- Gary Matoso, Lisa Dickey: The last Jews of Birobidzhan. (Memento vom 6. August 2007 im Internet Archive)
- Как раньше писали про тяжёлую атлетику, shtanga.kcn.ru, 1. Juni 2004 (russisch)