Hans-Joachim Frey
Hans-Joachim Frey (* 10. Juni 1965 in Gehrden) ist ein deutscher Kulturmanager, der in Österreich, Deutschland, Russland und Belarus tätig ist. Er war von 1997 bis 2007 Künstlerischer Betriebsdirektor und Operndirektor (ab 2003) an der Semperoper in Dresden und 2007 bis 2010 Intendant am Theater Bremen. Von 2013 bis 2017 war er in der europäischen Kulturhauptstadt in Linz/Österreich als Vorstandsdirektor und Künstlerischer Leiter der LIVA tätig, dort war er u. a. für das Brucknerhaus, das Internationale Brucknerfest und die Klangwolke verantwortlich.[1] Zudem war er 2006 Gründer und ist seitdem 1. Vorsitzender und Künstlerischer Gesamtleiter des Semperopernballs in Dresden. Darüber hinaus ist er vielfach kulturell engagiert, etwa in Gesangs- und Instrumentenwettbewerben sowie in kulturwissenschaftlichen Organisationen. Frey ist der Neffe von Armin Mueller-Stahl.[2]
Leben und Karriere
Jugend und Ausbildung
Frey entstammt einer ursprünglich aus Ostpreußen stammenden Familie. Er besuchte die Schule in Hannover. Er erhielt Klavierunterricht und nahm sechs Jahre lang Unterricht im Kirchenorgelspiel, den er mit der Ablegung der C-Organistenprüfung abschloss. Im Alter von acht Jahren trat er dem Knabenchor Hannover bei, dem er zehn Jahre angehörte. 1984 absolvierte er das Abitur in seiner Heimatstadt. Nachfolgend leistete er seinen Wehrdienst ab.
Im Anschluss begann er an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg ein Gesangsstudium. Gleichzeitig belegte er den Studiengang Musiktheaterregie bei Götz Friedrich. 1989 inszenierte er in Zusammenarbeit mit der Hamburgischen Staatsoper als Studienprojekt Die Fledermaus von Johann Strauss. Während der Studienzeit trat er als Sänger für Oper und Konzert auf. Zudem war er Regieassistent in Hamburg und Stockholm und brachte fünf weitere eigene Inszenierungen an Studiotheatern in Rostock und Detmold auf die Bühne. In der Folge schrieb er sich in den neuen Hochschulstudiengang Kulturmanagement bei Hermann Rauhe und Peter Ruzicka ein.
1990 erhielt er den Diplomabschluss in (Musiktheater)-Regie und 1993 den Diplomabschluss als Kulturmanager.
Frühe Theaterarbeit
Nach dem Abschluss des Studiums arbeitete Frey ab 1993 als Künstlerischer Betriebsdirektor am Thüringer Landestheater in Eisenach und anschließend ab 1995 in derselben Funktion am Theater Bremen.
Zeit in Dresden
Im Mai 1997 wurde Frey als künstlerischer Betriebsdirektor der Sächsischen Staatsoper Dresden an der Semperoper verpflichtet. Dort betrieb er eine Internationalisierung der Sängerpolitik. Als im August 2002 die Semperoper in Folge des Hochwassers der Elbe geschlossen werden musste, initiierte er mit Harry Kupfer die Inszenierung Carmen – eine Version nach Georges Bizet in der Gläsernen Manufaktur von VW am Rande des Großen Gartens. Das Stück wurde dort einen Monat lang dargeboten, bevor am Stammhaus der Staatsoper 2002 die Spielzeit 2002/2003 aufgenommen werden konnte. Im Sommer 2003 wurde Frey zum Operndirektor ernannt. Unter seiner Leitung wurde Anfang 2006 nach 67-jähriger Unterbrechung anlässlich der 800-Jahr-Feier der Stadt der Dresdner Opernball wieder eingeführt.
Im April 2007 wurde er aus seinem Amt an der Semperoper verabschiedet.
Intendant in Bremen
Am Theater Bremen löste Frey am 1. August 2007 den 13 Jahre amtierenden Intendanten Klaus Pierwoß ab. Ein seine Amtszeit begleitender Prozess sollte die Neuaufstellung des Theaters als ganzheitliche Kulturmarke über die Bühne hinaus sein. Während der Intendanz Frey ging das Theater Bremen eine Kooperation mit der Kulturkirche St. Stephani ein, die unter anderem Theaterpredigten zu bestimmten Stücken beinhaltete. Zusätzlich wurde im Rangfoyer des Theater am Goetheplatz die Theatergalerie Bremen etabliert, in der Kunstwerke von GABO, Armin Mueller-Stahl, Anna Thalbach, Christian Ludwig Attersee und Ai Wei Wei präsentiert wurden. Als Highlight entwickelte er das Konzept der 2500 Zuschauer fassenden Seebühne Bremen auf dem ehemaligen Gelände der AG Weser, auf der im Sommer eine Woche lang eine Opernaufführung zu sehen war. Dort inszenierte er Der Fliegende Holländer (2008), Aida (2009) und Turandot (2010).
Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Frey die Produktion des Musicals Marie Antoinette von Michael Kunze und Sylvester Levay angekündigt. Dieses wurde von Januar bis Mai 2009 im Musicaltheater Bremen mit Mitteln des Bremer Theaters aufgeführt und zum „Musical des Jahres“ 2009 gewählt. Die Produktionskosten beliefen sich auf 5,8 Mio. Euro. Statt der erwarteten 120.000 Zuschauer besuchten nur 90.000 die Vorstellungen.
Im August 2010 beendete Frey begleitet von kritischen Äußerungen[3][4][5] und auf eigenen Wunsch seine Intendanz in Bremen.
Von 2011 bis Ende 2012 war er alleiniger 1. Geschäftsführer der von ihm gegründeten LaValse GmbH Berlin.
Künstlerischer Leiter der LIVA in Linz
Von Januar 2013 bis November 2017 war er künstlerischer Leiter und Vorstandsdirektor der Veranstaltungsgesellschaft LIVA in Linz. Er war verantwortlich für das Brucknerhaus, das Internationale Brucknerfest, die „Klangwolken“ sowie den Posthof, und gehörte damit zum Aufsichtsrat der Ars Electronica. 2017 kritisierte der Kontrollbericht der Stadt Linz seine Arbeit.[6] Frey kündigte daraufhin an, sein Engagement nicht fortsetzen zu wollen und stattdessen nach Sotschi zu wechseln. Seinen Vertrag wollte er bis Ende 2017 erfüllen.[7][8] Im November 2017 beendete Frey seine Tätigkeit bei der LIVA.[9]
Leiter des Kultur- und Festivalzentrums im russischen Sotschi
2018 wurde Hans-Joachim Frey Leiter des neuen Kultur- und Festivalzentrums in Sotschi in Russland. Die Moskauer Kammeroper Boris Pokrowski wurde mehrfach zum Brucknerfestival in Linz eingeladen.[10] Freys Beziehungen zu Russland[11] beruhen auf langjährigen internationalen Kontakten zu Putin[12][13][14] und zum Cellisten und Putin-Vertrauten Sergei Roldugin.[15]
Gala und Events
2010 richtete er für das Mariinski-Theater in Sankt Petersburg die Operngala anlässlich der 150-Jahr-Feier aus. Im September 2011 fand am Moskauer Bolschoi-Theater der internationale Gesangswettbewerb Competizione dell’ Opera unter Freys Leitung statt. Damit wurde dieser Gesangswettbewerb erstmals außerhalb Deutschlands durchgeführt. Dieser Wettbewerb fand dann auch 2012 am Bolschoi-Theater in Minsk (Belarus) statt. Im Jahr 2011 wurde eine von Frey organisierte Gala zum Jubiläum der 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Dresden und Sankt Petersburg unter der musikalischen Leitung von Wladimir Jurowski am Michailowski-Theater aufgeführt. Im Oktober 2013 produzierte er die Eröffnungsgala des Neuen Opernhauses der Region Primorje in Wladiwostok, dem drittgrößten Operntheater in Russland.
Regie
Im Jahr 2011 inszenierte er Zar und Zimmermann als russische Erstaufführung an der Moskauer Kammeroper Boris Pokrowski. 2012 inszenierte Frey in Ulan-Ude und Irkutsk Der fliegende Holländer am Baikalsee. Dieselbe Oper hat er zum Internationalen Opernforum am Staatlichen Akademischen Bolschoi-Theater Belarus in Minsk inszeniert. Diese Produktion erhielt als beste Operninszenierung der Saison 2013/14 den internationalen Kulturpreis der Republik Belarus. Im Oktober 2014 inszenierte er Così fan tutte am Staatstheater in Ulan-Ude, im April 2015 folgte Tosca in Wladiwostok, 2016 Ariadne auf Naxos an der Moskauer Kammeroper Boris Pokrowski.[16]
Weitere Aktivitäten
Frey erhielt verschiedene Lehraufträge für Kulturmanagement, so an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, der Hochschule für Künste Bremen und der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. 2011 hatte er eine Gastprofessur am Seoul Arts College in Korea inne.
2003 gründete Frey gemeinsam mit Kajo Schommer das Internationale Forum für Kultur und Wirtschaft in der Villa Tiberius in Dresden, daher auch Forum Tiberius. Unter der Schirmherrschaft Schommers führte Frey den Opernball aus, den er später als Schirmherr und Direktor des Semper Opernball e.V. selbständig organisiert.
In den Jahren 2003, 2005, 2007 und 2009 belebte er in Kooperation mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden den Klavierwettbewerb „Anton G. Rubinstein“ wieder, dessen Abschlusskonzert 2009 in der Semperoper stattfand, sowie den 2004 vom Forum Tiberius ausgetragenen Internationalen Kompositionswettbewerb in der Gläsernen Manufaktur.
2010 schied Hans-Joachim Frey als Vorstandssprecher aus.
Seit 2003 führt er den internationalen Gesangswettbewerb Competizione dell’ Opera der italienischen Oper fort, den 2001 und 2002 die Dresdner Musikfestspiele in Kooperation mit der Semperoper in Dresden gründeten.
- ehemaliges Mitglied im künstlerischen Beirat des Knabenchores Hannover
- seit 2009 Mitglied im Kuratorium des Dresdner Kreuzchores
- seit 2005 Schirmherr des Musikvereins Dippoldiswalde
- Mitglied der Daetz-Stiftung (siehe Daetz-Centrum)
- seit 2014 Berater des Generaldirektors am Bolschoitheater in Moskau
- 2018 nominiert für den Aufsichtsrat der „Kreativität, Kultur & Veranstaltungen der Stadt Linz Holding GmbH“ (KKV)[17]
Kontroversen
Naomi Campbell musste 2015 laut Urteil des Bundesgerichtshofes für einen nur wenige Minuten dauernden Auftritt beim SemperOpernball nicht entlohnt werden. Das ursprünglich vereinbarte Honorar betrug 55.930 Euro. Hans-Joachim Frey hatte das Engagement nach eigenen Angaben am Tag davor abgesagt. Campbell betrat die Bühne nur für wenige Minuten bei der Entgegennahme des St. Georgs-Ordens.[18]
Der Verleihung des St. Georg-Ordens an den ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah as-Sisi im Rahmen des SemperOpernballs 2020 folgte heftige Kritik in Öffentlichkeit und Politik[19]. Frey lobte as-Sisi als „Friedensstifter“, „Mutmacher“ und „Stimme Afrikas“[20]. Darüber, wer konkret die Entscheidung darüber traf, den Goldorden an as-Sisi zu verleihen, schwieg Frey „aus Staatsschutzgründen“[21]. Bereits mit vergangenen Preisträgern des St.-Georgs-Ordens hatte Ballchef Frey irritiert. So erhielt auch Russlands Staatschef Wladimir Putin den Orden.
Veröffentlichungen
- mit Jürgen Helfricht: Russland lieben lernen. Einblicke in eine Welt-Kulturnation. Husum-Verlag, Husum 2. Auflage 2019, ISBN 978-3-89876-910-5.
Literatur
- Jürgen Helfricht: Der Dresdner Semper–Opernball. Saxophon-Verlag, Dresden 2014, ISBN 978-3-943444-36-0.
- Jürgen Helfricht: Der Dresdner SemperOpernball. Die schönste Nacht des Jahres. Husum-Verlag, Husum 2020, ISBN 978-3-89876-995-2.
- Martin Morgenstern: Eine Dresdner Bilanz. In: Musik in Dresden, 2012
Einzelnachweise
- Brucknerhaus bahnt sich da ein Kulturskandal an Salzburger Nachrichten vom 11. April 2016
- ORF.at (Kultur) - Hans-Joachim Frey neuer Brucknerhaus-Chef (mit Auszügen von Vita und Werdegang, abgerufen am 23. September 2011)
- Schulden aus der Ära Frey jetzt amtlich. In: Weser-Kurier vom 25. November 2010.
- Elisabeth Richter: Glückloser Intendant – Hans-Joachim Frey scheitert am Bremer Theater. In: Deutschlandradio Kultur vom 6. Februar 2010.
- Zweite Chance für einen gescheiterten – Chopin, Herr Frey. In taz.de
- Brucknerhaus: Bahnt sich da ein Kulturskandal an? Salzburger Nachrichten vom 11. April 2016.
- Frey zieht es nach Russland. nachrichten.at Linz vom 14. Dezember 2016.
- Brucknerhaus-Chef Frey verlässt Linz in Richtung Sotschi. Salzburger Nachrichten vom 12. Oktober 2016.
- LIVA-Direktor Frey geht: Linz war „wunderbar“. ORF.at
- Hajo Frey wechselt ans Schwarze Meer und baut an einem Kultur-Olympia (Memento des Originals vom 25. Dezember 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. nachrichten.at vom 12. Oktober 2016.
- Hajo Frey: Mein neues Leben in Moskau. Bild vom 9. Juli 2016.
- Orden für Wladimir Putin empört Bürgerrechtler Berliner Morgenpost vom 16. Januar 2009.
- / Wladimir, Angela und der heilige Georg (Memento des Originals vom 20. Dezember 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Sächsische Zeitung vom 17. Januar 2009.
- Dresdner Opernball: Putin bekommt Orden für den „Kampf für das Gute“. derwesten vom 15. Januar 2009.
- Brucknerhaus: Russisch-linzerische Freundschaft. Die Presse vom 16. Mai 2016.
- Ariadne auf Naxos (Memento des Originals vom 25. Oktober 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. der opernfreund vom September 1916.
- Oberösterreichische Nachrichten: FPÖ nominiert Frey für Linzer Aufsichtsrat. (nachrichten.at [abgerufen am 24. März 2018]).
- Kein Geld für Kurzauftritt für Naomi Campbell. In: zeit.de, 11. Februar 2019.
- mdr.de: Orden für Ägyptens Präsident - Semperoper distanziert sich von Semperopernball | MDR.DE. Abgerufen am 28. Januar 2020.
- Warum bekommt ein Diktator den Semperopernball-Orden? Abgerufen am 28. Januar 2020.
- Dukaten-Orden für Diktator - Staatskanzlei segnete Preis-Verleihung ab! Abgerufen am 28. Januar 2020.
Weblinks
- Offizieller Internetauftritt des Internationalen Forums für Kultur und Wirtschaft (Forum Tiberius)
- Offizieller Internetauftritt des internationalen Klavierwettbewerbes „Anton G. Rubinstein“
- Offizieller Internetauftritt des „Internationalen Kompositionswettbewerbes für den Raum der Gläsernen Manufaktur“