Westliche Welt
Die Begriffe westliche Welt, der Westen, westliche Hochkultur oder auch Abendland (Okzident) können je nach Kontext verschiedene Bedeutungen haben. Der Begriff des „Westens“ bzw. des „Abendlandes“ entstand als Gegenüber zum „Morgenland“, das Luther in seiner Bibelübersetzung zuerst gebrauchte, und wurde von Kaspar Hedio 1529 in die deutsche Sprache eingeführt.[1] Während der Begriff ursprünglich die westeuropäische Kultur bezeichnete, wird er heute meistens auf gemeinsame Werte der Nationen in Europa und Nordamerika bezogen, die Bürger- und Menschenrechte garantieren, nach westlichen Werten wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit, Individualismus und Toleranz leben und die liberale Demokratie praktizieren. Die Gesellschaftssysteme der westlichen Welt beruhen auf dem Wirtschaftssystem der Marktwirtschaft mit freier Lohnarbeit und sind historisch vom Christentum, später jedoch maßgeblich von der Aufklärung geprägt. Dazu gehören auch die sprachlich und kulturell eng verwandten früheren Kolonien wie Lateinamerika oder Australien, deren ethnische Identität und dominierende Kultur von Europa abgeleitet wurden.
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Historische Einteilungen
Um zu definieren, was typisch für die westliche Gesellschaft und Kultur ist, muss man den Kontext verstehen. Die Definitionen von Westen unterscheiden sich je nach Zeit und Kontext. Es ist nicht immer klar, welche Definition benutzt wird.
Hellenisch
Die hellenische Unterscheidung zwischen Griechen und Barbaren nimmt die Trennung in Ost und West vorweg. Man unterschied zwischen der griechisch sprechenden Kultur des Hauptlands Griechenland, der ägäischen und ionischen Küste sowie Magna Graecia in Süditalien und den umgebenden nicht-griechischen Kulturen des Perserreiches, der Phönizier und Ägypten. Die Einteilung kann man bis zum Trojanischen Krieg zurückverfolgen, der traditionell von 1194 bis 1184 v. Chr. datiert wird. Sofern er eine historische Basis hatte, wurde der Konflikt zwischen den Achaiern und den nicht-griechischen Trojanern im Westen Anatoliens ausgetragen. Die Griechen betrachteten die Perserkriege des frühen 5. Jahrhunderts v. Chr. als Konflikt zwischen Ost und West.
Römisches Reich
Der Mittelmeer-Raum wurde von den Römern vereint, aber es blieben Unterschiede zwischen der westlichen Hälfte des Reiches, in der hauptsächlich Latein gesprochen wurde, und der urbanisierten östlichen Hälfte, wo Griechisch die Lingua franca war. Im Jahre 286 teilte der römische Kaiser Diokletian das römische Reich in zwei Regionen auf, von denen jede von einem Augustus und einem Caesar (der Tetrarchie) verwaltet wurden. Die westliche Reichshälfte transformierte sich am Ende des 5. Jahrhunderts zu mehreren germanisch-romanischen Reichen, die die Grundlage für die weitere staatliche Entwicklung Westeuropas wurden. Das heute byzantinisch bezeichnete Kaisertum im Osten hielt sich bis zum Ende des Mittelalters.
Christentum
Im 4. Jahrhundert war das Christentum zur Staatsreligion im Römischen Reich geworden. Im Westen überdauerte die kirchliche Organisation vielerorts den Verfall der staatlichen Organisation am Ende der Antike und blieb über die Grenzen der frühmittelalterlichen germanischen Nachfolgestaaten hinweg bestehen. Die Führung dieser Westkirche fiel an den Papst (den Patriarchen von Rom), der sich mit der Kaiserkrönung des fränkischen Königs Karls des Großen endgültig der Kontrolle des Kaisers in Konstantinopel entzog. Die Führung der Ostkirche fiel faktisch an den Patriarchen von Konstantinopel, nachdem die anderen Patriarchate wegen der islamischen Expansion an Bedeutung verloren hatten. Beide Kirchen entwickelten sich im Mittelalter getrennt und missionierten den vorher nicht zum römischen Reich gehörenden Norden Europas, und zwar die Westkirche den Nordwesten und die Ostkirche den Nordosten Europas. 1054 kam es mit dem Großen Schisma zum offiziellen Bruch von West- und Ostkirche, und 1204 eroberten fränkische Kreuzritter Konstantinopel während des Vierten Kreuzzugs und vertieften dadurch diesen Gegensatz.
Atlantische Revolutionen
Kalter Krieg
Während des Kalten Krieges entstand eine neue Definition. Die Erde wurde in drei „Welten“ aufgeteilt. Zur Ersten Welt, auch Westen genannt, gehörten die NATO-Mitglieder und andere Verbündete der USA. Die „Zweite Welt“ war der Ostblock unter dem Einfluss der Sowjetunion, zu dem auch die Länder des Warschauer Pakts gehörten. Die Dritte Welt bestand aus den blockfreien Staaten, darunter Indien, Jugoslawien und zeitweise China, obwohl die letzten beiden (Jugoslawien und China) wegen ihrer kommunistischen Ideologie in die Zweite Welt einzuordnen sind.
Es gab einige Staaten, die nicht in dieses Schema passten, darunter die Schweiz, Schweden und Irland, die sich für die Neutralität entschieden. Finnland stand unter dem Einfluss der UdSSR, blieb aber neutral und war weder kommunistisch noch Mitglied des Warschauer Paktes oder des Comecon. Als Österreich 1955 eine unabhängige Republik wurde, geschah dies unter der Bedingung, neutral zu bleiben, aber als ein Staat westlich des Eisernen Vorhangs war es unter dem Einfluss der USA. Die Türkei war Mitglied der NATO, wurde aber nicht als Teil der Ersten oder westlichen Welt angesehen. Spanien trat erst 1982, kurz vor dem Ende des Kalten Krieges und nach dem Tod des autoritären Diktators Franco, der NATO bei. Die westliche Welt wurde bis auf die genannten Ausnahmen zum Synonym für die Erste Welt.
Griechenland und Portugal waren wie die Türkei NATO-Mitglieder, wurden aber erst als Teil des Westens anerkannt, nachdem sie die Demokratie eingeführt und während der 1970er Jahre ihre Wirtschaft an die Standards der Ersten Welt angeglichen hatten. Australien und Neuseeland sowie später Israel und Zypern wurden keine NATO-Mitglieder, aber wegen ihrer Demokratie, des hohen Lebensstandards und der europäischen Kultur Teile der Ersten Welt.
Nach dem Kalten Krieg
Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde der Begriff „Zweite Welt“ nicht mehr gebraucht und „Erste Welt“ bezog sich nun auf die demokratisch, finanziell und industriell entwickelten Länder, die zum größten Teil mit den USA verbündet waren. Als „Dritte Welt“ bezeichnete man nun die armen, nicht industrialisierten Entwicklungsländer. Der Begriff „westlich“ verlangt demnach also weniger eine geographische als eine kulturelle und ökonomische Definition.
- Afrikanische Historiker können von westlichen Einflüssen durch europäische Staaten, die im Norden liegen, und dem westlichen Staat Südafrika im äußersten Süden sprechen.
- Australien und Neuseeland sind englischsprachige, westliche Staaten, die südlich von Ostasien liegen.
- Internationale Firmen aus den USA können als fremde Einflüsse in Europa betrachtet werden, aber als westlich bezeichnet werden, wenn ihre Präsenz in Asien gesehen (und manchmal kritisiert) wird.
- Ökonomisch können die in Ostasien gelegenen Staaten Japan, Südkorea, Republik China (Taiwan) und Singapur sowie das Gebiet Hongkong als westlich oder Erste Welt angesehen werden, obwohl sie kulturell nicht-westlich bleiben.
- Die ehemaligen Ostblock- und blockfreien Staaten in Europa (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien sowie die ehemaligen blockfreien jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien) haben sich durch ihre kulturellen und geschichtlichen Wurzeln sowie durch ihre heutige Außenpolitik den westlichen Ländern durch Beitritte zur NATO und/oder der EU angeschlossen.
Heute unterscheiden sich die Menschen in ihren Definitionen der westlichen Welt und die verschiedenen Definitionen überlappen sich nur teilweise. Es gibt nicht-westliche Industrieländer, nicht alle westlichen Länder sind NATO-Mitglieder usw.
Weitere Definitionen und Kritik am Begriff
„Erste Welt“ und OECD
Da der Begriff „westliche Welt“ keine verbindliche internationale Definition besitzt, benutzen Regierungen für internationale Verträge andere Definitionen.
„Westliche Welt“ ist oft gleichbedeutend mit „Erste Welt“, um den Unterschied zu den Entwicklungsländern der Dritten Welt zu betonen. Der Ausdruck „der Norden“ hat in einigen Kontexten den Begriff „der Westen“ ersetzt, vor allem wenn es um Kritik und eine stärkere Abgrenzung zwischen West und Ost geht. Der Norden liefert einige geographische Hinweise für die Lage reicher Staaten, von denen die meisten in der nördlichen Hemisphäre liegen. Da aber allgemein die meisten Länder in dieser Region liegen, wurde diese Unterscheidung von einigen als unbrauchbar betrachtet.
Die 38 Staaten in der OECD, zu denen 22 der 27 Mitgliedsstaaten der EU, Norwegen, Island, die Schweiz, das Vereinigte Königreich, Kanada, die Vereinigten Staaten, Mexiko, Australien, Neuseeland, die Türkei, Südkorea, Japan, Israel, Chile, Kolumbien und Costa Rica gehören, sind in etwa mit der „Ersten Welt“ identisch.
Die Existenz von „der Norden“ impliziert die Existenz von „der Süden“ und die sozio-ökonomische Grenze zwischen Norden und Süden. Obwohl Zypern, Malta und Taiwan keine OECD-Mitglieder sind, könnten sie auch als westliche oder nördliche Staaten betrachtet werden, da ihre Lebensstandards sowie die sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen denen der OECD ähnlich sind.
Westliche Kultur
In akademischen Artikeln wird der Begriff „westliche Welt“ nur im Kontext von Gebieten und Zeiten benutzt, die unter dem direkten Einfluss des Weströmischen Reiches standen. Der Begriff wird außerdem von den Kritikern des westlichen Einflusses und der Geschichte des Imperialismus und Kolonialismus pejorativ benutzt.
Der „Westen“ kann auch auf die kulturellen und sozialen Bedingungen der westlichen Gesellschaft bezogen werden. In diesem Zusammenhang könnte man weite Teile Südamerikas wegen der Hochkultur und Literatur als Teil des Westens auffassen. Ausgenommen davon sind die hochländischen Regionen der Andengemeinschaft, welche sich eine ausgeprägte indigene Kultur bewahrt haben.
Die ehemaligen Kronländer Österreich-Ungarns (Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien und Ungarn) werden ebenfalls zur westlichen Welt gezählt. Diese Staaten wurden sehr stark durch die mitteleuropäische Kultur geprägt. Dieses spiegelt sich heute noch im alltäglichen Leben der Gesellschaft und Geschichte dieser Länder wider. Obwohl Ungarn, Tschechien und die Slowakei von 1945 bis 1990 Teil des Ostblocks, sowie Slowenien und Kroatien Bestandteil des ehemaligen Jugoslawien, und damit Teil der blockfreien Bewegung waren.
Ethnologische Definitionen beziehen sich auf die westliche Kultur. Der britische Schriftsteller Rudyard Kipling schrieb über diesen Kontrast: „Osten ist Osten und Westen ist Westen und die beiden sollen sich niemals treffen.“ (“East is East and West is West and never the twain shall meet.”) Damit deutete er an, dass jemand aus dem Westen die asiatische Kultur nicht verstehen kann, weil die Unterschiede zu groß sind. Tatsächlich sind zum Beispiel „Freiheit“[2] und die Achtung auch individueller Menschenrechte[3] jedoch keine Ideale, die nur im Westen angestrebt werden.
Im Nahen und Mittleren Osten (beide relativ zum westlich gelegenen Europa) ist die Unterscheidung zwischen West- und Osteuropa weniger bedeutend; Länder, die Westeuropäer als Teil von Osteuropa ansehen (z. B. Russland), zählen im Mittleren Osten als westlich in dem Sinne, dass sie sowohl europäisch als auch christlich sind.
Siehe auch
Literatur
- Ralph Bollmann: Lob des Imperiums: Der Untergang Roms und die Zukunft des Westens. Wjs, Berlin 2006, ISBN 3-937989-21-8.
- Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens. 4 Bände. Beck, München 2009–2015:
- Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert. 2009 (3. Auflage 2012), ISBN 978-3-406-59235-5.
- Die Zeit der Weltkriege 1914–1945. 2011, ISBN 978-3-406-59236-2.
- Vom Kalten Krieg zum Mauerfall. 2014, ISBN 978-3-406-66984-2.
- Die Zeit der Gegenwart. 2015, ISBN 978-3-406-66986-6.
- Heinrich August Winkler: Werte und Mächte. Eine Geschichte der westlichen Welt. Beck, München 2019.
- Alfred Schlicht: Die Araber und Europa: 2000 Jahre gemeinsamer Geschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-019906-4.
Belege
- Paul Kreiner: Kreuzzug der Worte - Das Abendland ist eine Fiktion. In: Der Tagesspiegel Online. 11. Januar 2015, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 12. November 2021]).
- David Kelly (Hrsg.), Anthony Reid (Hrsg.): Asian Freedoms – The Idea of Freedom in East and Southeast Asia. Cambridge Univ. Press, Cambridge 1998, ISBN 0-521-62035-X, ISBN 0-521-63757-0.
- Gregor Paul, Caroline Y. Robertson-Wensauer (Hrsg.): Traditionelle chinesische Kultur und Menschenrechtsfrage. 2. Aufl., Nomos, Baden-Baden 1998, ISBN 3-7890-5482-8 (Schriften des Instituts für Angewandte Kulturwissenschaft der Universität Karlsruhe (TH), 3, Nomos-Universitätsschriften: Kulturwissenschaft).