Britisches Territorium im Indischen Ozean
Das Britische Territorium im Indischen Ozean (englisch: British Indian Ocean Territory) ist ein britisches Überseegebiet, das heute nur noch den Chagos-Archipel umfasst.
British Indian Ocean Territory | |||||
Britisches Territorium im Indischen Ozean | |||||
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Wahlspruch: In tutela nostra Limuria (Latein) In unserer Obhut ist Lemuria | |||||
Amtssprache | Englisch | ||||
Regierungssitz | London | ||||
Staatsoberhaupt | Königin Elisabeth II. | ||||
Regierungschef | Kommissar Ben Merrick | ||||
Fläche | 63,17 km² | ||||
Einwohnerzahl | ca. 3500 (nur Militär) | ||||
Währung | de jure: Pfund Sterling (GBP) | ||||
Nationalhymne | God Save the Queen | ||||
Zeitzone | UTC+6 | ||||
ISO 3166 | IO, IOT, 086 | ||||
Internet-TLD | .io | ||||
Telefonvorwahl | +246 | ||||
Gemeinsamer Postcode: BB9D 1ZZ | |||||
Geographie
Der Archipel besteht aus sieben Atollen mit rund 60 größtenteils unbewohnten kleinen Inseln. Er liegt bei 6° 0′ S, 71° 30′ O . Die größte Insel ist Diego Garcia im gleichnamigen Atoll. Die übrigen Atolle sind die Great Chagos Bank, der größte Atollkomplex der Erde (mit Nelsons Island, Danger Island, Eagle Islands und Three Brothers), Peros Banhos, die Salomon Islands, die Egmont Islands sowie ferner das Blenheim Reef und die Speakers Bank, die nur bei Niedrigwasserstand die Wasseroberfläche erreichen und keine Inseln aufweisen.
Die Inseln verteilen sich über ein Seegebiet von 54.400 Quadratkilometern. Alle Inseln zusammen haben eine Fläche von etwa 60 Quadratkilometern.
Flora und Fauna
Der zum Territorium gehörende Chagos Archipelago ist eines der am besten geschützten tropischen Inselsysteme. Die Inseln bieten Lebensraum für viele Arten, vor allem Seevögel. Die Inseln besitzen zehn Important Bird Areas (IBA), einschließlich des Barton Point Reserve auf Diego Garcia, welches die weltweit größte Population von Rotfußtölpeln (Sula sula) beheimatet.
Bevölkerung
Die Bewohner der Inseln, die Îlois oder Chagossianer, wurden ab 1966 zwangsumgesiedelt und leben seither in Mauritius sowie auf den Seychellen und in Großbritannien. Die Inseln sind heute bis auf einen Militärstützpunkt auf der Insel Diego Garcia, den Großbritannien gemeinsam mit den USA betreibt, unbewohnt.
Geschichte
Die Inselgruppe steht seit 1814 unter britischer Hoheit.[2]
Die britische Regierung trennte 1965 den Chagos-Archipel von der Kronkolonie Mauritius (die drei Jahre später in die Unabhängigkeit entlassen wurde) sowie die Atolle Aldabra, Farquhar und Desroches von der Kronkolonie Seychellen. Aus diesen vier Inselgruppen bildete sie am 8. November 1965 eine eigene Verwaltungseinheit, das Britische Territorium im Indischen Ozean. Hintergrund war, dass Großbritannien und die USA die Inseln militärisch nutzen wollten und sie deshalb der Selbstverwaltung Mauritius’ bzw. der Seychellen entzogen und stattdessen der direkten britischen Kontrolle unterstellt werden sollten. Der Gouverneur der Seychellen übernahm in Personalunion das Amt des Bevollmächtigten für das BIOT. Das Territorium wurde von Victoria, der Hauptstadt der Seychellen, aus verwaltet.[3]
1966 erwarb Großbritannien die in Privatbesitz befindlichen Kopra-Plantagen und verpachtete den gesamten Archipel für fünfzig Jahre an die USA; in der Folge wurden die etwa 1200 Einwohner nach Mauritius und auf die Seychellen zwangsumgesiedelt. Die US-Amerikaner errichteten ab 1971 auf der größten Insel Diego Garcia einen Militärstützpunkt, der zum Sperrgebiet erklärt wurde.
Nach der Unabhängigkeit der Seychellen 1976 wurden Aldabra, Farquhar und Desroches zurückgegeben, sodass einzig der Chagos-Archipel im Territorium verblieb.
Von den sieben Atollen des Archipels dürfen nur die im Norden auf 5,3 Grad südlicher Breite gelegenen Salomon Islands besucht werden. Dieses Atoll besteht aus elf kleinen Inseln, von denen Boddam mit 2200 × 500 Metern die größte ist. Bis 1965 wohnten hier etwa 400 Einheimische.
Die ehemaligen Inselbewohner kämpfen bis heute vor britischen Gerichten um ihr Recht auf Rückkehr. 1998 erhoben die Îlois vor einem britischen Gericht eine Klage auf Entschädigung und das Recht auf Rückkehr. Im Jahr 2000 erklärte der High Court of Justice die Deportationen für illegal und gestand den Deportierten das Recht auf Rückkehr zu, was aber folgenlos blieb. Im Jahr 2004 erließ Königin Elisabeth II. namens der Regierung eine Order-in-Council, die die Chagossianer aus ihrer Heimat verbannt. Im Mai 2006 erklärte der High Court of Justice diese Order-in-Council aus dem Jahr 2004 aber für rechtswidrig. Dies wiederum wurde von der Regierung angefochten und an den Court of Appeal verwiesen. Im Mai 2007 entschied der Court of Appeal zugunsten der Îlois. Die britische Regierung legte gegen das Urteil wiederum Berufung ein.[4] Am 22. Oktober 2008 gab das House of Lords der britischen Regierung recht und verbot die Rückkehr der Einwohner auf die Insel.[5] Dagegen wurde Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben.[6] Ende 2012 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass er keine Jurisdiktion über die Sache der Chagossianer habe.[7] Anfang 2013 haben die Chagossianer Klage beim Ständigen Schiedshof in Den Haag gegen das Vereinigte Königreich eingereicht.[8]
Im April 2006 konnte eine Gruppe von 100 Chagossianern auf Kosten des British Foreign Office den Chagos-Archipel besuchen.[9]
Im April 2012 wurde eine internationale Petition an die Vereinigten Staaten eingereicht, um das Weiße Haus darum zu bitten, den Fall der Chagossianer zu überprüfen. Eine offizielle Antwort wurde auf der Petitionsseite des Weißen Hauses veröffentlicht. Darin wird die Zuständigkeit für den Fall der Chagossianer an das Vereinigte Königreich verwiesen.[10]
Der Pachtvertrag mit den USA über den Chagos-Archipel wurde 2016 bis einschließlich 2036 verlängert.
Mauritius erhebt bis heute Gebietsansprüche auf das gesamte Territorium. Am 23. Juni 2017 entschied die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 94 zu 15 Stimmen, den Fall dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorzulegen.[11] Wie am 25. Februar 2019 bekannt wurde, entschied der Internationale Gerichtshof in einem völkerrechtlich nicht bindenden Gutachten, dass die britische Herrschaft illegal und der rechtmäßige Verwalter Mauritius sei. Laut Abdulqawi Ahmed Yusuf, dem Präsidenten des Gerichts, sei es Großbritanniens Pflicht, sich so schnell wie möglich von der Insel zurückzuziehen.[12]
Politik und Regierung
Das Territorium wird von einem Kommissar (Commissioner) und einem Verwalter (Administrator) im Außenministerium des Vereinigten Königreiches in London verwaltet. Da die Bevölkerung nur aus Militär des Vereinigten Königreiches und der USA besteht, gibt es keine Wahlen und keine Zivilverwaltung auf den Inseln.
Wirtschaft
Das nach Landfläche größte Atoll Diego Garcia ist bis 2036[13] an die USA verpachtet, die es ausschließlich militärisch beziehungsweise geheimdienstlich nutzen. Da fast nur US-Militär stationiert ist, wird der US-Dollar als Währung verwendet. Briefmarken werden dennoch in Britischen Pfund ausgegeben.
Obwohl das Territorium praktisch nur aus einem Militärstützpunkt besteht, erschien es in der offiziellen Handelsbilanz von Osttimor 2008 und 2009[14] als neuntgrößtes Ziel von osttimoresischen Ausfuhren. 2009 exportierte der südostasiatische Staat 249,6 Tonnen Kaffee im Wert von 142.320 US-Dollar in das Britische Territorium im Indischen Ozean.[15]
Literatur
- Robert Scott: Limuria. The Lesser Dependencies of Mauritius. Oxford University Press, London 1961 (englisch).
- David Vine: Island of Shame. The Secret History of the U.S. Military Base on Diego Garcia. Princeton University Press, Princeton/Oxford 2009, ISBN 978-1-4008-2997-2 (englisch).
- Jörg Kronauer: "Ah, jetzt, ja, eine Insel!" ... London weigert sich, schon weil die USA dort einen großen Militärstützpunkt eingerichtet haben. Konkret, 9, September 2019, S. 21–23
Weblinks
- Christoph Neidhart: Die Insel der Schande. In: Tages-Anzeiger. Zürich, 7. September 2010.
- CIA World Factbook: Britisches Territorium im Indischen Ozean (englisch)
Einzelnachweise
- Flags of the World: Chagossians (British Indian Ocean Territory), abgerufen am 28. Dezember 2018.
- Vytautas Blaise Bandjunis. Diego Garcia. Creation of the Indian Ocean base. Writer's Showcase, San Jose 2001, ISBN 0-595-14406-3, S. 6.
- U.S. Department of State, Bureau of Intelligence and Research (Hrsg.): Commonwealth of Nations. 1968, S. 15–16, Eintrag British Indian Ocean Territory.
- Times Online article on history and struggle for justice (englisch, LogIn erforderlich).
- Britain blocks return home for Chagos Islanders. In: The International Herald Tribune. 22. Oktober 2008 (englisch, online auf nytimes.com [abgerufen am 14. Mai 2017]).
- Marc Engelhardt: Vertrieben aus dem Paradies. In: taz.de. 29. Januar 2009, abgerufen am 3. Oktober 2016.
- Chagos Islanders against the United Kingdom. Entscheidung der Vierten Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. In: HUDOC database. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 11. Dezember 2012, abgerufen am 3. Oktober 2016 (englisch).
- Owen Bowcott, John Vidal: Britain faces UN tribunal over Chagos Islands marine reserve. In: The Guardian. Guardian News & Media Ltd., 28. Januar 2013, abgerufen am 3. Oktober 2016 (englisch).
- In pictures: Chagossians’ visit. In: BBC News. 10. April 2006, abgerufen am 3. Oktober 2016 (englisch).
- The U.S. Government Must Redress Wrongs Against the Chagossians. (Nicht mehr online verfügbar.) In: petitions.whitehouse.gov. 5. März 2012, archiviert vom Original am 9. Dezember 2016; abgerufen am 17. Februar 2020 (englisch, Petition auf We the People mit Antwort der U.S.- Regierung).
- U.N. Asks International Court to Weigh In on Britain-Mauritius Dispute - New York Times
- Chagos-Archipel: Großbritannien soll Inselparadies räumen. In: Spiegel Online. 25. Februar 2019 (spiegel.de [abgerufen am 25. Februar 2019]).
- Mark E. Rosen: Is Diego Garcia at Risk of Slipping from Washington’s Grasp? In: The National Interest. 19. September 2017, abgerufen am 4. März 2018 (englisch).
- External Trade Statistics – Annual Report 2008. (PDF; 774 kB) Table 5: Exports by Major Trading Partners (2008). Direcção Nacional de Estatística Timor-Leste, S. 19, abgerufen am 14. Mai 2017 (englisch).
- External Trade Statistics – Annual Report 2009. (PDF; 1,37 MB) Table 7: Coffee Exports by Country of Destination (2009). Direcção Nacional de Estatística Timor-Leste, S. 22, abgerufen am 14. Mai 2017 (englisch).