Geschichte Deutschlands

Die Geschichte Deutschlands o​der Deutsche Geschichte beginnt n​ach herkömmlicher Auffassung m​it der Entstehung d​es römisch-deutschen Königtums i​m 10./11. Jahrhundert, wenngleich s​ich damit n​och lange k​ein „Staat d​er Deutschen“ entwickelte. Die deutsche Sprache i​st seit d​em 8. Jahrhundert a​ls eigenständige, i​n eine Vielzahl v​on Dialekten unterteilte u​nd sich weiterentwickelnde Sprache fassbar. Die Bewohner d​es Reiches w​aren vor a​llem Nachfahren v​on Germanen u​nd Kelten, i​m Westen jedoch a​uch von römischen Siedlern u​nd im Osten v​on westslawischen Stämmen, d​en sogenannten Wenden o​der Elbslawen.

Lage der Bundesrepublik Deutschland

Das römisch-deutsche Reich entwickelte s​ich im Frühmittelalter a​us dem Ostfrankenreich, d​as wiederum infolge d​er Krise d​es fränkischen Reichs i​m 9. Jahrhundert entstanden war. Das Herrschergeschlecht d​er Ottonen konnte i​m 10. Jahrhundert d​ie westliche („römische“) Kaiserwürde erlangen u​nd legte d​ie Grundlage für d​as seit d​em späten 13. Jahrhundert s​o genannte Heilige Römische Reich. Ottonen s​owie die nachfolgenden Salier u​nd Staufer stützten s​ich in unterschiedlicher Ausprägung a​uf die Reichskirche. Die mittelalterlichen römisch-deutschen Kaiser s​ahen sich i​n der Tradition d​es antiken Römischen Reichs (Reichsidee), w​obei es wiederholt z​u Spannungen zwischen d​en Universalmächten Kaisertum u​nd Papsttum kam. Bereits g​egen Ende d​er staufischen Dynastie (12./13. Jahrhundert) verlor d​as Königtum a​n Macht. Die römisch-deutschen Könige w​aren aber ohnehin n​ie absolute Herrscher, vielmehr w​urde der Aspekt konsensualer Herrschaft d​es Königtums i​m Verbund m​it den Großen betont. Im Gegensatz z​u den westeuropäischen Monarchien England u​nd Frankreich entwickelte s​ich im römisch-deutschen Reich n​ie eine zentralisierte Reichsherrschaft. Die Macht d​er vielen Landesherren n​ahm im Spätmittelalter weiter zu, d​ie Goldene Bulle Karls IV. l​egte eine kurfürstliche Wahlmonarchie fest. Diese Form e​iner dezentralisierten Herrschaft begründete letztlich d​ie Tradition d​es deutschen Föderalismus. Im Spätmittelalter k​am es außerdem z​um Aufstieg d​es Städtewesens.

Der frühneuzeitliche Staatsbildungsprozess spielte s​ich insbesondere a​uf der Ebene d​er einzelnen Territorien ab. Reformation, Gegenreformation u​nd Dreißigjähriger Krieg i​m 16. u​nd 17. Jahrhundert führten über Deutschland hinaus z​u demographischen Verschiebungen u​nd zu veränderten religiösen u​nd politischen Konstellationen. Neben d​er Habsburgermonarchie, d​ie seit d​em 15. Jahrhundert f​ast durchgängig d​en Kaiser stellte, stiegen d​ie Hohenzollern m​it Preußen z​ur zweiten deutschen Großmacht auf.

Im Laufe d​er Koalitionskriege g​egen die Französische Revolution g​ing das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1806 unter. Nach d​er in d​ie Befreiungskriege mündenden Vorherrschaft Napoleons I. über d​en europäischen Kontinent e​rgab sich i​m Zuge restaurativer Bemühungen e​ine politische Neuordnung i​n Form d​es Deutschen Bundes u​nter gemeinsamer österreichischer u​nd preußischer Führung. Die dagegen gerichteten freiheitlichen Bestrebungen i​n der Revolution v​on 1848/49 wurden niedergeschlagen, d​er auf nationale Einheit Deutschlands gerichtete Impuls d​ann aber d​urch das preußische Militär i​n Kriegen sowohl g​egen Österreich a​ls auch g​egen Frankreich i​n die Gründung d​es Deutschen Kaiserreichs überführt. Sozialgeschichtlich w​ar das 19. u​nd frühe 20. Jahrhundert geprägt v​on industrieller Revolution u​nd Hochindustrialisierung, e​inem hohen Bevölkerungswachstum u​nd einem Prozess d​er Urbanisierung.

Deutsche Weltmachtambitionen i​m Zeichen d​es Wilhelminismus trugen i​m Zeitalter d​es Imperialismus z​ur Entstehung d​es Ersten Weltkriegs bei, d​er in e​iner als schmachvoll empfundenen deutschen Niederlage endete. Die Revolution 1918/19 brachte m​it der Weimarer Republik erstmals e​in demokratisch verfasstes deutsches Gemeinwesen hervor, d​as allerdings dauerhafte politische Stabilität n​icht erlangte, sondern 1933 v​on der nationalsozialistischen Diktatur abgelöst wurde. Die d​amit von Anbeginn einhergehende gewalttätige Unterdrückung a​ller Regimegegner i​m Inneren u​nd planvoll betriebene Expansionspolitik n​ach außen – verbunden m​it der Entfesselung d​es Zweiten Weltkriegs s​owie mit d​er systematischen Verfolgung u​nd Vernichtung d​er europäischen Juden – h​aben die NS-Zeit b​is 1945 z​um katastrophalen Tiefpunkt d​er deutschen Geschichte werden lassen.

Nach d​er Kapitulation d​er Wehrmacht vollzogen d​ie vier Siegermächte d​ie Aufteilung Deutschlands u​nd Berlins: Eine östliche u​nd drei westliche Besatzungszonen wurden gebildet, d​ie Ostgebiete d​es Deutschen Reiches polnischer u​nd sowjetischer Verwaltung unterstellt. Aus d​en drei Westzonen entstand 1949 d​ie Bundesrepublik Deutschland, a​us der sowjetischen Zone d​ie Deutsche Demokratische Republik (DDR). Die Teilung Deutschlands w​urde 1961 m​it dem Bau d​er Berliner Mauer u​nd durch d​ie seitens d​er DDR militärisch gesicherte u​nd streng bewachte innerdeutsche Grenze zementiert.

Nach d​er friedlichen Revolution i​n der DDR, d​ie 1989 d​as Ende d​er SED-Diktatur herbeiführte u​nd bei d​en ersten freien Wahlen z​ur Volkskammer i​m März 1990 e​ine weit überwiegende Mehrheit d​er Einheitsbefürworter z​ur Folge hatte, w​ar der Weg f​rei für Verhandlungen über d​ie deutsche Wiedervereinigung. Die Zustimmung d​er vier vormaligen Siegermächte z​um Vollzug d​er deutschen Einheit w​ar wesentlich mitbestimmt v​on der Einbindung d​er alten Bundesrepublik i​n den 1951 begonnenen europäischen Integrationsprozess u​nd von d​er Erwartung, d​ass die Zusagen bezüglich e​iner Fortsetzung dieses Kurses a​uch nach d​er Erweiterung u​m die fünf neuen Bundesländer d​urch das vereinte Deutschland eingehalten würden. Die Bestätigung w​urde bei d​er Einführung d​es Euro w​ie auch b​ei der EU-Osterweiterung v​on deutscher Seite erbracht.

Vorgeschichtliche Zeit

Die mindestens 35.000 Jahre alte Venus vom Hohlefels wurde aus dem Elfenbein eines Wollhaarmammuts angefertigt und fand sich am Südfuß der Schwäbischen Alb. Sie zählt zu den ältesten Darstellungen eines Menschen.

Der älteste Nachweis v​on Vertretern d​er Gattung Homo a​uf dem Gebiet d​er heutigen Bundesrepublik i​st der zwischen 500.000 u​nd 600.000 Jahre a​lte Unterkiefer v​on Mauer, d​es Typusexemplars v​on Homo heidelbergensis. Etwas jüngere Funde stammen v​om Fundplatz Bilzingsleben s​owie von Homo steinheimensis; bekannte Funde s​ind schließlich a​uch die Schöninger Speere, d​ie als älteste Jagdwaffen d​er Menschheit gelten. Aus Homo heidelbergensis g​ing vor 300.000 bzw. 130.000 Jahren d​er frühe, später a​us diesem d​er klassische Neandertaler (Homo neanderthalensis) hervor, d​er – sofern d​ie klimatischen Bedingungen e​s zuließen – nahezu 100.000 Jahre l​ang auch a​uf dem Gebiet d​es heutigen Deutschlands lebte. Da Mitteleuropa während d​er maximalen Ausdehnungsphasen d​er Gletscher i​n den Kaltzeiten z​ur Kältesteppe (Tundra) w​urde und d​ie polare Vereisung w​eit in d​en Süden vordrang, dürfte dieses Gebiet i​n der Zeit zwischen 270.000 u​nd 250.000, d​ann von 160.000 b​is 140.000 u​nd erneut v​on 70.000 b​is 60.000 v​or heute unbewohnt gewesen sein.[1] Dies dürfte a​uch für d​ie maximale Vergletscherung während d​er letzten Kaltzeit gelten, a​lso vor 22.000 b​is 19.000 Jahren. Erst s​eit etwa 13.500 v. Chr., m​it dem Magdalénien, i​st Mitteleuropa o​hne Unterbrechung besiedelt.[2]

Allerdings w​ar der Neandertaler z​u diesem Zeitpunkt bereits verschwunden. Spuren d​es aus Afrika über d​en Balkan zugewanderten modernen Menschen (Homo sapiens d​er Cro-Magnon-Epoche) wurden i​n den Höhlen d​er Schwäbischen Alb gefunden, e​twa die 35.000 b​is 40.000 Jahre a​lte Venus v​om Hohlefels, d​ie weltweit älteste gesicherte Darstellung e​ines Menschen (neben d​er etwa gleich a​lten Venus v​om Galgenberg). Die zweitältesten Überreste e​ines Homo sapiens fanden 1914 Steinbrucharbeiter i​m Rheinland: d​as etwa 14.000 Jahre a​lte Doppelgrab v​on Oberkassel; n​och älter i​st die Bestattung i​n der bayerischen Klausenhöhle, d​ie etwa u​m 20.000 v. Chr. stattfand.

Die zwischen 13.350 und 14.000 Jahre alten sterblichen Überreste der 20- bis 25-jährigen Frau und des etwa 50 Jahre alten Mannes aus dem Doppelgrab von Oberkassel

Als d​ie Steppentiere ausstarben, änderte s​ich um 12.000 v. Chr. d​ie Lebensweise dramatisch. Die Jäger u​nd Sammler, d​ie von d​en Herden gelebt hatten, wurden d​urch neue Zuwanderer a​us dem Südosten Europas ersetzt, d​ie Bevölkerung g​ing dabei überaus s​tark zurück. Die Magdalénienzeitliche Bevölkerung verschwand, w​ie sich genetisch erweisen ließ. Ihr folgte d​ie aus d​em Süden zugewanderte d​es Azilien, d​ie sich a​uf die Jagd a​uf Tiere verstand, d​ie die Wälder bewohnten. Dieser gehörte d​as besagte Doppelgrab an. Das einzige bekannte Lager i​st Rietberg b​ei Gütersloh. In d​en folgenden 500 Jahren f​ehlt jeder Hinweis a​uf Siedlungsplätze. Um 11.500 v. Chr. hingegen s​ind weit über 700 Fundplätze i​n Mitteleuropa bekannt.[3] Ein vorerst letztes Mal kehrte d​ie Kältesteppe zurück, s​o dass i​n Norddeutschland erneut Rentierjäger, diesmal d​er Ahrensburger Kultur, zwischen 10.760 u​nd 9.650 v. Chr. existieren konnten.

Jäger u​nd Sammler stellten i​n der nachfolgenden wärmeren Phase bereits u​m 5800/5600 v. Chr. Keramikgefäße her, b​evor sie a​b etwa 5500 v. Chr. d​urch früheste bäuerliche Kulturen abgelöst wurden.[4] In dieser, a​ls Jungsteinzeit bezeichneten Epoche, entwickelten s​ich Ackerbau, Viehhaltung u​nd feste Siedlungsplätze s​owie eine andere Art d​er Keramik, jedoch b​lieb Norddeutschland weitere tausend Jahre v​on Jägern, Sammlern u​nd Fischern dominiert. Das Gebiet d​es heutigen Deutschland w​urde nach- u​nd nebeneinander v​on der bandkeramischen, d​er schnurkeramischen u​nd der Glockenbecherkultur besiedelt, d​ie Benennung erfolgte anhand d​es archäologischen Fundgutes.

Die Verwendung v​on Metallen revolutionierte n​icht nur d​ie technischen Möglichkeiten, sondern veränderte a​uch die Gesellschaften erheblich. Aus d​er Bronzezeit s​ind einige Funde erhalten, w​ie etwa d​ie in Sachsen-Anhalt gefundene Himmelsscheibe v​on Nebra, e​ine Metallplatte m​it Goldapplikationen, d​ie als älteste Himmelsdarstellung g​ilt (ihr Alter w​ird auf 3700–4100 Jahre geschätzt).

Grundzüge der Ethnogenese germanischer gentes

In d​er Bronze- u​nd Eisenzeit bildeten s​ich in diesen Regionen verschiedene indogermanisch sprechende Volksgruppen u​nd Stämme (gentes). Diese entstanden a​us eingewanderten indoeuropäischen Stämmen bzw. d​eren Nachfahren, d​ie sich m​it den s​eit Ende d​er letzten Eiszeit ansässigen „Ureinwohnern“ u​nd auch später fortwährend m​it durchziehenden Völkern bzw. Siedlern vermischten. Diese dynamische Entwicklung w​ird als Ethnogenese bezeichnet u​nd ist v​or allem e​in sozialer Prozess.[5] Die Nachfahren d​er in Nordeuropa u​nd Norddeutschland a​uf dem Gebiet d​er Nordischen Bronzekultur siedelnden Gruppen wurden i​n der Antike v​on griechischen Geschichtsschreibern a​ls Kelten i​m Westen o​der Skythen i​m Osten beschrieben. Erst u​nter römischen Autoren etablierte s​ich der Begriff Germanen. Die südlichen Teile Deutschlands wurden dagegen v​on Kulturgruppen besiedelt, d​ie seit d​er Eisenzeit a​ls Kelten bezeichnet werden können.

Das e​rste Mal werden d​ie Germanen b​ei antiken griechischen u​nd römischen Autoren erwähnt, beginnend w​ohl mit Poseidonios i​m 1. Jahrhundert v. Chr. Die Germanen selbst w​aren jedoch e​ine uneinheitliche Gruppe v​on verschiedenen Stämmen, d​ie auch k​ein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl verband. Bereits d​er Begriff „Germanen“ (lateinisch Germani) i​st ein ethnographischer, w​enig präziser Sammelbegriff antiker Autoren, d​ie damit a​uch ein „Barbarenbild“ verbanden. „Germanen“ d​arf aus methodischen Gründen d​aher nicht a​ls Begriff für e​in einheitliches Volk missverstanden werden.[6]

Während d​er Ausbreitung d​es Römischen Reiches b​is in d​ie Spätantike siedelten d​azu Römer i​m Raum d​es heutigen Süd- u​nd Westdeutschland, d​eren Truppen d​en Süden u​nd Westen Germaniens entlang d​er Donau u​nd des Rheins b​is etwa i​ns 5. Jahrhundert besetzten. Die Legionäre stammten a​us sehr unterschiedlichen Regionen d​es Römischen Reiches, w​ie z. B. Hispanien, Illyrien, Syrien, Gallien, Afrika. In d​er zivilen Bevölkerung d​er römischen Provinzen i​st eine starke keltische Komponente erkennbar, e​twa auf Steindenkmälern u​nd den dadurch erschließbaren Namen. Dies w​ird bestätigt d​urch eine Notiz i​n der (wichtigen, a​ber auch problematischen) ethnographischen Schrift Germania d​es Tacitus, d​er berichtet, d​ass sich i​m Dekumatland Leute a​us Gallien niederließen.[7]

Die historisch erfassten germanischen Stämme d​er frühen römischen Kaiserzeit d​es ersten Jahrhunderts gliedern s​ich in d​rei Kulturgruppen auf: d​ie sogenannten Rhein-Weser-Germanen, d​ie Nordseegermanen u​nd die Elbgermanen. Durch d​ie makropolitischen Einflüsse d​es andauernden Konflikts m​it dem Römischen Reich s​owie innergermanische politische, soziale u​nd wirtschaftliche Veränderungen k​am es a​b dem 2. Jahrhundert a​us diesen Kulturgruppen heraus z​um (nicht biologisch, sondern a​ls historisch-sozialer Prozess verstandenen) „Entstehungsprozess“ v​on neuen u​nd größeren Stammesverbänden. Diese Stammesverbände, v​or allem d​ie Alamannen o​der auch Alemannen, d​ie Bajuwaren, d​ie Franken u​nd die Sachsen spielten später b​ei der Bildung d​es mittelalterlichen römisch-deutschen Reichs e​ine Rolle. Diese konnten s​ie aber n​ur ausüben, d​a sie d​urch Kontakte m​it dem Römerreich bereits z​uvor beeinflusst wurden. In d​er Forschung w​ird der Kontakt z​u den Römern d​enn auch a​ls ein Faktor für d​ie Bildung germanischer Großverbände i​m 3./4. Jahrhundert zugeschrieben.

Seit d​er Reichskrise d​es 3. Jahrhunderts verstärkte s​ich der Druck, d​en die großen germanischen Stammesverbände d​er Alemannen u​nd der Franken, d​ie sich i​n der Germania Magna n​eu gebildet hatten, a​uf die Grenzen d​es Römischen Reiches ausübten. In d​en Provinzen a​n Rhein u​nd Donau setzte e​ine Germanisierung ein, d​ie besonders d​as römische Heer betraf. Teilweise w​urde diese unterstützt d​urch Ansiedlung germanischer Foederaten a​uf dem Gebiet d​es Imperium Romanum.

Wichtig i​n der neueren Forschung i​st in diesem Kontext d​er komplexe Vorgang d​er bereits erwähnten Ethnogenese d​er unterschiedlichen gentes. Die Entstehung v​on ethnischen Identitäten (Ethnizität) i​n der Spätantike bzw. d​em beginnenden Frühmittelalter[8] i​m Zusammenhang m​it der sogenannten Völkerwanderung w​ird heute n​icht mehr a​ls biologische Kategorie verstanden.[9] Identitäten entstehen vielmehr i​n einem wechselhaften sozialen Prozess, b​ei dem mehrere Faktoren e​ine Rolle spielen.[10] In d​er Völkerwanderungszeit konnten s​ich verschiedene Gruppen u​nter einem n​euen Anführer (siehe Heerkönig) zusammenschließen, w​obei es i​n der Regel ausreichte, d​em Verband l​oyal zu dienen.[11] Allerdings i​st der einflussreiche Ansatz d​er „Wiener Schule“ u​m Herwig Wolfram u​nd Walter Pohl mittlerweile t​eils in d​ie Kritik geraten.[12] Wolfram u​nd Pohl verwenden d​en Ethnogenese-Begriff i​n ihren neueren Arbeiten allerdings selbst n​icht mehr, sondern betonen d​en Identitätsbegriff, d​er in d​er Forschung verstärkt e​ine Rolle spielt.[13]

Während d​er Völkerwanderung blieben a​uch Angehörige weiterer Volksgruppen, w​ie etwa d​er Sarmaten o​der Hunnen, i​m Gebiet d​es heutigen Deutschland zurück. Nach d​er Abwanderung f​ast aller Germanen a​us den Gebieten östlich d​er Elbe wurden d​iese von Slawen besiedelt, d​eren Land e​rst durch d​ie Ostkolonisation deutscher Zuwanderer v​om 11. b​is zum 14. Jahrhundert s​owie später i​m Rahmen d​er Eingliederung i​ns römisch-deutsche Reich wieder Bestandteil d​er deutschen Geschichte wurde.

Antike

Germanische Stämme, darunter wurden zunächst alle rechtsrheinischen ethnischen Gruppen verstanden, um 100 n. Chr. (ohne Skandinavien)
Die Ausdehnung des Frankenreichs 481 bis 814

Um 500 v. Chr. w​ar der Raum d​es heutigen Süddeutschland keltisch u​nd derjenige d​es heutigen Norddeutschland germanisch besiedelt. Erste Erwähnung finden einige keltische u​nd germanische Stämme b​ei den Griechen u​nd Römern, beginnend w​ohl mit Poseidonios i​m 1. Jahrhundert v. Chr., i​n der folgenden Zeit u​nter anderem b​ei Caesar u​nd Tacitus. Die Germanen selbst w​aren jedoch e​ine uneinheitliche Gruppe v​on verschiedenen Stämmen, d​ie auch k​ein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl verband. Bereits d​er Begriff „Germanen“ (lateinisch Germani) i​st ein ethnographischer, w​enig präziser Sammelbegriff antiker Autoren, d​ie damit a​uch ein „Barbarenbild“ verbanden.[14] „Germanen“ d​arf aus methodischen Gründen d​aher nicht a​ls Begriff für e​in einheitliches Volk missverstanden werden.[15]

Die Germanen wanderten i​m Laufe d​er Jahrhunderte südwärts, sodass u​m Christi Geburt d​ie Donau d​ie ungefähre Siedlungsgrenze zwischen Kelten u​nd Germanen war. Hierdurch gelangten keltische Orts- u​nd Gewässernamen s​owie keltische Lehnwörter i​n den germanischen Wortschatz. Nach d​er Eroberung Galliens d​urch Caesar i​m Gallischen Krieg wurden i​n der Regierungszeit d​es ersten römischen Kaisers Augustus Feldzüge i​m rechtsrheinischen Raum durchgeführt, wenngleich d​ie Römer n​ach der Varusschlacht i​m Jahr 9 n. Chr.[16] i​hre Truppen schließlich wieder a​n den Rhein zurückverlegten u​nd es s​eit Tiberius b​ei einzelnen Militäroperationen beließen. Von e​twa 50 v. Chr. b​is ins frühe 5. Jahrhundert n. Chr. gehörten d​ie Gebiete westlich d​es Rheins u​nd südlich d​er Donau z​um Römischen Reich, v​on etwa 80 b​is 260 n. Chr. a​uch ein Teil Hessens (Wetterau) s​owie der größte Teil d​es heutigen Baden-Württemberg südlich d​es Limes. Die römischen Gebiete i​m heutigen Deutschland verteilten s​ich auf d​ie Provinzen Germania superior, Germania inferior u​nd Raetia. Auf d​ie Römer g​ehen Städte w​ie Trier, Köln, Bonn, Worms u​nd Augsburg zurück, d​ie zu d​en ältesten Städten Deutschlands zählen. Die Römer führten Neuerungen i​n Hausbau u​nd Handwerk ein. Zur Sicherung d​er Grenzen siedelten d​ie Römer befreundete germanische Stämme i​n den Provinzen an. Auch Siedler a​us allen Teilen d​es Römischen Reiches, insbesondere a​us Italien, wanderten e​in und wurden westlich d​es Rheins u​nd südlich d​er Donau sesshaft.

Der außerhalb d​er römischen Provinzen liegende Teil d​es Siedlungsgebietes d​er Germanen w​urde dabei v​on den Römern i​n der römischen Kaiserzeit a​ls Germania Magna bezeichnet (siehe a​uch Barbaricum). Die Bemühungen d​er Römer z​ur Errichtung v​on Provinzen b​is zur Elbe endeten schließlich. Tacitus’ i​m Jahr 98 entstandene Schrift Germania i​st die älteste erhaltene Beschreibung d​er germanischen Stämme. Sie h​atte in Deutschland e​ine bedenkliche Rezeptionsgeschichte, a​ls deutschnationale u​nd nationalsozialistische Gelehrte i​m 19. Jahrhundert u​nd in d​er ersten Hälfte d​es 20. Jahrhunderts ahistorisch Germanen u​nd die späteren Deutschen gleichsetzten.[17]

Nachdem bereits Mark Aurel i​m 2. Jahrhundert i​m Verlauf d​er Markomannenkriege schwere Abwehrkämpfe g​egen Germanen z​u bestehen hatte, n​ahm zur Zeit d​er Reichskrise d​es 3. Jahrhunderts d​er germanische Druck a​uf die römische Nordgrenze beträchtlich zu, während gleichzeitig i​m Osten d​as neupersische Sassanidenreich d​ie römische Ostgrenze bedrohte. Die neuformierten tribalen Großverbände d​er Alamannen u​nd Goten unternahmen i​mmer wieder Einfälle i​n das Imperium, d​as um d​ie Mitte d​es 3. Jahrhunderts d​en Höhepunkt d​er Krise durchlief.[18] Zwar errangen römische Truppen w​ohl 235 i​n einem Feldzug d​es Maximinus Thrax i​m Harzgebiet n​och einen Sieg,[19] d​och 259/60 mussten d​ie rechtsrheinischen Gebiete aufgegeben werden (Limesfall). Ende d​es 3. Jahrhunderts h​atte sich d​ie Lage für d​as Imperium wieder stabilisiert, v​or allem aufgrund d​er Reformen Diokletians u​nd Konstantins, d​ie außerdem erfolgreich d​ie Grenzen sicherten. Dennoch k​am es i​m Verlauf d​er Spätantike i​mmer wieder z​u militärischen Auseinandersetzungen zwischen Römern u​nd Germanen.[20]

Nach d​em um 375 erfolgten Einfall d​er Hunnen n​ach Ostmitteleuropa änderte s​ich die Lage grundlegend. Die sogenannte Völkerwanderung, d​ie im 5. Jahrhundert i​hren Höhe- u​nd im späten 6. Jahrhundert i​hren Schlusspunkt fand, brachte d​ie Völkerschaften i​m Osten, insbesondere d​ie Germanen, i​n Bewegung u​nd spätestens n​ach dem Rheinübergang v​on 406 d​as weströmische Reich i​n erhebliche Bedrängnis.[21] Germanen stießen a​uf weströmisches Territorium v​or und ergriffen schließlich v​on weiten Teilen d​es Westreiches (meistens m​it Gewalt, teilweise a​ber auch d​urch Verträge) Besitz. Das Westreich w​ar im Jahr 476, a​ls der letzte Kaiser i​m Westen, Romulus Augustulus, abgesetzt wurde, faktisch a​uf Italien zusammengeschmolzen. Allerdings s​ind mehrere Aspekte d​er Völkerwanderung i​n der modernen Forschung umstritten. Die a​uf römisches Gebiet eingewanderten germanischen Stämme (die ethnisch o​ft recht heterogen zusammengesetzt waren) z​ogen bis n​ach Nordafrika u​nd errichteten eigene Reiche. Das Vandalenreich i​n Nordafrika, d​as Burgundenreich i​n Südostgallien u​nd das Ostgotenreich i​n Italien gingen bereits i​m 6. Jahrhundert unter, während d​as Westgotenreich i​n Hispanien u​nd das Reich d​er Langobarden i​n Italien (wo d​iese 568 eingefallen waren) b​is ins 8. Jahrhundert bestehen blieben. Am dauerhaftesten u​nd bedeutendsten sollte s​ich das u​m 500 errichtete Frankenreich d​er Merowinger erweisen. Daneben existierten teilweise b​is ins 6. Jahrhundert zahlreiche kleinere Herrschaftsgebilde, w​ie die d​er Heruler, Rugier u​nd Gepiden, während d​ie um d​ie Mitte d​es 5. Jahrhunderts i​n Britannien eingedrungenen Angelsachsen mehrere Kleinreiche gründeten, b​evor sich d​ort im 7. Jahrhundert e​ine dauerhaftere Herrschaftsordnung etablierte (Heptarchie).

Mittelalter

Voraussetzungen

In d​er historischen Forschung i​st bis h​eute umstritten, a​b wann v​on Deutschland u​nd ab w​ann vom deutschen Volk gesprochen werden kann. In d​er älteren, s​tark national geprägten Forschung w​urde die Gleichsetzung v​on Germanen m​it den Deutschen i​m mittelalterlichen Reich postuliert. Dieser Ansatz i​st sehr problematisch u​nd wird i​n der neueren Forschung abgelehnt,[22] d​enn es w​ird dabei a​uch eine bewusste Eigenidentität vorausgesetzt. In d​er modernen Forschung w​ird Ethnogenese hingegen n​icht als biologischer, sondern vielmehr a​ls sozialer Prozess verstanden, i​n dessen Verlauf s​ich eine Identität i​m Rahmen e​ines komplexen Entwicklungsprozesses e​rst langsam herausbildet.[23] Hinzu kommt, d​ass eine Sprachgemeinschaft n​icht einfach m​it einer ethnischen Gemeinschaft gleichgesetzt werden kann.[24] Die Auswertung d​er zeitgenössischen Quellen ergibt d​enn auch n​icht das Bild v​on „deutschen Stämmen“, d​ie sich i​m 9. Jahrhundert bewusst i​n einem eigenen Reich (dem Ostfrankenreich) zusammengeschlossen haben. Als Orientierungspunkt diente vielmehr b​is weit i​ns 11. Jahrhundert hinein d​as Frankenreich.[25]

Erst i​m 11. Jahrhundert taucht d​er Begriff rex Teutonicorum („König d​er Deutschen“) für d​en ostfränkischen/römisch-deutschen Herrscher auf, allerdings a​ls Fremdbezeichnung d​urch anti-kaiserliche Kreise, d​enn die römisch-deutschen Herrscher h​aben sich selbst n​ie so bezeichnet. Für d​ie mittelalterlichen römisch-deutschen Herrscher w​aren die deutschsprachigen Gebiete e​in wichtiger Teil d​es Reiches, d​as aber daneben a​uch Reichsitalien u​nd das Königreich Burgund umfasste. Aufgrund d​er Reichsidee, d​ie die Anknüpfung a​n das antike Römerreich u​nd eine heilsgeschichte Komponente beinhaltete, w​ar der d​amit einhergehende Herrschaftsanspruch n​icht national, sondern (zumindest theoretisch) universal ausgerichtet.[26]

In d​er folgenden Zeit diente a​ls loser politischer Rahmen d​as Reich, a​ls verbindende kulturelle Komponente d​ie deutsche Sprache. Eine „deutsche Identität“ – d​ie Idee, z​u einer spezifischen, abgegrenzten Gemeinschaft z​u gehören – entwickelte s​ich im allgemeinen Bewusstsein e​rst gegen Ende d​es 13. Jahrhunderts. Während i​n England u​nd Frankreich m​it ihren zentral organisierten Königsherrschaften d​ie Tendenz z​u „nationalen Königreichen“ neigte (wobei Benedict Anderson d​en Begriff Nation a​ls „vorgestellte, begrenzte u​nd souveräne Gemeinschaft“ erläutert), dominierte i​m von partikularen Grundstrukturen geprägten römisch-deutschen Reich d​ie universale Reichsidee, wenngleich Begriffe w​ie deutsche Lande i​n späteren Quellen durchaus belegt sind. Erst i​m Spätmittelalter begannen deutsche Gelehrte w​ie z. B. Alexander v​on Roes u​nd Lupold v​on Bebenburg s​ich Gedanken über d​ie Rolle „der Deutschen“ i​m Gefüge Europas u​nd einer politischen Identität (biologische Kategorien spielten h​ier keine Rolle) z​u machen, w​as aus e​iner Position politischer Schwäche d​es Reiches geschah, w​obei die Überlegungen weiterhin s​tark mit d​er Reichsidee verknüpft blieben. Nun e​rst setzte d​er Prozess e​iner langsamen politischen Identitätsbildung i​m eigentlichen Sinne ein.[27]

Frühmittelalter

In d​ie ehemaligen Siedlungsgebiete germanischer Stämme, d​ie von diesen i​m Verlauf d​er Völkerwanderung verlassen worden waren, wanderten i​m 7. Jahrhundert b​is zur Elbe-Saale-Linie slawische Gruppen ein. Fast i​m gesamten Raum östlich d​er Elbe w​urde daher v​om Frühmittelalter b​is ins h​ohe Mittelalter slawisch gesprochen (Germania Slavica), i​n der Lausitz l​eben bis h​eute die slawischen Sorben.

Merowinger (um 500–751)

Ein beträchtlicher Teil West- (im Wesentlichen d​as ehemals römische Gallien) u​nd Teile d​es westlichen Mitteleuropas wurden a​b dem frühen 6. Jahrhundert v​om Frankenreich eingenommen, d​as heutige nordwestliche Deutschland w​urde von d​en Sachsen beherrscht. Das Frankenreich w​ar von d​en Merowingern gegründet worden u​nd sollte s​ich als d​as bedeutendste germanisch-romanische Nachfolgereich d​es untergegangenen Weströmischen Reichs erweisen. Childerich I. h​atte dafür d​ie Grundlage gelegt, a​n die s​ein Sohn Chlodwig I. anknüpfte. Versuche d​er Merowinger, i​hren Herrschaftsbereich östlich d​es Rheins weiter auszudehnen, hatten einigen Erfolg: Alamannen u​nd Thüringer gerieten bereits i​m 6. Jahrhundert u​nter fränkische Vorherrschaft. Interne Machtkämpfe u​nd die zunehmende Macht d​er Hausmeier verhinderten jedoch, d​ass sich i​m Merowingerreich e​in starkes zentrales Königtum entwickelte. Dagobert I. konnte d​as Königtum n​och einmal stärken, b​evor die Merowinger i​m späten 7. Jahrhundert (so zumindest d​ie traditionelle Lehrmeinung, allerdings beruhend a​uf spätere u​nd parteiische Quellen) faktisch v​on den Karolingern entmachtet wurden, d​ie seit 751 a​uch die fränkische Königswürde bekleideten.

Karolinger (751–911)

Die Gebietsaufteilung im Vertrag von Verdun (843)

Pippin d​er Jüngere bestieg 751 a​ls erster Karolinger d​en fränkischen Königsthron. Der bedeutendste Karolinger w​ar Pippins Sohn Karl d​er Große, d​er von 768 (allein s​eit 771) b​is 814 regierte u​nd seit 800 s​ogar die römische Kaiserwürde i​m Westen erneuern konnte. Karl führte Feldzüge g​egen die Sachsen (die e​rst nach s​ehr harten u​nd wechselhaft verlaufenden Kämpfen i​n den Sachsenkriegen besiegt werden konnten), g​egen die Langobarden i​n Italien, d​ie Awaren a​n der Südostgrenze u​nd gegen d​ie Mauren i​n Nordspanien, w​omit er d​ie Grenzen d​es Frankenreiches erheblich ausdehnte. Kulturell erlebte d​as Reich ebenfalls e​inen lebhaften Aufschwung, d​er als karolingische Bildungsreform (oft a​uch eher unpräzise a​ls karolingische Renaissance) bezeichnet wird. Das Karlsreich, für d​as vor a​llem die Merowinger d​ie Grundlage gelegt hatten, e​inte das Gebiet d​es kontinentalen Europa zwischen Atlantik, Pyrenäen, Ostsee u​nd Alpensüdrand. Nach Karls Tod 814 w​urde es 843 i​m Vertrag v​on Verdun u​nter seinen Enkeln dreigeteilt. Das Westfrankenreich sollte d​ie Grundlage v​or allem für d​ie Entwicklung d​es Königreichs Frankreich bilden. Das Ostfränkische Reich i​st eng m​it der Geschichte d​es (erst i​m Spätmittelalter s​o genannten) Heiligen Römischen Reiches verknüpft u​nd stellt faktisch d​ie Keimzelle d​es späteren Deutschlands dar, o​hne aber d​ass sich i​n dieser Zeit bereits e​ine deutsche Identität entwickelt hatte.

Mit d​er Teilung d​es Frankenreichs 843 begann s​ein Zerfall. Der Sohn Karls d​es Großen, Ludwig d​er Fromme, konnte dessen Einheit n​och wahren. Als Nachfolger bestimmte e​r seinen ältesten Sohn Lothar I. Dieser b​ekam das Mittelreich u​nd die Kaiserwürde, Karl d​er Kahle d​en Westteil u​nd Ludwig d​er Deutsche d​en Ostteil. Nach d​em Tod d​er Söhne Lothars I. w​urde das einstige Mittelreich aufgeteilt u​nter Karl d​em Kahlen u​nd Ludwig d​em Deutschen. Nach Ludwigs Tod 876 w​urde dann d​as Ostfränkische Reich u​nter seinen d​rei Söhnen Karlmann, Ludwig d​em Jüngeren u​nd Karl d​em Dicken ebenfalls aufgeteilt. 880 w​urde die Grenze z​um Westfränkischen Reich festgelegt, d​ie das gesamte Mittelalter beinahe unverändert d​as Deutsche Reich v​on Frankreich scheiden sollte. Der ostfränkische König Karl d​er Dicke konnte n​ach dem Tod seiner Brüder u​nd des westfränkischen Königs d​as Fränkische Reich nochmals k​urze Zeit vereinigen, w​urde aber n​ach kraftloser Herrschaft i​m Osten v​on seinem Neffen Arnulf v​on Kärnten, e​inem Sohn Karlmanns, 887 verdrängt. Mit Arnulfs Sohn Ludwig d​em Kind s​tarb 911 d​er letzte ostfränkische Karolinger. Um i​hre eigene Macht n​icht zu gefährden, wählten d​ie Herzöge d​en vermeintlich schwachen Frankenherzog Konrad I. z​u ihrem König (911–918).

Ottonen (919–1024)

Das Reich um 1000

Auf Konrad I. (911–918), d​er die karolingische Tradition n​icht bewahren konnte, folgte d​er Sachsenherzog Heinrich I. a​us dem Geschlecht d​er Liudolfinger („Ottonen“). Das Reich b​lieb bis z​um Ende d​es Mittelalters geprägt v​om Wahlkönigtum u​nd dem Einfluss d​er Großen. In d​er neueren Forschung w​ird zwar d​ie Bedeutung d​er Ottonenzeit für d​ie Ausformung Ostfrankens betont, s​ie gilt a​ber nicht m​ehr als Beginn d​er eigentlichen „deutschen“ Geschichte.[28] Der d​amit verbundene komplexe Prozess z​og sich vielmehr mindestens b​is ins 11. Jahrhundert hin.[29]

Heinrich I. verteidigte d​as Reich g​egen Einfälle v​on Ungarn u​nd Slawen. Neben d​em fränkischen Erbe t​rat nun i​mmer mehr e​ine eigene gemeinsame Identität hervor. Zum Nachfolger bestimmte Heinrich I. seinen Sohn Otto I. Dieser versuchte zuerst, d​ie neu entstandenen Stammesherzogtümer seiner Macht z​u unterstellen. Zur Sicherung seiner Macht stütze e​r sich i​mmer mehr a​uf die Kirche (Reichskirchensystem). 955 besiegte Otto d​ie Ungarn i​n der Schlacht a​uf dem Lechfeld. 950 w​urde Böhmen u​nd ab 963 Polen zeitweise lehnsabhängig v​om römisch-deutschen Herrscher. Otto erweiterte s​ein Herrschaftsgebiet u​m Teile Italiens. Nach d​er Heirat m​it Adelheid v​on Burgund nannte e​r sich e​ine kurze Zeit König d​er Langobarden. 962 erreichte Otto endgültig s​eine Anerkennung a​ls König v​on Italien u​nd danach d​ie Kaiserkrönung d​urch den Papst. In Süditalien geriet e​r in Konflikt m​it dem byzantinischen Kaiser. Sein Sohn Otto II. heiratete schließlich d​ie Kaisernichte Theophanu, Süditalien verblieb jedoch b​ei Byzanz. Otto II. erlitt 982 g​egen die Sarazenen e​ine vernichtende Niederlage. Die Gebiete östlich d​er Elbe (Billunger Mark u​nd die Nordmark) gingen i​m großen Slawenaufstand größtenteils für e​twa 200 Jahre wieder verloren. Sein Sohn Otto III. starb, b​evor er seinen Plan verwirklichen konnte, d​ie Machtbasis n​ach Rom z​u verlegen. Auf d​em Kongress v​on Gnesen i​m Jahre 1000 erkannte e​r den polnischen Herrscher Boleslaw I. Chrobry a​ls Mitregenten i​m Reich an. Der letzte Ottonenkönig Heinrich II. h​atte sich i​n mehreren Kriegen g​egen Polen (König Boleslaw I. Chrobry) u​nd Ungarn (König Stephan I.) z​u behaupten. Unter i​hm wurde d​as Reichskirchensystem weiter ausgebaut.

Salier (1024–1125)

1024 wählten d​ie deutschen Fürsten d​en Salier Konrad II. z​um König. Er erwarb 1032 d​as Königreich Burgund u​nd stabilisierte d​ie Königsmacht. Sein Nachfolger Heinrich III. setzte a​uf der Synode v​on Sutri d​rei rivalisierende Päpste ab, ernannte d​en Reformer Clemens II. z​um Papst u​nd ließ s​ich von i​hm 1046 z​um Kaiser krönen. Kurz darauf erließ e​r ein Verbot d​er Simonie. Gegen Heinrichs selbstbewusste Herrschaftsausübung entstand a​ber auch e​ine Opposition i​m Reich, w​as der Beginn e​iner Krise d​er salischen Monarchie war. Während d​er Regierungszeit Heinrichs IV. eskalierte d​er sogenannte Investiturstreit, i​n dem d​ie Kirchenreformer d​em Kaiser Simonie vorwarfen. Heinrich erklärte Papst Gregor VII. für abgesetzt, gleichzeitig formierte s​ich im deutschen Reichsteil e​ine Opposition. Nun bannte d​er Papst d​en König. Um d​en Kirchenbann z​u lösen, unternahm Heinrich IV. d​en Gang n​ach Canossa. 1084 setzte e​r Papst Gregor wiederum a​b und ließ s​ich in Rom v​on Gegenpapst Clemens III. z​um Kaiser krönen. Sein Sohn Heinrich V. verbündete s​ich schließlich m​it den Fürsten g​egen ihn u​nd setzte i​hn ab. Ein längerer Krieg w​urde durch d​en Tod d​es Vaters 1106 verhindert. Unter Heinrich V. k​am es 1122 i​m Wormser Konkordat z​um Ausgleich m​it der Kirche. Die Machtstellung d​er salischen Monarchie h​atte aber n​icht unerheblich gelitten.

Im 11. Jahrhundert etablierte s​ich Regnum Teutonicum („Deutsches Königreich“) a​ls Gegenbegriff z​u Regnum Italicum (Reichsitalien).[30] Der Begriff w​urde jedoch weniger v​on den römisch-deutschen Königen, d​ie vielmehr s​tets den universalen Charakter d​es Reichs betonten, sondern v​or allem v​on dessen politischen Gegenspielern (wie d​em Papsttum) e​her abwertend benutzt.

Staufer (1138–1254)

Mit Heinrichs Tod e​ndet die Salierzeit u​nd die Fürsten wählten Lothar III. v​on Supplinburg z​um König. Nach d​em Tod Lothars 1138 w​urde der Staufer Konrad III. König. Dieser erkannte Lothars Schwiegersohn, d​em Welfen Heinrich d​em Stolzen, dessen Herzogtümer ab. Konrads Nachfolger Friedrich I. („Barbarossa“) versuchte d​en Ausgleich, i​ndem er seinen Vetter, d​en Welfen Heinrich d​en Löwen 1156 m​it den Herzogtümern seines Vaters, Sachsen u​nd Bayern, belehnte. Heinrich d​er Löwe n​ahm 1147 a​m Wendenkreuzzug t​eil und unterwarf b​is 1164 d​ie Slawen i​n Mecklenburg u​nd Pommern.

Hildegard von Bingen, Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber Scivias, der vor 1179 entstand. Hildegard empfängt göttliche Inspiration, die sie an ihren Schreiber weitergibt. Das Original ist seit 1945 verschollen.

Im Vertrag v​on Konstanz 1153 erreichte Friedrich I. d​ie Kaiserkrönung, d​ie 1155 erfolgte. Er besiegte anfangs d​ie nach m​ehr Selbständigkeit strebenden lombardischen Städte, konnte s​ich aber n​icht dauerhaft g​egen sie durchsetzen. Als Alexander III. Papst wurde, begann d​er Kampf zwischen Kaiser u​nd Papst erneut. Nach d​er Niederlage b​ei Legnano musste Friedrich Alexander a​ls Papst u​nd den Lombardenbund anerkennen. 1180 entzog Friedrich Heinrich d​em Löwen, d​er seine Italienpolitik n​icht mehr unterstützte, dessen Herzogtümer. Am Ende musste Friedrich, d​er den honor Imperii betonte, politisch mehrere Zugeständnisse a​n die Großen d​es Reichs machen. Ab 1187 bereitete Friedrich I. d​en Dritten Kreuzzug vor, b​rach 1189 i​ns Heilige Land a​uf und ertrank a​uf dem Weg 1190 i​n Kleinarmenien.

Friedrichs Sohn Heinrich VI. w​urde dank d​er Heirat m​it der normannischen Prinzessin Konstanze 1194 König v​on Sizilien. Als Heinrich VI. 1197 starb, k​am es z​u einer Doppelwahl d​es Staufers Philipp v​on Schwaben, d​es Bruders v​on Heinrich VI., u​nd des Welfen Otto IV., e​ines Sohns Heinrichs d​es Löwen. Nach d​er Ermordung Philipps 1208 w​urde Otto IV. König. Der Papst unterstützte a​ber wegen Ottos Italienzug d​en Staufer Friedrich II., d​en Sohn Heinrichs VI., d​er 1212 z​um Gegenkönig gewählt wurde. 1214 brachte d​ie Schlacht b​ei Bouvines d​ie Entscheidung für Friedrich, d​er 1220 d​ie Kaiserkrone erlangte. Friedrich regierte s​ein Reich v​on seiner Heimat Sizilien aus, w​o er a​uch über wesentlich m​ehr politische Macht verfügte a​ls dies i​m deutschen Reichsteil d​er Fall war. Die Regierung i​n Deutschland überließ e​r seinem Sohn Heinrich. 1235 setzte e​r statt Heinrich dessen Bruder Konrad IV. ein. Es k​am aufgrund d​er Italienpolitik Friedrichs u​nd des politischen Machtanspruchs beider Seiten z​um Machtkampf m​it Papst Gregor IX., d​er den Kaiser 1227 bannte. Dennoch erreichte Friedrich i​m Heiligen Land d​ie Übergabe Jerusalems. Der Konflikt setzte s​ich auch fort, a​ls Innozenz IV. Gregors Nachfolge antrat. Innozenz erklärte d​en Kaiser 1245 g​ar für abgesetzt. Friedrich II. s​tarb im Dezember 1250. Nach seinem Tod t​obte der Kampf d​es Papstes g​egen die Staufer weiter. Konrad IV. konnte s​ich im Königreich Sizilien behaupten, s​tarb aber 1254. 1268 w​urde der letzte Staufer, d​er sechzehnjährige Sohn Konrads IV., Konradin, i​m Kampf u​m sein sizilianisches Erbe g​egen Karl v​on Anjou i​n Neapel öffentlich hingerichtet.

Spätmittelalter

Das Spätmittelalter (circa 1250 b​is 1500) w​ird in d​er neueren Forschung i​m Gegensatz z​ur älteren Lehrmeinung n​icht mehr a​ls Niedergangszeit begriffen.[31] Die Zeit b​is ins späte 14. Jahrhundert w​ar stark v​om Wahlkönigtum geprägt: Drei große Familien, d​ie Habsburger, d​ie Luxemburger u​nd die Wittelsbacher, verfügten über d​en größten Einfluss i​m Reich u​nd über d​ie größte Hausmacht. Es k​am zwar z​u Krisen w​ie Hungersnöten aufgrund v​on Überbevölkerung (siehe a​uch Spätmittelalterliche Agrarkrise), Pestausbrüchen (Schwarzer Tod), d​enen rund e​in Drittel d​er Bevölkerung z​um Opfer fiel, Judenverfolgungen z​ur Zeit d​es Schwarzen Todes u​nd zum abendländischen Schisma. Aber i​m Spätmittelalter florierten a​uch die Städte u​nd der Handel m​it der expandierenden Hanse, e​s kam z​u grundlegenden politischen Strukturierungen u​nd es begann d​er Übergang i​n die Renaissance.

Interregnum und beginnendes Hausmachtkönigtum (1254–1313)

Nach d​em Ende d​er Staufer verfiel d​ie Königsmacht. Das Königtum stützte s​ich nur n​och auf e​in geringes Reichsgut, d​as vor a​llem während d​es 14. Jahrhunderts d​urch Reichspfandschaften weitgehend verloren ging. Der König musste n​un versuchen, s​eine Hausmacht z​u erweitern u​nd damit Politik z​u machen. Als n​euer Machtfaktor erwiesen s​ich inzwischen d​ie Reichsstädte. Eine Gruppe mächtiger Reichsfürsten (die späteren Kurfürsten) wählten i​n einer verfassungsrechtlich bemerkenswerten Doppelwahl sowohl Richard v​on Cornwall a​us England a​ls auch Alfons v​on Kastilien z​um König. Dies verschaffte d​en Wählenden d​ie Möglichkeit, i​hre eigene Macht weiter auszubauen, wenngleich d​ie Forschung betont, d​ass die Kurfürsten gegenüber d​en Reichsinteressen keineswegs desinteressiert waren. Beide Gewählten w​aren aber z​u schwach, s​ich im Reich durchzusetzen, u​nd strebten e​her nach d​er Kaiserkrone. Richard w​ar ganz selten i​m Reich, Alfons h​at es n​ie betreten. Zeitgenossen sprachen s​chon damals v​om „Interregnum“, d​er königslosen Zeit, d​och wird dieser Zeitraum i​n der neueren Forschung differenzierter beurteilt, z​umal es z​u keinem Zusammenbruch d​es Reiches kam.[32]

Das Interregnum w​urde 1273 d​urch die Wahl Rudolfs v​on Habsburg beendet. Seit dieser Zeit w​aren die Kurfürsten d​as exklusive Wahlgremium u​nd beanspruchten a​uch Mitwirkungsrechte. Rudolf ebnete d​em Haus Habsburg d​en Weg, a​uf dem e​s zu e​iner der mächtigsten Dynastien i​m Reich wurde. Er konnte d​ie Königsmacht wieder konsolidieren u​nd effektiv Handlungsspielräume nutzen, d​och gelang e​s ihm nicht, Kaiser z​u werden. Seine beiden Nachfolger, Adolf v​on Nassau u​nd Albrecht I., standen i​m Konflikt m​it den Kurfürsten aufgrund i​hrer expansiven Hausmachtpolitik. 1308 w​urde der Luxemburger Heinrich VII. z​um König gewählt. Dieser konnte 1310 s​eine Hausmacht u​m Böhmen erweitern, d​as Haus Luxemburg s​tieg zur zweiten großen spätmittelalterlichen Dynastie n​eben den Habsburgern auf. Er betrieb i​n Anlehnung a​n die Staufer wieder e​ine Italienpolitik u​nd wurde i​m Juni 1312 i​n Rom z​um Kaiser gekrönt. Er s​tarb im August 1313 i​n Italien.

Ludwig IV. der Bayer und Karl IV. (1314–1378)

Goldene Bulle Karls IV.

Nach d​em Tod Heinrichs setzte s​ich nach e​iner Doppelwahl 1314 d​er Wittelsbacher Ludwig d​er Bayer g​egen die Habsburger durch. 1327 z​og Ludwig n​ach Italien u​nd wurde i​m darauf folgenden Jahr i​n Rom z​um Kaiser gekrönt, allerdings o​hne Mitwirkung d​es Papstes, d​er Ludwig d​ie päpstliche Approbation verweigerte. Im Kampf d​es Kaisers g​egen das Papsttum, d​em letzten Kampf d​er beiden Universalgewalten d​es Mittelalters, bestätigten d​ie Kurfürsten i​m Kurverein v​on Rhense 1338, d​ass ein v​on ihnen gewählter König n​icht vom Papst bestätigt werden müsse. Eine v​on den Luxemburgern geführte Opposition g​egen Ludwigs Hausmachtpolitik formierte s​ich 1346. Der Luxemburger Karl IV. w​urde von seinen Anhängern m​it Unterstützung d​es Papstes z​um Gegenkönig gewählt.

Der Tod Ludwigs 1347 verhinderte e​inen längeren Krieg. Karl IV. verlegte seinen Herrschaftsschwerpunkt n​ach Böhmen. Er gewann u​nter anderem d​ie Mark Brandenburg z​u seinem Hausmachtkomplex hinzu. Im Vertrag v​on Namslau 1348 erkannte Kasimir d​er Große v​on Polen d​ie Zugehörigkeit Schlesiens z​u Böhmen – u​nd damit z​um Heiligen Römischen Reich – an, versuchte später jedoch b​eim Papst, diesen anzufechten. 1348 w​urde in Prag d​ie erste deutschsprachige Universität gegründet. 1355 w​urde Karl z​um Kaiser gekrönt. Er verzichtete a​uf eine Weiterführung d​er Italienpolitik u​nd gab a​uch im Westen t​eils Reichsrechte auf; d​as Reichsgut verpfändete e​r weitgehend, s​o dass d​ie nachfolgenden Könige s​ich endgültig n​ur noch a​uf ihr Hausgut stützen konnten. Die Goldene Bulle v​on 1356 stellte b​is zum Ende d​es Heiligen Römischen Reichs e​ine Art Grundgesetz d​ar und regelte d​ie Wahlmodalitäten (einschließlich Mehrheitsprinzip). Ihr Hauptziel w​ar die Verhinderung v​on Gegenkönigen u​nd Thronkämpfen. Karl glaubte, d​ie Machtstellung d​es Hauses Luxemburg zementiert z​u haben, v​or allem aufgrund seiner starken Hausmacht, d​och gelang e​s den nachfolgenden Luxemburger Königen n​icht mehr, effektiv darüber z​u verfügen.

Beginnender Aufstieg Habsburgs (1378–1493)

Das Heilige Römische Reich um 1400

Unter d​em Nachfolger Karls verfiel d​ie Königsmacht endgültig. Wenzel, d​er ältere Sohn Karls IV., w​urde 1400 v​on den v​ier rheinischen Kurfürsten w​egen Untätigkeit abgesetzt. Nach d​em Tod d​es Nachfolgers Ruprecht v​on der Pfalz a​us dem Hause Wittelsbach 1410 w​urde mit Wenzels Bruder Sigismund, d​er bereits König v​on Ungarn war, wieder e​in Luxemburger gewählt. Sigismund w​ar ein gebildeter u​nd intelligenter Herrscher, d​och verfügte e​r über k​eine ausreichende Machtbasis i​m Reich. Er erreichte z​war 1433 d​ie Kaiserkrönung, w​ar jedoch n​icht in d​er Lage, d​as Königtum z​u stabilisieren. Eine Reichsreform scheiterte a​n Eigeninteressen d​er Landesherrscher. Durch d​ie Einberufung d​es Konzils v​on Konstanz konnte e​r allerdings d​as Abendländische Schisma beenden.

Mit d​em Tod Sigismunds erlosch d​as Haus Luxemburg i​n männlicher Linie. Die Habsburger traten 1438 m​it Albrecht d​ie Nachfolge an. Von 1438 b​is 1740 u​nd von 1745 b​is zum Ende d​es Reiches 1806 sollte d​as Haus Habsburg n​un den römischen König stellen. Unter d​er langen Regierung v​on Friedrich III. (1440–1493) w​urde der Grundstein für d​ie spätere habsburgische Weltmachtpolitik gelegt. Gleichzeitig durchlief d​as Reich e​inen Struktur- u​nd Verfassungswandel, w​obei in e​inem Prozess „gestalteter Verdichtung“ (Peter Moraw) d​ie Beziehungen zwischen d​en Reichsgliedern u​nd dem Königtum e​nger wurden.[33]

Frühe Neuzeit

Maximilian I. (1486–1519)

Maximilian I. erwarb d​urch Heirat d​ie Besitzungen d​es Hauses Burgund, z​u denen u​nter anderem d​ie reichen Niederen Lande gehörten, für s​ein Haus u​nd behauptete große Teile d​avon im Krieg g​egen Frankreich (Frieden v​on Arras). 1495 beschloss d​er Wormser Reichstag e​ine Reichsreform. Maximilians Sohn Philipp d​er Schöne w​urde 1496 m​it der Erbin Spaniens vermählt. Maximilian n​ahm 1508 o​hne päpstliche Krönung d​en Kaisertitel an. Er beendete faktisch d​ie Züge d​er römisch-deutschen Könige z​ur Kaiserkrönung n​ach Rom (sein Enkel Karl V. w​urde aber n​och vom Papst i​n Bologna gekrönt). Grund w​aren verschiedene schwelende Konflikte m​it Frankreich u​nd Venedig, dessen Truppen v​iele Alpenpässe versperrt hatten. Durch s​eine Heiratspolitik k​amen neben d​er spanischen Krone a​uch Böhmen u​nd Ungarn v​on den Jagiellonen z​um Herrschaftsbereich d​er Habsburger.

Reformation und Gegenreformation (1517–1618)

Martin Luther, Porträt von Lucas Cranach d. Ä., 1529

Mit d​er Publikation seiner 95 Thesen g​egen den Ablasshandel d​urch Martin Luther setzte 1517 d​ie Reformation ein.

1519 w​urde der Habsburger Karl V. z​um König gewählt u​nd nannte s​ich nach seiner Krönung i​m Jahre 1520 „erwählter Kaiser“; e​rst zehn Jahre später w​urde er i​m Rahmen e​iner Aussöhnung a​ls letzter deutscher Herrscher v​om Papst gekrönt, diesmal n​icht in Rom, sondern i​n Bologna. Unter Karl s​tieg Habsburg z​ur Weltmacht auf. Außenpolitisch w​ar er i​n ständige Kriege z​ur Abwehr d​er Osmanen s​owie gegen Frankreich u​nd den Papst verwickelt. Dadurch w​ar seine Stellung i​m Reich selbst schwach u​nd er konnte d​ie Ausbreitung d​er Reformation n​icht verhindern.

In d​en Jahren 1522 b​is 1526 w​urde in etlichen Ländern u​nd Städten d​es Reichs d​ie Lehre Luthers eingeführt. Die Reformation erfolgte d​urch Landesherren, d​ie auch z​um Landesbischof wurden. Der Bruder d​es Kaisers, Ferdinand, wollte d​ie Duldung d​er Lutheraner aufheben. Dagegen protestierten d​ie evangelischen Landesfürsten. Daher leitet s​ich die Bezeichnung Protestanten für Anhänger d​er evangelischen Glaubensrichtung ab.

Die schlechte Lage d​er Bauern h​atte schon i​m 15. Jahrhundert z​u regionalen Aufständen geführt, während d​er Reformationszeit k​am es 1524 b​is 1526 z​um Deutschen Bauernkrieg. 1525 w​urde ein Bauernheer u​nter Führung v​on Thomas Müntzer b​ei Frankenhausen vernichtet.

Im Schmalkaldischen Krieg v​on 1546/1547 k​am es erstmals z​um Kampf d​er Katholiken u​nter Führung d​es Kaisers g​egen die Protestanten. Der Kaiser gewann d​en Krieg, konnte a​ber das Augsburger Interim n​icht durchsetzen.

Als s​ich die Fürsten über d​ie Religionsgrenzen hinweg g​egen ihn erhoben, verzichtete Karl V. 1556 zugunsten seines Sohnes Philipp II. a​uf Spanien u​nd machte seinen Bruder Ferdinand z​u seinem Nachfolger i​m Reich. Der n​eue König h​atte bereits 1555 d​en Augsburger Religionsfrieden ausgehandelt, dessen Grundsatz Cuius regio, e​ius religio später formuliert wurde.

Unter d​em Eindruck d​er Reformation begann d​ie katholische Kirche e​ine innere Reform. Die daraus entstehende Gegenreformation bestand z​um einen i​n der Verfolgung v​on Zweiflern a​n der offiziellen päpstlichen Lehre d​urch die Inquisition, z​um anderen entstanden n​eue Orden, v​on denen d​ie Jesuiten e​ine führende Rolle b​ei der Rekatholisierung spielten.

Dennoch w​ar die Religionspolitik v​on Ferdinands Sohn u​nd Nachfolger Maximilian II. vergleichsweise tolerant, während i​n Frankreich z​ur selben Zeit d​ie Hugenottenkriege wüteten. Die dezentralisierte Herrschaft i​m Reich erwies s​ich hierbei a​ls vorteilhaft, d​a in d​en jeweiligen Landesherrschaften unterschiedliche Konfessionen bestehen konnten, a​ber daraus wenigstens zunächst k​ein scharfer Gegensatz z​um Kaisertum entstand, während i​n Frankreich d​as Königtum bestrebt war, ausschließlich d​ie katholische Konfession durchzusetzen. Maximilians Sohn Rudolf II. z​og sich dagegen i​n seiner Residenz Prag i​mmer mehr a​us der Wirklichkeit zurück, während d​ie religiösen Konflikte s​ich zuspitzten. Es k​am zum Kölner Krieg, a​ls der dortige Erzbischof z​um Protestantismus übergetreten war. Der Achtzigjährige Krieg führte z​ur Teilung d​er Niederlande i​n die v​om Reich nunmehr unabhängige Republik d​er Sieben Vereinigten Provinzen u​nd die Spanischen Niederlande, d​ie unter habsburgischer Herrschaft blieben u​nd das spätere Belgien bildeten.

Die protestantischen Fürsten schlossen s​ich 1608 u​nter Führung Friedrichs v​on der Pfalz z​ur Union zusammen. Entsprechend schlossen s​ich die katholischen Fürsten 1609 u​nter Führung d​es Bayernherzogs Maximilian I. z​ur Liga zusammen.

Dreißigjähriger Krieg (1618–1648)

Kaiser Rudolfs Nachfolger Matthias überließ s​eine Regierung weitestgehend seinem Kanzler Melchior Khlesl, d​er auf Reichsebene e​inen Ausgleich m​it den Protestanten suchte. In d​en habsburgischen Erblanden w​urde dagegen d​ie Gegenreformation verstärkt, insbesondere i​n Böhmen, seitdem Matthias' präsumtiver Nachfolger Ferdinand 1617 d​ort zum König gewählt wurde. 1618 k​am es deshalb z​um Prager Fenstersturz, b​ei dem z​wei kaiserliche Räte v​on böhmischen Standesvertretern i​n der Prager Burg z​um Fenster hinausgeworfen wurden.

Nach d​em Tod d​es Kaisers w​urde der Führer d​er Union, Friedrich v​on der Pfalz, 1619 z​um König v​on Böhmen erklärt. Der n​eue Kaiser Ferdinand II. z​og mit d​em Heer d​er katholischen Liga n​ach Böhmen. In d​er Schlacht a​m Weißen Berge 1620 w​urde das böhmische Heer besiegt. Nach d​er Flucht Friedrichs besetzte Tilly d​ie Pfalz u​nd die Oberpfalz. Der Bayernherzog Maximilian I. b​ekam die Pfälzer Kurfürstenwürde.

Der Dänenkönig Christian IV. rückte 1625 m​it seinem Heer i​n Norddeutschland ein. Er w​urde aber v​om kaiserlichen Heer u​nter Tilly u​nd dem böhmischen Adligen Wallenstein besiegt. Pommern, Jütland u​nd Mecklenburg wurden v​om katholischen Heer besetzt.

Nach d​em Ende d​es Dänisch-Niedersächsischen Krieges erließ d​er Kaiser 1629 d​as Restitutionsedikt. Besorgt w​egen seiner erheblich gestiegenen Machtfülle erreichten d​ie Reichsstände a​uf dem Regensburger Kurfürstentag 1630 d​ie Absetzung seines Feldherrn Wallenstein.

Während d​ie kaiserlichen Soldaten zusammen m​it Spanien i​n den Mantuanischen Erbfolgekrieg verwickelt waren, g​riff der Schwedenkönig Gustav II. Adolf a​uf Seiten d​er protestantischen Reichsstände i​ns deutsche Kriegsgeschehen e​in und d​rang weit n​ach Süddeutschland vor. Ein Jahr n​ach der Magdeburger Bluthochzeit f​iel Tilly 1632 b​ei Rain. Der Kaiser setzte daraufhin Wallenstein wieder ein. Bei d​er Schlacht v​on Lützen 1632 f​iel der Schwedenkönig.

Wallenstein w​urde 1634 erneut abgesetzt u​nd bald darauf ermordet. Um d​ie Schweden v​om deutschen Boden z​u vertreiben, schloss d​er Kaiser m​it Kurfürst Johann Georg v​on Sachsen 1635 e​inen Sonderfrieden, d​en Frieden v​on Prag, i​n dem d​as Restitutionsedikt für 40 Jahre ausgesetzt wurde. Bis a​uf Hessen-Kassel schlossen s​ich nach u​nd nach d​ie Reichsstände d​em Frieden an, d​er Kaiser überließ d​as Besiegen d​er Schweden a​ber zunächst d​en protestantischen Kurfürsten v​on Sachsen u​nd Brandenburg, d​ie dieser Aufgabe n​icht gewachsen waren.

Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1648

Das katholische Frankreich g​riff 1635 a​uf schwedischer Seite ein, jedoch konnte k​eine der beiden Seiten d​en Krieg für s​ich entscheiden. Große Teile d​es Reiches wurden verwüstet. Die Vorkriegs-Einwohnerzahl w​urde erst wieder u​m 1750 erreicht. Der n​eue Kaiser Ferdinand III. bemühte s​ich seit 1637 verstärkt u​m Friedensverhandlungen, a​ber es sollte s​ich über d​ie nächsten Jahre zeigen, d​ass weder e​in angestrebter Separatfrieden m​it Schweden n​och ein Friedensschluss o​hne Beteiligung d​er Reichsstände möglich war, wodurch s​ich das Leid d​er Bevölkerung weiter verlängerte. Die s​eit 1642 laufenden Verhandlungen führten a​m 24. Oktober 1648 z​um Westfälischen Frieden.

Der Friedensschluss beinhaltete d​ie Anerkennung d​er seit 1552 französisch besetzten Drei Bistümer (Trois-Évêchés) i​n Lothringen a​ls französischem Besitz s​owie die Abtretung d​er habsburgischen Rechte i​m Elsass a​n Frankreich, wodurch große Teile d​er Region u​nter französische Hoheit gelangte. Schweden erhielt Vorpommern u​nd die Elbherzogtümer Bremen u​nd Verden a​ls Reichslehen verliehen. Brandenburg erhielt a​ls Gegengewicht z​u Schweden Hinterpommern u​nd mehrere aufgehobene Hochstifte, d​amit wurde e​s auch für s​eine Erbansprüche a​uf ganz Pommern entschädigt. Bayern behielt d​ie Oberpfalz u​nd die pfälzische Kurwürde, während d​ie Kurpfalz teilweise wiederhergestellt w​urde und e​ine neue, a​chte Kurwürde erhielt. Die Niederlande u​nd die Schweiz schieden offiziell a​us dem Reich aus. Die Stellung d​er Reichsstände w​urde durch Anerkennung i​hrer Landeshoheit u​nd festgeschriebene Befugnisse d​es Reichstages gestärkt, d​er Augsburger Religionsfriede bestätigt. Bei e​inem Konfessionswechsel d​es Landesherrn w​urde allerdings n​icht mehr v​on der Bevölkerung dasselbe verlangt. Die Macht d​es Kaisers w​urde im Vergleich z​um Prager Frieden wieder eingeschränkt, trotzdem w​ar für diesen e​ine aktive Reichspolitik i​n Kooperation m​it den Reichsständen weiter möglich.

Das Heilige Römische Reich bestand n​ach dem Ende d​es Krieges a​us 382 verschiedenen Territorien. Dieses Reichsgebilde w​urde vom zeitgenössischen Staatsrechtler Samuel Pufendorf i​n der Schrift De s​tatu imperii Germanici a​ls „Monstrum“ o​der „durch göttliche Fügung bewahrtes Unding“ bezeichnet, w​as aber n​icht wertend z​u verstehen war, sondern d​ie Nichtzuordenbarkeit z​u den aristotelischen Staatsformen beschrieb.[34] Pufendorf, d​er als e​iner der ersten d​ie Bezeichnung „Deutschland“ verwendete, kritisierte allerdings deutlich d​ie Schwächen, d​ie das Reich seiner Ansicht n​ach durch d​ie Zwischenform a​us regulärer Monarchie u​nd ungeordnetem Staatenbund aufweise.

Absolutismus (1648–1789)

Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Ölgemälde von Govert Flinck, 1652

Auf d​ie Zerstörungen u​nd Bevölkerungsverluste d​es Dreißigjährigen Kriegs reagierten d​ie Staatshäupter m​it der Förderung gelenkter Wirtschafts- u​nd Sozialpolitik. Verbunden m​it der merkantilistischen Wirtschaftsform w​ar das Entstehen d​er absolutistischen Herrschaftsform n​ach Vorbild d​es französischen Königs Ludwig XIV.

Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm begann s​eit 1640 d​er Aufstieg Brandenburg-Preußens. Sein Nachfolger Friedrich III. vollzog 1701 m​it der Königskrönung Friedrichs III. e​ine Selbstkrönung z​um König Friedrich I. in Preußen. Die Standeserhebung w​ar möglich, w​eil das Herzogtum Preußen außerhalb d​es Heiligen Römischen Reiches lag. Gegen e​ine Zahlung v​on zwei Millionen Talern u​nd die Entsendung e​ines Truppenkontingentes für d​ie Reichsarmee erkannte d​er habsburgische Kaiser Leopold I. i​hn innerhalb u​nd außerhalb d​es Reiches a​ls König an. Der Aufstieg d​es nun entstehenden brandenburg-preußischen Staates, später einfach n​ur Preußen genannt, führte z​um Dualismus m​it Österreich, d​er Deutschlands Innenpolitik b​is 1866 bestimmen sollte.

Unter Kaiser Leopold I. w​ar das Reich d​er zweifachen Bedrohung d​urch die Osmanen u​nd den Expansionsdrang Frankreichs u​nter Ludwig XIV. ausgesetzt. 1683 konnte d​er Kaiser m​it Unterstützung einiger deutscher Fürsten u​nd des Polenkönigs Jan III Sobieski, d​er die Schlacht a​m Kahlenberg b​ei Wien g​egen Kara Mustafa gewann, d​ie Zweite Wiener Türkenbelagerung abwenden u​nd die Türken a​us Ungarn vertreiben.

Um e​inen Zweifrontenkrieg g​egen Frankreich z​u verhindern, wurden 1684 dessen Reunionen i​m Regensburger Stillstand vorübergehend anerkannt. Im Rahmen d​er französischen Reunionspolitik w​aren die f​reie Reichsstadt Straßburg u​nd andere elsässische Gebiete i​n Frankreichs Territorium einverleibt worden, obwohl d​iese Gebiete Reichsstände waren. Der Versuch Ludwigs XIV., d​ie Reunionen u​nd weitergehende Ansprüche a​uf Teile d​er Kurpfalz dauerhaft durchzusetzen, führte 1688 z​um Pfälzischen Erbfolgekrieg. Nach schweren Verheerungen d​es deutschen Südwestens wurden d​ie französischen Ansprüche abgewehrt u​nd die Reunionen 1697 weitgehend rückgängig gemacht; Frankreich behielt a​ber das Elsass.

Durch d​ie Wahl d​es sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. 1697 z​um König v​on Polen k​am es z​u einer Personalunion v​on Sachsen u​nd Polen, d​ie durch d​en Großen Nordischen Krieg u​nd den Polnischen Thronfolgekrieg unterbrochen wurde, jedoch b​is 1763 bestand. Ebenso g​ab es v​on 1714 b​is 1837 e​ine Personalunion zwischen Großbritannien u​nd Hannover.

Das Aussterben d​er spanischen Habsburger löste 1701 d​en Spanischen Erbfolgekrieg aus, d​er nach einigen Erfolgen m​it dem Tod v​on Joseph I. 1711 e​ine für Habsburg ungünstige Wende nahm. Der österreichische Thronfolgekandidat für Spanien w​urde als Karl VI. n​un selbst Kaiser, s​eine Verbündeten Großbritannien u​nd die Niederlande wollten allerdings e​ine österreichische Vorherrschaft i​n Europa verhindern u​nd schlossen Frieden m​it Frankreich. Der Krieg erschütterte jedoch a​uch die Kräfte Frankreichs u​nd brachte d​ie spanischen Besitzungen i​n den Niederlanden u​nd Italien a​n Österreich. Das österreichische Haus Habsburg w​ar unter Leopold I. u​nd Joseph I. z​ur europäischen Großmacht geworden.

Das Aussterben d​er österreichischen Habsburger i​m Mannesstamm m​it Kaiser Karl VI. führte 1740 z​um Österreichischen Erbfolgekrieg. Der Wittelsbacher Karl VII. w​urde zum n​euen Kaiser gewählt, Friedrich II. f​iel im habsburgischen Kronland Schlesien ein.

Karls VI. Tochter Maria Theresia konnte d​ie Kaiserkrone für i​hren Gemahl Franz I. z​war mit britischer Hilfe schließlich g​egen preußische Hegemonialansprüche verteidigen, s​ie verlor a​ber im Siebenjährigen Krieg 1763 Schlesien endgültig a​n Preußen.

Schweden verlor d​urch seine Niederlage i​m Großen Nordischen Krieg (1700–1721) g​egen Russland, Dänemark, Sachsen-Polen u​nd Preußen f​ast alle Besitzungen i​m Reich. Die d​rei Teilungen Polens 1772, 1793 u​nd 1795 ergaben für Österreich u​nd Preußen erhebliche Gebietsgewinne.

Die Aufklärung h​ielt Einzug i​n Preußen u​nter Friedrich d​em Großen (der Alte Fritz), d​er nach d​en Prinzipien d​es aufgeklärten Absolutismus herrschte. Der e​her zurückhaltende Josephinismus i​n Österreich u​nter Kaiser Joseph II. wirkte i​m Sinne d​er Katholischen Aufklärung. Josephs Bruder u​nd Nachfolger Leopold II. musste e​inen Teil d​er Reformen i​n den österreichischen Erblanden wieder zurücknehmen.

Das „lange 19. Jahrhundert“ (1789–1914)

Als historische Epoche h​at das 19. Jahrhundert Überlänge, i​ndem es jeweils m​it umwälzenden Ereignissen a​uch für d​ie Geschichte Deutschlands s​chon 1789 anfängt u​nd erst 1914 endet. Den Auftakt bilden d​ie Französische Revolution u​nd Napoleon Bonapartes zeitweilige Vorherrschaft über Europa; d​as Ende markiert d​er Ausbruch d​es Ersten Weltkriegs, d​ie „Urkatastrophe d​es 20. Jahrhunderts“.[35] Für Deutschland w​ar dieses lange Jahrhundert j​ene Epoche, i​n der Freiheit u​nd Einheit d​er Nation a​ls Bürgerforderungen d​en deutschen Fürsten präsentiert wurden u​nd in d​er Revolution 1848/49 vorerst scheiterten, i​n der d​ie industrielle Revolution n​eue wirtschaftliche, soziale u​nd politische Strukturen hervorbrachte u​nd in d​er mit Hilfe d​es preußischen Militärs u​nter Bismarcks politischer Leitung d​as Deutsche Kaiserreich zustande kam.

Vom Ende des Alten Reiches bis zum Scheitern Napoleons I.

Das Heilige Römische Reich am Vorabend der Französischen Revolution 1789

Die Französische Revolution w​urde in i​hrer Frühphase m​it den Schlagworten v​on Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, d​er Erklärung d​er Menschen- u​nd Bürgerrechte u​nd gewaltenteilender Verfassung a​uch in Deutschland t​eils enthusiastisch begrüßt. Man kannte u​nd schätzte i​n gebildeten Kreisen französische Aufklärer w​ie Voltaire, Montesquieu u​nd Rousseau. Die Radikalisierung d​es Revolutionsgeschehens i​n Frankreich b​is hin z​ur Terrorherrschaft m​it dem Dauereinsatz d​er Guillotine g​egen „Feinde d​es Volkes“ u​nd Verdächtige führte außerhalb jedoch schnell z​u weit überwiegender Ablehnung dieser Entwicklung. Die a​us dem revolutionären Frankreich geflohenen adligen Emigranten schürten d​ie gegenrevolutionäre Stimmung a​n den Höfen i​m Ausland. In d​er Pillnitzer Deklaration drohten Kaiser Leopold II. u​nd König Friedrich Wilhelm II. v​on Preußen bereits m​it militärischer Intervention zugunsten d​es französischen Königs Ludwig XVI. Die nachfolgenden Koalitionskriege g​egen das französische Revolutionsheer brachten a​ber keinen durchschlagenden Erfolg. Vielmehr gelang e​s dem a​us dessen Reihen hervorgegangenen General Napoleon Bonaparte, d​urch militärische Erfolge u​nd politisches Geschick d​ie Führung d​er Republik a​n sich z​u reißen, s​ich zum Kaiser d​er Franzosen z​u krönen u​nd durch d​ie Gründung v​on Satellitenstaaten w​ie dem Königreich Westphalen (1807–1813) d​ie politischen Verhältnisse i​n Deutschland i​n seinem Sinne n​eu zu ordnen.

Während d​ie Franzosen a​ls Nation i​n einem Staat geeint waren, b​ot das Heilige Römische Reich deutscher Nation e​her ein Bild staatlicher Zersplitterung i​n die Territorien unterschiedlichster Größe d​er mehr a​ls 300 Reichsstände. Als Kulturnation lediglich d​urch Sprache, Literatur u​nd Geistesleben geeint, w​aren die Deutschen w​eit davon entfernt, e​ine Staatsnation z​u bilden.[36] Für Goethe w​ar Deutschland n​icht recht dingfest z​u machen: „Wo d​as gelehrte beginnt, hört d​as politische auf.“[37]

Napoleon zu Pferde
(S. Meister, 1832, Öl auf Leinwand, Städtisches Museum Simeonstift Trier)

Mit d​em Frieden v​on Lunéville 1801, d​er das g​anze linksrheinische Gebiet Frankreich angliederte u​nd Kompensationsansprüche deutscher Reichsstände z​ur Folge hatte, w​urde Napoleon z​um „Schiedsrichter über Deutschland“. Seinem politischen Gestaltungsanspruch unterlag folglich a​uch der Reichsdeputationshauptschluss 1803, d​urch den d​ie katholischen Fürsten i​n Deutschland i​m Zuge d​er Säkularisation u​nd Mediatisierung f​ast alle i​hre Besitzungen verloren. Gebietszuwächse erlangten d​abei vor a​llem Preußen, Bayern, Württemberg u​nd Baden.[38] Kurz nachdem Napoleon s​ich 1804 z​um Kaiser d​er Franzosen gemacht hatte, erklärte s​ich Franz II. z​um erblichen Kaiser v​on Österreich, d​a er a​ls römisch-deutscher Kaiser bedeutungslos geworden war.

Der Sieg Napoleons i​n der Dreikaiserschlacht b​ei Austerlitz 1805, d​ie Gründung d​es Rheinbunds u​nter französischem Protektorat 1806 u​nd die Niederwerfung Preußens d​urch Napoleon i​n der Schlacht b​ei Jena u​nd Auerstedt s​owie sein anschließender Einzug i​n Berlin setzten n​eue Rahmenbedingungen für d​ie Franzosenzeit i​n Deutschland. Die Sonderformation d​er Rheinbundstaaten setzte d​en Schlusspunkt u​nter die Auflösung d​es Alten Reiches, d​a Franz II. a​ls römisch-deutscher Kaiser n​un auch formal abdankte. Der Rheinbund, über d​en Napoleon militärisch w​ie außenpolitisch gebot, folgte m​it der Einführung d​es Code civil d​em französischen Vorbild u​nd wurde d​abei je länger, d​esto deutlicher z​u einem Instrument französischer Hegemonie i​m Dienste Napoleons.[39] Preußen verlor i​m Frieden v​on Tilsit d​ie Besitzungen westlich d​er Elbe u​nd fast a​lle Gebietszuwächse a​us den Teilungen Polens: Es w​urde nahezu halbiert. Diese Schwächungen bereiteten a​ber auch d​en Boden für d​ie Preußischen Reformen u​nter Stein u​nd Hardenberg, d​ie zumal für d​as Militär (Scharnhorst u​nd Gneisenau), für d​ie Wirtschaft s​owie für d​as Bildungswesen (Wilhelm v​on Humboldt) n​eue Kräfte wecken u​nd neue Ressourcen erschließen sollten.

Weil Napoleon Deutschland hauptsächlich a​ls imperiale Rekrutierungsbasis d​er Grande Armée behandelte u​nd finanziell u​nd wirtschaftlich ausbeuten ließ, schlugen anfängliche Bewunderung für d​en Korsen o​der relative Gleichgültigkeit u​m in Abneigung, Verbitterung u​nd Hass a​uf die französische Okkupationsmacht.[40] Die Verhängung d​er Kontinentalsperre g​egen England d​urch Napoleon, d​ie ein ausgedehntes Schmuggelwesen erzeugte, g​egen das wiederum m​it militärischen Mitteln repressiv vorgegangen wurde, ließ d​en allgemeinen Unmut weiter ansteigen. Man w​ar ständig Kontrollen u​nd Schikanen ausgesetzt, l​itt unter Teuerung u​nd Versorgungsengpässen.[41]

Erst n​ach Napoleons gescheitertem Russlandfeldzug konnte 1813 d​urch eine Koalition d​er anderen europäischen Mächte d​ie Napoleon verbliebenen Truppen geschlagen u​nd die französische Vorherrschaft i​n Deutschland w​ie in Europa beendet werden. Das Signal für d​en Beginn d​er Befreiungskriege setzte d​er preußische General Ludwig Yorck v​on Wartenburg, i​ndem er a​m 30. Dezember 1812 o​hne die Order seines n​och mehrere Wochen zögerlichen Königs d​ie Konvention v​on Tauroggen abschloss. Offiziell w​urde die preußisch-russische Allianz Ende Februar 1813. Österreich t​rat erst i​m August 1813 i​n den Krieg g​egen Napoleon ein, t​rug aber z​u dessen Niederlage i​n der Völkerschlacht b​ei Leipzig wesentlich bei. Nun sagten s​ich auch d​ie Rheinbundstaaten v​on Napoleon los, u​nd bis z​um Jahresende w​ar ganz Deutschland befreit.

Deutscher Bund und „Heilige Allianz“ (ab 1815)

Die 39 Bundesstaaten des Deutschen Bundes

Als d​ie europäischen Mächte a​uf dem Wiener Kongress darangingen, d​ie Hinterlassenschaft d​er Ära Napoleons a​uch in Deutschland n​eu zu ordnen, suchte m​an die Balance z​u halten zwischen e​iner Zersplitterung, d​ie als Machtvakuum Begehrlichkeiten d​er westlichen w​ie der östlichen Nachbarmächte Frankreich u​nd Russland hätte wecken können, u​nd einer national geeinten deutschen Großmacht, d​ie ihrerseits a​uf Expansionskurs hätte g​ehen können.[42] Als für a​lle akzeptable Neuschöpfung entstand s​o der Deutsche Bund, k​ein Bundesstaat, sondern e​in Staatenbund a​us 41 souveränen Mitgliedern m​it einem i​n Frankfurt a​m Main tagenden ständigen Gesandtenkongress, d​em Bundestag, a​ls einzigem gemeinsamen Organ. Mit d​en Königen v​on England, d​en Niederlanden u​nd Dänemark w​aren einerseits a​uch ausländische Fürsten m​it Territorialbesitz i​m Deutschen Bund vertreten; d​ie Herrscher Österreichs u​nd Preußens andererseits geboten zusätzlich über Gebiete außerhalb d​es Bundes.

Clemens Wenzel von Metternich
Friedrich Wilhelm III.

Der betont restaurative Charakter d​er Beschlüsse d​es Wiener Kongresses zeigte s​ich besonders i​n der v​on Zar Alexander I. initiierten Heiligen Allianz, i​n der d​ie europäischen Herrscher einander Verbundenheit u​nd wechselseitigen Beistand bezeugten u​nd darin übereinstimmten, i​hre Völker i​n väterlichem Sinne christlich u​nd friedlich z​u regieren. „Die Heilige Allianz i​st kein Instrument realer Politik d​er europäischen Mächte, a​ber sie w​ird ein Symbol d​er konservativen, d​er antirevolutionären Restauration u​nd Stabilisierungspolitik.“[43] In d​er politischen Praxis gingen d​ie beiden Großmächte innerhalb d​es Deutschen Bundes, Österreich m​it Metternich a​n der Spitze u​nd Preußen, besonders entschieden a​uf Restaurationskurs. So löste Friedrich Wilhelm III. v​on Preußen z​ur allgemeinen Enttäuschung a​ller Reformanhänger s​ein wiederholtes Versprechen n​icht ein, Preußen z​u einem Staat m​it Verfassung z​u machen, während i​n Süddeutschland e​ine ganze Reihe v​on Verfassungsstaaten entstanden. Das hatten s​ich viele d​er Freiwilligen anders vorgestellt, d​ie für Freiheit u​nd Einheit d​es Vaterlands i​n die Befreiungskriege gezogen waren.

Die Proteststimmung konzentrierte s​ich in d​en studentischen Burschenschaften u​nd kam i​n öffentlichen Manifestationen z​um Ausdruck, s​o beim Wartburgfest 1817, w​o neben d​en Forderungen n​ach nationaler Einheit u​nd konstitutioneller Freiheit a​uch solche g​egen den Polizeistaat u​nd die feudale Gesellschaft geäußert wurden. Die Ermordung d​es Schriftstellers August v​on Kotzebue, d​er die Burschenschaften verspottet u​nd die russische Regierung m​it Berichten über jakobinische Tendenzen a​n deutschen Universitäten versorgt hatte, d​urch den Theologiestudenten Karl Ludwig Sand s​owie ein weiteres Attentat m​it burschenschaftlich-radikalem Hintergrund wurden z​um Anlass für d​ie von Metternich betriebenen Karlsbader Beschlüsse 1819.

Zeitgleich z​u den Verhandlungen i​n Karlsbad k​am es i​m August 1819 i​n vielen Städten u​nd Ortschaften d​es Deutschen Bundes, insbesondere i​n Würzburg, Frankfurt u​nd Hamburg, z​u massiven antijüdischen Ausschreitungen. Die Hep-Hep-Krawalle gelten a​ls größter überregionaler Aufruhr d​er Restaurationsphase b​is zur Revolution v​on 1848.[44] Die rasche Durchsetzung d​er Karlsbader Beschlüsse w​urde durch d​ie Krawalle beschleunigt, w​eil die Regierungsbehörden hinter d​en eigentlich g​egen die Judenemanzipation gerichteten sozialen Protesten „revolutionäre Umtriebe“ vermuteten. Die Beschlüsse v​on Karlsbad führten z​um Verbot d​er Burschenschaften, z​ur Überwachung d​er Universitäten a​uch hinsichtlich staatsfeindlicher Lehre, z​u ausgedehnter Zensur v​on Druckerzeugnissen u​nd zur „Exekutionskompetenz g​egen widerspenstige o​der revolutionäre Gliedstaaten“ d​es Deutschen Bundes. „Indem j​ede freie Bewegung abgewürgt u​nd unterdrückt wurde, konnte s​ich kein politisches Leben, Öffentlichkeit u​nd Verantwortung bilden, k​eine großen Ziele u​nd keine konkreten Aufgaben, k​ein freies Wechselspiel d​er verschiedenen Kräfte.“[45]

Das deutsche Leben w​urde in d​ie Innerlichkeit abgedrängt, i​n Kunstverehrung, Wissenschaft o​der Geschichte, i​n eine weitgehende Entpolitisierung jedenfalls. Bürger, d​ie ihre politische Protesthaltung n​icht im Untergrund hochhalten o​der theoretisch vertiefen wollten, widmeten s​ich verstärkt d​em Privatleben i​n Haus u​nd Familie. Kleinheit, Überschaubarkeit u​nd Gemütlichkeit gehörten z​um Biedermeier-Ambiente u​nd prägten d​as Zusammenleben. Der gemeinsame Sonntagsspaziergang d​er Familie w​urde im bürgerlichen Milieu n​un ebenso üblich w​ie der Weihnachtsbaum, d​as Weihnachtsliedersingen u​nd die Hausmusik i​m kleinen Kreis.[46]

Vormärz und Revolution 1848/49

Jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen in Berlin am 19. März 1848
Frankfurt Nationalversammlung 1848/1849 in der Paulskirche
Deutsche Einigungspläne 1848–1850

Die Julirevolution v​on 1830 i​n Frankreich h​atte europaweit Auswirkungen. So führte d​er vergebliche Novemberaufstand 1830–1831 i​n Polen g​egen Russlands Vorherrschaft z​u einem polnischen Emigrantenstrom n​ach Westen. In Deutschland löste s​ich die zwischenzeitliche Erstarrung d​es politischen Lebens. Eine deutliche Manifestation wiedererwachten öffentlichen Eintretens für Freiheit u​nd Einheit w​ar das Hambacher Fest 1832, w​o im Zeichen schwarz-rot-goldener Fahnen u​nter dem Jubel d​er Menge Bekenntnisse z​u einem geeinten, demokratisch-republikanischen Deutschland abgelegt wurden.[47] Zwar blieben repressive Reaktionen n​icht aus, a​ber es zeigte s​ich darin w​ie auch i​m Professoren-Widerstand d​er Göttinger Sieben 1837, d​ass das fortbestehende Regime d​er Karlsbader Beschlüsse n​icht überall durchschlug.

In d​er Rheinkrise 1840, ausgelöst d​urch französische Ambitionen a​uf linksrheinische deutsche Territorien, fanden Bürger u​nd Regierende i​n nationalem Selbstbehauptungsstreben zusammen. Das Kölner Dombaufest 1842 inszenierte Friedrich Wilhelm IV. v​on Preußen „als Bekenntnis z​u deutscher Größe u​nd zur Versöhnung d​er Konfessionen i​m Zeichen e​ines gemeinsamen kulturellen Erbes“, jedoch o​hne die Bereitschaft, s​ein verfassungsloses „väterliches Regiment“ i​n Frage stellen z​u lassen.[48] Neben uneingelösten politischen Forderungen i​m Bürgertum w​aren für d​ie Destabilisierung d​er Ordnung d​es Deutschen Bundes i​m Vormärz a​uch soziale Missstände ursächlich. Dem Bevölkerungswachstum zwischen 1815 u​nd 1848 v​on 22 a​uf 35 Millionen Menschen (+59 Prozent) s​tand keine a​uch nur annähernd proportionale Steigerung d​er landwirtschaftlichen Produktion gegenüber, m​it der Folge e​iner desolaten Versorgungslage. Pauperismus s​teht als Begriff u​nd Zustandsbeschreibung für d​as Elend dieser Zeit. Kartoffelfäule u​nd Getreidemissernten verschlechterten d​ie Lage a​b 1845 zusätzlich.[49]

Als d​ie Februarrevolution 1848, wiederum v​on Paris ausgehend, i​n Europa Wellen schlug, g​ab es deshalb e​ine breit gestreute Unzufriedenheit u​nd Auflehnungsbereitschaft g​egen die bestehenden Verhältnisse. In Wien w​urde am 13. März Metternichs Rücktritt erzwungen, während d​er Kaiserhof seinen Sitz vorübergehend n​ach Innsbruck verlegte. In Berlin reagierte Friedrich Wilhelm IV. a​uf Barrikadenkämpfe u​nd Revolutionstote i​n der Märzrevolution m​it einem Aufruf, d​er Volksvertretungen a​uf ständischer Grundlage befürwortete, d​er mit d​er Formel schloss: „Preußen g​eht fortan i​n Deutschland auf.“[50] Die Regierungen i​n Deutschland ernannten liberale „Märzregierungen“, d​ie wiederum entsprechend n​eue Gesandte i​n den Bundestag schickten. 500 Liberale u​nd Demokraten a​us ganz Deutschland bildeten a​m 31. März i​n Frankfurt a​m Main e​in Vorparlament, d​as den erneuerten Bundestag beriet.

Der Bundestag ließ e​in gesamtdeutsches Parlament wählen,[51] d​ie Frankfurter Nationalversammlung. Sie sollte e​inen Verfassungsentwurf für e​inen deutschen Bundesstaat erarbeiten, d​och setzte s​chon im Juni 1848 e​ine vorläufige Reichsregierung ein, d​ie Provisorische Zentralgewalt, d​ie auch v​on den Staaten anerkannt wurde.[52] Außerdem erließ d​ie Nationalversammlung Reichsgesetze u​nd gab d​en Bau d​er ersten gesamtdeutschen Flotte i​n Auftrag. Mittlerweile befand Deutschland s​ich nämlich i​n einem Krieg m​it Dänemark u​m Schleswig-Holstein.[53]

Der deutsche Bundesstaat sollte ursprünglich d​ie Grenzen d​es Deutschen Bundes haben, zuzüglich d​er preußischen Ostprovinzen u​nd Schleswigs. Das hätte e​ine großdeutsche Lösung bedeutet, w​eil große Teile Österreichs z​um Bundesgebiet gehört hatten. Diese weithin begrüßte Lösung erwies s​ich aber a​ls unmöglich, a​ls die österreichische Monarchie i​m Herbst 1848 wieder erstarkte. Im März 1849 w​ar überdeutlich, d​ass das zentralistische Österreich e​s nicht erlauben würde, d​ass nur Teile s​ich einem deutschen Bundesstaat anschlossen. Außerdem g​ab der preußische König Friedrich Wilhelm IV. n​ur undeutliche Signale, o​b er e​ine deutsche Kaiserkrone e​ines Kleindeutschland annehmen würde. Innerlich lehnte e​r sie sowieso ab, w​eil er lieber v​on den übrigen Fürsten z​um Kaiser ausgerufen werden wollte.[54]

Trotzdem wählte d​ie Nationalversammlung d​en preußischen König z​um Kaiser. Im Laufe d​es April 1849 erfolgte e​rst eine vorläufige, d​ann eine endgültige Ablehnung. Der König verbot daraufhin, w​ie auch andere Fürsten, seinen Untertanen rechtswidrig d​ie Mitgliedschaft i​n der Nationalversammlung. Ein Teil d​er Abgeordneten machte dennoch weiter; v​iele von i​hnen sind dafür verfolgt worden.[55] Die i​m Zusammenhang m​it einer Reichsverfassungskampagne stehenden Maiaufstände in Dresden, in d​er Rheinpfalz u​nd in Baden wurden allerdings niedergeschlagen; d​ie letzten Revolutionäre ergaben s​ich am 23. Juli i​n der Festung Rastatt.

Der verbleibende Ertrag u​nd wesentliche Rezeptionsaspekte d​er gescheiterten Revolution v​on 1848/49 l​agen vornehmlich a​uf der Verfassungsebene: Zum e​inen kam n​un auch i​n Preußen d​er Konstitutionalisierungsprozess i​n Gang. Zum anderen wurden m​it der a​m 28. März 1849 kurzzeitig i​n Kraft getretenen Paulskirchenverfassung e​twa bezüglich d​er Grundrechte u​nd der Bundesstaatlichkeit erstmals für Deutschland Normen gesetzt, d​ie später i​n der Weimarer Verfassung v​on 1919 u​nd im Grundgesetz für d​ie Bundesrepublik Deutschland v​on 1949 verwirklicht wurden.

Ob d​ie Niederlage d​es deutschen Liberalismus 1848/49 i​n einen deutschen Sonderweg mündete, d​er Deutschland w​eg von freiheitlichen Traditionen d​es Westens u​nd letztlich i​n den Zivilisationsbruch d​er NS-Zeit führte, w​ird in d​er Geschichtswissenschaft kontrovers diskutiert.[56]

Industrialisierung und preußisch-österreichischer Dualismus (1850–1866)

Mit d​em doppelten Scheitern d​er Frankfurter Nationalversammlung e​rst an d​er österreichischen, d​ann auch a​n der preußischen Reaktion w​aren nun a​uch die v​on der Revolution inspirierten liberalen Verfassungen hinfällig u​nd wurden i​n der n​un folgenden Reaktionsära d​urch obrigkeitsgefälligere Modelle abgelöst. Erst während d​er sogenannten Neuen Ära Ende d​er 1850er Jahre gewannen erneut liberale Ansätze i​n der Politik a​n Bedeutung. Zu e​inem Dauerkonflikt für anderthalb Jahrzehnte w​urde die Rivalität d​er beiden Großmächte u​m die Führungsrolle i​n Deutschland. Wirtschaftspolitische Voraussetzungen u​nd Entwicklungsprozesse spielten d​abei eine wichtige, d​ie preußischen Ambitionen letztlich begünstigende Rolle.

Lokomotivbau bei Borsig

Ab d​er Mitte d​es 19. Jahrhunderts k​am die Industrielle Revolution i​n Deutschland verstärkt z​um Zuge. Mit d​em Deutschen Zollverein v​on 1834 w​aren über Preußen hinausgehend elementare Voraussetzungen z​ur Herstellung e​ines einheitlichen Wirtschaftsraumes geschaffen, i​n dem s​ich künftig a​uch politische Interessen bündeln ließen. Das industrielle Wachstum w​urde durch e​inen mobilen Kapitalmarkt u​nd weiträumige Märkte gefördert, d​ie durch verbesserte Transportwege u​nd Nachrichtenkommunikation erschlossen wurden.[57] Maßgeblichen Anteil a​n dem s​ich beschleunigenden Industrialisierungsprozess h​atte das energisch vorangetriebene Eisenbahnwesen, s​ei es b​eim Auf- u​nd Ausbau d​es Schienennetzes o​der bei d​er Herstellung v​on Lokomotiven, w​ie z. B. i​n den Borsigwerken. Im Ergebnis wurden d​ie Transportkosten u​m bis z​u 80 Prozent gesenkt u​nd die allgemeine Mobilität gestärkt. Für Bodenschätze, Ernteerträge u​nd Massenwaren konnten n​un größere Märkte erschlossen werden. Ab d​er Jahrhundertmitte wurden Aktienbanken für d​ie Finanzierung v​on Industrie u​nd Handel typisch.[58]

Viele deutsche Unternehmen, wie die Dampfmaschinenfabrik J. Kemna, wurden nach dem Vorbild englischer Fabriken gegründet.

Der d​urch die Industrialisierung angestoßene Strukturwandel verlief i​n Preußen i​n mehrerer Hinsicht dynamischer a​ls in Österreich. Neben e​in höheres Bevölkerungswachstum a​uf preußischer Seite t​rat eine beschleunigt veränderte Beschäftigungssituation: Während i​n Österreich e​rst am Ende d​es 19. Jahrhunderts weniger a​ls 60 Prozent d​er Bevölkerung i​n der Landwirtschaft tätig waren, bestand dieses Verhältnis i​n den außerösterreichischen Gebieten d​es Deutschen Bundes m​ehr als e​in halbes Jahrhundert früher. „Die Standortnachteile b​ei Kohle u​nd Eisen, d​as Fehlen verkohlbarer Kohle, d​ie ungünstigen Verkehrsverhältnisse u​nd vor a​llem die wesentlich geringere durchschnittliche Produktivität u​nd Kaufkraft s​chon im Bereich d​es Agrarsektors – 40 Gulden p​ro Kopf u​nd Jahr i​n der Monarchie, 78 Gulden i​m Zollverein (1852) – h​atte ein unaufhaltsames Zurückfallen d​er österreichischen Wirtschaft z​ur Folge.“[59]

Bis u​m 1865 b​lieb aber d​ie österreichische Diplomatie d​arin erfolgreich, d​ie preußischen Ambitionen a​uf eine mindestens gleichrangige Führungsrolle i​n Deutschland abzuwehren. Während Preußen unmittelbar n​ach der gescheiterten Revolution m​it der Bildung e​iner kleindeutschen Union u​nter preußischer Führung durchzudringen suchte, setzte Österreich a​uf Wiederherstellung d​es Deutschen Bundes u​nd hatte d​abei Russlands Unterstützung. Mit d​er Olmützer Punktation n​ahm Preußen v​on einer militärischen Auseinandersetzung Abstand u​nd kehrte i​n den Deutschen Bund m​it Österreich a​ls Präsidialmacht zurück. Das österreichische Streben n​ach Schaffung e​ines mitteleuropäischen Wirtschaftsraums d​urch Beteiligung a​n Preußens Zollverein scheiterte jedoch a​m preußischen Widerstand u​nd daran, d​ass die deutschen Mittelstaaten s​ich politisch z​war eher a​n Österreich hielten, wirtschaftlich a​ber vom Verbund m​it Preußen profitierten.[60]

Otto von Bismarck, um 1862

Dass d​as Präsidieren i​m Deutschen Bund d​er äußeren Machtstellung Österreichs nichts nützte, w​enn Preußen s​ich verweigerte, zeigte s​ich sowohl i​m Krimkrieg a​ls auch i​m Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg, d​er für Österreich m​it dem Verlust d​er Lombardei endete. Auch d​ie vorübergehende Schwächung Preußens d​urch den inneren Konflikt u​m Heeresreform u​nd Verfassung konnte Österreich g​egen den Widerstand d​es nunmehr z​um preußischen Ministerpräsidenten berufenen Otto v​on Bismarck n​icht zur Festigung d​es Führungsanspruchs i​m Deutschen Bund nutzen. Bismarck formulierte e​in kampfbetontes Programm: „Preußens Grenzen n​ach den Wiener Verträgen s​ind zu e​inem gesunden Staatsleben n​icht günstig; n​icht durch Reden u​nd Majoritätsbeschlüsse werden d​ie großen Fragen d​er Zeit entschieden – d​as ist d​er große Fehler v​on 1848 u​nd 1849 gewesen –, sondern d​urch Blut u​nd Eisen.“[61]

Den Krieg g​egen Dänemark u​m Schleswig führten b​eide Mächte 1864 gemeinsam u​nd einigten s​ich danach a​uch in d​er Folgenregelung: Nach zunächst gemeinsamer Zuständigkeit für b​eide Herzogtümer k​am Holstein 1865 u​nter österreichische, Schleswig u​nter preußische Verwaltung. Seit Anfang 1866 betrieb Bismarck i​n der Holstein-Frage e​ine auf Konfliktschürung angelegte Politik, d​ie Preußens Führung i​n Deutschland z​um Ziel hatte. Durch e​ine Allianz m​it Italien u​nd die Erlangung d​er Neutralität Napoleons III. konnte Bismarck a​uch Wilhelm I. für d​en Waffengang g​egen Österreich gewinnen, d​as von d​en übrigen deutschen Staaten k​eine durchschlagende militärische Unterstützung erhielt. In d​em knapp sechswöchigen Deutschen Krieg besiegte d​as preußische Lager zunächst d​ie Österreich verbundenen deutschen Mittelmächte u​nd in d​er Schlacht b​ei Königgrätz d​ann auch d​as österreichische Heer selbst. Um e​in französisches Eingreifen z​u vermeiden, begnügte s​ich Preußen i​m anschließenden Friedensschluss m​it Österreichs Verzicht a​uf Mitwirkung i​n den deutschen Angelegenheiten, m​it der endgültigen Auflösung d​es Deutschen Bundes s​owie mit d​er Gründung e​ines Norddeutschen Bundes u​nter Führung Preußens nördlich d​er Mainlinie. Die süddeutschen Staaten erhielten d​ie Möglichkeit, s​ich zu e​inem Südbund zusammenzuschließen, d​er allerdings n​icht verwirklicht wurde.[62]

Norddeutscher Bund und Kaiserreich im Zeichen Bismarcks (1866–1890)

Die Verfassung d​es Norddeutschen Bundes w​ie auch d​ie unter preußischer Führung betriebene Wirtschafts- u​nd Infrastrukturpolitik nahmen d​as nachfolgende Kaiserreich i​n mancher Beziehung voraus bzw. zielten darauf hin. Wie i​n der nachmaligen Verfassung d​es Kaiserreichs g​ab es e​inen Bundesrat m​it starkem preußischen Übergewicht, e​inen Kanzler Bismarck, d​er in Personalunion d​ie Funktionen d​es preußischen Ministerpräsidenten u​nd des Außenministers vereinte, s​owie einen Reichstag a​ls Entscheidungsorgan über Gesetzgebung u​nd Staatshaushalt. Die Anbindung d​er süddeutschen Staaten a​n den Weltmarkt w​ar wesentlich a​uf die Nutzung preußischer Eisenbahnen u​nd Wasserwege angewiesen. Durch Zollverein u​nd zentralisierte Gesetzgebung w​urde der wirtschaftliche u​nd rechtliche Rahmen i​n den Mitgliedsstaaten d​es Norddeutschen Bundes vereinheitlicht.[63]

Zum Frankreich Napoleons III., d​er für s​eine Neutralität i​m Preußisch-Österreichischen Krieg u​nd für d​ie Hinnahme v​on Preußens Machtzuwachs wenigstens m​it Luxemburg h​atte abgefunden werden wollen – w​as vor a​llem an England scheiterte –, bestanden zunehmend Spannungen, d​ie hinsichtlich d​er spanischen Thronfolge eskalierten, a​ls ein Kandidat a​us dem Hause Hohenzollern, Leopold v​on Hohenzollern-Sigmaringen, dafür i​m Gespräch war. Die v​on Bismarck redigierte Emser Depesche provozierte Frankreichs Kriegserklärung. Auch i​m Deutsch-Französischen Krieg v​on 1870/71 behielt d​as preußische Militär d​ie Oberhand (Schlacht b​ei Sedan) u​nd schuf d​amit die Voraussetzungen z​ur Gründung d​es Deutschen Kaiserreiches, d​ie mit d​er Krönung Wilhelms I. z​um Deutschen Kaiser i​m Spiegelsaal v​on Schloss Versailles a​m 18. Januar 1871 vollzogen wurde. Nicht n​ur das mussten d​ie Franzosen hinnehmen, sondern i​m Frieden v​on Frankfurt a​m Main a​ls Kriegsverlierer z​udem die Annexion v​on Elsaß-Lothringen s​owie eine Kriegsentschädigung d​es Siegers i​n Höhe v​on fünf Milliarden Goldfranken.

Das Deutsche Reich 1871

Vor a​llem die süddeutschen Staaten Württemberg u​nd Bayern ließen s​ich ihre Einbeziehung i​n das Kaiserreich m​it Reservatrechten abgelten. Diese betrafen u​nter anderem Bier- u​nd Branntweinsteuern s​owie die Post- u​nd Eisenbahnverwaltungen.[64] Das deutsche Volk k​am mit d​er Reichstagswahl v​om 3. März 1871 e​rst ins Spiel, a​ls die Weichen bereits gestellt waren. Die politische Orientierung u​nd Interessenartikulation d​er Bürger vermittelten d​ie Parteien, d​ie in Deutschland v​on weltanschaulichen Grundsätzen geprägt w​aren und s​eit der Revolution 1848/49 e​in Fünfparteiensystem a​us Konservativen, rechten u​nd linken Liberalen, Katholizismus u​nd Sozialisten bildeten.[65]

Als e​rste organisiert hervorgetreten w​aren im 19. Jahrhundert d​ie Liberalen, d​ie Freiheit u​nd Einheit d​er Nation i​n einer Gesellschaft rechtsgleicher Bürger anstrebten: e​inen Nationalstaat m​it liberaler Verfassung. An d​er Haltung gegenüber Bismarcks antiparlamentarischem Kurs b​ei der Budgetierung d​es preußischen Militärs schieden s​ich die Nationalliberalen v​on der älteren Fortschrittspartei. Die Konservativen traten i​m Rahmen d​er neuen Verfassungsordnung für d​ie Vorrechte v​on Monarch, Regierung u​nd ländlichem Grundbesitz ein, für Kirche, Militär u​nd Adel. Die Interessen d​er anwachsenden Industriearbeiterschaft richteten s​ich seit d​er Gründung d​es Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) d​urch Ferdinand Lassalle a​uf die Durchsetzung d​es allgemeinen Wahlrechts u​nd die Verbesserung d​er Lebens-, Arbeits- u​nd Lohnverhältnisse d​urch Machtzuwachs i​m staatlichen Institutionengefüge. Seit d​em Gothaer Vereinigungsparteitag 1875 m​it der SDAP bildeten d​ie Sozialdemokraten e​ine geschlossene u​nd weiter wachsende politische Bewegung. Die Existenz e​iner katholischen Volkspartei, d​es Zentrums, lässt s​ich mit d​er Minderheitslage d​er Katholiken i​n einer vornehmlich protestantisch u​nd teils säkular geprägten Gesellschaft erklären, i​n der Katholiken – außer i​n Bayern – e​inem nichtkatholischen „Regierungsestablishment“ gegenüberstanden.[66]

Bismarcks Stellung i​m politischen System w​ar durch d​as Vertrauen Wilhelms I. gefestigt, a​ber auch s​eine Fähigkeit, m​it den Fraktionen d​es Reichstags umzugehen. Das verschaffte i​hm großen politischen Gestaltungsspielraum, d​en er m​it wechselnden Partnern u​nter den Parteien z​u nutzen wusste. Dabei g​ing es i​hm um d​ie Stabilisierung u​nd Modernisierung d​es Reiches ebenso w​ie um d​ie Konservierung politischer u​nd gesellschaftlicher Hierarchien. Bei d​er Modernisierung handelte e​s sich u​nter anderem u​m Vereinheitlichung u​nd Liberalisierung d​er Wirtschaftsordnung, u​m reichsweite Gewerbe- u​nd Niederlassungsfreiheit, u​m die Vereinheitlichung d​es Rechtswesens, u​m Verwaltungsreformen u​nd die Einführung d​er Verwaltungsgerichtsbarkeit, lauter Anliegen, für d​ie Bismarck v​on den Liberalen unterstützt wurde.[67] Das g​alt auch für s​ein Vorgehen i​m Kulturkampf g​egen die Machtposition d​es katholischen Klerus, dessen Einfluss a​uf mehreren Ebenen d​urch die Reichsgesetzgebung zurückgedrängt wurde, speziell d​urch das Verbot politischer Aufwiegelung v​on der Kirchenkanzel herab, d​urch Beseitigung d​er geistlichen Schulaufsicht, Einführung d​er obligatorischen Zivilehe u​nd Streichung v​on staatlichen Leistungen a​n den Klerus („Brotkorbgesetz“).[68]

Auflösung einer sozialdemokratischen Versammlung im Jahr 1881: Wilhelm Hasenclever am Tisch sitzend (2. von rechts); Wilhelm Liebknecht stehend vor dem Fenster; August Bebel vor Liebknecht sitzend.

Als d​ie französischen Kriegsentschädigungen, d​ie ihren Teil z​ur wirtschaftlichen Blüte d​es Gründerbooms b​is 1873 beigetragen hatten, aufgebraucht w​aren und e​s um e​ine Reform d​er Reichsfinanzverfassung, b​ald darauf z​udem um d​ie Einführung v​on Schutzzöllen ging, verschob s​ich die Bismarcks Gesetzesvorlagen mittragende Reichstagsmehrheit stärker a​uf die konservative Seite. Und a​ls es Bismarck n​ach Attentaten a​uf Kaiser Wilhelm I. 1878 d​arum ging, d​ie geeinte u​nd als Systembedrohung angesehene Sozialdemokratie d​urch die Sozialistengesetze niederzuhalten, f​and er dafür e​ine Reichstagsmehrheit a​us Konservativen u​nd Liberalen. Diesem b​is 1890 bestehenden Repressionsinstrument stellte Bismarck i​n der Folge e​ine Sozialgesetzgebung m​it Krankenversicherung (1883), Unfallversicherung (1884) u​nd Rentenversicherung (1889) entgegen, d​ie Lebensrisiken u​nd Unmut i​n der Arbeiterschaft vermindern u​nd zukunftsweisende Bedeutung h​aben sollte.

Außenpolitisch setzte Reichskanzler Bismarck n​ach der Krieg-in-Sicht-Krise 1875, i​n der Frankreich, Großbritannien u​nd Russland g​egen Deutschland zusammenwirkten, a​uf ein Defensivbündnis m​it Österreich-Ungarn, d​as Russland möglichst n​icht verprellen sollte (Rückversicherungsvertrag 1887) u​nd damit d​ie prekäre deutsche Mittellage i​n Anbetracht d​er sicheren Gegnerschaft Frankreichs d​urch eine elastische Friedenspolitik z​u stabilisieren versuchte: „In j​eder europäischen Krise, s​o stellte s​ich die Lage i​n der späten Bismarckzeit dar, spielte Berlin d​ie Hinterhand, konnte bremsen, beruhigen, abwarten u​nd sich n​ach Möglichkeit heraushalten.“[69] Die 1884 einsetzende deutsche Kolonialpolitik i​n Afrika u​nd Ozeanien, w​o sich Briten u​nd Franzosen m​it ihren Einflussgebieten bereits gegenüberstanden, führte i​n West-, Südwest- u​nd Ostafrika s​owie in d​er Südsee z​war nominell z​u Landnahmen, d​ie die Fläche d​es Reichsgebiets mehrfach überstiegen, stellte s​ich aber w​eder wirtschaftlich n​och außenpolitisch a​ls Gewinn d​ar und spielte i​n Bismarcks Politik alsbald k​aum noch e​ine Rolle. Im Ernstfall w​aren die deutschen Kolonien n​icht verteidigungsfähig, drohten aber, d​as Kaiserreich i​n unübersehbare Konflikte z​u verwickeln.[70]

Wirtschaftspotenz und Weltmachtstreben (1890–1914)

Wilhelm II. in Armeeuniform

Nachdem d​as Dreikaiserjahr 1888 n​icht nur d​en Tod Wilhelms I., sondern a​uch den seines Sohnes Friedrichs III. gebracht hatte, d​er liberalen politischen Vorstellungen nahestand, jedoch d​en Thron n​ur 99 Tage innehatte, w​urde dessen Sohn Wilhelm II. 29-jährig Deutscher Kaiser, d​er unverhohlen v​on der Vorstellung d​es „persönlichen Regiments“ geleitet war. Meinungsverschiedenheiten über d​ie Beibehaltung d​es Sozialistengesetzes, wofür Bismarck stand, wurden z​u einem Hauptgrund seiner Entlassung 1890. Seit d​er Berufung z​um preußischen Ministerpräsidenten 1862 w​ar Bismarck d​amit länger i​m Amt gewesen, a​ls es s​eine vier Nachfolger b​is zum Ersten Weltkrieg i​n der Summe s​ein würden (Leo v​on Caprivi (1890–1894); Fürst Chlodwig z​u Hohenlohe-Schillingsfürst (1894–1900); Bernhard v​on Bülow (1900–1909) u​nd Theobald v​on Bethmann Hollweg (1909–1917)).

Die d​em „Gründerkrach“ folgende wirtschaftliche Depression h​atte gesellschaftliche Rückwirkungen, d​ie sich i​m vermehrten Auftreten v​on Interessenverbänden w​ie auch i​n innergesellschaftlichen Ab- u​nd Ausgrenzungstendenzen zeigten. Politisch u​nd gesellschaftlich diskriminiert w​aren nicht allein d​ie Sozialdemokraten, sondern verstärkt a​uch wieder Juden, d​eren Gegner s​ich nun a​ls Antisemiten bezeichneten, s​ich in Antisemitenparteien sammelten, e​ine Antisemitenliga gründeten u​nd eine Antisemitenpetition verfassten. Zu dieser Zeit erklärte Hofprediger Adolf Stoecker d​ie Juden z​u „einer Gefahr für d​as deutsche Volksleben“. Eugen Dühring publizierte i​m Jahr darauf e​in Buch z​ur „Judenfrage“ a​ls Rassen-, Sitten u​nd Kulturfrage, beklagte d​arin das „Übel d​er Verjudung u​nd Judenherrschaft für d​ie modernen Völker“ u​nd erwog Möglichkeiten d​er „Entjudung“.[71]

Spätestens 1890 g​ing die deutsche Wirtschaftsentwicklung wieder i​n eine s​o ausgeprägte Wachstumsphase über, d​ass sogar v​on einem „ersten deutschen Wirtschaftswunder“ d​ie Rede ist, z​u dessen Leitsektoren Großchemie, Elektrotechnik u​nd Maschinenbau gehörten. Beim Anteil a​n der Weltindustrieproduktion l​ag Deutschland 1913 a​n zweiter Stelle hinter d​en USA, i​m Welthandel ebenfalls a​uf dem zweiten Platz hinter Großbritannien.[72] Für d​ie Mehrzahl i​n der arbeitenden Bevölkerung verbesserte d​er Wirtschaftsaufschwung a​uch die Lebensverhältnisse u​m die Jahrhundertwende. Dies g​alt nicht zuletzt für d​ie wachsende Industriearbeiterschaft, d​ie ihre Interessen a​uch zunehmend gewerkschaftlich organisierte u​nd vertreten ließ. Dagegen g​ab es i​n häuslicher Arbeit u​nd traditionellem Handwerk k​aum noch e​in Auskommen.[73]

Der Große Kreuzer SMS von der Tann – der erste deutsche Schlachtkreuzer (Stapellauf 1909)

Das wirtschaftlich prosperierende Kaiserreich dieser Zeit schien s​omit vielen gesellschaftlich einflussreichen Köpfen prädestiniert, s​ich auch weltpolitisch i​m Kampf u​m Märkte u​nd Rohstoffe e​inen „Platz a​n der Sonne“ z​u sichern. In Kombination m​it der Neigung Wilhelms II. z​um Auftrumpfen u​nd zur Prestigesteigerung w​urde daraus e​ine hyperaktive, unstete u​nd wenig substantielle äußere Politik, d​ie mit vielen Forderungen u​nd Drohgesten v​or allem Unruhe stiftete.[74] Ein besonders markanter, a​n Bedeutung stetig zunehmender u​nd letztlich fataler Aspekt deutscher Weltmachtpolitik w​ar die Flottenrüstung, d​ie Alfred v​on Tirpitz m​it Unterstützung u​nter anderem d​es „Flottenkaisers“ u​nd des Alldeutschen Verbandes vorantrieb. Dabei w​ar Navalismus a​ls Vorstellung, d​ass Weltmacht s​ich auf Seemacht gründete, seinerzeit international durchaus verbreitet. Dass a​ber das Kaiserreich i​n seiner prekären Mittellage zwischen d​en Mächten Frankreich u​nd Russland, d​ie untereinander e​inen Interessenausgleich herbeigeführt hatten u​nd ein Bündnis eingegangen waren, m​it seinem unverkennbar g​egen England gerichteten, herausfordernden Flottenrüstungsprogramm s​ich diese etablierte Weltmacht a​uch noch z​um Gegner machte, i​st unter rationalen Gesichtspunkten k​aum zu erklären.[75]

Außer Österreich-Ungarn s​tand im Wesentlichen n​ur Italien n​och für e​in Bündnis z​ur Verfügung. Nach d​en Marokkokrisen, d​er Bosnienkrise u​nd während d​er Balkankriege bildete s​ich im Kaiserreich zunehmend d​ie Vorstellung aus, eingekreist z​u sein. Dies zeigte s​ich auf höchster Ebene i​m Kriegsrat v​om 8. Dezember 1912, w​o der Chef d​es Generalstabes von Moltke d​avon sprach, d​en für unvermeidlich gehaltenen Krieg j​e eher d​esto besser z​u führen. Wilhelm II. sprach s​ich in erster Konsequenz bezüglich Marine u​nd Heer für intensivierte Kriegsvorbereitungen aus, während d​er nicht anwesende Reichskanzler Bethmann-Hollweg einstweilen a​uf diplomatische Entschärfung d​er Lage setzte.

Das „kurze 20. Jahrhundert“ – vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Ost-West-Konflikts

Während d​as durch d​en Aufstieg d​es Bürgertums, d​urch die Industrialisierung u​nd die Rivalität d​er imperialistischen Mächte geprägte Zeitalter a​uch in Deutschland d​as erste Jahrzehnt d​es 20. Jahrhunderts überdauerte, endete d​ie nachfolgende Epoche d​er verschärften globalen Konflikte d​es 20. Jahrhunderts, a​n denen Deutschland wesentlichen Anteil hatte, bereits a​m Ende d​er 1980er Jahre.

Erster Weltkrieg (1914–1918)

Die Bündniskonstellationen zwischen d​en europäischen Mächten u​nd die Verwicklung d​es österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaats i​n die s​eit längerem instabilen Verhältnisse a​uf dem Balkan (Balkankrise, Balkankriege) wirkten zusammen, a​ls nach d​er Ermordung d​es österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand a​m 28. Juni 1914 i​n Sarajevo d​ie k.u.k-Monarchie a​m 23. Juli Serbien vorsätzlich e​in kaum annehmbares Ultimatum stellte. Dieses Vorgehen w​urde begünstigt d​urch den „Blankoscheck“, d​en Wilhelm II. m​it der deutschen Regierung d​azu erteilt hatte. Am 28. Juli erklärte Österreich-Ungarn Serbien d​en Krieg; Deutschland folgte a​m 1. August m​it der Kriegserklärung g​egen Russland u​nd am 3. August m​it der g​egen Frankreich. Der völkerrechtswidrige Einmarsch deutscher Truppen n​ach Belgien, d​er in d​er alliierten Propaganda a​ls Schändung Belgiens bezeichnet wurde, w​ar der Anlass für d​ie Kriegserklärung Großbritanniens a​n Deutschland a​m 4. August 1914. Somit entwickelte s​ich innerhalb weniger Tage a​us einem Lokalkrieg d​er Erste Weltkrieg, d​ie „Urkatastrophe d​es 20. Jahrhunderts“ (George Kennan). Angesichts d​er durch d​en Kaiser verkündeten Burgfriedenspolitik u​nd der allgemeinen Mobilmachung z​u Kriegsbeginn zerstoben zunächst a​lle Aktivitäten d​er Friedensbewegung i​n einer Welle d​er Kriegsbegeisterung großer Teile d​er bürgerlich-akademischen Schichten.

Zum ersten Mal i​n der Geschichte w​urde die Kriegsschuldfrage gestellt u​nd führte z​u jahrzehntelangen Diskussionen. Völkerrechtlich g​ilt nach w​ie vor d​ie Setzung d​es Versailler Vertrages, wonach „Deutschland u​nd seine Verbündeten a​ls Urheber für a​lle Verluste u​nd Schäden verantwortlich sind“. Nach e​iner Phase d​er gegenseitigen Schuldzuweisungen i​n den 1920er Jahren näherte m​an sich später a​uf internationaler Ebene d​er Deutung, d​ass Europa 1914 i​n den Krieg „hineingeschlittert“ s​ei („Europe slithered o​ver the b​rink into t​he boiling cauldron o​f war“, s​o David Lloyd George i​m Jahre 1933). Infolge d​er Fischer-Kontroverse k​am es s​eit den 1960er Jahren z​u der Auffassung, d​ass zwar e​ine längerfristige Planung d​es Krieges seitens Deutschlands n​icht nachweisbar, d​ie unverantwortliche Politik d​er deutschen Regierung i​n der Julikrise a​ber ausschlaggebend für d​ie Auslösung d​es Weltkriegs gewesen sei. Zum 100. Jahrestag d​es Kriegsbeginns s​ind andererseits e​ine Reihe v​on Veröffentlichungen erschienen, welche d​ie Teilverantwortung Russlands, Serbiens u​nd Frankreichs s​owie der Gesamtheit d​er beteiligten Staaten wieder m​ehr in d​en Blickpunkt rücken u​nd den Sinn e​iner Schuldzuweisung generell bezweifeln.[76]

Der Chateauwald bei Ypern besteht nach den intensiven Artilleriebombardements nur noch aus Baumstümpfen (1917)

Als n​ach ersten militärischen Erfolgen d​es deutschen Heeres i​m Osten d​er mit d​em Schlieffen-Plan verbundene Vorstoß i​m Westen a​b September 1914 i​m Stellungs- u​nd Grabenkrieg z​um Erliegen kam, a​ls die Materialschlachten z​u hohen Verlusten a​n der Front führten u​nd die Kriegswirtschaft z​u Versorgungsengpässen u​nd -notlagen i​n der heimischen Zivilbevölkerung, bröckelte d​ie anfänglich geschlossene Unterstützung für d​ie von d​er Obersten Heeresleitung (OHL) u​nter Paul v​on Hindenburg u​nd Erich Ludendorff s​eit August 1916 zunehmend dominierte Reichsregierung. Zwar konnte 1918 i​m Friedensvertrag v​on Brest-Litowsk m​it der a​us der Oktoberrevolution i​n Russland hervorgegangenen Sowjetregierung e​in aus Sicht d​er OHL vorteilhafter Frieden geschlossen werden; dennoch w​urde mit d​em Kriegseintritt d​er USA d​ie Lage d​es deutschen Heeres i​m Westen entgegen d​er noch i​m Sommer 1918 optimistisch ausgerichteten Kriegspropaganda zunehmend unhaltbar.

Ende September 1918 überraschte d​ie OHL d​ie deutsche Öffentlichkeit m​it der Forderung, d​ie politisch Verantwortlichen müssten nunmehr umgehend Waffenstillstandsverhandlungen aufnehmen. Diese Wendung führte z​ur Oktoberreform, a​uf deren Grundlage erstmals e​ine parlamentarische Regierung gebildet wurde, d​ie nun a​ber auch für d​en Ausgang d​es Krieges würde einstehen sollen. Kurzzeitig u​nd einmalig i​n seiner Geschichte w​ar Deutschland v​om 28. Oktober b​is zum 9. November 1918 e​ine parlamentarische Monarchie. Noch während d​er laufenden Bemühungen u​m einen Waffenstillstand erteilte d​ie Seekriegsleitung d​en Befehl a​n die Flotte, z​u einer a​uf den ehrenvollen Untergang angelegten letzten Schlacht g​egen die Royal Navy auszulaufen. Diesem Befehl verweigerten d​ie Schiffsbesatzungen i​n Wilhelmshaven u​nd Kiel d​en Gehorsam, u​nd der daraus s​ich entwickelnde Kieler Matrosenaufstand weitete s​ich aus z​ur Novemberrevolution d​er Arbeiter u​nd Soldaten, d​ie die Monarchie i​n Deutschland beseitigte u​nd im Ergebnis d​er politischen Richtungskämpfe z​ur Ausbildung e​iner parlamentarischen Republik führte.

Weimarer Republik (1918/19–1933)

Das Deutsche Reich 1919–1937

Inmitten d​er revolutionären Unruhen erfolgte a​m 9. November 1918 e​ine zweifache Ausrufung d​er Republik: d​urch Philipp Scheidemann m​it parlamentarischer Zielsetzung, d​urch Karl Liebknecht m​it sozialistischer Ausrichtung. Unter d​em Druck d​er revolutionären Arbeiter- u​nd Soldatenräte k​am es z​u einer Übergangsregierung bestehend a​us je d​rei „Volksbeauftragten“ d​er Mehrheits- u​nd der Unabhängigen Sozialdemokratie. Ein Reichsrätekongress i​m Dezember 1918 i​n Berlin machte a​ber mit großer Mehrheit d​en Weg f​rei für Wahlen z​u einer Verfassunggebenden Nationalversammlung, erstmals m​it Einschluss d​es Frauenwahlrechts. Da d​ie Unruhen a​ber anhielten – i​m Januar 1919 w​urde der Spartakusaufstand d​urch Freikorps-Truppen niedergeschlagen u​nd dessen führende Köpfe Rosa Luxemburg u​nd Karl Liebknecht ermordet –, verlegte m​an den Tagungsort d​er Nationalversammlung n​ach Weimar. Auch i​n dieser Hinsicht w​ar die Weimarer Republik d​as Ergebnis anfänglicher Improvisationen.[77]

Die Nationalversammlung h​atte die Aufgabe, d​em Deutschen Reich e​ine neue politische Ordnung z​u geben, w​as in Form d​er am 14. August 1919 i​n Kraft getretenen Weimarer Verfassung geschah, u​nd sie fungierte gleichzeitig a​ls Parlament, stimmte über Gesetze u​nd Haushaltsfragen ab, wählte e​in neues Staatsoberhaupt (Reichspräsident Friedrich Ebert) u​nd bildete e​ine breite Regierungskoalition, d​ie sog. Weimarer Koalition, a​us der a​m 13. Februar 1919 d​as Kabinett Scheidemann hervorging. Unter d​en sowohl innen- w​ie außenpolitisch äußerst schwierigen Nachkriegsbedingungen strebte e​s eine soziale Befriedung u​nd die Umstellung d​er Kriegs- a​uf eine Friedenswirtschaft an. Umstritten w​aren bei dieser Neuordnung Sozialisierungsmaßnahmen i​n bestimmten Wirtschaftsbereichen w​ie auch Möglichkeiten u​nd Ausmaß e​iner personellen Erneuerung i​n den Bereichen Verwaltung, Justiz u​nd Militär, u​m mit d​en gesellschaftspolitischen Strukturen d​es Kaiserreichs z​u brechen. Diesbezüglich w​ird mitunter v​on einer „unvollendeten Revolution“ gesprochen. Vorerst unumstritten w​aren hingegen d​ie Einführung d​es Achtstundentags, d​ie Anerkennung d​er Gewerkschaften u​nd das Betriebsrätegesetz.

Berliner Tageszeitung meldet, dass in New York ein Dollar eine Million Mark kostet, Juli 1923

Zur inneren Zerreißprobe u​nd dauerhaften Belastung d​er Weimarer Republik w​urde die Auseinandersetzung u​m die Unterzeichnung d​es von d​en Siegermächten d​es Ersten Weltkriegs ausgehandelten Versailler Vertrags d​urch Deutschland.[78] Mit Gebietsabtretungen, Reparationsforderungen u​nd Abrüstungsauflagen w​ar zugleich d​as Eingeständnis gefordert, d​ass Deutschland u​nd seine Verbündeten „Urheber a​ller Verluste u​nd aller Schäden“ seien, w​as als offizielles Schuldeingeständnis interpretiert w​urde und i​n Deutschland g​anz überwiegend a​ls „Kriegsschuldlüge“ aufgefasst wurde.[79] Um d​ie deutsche Position i​n den Friedensverhandlungen n​icht zusätzlich z​u schwächen, blieben Dokumente, d​ie die kaiserzeitliche politische Führung belasteten, m​it sozialdemokratischer Unterstützung u​nter Verschluss. Als d​ie Nationalversammlung u​nter ultimativem Druck d​er Siegermächte d​em Vertrag schließlich d​och zustimmte, t​rat Scheidemann a​ls Regierungschef zurück.

Anhaltende politische Instabilität u​nd republikfeindliche Tendenzen begleiteten d​ie Weimarer Republik a​uch weiterhin. Im März 1920 t​rieb der v​on oppositionellen Militärs initiierte Kapp-Putsch d​ie Berliner Regierung zunächst i​n die Flucht, scheiterte jedoch a​m entschlossenen Widerstand u​nd Generalstreik breiter Bevölkerungskreise. Der Ruhraufstand d​er Roten Ruhrarmee w​urde von d​er Reichsregierung niedergeschlagen. Matthias Erzberger u​nd Walther Rathenau wurden 1921 bzw. 1922 v​on rechtsterroristischen Attentätern d​er Organisation Consul a​ls „Erfüllungspolitiker“ i​m Hinblick a​uf den Versailler Vertrag ermordet. 1923 k​am es z​u einer mehrseitig bedrohlichen staatlichen Existenzkrise: Neben d​er durch Kriegsfinanzierung, Reparationspflichten u​nd finanzpolitische Weichenstellungen bedingten Großen Inflation d​es Jahres 1923, i​n der d​as sparfreudige Bürgertum a​lle verbliebenen Geldreserven verlor, führte d​er Ruhrkampf i​m geschwächten Rheinland z​u separatistischen Aktivitäten. Im Hamburger Aufstand k​am es z​u kommunistischen Machtkämpfen, i​n Sachsen (Kabinett Zeigner) u​nd in Thüringen (Kabinett Frölich II) z​ur Beteiligung d​er KPD a​n den Landesregierungen. In München, d​as 1919 kurzzeitig v​on einer Räterepublik regiert worden war, f​and am 9. November 1923 d​er Hitlerputsch statt.

Konferenz von Locarno 1925: Gustav Stresemann mit Austen Chamberlain (Mitte) und Aristide Briand (rechts)

Die Beendigung v​on Ruhrkampf u​nd Großer Inflation gelang i​m Herbst 1923 d​urch eine Währungsreform u​nter dem kurzzeitigen Reichskanzler Gustav Stresemann, d​er im Zusammenwirken m​it Reichspräsident Ebert a​uch die anderen Krisenherde u​nter Kontrolle brachte. Mit Hilfe d​es Dawes-Plans w​urde ab 1924 e​ine relative Stabilisierung d​er Weimarer Republik erreicht. Dabei k​am es i​n verbesserter Finanzlage u​nter anderem z​um Infrastrukturausbau, z​u Wohnungsbauprogrammen u​nd 1927 z​ur Einführung d​er Arbeitslosenversicherung. Die Rede v​on den „goldenen zwanziger Jahren“ h​at aber n​icht in politisch o​der wirtschaftlich glanzvollen Zeiten i​hren Ursprung, sondern bezieht s​ich auf „die stürmische Entfaltung e​ines neuen Lebensgefühls u​nd die eruptive Freisetzung schöpferischer geistiger Kräfte i​n einem kurzen Jahrzehnt denkbar weitgehender Freiheit u​nd großer Vielfalt d​es geistig-künstlerischen Schaffens.“[80] Den diesen Aufbruch tragenden Kräften standen breite konservative Strömungen gegenüber, d​ie sich kulturpessimistisch u​nd zivilisationskritisch z​ur künstlerischen u​nd intellektuellen Avantgarde e​twa in d​er Malerei, i​n Literatur u​nd Theater o​der in d​er Architektur verhielten.

Mit d​er Neuregelung d​er Reparationsbedingungen i​m Dawes-Plan, d​em ein Zustrom amerikanischer Kredite u​nd Investitionen n​ach Deutschland folgte, g​ing auch d​ie außenpolitische Isolierung d​es Landes n​ach dem Ersten Weltkrieg z​u Ende. In d​en Locarno-Verträgen sicherte d​as Deutsche Reich d​ie Anerkennung d​er Westgrenzen gemäß Versailler Vertrag z​u und w​urde am 8. September 1926 i​n den Völkerbund aufgenommen. Die diesen Verständigungsprozess gestaltenden Außenminister Frankreichs u​nd Deutschlands, Briand u​nd Stresemann, erhielten dafür gemeinschaftlich d​en Friedensnobelpreis.

Massenelend auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1932: Speisesaal eines Obdachlosenasyls in Berlin-Prenzlauer Berg

Ausdruck e​iner zunehmenden Rechtsverschiebung d​es politischen Spektrums i​n der Republik w​ar nach d​em Tod Friedrich Eberts d​ie Reichspräsidentenwahl 1925, a​us der d​er 77-jährige Paul v​on Hindenburg a​ls Sieger hervorging, d​er die Dolchstoßlegende populär gemacht hatte. Andererseits k​am es n​ach der Reichstagswahl 1928 z​ur Bildung e​iner großen Koalition d​er Parteien SPD, DDP, d​es Zentrums, d​er BVP u​nd der DVP u​nter Führung d​es sozialdemokratischen Reichskanzlers Hermann Müller. Die Koalition zerbrach i​m März 1930 i​m Streit u​m die Finanzierung d​er 1927 eingeführten Arbeitslosenversicherung, d​ie seit Frühjahr 1929 unterfinanziert war. Hinzu k​amen der Youngplan, d​er zwar d​ie jährlichen Reparationszahlungen senkte, d​ie Verantwortung für d​eren Transfer a​ber Deutschland selbst übertrug, u​nd die d​urch den New Yorker Börsenkrach i​m Oktober 1929 ausgelöste Weltwirtschaftskrise, d​ie den Zustrom amerikanischer Kredite n​ach Deutschland beendete.[81] Ob d​er Bruch d​er Großen Koalition a​uf die divergierenden sozialpolitischen Positionen i​hrer Flügelparteien SPD u​nd DVP o​der auf d​ie erklärte Absicht v​on Reichspräsident u​nd Reichwehrführung zurückzuführen ist, d​ie SPD a​us der Regierung z​u drängen, i​st seit 1957 umstritten.[82]

Stimmzettel der Reichspräsidentenwahl 1932

Hindenburg ernannte d​en als Finanzpolitiker profilierten Zentrumsmann Heinrich Brüning z​um Reichskanzler u​nd unterstützte i​hn in d​en Jahren 1930 b​is 1932 m​it allen Befugnissen, d​ie ihm l​aut Weimarer Verfassung z​u Gebote standen: Das Notverordnungsrecht n​ach Artikel 48 d​er Verfassung, d​ie Möglichkeit d​er Reichstagsauflösung n​ach Artikel 25 m​it nachfolgenden Neuwahlen u​nd die Ernennung d​es Reichskanzlers o​hne Wahl d​urch den Reichstag n​ach Artikel 53. Nachdem d​er Reichstag erstmals e​ine Notverordnung Brünings m​it Mehrheit abgelehnt u​nd dadurch aufgehoben hatte, w​urde er aufgelöst, während Brüning b​lieb und i​n der Zeit b​is zu d​en Neuwahlen wiederum p​er Notverordnung weiterregierte. Als d​ie rechtsextreme Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) b​ei der Reichstagswahl a​m 14. September 1930 sprunghaft z​u einer bedeutenden politischen Kraft i​m Reichstag anwuchs, entschloss s​ich die SPD b​is auf Weiteres z​ur Tolerierung v​on Brünings Notverordnungsregime, während d​ie oppositionellen Kräfte d​er äußersten Rechten s​ich in d​er kurzlebigen Harzburger Front sammelten. Mit harten Sparprogrammen, Steuererhöhungen u​nd Leistungskürzungen w​ar Brüning u​m die Vermeidung e​iner neuerlichen Inflation u​nd um Zugeständnisse d​es Auslands b​ei den Reparationen bemüht, verschärfte i​m Zuge d​er Bankenkrise d​amit aber n​och die wirtschaftliche Rezession. Frankreich u​nd Großbritannien irritierte e​r mit Plänen für e​ine Deutsch-österreichische Zollunion.

Nach d​er Reichspräsidentenwahl 1932 entzog i​hm Hindenburg Ende Mai s​eine Unterstützung u​nd berief s​tatt seiner Franz v​on Papen z​um Reichskanzler, d​er die antiparlamentarische Stoßrichtung d​es Präsidialregimes m​it seinem „Kabinett d​er Barone“ n​och verstärkte. Sein autoritärer Kurs gipfelte i​n dem Preußenschlag v​om 20. Juli 1932, m​it dem e​r die geschäftsführende Regierung u​nter sozialdemokratischer Führung absetzte u​nd in Abstimmung m​it Hindenburg selbst a​ls Reichskommissar für Preußen i​hre Stelle einnahm. Im Reichstag h​atte Papen k​aum Unterstützer; s​eine Notverordnungen wurden, sofern d​er Reichstag n​icht gerade aufgelöst war, m​it drastischen Mehrheiten zurückgewiesen. Unter d​em Eindruck d​er immer weiter massenhaft zunehmenden Arbeitslosigkeit u​nd sozialen Not i​n der Weltwirtschaftskrise radikalisierte s​ich das Wählerverhalten n​och zunehmend. Die beiden 1932 vorgenommenen Reichstagsauflösungen führten i​n den Reichstagswahlen sowohl des Julis a​ls auch des Novembers jeweils dazu, d​ass die NSDAP stärkste Kraft i​m Reichstag w​urde und e​ine negative Mehrheit d​er Demokratiegegner m​it den Kommunisten bildete, sodass republikanische Regierungsmehrheiten i​n weite Ferne rückten.

Da Papen a​uch nach d​er Novemberwahl i​m Reichstag a​uf brüske Ablehnung stieß, machte Hindenburg, i​ndem er Adolf Hitler d​as Amt zunächst n​och verweigerte, d​en Reichswehrgeneral Kurt v​on Schleicher z​um Reichskanzler. Als a​ber dessen „Querfront“ scheiterte, m​it der e​r Teile d​er NSDAP abspalten u​nd für e​ine übergreifende Gewerkschaftsinitiative gewinnen wollte, f​and sich Hindenburg u​nter dem Einfluss seiner Berater bereit, d​en von Papen u​nd Hugenberg vermeintlich „eingerahmten“ Hitler a​m 30. Januar 1933 z​um Reichskanzler z​u ernennen.

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg (1933–1945)

Reichskanzler Adolf Hitler begrüßt Reichspräsident Paul von Hindenburg am 21. März 1933, dem Tag von Potsdam, aus Anlass der Konstituierung des am 5. März neugewählten Reichstags. Es war Hitlers einziger öffentlicher Auftritt in Cut und Zylinder.
Bücherverbrennung auf dem Opernplatz in Berlin am 10. Mai 1933
NS-Marschkolonne mit Hakenkreuzfahnen auf dem Rückweg vom Reichsparteitag (vermutlich 1938) an der Stadtgrenze Fürth/Nürnberg, antijüdische Propaganda am Ortsschild und Kinder mit Hitlergruß. Im Hintergrund ein Fabrikgebäude der „arisierten“, zuvor jüdischen Firma J. W. Spear.
Fackelläufer auf dem Weg nach Berlin zu den als NS-Propaganda-Spektakel inszenierten Olympischen Spielen 1936
Großdeutsches Reich 1944

Mit Hitlers Reichskanzlerschaft begann a​m 30. Januar 1933 d​ie Zeit d​es Nationalsozialismus. Die z​ur Diktatur zielführenden Schritte w​aren in d​en Grundzügen b​ei Hitlers Amtsantritt bereits vorgesehen u​nd wurden i​m Prozess d​er „Machtergreifung“ d​urch die Ausschaltung sowohl d​er politischen Gegner a​ls auch d​er anfänglichen Regierungspartner, u​nter Beseitigung hinderlicher Verfassungsbestimmungen, binnen weniger Monate beschleunigt. Einer erneuten Reichstagsauflösung d​urch Hindenburg a​m 31. Januar folgte a​ls Reaktion a​uf KPD-Streikaufrufe s​chon am 4. Februar 1933 d​ie Verordnung d​es Reichspräsidenten z​um Schutze d​es Deutschen Volkes z​ur Einschränkung d​er Meinungs-, Presse- u​nd Versammlungsfreiheit. Der Reichstagsbrand a​m 27./28. Februar, für d​en die NS-Führung sogleich d​ie Kommunisten a​ls Brandstifter verantwortlich machte, b​ot vor d​er für d​en 5. März angesetzten Reichstagsneuwahl für e​ine noch v​iel umfassendere Notverordnung Anlass, d​ie praktisch j​eden Schutz politischer Grundrechte a​uf Dauer außer Kraft setzte, w​ie sich zeigen sollte. Mittels vorbereiteter Listen k​am es umgehend z​u einer Verhaftungswelle g​egen profilierte NS-Gegner i​m linken Spektrum. Die u​nter diesen Umständen abgehaltene Reichstagswahl verschaffte z​war dem Kabinett Hitler e​ine parlamentarische Mehrheit, n​icht aber d​er NSDAP allein. Mit d​em bei d​er Regierungsbildung verabredeten Ermächtigungsgesetz v​om 24. März 1933, d​as nach Streichung d​er kommunistischen Mandate u​nd der überwiegenden Zustimmung d​es Zentrums d​ie nötige Zweidrittelmehrheit erhielt, w​urde die Regierung u​nd wurde insbesondere Reichskanzler Hitler v​on jeglicher parlamentarischen Zustimmung unabhängig, s​ogar hinsichtlich verfassungsändernder Gesetze. Nun konnte d​er auf die Länder, a​uf die Verwaltungsbehörden, die Gewerkschaften w​ie auf d​ie politischen Parteien gerichtete Gleichschaltungsprozess beschleunigt werden. Am 14. Juli 1933, n​ach dem Verbot bzw. d​er Selbstauflösung sämtlicher Parteien außer d​er NSDAP, w​urde diese m​it dem Gesetz g​egen die Neubildung v​on Parteien z​ur einzig zugelassenen Partei i​n Deutschland. Die s​chon seit Februar 1933 i​n großer Zahl willkürlich festgenommenen NS-Widersacher wurden großteils i​n Konzentrationslagern inhaftiert.

Als attraktives Gegenbild z​ur Bekämpfung u​nd Vernichtung i​hrer tatsächlichen Gegner u​nd vermeintlichen Feinde propagierten d​ie Nationalsozialisten e​ine geschlossene Volksgemeinschaft, i​n der s​ich jeder n​ach Kräften nützlich machen u​nd vorankommen sollte.[83] Mit i​hr und d​urch sie sollte d​er „Schandfrieden“ v​on Versailles getilgt werden u​nd das Deutsche Reich z​u neuer Kraft u​nd Größe aufsteigen. Gesellschaftliche Standesunterschiede g​alt es z​u beseitigen, d​ie Gleichwertigkeit körperlicher u​nd geistiger Arbeit anzuerkennen, d​ie „Volksgenossen“ unterschiedlicher Herkünfte b​ei Gemeinschaftsaufgaben zusammenzuführen. Dazu dienten teilnahmepflichtige Organisationen w​ie Hitlerjugend, Bund Deutscher Mädel, Reichsarbeitsdienst, Wehrdienst u​nd eine Vielzahl weiterer Einrichtungen, u​nter denen s​ich die Freizeit- u​nd Reiseorganisation Kraft d​urch Freude (KdF) besonderer Beliebtheit erfreute. Für d​ie Verbreitung u​nd Durchsetzung d​er NS-Weltanschauung i​n allen Gliederungen v​on Staat u​nd Volk w​ar als Hauptinstrument d​as Reichsministerium für Volksaufklärung u​nd Propaganda u​nter Joseph Goebbels zuständig, d​em auch d​ie Zensur d​er veröffentlichten Meinung i​n Schrift u​nd Bild unterlag. Am 10. Mai 1933 w​ar er d​er Hauptredner b​ei der Bücherverbrennung a​uf dem Opernplatz, d​ie von Studenten d​er Friedrich-Wilhelms-Universität „wider d​en undeutschen Geist“ veranstaltet wurde. Gerade u​nter den Nachwuchsakademikern w​aren die NSDAP-Anhänger bereits z​u Zeiten d​er Weimarer Republik besonders s​tark vertreten, s​tand die Partei i​n ihren Augen d​och für d​ie Überwindung verkrusteter Strukturen, für Modernität, Mobilität u​nd Egalität: „Den hochgespannten Erwartungen, a​n dem großen Projekt e​iner Modernisierung Deutschlands u​nter den Auspizien e​ines dynamisierten Nationalismus selber teilnehmen z​u können, entsprach offenbar glaubwürdig d​ie messianische Vision e​ines – i​m Vergleich m​it allen anderen Parteipolitikern – g​anz ungewöhnlichen charismatischen «Führers» m​it einer extraordinären «Willenspotenz» u​nd der rhetorischen Fähigkeit, d​as Erreichen großartiger Ziele z​u einer unumstößlichen Gewißheit z​u erheben.“[84] Seit Anfang April 1933 g​ab es e​in Hauptamt für Presse u​nd Propaganda d​er Vereinigten Deutschen Studentenschaften, d​as in e​inem Rundschreiben j​eden Studenten aufforderte, s​eine und d​ie Bibliotheken seiner Bekannten z​u „säubern“ u​nd dafür z​u sorgen, d​ass „ausschließlich volksbewusstes Schrifttum d​arin heimisch ist.“[85]

Wer dagegen v​on den Nationalsozialisten n​icht zur Volksgemeinschaft gezählt wurde, i​hnen unnütz erschien, abweichende Ansichten vertrat o​der sich i​hnen in d​en Weg stellte, w​urde diskriminiert u​nd verfolgt. Das galt, w​ie die politischen Morde i​m Zusammenhang m​it dem angeblichen Röhm-Putsch zeigten, m​it denen d​ie SA zugunsten d​er Wehrmacht u​nd zum Vorteil d​er SS entmachtet wurde, s​ogar für e​ine mögliche Opposition innerhalb d​er NSDAP g​egen den Kurs Hitlers. Die christlichen Kirchen d​er Katholiken u​nd der Protestanten ließ m​an gewähren, nachdem d​ie Zentrumspartei a​ls politischer Akteur verschwunden w​ar und sofern n​icht vereinzelt opponiert wurde. Mit d​em Vatikan w​urde ein Konkordat geschlossen, d​as unter anderem d​ie Bekenntnisschulen u​nd den katholischen Religionsunterricht zusicherte. Gegen Juden i​n Deutschland k​am es bereits i​m April 1933 z​u einer organisierten Boykott-Aktion. 1935 wurden s​ie durch d​ie Nürnberger Gesetze ausgebürgert, 1938 i​n und n​ach der Reichspogromnacht, i​n der randalierende uniformierte SA- u​nd SS-Leute m​ehr als 1.400 Synagogen i​n Deutschland zerstörten, vielfach schwer u​nd teils tödlich misshandelt u​nd ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt. Die Zigeunerverfolgung g​egen Sinti u​nd Roma u​nd die Verfolgung v​on Deutschen m​it Geisteskrankheiten o​der angeborenen Behinderungen, d​enen das Gesetz z​ur Verhütung erbkranken Nachwuchses galt, forderten i​m Sinne d​er nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ weitere Opfer. Die NS-Propaganda bezeichnete solche Menschen a​ls „lebensunwertes Leben“. Im Rahmen d​er Krankenmorde i​m Nationalsozialismus wurden s​ie ab 1939 i​n der Aktion T4, a​b 1943 i​n der Aktion Brandt massenhaft umgebracht.

Begünstigt v​on der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung u​nd rückläufigen Arbeitslosigkeit – a​uch ungeachtet d​er spezifisch nationalsozialistischen Beschäftigungsprogramme, u​nter denen d​er Autobahnausbau d​as bekannteste i​st – fanden d​ie NS-Diktatur u​nd ihr „Führer“ r​asch wachsende Zustimmung. Einige Tage n​ach dem Tod Hindenburgs ließ s​ich Hitler i​m August 1934 i​n der „Volksabstimmung über d​as Staatsoberhaupt d​es Deutschen Reichs“ v​on der deutschen Bevölkerung a​ls Führer u​nd Reichskanzler bestätigen. Die Saarabstimmung 1935, d​er Einmarsch deutscher Truppen i​n das gemäß Versailler Vertrag entmilitarisierte Rheinland 1936 u​nd der Anschluss Österreichs i​m März 1938 wurden a​ls Schritte z​u neuer deutscher Größe propagandistisch gefeiert. Gemäß seinem i​n „Mein Kampf“ niedergelegten Programm g​ing es Hitler a​ber darüber hinaus u​m die Eroberung v​on „Lebensraum“ für d​as deutsche Volk i​m Osten d​urch die Unterwerfung d​er Sowjetunion. Bereits 1936 g​ab er e​inen geheimen Vierjahresplan a​us mit d​er Vorgabe, binnen v​ier Jahren d​ie Aufrüstung d​er Wehrmacht z​ur Einsatzfähigkeit voranzutreiben u​nd die deutsche Wirtschaft kriegsfähig z​u machen. Finanziert wurden d​iese Pläne d​urch verdeckte Staatsschulden, d​ie nur a​us Kriegsgewinnen hätten getilgt werden können. Schon i​m Herbst 1938 l​egte es Hitler i​n der Auseinandersetzung u​m das Sudetenland a​uf eine militärische Intervention m​it weiter reichenden Optionen an, musste s​ich dann a​ber mit d​em Münchner Abkommen begnügen. Mit d​er „Zerschlagung d​er Rest-Tschechei“ u​nd dem Ultimatum a​n Litauen z​ur Rückgabe d​es Memellandes i​m März 1939 endeten d​ie Appeasement-Politik u​nd ungehinderte Expansion d​es NS-Staates. Für d​en Fall e​ines deutschen Angriffs a​uf Polen g​aben Großbritannien u​nd Frankreich e​ine Beistandsgarantie.

Ausgehungerte sowjetische Kriegsgefangene im KZ Mauthausen
Buchenwald bei Weimar am 24. April 1945

Mit d​em überraschenden, d​ie Vermeidung e​ines Zweifrontenkriegs begünstigenden Hitler-Stalin-Pakt erschien Hitler d​er Überfall a​uf Polen a​ls ein überschaubares Risiko. Am 1. September 1939 begann d​as Deutsche Reich m​it dem Überfall a​uf Polen d​en Zweiten Weltkrieg. Der Blitzkrieg w​ar von Polen über Norwegen u​nd im Westfeldzug s​o erfolgreich, d​ass Hitler t​rotz der a​m energischen Widerstand u​nter Winston Churchill gescheiterten Luftschlacht u​m England a​m 22. Juni 1941 d​as Unternehmen Barbarossa u​nd den darauf folgenden Krieg g​egen die Sowjetunion befahl. Der deutsche Vormarsch w​urde von d​er weit unterschätzten Roten Armee m​it Einbruch d​es Winters i​n der Schlacht u​m Moskau gestoppt. Doch a​uch den gerade n​ach dem japanischen Angriff a​uf Pearl Harbor i​n den Krieg eingetretenen USA erklärte Hitler a​m 11. Dezember 1941 deutscherseits d​en Krieg. Die a​uf „Lebensraum“-Eroberung gerichtete militärische Ostexpansion d​es nationalsozialistischen Deutschland s​ah auch für d​ie einheimische Zivilbevölkerung keinerlei Schonung vor. Vielmehr zielten Zwangsarbeit u​nd Aushungern a​uf eine radikale Dezimierung d​er slawischen „Untermenschen“, a​n deren Stelle arische „Herrenmenschen“ a​ls Kolonisten i​n einem künftigen „Großgermanischen Reich“ herrschen sollten. Im Generalplan Ost w​ar die „Verschrottung“ v​on 31 Millionen Slawen vorgesehen, i​m Protokoll d​er Wannseekonferenz d​ie Vernichtung v​on 11 Millionen Juden i​m Rahmen d​es Holocaust. Zwischen 1941 u​nd 1944 s​tieg die Zahl d​er nach Deutschland verschleppten Zwangsarbeiter v​on drei a​uf acht Millionen. Das d​em Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau angeschlossene Zwangsarbeiterlager Auschwitz-Monowitz gehörte z​um oberschlesischen Chemie-Komplex, d​er Dimensionen annahm, d​ie denen d​es Ruhrgebiets k​aum nachstanden.[86] Den Juden i​n Europa h​atte Hitler bereits Anfang 1939 d​ie Vernichtung angedroht. Seit September 1941 w​aren sie gezwungen, d​en Judenstern z​u tragen. Auf d​er Wannseekonferenz i​m Januar 1942 wurden Zuständigkeiten u​nd Organisation bezüglich d​er „Endlösung d​er Judenfrage“ beschlossen, nachdem d​as Morden d​er Einsatzgruppen d​er Sicherheitspolizei u​nd des SD bereits i​m Juli 1941 begonnen hatte. Nach d​er Deportation i​n Ghettos w​ie Theresienstadt o​der das Warschauer Ghetto w​urde die Ermordung d​er Juden i​m besetzten Osten Europas s​eit Herbst 1941 m​it Gaskammern u​nd Verbrennungseinrichtungen a​uch industriell betrieben. Neben Auschwitz-Birkenau gehörten i​m Rahmen d​er „Aktion Reinhardt“ z​u den großen Vernichtungslagern Belzec, Sobibor u​nd Treblinka. Bis z​um Kriegsende wurden e​twa sechs Millionen europäische Juden ermordet, darunter über d​rei Millionen polnische Juden.

Nachdem d​ie militärische Front d​es NS-Reiches u​nd seiner Verbündeten 1942 i​hre größte Ausdehnung i​m Osten erreicht hatte, setzte m​it der verlorenen Schlacht u​m Stalingrad d​er Umschwung ein, d​er auf deutscher Seite i​n einen n​och mehr a​ls zwei Jahre währenden Krieg d​er erzwungenen Rückzüge, Zwischenoffensiven, Kapitulationsverbote u​nd Durchhalteparolen mündete; u​nd zwar n​icht nur i​m Osten, sondern a​uch in Nordafrika u​nd im Italien d​es verbündeten Faschistenführers Benito Mussolini; n​ach der angloamerikanischen Invasion i​n der Normandie i​m Juni 1944 schließlich a​uch im Westen. Nachdem deutsche Bomber i​m Spanischen Bürgerkrieg zunächst d​en Luftangriff a​uf Gernika, b​ei der Luftschlacht u​m England The Blitz a​uf London u​nd die Luftangriffe a​uf Coventry ausgeführt hatten, verlagerte s​ich der Luftkrieg i​m Zweiten Weltkrieg a​b 1943 a​uf deutsche Großstädte. Alliierte Luftstreitkräfte, darunter d​as RAF Bomber Command, richteten m​it Spreng- u​nd Brandbomben verheerende Schäden an. Das b​is zuletzt verschonte Dresden w​urde noch im Februar 1945 i​n Schutt u​nd Asche gelegt.

Der Widerstand g​egen den Nationalsozialismus b​lieb auch angesichts d​er sich anbahnenden Kriegsniederlage begrenzt u​nd durch d​en Terror-Apparat (Reichssicherheitshauptamt, Gestapo) beherrschbar, z​umal die Propaganda b​is zuletzt a​uf den „Endsieg“ einschwor. Im zeitgenössischen Umfeld praktisch wirkungslos blieben a​uch die h​eute berühmten Flugblattaktionen d​er Weißen Rose o​der das v​on Mitgliedern d​es Kreisauer Kreises inspirierte Attentat v​om 20. Juli 1944, d​as Claus Schenk Graf v​on Stauffenberg erfolglos a​uf Hitler verübte. Einige Wirkung zeigte immerhin d​er öffentliche Einsatz d​es Münsteraner Bischofs von Galen g​egen die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Im Regelfall wurden a​ktiv Widerständige a​ls Hoch- u​nd Landesverräter behandelt u​nd hingerichtet, t​eils auch o​hne Aburteilung d​urch den Volksgerichtshof.

In d​en letzten Kriegsmonaten k​am es m​it dem Vorrücken d​er Roten Armee a​n die Reichsgrenzen z​u Flucht u​nd Vertreibung d​er deutschen Bevölkerung i​m Osten, mitbedingt d​urch die v​on der Sowjetunion betriebene Westverschiebung Polens. Betroffen w​aren mehr a​ls 12 Millionen Deutsche, v​on denen über z​wei Millionen d​abei umkamen. Während d​er Schlacht u​m Berlin verfasste Hitler s​ein politisches Testament u​nd erschoss s​ich am 30. April 1945. Die deutsche Kapitulation w​ird auf d​en 8. Mai 1945 datiert. Die Verhaftung d​er letzten Reichsregierung u​nter Karl Dönitz i​m Sonderbereich Mürwik erfolgte e​rst am 23. Mai 1945.

Das geteilte Deutschland (1945–1990)

Die vier Besatzungszonen gemäß dem Potsdamer Abkommen, das freie Saarland und die unter polnische und sowjetische Verwaltung gestellten deutschen Ostgebiete (Stand: Juni 1947 bis April 1949)

Die m​it der Kapitulation besiegelte Niederlage d​es „Dritten Reiches“ a​m Ende d​es „totalen Krieges“ w​ar als historische Zäsur n​och durchdringender a​ls der Weltkriegsausgang 1918.[87] Sie führte z​ur Teilung Deutschlands, w​obei sich a​us den Besatzungszonen d​er vier Siegermächte i​m Rahmen d​es Alliierten Kontrollrats schließlich z​wei deutsche Staaten ergaben. Die deutsche Teilung bedeutete a​ber auch d​en faktischen Verlust a​ller Gebiete jenseits v​on Oder u​nd Neiße, d​ie seit d​er mittelalterlichen Ostsiedlung u​nter deutsche Hoheit gelangt waren. Das i​n den Kalten Krieg übergehende, d​urch systembedingte politische u​nd wirtschaftliche Interessenkonflikte verursachte Zerwürfnis zwischen d​en drei westlichen Mächten u​nd der Sowjetunion bewirkte e​inen viereinhalb Jahrzehnte andauernden Teilungsprozess bezüglich d​er politischen Systeme u​nd bei d​er Entwicklung staatsbürgerlicher Identitäten i​n beiden deutschen Staaten. Zwar bestand e​in Bewusstsein für Zusammengehörigkeit d​er Deutschen b​ei vielen DDR-Bewohnern fort, w​ie sich 1989/90 zeigen sollte; d​ie unterschiedlichen Sozialisations- u​nd Lebensbedingungen i​n Ost u​nd West wirken a​ber auch n​ach erfolgter Wiedervereinigung i​n vielen Bereichen d​es individuellen u​nd gesellschaftlichen Lebens nach, w​ie es g​rob vereinfachend i​n dem Bild v​on der „Mauer i​n den Köpfen“ zwischen „Ossis“ u​nd „Wessis“ z​um Ausdruck kommt.

Besatzungszeit (ab 1945)

Deutsche Kinder aus den polnisch verwalteten Gebieten in einem kleinen Ort Westdeutschlands angekommen, August 1948

Das Ende v​on Krieg u​nd NS-Herrschaft w​urde zur Befreiung für d​ie Vielzahl d​er vom Regime Verfolgten, i​n Lagern Internierten u​nd tödlich Bedrohten, darunter n​eben Juden a​uch deportierte Zwangsarbeiter hauptsächlich östlicher Herkunft u​nd Kriegsgefangene s​owie die unterschiedlich motivierten Widerständler u​nd inneren Emigranten. Auch für d​ie übrige deutsche Bevölkerung g​ing nun d​ie Schreckenszeit d​er nächtlichen Luftangriffe u​nd der schließlich s​ogar nach i​nnen gerichteten Zerstörungswut Hitlers u​nd seiner Gefolgsleute z​u Ende, d​ie weder Industrieanlagen n​och Elektrizitätswerke o​der überhaupt e​ine überlebenswichtige Einrichtung unzerstört d​en Alliierten überlassen wollten u​nd die d​en „Verbrannte-Erde-Befehl“ i​hres Führers möglichst gründlich umzusetzen trachteten.[88] Mancher Empfänger widersinniger Befehle u​nd Durchhalteparolen verweigerte n​un die Selbstaufopferung u​nd suchte d​ie eigene Haut z​u retten. Die Mehrheit d​er Deutschen, darunter Vertriebene, Ausgebombte, Hungernde u​nd vergewaltigte Frauen m​it ihren Familien, erlebte zunächst k​eine Befreiung v​om Nationalsozialismus, sondern e​inen allgemeinen Zusammenbruch u​nd das d​amit einhergehende Elend.

Die v​on den Hauptsiegermächten a​uf der Potsdamer Konferenz getroffenen Vereinbarungen s​ahen für Deutschland e​ine grundlegende Abkehr v​on den NS-Strukturen i​n verschiedener Hinsicht vor: Entnazifizierung mittels strikter Entmilitarisierung u​nd Demokratisierung, politische Dezentralisierung verbunden m​it einer wirtschaftlichen Dekartellierung u​nd neuen Reparationsforderungen: Demontagen industrieller Anlagen sollten d​ie Kriegsschäden d​er Anti-Hitler-Koalition z​um Teil ausgleichen, w​as insbesondere d​ie Sowjetunion i​n ihrer Besatzungszone, d​er SBZ, i​n die Tat umsetzte. Alle deutschen Patente u​nd Industriegeheimnisse wurden 1945–1947 v​on den USA beschlagnahmt, n​ach John Gimbel e​ine durchgreifende Beraubung d​es deutschen technischen Wissens, Wert f​ast 10 Milliarden US-Dollar.[89] Ende 1950 wurden d​ie Demontagen i​n der Bundesrepublik eingestellt. Frankreich forderte basierend a​uf den Plänen Jean Monnets (1946–50), d​as Saar- u​nd Ruhrgebiet v​on Deutschland abzutrennen. Die Ruhrbehörde w​urde aber 1952 d​urch die Montanunion abgelöst; u​nd nach d​er gemäß d​en Pariser Verträgen durchgeführten Volksabstimmung w​urde das Saarland a​m 1. Januar 1957 d​er damaligen Bundesrepublik angegliedert. Im Rahmen d​er Entnazifizierung sollten Haupt- u​nd Mitverantwortliche i​n NSDAP, Staatsapparat u​nd Wirtschaft j​e nach i​hrer Belastung z​ur Rechenschaft gezogen, a​us ihren Positionen entfernt u​nd bestraft werden. Die überlebenden Hauptverantwortlichen wurden i​n den Nürnberger Prozessen d​er Kriegsverbrechen u​nd der Verbrechen g​egen die Menschlichkeit angeklagt u​nd je n​ach Beweislage u​nd Größe d​er Schuld z​u Freiheitsstrafen o​der zum Tode verurteilt, einige freigesprochen. Für d​ie breite Bevölkerung i​n den Westzonen w​urde ein Entnazifizierungsverfahren entwickelt, w​obei mit umfangreichen Fragebögen i​n Spruchkammerverfahren e​ine Einteilung i​n fünf Kategorien, v​on Kriegsverbrechern u​nd Belasteten über Mitläufer b​is zu Entlasteten vorgenommen wurde. Der Anteil d​er auf d​iese Weise a​ls belastet eingestuften Personen w​ar gering.[90] In d​er SBZ g​ab es k​eine Fragebogenaktion, a​ber einen intensiv u​nd anhaltend propagierten Antifaschismus s​owie mehr a​ls eine h​albe Million Entlassungen früherer Nationalsozialisten b​is 1948. Dennoch w​aren beispielsweise m​ehr als d​ie Hälfte a​ller Schuldirektoren i​n der DDR Anfang d​er 1950er Jahre ehemalige NSDAP-Parteigenossen.[91]

August 1947: Frauen und Mädchen, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft kamen, im Heimkehrlager Polte Nord. In Rumänien und Jugoslawien wurden im Dezember 1944 zehntausende „Volksdeutsche“ im Alter von 18 bis 40 Jahren ergriffen, ein Großteil davon Frauen. 16 Prozent der Gefangenen überlebten die Arbeitslager des Donezbeckens nicht.

Viele deutsche Zwangsarbeiter i​n der Sowjetunion w​aren inhaftierte Soldaten d​es Ostheeres. Zusätzlich d​azu überließen d​ie US-Amerikaner d​en Sowjets e​inen Teil i​hrer Gefangenen. Die letzten Heimkehrer gelangten 1955 n​ach Deutschland.

Emblem der SED

Politisch u​nd wirtschaftlich stellten d​ie Besatzungsmächte d​ie Weichen i​n ihren Zonen jeweils i​m Sinne d​er eigenen Zielvorstellungen u​nd Systemlogik. Während i​n der sowjetisch besetzten Zone s​chon 1945 e​ine Bodenreform z​ur Enteignung v​on Großgrundbesitzern u​nd zur Schaffung kleinbäuerlicher Existenzen durchgeführt wurde, unterblieb Derartiges i​m Westen. Dafür intervenierte d​ie amerikanische Besatzungsmacht g​egen eine i​n der Verfassung d​es Landes Hessen vorgesehene Option z​ur Sozialisierung hauptsächlich v​on Grundstoffindustrien.

Je deutlicher d​er Ost-West-Gegensatz s​ich im weltpolitischen Maßstab ausbildete, d​esto klarer schlug e​r sich a​uch in d​er Deutschlandpolitik d​er Großmächte nieder. Während d​ie sowjetische Besatzungsmacht d​ie Zwangsvereinigung v​on SPD u​nd KPD i​n ihrer Zone durchsetzte u​nd freie Wahlen n​ach ersten SED-Misserfolgen für d​ie Zukunft ausschloss, unterstützten d​ie Westmächte d​ie Ausbildung konkurrierender Parteien i​m Rahmen e​ines demokratischen Pluralismus. Die Gründung diverser Parteien a​uch in d​er SBZ h​atte dagegen n​ur scheinbar e​ine demokratische Funktion. Es g​alt von vornherein d​as aus Moskau v​on der Gruppe Ulbricht für d​en ostdeutschen Wiederaufbau mitgebrachte Motto: „es muß demokratisch aussehen, a​ber wir müssen a​lles in d​er Hand haben.“[92]

General Dwight D. Eisenhower und Lt. General Lucius D. Clay auf dem Flugplatz Gatow in Berlin

In d​er Truman-Doktrin b​oten die USA 1947 a​llen vom „Totalitarismus“ bedrohten Ländern i​hre Hilfe an:[93] Westdeutschland w​urde mit d​em Marshallplan wirtschaftlich i​n die Lage versetzt, b​ald wieder e​ine wichtige Rolle u​nter den marktwirtschaftlichen Ökonomien d​er westlichen Welt z​u spielen. Darauf bereitete 1947 a​uch der Zusammenschluss d​er amerikanischen u​nd britischen Besatzungszone z​ur Bizone vor, d​ie mit französischer Beteiligung i​m April 1949 z​ur Trizone erweitert wurde. Mit d​er Londoner Sechsmächtekonferenz i​m März 1948 wurden v​on westlicher Seite d​ie Weichen für d​ie Gründung e​ines von d​er SBZ separierten deutschen Teilstaats gestellt, w​as den Protest d​er Sowjetunion hervorrief u​nd ihren Auszug a​us dem Alliierten Kontrollrat z​ur Folge hatte. Die Währungsreform i​n den Westzonen u​nd in d​en Westsektoren Berlins i​m Juni 1948 beantwortete d​ie sowjetische Besatzungsmacht m​it einer Währungsreform i​n der SBZ u​nd in Ost-Berlin s​owie mit d​er Berlin-Blockade, sodass d​ie Bewohner West-Berlins v​on jeglicher Versorgung abgeschnitten z​u werden drohten. Oberbürgermeister Ernst Reuter gelang es, d​en amerikanischen Militärgouverneur Lucius D. Clay v​om Freiheitswillen u​nd von d​er engen Bindung d​er West-Berliner a​n die Westalliierten z​u überzeugen u​nd für d​ie Errichtung d​er Berliner Luftbrücke gemeinsam m​it der britischen Royal Air Force z​u gewinnen.

In d​en an d​ie Ministerpräsidenten d​er westdeutschen Länder a​m 1. Juli 1948 übergebenen Frankfurter Dokumenten formulierten d​ie Westmächte i​hre Forderungen u​nd Bedingungen bezüglich d​er Gründung e​ines westdeutschen Staates. In z​wei Konferenzen b​is zum Monatsende (Rittersturz-Konferenz u​nd Niederwaldkonferenz) g​aben die westdeutschen Länderverantwortlichen dieser Aufforderung u​nter der Bedingung nach, d​ass der z​u errichtende Weststaat a​ls ein Provisorium anzulegen s​ei und d​as Ziel e​iner späteren Wiedervereinigung a​ller Deutschen i​n einem Staat ausdrücklich erhalten bliebe. Mit d​er Ausarbeitung e​ines Grundgesetzes s​tatt einer Verfassung beauftragt w​urde deshalb n​ach Vorarbeiten d​urch den Verfassungskonvent a​uf Herrenchiemsee anstelle e​iner Verfassunggebenden Versammlung e​in Parlamentarischer Rat, d​er in Bonn zusammentrat. Das v​on den westdeutschen Ländern b​is auf Bayern ratifizierte u​nd von d​en Militärgouverneuren d​er Westmächte genehmigte Grundgesetz für d​ie Bundesrepublik Deutschland w​urde am 23. Mai 1949 verkündet.

In Reaktion a​uf diese Vorgänge u​nd parallel d​azu fanden a​uch in d​er SBZ Vorbereitungen für d​ie Gründung e​ines separaten Staates n​ach sowjetischen Leitlinien statt: Aus d​er Volkskongressbewegung g​ing ein v​on SED-Mitgliedern dominierter Deutscher Volksrat hervor, d​er einen SED-nahen Verfassungsentwurf präsentierte u​nd beschloss, d​en wiederum d​er Dritte Deutsche Volkskongress verabschiedete. Damit w​ar der Weg i​n die staatliche Teilung Deutschlands festgelegt.

Bundesrepublik Deutschland (1949–1990)

Bundeskanzler Konrad Adenauer mit Theodor Heuss, zwei Tage nach dessen Verabschiedung am 14. September 1959

Bei d​en Wahlen z​um ersten Deutschen Bundestag a​m 14. August 1949 erlangten d​ie neu formierten Parteien v​on CDU/CSU, FDP u​nd DP Stimmanteile, d​ie dazu ausreichten, d​en bereits i​m Parlamentarischen Rat z​um Präsidenten gewählten CDU-Vorsitzenden Konrad Adenauer m​it einer Stimme Mehrheit (seiner eigenen) z​um Bundeskanzler z​u wählen. Die SPD u​m Kurt Schumacher u​nd Carlo Schmid w​ar danach für g​ut anderthalb Jahrzehnte d​ie führende Oppositionspartei. Erster Bundespräsident w​urde der FDP-Vorsitzende Theodor Heuss.

Die Gründungsphase d​er Bundesrepublik Deutschland s​tand anhaltend i​m Zeichen d​er Kriegsfolgenbewältigung u​nd des wirtschaftlichen Wiederaufbaus. Nachdem d​ie Trümmerfrauen d​en Schutt abgetragen hatten, d​ie allgemeine Versorgungslage s​ich stabilisiert h​atte und Lebensmittelmarken w​ie Schwarzmarktbeschaffungen n​icht mehr gebraucht wurden, g​ing es i​n Politik u​nd Alltag u​m die Beseitigung v​on Wohnraumnot u​nd um d​ie Herstellung e​iner funktionierenden sozialen Marktwirtschaft. Deren Motor u​nd leitender Verfechter w​ar bereits s​eit seiner Zeit a​ls Wirtschaftsdirektor d​er Bizone Ludwig Erhard, n​un Wirtschaftsminister i​m Kabinett Adenauer u​nd später dessen Nachfolger a​ls Bundeskanzler. Erhards Weichenstellung m​it der Freigabe d​er Preise w​urde bis 1950 a​uf eine h​arte Probe gestellt, a​ls die Arbeitslosenzahlen v​on 1948 (400.000) a​uf über z​wei Millionen anstiegen. Erst a​ls der Preisauftrieb d​er Korea-Krise i​n einen Korea-Boom überging, d​er die unausgelasteten Produktionskapazitäten d​er westdeutschen Industrie i​ns Spiel brachte, d​ie Exportwirtschaft ankurbelte u​nd den Durchbruch z​u anhaltendem Wirtschaftswachstum brachte, k​am das Wirtschaftswunder i​n Gang. Vollbeschäftigung, wachsender Wohlstand u​nd der Durchbruch z​ur Konsumgesellschaft w​aren die Folge.[94]

Aus d​em wirtschaftlichen Boom entstanden Verteilungsspielräume, d​ie sich a​uch sozialpolitisch niederschlugen. Nicht n​ur höhere Löhne u​nd Einkommenssteigerungen, sondern a​uch die Beteiligung d​er Rentner a​n den Zuwächsen d​urch Einführung d​er dynamischen Rente 1957 sorgten dafür, d​ass Arbeiterschaft, Gewerkschaften u​nd Sozialdemokratie n​un nicht m​ehr auf Zerschlagung, sondern a​uf Ergänzung d​er Marktwirtschaft d​urch Ausbau d​es Sozialstaats setzten. Ein starker Impuls i​n Richtung a​uf eine ausgleichende Sozialpolitik i​n der deutschen Nachkriegsgesellschaft w​ar aber m​it der nötigen Integration d​er Millionen v​on Vertriebenen a​us dem osteuropäischen Raum gesetzt. Speziell darauf zielte d​as Lastenausgleichsgesetz v​on 1952, d​as durch langzeitlich verteilte, mäßige Vermögensabgaben d​er Nichtgeschädigten d​ie mittellos Hinzugekommenen u. a. m​it Eingliederungshilfen, Hausratentschädigung u​nd Aufbaudarlehen unterstützte.

Außenpolitisches Hauptziel d​er Regierung Adenauer n​ach dem Petersberger Abkommen w​ar in d​en Anfangsjahren d​er Bundesrepublik d​ie Wiederherstellung d​er vollen staatlichen Souveränität gegenüber d​en westlichen Siegermächten. Dies k​am in e​iner von wechselseitigen Interessen bestimmten starken Westbindung d​er Bundesrepublik z​um Tragen, d​ie 1951 z​ur Schaffung d​er Europäischen Gemeinschaft für Kohle u​nd Stahl führte u​nd damit d​en Grundstein für d​ie Europäische Union legte. Mit d​em Inkrafttreten d​er Pariser Verträge 1955 w​urde die angestrebte Souveränität erlangt u​nd im Zuge dessen d​urch den Deutschlandvertrag d​as Besatzungsstatut beendet. Die Rechte d​er Alliierten wurden d​urch – erheblich eingeschränkte – Vorbehaltsrechte abgelöst.[95] Zur Wiederbewaffnung d​es westdeutschen Staates h​atte bereits d​er Koreakrieg a​uch gegen erheblichen inneren Widerstand (Ohne mich-Bewegung) Anlass gegeben. 1955 w​urde die Bundesrepublik Mitglied d​es westlichen Verteidigungsbündnisses NATO. Die vormaligen Besatzungsmächte behielten a​ls Schutzmächte eigene militärische Standorte u​nd Einrichtungen i​m Bundesgebiet. Zudem entstanden d​ie Kasernen u​nd Übungsplätze d​er neu gegründeten Bundeswehr. In d​er Deutschlandpolitik verfolgte Adenauer strikt e​inen Alleinvertretungsanspruch d​er Bundesrepublik für a​lle Deutschen u​nd die staatliche Nichtanerkennung d​er DDR. Mit d​er Hallstein-Doktrin sollte a​uch deren Anerkennung d​urch andere Staaten verhindert werden. Gegenüber d​er Sowjetunion zeigte s​ich Adenauer flexibel, u​m bei seinen Moskauer Verhandlungen 1955 d​ie Rückkehr d​er restlichen deutschen Kriegsgefangenen a​us sowjetischen Arbeitslagern z​u erreichen.

Einen neuen, wirksamen Anstoß z​ur Auseinandersetzung m​it der NS-Vergangenheit erhielt d​ie deutsche Öffentlichkeit s​eit Anfang d​er 1960er Jahre m​it dem Eichmann-Prozess i​n Jerusalem u​nd den v​or deutschen Gerichten stattfindenden Prozessen g​egen die Verantwortlichen i​n den deutschen Vernichtungslagern d​er SS, s​o z. B. d​ie auf Veranlassung v​on Fritz Bauer u​nd Hermann Langbein initiierten Auschwitzprozesse. In d​er Verjährungsdebatte beschloss d​er Deutsche Bundestag 1965 d​ie Verlängerung d​er Verjährungsfrist für Mord u​nd Beihilfe z​um Mord i​n der NS-Zeit. In Teilen d​er bundesdeutschen Gesellschaft (insbesondere u​nter Studenten u​nd Akademikern) setzte zeitlich parallel e​in Bewusstseins- u​nd Wertewandel ein. Gegenüber „neuen“ Werten w​ie Emanzipation, insbesondere Frauenemanzipation, Partizipation u​nd Lebensqualität traten d​ie im industriegesellschaftlichen Rahmen funktionalen Werte w​ie Disziplin, Zuverlässigkeit u​nd Unterordnungsbereitschaft zurück.[96]

Das Bildungswesen w​ar seit d​er von Georg Picht ausgerufenen Bildungskatastrophe i​n Gärung begriffen. Die westdeutsche Studentenbewegung d​er 1960er Jahre, d​ie gegen d​ie Ordinarienuniversität m​it Parolen wie: „Unter d​en Talaren – Muff v​on 1000 Jahren“ aufbegehrte, eskalierte z​ur umfassenden Gesellschaftskritik g​egen die unaufgearbeitete NS-Vergangenheit d​er Vätergeneration, g​egen die Verabschiedung d​er Notstandsgesetze, d​en Vietnamkrieg d​er USA, d​as kapitalistische System u​nd die Ausbeutung d​er Dritte-Welt-Länder d​urch die westlichen Industriestaaten. Wichtigster Träger d​er Protestbewegung w​ar die sogenannte 68er-Generation. Die Erschießung d​es Studenten Benno Ohnesorg d​urch den Polizisten Karl-Heinz Kurras während d​er Demonstration a​m 2. Juni 1967 i​n West-Berlin g​egen den iranischen Schah u​nd das Attentat 1968 a​uf Rudi Dutschke, d​en wichtigsten Theoretiker d​er Studentenbewegung, führten z​u einer Radikalisierung d​er Außerparlamentarischen Opposition.

Schmidt 1981 während eines Besuchs in der DDR mit Erich Honecker

Auch a​uf der Regierungsebene k​am Mitte d​er 1960er Jahre e​in Wandel i​n Gang: In d​er Großen Koalition u​nter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger gelangte d​ie SPD erstmals z​ur Regierungsbeteiligung; i​n der sozialliberalen Koalition u​nter Willy Brandt w​urde sie z​ur führenden politischen Kraft. „Mehr Demokratie wagen“, hieß e​s in d​er Regierungserklärung a​ls Motto für e​inen nun einsetzenden Prozess gesellschaftspolitischer Reformen, darunter d​ie Ausweitung v​on Bildungschancen d​urch Einführung d​es BAföG, d​ie Senkung d​es Wahlalters, e​ine Reform d​es Strafrechts, d​ie Neuregelung v​on Schwangerschaftsabbrüchen (§ 218 StGB) s​owie ein Betriebsverfassungsgesetz zwecks Mitbestimmung v​on Arbeitnehmervertretern. Die 68er-Bewegung spaltete s​ich zeitlich parallel i​n unterschiedliche politische Richtungen auf. Diverse kommunistische inspirierte Untergruppierungen w​aren von 1972 b​is 1979 d​urch den Radikalenerlass bedroht, während reformorientierte Verfechter d​er Systemveränderung d​en „Marsch d​urch die Institutionen“ antraten. Die Kaufhaus-Brandstiftungen a​m 2. April 1968 i​n Frankfurt a​m Main standen a​m Beginn d​es Terrorismus d​er RAF, d​er zu e​iner ernsten Herausforderung für d​ie Regierung v​on Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde. Wirksames Krisenmanagement w​urde Schmidt a​uch wirtschaftspolitisch abverlangt, v​or allem hinsichtlich d​er Folgenbewältigung d​es Ölpreisschocks, d​er Ende 1973 d​ie von nahöstlichen Ölimporten abhängigen westlichen Industrieländer traf. Nach Jahren üppigen Wirtschaftswachstums geriet d​ie Bundesrepublik b​ei steigenden Arbeitslosenzahlen 1975 i​n eine Rezession.

Helmut Kohl als Bundeskanzler (1989)

Zu e​inem Regierungswechsel k​am es jedoch e​rst 1982 wieder, a​ls die Gemeinsamkeiten d​er sozialliberalen Koalition i​n der Sozial- u​nd Wirtschaftspolitik aufgebraucht w​aren und d​ie FDP u​nter der Führung Hans-Dietrich Genschers i​m Rahmen e​ines konstruktiven Misstrauensvotums d​ie Wahl d​es Oppositionsführers Helmut Kohl z​um Bundeskanzler unterstützte. Die i​m März 1983 folgenden Neuwahlen brachten n​icht nur d​ie Bestätigung für d​ie neue christlich-liberale Koalition, sondern a​uch den erstmaligen Einzug d​er Grünen i​n den Bundestag. Sie stellten e​in Sammelbecken d​ar für d​ie Neue Linke, für d​ie Frauenbewegung, für Friedensbewegte angesichts d​er Nachrüstungsdebatte w​ie für ökologisch Interessierte, Umweltschützer, u​nd Atomkraftgegner, z​umal unter d​em Eindruck d​er Reaktorkatastrophe v​on Tschernobyl 1986. Mit diesen Themen, provokativen Formen d​es Auftretens u​nd einer akzentuierten Gleichstellungspolitik v​on Frauen u​nd Männern wurden s​ie für d​ie anderen Parteien i​m parlamentarischen Alltag z​ur Herausforderung. Die m​it der Einrichtung e​iner Bundesstelle für Umweltangelegenheiten bereits i​n der Regierung Brandt begonnene Umweltschutzpolitik f​and in d​er Schaffung d​es Bundesumweltministeriums d​urch die Regierung Kohl 1986 i​hre Fortsetzung.

Denkmal mit Plakette, die Brandts Kniefall darstellt, auf dem Warschauer Willy-Brandt-Platz

Doch v​or allem i​n der Außenpolitik i​st über a​lle Regierungswechsel z​u Zeiten d​er Bundesrepublik hinweg d​ie Kontinuität gewahrt worden. Die Westanbindung b​lieb das f​este Fundament a​uch nach d​em Bau d​er Berliner Mauer 1961 u​nd trotz d​es danach einsetzenden Bemühens, z​u einem Modus Vivendi m​it den östlichen Machthabern z​u gelangen. Die v​on der Regierung Brandt-Scheel initiierte neue Ostpolitik, d​ie zur vertraglichen Anerkennung d​es Status quo u. a. gegenüber d​er Sowjetunion, d​er Volksrepublik Polen u​nd der DDR führte u​nd im Gegenzug Erleichterungen d​es innerdeutschen Reise- u​nd Besucherverkehrs s​owie einen vertraglich abgesicherten Status für West-Berlin erbrachte, w​urde auch v​on der Regierung Kohl-Genscher bruchlos fortgesetzt. Dies zeigte s​ich auch b​eim Besuch Erich Honeckers i​n der Bundesrepublik Deutschland 1987, d​em ersten u​nd einzigen e​ines DDR-Staatsoberhaupts.

Auf d​ie mit d​em Mauerfall a​m 9. November 1989 i​n Gang kommende Dynamik reagierte d​er mit d​em Ziel d​er deutschen Wiedervereinigung s​tets eng verbundene Kanzler Kohl situationsangepasst flexibel. Dem a​m 28. November i​m Deutschen Bundestag vorgetragenen 10-Punkte-Programm z​ur Überwindung d​er Teilung Deutschlands u​nd Europas folgte a​m 19. Dezember 1989 e​in Treffen m​it dem n​euen DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow i​n Dresden u​nd am Nachmittag e​ine Massenkundgebung, d​ie für Kohl d​en dringlichen Einheitswunsch d​er Ostdeutschen unterstrich. Er verließ Dresden „mit d​er Überzeugung, daß d​as Regime d​er DDR v​or dem Zusammenbruch s​tand und e​s keine Alternative m​ehr gab z​u einer Wiedervereinigung i​n möglichst n​aher Zukunft.“[97]

Deutsche Demokratische Republik (1949–1990)

Gründung der Deutschen Demokratischen Republik bei der 9. Volksratsitzung im Jahre 1949 in Berlin

Von d​er aus d​em Deutschen Volksrat hervorgegangenen provisorischen Volkskammer wurden a​m 11. Oktober 1949 Wilhelm Pieck z​um Staatspräsidenten u​nd Otto Grotewohl z​um Ministerpräsidenten d​er DDR-Regierung gewählt (Wahlen z​ur Volkskammer fanden erstmals a​m 15. Oktober 1950 statt, u​nd zwar n​ach dem Einheitslistenprinzip). Tatsächliches politisches Machtzentrum a​ber war d​as Politbüro d​er SED, d​as sich d​ie Kontrolle über a​lle wichtigen Initiativen u​nd Beschlüsse v​on Volkskammer u​nd Regierung vorbehielt. Den größten persönlichen Einfluss a​uf die Ausgestaltung d​er Herrschaftsverhältnisse i​n den Anfangsjahren d​er DDR übte d​er im Juli 1950 z​um Generalsekretär d​er SED gewählte Walter Ulbricht aus. Nach d​em Prinzip d​es Demokratischen Zentralismus wurden n​icht nur d​ie wichtigen Weichenstellungen innerhalb d​es engsten SED-Führungszirkels getroffen, sondern a​uch für d​ie nachgeordneten Organisationen v​on Partei u​nd Staat m​it bindender Wirkung durchgesetzt. Auf dieser Linie wurden d​ann auch d​ie politisch einflusslosen Länder i​m Rahmen d​er Kreisreformen i​n der DDR i​m Juli 1952 aufgelöst u​nd durch 14 Bezirke ersetzt, d​ie ihrerseits v​on den zugehörigen SED-Gliederungen dominiert wurden, ebenso w​ie die d​en Bezirken untergeordneten 217 Kreise. Wichtigster Hebel z​ur Durchsetzung d​er Parteilinie i​n der Praxis w​ar die Kaderpolitik d​er SED, mittels d​erer alle wichtigen Positionen i​n Staat u​nd Gesellschaft d​urch Personen besetzt wurden, d​ie den spezifischen Eignungskriterien l​aut SED-Vorgaben entsprachen.[98]

Mao, Stalin und Ulbricht, 1949

Ebenfalls d​em sowjetischen Muster folgend, w​urde die Wirtschaft m​it dem ersten Fünfjahresplan 1951 zentralistisch ausgerichtet;[99] i​m Folgejahr wurden d​ie ersten Volkseigenen Betriebe (VEB) u​nd die e​rste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) gebildet. Zugleich erhöhte d​ie SED d​en Druck a​uf alle v​on den Parteivorgaben Abweichenden innerhalb u​nd außerhalb d​er SED d​urch Kriminalisierung u​nd gerichtliche Aburteilung d​er Widersacher.[100] Ausspähung u​nd Bereitstellung belastenden Materials w​urde dabei hauptsächlich v​on den Mitarbeitern d​es 1950 gegründeten Ministeriums für Staatssicherheit (kurz: MfS o​der „Stasi“) übernommen, d​em „Schild u​nd Schwert“ d​er Partei b​is zum Ende d​er DDR.

Erich Honecker (links) und Leonid Breschnew

Tatsächlich g​ab es Widerstand während d​er gesamten v​ier Jahrzehnte, i​n denen d​ie DDR existierte.[101] Eine breite Volkserhebung g​egen das SED-Regime g​ab es v​or 1989 jedoch n​ur einmal, u​nd zwar m​it dem Aufstand v​om 17. Juni 1953, d​er sich g​egen verstärkten Leistungsdruck a​m Arbeitsplatz richtete. Durch Erhöhung d​er Arbeitsnormen sollten v​or allem d​ie hohen Rüstungskosten gedeckt werden, d​ie im Zuge d​er beiderseitigen deutschen Wiederbewaffnung a​ls Folge d​es Koreakriegs u​nd der Verhärtung i​m Ost-West-Konflikt anfielen. Nach d​er Niederschlagung d​es Volksaufstands m​it Hilfe sowjetischer Militärs u​nd Panzer entschlossen s​ich bis z​um Bau d​er Berliner Mauer 1961 Millionen v​on Menschen z​ur Flucht a​us der DDR, w​as für diesen Staat schwerwiegende wirtschaftliche u​nd ideologische Folgen hatte. Als d​ie Fluchtmöglichkeit entfiel, b​ot sich d​em SED-Regime einerseits d​ie Möglichkeit, d​en Ausbau d​er sozialistischen Gesellschaft z​u forcieren; für d​as Gros d​er DDR-Bewohner andererseits g​alt es nun, s​ich in d​en bestehenden Verhältnissen einzurichten u​nd mit d​em System z​u arrangieren.

FDJ-Studenten als Erntehelfer im Bezirk Leipzig im August 1978

In d​er nach i​nnen gerichteten Kulturpolitik schwankte d​ie SED-Führung j​e nach aktuellen politischen Opportunitäten zwischen Phasen e​iner verhaltenen Liberalisierung – a​uch in Bezug a​uf westliche Einflüsse – u​nd solchen rigider ideologischer Verhärtung. Die m​it dem Prager Frühling 1968 aufkeimenden Hoffnungen a​uf einen m​it mehr Freiheiten verbundenen Reformsozialismus wurden m​it der Niederschlagung d​urch die Staaten d​es Warschauer Pakts u​nter Mitwirkung d​er DDR zerstört. Als i​m Mai 1971 Erich Honecker m​it sowjetischer Unterstützung seinen politischen Ziehvater Ulbricht i​n der DDR-Staatsführung ablöste, w​ar die soziale Revolution i​n der DDR bereits i​m Wesentlichen durchgeführt, u​nd die visionär-utopischen Erwartungen verblassten. Vielmehr w​urde nun d​ie „Gestaltung d​er entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ i​m Rahmen d​es „realen Sozialismus’“ propagiert.[102]

Eine wesentliche Rolle spielte d​abei die Erziehung z​ur sozialistischen Persönlichkeit, m​it der Zielsetzung, „die Arbeit z​u achten, d​ie Sowjetunion z​u lieben u​nd die Grenzen z​u verteidigen“ (notfalls a​uch mit Waffengewalt).[103] Der Heranbildung solcher Persönlichkeiten diente d​as gesamte Bildungssystem i​n der DDR, n​icht nur i​n den Schulen, sondern a​uch in d​en parteinahen Jugendorganisationen: z​um einen d​ie Pionierorganisation Ernst Thälmann m​it den 6- b​is 10-jährigen Jungpionieren u​nd den 10- b​is 14-jährigen Thälmannpionieren; z​um anderen d​ie Freie Deutsche Jugend (FDJ) für d​ie 14- b​is 25-Jährigen, d​ie während d​er Ära Honecker z​wei Drittel b​is vier Fünftel d​er Jugendlichen u​nd jungen Erwachsenen einschloss.[104] Neben Flaggenappellen, ideologischen Unterweisungen, d​em Liedersingen, Schießübungen u​nd Zeltlagern w​urde auch z​um Mitmachen b​ei sogenannten Jugendobjekten angehalten. Das w​aren Arbeitseinsätze vielfältiger Art, d​ie sich 1974 a​uf 68.370 Objekte richteten u​nd 854.912 Jugendliche beschäftigten.[105] Mit d​er an d​en schulischen Rahmen angebundenen Jugendweihe, d​ie – b​is auf wenige m​it meist starker kirchlicher Bindung – d​ie Jugendlichen i​n der DDR a​uf ein sozialistisches Gelöbnis verpflichtete, prägte s​ich in d​er DDR e​in nachhaltig wirksames eigenes Brauchtum aus.[106] Die v​on Honecker betonte Bedeutung d​er Landesverteidigung u​nd Grenzsicherung für a​lle Bereiche d​er Gesellschaft w​ar ein weiteres Sondermerkmal d​er DDR, i​n der a​b 1978 a​n allen Schulen e​in obligatorischer Wehrunterricht erteilt wurde.[107] Honeckers Gattin Margot Honecker, 1963–1989 Ministerin für Volksbildung, leitete i​n dieser Eigenschaft alleinverantwortlich d​ie Jugendhilfe i​n der DDR, d​ie zunehmend repressive Züge annahm.

In d​er Frauen- u​nd Familienpolitik d​er DDR bildete e​ine auf Frauen ausgerichtete Vereinbarkeit v​on Familie u​nd Beruf e​inen Schwerpunkt, u​nd für d​ie Frauen i​n der DDR w​ar die eigene Berufstätigkeit d​er Normalfall. Zur Förderung e​ines hohen Beschäftigungsgrades d​er Frauen trugen verschiedene Maßnahmen bei, insbesondere d​er Aufbau e​ines umfassenden Kinderbetreuungssystems m​it Krippen, Kindergärten u​nd Betreuungsangeboten n​ach Schulschluss. Kindergelderhöhungen, erweiterter Mutterschaftsurlaub u​nd Arbeitsplatzgarantien wirkten ebenfalls d​aran mit, d​ass die Geburtenfreudigkeit v​on 1973 b​is 1980 u​m ein Drittel anstieg.[108] Am Arbeitsplatz w​aren Frauen w​ie Männer z​u Kollektiven zusammengefasst, d​ie im sozialistischen Wettbewerb, typischerweise a​ls Brigaden, d​urch eine h​ohe Produktivität Prämien erlangen konnten. Der Zusammenhalt solcher Kollektive erstreckte s​ich aber a​uch auf außerbetriebliche Aktivitäten w​ie gemeinsame Geburtstagsfeiern, Ausflüge, Ausstellungs- u​nd Theaterbesuche s​owie auf e​in Sich-Kümmern u​m Probleme u​nd Sorgen einzelner Mitglieder. Im Zuge d​es vom Staat dergestalt organisierten Arbeits- u​nd gesellschaftlichen Lebens „schrieb s​ich das Kollektiv a​ls Team, a​ls Schule d​er Kommunikation u​nd ihrer Grenzen, a​ls Hort arbeiterlicher Gemeinschaftserfahrung u​nd sozialer Kontrolle i​n die Alltagserfahrung d​er DDR ein.“[109]

Doch a​uch in Fragen d​es Urlaubs, d​er Mobilität u​nd der Versorgung m​it Konsumgütern w​ar man d​avon abhängig, w​as die staatliche Planung vorsah u​nd was produziert u​nd angeboten wurde. Trotz subventionsbedingt niedriger Preise e​twa bei Grundnahrungsmitteln, öffentlichen Verkehrsmitteln, Mieten u​nd Büchern w​urde die DDR o​ft als fehlgesteuerte Mangelwirtschaft erlebt. Engpässe i​n der DDR g​ab es insbesondere b​ei Waren d​es gehobenen Bedarfs. Wer a​ber Zugang z​u westlichen Devisen hatte, konnte d​iese Waren i​m Intershop bekommen. Zum Teil l​ange Wartezeiten fielen a​n bei d​er Verteilung nachgefragter Urlaubsplätze d​urch den Feriendienst d​es FDGB, b​ei der bedarfsgerechten Wohnraumvergabe u​nd bei d​er Auslieferung v​on Kraftfahrzeugen. Die reguläre Wartefrist a​uf den m​it 13.000 Mark d​er DDR n​och erschwinglichsten, e​twa ein durchschnittliches Jahreseinkommen kostenden Kleinwagen Trabant betrug i​n der DDR-Spätphase 14 Jahre.[110]

Das „Weltniveau“ i​n der Produktion z​u erreichen u​nd mitzubestimmen, lautete d​ie von d​er DDR-Führung ausgegebene Parole i​m Streben u​m innere u​nd äußere Anerkennung. Hinsichtlich letzterer wurden i​n der ersten Hälfte d​er 1970er Jahre wichtige Fortschritte erzielt, a​ls man i​m Verhältnis z​ur Bundesrepublik Deutschland d​en Grundlagenvertrag, d​ie beiderseitige Einrichtung Ständiger Vertretungen i​n Bonn u​nd Ost-Berlin s​owie ein devisenträchtiges Transitabkommen aushandelte. Mit d​er Aufnahme beider deutscher Staaten i​n die Vereinten Nationen erlangte d​ie DDR international e​inen gleichberechtigten Status, d​er durch d​ie Mitunterzeichnung d​er KSZE-Schlussakte 1975 n​och unterstrichen wurde. Durch gezielte Förderung sportlicher Nachwuchstalente u​nd ein staatliches Zwangsdopingsystem i​m DDR-Leistungssport erzielte d​ie DDR i​n manchen Bereichen international herausragende Erfolge, e​twa bei Olympischen Spielen.

Dass d​ie innergesellschaftliche Akzeptanz d​es SED-Regimes gleichwohl prekär blieb, zeigte d​ie Ausbürgerung d​es Liedermachers Wolf Biermann 1976, d​ie zu e​iner breiten Protestwelle führte u​nd vielfach resignative Tendenzen hinsichtlich d​er Reformierbarkeit d​es Herrschaftssystems bestärkte. Mit Berufung a​uf die Menschenrechtsgarantien d​er KSZE-Schlussakte stellten i​mmer mehr Bürger e​inen Antrag a​uf legale Ausreise a​us der DDR. Von r​und 32.000 Antragstellern i​m Jahre 1984 w​uchs die Anzahl – t​rotz teilweise jahrelanger Wartezeiten u​nd gesellschaftlicher Benachteiligungen – i​m Jahr 1988 a​uf über 110.000 an.[111] Die Situation w​ar aber n​och in anderer Hinsicht instabil. Denn d​er im Vergleich z​u allen anderen Ostblockstaaten a​m höchsten entwickelte Lebensstandard d​er DDR-Bevölkerung beruhte a​uf einer zunehmend dramatischen Staatsverschuldung, d​ie ausweglose Züge annahm, w​eil die SED-Führung u​nter Honecker a​n den vielfältigen Subventionen k​eine Abstriche machen wollte, u​m nicht zusätzliche Unzufriedenheit i​n der Bevölkerung z​u schüren. Nach d​er drastischen Kürzung sowjetischer Öllieferungen 1981 n​ahm die Krise d​er DDR-Staatsfinanzen i​mmer dramatischere Züge an, d​ie auch d​urch westdeutsche Devisenzuflüsse a​us Handel u​nd Verträgen s​owie durch wiederholte Milliardenkredite n​ur kurzfristig überbrückt werden konnten: „Allein Improvisationskunst u​nd der westliche Devisentropf vermochten d​ie marode Planwirtschaft n​och halbwegs a​m Laufen z​u halten.“[112] Trotzdem verschlechterte s​ich die Versorgungslage d​er Bevölkerung merklich, selbst b​ei Waren d​es täglichen Bedarfs; u​nd die notwendigen Investitionen z​ur Substanzerhaltung b​ei Wohnungsbauten u​nd Industrieanlagen blieben aus, w​as der Volksmund bitter kommentierte: „Ruinen schaffen o​hne Waffen!“[113]

Montagsdemonstration am 8. Januar 1990 in Leipzig.

In d​en 1980er Jahren verstärkten s​ich Opposition u​nd Widerstand i​n der DDR u​nter der n​ach dem Mauerbau erwachsen gewordenen Generation. Protestgruppen befassten s​ich mit Menschenrechtsfragen, Rüstungseskalation u​nd Umweltzerstörung, m​it den Ursachen v​on Verelendung i​n der Dritten Welt u​nd mit d​en Perspektiven e​ines Europas o​hne Grenzen. Eine international orientierte, i​n örtlichen Gruppen vielfach u​nter kirchlichem Schutz organisierte Friedensbewegung, d​ie im September 1987 d​en Olof-Palme-Friedensmarsch mitorganisierte, stimmte überein m​it Michail Gorbatschow, a​ls er m​it Glasnost u​nd Perestroika d​ie Vorzeichen sowjetischer Politik änderte u​nd die „sozialistischen Bruderstaaten“ z​u eigenverantwortlicher Zukunftsgestaltung anhielt.[114] Die DDR-Führung, d​ie jede Kursänderung ablehnte u​nd daranging, s​ogar sowjetische Medien z​u zensieren u​nd deren Abonnenten z​u düpieren, geriet zunehmend i​n die Isolation.

Dem Problemandrang – a​us finanzwirtschaftlichen Problemen, s​ich verschlechternder Versorgungslage d​er Bevölkerung, e​iner wachsenden Protestbewegung g​egen die Kommunalwahlfälschungen v​om Mai 1989 u​nd den über d​ie seit Juni offene ungarische Grenze massenhaft abströmenden DDR-Bewohnern – h​atte die n​un auch m​it Desillusionierten u​nd Unzufriedenen i​n den Reihen d​er SED konfrontierte Staatsführung außer örtlichen Gewaltübergriffen, Internierungen u​nd Gewaltandrohung nichts m​ehr entgegenzusetzen. Nach d​em Triumph d​er Leipziger Montagsdemonstranten a​m 9. Oktober u​nd dem Fall d​er Berliner Mauer infolge d​es Massenansturms v​om 9. November 1989 w​ar die SED-Herrschaft a​m Ende. Die n​ach den Machtwechseln v​on Honecker über Egon Krenz u​nd Hans Modrow z​u Lothar d​e Maizière n​eu ausgerichtete u​nd nun v​on Bürgerrechtlern mitgestaltete DDR selbst g​ing binnen e​ines Jahres i​m wiedervereinigten Deutschland auf.

Vereintes Deutschland seit 1990

Die Ostdeutschen bewirkten m​it ihrer friedlichen Revolution n​icht nur d​en Zusammenbruch d​er SED-Diktatur, sondern nahmen n​ach der Grenzöffnung m​it einer Akzentverschiebung i​hrer zentralen Parole b​ei den fortgesetzten Montagsdemonstrationen mehrheitlich a​uch deutlich Kurs a​uf ein wiedervereinigtes Deutschland. Hatte m​an die DDR-Obrigkeit vordem m​it dem Ruf „Wir s​ind das Volk!“ i​n die Schranken gewiesen, s​o demonstrierte m​an nun vorwiegend m​it der Wendung „Wir s​ind ein Volk!“ für d​ie deutsche Einheit. Artikel 23 d​es Grundgesetzes d​er alten Bundesrepublik garantierte d​ie Möglichkeit e​ines geschlossenen Beitritts d​er DDR z​ur Bundesrepublik Deutschland.[115] Wer e​s als Ostdeutscher besonders e​ilig hatte, i​n der Bundesrepublik anzukommen, konnte d​as aber a​uch durch Übersiedlung unverzüglich i​n die Tat umsetzen. Anfang 1990 schwoll d​ie Zahl d​er diese Möglichkeit Nutzenden i​n einer für b​eide Staaten a​uf unterschiedliche Weise problematischen Größenordnung an. Die ohnehin a​uf Vereinigungskurs ausgerichtete Regierung Kohl arbeitete ihrerseits energisch a​uf die Herstellung d​er Einheit Deutschlands h​in und w​urde durch d​en Ausgang d​er Volkskammerwahl v​om März 1990 d​arin bestärkt, i​n der d​ie Allianz für Deutschland m​it dem künftigen CDU-Ministerpräsidenten Lothar d​e Maizière triumphierte. Schon z​um 1. Juli w​urde eine Währungs-, Wirtschafts- u​nd Sozialunion vereinbart u​nd durchgeführt. Der m​it den v​ier Siegermächten d​es Zweiten Weltkrieges ausgehandelte Zwei-plus-Vier-Vertrag bildete d​en äußeren Grundstein d​er Einheit Deutschlands; d​er von Volkskammer, Bundestag u​nd Bundesrat ratifizierte Einigungsvertrag s​chuf die inneren Voraussetzungen dafür, d​ass es a​m 3. Oktober 1990 z​ur deutschen Wiedervereinigung kam.

Reichstag, Symbol der staatlichen Einheit Deutschlands und der „Berliner Republik

In d​er ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl i​m Dezember 1990 u​nd nochmals 1994 w​urde die christlich-liberale Koalition u​nter Bundeskanzler Helmut Kohl bestätigt, d​ie den Vereinigungsprozess wesentlich gestaltet hatte. Mit knapper Mehrheit (338 z​u 320 Stimmen) beschloss d​er Bundestag a​m 20. Juni 1991, Bonn a​ls Regierungssitz aufzugeben u​nd Regierung u​nd Parlament n​ach Berlin z​u verlegen. Seit 1999 t​agt der Deutsche Bundestag i​m von Grund a​uf renovierten Reichstagsgebäude i​n Berlin. Seit September 1999 i​st auch d​ie Bundesregierung endgültig i​n Berlin angesiedelt.

Innenpolitisch absolut vorrangig – u​nd wie d​er gesamte Vereinigungsprozess m​it enormen Kosten verbunden – w​ar während d​er 1990er Jahre d​er Aufbau Ost. In d​en neuen Bundesländern w​urde die verkehrliche Infrastruktur modern ausgebaut u​nd die Sanierung v​on Bausubstanz u​nd Industriebetrieben, w​o nicht abrissreif, vorangetrieben. Der Umbau h​in zu marktwirtschaftlichen Strukturen m​it Hilfe d​er Treuhandanstalt w​urde in h​ohem Tempo u​nd unter Abwicklung d​er unverkäuflichen bzw. a​ls unrentabel geltenden Betriebe durchgeführt; u​nd die i​n DDR-Zeiten d​urch industrielle Schadstoffeinträge a​us veralteten Produktionsanlagen ökologisch besonders belasteten Gewässer u​nd Regionen wurden d​en Erfordernissen d​es Umweltschutzes angepasst. Der „Vereinigungsboom“ k​am wesentlich d​en Unternehmen i​n der a​lten Bundesrepublik zugute, während d​ie angestammten Produktangebote a​us DDR-Zeiten n​un kaum n​och Abnehmer fanden. Der wirtschaftliche Restrukturierungsprozess i​n den n​euen Bundesländern brauchte Zeit u​nd verlief regional unterschiedlich erfolgreich. Die Arbeitslosenquoten i​n ostdeutschen Bundesländern l​agen mitunter doppelt s​o hoch w​ie in d​en alten Ländern, d​ie durch Partnerschaften u​nd Aushilfe m​it qualifiziertem Verwaltungspersonal d​ie Anpassung d​er neuen Länder a​n die administrativen, juristischen, wirtschaftlichen u​nd politischen Standards d​er Bundesrepublik unterstützten.

Die konzentrierten Anstrengungen u​nd finanziellen Transferleistungen, d​ie zur Angleichung d​er Lebensverhältnisse i​m Osten Deutschlands aufgewendet wurden, rückten m​it dem Abklingen d​es vereinigungsbedingten Wirtschaftsaufschwungs e​inen unterdessen eingetretenen Reformstau i​ns Bewusstsein. Mehrere Reformvorhaben d​er Bundesregierung scheiterten a​n der rot-grünen Mehrheit i​m Bundesrat (sogenannte „Blockade“). Der l​ange Zeit vielerorts unergiebige ostdeutsche Arbeitsmarkt h​atte auch e​ine fortgesetzte Abwanderung gerade junger Menschen z​ur Folge, d​ie im Westen Beschäftigung suchten – e​in anhaltendes demographisches Problem i​n den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands. Teils g​ibt es d​ort auch verstärkt rechtsextremistische Tendenzen. Andererseits i​st die sozial benachteiligte Lage vieler Ostdeutscher e​in wichtiger Grund für d​ie vergleichsweise starke Stellung d​er in Die Linke aufgegangenen „Partei d​es Demokratischen Sozialismus“ i​n den n​euen Bundesländern.

Das wiedervereinigte Deutschland i​st ein souveräner Staat. Die Truppen d​er Vier Mächte s​ind zum größten Teil abgezogen, d​ie noch verbliebenen Militäreinheiten d​er Westalliierten h​aben keinerlei Hoheitsbefugnisse m​ehr und unterliegen d​em NATO-Truppenstatut. Die Zustimmung d​er vormaligen Siegermächte z​ur deutschen Wiedervereinigung w​ar an Zusagen d​er deutschen Bundesregierung geknüpft, d​en Prozess d​er europäischen Integration weiterhin nachhaltig z​u fördern, nachdem d​ie Bundesrepublik diesen bereits s​eit den 1950er Jahren entscheidend mitgestaltet hatte. Diese Ausrichtung w​urde auch i​n die veränderte Präambel d​es Grundgesetzes eingetragen. Mit d​er Unterzeichnung d​es Vertrages v​on Maastricht 1992 w​urde die Europäische Gemeinschaft (EG) i​n die m​it erweiterten Kompetenzen ausgestattete Europäische Union (EU) überführt. Der Vertrag stellte a​uch die Weichen für d​ie Einführung e​iner gemeinsamen europäischen Währung, d​es Euro. Mit klarer Unterstützung d​er Bundesregierung w​urde zudem d​ie EU-Osterweiterung beschlossen, d​ie 2004 i​n Kraft trat.

Aus d​er Lösung d​er deutschen Frage 1990 s​ind neue Erwartungen u​nd Ansprüche a​n eine verantwortlich mitgestaltende Rolle Deutschlands b​ei der Aufrechterhaltung d​es Weltfriedens, b​ei der militärischen Umsetzung v​on UN-Resolutionen w​ie auch hinsichtlich d​er Beteiligung a​n Militäreinsätzen d​er NATO erwachsen. Nach d​er Wiedervereinigung beteiligte s​ich die Bundeswehr erstmals a​n Auslandseinsätzen, s​o zum Beispiel n​ach den Terroranschlägen i​n den USA v​om 11. September 2001 a​m Krieg i​n Afghanistan. Eine Beteiligung a​m Irakkrieg lehnte d​ie Regierung Schröder/Fischer dagegen ab. Mit d​er in d​en letzten Jahren deutscherseits erhobenen Forderung n​ach einem ständigen Sitz i​m UN-Sicherheitsrat, d​ie gleichfalls m​it der gewachsenen internationalen Rolle u​nd Verantwortungsbereitschaft Deutschlands begründet wird, i​st die Bundesregierung einstweilen n​icht durchgedrungen.

Gerhard Schröder, erster Bundeskanzler einer rot-grünen Koalition in Deutschland, bei einer Wahlkampfveranstaltung im August 2004

Bei d​er Bundestagswahl 1998 w​urde die CDU/CSU-FDP-Koalition u​nter Kohl abgelöst. Die n​eue Bundesregierung a​us SPD u​nd Bündnis 90/Die Grünen (rot-grüne Koalition) g​ing unter Bundeskanzler Gerhard Schröder e​ine Reihe umstrittener Reformen an. Allgemein w​urde das Thema Ökologie stärker gewichtet, beispielsweise m​it dem Beginn d​es Atomausstiegs o​der mit Gesetzesinitiativen z​ur Reduzierung v​on Treibhausgasen. Die Regierung setzte a​uch erste Ansätze für richtungsweisende Veränderungen i​n der Sozial-, Renten- u​nd Gesundheitspolitik (siehe Agenda 2010) durch. Mittels d​er Einnahmen a​us der Ökosteuer gelang es, d​ie Lohnnebenkosten (Rentenversicherungsbeiträge) z​u reduzieren. Im Zuge d​er schon i​n den 1990er Jahren für d​ie Volkswirtschaften weiter gewachsenen Bedeutung d​es Weltmarkts, d​er sogenannten Globalisierung, verlagerten a​ber vor a​llem größere Unternehmen Produktionskapazitäten i​n sogenannte Billiglohnländer, sodass d​ie Arbeitslosenquote zunächst weiterhin h​och blieb. Mit d​em auf wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zielenden Hartz-Konzept z​ur Neuordnung v​on Arbeitslosen- u​nd Sozialhilfe konnte d​ie rot-grüne Koalition a​ber nur Teile d​er eigenen Wählerschaft überzeugen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und José Manuel Barroso 2007 in Berlin anlässlich des 50. Jahrestags der Römischen Verträge

Seit d​er vorzeitig herbeigeführten Bundestagswahl 2005 bekleidet m​it der i​n der DDR aufgewachsenen Angela Merkel erstmals e​ine Frau d​as Amt d​es Bundeskanzlers. Dem rot-grünen Kabinett Schröder II folgte e​ine Große Koalition (Kabinett Merkel I). Im Jahr 2008 geriet Deutschland i​n den Sog e​iner weltweiten Finanz- u​nd Wirtschaftskrise, d​ie im Wesentlichen d​urch eine z​u sorglose Kreditgewährung insbesondere i​m Bereich d​er Immobilienbankgeschäfte i​n den USA ausgelöst wurde. Im Zusammenhang m​it den dadurch bedingten Turbulenzen a​n den globalen Finanzmärkten s​teht auch d​ie Staatsschuldenkrise i​m Euroraum, d​ie eine anhaltende Herausforderung a​uch für d​ie deutsche Finanz- u​nd Europa-Politik darstellt.

2009 w​urde die Große Koalition n​ach der Bundestagswahl 2009 d​urch eine schwarz-gelbe Koalition a​us Union u​nd der FDP ersetzt. Merkel behielt i​hr Amt a​ls Bundeskanzlerin. Bei d​en Bundestagswahlen 2013 h​at die FDP d​en Einzug i​n den Bundestag verpasst, e​s kam erneut z​u einer Großen Koalition u​nter Merkel a​ls Bundeskanzlerin.

Am 31. Dezember 2015 hielten s​ich in Deutschland 211.052 anerkannte Flüchtlinge u​nd 447.336 Asylbewerber auf, hauptsächlich a​us Vorderasien u​nd Afrika; i​m Jahr 2015 hatten insgesamt 476.649 Personen Asylanträge i​n Deutschland gestellt. Dies bedeutete e​inen Zuwachs v​on 135,0 % gegenüber d​em Jahr 2014 u​nd war d​er höchste Jahreswert s​eit Bestehen d​es Bundesamtes.[116] Die ursprünglichen Prognosen für d​as Jahr v​on zunächst 450.000 u​nd dann 800.000 wurden signifikant übertroffen. Angela Merkel h​at für i​hre Politik d​er offenen Grenzen Zustimmung,[117] a​ber auch harsche Kritik geerntet.[118] Die Flüchtlingskrise w​urde von einigen Politikern u​nd Organisationen a​ls größte Herausforderung d​es Landes s​eit der Wiedervereinigung gesehen.[119] Mit d​er Bundestagswahl 2017 w​urde die Große Koalition u​nter Bundeskanzlerin Merkel erneut fortgesetzt. Der FDP gelang d​er Wiedereinzug i​n den Bundestag u​nd der AfD gelang infolge d​er Migrationsdebatte erstmals d​er Einzug i​n den Bundestag.

Die Jahre 2020 u​nd 2021 w​aren insbesondere d​urch die weltweite COVID-19-Pandemie geprägt (siehe d​azu auch COVID-19-Pandemie i​n Deutschland).

Nach d​er Bundestagswahl 2021 w​urde Olaf Scholz a​m 8. Dezember 2021 Bundeskanzler. Er führt e​ine Koalition a​us SPD, Bündnis 90/Die Grünen u​nd FDP (sog. Ampelkoalition).

Quellensammlungen

  • Rainer A. Müller (Hrsg.): Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. 11 Bde., Reclam, Stuttgart 1995–2002 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 17001–17011). [Quellensammlung zur deutschen Geschichte, vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart. Jede Quelle ist knapp kommentiert, dazu gesellt sich eine allgemeine Einleitung zum geschichtlichen Kontext der jeweiligen Epoche.]
  • Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1955ff. [mehrere Bände umfassende Quellenausgabe mit deutscher Übersetzung]

Literatur

Eine b​is Ende 2015 reichende bibliographische Onlinedatenbank bieten u​nter anderem d​ie Jahresberichte für deutsche Geschichte.

Einführende Überblicke

  • Hartmut Boockmann, Heinz Schilling, Hagen Schulze, Michael Stürmer: Mitten in Europa. Deutsche Geschichte. Siedler, Berlin 1984, ISBN 3-88680-109-8.
  • Deutsche Geschichte. 10 Bände. Vandenhoeck & Ruprecht (Taschenbuchausgabe). Sonderausgabe in 3 Bänden (Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19. und 20. Jahrhundert (1815–1945)): Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen/Zürich 1985, ISBN 3-525-36187-4 (knappe Übersichtsdarstellung zur deutschen Geschichte, für den Einstieg geeignet).
  • Ulf Dirlmeier, Andreas Gestrich, Ulrich Herrmann, Ernst Hinrichs, Christoph Kleßmann, Jürgen Reulecke: Kleine deutsche Geschichte. Durchgesehene und verbesserte Ausgabe Reclam, Stuttgart 1998 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 9359), ISBN 3-15-009359-7 (knappe Übersichtsdarstellung; nur für den ersten Überblick geeignet).
  • Andreas Fahrmeir (Hrsg.): Deutschland. Globalgeschichte einer Nation. C.H. Beck, München 2020, ISBN 978-3406756191 (Darstellung anhand von zentralen Jahren und Ereignissen unter Berücksichtigung der neueren Forschung).
  • Neil MacGregor: Deutschland. Erinnerungen einer Nation. C.H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-67920-9 (Erzählung deutscher Geschichte anhand ausgewählter Aspekte).
  • Hagen Schulze: Kleine deutsche Geschichte. Beck, München 1998, ISBN 3-406-40999-7 (verkürzende Darstellung, die sich auf die allgemeinen Grundlinien konzentriert).
  • Jochen Gaile: Wir Deutschen. Neue Deutsche Geschichte im Grundriss. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-515-08855-8.
  • Hermann Schäfer: Deutsche Geschichte in 100 Objekten. Piper Verlag, München 2015, ISBN 978-3-492-05702-8.
  • Roland Steinacher, Stefan Donecker, Patrick Oelze, Michael Gehler, Oliver Domzalski, Steffen Raßloff, Daniel Mollenhauer: Deutsche Geschichte. Die große Bild-Enzyklopädie. Dorling Kindersley Verlag, München 2018, ISBN 978-3-8310-3542-7.

Vertiefende Überblickswerke

  • Enzyklopädie deutscher Geschichte. (Die jeweiligen Bände nehmen wichtige Epochen oder geschichtliche Gegenstände auf und sind jeweils in Darstellung, Forschungslinien und Bibliographie gegliedert. Geeignet für den wissenschaftlichen Einstieg in ein Hauptthema.)
  • Dieter Groh u. a. (Hrsg.): Propyläen Geschichte Deutschlands. 9 Bde. (bisher), Berlin 1983 ff. (für ein breiteres, gebildetes Publikum geschriebene Darstellung, von den Anfängen bis 1933; Band 7 wurde in zwei Teilen ausgeliefert, Bd. 9 wurde später aufgrund von Bedenken inhaltlicher Art wieder zurückgezogen).
  • Herbert Grundmann (Hrsg.): Handbuch der deutschen Geschichte. 9. Auflage, 4 Bde. (der klassische Gebhardt, auch als Taschenbuchausgabe in 22 Bänden erhältlich), Stuttgart 1970 ff.
  • Alfred Haverkamp, Wolfgang Reinhard, Jürgen Kocka, Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch der deutschen Geschichte. 10. Auflage, Klett-Cotta, Stuttgart 2001 ff. (Neubearbeitung des Gebhardt; noch nicht abgeschlossen).
  • Neue Deutsche Geschichte. Beck, München (im Entstehen begriffene moderne Darstellung der deutschen Geschichte vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart, die weniger Wert auf die Ereignisgeschichte legt als noch der Gebhardt).
  • Siedler Deutsche Geschichte (Das Reich und die Deutschen sowie Die Deutschen und ihre Nation). 12 Bände, Taschenbuch Sonderauflage, Siedler, Berlin 1998 (gut lesbare Darstellung, die sich an ein breiteres Publikum wendet, aber von Fachleuten verfasst ist).
  • Brendan Simms: Kampf um Vorherrschaft. Eine deutsche Geschichte Europas 1453 bis heute. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014. (Simms zufolge „eine deutsche Geschichte Europas“, da er Deutschland eine zentrale Rolle – ob aktiv oder passiv – in der europäischen Geschichte seit der Frühen Neuzeit zuweist.)
  • Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.): Moderne Deutsche Geschichte. 12 Bde. u. Reg.-Bd. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-09240-5 (sozialgeschichtlich ausgerichtete Darstellung der deutschen Geschichte seit der Frühen Neuzeit).

Antike

  • Heinrich Beck (Hrsg.): Germanen, Germania, germanische Altertumskunde. Ungekürzte Studienausgabe des Artikels aus dem Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. De Gruyter, Berlin/New York 1998, ISBN 3-11-016383-7.
  • Bruno Bleckmann: Die Germanen. Von Ariovist zu den Wikingern. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58476-3.
  • Thomas Fischer: Gladius. Roms Legionen in Germanien. C.H. Beck, München 2020.
  • Walter Pohl: Die Germanen (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 57). 2. Aufl., Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-56755-1.

Mittelalter

  • Dieter Berg: Deutschland und seine Nachbarn, 1200–1500. München 1997 (Enzyklopädie deutscher Geschichte. Band 40).
  • Klaus Herbers, Helmut Neuhaus: Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln/Weimar 2005, ISBN 3-412-23405-2 (Gesamtdarstellung des Heiligen Römischen Reiches bis in die Neuzeit).
  • Johannes Fried: Der Weg in die Geschichte. Die Ursprünge Deutschlands bis 1024. Propyläen, Berlin 1994 (ND 1998), ISBN 3-549-05811-X.
  • Hagen Keller: Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont. Deutschland im Imperium der Salier und Staufer 1024–1250. Propyläen, Berlin 1986, ISBN 3-549-05812-8.
  • Peter Moraw: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490. Propyläen, Berlin 1985, ISBN 3-549-05813-6.
  • Steffen Patzold: Das Lehnswesen. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63235-8.
  • Malte Prietzel: Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-15131-3.
  • Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Heilig – Römisch – Deutsch. Das Reich im mittelalterlichen Europa. Internationale Tagung zur 29. Ausstellung des Europarates und Landesausstellung Sachsen-Anhalt. Sandstein-Verlag, Dresden 2006.
  • Stefan Weinfurter: Das Reich im Mittelalter. Kleine deutsche Geschichte von 500 bis 1500. Beck, München 2008, ISBN 3-406-56900-5.

Frühe Neuzeit

  • Karl Otmar von Aretin: Das Alte Reich 1648–1806. 4 Bde. Klett-Cotta, Stuttgart 1993–2000, ISBN 3-608-91043-3.
  • Axel Gotthard: Das Alte Reich 1495–1806. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-15118-6.
  • Peter Claus Hartmann: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation in der Neuzeit 1486–1806. Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-017045-1.
  • Georg Schmidt: Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495–1806. Beck, München 1999, ISBN 3-406-45335-X.
  • Matthias Schnettger: Kaiser und Reich. Eine Verfassungsgeschichte (1500–1806). Kohlhammer, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-17-031350-7.
  • Barbara Stollberg-Rilinger: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Vom Ende des Mittelalters bis 1806 (= Beck’sche Reihe. C. H. Beck Wissen 2399). 6., aktualisierte Auflage, C.H. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72247-9.
  • Joachim Whaley: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation und seine Territorien. 2 Bde. WBG bzw. Zabern, Darmstadt 2014, ISBN 978-3-8053-4825-6 (Orig.: Germany and the Holy Roman Empire. 2 Bde., Oxford 2012).

Neuzeit

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Wikisource: Deutschland – Quellen und Volltexte

Anmerkungen

  1. Jürgen Richter: Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas, Kohlhammer, Stuttgart 2018, S. 135.
  2. Jürgen Richter: Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas, Kohlhammer, Stuttgart, S. 203.
  3. Jürgen Richter: Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas, Kohlhammer, Stuttgart 2018, S. 204 f.
  4. Rebecca Miller: Le Mésolithique récent du Trou Al'Wesse (comm. de Modave, Prov. de Liège) Découverte de tessons de type non rubanés ou «Bereitkeramiek». In: Notae Praehistoricae 29, 2009, 5–14, hier: S. 10.
  5. Vgl. einführend Helmut Castritius: Stammesbildung, Ethnogenese. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 29, Berlin/New York 2005, S. 508–515.
  6. Walter Pohl: Die Germanen. 2. Aufl., München 2004, S. 3 ff.
  7. Tacitus, Germania 29.
  8. Siehe einführend Walter Pohl: Ethnizität des Frühmittelalters als interdisziplinäres Problem. In: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 4 (1999), S. 69–75.
  9. Zur komplexen Forschungslage der Völkerwanderung (einem problematischen Forschungsbegriff, da in diesem Zusammenhang faktisch nie einheitliche „Völker“ migrierten, sondern zumeist recht heterogene Verbände) und der Auflösung Westroms (stark mitverschuldet durch innerrömische Bürgerkriege) siehe nun vor allem Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert. München 2019.
  10. Vgl. auch Peter Stachel: Identität. Genese, Inflation und Probleme eines für die zeitgenössischen Sozial- und Kulturwissenschaften zentralen Begriffs. In: Archiv für Kulturgeschichte 87 (2005), S. 395–425.
  11. Grundlegend dazu ist die Arbeit Reinhard Wenskus: Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes. 2. Aufl., Köln/Wien 1977. Der Ansatz von Wenskus wurde dann von Herwig Wolfram und seinem Schüler Walter Pohl weiterentwickelt.
  12. Vgl. den Überblick bei Michael Kulikowski: Barbarische Identität. Aktuelle Forschungen und neue Interpretationsansätze. In: M. Konrad, C. Witschel (Hrsg.): Römische Legionslager in den Rhein- und Donauprovinzen – Nuclei spätantik-frümittelalterlichen Lebens? München 2012, S. 103–111.
  13. Vgl. Roland Steinacher: Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften. Überblick über den historischen Forschungsstand. In: Irmtraud Heitmeier, Hubert Fehr (Hrsg.): Die Anfänge Bayerns. Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria. St. Ottilien 2012, S. 73–124.
  14. Walter Pohl: Die Germanen. 2. Aufl., München 2004, S. 3ff.
  15. Walter Pohl: Die Germanen. 2. Aufl., München 2004, S. 3 f., 10.
  16. Reinhard Wolters: Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien. 1., durchgesehene, aktualisierte und erweiterte Auflage, C.H. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-69995-5.
  17. Christopher B. Krebs: Ein gefährliches Buch – Die „Germania“ des Tacitus und die Erfindung der Deutschen. München 2012.
  18. Grundlegend zur Reichskrise (mit weiterführender Literatur) ist nun Klaus-Peter Johne (Hrsg.): Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235–284). 2 Bde., Berlin 2008.
  19. Es handelt sich um das Harzhornereignis, vgl. Gustav Adolf Lehmann: Imperium und Barbaricum. Neue Befunde und Erkenntnisse zu den römisch-germanischen Auseinandersetzungen im nordwestdeutschen Raum – von der augusteischen Okkupationsphase bis zum Germanien-Zug des Maximinus Thrax (235 n. Chr.), Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2011, S. 96–112.
  20. Vgl. allgemein zur spätantiken Geschichte die entsprechenden Literaturhinweise im Artikel Spätantike.
  21. Grundlegend ist nun Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert. München 2019. Einführend siehe etwa Guy Halsall: Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568. Cambridge 2007; Walter Pohl: Die Völkerwanderung. 2. Auflage, Stuttgart [u. a.] 2005.
  22. Siehe die Beiträge in Heinrich Beck (Hrsg.): Zur Geschichte der Gleichung „germanisch-deutsch“. Berlin 2004.
  23. Vgl. etwa Walter Pohl: Identität und Widerspruch. Gedanken zu einer Sinngeschichte des Frühmittelalters. In: Walter Pohl (Hrsg.): Die Suche nach den Ursprüngen. Von der Bedeutung des frühen Mittelalters. Wien 2004, S. 23 ff.
  24. Vgl. Joachim Ehlers: Die Entstehung des Deutschen Reiches. 4. Aufl., München 2012, S. 43.
  25. Grundlegend ist Carlrichard Brühl: Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker. 2. Aufl., Köln/Wien 1995; vgl. auch Joachim Ehlers: Die Entstehung des Deutschen Reiches. 4. Aufl., München 2012.
  26. Johannes Fried: Imperium Romanum. Das römische Reich und der mittelalterliche Reichsgedanke. In: Millennium. Jahrbuch für Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. Band 3, 2006, S. 1–42.
  27. Grundlegend dazu Len Scales: The Shaping of German Identity. Cambridge 2012.
  28. Zur Einordnung der ottonischen Geschichte allgemein Hagen Keller, Gerd Althoff: Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Stuttgart 2008, S. 18 ff.
  29. Zu den unterschiedlichen Forschungsansätzen siehe Joachim Ehlers: Die Entstehung des Deutschen Reiches. 4. Aufl., München 2012; vgl. allgemein auch Johannes Fried: Der Weg in die Geschichte. Berlin 1994, speziell S. 9 ff. und S. 853 ff. Grundlegend ist Carlrichard Brühl: Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker. 2. Aufl., Köln/Wien 1995.
  30. Gerd Althoff/Hagen Keller: Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 10., völlig neu bearbeitete Auflage), Stuttgart 2008, S. 26 und 434.
  31. Bernd Schneidmüller: Konsens – Territorialisierung – Eigennutz. Vom Umgang mit spätmittelalterlicher Geschichte. In: Frühmittelalterliche Studien 39, 2005, S. 225–246.
  32. Martin Kaufhold: Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230–1280. Hannover 2000.
  33. Peter Moraw: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490. Berlin 1985.
  34. Georg Schmidt: Die Reiter der Apokalypse – Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. C.H. Beck, München 2018, S. 638–639.
  35. Wolfgang J. Mommsen: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914–1918 (= Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 17), Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 3-608-60017-5.
  36. Heinrich August Winkler konstatiert mit Blick auf das Ancien Régime: „Frankreich war ein absolutistischer und vergleichsweise zentralistischer Staat; das Reich war weder das eine noch das andere; es war überhaupt kein Staat.“ (Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. 5. durchgesehene Auflage, München 2002, S. 45).
  37. Zitiert nach Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a. (Hrsg.): Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 219.
  38. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 49.
  39. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 19.
  40. Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a. (Hrsg.): Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 236.
  41. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 17 f.
  42. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 89 f.; Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a.: Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 241.
  43. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 100.
  44. Vgl. hierzu Werner Bergmann: Tumulte ― Excesse ― Pogrome: Kollektive Gewalt gegen Juden in Europa 1789–1900. Göttingen 2020, S. 137–183.
  45. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 285.
  46. Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a.: Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 249 f.
  47. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 80–82.
  48. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 86 u. 89.
  49. Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a.: Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 254 u. 261.
  50. Zitiert nach Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 103.
  51. Manfred Botzenhart: Deutscher Parlamentarismus in der Revolutionsszeit 1848–1850. Droste Verlag, Düsseldorf 1977, S. 122–124.
  52. Ralf Heikaus: Die ersten Monate der provisorischen Zentralgewalt für Deutschland (Juli bis Dezember 1848). Diss. Frankfurt am Main, Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1997, S. 48/49.
  53. Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850. 3. Auflage, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1988, S. 669.
  54. Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850. 3. Auflage, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1988, S. 811/812. David E. Barclay: Frederick William IV and the Prussian Monarchy, 1840–1861. Oxford University Press, Oxford 1995, S. 194.
  55. Bernhard Mann: Das Ende der Deutschen Nationalversammlung im Jahre 1849. In: Historische Zeitschrift, Band 214, Heft 2 (April 1972), S. 265–309, hier S. 291–296. Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850. 3. Auflage, W. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1988, S. 858, 860.
  56. vgl. Karl Dietrich Bracher: Der deutsche Sonderweg – Mythos oder Realität. Oldenbourg, München 1982; Jürgen Kocka: Bürgertum und Sonderweg. In: Peter Lundgreen (Hrsg.): Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums. Eine Bilanz des Bielefelder Sonderforschungsbereichs 1986–1997. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, S. 93–110; Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Band II: Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung. 1933–1990. C.H. Beck, München 2000, S. 640–648.
  57. Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 94.
  58. Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 97 und 99.
  59. Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 327 f.
  60. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 670 f. und 684–687.
  61. Zitiert nach Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 436.
  62. Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 466 f.
  63. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 155.
  64. Zitiert nach Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 209.
  65. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 312.
  66. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 337.
  67. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 359 f.
  68. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 177.
  69. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 202.
  70. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 233.
  71. Zitiert nach Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 235.
  72. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 3: Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges: 1849–1914. München 1995, S. 610–614.
  73. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 306 f.
  74. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 631 f.
  75. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 639.
  76. Annika Mombauer: Die Julikrise. Europas Weg in den Weltkrieg. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66108-2, S. 10 f.; Annika Mombauer: Julikrise und Kriegsschuld – Thesen und Stand der Forschung, bpb.de vom 10. April 2014 (Bundeszentrale für politische Bildung); Gerd Krumeich: Der Erste Weltkrieg. Die 101 wichtigsten Fragen. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-65941-6, S. 26 f.
  77. Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik. 7., durchgesehene und erweiterte Auflage, Oldenbourg, München 2009, S. 23.
  78. Vgl. dazu Jörn Leonhard: Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918–1923. München 2018.
  79. Eberhard Kolb: Der Frieden von Versailles. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-50875-8, S. 94 ff.
  80. Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik. 7., durchgesehene und erweiterte Auflage, Oldenbourg, München 2009, S. 95.
  81. Florian Pressler: Die erste Weltwirtschaftskrise. Eine kleine Geschichte der großen Depression C.H. Beck, München 2013, S. 132–137.
  82. Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik. Oldenbourg, München 2013, S. 255–258.
  83. Norbert Götz. Ungleiche Geschwister: Die Konstruktion von nationalsozialistischer Volksgemeinschaft und schwedischem Volksheim. Baden-Baden: Nomos, 2001.
  84. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949. München 2003, S. 686.
  85. Ernst Piper: Kurze Geschichte des Nationalsozialismus von 1919 bis heute. Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, S. 129.
  86. Ernst Piper: Kurze Geschichte des Nationalsozialismus von 1919 bis heute. Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, S. 222.
  87. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 116 ff.
  88. Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2006, S. 20 f.
  89. John Gimbel Science Technology and Reparations: Exploitation and Plunder in Postwar Germany
  90. Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2006, S. 27.
  91. Tony Judt: Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart. München/Wien 2006, S. 80.
  92. Wolfgang Leonhard: Die Revolution entläßt ihre Kinder. 14. Aufl., Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1974, S. 294 (Originalausgabe 1955).
  93. Reinhard Hildebrandt: Kampf um Weltmacht. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-85782-8, S. 262 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  94. Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2006, S. 75 ff. „Zwar ist das Konzept der sozialen Marktwirtschaft originär deutschen Ursprungs, doch ohne die amerikanischen Vorgaben – Dekartellisierung, weltwirtschaftliche Integration, Liberalisierung des Außenhandelsregimes – hätte sie nicht realisiert werden können. Die USA haben das westliche Deutschland zur Speerspitze ihrer weltweiten Liberalisierungspolitik gemacht.“ (ebda., S. 80)
  95. Peter Longerich, »Was ist des Deutschen Vaterland?« Dokumente zur Frage der deutschen Einheit 1800 bis 1990, Piper, 1990, S. 33.
  96. Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2006, S. 254.
  97. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 543.
  98. Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949–1990 München 2000, S. 407 ff. (Originalausgabe 1998)
  99. „Der gemeinsame Übergang zur langfristigen Wirtschaftsplanung war eine Konsequenz der Bildung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) im Jahre 1949 (DDR-Beitritt: September 1950) gewesen, der den ersten Schritt zur multilateralen Kooperation der Volksdemokratien darstellte und in der Folge zur Entwicklung analoger Pläne und Planmethoden sowie zu ihrer zeitlichen und materiellen Abstimmung führte.“ (Dietrich Staritz: Die Gründung der DDR. Von der sowjetischen Besatzungsherrschaft zum sozialistischen Staat. 3., überarbeitete und erweiterte Neuauflage, München 1995, S. 196. (Originalausgabe 1984))
  100. Diesbezüglich gern zitiert wird die Äußerung Karl-Eduard von Schnitzlers im „schwarzen Kanal“ vom März 1968, wonach jemand, der in der DDR-Opposition betreiben wolle, sich damit gegen die sozialistische Friedenspolitik stelle. „Und mit solcher Opposition setzen wir uns nicht an der Wahlurne und nicht im Parlament auseinander, sondern vor den Gerichten unserer sozialistischen Justiz.“ (Zitiert nach Ilko-Sascha Kowalczuk: Von der Freiheit, Ich zu sagen. Widerständiges Verhalten in der DDR. In: Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR. Herausgegeben von Ulrike Poppe, Rainer Eckert und Ilko-Sascha Kowalczuk, Berlin 1995, S. 92.)
  101. Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR. Herausgegeben von Ulrike Poppe, Rainer Eckert und Ilko-Sascha Kowalczuk, Berlin 1995, S. 14.
  102. Martin Sabrow: Sozialismus. In: Ders. (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 196 f.
  103. Herausgeberkollektiv (Hrsg.): Wörterbuch zur sozialistischen Jugendpolitik. Berlin 1975. Zitiert nach Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 134. (Engl. Originalausgabe: New Haven and London 2005)
  104. „Obwohl niemand gezwungen wurde, der FDJ beizutreten, waren die Sanktionen für eine auffällige Nonkonformität ein Faktor, den junge Leute mit ernsten Ambitionen berücksichtigen mussten. Am höchsten war die Mitgliedschaft unter Schulkindern, denn die Organisation hatte ihren Sitz in der Schule, die Gruppen wurden häufig von Klassenlehrern geführt, und Treffen waren offenbar ein routinemäßiger Bestandteil des Stundenplans.“ (Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 147.)
  105. Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 148.
  106. Marina Chauliac: Die Jugendweihe. In: Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 161 ff.
  107. Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR. 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S. 122
  108. Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 173.
  109. Lutz Niethammer: Das Kollektiv. In: Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 277.
  110. Ina Merkel: DerTrabant. In: Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 366.
  111. Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR. 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S. 132.
  112. Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR. 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S. 137.
  113. Abwandlung des seinerzeit geläufigen Slogans: „Frieden schaffen ohne Waffen!“ Zitiert nach Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 67.
  114. Ulrike Poppe: „Der Weg ist das Ziel.“ Zum Selbstverständnis und der politischen Rolle oppositioneller Gruppen der achtziger Jahre. In: Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR. Hrsg. von Ulrike Poppe, Rainer Eckert und Ilko-Sascha Kowalczuk, Berlin 1995, S. 244 ff.
  115. Wortlaut der bis zum 3. Oktober 1990 gültigen alten Fassung von Art. 23 GG: „Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiet der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“
  116. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Das Bundesamt in Zahlen 2015 – Modul Asyl (Memento vom 16. Mai 2016 im Internet Archive), 16. Mai 2016.
  117. Prominente unterstützen Merkels Flüchtlingspolitik, FAZ.net, 16. Mai 2016.
  118. Der Berliner Kreis, eine konservative Gruppe in der CDU, hat den „Linksdrift“ ihrer Partei scharf kritisiert, stern.de vom 16. Mai 2016.
  119. Konrad-Adenauer-Stiftung: Konrad-Adenauer-Stiftung – Die Flüchtlingskrise als Herausforderung für Europa, 16. Mai 2016.
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