Baltische Staaten
Als baltische Staaten werden drei in Nordosteuropa gelegene Staaten bezeichnet (Auflistung von Norden nach Süden):
Staat | Fläche [km²] | Einwohner[1][2][3] (Stand: Jan. 2019) | Bevölkerungsdichte [Einw./km²] | Hauptstadt |
---|---|---|---|---|
Estland | 45.339 | 1.323.824 | 29 | Tallinn |
Lettland | 64.589 | 1.934.379 | 30 | Riga |
Litauen | 65.300 | 2.794.000 | 43 | Vilnius |
Gesamt | 175.228 | 6.179.084 | 35 |
Die drei Staaten grenzen an die Ostsee. Während Baltikum für die geografische Region steht, ist baltische Staaten ein politischer Oberbegriff. In der Zwischenkriegszeit wurde auch Finnland zu den baltischen Staaten gezählt.[4]
Die baltischen Staaten wurden nach dem Ersten Weltkrieg unabhängig vom damaligen Russischen Reich, wurden aber 1940 von der Sowjetunion annektiert und erlangten erst 1991 erneut ihre Eigenständigkeit.
Geschichte
Diese deutsche Begriffsbildung hat ihren Ursprung in der deutschen Ostsiedlung des Mittelalters. Russland übte zwar seit dem 18. Jahrhundert die dominierende politische Macht in seinen Ostseeprovinzen und ehemaligen Gebieten von Schweden und Polen-Litauen aus, konnte jedoch nicht verhindern, dass sich die deutschsprachige Bevölkerung als eine Art Oberschicht herausbildete. Diese war bis Ende des Ersten Weltkrieges auch die wirtschaftlich und gesellschaftlich dominierende Bevölkerungsgruppe. Daneben bevölkerten noch die russischen, einheimischen Bevölkerungsgruppen und Menschen jüdischen Glaubens das Baltikum.
Als die Region im Ersten Weltkrieg durch deutsche Truppen besetzt war, wurden die Einflüsse der russischen Oktoberrevolution von 1917 in den baltischen Staaten konsequent unterdrückt.
Der Friedensvertrag von Brest-Litowsk brachte den baltischen Staaten die politische Selbständigkeit. Die deutsche Oberschicht dominierte zunächst weiterhin. Erst mit der Niederlage Deutschlands 1918 ging die vollständige Staatsverwaltung an die Bevölkerungsmehrheiten der Staaten über. Diese konnten sich 1919 nur mit Hilfe der deutschen Freikorps (sogenannte Ostsee-Division) unter General Rüdiger Graf von der Goltz dem Angriff der sowjetrussischen Truppen erwehren. Nach anfänglichem Misstrauen der Regierungen entwickelte sich insbesondere in Estland eine enge antisowjetische Zusammenarbeit der deutschen und estnischen Geheimdienste.
Diese langjährige Zusammenarbeit wurde durch den Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 durch die deutsche Seite beendet, da die Absteckung der Interessensphären durch die Sowjetunion und Deutschland die baltischen Staaten dem sowjetischen Einflussbereich überließ.
Mit der Parole „Heim ins Reich“ wurde zur Jahreswende 1939/40 die deutsche Bevölkerung zunächst in die Provinz Posen und später ins Kernland verschoben. Aus diesen Reihen setzte sich später innerhalb der Wehrmacht ein Großteil der für Spezialaufgaben eingesetzten Division Brandenburg zusammen, dies aufgrund der exzellenten Russischkenntnisse.
Im Frühjahr 1940 besetzte die Rote Armee die drei baltischen Staaten. Teile der Bevölkerung wurden in Massendeportationen in das Innere der Sowjetunion und in Arbeitslager gebracht. Die einsetzende Russifizierung wurde im Sommer 1941 durch den deutschen Überfall auf die Sowjetunion unterbrochen. Teile der Bevölkerung empfingen anfangs aufgrund der vorherrschenden antisowjetischen Stimmung freudig die deutschen Truppenverbände und waren im Weiteren kooperationsbereit. Vor allem die jüdische Bevölkerung der baltischen Staaten wurde bis 1944/45 fast vollständig durch den nationalsozialistischen Massenmord deportiert und vor allem im von Deutschland besetzten Polen ermordet, dies teils unter Mithilfe der baltischen Bevölkerung. Aus den einheimischen Gegnern der Sowjetunion rekrutierte die Waffen-SS Soldaten. Vielen war jedoch klar, dass nur die eine Besetzung einer anderen Platz gemacht hatte. Nach der Wiedereroberung der drei Staaten durch die Sowjetarmee nahm Stalin an der Bevölkerung grausame Vergeltung und setzte die Russifizierung im größeren Ausmaß als zuvor durch.
Der Widerstand durch Untergrundorganisationen, v. a. sogenannte Waldbrüder, hielt zwar nach der erneuten Besetzung durch die Rote Armee noch einige Jahre an. Britische und US-amerikanische Kommandounternehmen versuchten nach dem Zweiten Weltkrieg mit Hilfe ehemaliger deutscher Kriegsmarine-Soldaten und von ihnen übernommenen Schiffen diese Untergrundkämpfer zunächst zu unterstützen und brachten später einige Angehörige außer Landes. Ab 1952 wurde der Widerstand durch bessere Kenntnis der sowjetischen Behörden geschwächt und nach dem Tod Stalins durch eine Amnestie größtenteils liquidiert.
Die drei baltischen Staaten nahmen im Dezember 1991 an der Gründung der GUS nicht teil, da sie sich nicht auf die Tradition der drei 1940 gegründeten Sowjetrepubliken beriefen, sondern als Fortsetzung der 1918–20 unabhängig gewordenen Staaten verstanden. Sie hatten daher alle bereits im Laufe des Vorjahres die Wiederherstellung ihrer Unabhängigkeit erklärt.
Seit 2004 sind die baltischen Staaten Mitglieder der Europäischen Union sowie der NATO.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Statistikamt Estland, Datenbankanfrage, 21. Juni 2018
- Population, population change, and key vital statistics, Central Statistical Bureau of Latvia, abgerufen am 16. Februar 2019.
- Lietuvoje 2,8 mln. (Verslo žinios)
- George Maude. „Aspects of the Governing of the Finns“, Peter Lang, 2010, p. 114.
Literatur
- Norbert Angermann, Karsten Brüggemann: Geschichte der baltischen Länder. Philipp Reclam jun., Ditzingen 2018, ISBN 978-3-15-011167-3.
- Michael Garleff: Die baltischen Länder: Estland, Lettland, Litauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Pustet, Regensburg 2001, ISBN 3-7917-1770-7.
- Boris Meissner (Hrsg.): Die baltischen Nationen : Estland, Lettland, Litauen, herausgegeben vom Arbeitskreis für Nationalitäten- u. Regionalprobleme in der Sowjetunion, Ostmittel- und Südosteuropa in Verbindung mit der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde und der Südosteuropa-Gesellschaft. Markus, Köln 1990, ISBN 3-87511-041-2 (Nationalitäten- und Regionalprobleme in Osteuropa, Band 4).
Georg von Rauch: Geschichte der baltischen Staaten (1914–1944), 3. Auflage, dtv, München 1990, ISBN 3-423-04297-4. - Alexander Schmidt: Geschichte des Baltikums. Von den alten Göttern bis zur Gegenwart. 3. erweiterte Auflage, Piper, München/Zürich 1999, ISBN 3-492-21518-1.
Weblinks
- vifanord – Virtuelle Fachbibliothek Nordeuropa und Ostseeraum