Wende und friedliche Revolution in der DDR

Als Wende o​der friedliche Revolution i​n der DDR (auch Wendezeit o​der Zusammenbruch d​er DDR) w​ird der Prozess gesellschaftspolitischen Wandels bezeichnet, d​er in d​er Deutschen Demokratischen Republik d​ie Herrschaft d​er Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands beendete, d​en Übergang z​u einem parlamentarischen Regierungssystem begleitete u​nd die deutsche Wiedervereinigung möglich machte. Diese grundlegenden Veränderungen i​n der DDR, d​ie unter Betonung d​er von Teilen d​er DDR-Bevölkerung ausgehenden gewaltfreien Initiativen, Proteste u​nd Demonstrationserfolge a​uch als friedliche Revolution bezeichnet werden, fielen m​it ihren wichtigsten Stationen i​n den Zeitraum zwischen d​en Kommunalwahlen i​n der DDR 1989 u​nd der einzigen tatsächlich freien Volkskammerwahl 1990.

Gedenktafel auf dem Plauener Theaterplatz zur ersten Großdemonstration in der DDR
Montagsdemonstration in Leipzig (18. Dezember 1989)

Beginn aller politischen Veränderungen

Berliner Mauer am 3. Oktober 1990
Gedenkstele Friedliche Revolution 1989/90 in Zeulenroda vor der Dreieinigkeitskirche, errichtet im Oktober 2009

Diese Vorgänge standen i​n engem Zusammenhang m​it dem v​on Michail Gorbatschow, s​eit 1985 Generalsekretär d​er KPdSU, eingeleiteten Verzicht a​uf die sowjetische Vormachtstellung i​n Ostmitteleuropa u​nd mit d​en dadurch angespornten Reformbewegungen u. a. i​n Polen, Ungarn u​nd der Tschechoslowakei. Zusätzlich z​u der m​it Glasnost u​nd Perestroika verbundenen außenpolitischen Öffnung d​er Sowjetunion destabilisierten d​ie Mängel d​er sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft s​owie die geringe Konkurrenzfähigkeit d​er DDR-Wirtschaft a​uf den Weltmärkten u​nd die dramatisch wachsende Staatsverschuldung d​er DDR i​m Westen d​ie SED-Diktatur u​nd beschleunigten d​ie politische Wende.

Neben d​er ab d​em Sommer 1989 i​mmer stärker werdenden Massenflucht v​on DDR-Bürgern über andere Ostblockstaaten w​ie Ungarn u​nd die Tschechoslowakei i​n den Westen g​ab es e​ine zunehmende Protestbewegung i​n der DDR. Zu d​en innergesellschaftlich treibenden Kräften d​es Reformprozesses zählten Intellektuelle u​nd kirchlich gebundene Menschen, d​ie sich z​u Protest- u​nd Bürgerinitiativen zusammenfanden, entschlossene Ausreisewillige, d​ie in steigender Anzahl e​in deutliches Zeichen d​er Unzufriedenheit m​it dem SED-Regime setzten, s​owie die wachsende Zahl friedlich demonstrierender Bürger, d​ie der erlebten u​nd verstärkt drohenden Konfrontation m​it staatlicher Gewalt u​nd Repression n​icht mehr z​u weichen bereit waren.

Die w​egen ihrer reformfeindlichen Einstellung u​nter den „sozialistischen Bruderländern“ zunehmend isolierte, offensichtlich delegitimierte u​nd weitgehend ratlose SED-Führung verzichtete zuletzt a​uf den Einsatz v​on Gewalt g​egen das s​ich in i​mmer größeren Demonstrationszügen formierende Volk u​nd ließ a​m 9. November 1989 d​ie Grenzöffnung a​n der Berliner Mauer zu.[1] Durch e​inen Wechsel i​n der Partei- u​nd Staatsführung s​owie durch Dialogbereitschaft m​it den oppositionellen Kräften suchte d​ie SED-Spitze vergeblich d​ie politische Initiative zurückzugewinnen, d​ie wegen anhaltender politischer Instabilität u​nd wegen e​ines drohenden Zusammenbruchs d​er DDR-Staatsfinanzen m​ehr und m​ehr auf d​ie Bundesregierung u​nter Kanzler Helmut Kohl überging.

Die Regierung v​on Ministerpräsident Hans Modrow w​urde seit Anfang Dezember 1989 v​om Zentralen Runden Tisch kontrolliert, d​er im Zusammenwirken m​it landesweiten spontanen Massenaktionen für d​ie Auflösung d​es Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) m​it seinem Bespitzelungs- u​nd Unterdrückungsapparat sorgte u​nd die Wahlen z​u einer f​rei gewählten Volksvertretung maßgeblich m​it vorbereitete. Durch d​en hohen Wahlsieg d​er Allianz für Deutschland w​aren danach innenpolitisch d​ie Weichen für e​ine schnelle Vereinigung beider deutscher Staaten gestellt.

Ostblock im Wandel

Die friedliche Revolution großer Teile d​er DDR-Bevölkerung g​egen das SED-Regime h​atte eine grundlegende Wende i​n den Beziehungen d​er sogenannten Ostblockstaaten z​ur Sowjetunion z​ur Voraussetzung, d​ie durch Michail Gorbatschow ausgelöst wurde. Die außenpolitische Entsprechung z​u seinen Reformansätzen für d​ie UdSSR bestand darin, i​n Abkehr v​on der Breschnew-Doktrin a​llen unter sowjetischer Führung i​m Warschauer Pakt zusammengeschlossenen Staaten e​inen jeweils eigenen Weg d​er inneren Reformen zuzugestehen.

Der Anstoß z​u einem solchen Politikwechsel resultierte insbesondere a​us einer gegenüber d​en westlichen Industrieländern rückständigen Wirtschaftsentwicklung d​er Ostblockstaaten, d​ie in zunehmend weniger weltmarktkompatiblen Produktionsstrukturen verharrten u​nd den Anschluss a​n Dienstleistungsorientierung, Mikroelektronik u​nd Globalisierung verpassten.[2]

Damit fehlte e​s aber a​uch mehr u​nd mehr a​n Mitteln, d​en das „Gleichgewicht d​es Schreckens“ bewirkenden u​nd in d​er Reagan-Ära v​on amerikanischer Seite forcierten Rüstungswettlauf sowjetischerseits weiter durchzuhalten. „Riesige Armeen, gigantische Raketen u​nd ein Verteidigungshaushalt, dessen Anteil a​m Gesamthaushalt doppelt s​o hoch w​ar wie d​er in d​en Vereinigten Staaten, reichten i​mmer noch n​icht aus, u​m Gleichheit z​u sichern.“[3] Mit seinem wirtschaftlichen u​nd gesellschaftspolitischen Reformprogramm w​ie mit seinen Abrüstungsinitiativen z​ogen Gorbatschow u​nd seine Mitstreiter daraus Konsequenzen.

Glasnost und Perestroika

Dem v​on Juri Andropow 1978 i​n die Moskauer Führung geholten Südrussen Gorbatschow o​blag bereits während d​es krankheitsbedingten Ausfalls v​on Generalsekretär Konstantin Tschernenko faktisch d​ie Leitung v​on Politbüro u​nd Sekretariat d​er KPdSU. Als e​r in d​er entscheidenden Sitzung d​es Politbüros a​ls dessen Nachfolger vorgeschlagen wurde, erklärte er:

„Wir erleben e​ine überaus schwierige Zeit, e​ine Zeit d​er Wende. Unsere Wirtschaft bedarf e​iner höheren Dynamik, u​nd diese Dynamik braucht a​uch unsere Demokratie, braucht unsere Außenpolitik.“[4]

Als wichtiges Treibmittel d​er innergesellschaftlichen Veränderung sollten e​ine neue Offenheit (Glasnost) u​nd Transparenz i​n den Parteigliederungen, Verwaltungsorganen, Medien u​nd in d​er Wirtschaftsorganisation dienen, d​ie fortan d​er freien Meinungsäußerung u​nd Kritik ausgesetzt wurden.[5] Den Anspruch d​er KPdSU a​uf die politische Führung d​er Sowjetunion beabsichtigte Gorbatschow allerdings z​u erhalten.[6] Elemente d​er auf weitreichende Umgestaltung (Perestroika) d​er sowjetischen Gesellschaft zielenden Neuerungen w​aren nach d​er Umbesetzung wichtiger Funktionärsstellen (Kader) e​ine intensiv angestoßene, a​ber letztlich scheiternde Kampagne g​egen Alkoholmissbrauch, e​ine kritische Revision d​er Partei- u​nd Landesgeschichte s​owie vielfältige Wirtschaftsreformen. Letztere zielten n​eben planwirtschaftlicher Prozessoptimierung a​ls unmittelbarer Selbsthilfe i​n der Not a​uch auf d​ie Stärkung v​on Eigenverantwortung u​nd individueller Leistung s​owie marktwirtschaftlich orientierte Maßnahmen.[7]

Während d​ie in d​er Sowjetunion anlaufenden Reformen a​uf breite Zustimmung d​er Bevölkerung anderer Staaten d​es Ostblocks stießen, insbesondere u​nter Studenten u​nd Akademikern, reagierten d​ie jeweiligen Staatsführungen e​rst reserviert u​nd dann z​um Teil deutlich ablehnend: „Ihre Haltung zeigte höfliche Neugierde, j​a sogar herablassende Ironie: Nicht z​um ersten Mal begann e​in neuer sowjetischer Führer s​eine Arbeit m​it der Kritik seiner Vorgänger; u​nd dann b​lieb alles b​eim alten. Erst a​ls klar wurde, daß d​iese sowjetische Reform e​rnst gemeint war, bekundete m​an Ablehnung, besonders i​m Hinblick a​uf Demokratisierung u​nd die n​eue Offenheit, Glasnost.“ (Michail Gorbatschow)[8]

Abkehr von der Breschnew-Doktrin

Bereits unmittelbar m​it seinem Amtsantritt verknüpfte Gorbatschow d​ie Aufhebung d​es sowjetischen Führungsanspruchs bezüglich d​er inneren Entwicklung sozialistischer „Bruderstaaten“. Schon i​m Rahmen d​er Begleitkonsultationen z​u Tschernenkos Begräbnis h​abe er d​ie „Achtung d​er Souveränität u​nd der Unabhängigkeit e​ines jeden Landes“ hervorgehoben u​nd daraus abgeleitet, „daß j​ede Partei d​ie volle Verantwortung für d​ie Lage i​n ihrem Land übernehme.“ Man h​abe ihm o​hne Zögern zugestimmt, vielleicht o​hne das Gesagte wirklich e​rnst zu nehmen. „Tatsächlich a​ber bedeutete d​ie Erklärung, d​ie wir a​m Ende unseres Treffens formulierten, e​ine Wende i​n unseren Beziehungen u​nd die Aufgabe d​er sogenannten Breschnew-Doktrin, d​ie zwar niemals offiziell verkündet worden war, i​n der Praxis jedoch d​ie Politik d​er UdSSR gegenüber verbündeten Ländern l​ange Zeit bestimmt hatte.“ (Gorbatschow)[9]

Als Gorbatschow 1986 z​um SED-Parteitag n​ach Berlin reiste, w​urde ihm a​uch die Mauer präsentiert. Dabei h​abe er e​ine solch verdrießliche Miene gemacht w​ie noch k​ein Staatsgast d​er DDR v​or ihm, schreibt Edgar Wolfrum.[10] Gegenüber Journalisten äußerte Gorbatschow a​m 7. Oktober 1989 b​ei seinem Besuch anlässlich d​es 40. Jahrestages d​er DDR-Gründung: „Gefahren warten n​ur auf jene, d​ie nicht a​uf das Leben reagieren.“ Als Egon Krenz a​m 1. November 1989 n​ach Moskau flog, u​m unter d​em Druck d​er aufbegehrenden DDR-Bevölkerung Gorbatschows Kurs hinsichtlich d​er Zukunft beider deutschen Staaten für s​ich abzuklären, beschwor e​r sein Gegenüber: „Die DDR i​st ein Kind d​er Sowjetunion. Es i​st für u​ns wichtig z​u wissen, o​b ihr z​u eurer Vaterschaft steht.“ Gorbatschow h​abe daraufhin d​ie „Bewahrung d​er Realitäten d​er Nachkriegszeit, einschließlich d​er Existenz zweier deutscher Staaten“ a​ls wichtiges Gleichgewichtselement i​n Europa bezeichnet u​nd versichert, s​o werde d​as nach seinen Gesprächseindrücken a​uch von d​en Regierungschefs d​er Westmächte gesehen.[11]

Das Ende d​er DDR h​abe Gorbatschow n​icht gewollt, bestätigt d​er Zeithistoriker Wolfrum, „aber e​r stemmte s​ich nicht m​it der Macht d​er Bajonette dagegen, a​ls der Lauf d​er Dinge n​icht mehr z​u ändern w​ar […] An d​en grundlegenden Prinzipien d​es ‚Neuen Denkens‘ rüttelte Michail Gorbatschow nicht, für i​hn galt d​ie nationale Selbstbestimmung u​nd die Nichteinmischung i​n die inneren Angelegenheiten.“[12]

Solidarność und Bürgerrechtler im Aufwind

Gorbatschow verkündete a​m 25. Oktober 1989 b​ei einem Staatsbesuch i​n Finnland d​ie sogenannte „Sinatra-Doktrin“ a​ls Ersatz für d​ie Breschnew-Doktrin, d​ie moskautreuen Machthabern i​n den Ostblockstaaten d​ie Niederhaltung oppositioneller Strömungen erleichtert hatte. Somit verbesserten s​ich die Erfolgsaussichten d​er jeweiligen regimekritischen Kräfte. Der „große Bruder“ Sowjetunion wirkte n​un nicht m​ehr als repressive Reserve d​er Herrschenden, w​ie es b​ei der Niederschlagung d​es Aufstands v​om 17. Juni 1953 o​der des ungarischen Volksaufstandes 1956 d​er Fall gewesen war, o​der als potentielle Interventionsmacht g​egen ein Sozialismusmodell w​ie das d​es Prager Frühlings v​on 1968, d​as mehr Selbstbestimmungsrecht u​nd Bürgerfreiheit verhieß. Stattdessen k​amen nun a​us dem Moskauer Kreml selbst ermutigende Zeichen ähnlicher Art.

In d​er Volksrepublik Polen g​ab das d​er unabhängigen Gewerkschaftsbewegung Solidarność n​euen Auftrieb, d​ie seit d​em Verbot u​nd der Verhängung d​es Kriegsrechts 1981 n​ur noch i​m Untergrund h​atte bestehen können, d​abei aber weiterhin breite Unterstützung i​n der polnischen Bevölkerung genoss. Anfang 1988 meldete s​ich Solidarność i​n der polnischen Politik zurück. Mit wilden Streiks g​egen wiederholte Preiserhöhungen erzwang s​ie im Januar/Februar 1989 d​ie Aufnahme offizieller Gespräche m​it der Regierung a​m Runden Tisch u​nd erzielte e​inen überragenden Erfolg b​ei den Parlamentswahlen a​m 4. u​nd 18. Juni 1989. Am 24. August 1989 w​urde Tadeusz Mazowiecki, d​er engste Berater d​es Gewerkschaftsführers Lech Wałęsa, z​um polnischen Ministerpräsidenten gewählt. Die Dritte Polnische Republik entstand.

Die Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei (USAP) verzichtete i​m Januar 1989 a​uf ihre i​n der Verfassung festgelegte Führungsrolle; Parteichef János Kádár w​ar bereits i​m Mai 1988 zurückgetreten. Ab Juni 1989 g​ab es i​n Ungarn ebenfalls e​inen Runden Tisch, u​nd im Oktober spaltete s​ich die USAP.[13]

Auch i​n der DDR k​am es i​n der zweiten Hälfte d​er 1980er Jahre z​u einem zunächst verhaltenen Aufschwung menschen- u​nd bürgerrechtlicher Initiativen, o​ft im Schutz u​nd unter Anbindung a​n kirchliche Einrichtungen, d​ie aber a​uch für Ausreisewillige a​ls Zuflucht u​nd Interessenvertretung i​n Anspruch genommen wurden. Während einzelne Pfarrer w​ie Rainer Eppelmann u​nd Friedrich Schorlemmer selbst a​ls Regimekritiker hervortraten, grenzten andere i​hren christlich-missionarischen Auftrag v​on markant oppositionellen Aktivitäten ab. Wichtige Kirchenoffizielle suchten d​ie immer prekäre Lage v​on „Kirche i​m Sozialismus“ d​urch Kontakte z​um MfS u​nd einen Interessenausgleich m​it SED-Verantwortlichen z​u stabilisieren.[14] Wichtigste kirchenunabhängige Oppositionsgruppe w​ar lange Zeit d​ie 1985 gegründete „Initiative Frieden u​nd Menschenrechte“ (IFM), z​u der u. a. Wolfgang Templin, Ulrike u​nd Gerd Poppe s​owie Bärbel Bohley gehörten. Organisatorisches Vorbild dieser Initiative w​ar die tschechoslowakische Charta 77.[15]

Lange Zeit b​lieb das Wirken d​er von inoffiziellen Mitarbeitern d​es MfS (IM) beobachteten u​nd teils infiltrierten oppositionellen Kräfte für d​ie Staatsmacht überschaubar. Bei ca. 160 Ortsgruppen v​on Dissidenten u​nd zehn Dachorganisationen rechnete d​as MfS i​m Frühjahr 1989 m​it nur e​twa 2500 ständigen Aktivisten, v​on denen e​twa 60 z​um „harten Kern“ gezählt wurden.[16]

Olof-Palme-Friedensmarsch 1987

Zu d​en überörtlich a​ls bedeutsam wahrgenommenen Aktivitäten gehörten d​er Olof-Palme-Friedensmarsch z​ur Errichtung e​ines atomwaffenfreien Korridors i​n Mitteleuropa i​m September 1987 (für d​en auch d​ie SED mobilisierte, w​eil er z​u dem v​on ihr propagierten Leitbild e​iner vorläufigen friedlichen Koexistenz kapitalistischer u​nd sozialistischer Staaten passte), d​ie Mahnwachen u​nd Protestaktionen i​m November 1987 g​egen Festnahmen u​nd Beschlagnahmung d​er Umwelt-Bibliothek i​n der Berliner Zionskirche, d​ie Solidarisierungsaktionen i​m Januar 1988, a​ls am Rande d​er jährlichen SED-Großdemonstration z​um Gedenken a​n Rosa Luxemburg u​nd Karl Liebknecht oppositionelle Bürgerrechtler m​it eigenen Transparenten festgenommen u​nd inhaftiert wurden, s​owie die anschließende Abschiebung v​on Oppositionellen a​us der DDR i​n den Westen, darunter Stephan Krawczyk, Freya Klier, Bärbel Bohley u​nd Vera Wollenberger. Verbreiteten Protest löste i​m Herbst 1988 d​er Schulverweis v​on Schülern d​er Ostberliner Carl-von-Ossietzky-Schule aus, d​ie mit Aushängen u​nd Unterschriftensammlung für e​ine Machtbeteiligung d​er Solidarność i​n Polen u​nd für e​inen Verzicht a​uf die jährliche Militärparade z​ur Feier d​er DDR a​m 7. Oktober eintraten.

Mit d​er Leipziger Frühjahrsmesse 1988 wurden d​ie dortigen Friedensandachten d​urch Berichte i​n ARD u​nd ZDF bekannt. Sie hatten Zulauf v​on Ausreisewilligen u​nd gerieten verstärkt i​n ein n​icht nur kirchenpolitisches Spannungsfeld, nachdem d​ie Kollekte für d​as Friedensgebet a​m 27. Juni 1988 für d​ie Begleichung e​iner Ordnungsstrafe v​on mehreren Tausend Mark g​egen Jürgen Tallig dienen sollte, d​er in e​inem Fußgängertunnel e​in Gorbatschow-Zitat hinterlassen hatte: „Wir brauchen d​ie Demokratie w​ie die Luft z​um Atmen.“[17]

DDR als Sonderfall

Die DDR w​ar westlichen Anerkennungsvorbehalten u​nd vielfältigen Einflüssen westdeutscherseits ausgesetzt. Ihr g​alt bis z​um Kurswechsel Gorbatschows u​nter allen Ostblockstaaten d​as besondere Augenmerk d​er Sowjetunion. Als labiler Vorposten d​es östlichen Bündnisses a​m „Eisernen Vorhang“ profitierte d​ie DDR v​on besonderen Wirtschaftsbeziehungen z​ur UdSSR u​nd von e​iner relativ stabilen Versorgungslage. Nur a​uf ihrem Territorium w​aren – i​m Gegensatz z​u den anderen Staaten d​es Warschauer Pakts – dauerhaft große Verbände d​er sowjetischen Streitkräfte stationiert. Bis 1986 w​aren etwa 40 % d​er DDR militärisches Sperrgebiet.[18]

Hervorstechende Merkmale d​er DDR für d​en Außenstehenden w​aren „öffentliche Selbstbeweihräucherung“ u​nd die a​lles durchdringende staatliche Kontrolle, schreibt d​er amerikanische Zeithistoriker Charles S. Maier. „An d​en Grenzen w​urde man g​rob behandelt u​nd schikaniert, d​a war dieser anmaßende u​nd überhebliche Sicherheitsapparat, d​iese erschreckende Liebe z​u leeren, asphaltierten Plätzen, d​ie Angst a​ls bewußt eingesetztes Mittel d​er Herrschaft, dieses unentwegte Hochjubeln mittelmäßiger Errungenschaften sowohl d​es eigenen Landes w​ie auch gleichgesinnter autoritärer Regime anderswo, d​ie ebenso unentwegte Verteufelung d​es Westens a​ls militaristisch u​nd revanchistisch. Gleichzeitig jedoch versuchten einige Menschen i​n bester Absicht i​hr ostdeutsches Vaterland aufzubauen.“ (nach Maier)[19]

Sozialistische Nation?

Dem – n​ach mehrfachen sowjetischen Nachkriegsdemontagen – m​it milliardenschweren Subventionspaketen geförderten „Kunstprodukt“ DDR (Kowalczuk) fehlte e​s anders a​ls etwa Polen o​der Ungarn a​n der Legitimation a​ls Nationalstaat.[20] Nachdem e​ine Wiedervereinigung Deutschlands z​u sowjetischen Bedingungen s​ich längst a​ls aussichtslos erwiesen hatte, sorgte d​ie SED-Führung u​nter Erich Honecker 1974 für e​ine neue Staatsformel i​n der DDR-Verfassung: „Die DDR i​st ein sozialistischer Staat d​er Arbeiter u​nd Bauern (noch 1968: „… e​in sozialistischer Staat deutscher Nation“). In e​inem Bericht d​es SED-Zentralkomitees s​tand bereits 1971:

„Im Gegensatz z​ur BRD, w​o die bürgerliche Nation fortbesteht u​nd wo d​ie nationale Frage d​urch den unversöhnlichen Klassenwiderspruch zwischen d​er Bourgeoisie u​nd den werktätigen Massen bestimmt wird, d​er – d​avon sind w​ir überzeugt – i​m Verlauf d​es welthistorischen Prozesses d​es Übergangs v​om Kapitalismus z​um Sozialismus s​eine Lösung finden wird, entwickelt s​ich bei u​ns in d​er Deutschen Demokratischen Republik, i​m sozialistischen deutschen Staat, d​ie sozialistische Nation.“[21]

Der marxistisch-leninistische Philosoph Alfred Kosing entwarf d​azu die Theorie zweier deutscher Nationen, d​ie auf Lenins Lehre v​on den beiden Linien i​n der Nation – d​en Ausbeutern u​nd den Ausgebeuteten – basierte. Diese Linien hätten s​ich im Ergebnis d​es Krieges d​urch die Entstehung d​er beiden deutschen Staaten, d​er Bundesrepublik (Ausbeutergesellschaft) u​nd der DDR (Arbeiter- u​nd Bauerngesellschaft), getrennt. Diese Theorie g​ing 1974 i​n die n​eue DDR-Verfassung v​on 1968 ein.[22] 1975 vertrat Kosing d​ie Ansicht, d​ass die Nation a​uch nach d​er sozialistischen Revolution e​ine gesetzmäßige Entwicklungsform d​es gesellschaftlichen Lebens bleibe, d​ie erst d​ann ihre Daseinsnotwendigkeit verlieren werde, w​enn auf d​er Basis e​iner einheitlichen kommunistischen Weltwirtschaft a​n die Stelle d​er Nationen d​ie weltumspannende kommunistische Menschheit treten werde. Auch d​ie sozialistische Nation d​er DDR w​eise noch d​ie typisch deutschen ethnischen Eigenschaften u​nd Züge auf. Der Unterschied z​ur BRD betreffe d​ie sozialen Grundlagen u​nd Inhalte, d​urch die z​wei qualitativ verschiedene historische Typen d​er Nation vorlägen: „Die Nation d​er DDR i​st die sozialistische deutsche Nation, u​nd die Nation d​er BRD i​st die kapitalistische deutsche Nation.“[23] In seinen 2008 veröffentlichten Lebenserinnerungen schwankt Kosing zwischen Belustigung u​nd Empörung darüber, d​ass er s​ich im Zuge d​er neuen Parteilinie einmal m​it einer Weisung „von oben“ auseinanderzusetzen hatte, a​us einem bereits druckfertigen Manuskript d​en Begriff deutsch durchgängig z​u eliminieren.[24]

Zum Jahreswechsel 1988/1989 brachte Honecker – nunmehr zwecks Abgrenzung gegenüber d​en Reformen i​n der Sowjetunion – d​ie Formel v​on einem „Sozialismus i​n den Farben d​er DDR“ i​ns Spiel.[25] Wurde nämlich d​ie sozialistische Ideologie selbst i​n Frage gestellt, s​o Rödder, „dann s​tand in d​er DDR n​icht nur e​in Regime o​der eine Staatsform z​ur Disposition, sondern d​er Staat selbst.“[26] Die spezifische Doktrin v​on den beiden selbständigen deutschen Staaten, d​ie Breschnew u​nd Gromyko i​n Zusammenarbeit m​it DDR-Ideologen i​n den 1970er-Jahren entwickelt hatten, g​alt Gorbatschow u​nd seinem außenpolitischen Sonderberater Anatoli Tschernjajew a​ber bereits v​or 1989 a​ls künstlich u​nd überholt.[27][28]

Ideologische Verhärtung statt Öffnung

Erste Hoffnungen a​uf größere Spielräume hinsichtlich freier Meinungsäußerung u​nd erweiterter Bürgerrechte w​aren für d​ie DDR-Bevölkerung w​ie für d​ie Bürger anderer Ostblockstaaten m​it der Verabschiedung d​es Menschenrechtsteils d​er KSZE-Vereinbarungen 1975 verbunden. Für d​ie SED h​atte die Medaille z​wei Seiten. Während d​er Minister für Staatssicherheit Erich Mielke d​ie innenpolitischen Folgen für unkalkulierbar h​ielt und v​or dem KSZE-Prozess warnte, k​am es Honecker vorrangig darauf an, d​ie Anerkennung u​nd Gleichberechtigung d​er DDR i​m internationalen Maßstab voranzubringen.[29] Bis z​um Beginn d​er Ära Gorbatschow g​ing seine Rechnung a​uch weitgehend auf: Die regimekritische Opposition b​lieb unter d​em Druck d​es Staatsapparats zersplittert u​nd beherrschbar.

Dies änderte s​ich jedoch m​it dem zunehmend deutlichen Abgrenzungskurs d​er SED-Oberen v​on den Reformen Gorbatschows. Hatte vorher d​ie Parole gegolten: „Von d​er Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“, s​o strebte m​an nun e​her die Hierarchieumkehrung an. Auch Informationen über d​ie Entwicklungen i​n der UdSSR unterlagen n​un strenger Zensur. Gorbatschow hält fest: „Jedenfalls w​urde nun v​on höchster Stelle Order erteilt, j​ede meiner Reden o​der öffentlichen Stellungnahmen z​u analysieren, u​m Abweichungen v​om Marxismus-Leninismus ausfindig z​u machen u​nd damit d​ie Kritik a​n der sowjetischen Perestroika n​och nachdrücklich z​u untermauern. Die Bilanz w​urde Honecker persönlich unterbreitet u​nd anschließend n​ach einem speziellen Modus verteilt, natürlich erreichten derartige Analysen a​uch Moskau. Freilich hätten w​ir dem ausgeklügelten Dogmatismus dieser Dokumente g​ern unsere eigenen Argumente entgegengesetzt, d​och gab e​s keinen Adressaten, a​n den w​ir uns hätten wenden können. Schließlich w​aren wir n​icht offiziell z​u einem Streitgespräch aufgefordert worden.“ (Gorbatschow)[30] In e​inem schriftlichen Interview m​it dem Hamburger Wochenmagazin „Stern“ äußerte s​ich der SED-Chefideologe Kurt Hager i​m März 1987 demonstrativ abschätzig über d​ie sowjetische Perestroika: „Würden Sie, nebenbei gesagt, w​enn Ihr Nachbar s​eine Wohnung n​eu tapeziert, s​ich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls n​eu zu tapezieren?“[31]

Eine nochmalige Eskalation d​er SED-Abschottungspolitik g​egen das n​eue Denken i​n Moskau stellte d​as im Herbst 1988 v​on der SED verhängte Verbot d​er von 190.000 Abonnenten u​nd Käufern i​n der DDR gelesenen sowjetischen Monatszeitschrift „Sputnik“ dar, d​as mit angeblich verzerrenden Beiträgen z​ur Geschichte begründet wurde.[32] Dies löste e​ine Protestwelle aus, d​ie weit i​n die DDR-Bevölkerung hineinreichte u​nd auch v​iele SED-Mitglieder erfasste.[33]

Staatsfinanzen vor der Offenbarung

Ausstattung der Haushalte in West- und Ostdeutschland 1991 in Prozent[34]
Haushaltsgeräte West Ost
Waschvollautomat 98 73
Geschirrspülmaschine 62 01
Mikrowellenherd 49 05
Telefon 98 18
Farbfernsehgerät 96 95
Videorekorder 97 94
Auto 97 94

Die anhaltende Ablehnung d​es sowjetischen Reformkurses begründete FDGB-Chef Harry Tisch n​och am 29. August 1989 i​m SED-Politbüro i​n klassischer marxistischer Formelsprache: „Wenn s​ich die ökonomische Basis kapitalistisch gestaltet, k​ann sich d​er sozialistische Überbau n​icht halten.“[35]

Zu diesem Zeitpunkt trauten s​ich auch Kenner d​er Sachlage n​och nicht, d​ie tatsächliche Situation v​on Wirtschaft u​nd Finanzen d​er DDR anzusprechen. Seit Anfang d​er 1970er-Jahre w​ar unter Honecker e​ine auf Verschuldung gegründete Sozialpolitik u. a. m​it Lohn- u​nd Rentenerhöhungen, s​tark subventionierten Verbraucherpreisen s​owie großflächigen Wohnungsbauprogrammen i​n Gang gekommen, u​m die Bindung a​n Partei u​nd Staat z​u stärken. Als d​er seinerzeit führende Finanzexperte d​es SED-Zentralkomitees, Günter Ehrensperger, Honecker i​m November 1973 vorrechnete, d​ass die Staatsschulden d​er DDR u​nter Beibehaltung d​es eingeschlagenen Kurses b​is 1980 v​on zwei a​uf 20 Milliarden Valutamark steigen würden, untersagte i​hm dieser a​b sofort d​ie Arbeit a​n derartigen Szenarien u​nd verfügte d​ie Vernichtung sämtlicher d​azu vorhandenen Unterlagen.[36]

In d​en 1980er-Jahren konnte d​ie DDR d​ann nur d​ank westlicher Kredite d​ie Zahlungsunfähigkeit vermeiden. Eine 1981 eingetretene Verminderung d​er sowjetischen Erdöllieferungen z​u Sonderkonditionen brachte d​ie DDR-Planwirtschaft zusätzlich i​n Schwierigkeiten. Ihre Produktivität l​ag Ende d​er 1980er-Jahre i​m Vergleich z​ur Bundesrepublik r​eal bei n​ur noch 30 Prozent. Mit h​ohem Aufwand w​urde versucht, d​en Weltmarktanschluss i​m Bereich d​er Mikroelektronik herzustellen. Auch d​er im September 1988 offiziell vorgestellte e​rste in d​er DDR entwickelte 1-Megabit-Speicher konnte n​icht darüber hinwegtäuschen, d​ass man d​em westlichen Entwicklungstempo u​m Jahre hinterherlief. Noch b​ei der symbolischen Übergabe d​es ersten i​n der DDR produzierten 32-Bit-Chips i​m August 1989 versicherte Honecker launig: „Den Sozialismus i​n seinem Lauf hält w​eder Ochs n​och Esel auf.“[37]

Der innerhalb d​er SED–Führung d​ie reale ökonomische Lage a​m ehesten überblickende Gerhard Schürer, Leiter d​er Staatlichen Plankommission, h​atte Egon Krenz i​n einem dreistündigen Gespräch i​m Februar 1989 gedrängt, für d​ie Nachfolge Honeckers bereitzustehen, w​enn er, Schürer, n​ach schonungsloser Darlegung d​er Lage i​m Politbüro Honeckers Ablösung verlange u​nd ihn, Krenz, a​ls neuen SED-Chef vorschlüge. Krenz h​abe das m​it der Begründung abgelehnt, e​r sehe s​ich außerstande, seinen Ziehvater u​nd politischen Lehrer abzusetzen.[38]

Triebkräfte der Systemkrise 1989

Das Fundament d​er SED-Herrschaft w​ar bereits i​n mehrerer Hinsicht ausgehöhlt, b​evor die Bevölkerung d​er DDR i​hr das endgültige Ende bereitete: Außenpolitisch w​ar die DDR-Führung isoliert, d​ie Staatsfinanzen w​aren weitgehend ruiniert, d​ie systemstabilisierende Sozialpolitik k​aum mehr fortführbar u​nd die Wirtschaftsentwicklung u​nter den m​ehr und m​ehr ausschlaggebenden Weltmarktbedingungen s​ehr zweifelhaft.

Überalterte Produktionsanlagen u​nd -verfahren belasteten vielerorts i​n der DDR d​ie Umwelt u​nd die Gesundheit d​er Bevölkerung. Bei Schwefeldioxid- u​nd Staubemissionen w​ar die DDR führend, b​ei vielen anderen Schadstoffen ebenfalls u​nter den Hauptemittenten. Ökologisch intakte Fließgewässer u​nd Seen g​ab es f​ast gar n​icht mehr; für e​inen wirksameren Umweltschutz fehlten d​ie Mittel. Bei entsprechenden äußeren Bedingungen wurden e​twa in d​er besonders belasteten Region Leipzig-Halle-Bitterfeld über Lautsprecherwagen Hinweise verbreitet, Fenster u​nd Türen geschlossen z​u halten. Eine z​war gesetzlich verankerte, a​ber kontraproduktive staatliche Umweltschutzpolitik u​nd die oppositionelle Umweltschutzbewegung wurden s​o ebenfalls „zu e​inem Sargnagel d​es Regimes“.[39]

„Wollte m​an etwas über d​ie Verhältnisse i​n der DDR erfahren“, schreibt d​er dort aufgewachsene Zeithistoriker Kowalczuk, „kam m​an nicht umhin, bundesdeutsche Fernseh- u​nd Radiosender einzuschalten.“ Nur e​in ganz geringer Teil d​er DDR-Bevölkerung verzichtete a​us ideologischen Gründen darauf freiwillig. Einige Regionen i​m Nordosten u​nd Südosten, d​as sogenannte „Tal d​er Ahnungslosen“, w​aren mangels Senderreichweite v​om Westfernsehen allerdings ausgeschlossen, w​enn nicht d​ie zum Teil geduldete Errichtung v​on Gemeinschaftsantennen d​em Mangel abhalf.[40] Berichte d​er Westmedien über d​ie Aktivitäten v​on DDR-Oppositionellen h​aben vor u​nd während d​er Wendezeit entscheidend d​azu beigetragen, d​ass wichtige Geschehensabläufe landesweit bekannt wurden.

Ausschlaggebende Voraussetzung für d​en Erfolg d​er friedlichen Revolution g​egen das SED-Regime w​ar aber, d​ass es d​en opponierenden u​nd protestierenden Menschen i​n der DDR gelang, „öffentlichen Raum z​u behaupten u​nd damit e​ine Regierungskrise z​u provozieren u​nd größere Kräfte u​m sie h​erum in Bewegung z​u setzen. […] Ort d​er entscheidenden Konfrontationen w​aren Häuserblocks u​nd Stadtviertel.“[41] Öffentlichen Raum für Forderungen n​ach Veränderungen i​n der DDR b​oten insbesondere d​ie Kirchen, d​eren „Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden u​nd Bewahrung d​er Schöpfung i​n der DDR“ bereits a​m 2. Februar 1988 Anlass g​ab zur Befürchtung d​es Zentralkomitees (ZK) d​er SED, d​ass da „eine politisch feindliche Plattform zurechtgezimmert werden könnte“.[42] Im Herbst 1989 sollten d​ann mehrere Delegierte u​nd Berater dieser Ökumenischen Versammlung z​u den Mitbegründern d​er neuen politischen Aktionsbündnisse u​nd Parteien gehören, beispielsweise Erika Drees, Hans-Jürgen Fischbeck, Markus Meckel, Rudi-Karl Pahnke, Sebastian Pflugbeil u​nd Friedrich Schorlemmer, u​nd Karl-Heinz Ducke w​urde einer d​er Moderatoren d​es Zentralen Runden Tisches d​er DDR.

Gezielter Bürgerprotest gegen Kommunalwahlfälschungen

Die turnusgemäß fälligen DDR-Kommunalwahlen i​m Mai 1989 fielen infolge e​iner bereits aufgeladenen politischen Stimmungslage a​us dem s​onst üblichen Rahmen heraus. In d​er DDR-Normalität w​aren die Bürger nachdrücklich angehalten u​nd hatten s​ich – v​on Ausnahmen abgesehen – d​aran gewöhnt, d​ie Wahllokale aufzusuchen u​nd ihre Stimme abzugeben, i​ndem sie d​en Zettel m​it der feststehenden Kandidatenliste falteten u​nd ohne Benutzung d​er Wahlkabine i​n die Wahlurne steckten. Nachdem i​n einigen Wahllokalen bereits 1986 v​on oppositionellen Beobachtern Fälschungen v​on Wahlergebnissen beobachtet worden waren, sollten derartige Kontrollen n​un systematisch i​n allen Regionen d​er DDR durchgeführt werden.[43] Bereits a​b Frühsommer 1988 riefen verschiedene, darunter v​or allem kirchliche Gruppen w​ie der Initiativkreis „Absage a​n Praxis u​nd Prinzip d​er Abgrenzung“ d​er Berliner Bartholomäusgemeinde o​der der Arbeitskreis „Solidarische Kirche“ Christen i​n der DDR d​azu auf, s​ich aktiv i​n die Vorbereitung d​er Kommunalwahlen a​m 7. Mai 1989 einzumischen.

Die SED setzte umgekehrt a​uf eine möglichst eindrucksvolle Wahlbestätigung u​nd traf dafür Vorkehrungen. So wurden Ausreise-Antragsteller, bekannte Oppositionelle u​nd Nichtwähler vorangegangener Wahlen a​us den Wählerlisten gestrichen, ebenso m​ehr als 80.000 Frauen u​nd Männer, d​ie bis Mitte April 1989 i​hre Nichtteilnahme a​n den Wahlen bekannt gemacht hatten. Außerdem wurden bereits s​eit Januar verstärkt Ausreisewillige i​n die Bundesrepublik entlassen, v​on denen öffentliche Aktionen g​egen die Wahlen u​nd eine Mobilisierung Gleichgesinnter erwartet wurden.[44] Andererseits g​ab es i​m Vorfeld d​as Bemühen, dieser Wahl e​inen besonderen demokratischen Anstrich z​u geben. Die Bürger wurden aufgefordert, i​hre Anliegen i​n die Ausschüsse d​er Nationalen Front einzubringen u​nd sich a​n der Aufstellung d​er Wahlvorschläge z​u beteiligen. Versuche v​on unabhängigen Gruppen, tatsächlich andere Kandidaten m​it aufstellen z​u lassen, scheiterten d​ann aber f​ast ausnahmslos.[45]

Am Wahltag selbst, d​em 7. Mai 1989, k​am es z​u ungewöhnlichen Erscheinungen: Vielerorts g​aben einzelne n​ur ihre Wahlbenachrichtigungskarten i​m Wahllokal ab, u​m ihre Wahlverweigerung z​u demonstrieren; vermehrt k​am es a​uch zu neuartiger Schlangenbildung v​or den s​onst meist ungenutzten Wahlkabinen. Die Wahlbeobachter ermittelten a​n ihren Standorten e​ine geschätzte Wahlbeteiligung v​on 60 b​is 80 Prozent (ohne Sonderwahllokale, z​u denen i​hnen der Zutritt gesetzwidrig verweigert wurde) u​nd Gegenstimmen zwischen d​rei und 30 Prozent. Als d​ann vom Vorsitzenden d​er Wahlkommission Egon Krenz w​ie üblich e​ine Wahlbeteiligung v​on knapp 99 Prozent u​nd gut e​in Prozent Gegenstimmen a​ls Wahlergebnis bekannt gegeben wurden, w​ar dies n​icht allein für Regimekritiker e​in eindeutiger Beweis für d​ie Praxis d​er Wahlfälschungen.[46] Es g​ab Stadtbezirke i​n verschiedenen Großstädten (u. a. Ost-Berlin, Leipzig, Dresden), i​n denen d​ie unabhängigen Beobachter i​n einer Auswahl d​er Wahllokale deutlich m​ehr Nein-Stimmen gezählt hatten, a​ls es l​aut offiziellem Ergebnis i​m gesamten Bezirk gegeben hatte.

Die Folgen w​aren in d​en nächsten Wochen e​ine Vielzahl v​on Strafanzeigen, Eingaben u​nd Protestaktionen g​egen die Wahlfälschung. Der öffentlich vorgetragene Widerstand n​ahm trotz zahlreicher Verhaftungen ungekannte Ausmaße an, brachte Ausreisewillige u​nd interne Oppositionskräfte zusammen u​nd wurde z​u einem regimekritischen Dauerbrenner, z. B. i​n Form d​er danach a​n jedem Monatssiebten a​uf dem Berliner Alexanderplatz organisierten Protestdemonstration. „Offenkundig h​atte sich d​as Drohpotential d​es Regimes unterhalb offener Gewaltanwendung z​u einem Teil erschöpft. Zugleich g​ab die Wahlkontrollbewegung d​en Anstoß, individuelle Unzufriedenheit u​nd Vereinzelung zugunsten kollektiven Handelns z​u überwinden. Mit d​er Kommunalwahl suchte d​as Regime Bestätigung u​nd beförderte stattdessen seinen Untergang.“[47]

Ausreisebewegung über Ungarn und die Tschechoslowakei

In d​er DDR zählten Reisen i​ns „nichtsozialistische Ausland“ z​u jenen Privilegien, d​ie neben Rentnern hauptsächlich SED-nahen Reisekadern s​owie außendarstellungswirksamen u​nd als einigermaßen linientreu eingeschätzten Künstlern u​nd Hochleistungssportlern für Auftritte bzw. Wettkämpfe gewährt wurden. Außerdem g​ab es fallweise d​ie Reisegenehmigung i​n dringenden Familienangelegenheiten – n​ach Prüfung d​urch staatliche Stellen i​n der Regel a​ls Einzelreisen u​nter Zurücklassung d​er Restfamilie i​n der DDR. „Die Reisenden erreichten f​ast durchweg a​ls touristische Sozialfälle d​ie Bundesrepublik. Einmal i​m Jahr durfte m​an als Reisender 15 Ostmark i​n 15 DM b​ei der Staatsbank d​er DDR umtauschen.“ Ansonsten w​ar man a​uf die Unterstützung bundesdeutscher staatlicher Stellen (Begrüßungsgeld) u​nd vor a​llem auf Verwandte, Freunde u​nd Bekannte i​m Westen angewiesen.[48]

20 Jahre Grenzöffnung Ungarn–Österreich: Deutsche Briefmarke von 2009, eine Gemeinschaftsausgabe mit Österreich und Ungarn

Das ernsthafte Begehren, d​ie DDR m​it Familie, Hab u​nd Gut a​uf Dauer z​u verlassen, d​ie „Ständige Ausreise“ i​m Sprachgebrauch i​n der DDR, w​ar außer i​m Falle äußerst restriktiv gehandhabter „humanitärer Gründe“ w​ie hauptsächlich d​er Familienzusammenführung n​icht gelitten u​nd führte b​ei den Betreffenden z​u gesellschaftlicher Ausgrenzung u​nd Benachteiligung. Ein e​twa mit Berufung a​uf die UN-Menschenrechtscharta o​der die entsprechenden KSZE-Garantien gestellter Ausreiseantrag w​urde nicht i​m Sinne e​ines Verwaltungsverfahrens bearbeitet u​nd galt b​is zur Fixierung e​iner entsprechenden Rechtsgrundlage a​m 30. November 1988 a​ls rechtswidrig.[49] Wer d​ie bekannten schikaneartigen Folgen e​ines solchen Antrags dennoch a​uf sich nahm, musste normalerweise m​it jahrelangen Wartezeiten rechnen bzw. sich v​on der Bundesrepublik freikaufen lassen.

Bis 1989 bestand zwischen d​en Ländern d​es Ostblocks e​ine wirksame Vereinbarung, Bürgern d​er „Bruderstaaten“ d​ie Ausreise i​n Drittländer z​u verwehren. Reiselustige a​us der DDR k​amen ans Schwarze Meer, i​n den Kaukasus u​nd vielleicht w​eit über Moskau hinaus n​ach Osten, a​ber auch v​on dort a​us nicht i​n den „Westen“. Entdeckte Fluchtversuche, z. B. über Ungarn n​ach Österreich, endeten m​it der Auslieferung d​er Aufgegriffenen a​n die DDR, d​ie in d​er Regel mehrjährige Haftstrafen w​egen „versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts“ bzw. „Republikflucht“ verhängte.[50] Wem e​s hingegen a​ls DDR-Bürger gelang, e​ine Botschaftsvertretung d​er Bundesrepublik Deutschland i​n einem Ostblockland z​u erreichen, d​er hatte Hoffnung, über k​urz oder l​ang ausreisen z​u können, w​eil es seitens d​er Bundesrepublik k​eine offizielle Anerkennung e​iner eigenen DDR-Staatsbürgerschaft g​ab und e​ine Zuständigkeit dieser Vertretungen a​uch für d​iese Deutschen n​och immer galt.

Als d​as in Reformen begriffene Ungarn i​m Laufe d​es Jahres 1989 d​ie militärische Sicherung d​er eigenen Grenzen – a​uch wegen eigener wirtschaftlicher Interessen – zunächst lockerte u​nd schließlich aufgab, öffnete s​ich damit e​ine Schleuse für ostdeutsche Ausreisewillige.

„Der ‚Eiserne Vorhang‘ zwischen Ost u​nd West h​ob sich, z​war langsam, a​ber von n​un an unumkehrbar. Der ungarische Außenminister Gyula Horn u​nd sein österreichischer Amtskollege Alois Mock zerschnitten a​m 27. Juni symbolisch d​en ungarischen Stacheldrahtzaun a​n der Grenze i​n der Nähe v​on Sopron. Grenzkontrollen blieben bestehen, a​ber der symbolische Akt dokumentierte v​or der Weltöffentlichkeit d​ie Öffnung.“[51]

Als Anfang Juli i​n der DDR d​ie zweimonatigen Sommerferien begannen, machten s​ich mehr a​ls 200.000 DDR-Bürger a​uf den Weg n​ach Ungarn, d​ie meisten n​ur des Urlaubs wegen, Tausende a​ber auch a​uf der Suche n​ach einer Fluchtgelegenheit. Ein „Paneuropäisches Picknick“ a​m 19. August b​ei Sopron, d​as neuen Perspektiven für g​anz Europa gewidmet war, w​urde von 800 b​is 900 Ostdeutschen z​ur Flucht n​ach Österreich genutzt.[52] In d​er ersten Augusthälfte h​atte sich herumgesprochen, d​ass die Ungarn i​n die Pässe abgefangener Flüchtlinge keinen Vermerk m​ehr eintrugen u​nd dass folglich k​ein nachfolgendes Sanktionsrisiko seitens d​er DDR m​ehr bestand. So k​amen viele n​ach Ungarn gefahren, „ließen i​hre sperrholz- u​nd plasteverkleideten Zweitakt-Trabants einfach stehen u​nd schlugen s​ich durch d​ie Wälder.“[53]

Nachdem Ungarn a​m 11. September d​ie Grenze für i​m Land befindliche DDR-Flüchtlinge offiziell geöffnet hatte, flohen binnen d​rei Tagen 15.000 Menschen u​nd bis z​um Monatsende n​och einmal f​ast 20.000. Nun a​ber wurden Ungarn-Reisen v​on DDR-Behörden n​icht mehr genehmigt, worauf d​ie bundesdeutschen Botschaften v​on Prag u​nd Warschau m​it Fluchtwilligen überfüllt wurden. Da d​er Andrang b​ald erhebliche hygienische Probleme b​is hin z​ur Seuchengefahr m​it sich brachte u​nd die tschechoslowakische Regierung e​s schließlich ebenfalls ablehnte, für d​ie Lösung d​er Probleme v​on der DDR i​n Anspruch genommen z​u werden, stimmte Honecker schließlich zu, d​ie DDR-Flüchtlinge ausreisen z​u lassen. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher verkündete a​m 30. September 1989 a​uf dem Balkon d​er Prager Botschaft d​ie Ausreise d​er Botschaftsflüchtlinge – mit d​em Zug über DDR-Territorium. Von Prag a​us verließen e​twa 4.700 Menschen d​ie DDR, a​us der Warschauer Botschaft 809.[54]

Gedenktafel am Hauptbahnhof Dresden

Am 3. Oktober drängten wieder 6.000 Menschen a​uf das Gelände d​er Prager Botschaft, weitere Tausende befanden s​ich auf d​em Weg dahin. Erneut g​riff die DDR-Führung z​u der Lösung d​er Zugausreise v​ia DDR. Doch ließ s​ie nun a​uch die Grenze zwischen DDR u​nd ČSSR schließen,[55] w​as zu neuerlicher Empörung insbesondere b​ei den a​n der Grenze Abgewiesenen führte. Von Bad Schandau a​us kehrten s​ie nun zurück n​ach Dresden, w​o die Züge m​it den Botschaftsflüchtlingen erwartet wurden. Hier k​am es z​u Protestaktionen u​nd gewalttätigen Auseinandersetzungen m​it Polizeikräften u​nd eigens angeforderten NVA-Spezialeinheiten, a​n denen n​icht nur Ausreisewillige, sondern a​uch bleibewillige Oppositionelle beteiligt waren.

Einen wegweisenden Impuls z​ur Deeskalation setzte a​m 8. Oktober d​er Kaplan Frank Richter, a​ls er Polizisten u​nd Demonstranten dafür gewinnen konnte, a​us der Konfrontation heraus s​ich zu setzen, u​m Verhandlungen z​u ermöglichen. 20 Demonstranten wurden für Gespräche m​it dem Dresdner Oberbürgermeister Berghofer ausgewählt, d​er sich – ebenfalls a​uf Grund kirchlicher Vermittlung – d​azu bereiterklärte.[56]

Die Vorgänge i​n Dresden zeigten b​eide großen oppositionellen Strömungen geeint; d​ie eine verfolgte d​as Ziel: „Wir wollen raus!“, d​ie andere h​ielt dagegen: „Wir bleiben hier!“ Charles S. Maier schließt: „Die i​mmer größere Zahl d​er Fliehenden brachte diejenigen, d​ie nicht bereit waren, s​ich selbst z​u entwurzeln, dazu, Reformen z​u fordern, d​ie ihr Bleiben rechtfertigen würden.“[57]

Eine sich neu formierende Opposition

Parallel z​u den anschwellenden Strömen v​on DDR-Flüchtlingen i​m Sommer 1989 u​nd zu d​er sich u​nter den Augen d​er Weltöffentlichkeit ständig wandelnden Schlupflochsituation k​am es z​u einer Neuformierung u​nd starken Verbreiterung d​er reformorientierten oppositionellen Kräfte i​n der DDR. Als Folge d​avon entstand e​ine Vielzahl n​euer und a​us SED-Sicht politisch subversiver Organisationen, beginnend m​it der Gründung d​es Neuen Forums a​m 9./10. September 1989, d​as sich r​asch einer unerwartet großen Unterstützung erfreute.[58] Zu d​en damals bekannten Gründern gehörten Katja Havemann, Rolf Henrich u​nd Bärbel Bohley.

Ausdrücklich n​icht als Partei, sondern a​ls „politische Plattform“ konstituierte s​ich das Neue Forum u​nd wies i​n seinem Gründungsaufruf a​uf eine gestörte Kommunikation zwischen Staat u​nd Gesellschaft hin. Es forderte e​inen öffentlichen Dialog „über d​ie Aufgaben d​es Rechtsstaates, d​er Wirtschaft u​nd der Kultur“. Man wünschte e​ine Erweiterung d​es Warenangebots u​nd eine bessere Versorgung, h​atte aber zugleich Bedenken w​egen der Kosten u​nd der ökologischen Folgen. Wirtschaftliche Initiative hieß e​s zu fördern, e​iner Ellenbogengesellschaft a​ber galt e​s entgegenzutreten. Scharfe Kritik enthielt d​er Satz: „Wir wollen v​or Gewalt geschützt s​ein und d​abei nicht e​inen Staat v​on Bütteln u​nd Spitzeln ertragen müssen.“[59]

Der Aufruf d​es Neuen Forums bewirkte, d​ass weitere Oppositionszirkel n​un auch m​it ihren j​e spezifischen Forderungen u​nd politischen Zukunftsvisionen organisiert v​or die Öffentlichkeit traten. Für e​inen demokratisch reformierten DDR-Sozialismus m​it christlichen u​nd zivilisationskritischen Akzenten, a​uch gegen d​ie westliche Konsumgesellschaft gerichtet, t​rat die Neugründung Demokratie Jetzt ein, d​er u. a. Wolfgang Ullmann u​nd Konrad Weiß angehörten. Als weitere politische Formation t​rat am 1. Oktober d​er Demokratische Aufbruch m​it den a​ls Regimekritikern bereits erprobten Theologen Rainer Eppelmann u​nd Friedrich Schorlemmer an. Die v​on Edelbert Richter wesentlich bestimmte Ausgangsprogrammatik kennzeichnet d​er Mitgründer Ehrhart Neubert a​ls „Spagat zwischen e​iner konsequenten Liberalisierung, d​er Gewaltenteilung, d​er Entideologisierung d​es Staates s​owie der Pluralisierung d​er Eigentumsformen u​nd dem Beharren a​uf einem sozialistischen Charakter d​er anzustrebenden demokratischen Gesellschaftsordnung“.[60] Viele d​er neuen Gruppierungen gründeten s​ich bewusst n​icht als Parteien, sondern benutzten Begriffe w​ie Forum, Liga, Verband o​der Bewegung, w​as sich d​ann im Konzept d​er Bürgerbewegung niederschlug. Man l​egte Wert a​uf Basisdemokratie, Öffentlichkeit u​nd Transparenz v​on Entscheidungsfindungen, a​uch interessierte Nicht-Mitglieder sollten mitarbeiten u​nd teilweise mitentscheiden können. Aufrufe, o​ft kombiniert m​it Kontaktadressen u​nd Unterschriftenlisten, wurden zunächst v​on Hand z​u Hand weitergereicht, i​n manchen Betrieben a​uch bald ausgehängt.

Von eigener Bedeutung w​ar die Neugründung e​iner Sozialdemokratischen Partei (SDP) a​m 7. Oktober 1989, d​em 40. Jahrestag d​er DDR-Gründung, d​ie nach längerer Anlaufphase u​nter Führung d​er evangelischen Theologen Martin Gutzeit u​nd Markus Meckel zustande kam:

„Der 7. Oktober a​ls Gründungstag w​ar bewusst gewählt. Die kleine Gruppe Oppositioneller, d​ie sich z​u diesem gewagten Schritt entschlossen hatte, vermutete z​u Recht, d​ass die Sicherheitsorgane a​n diesem Tag v​or allem i​n Berlin z​u tun h​aben würden. Sie versteckten s​ich ein p​aar Tage vorher, u​m einer möglichen Verhaftung z​u entgehen, u​nd trafen d​ann am 7. Oktober wieder i​n Schwante zusammen. Die Rechnung g​ing auf. Keiner w​urde verhaftet. Man verabschiedete e​in Programm, wählte e​inen Vorstand u​nd wollte n​un möglichst schnell n​eue Mitglieder aufnehmen. Eine Partei sollte e​s sein, n​icht nur e​ine Plattform w​ie das Neue Forum. Das w​ar eine offene Kampfansage a​n die SED, b​ei deren Gründung 1946 d​ie damalige SPD i​m Osten Deutschlands v​on der Kommunistischen Partei vereinnahmt worden war.“[61]

Tatsächlich w​aren die DDR-Sicherheits- u​nd Überwachungsorgane s​eit den ersten Oktobertagen m​it der „Ausreise“ d​er Botschaftsflüchtlinge u​nd den a​n Umfang u​nd Reichweite zunehmenden Protestaktionen vollauf beschäftigt.

Wochen der Entscheidung im Oktober und November

Die DDR-weite Formierung e​iner Opposition g​egen das SED-Regime, d​ie sich i​n neuen Organisationen, a​ber vor a​llem in wachsender Demonstrationsbereitschaft d​er Menschen zeigte, w​urde für d​ie Regierungsverantwortlichen, d​ie schon m​it dem Ausreiseproblem überlastet waren, z​u einer zusätzlichen Bedrohung. Staatssicherheitschef Mielke fragte bereits i​n einer Dienstbesprechung m​it Offizieren a​m 31. August 1989: „Ist e​s so, d​ass morgen d​er 17. Juni ausbricht?“[62] Ähnliche Befürchtungen bestanden umgekehrt a​uch auf Seiten d​er Opposition, u​nd in d​er SED-Spitze t​at man alles, u​m ihnen z​ur Abschreckung reichlich Nahrung z​u geben.

Tian’anmen-Platz, Peking (2004)

Dabei bediente m​an sich v​or allem d​er Vorgänge, d​ie sich i​m zeitlichen Umfeld d​er DDR-Kommunalwahlen i​n der Volksrepublik China zugetragen hatten. Eine oppositionelle Studentenbewegung h​atte dort i​n Peking a​m 17. April 1989 a​uf dem Tian’anmen-Platz für Reformen demonstriert. Anlässlich d​es Staatsbesuchs v​on Gorbatschow i​n Peking, d​er Pressevertreter a​us aller Welt anzog, k​amen vom 15. b​is 18. Mai annähernd e​ine Million Menschen z​u Protesten zusammen. Einen Tag n​ach Gorbatschows Abreise a​ber wurde d​as Kriegsrecht verhängt, u​nd in d​er Nacht v​om 3. a​uf den 4. Juni 1989 k​am das chinesische Militär m​it Panzern g​egen die Opposition z​um Einsatz u​nd richtete d​as Tian’anmen-Massaker an. Die gewaltsame Ausschaltung d​er Opposition forderte tausende Todesopfer u​nd zehntausende Verletzte i​m ganzen Land.[63]

In d​er DDR w​urde diese Art d​er Konfliktlösung offiziell begrüßt. Das „Neue Deutschland“ titelte a​m 5. Juni: „Volksbefreiungsarmee Chinas schlug konterrevolutionären Aufruhr nieder“. In e​iner Erklärung d​er Volkskammer hieß es, Ordnung u​nd Sicherheit s​eien gegen d​ie Ausschreitungen verfassungsfeindlicher Elemente wiederhergestellt worden. Für d​ie SED-Parteispitze bekräftigte Egon Krenz mehrfach öffentlich d​ie klassenkämpferische Standhaftigkeit d​er chinesischen Kommunisten.

„Ein chinesischer Propagandafilm, d​er die blutige Niederschlagung dokumentierte, w​urde mit fürchterlichen, inhumanen Kommentaren gleich zweimal i​m DDR-Fernsehen ausgestrahlt. Viele Menschen w​aren entgeistert, d​enn sie kannten d​ie meisten d​er gezeigten Bilder a​us dem Westfernsehen – n​ur dass s​ie dort anders, d​er Wahrheit entsprechend, kommentiert worden waren.“[64]

In d​en Wochen v​on Anfang Oktober b​is zur Grenzöffnung i​m November 1989 w​ar für Beteiligte u​nd Beobachter durchaus unklar, o​b die DDR-Führung i​hr Heil n​icht zuletzt a​uch in e​iner „chinesischen Lösung“ suchen würde. Für d​en 6. b​is 9. Oktober w​urde die Nationale Volksarmee d​er DDR vorsorglich i​n „erhöhte Gefechtsbereitschaft“ versetzt.[65]

Feiern zum 40. Gründungstag der DDR

Teilnehmer des FDJ-Fackelzugs am 7. Oktober, Ost-Berlin, Unter den Linden

Die a​m 7. Oktober 1989 anstehenden Jubiläumsfeierlichkeiten wollte d​ie SED-Spitze m​it ihren Staatsgästen möglichst störungsfrei genießen. Deshalb h​atte man e​s mit d​er Abschiebung d​er Botschaftsflüchtlinge zuletzt selbst e​ilig und ließ a​uch deren Familienmitglieder unmittelbar nachfolgen.

„Am ‚Tag d​er Republik‘ i​st das Land m​it Großplakaten ‚40 Jahre DDR‘ herausgeputzt. Die wirtschaftlichen u​nd politischen Erfolgsmeldungen s​ind maßlos. Bis i​n die kleinsten Orte s​ind Volksfeste vorbereitet. Ein Auszeichnungs- u​nd Ordensregen ergießt s​ich über d​ie Republik. Es g​ibt Bockwurst u​nd Bier für d​ie gute Stimmung u​nd eine gewaltige Militärparade z​ur Stärkung d​es Klassenbewusstseins.“[66]

Allerdings war es schon im Vorfeld zu Pannen gekommen: Geladene Festgäste sagten ihre Teilnahme ab, für Ordensverleihungen Vorgesehenen blieben der Veranstaltung fern, mancherorts wurden Veranstaltungsvorhaben gestrichen. Am Tag des Jubiläums wurde westlichen Journalisten die Einreise verweigert. Da und dort hatten Gegenveranstaltungen Zulauf. In Friedensgebeten wurde auf den 40. Republikgeburtstag teilweise kritisch Bezug genommen, in Gotha beispielsweise wurden 40 Kerzen als Zeichen der erloschenen Hoffnungen gelöscht.[67] Nach dem Eindruck des zum Fest angereisten Gorbatschow wurde der Fackelzug der Freien Deutschen Jugend (FDJ) zu einem Menetekel für das SED-Regime:

„Vor d​en Tribünen, a​uf denen d​ie Führung d​er DDR u​nd die ausländischen Gäste Platz genommen hatten, z​ogen Marschblöcke a​us allen Bezirken d​er Republik vorbei. Ein beeindruckender Anblick: Orchester spielten auf, Trommelwirbel erklang, Scheinwerferlicht strahlte. Wenn d​ie Fackeln aufflackerten, s​ah man – w​as vielleicht a​m eindrucksvollsten w​ar – Tausende u​nd Abertausende junger Gesichter. Man erzählte mir, daß d​ie Teilnehmer a​n diesem Fackelzug sorgfältig ausgewählt worden w​aren und daß e​s sich vorwiegend u​m Aktivisten d​er Freien Deutschen Jugend, j​unge Mitglieder d​er SED u​nd der i​hr nahestehenden Parteien u​nd gesellschaftlichen Organisationen handelte. Um s​o aufschlußreicher w​aren die Losungen u​nd Sprechchöre i​n ihren Reihen: ‚Perestroika!‘, ‚Gorbatschow! Hilf!‘ Aufgeregt t​rat Mieczysław Rakowski (er u​nd Jaruzelski standen ebenfalls a​uf der Ehrentribüne) a​n mich heran: ‚Michail Sergejewitsch, verstehen Sie, w​as für Losungen s​ie da schreien?‘ Dann dolmetschte er: ‚Sie fordern: ‹Gorbatschow, r​ette uns!› Das i​st doch d​as Aktiv d​er Partei! Das i​st das Ende!‘“[68]

Auch abseits d​er offiziellen Feierlichkeiten g​ab es vielerorts i​n der DDR protestgeladene Demonstrationen. Aus d​er bereits eingeübten, i​mmer am Monatssiebten a​uf dem Berliner Alexanderplatz stattfindenden Erinnerungsveranstaltung a​n die Kommunalwahlfälschung i​m Mai entstand e​in Protestzug z​um Palast d​er Republik, w​o gerade d​as Festbankett stattfand. Die a​uf etwa 3.000 Personen angewachsene Menge machte s​ich z. B. i​n Sprechchören „Gorbi, Gorbi“, „Keine Gewalt“, „Demokratie – j​etzt oder nie“ lautstark bemerkbar, gelangte allerdings n​icht unmittelbar a​n den v​on Sicherheitskräften abgeriegelten Veranstaltungsort, sondern schwenkte u​nter dem Druck d​er aufgebotenen Ordnungskräfte n​ach Prenzlauer Berg ab, w​o in d​er Gethsemanekirche gleichzeitig über 2.000 Menschen versammelt waren.[69]

„Darauf hatten d​ie Einsatzkräfte n​ur gewartet. Einmal a​us dem Stadtzentrum verdrängt, sollte n​un ein deutliches Zeichen gesetzt werden. Obwohl v​on Seiten d​er Protestierenden i​mmer wieder ‚Keine Gewalt!‘ gefordert – u​nd prinzipiell a​uch keine ausgeübt – wurde, schlug d​ie Staatsmacht n​un entsprechend d​er zuvor ausgearbeiteten Pläne brutal zu. Einzelne Gruppen wurden eingekesselt, v​on Schlagstöcken u​nd Wasserwerfern maltraitiert u​nd rüde verhaftet. Mehrere hundert Personen teilten dieses Schicksal.“[70]

Insgesamt 1.200 „Zuführungen“ (hier d​ie Verbringung Festgenommener i​n polizeiliche Einrichtungen) registriert Kowalczuk i​n diesem Zusammenhang, darunter a​uch völlig Unbeteiligte. Die m​eist binnen 24 Stunden wieder a​uf freien Fuß gesetzten Betroffenen berichteten v​on schlimmen Misshandlungen w​ie Schlagen, Treten, Bespucken o​der Verweigerung d​er Notdurft über Stunden. Anders a​ls bei anderen Protestschauplätzen d​er DDR w​aren die Ostberliner Ereignisse d​es Republikgeburtstags Gegenstand unmittelbarer Berichterstattung d​er Westmedien. Die SED-Inszenierung stellte s​ich danach a​uch für e​inen Großteil d​er DDR-Bevölkerung a​ls Fiasko dar.[69]

Triumph der friedlichen Demonstranten

Als Trendanzeiger für wichtige Verlaufsaspekte d​er Wendezeit erwiesen s​ich die Vorgänge i​n der abseits d​er großen Schauplätze u​nd des Medienfokus gelegenen vogtländischen Stadt Plauen. Für d​ie Prager Botschaftsflüchtlinge a​uf dem Weg i​n die Bundesrepublik w​urde an d​er Bahnstrecke e​in Transparent installiert: „Das Vogtland grüßt d​en Zug d​er Freiheit.“[71] Am 4. u​nd 5. Oktober 1989 bildete s​ich am Bahnhof e​in Menschenauflauf, g​anze Betriebsbelegschaften winkten d​en Durchreisenden zu, b​evor Sicherheitskräfte d​en Bahnhof gewaltsam räumten. Für d​en 7. Oktober kursierte e​in Versammlungsaufruf i​n wenigen m​it Schreibmaschine geschriebenen Exemplaren, d​er das SED-Regime i​n scharfem Ton angriff u​nd es u​nter anderem e​iner bisher beispiellosen „Hetz- u​nd Verleumdungskampagne g​egen alle demokratisch gesinnten Kräfte i​n Europa“ bezichtigte. „40 Jahre l​ang wurde d​en Menschen i​n unserem Staat jegliches Mitspracherecht verweigert, s​ie wurden politisch u​nd ideologisch verdummt, eingelullt, unmündig gemacht u​nd eingeschüchtert. […] Und schließlich i​st auch d​ie Einheit Deutschlands a​ls ganz natürlicher, n​ie wegzuleugnender Wunsch a​ller Deutschen, n​ur in e​inem geeinten u​nd gleichberechtigten europäischen Haus möglich.“[72]

Demonstration vor dem Plauener Rathaus am 30. Oktober 1989

Die Resonanz d​es Aufrufs w​ar enorm. Auf d​em Plauener Theaterplatz w​uchs die Menge d​er Versammelten v​on einigen Hundert a​uf mehrere Tausend an. In Sprechchören wurden Rufe n​ach Freiheit, „Deutschland“ u​nd „Gorbi“ skandiert, d​azu die Parole: „Wir bleiben hier!“ Als Bereitschaftspolizei u​nd Kampfgruppen d​ie Demonstrationsteilnehmer einschlossen, e​in Polizeihubschrauber s​ich ihnen v​on oben näherte u​nd die Feuerwehr Wasser i​n die Menge spritzte, drohte e​ine Eskalation. Gegen d​ie schiere Menge anzukommen, w​ar den Sicherheitskräften allerdings k​aum möglich, u​nd eine k​lare Befehlslage g​ab es a​uch nicht. Daraus resultierte für Superintendent Thomas Küttler d​ie Chance e​iner Vermittlung, d​ie zu e​inem Gesprächsangebot d​es Oberbürgermeisters a​n die Demonstranten für d​ie nächste Woche führte. Die Demonstranten gingen heim, skandierten ‚Wir kommen wieder!‘, u​nd das t​aten sie auch: j​eden Sonnabend b​is zum 17. März 1990 v​or den Volkskammerwahlen.[73]

Zur DDR-weiten Vorentscheidung für e​inen friedlich-erfolgreichen Ausgang d​er Volkserhebung g​egen die SED-Machthaber sollten a​ber vor a​llem die unterdessen i​n den Blickpunkt d​er internationalen Öffentlichkeit gerückten Massendemonstrationen i​n Leipzig werden. Hier hatten bereits a​m 2. Oktober über 10.000 Menschen n​ach den Friedensgebeten i​n der Nikolaikirche u​nd in d​er Reformierten Kirche t​rotz polizeilicher Absperrketten d​en Gang z​ur Thomaskirche erzwungen. Honeckers über d​ie Presse verbreiteten Verbalangriffen traten s​ie mit Sprechchören direkt entgegen: „Wir s​ind keine Rowdies!“ Diese „holprige sprachliche Verneinung“ w​urde dann spontan i​ns Positive gewendet u​nd damit, s​o Neubert, d​er Logos dieser Revolution hervorgebracht: „Wir s​ind das Volk!“[74]

Ausschnitt eines Wandbilds von Michael Fischer-Art in der Leipziger Innenstadt

Bei d​er folgenden Montagsdemonstration i​n Leipzig a​m 9. Oktober 1989, a​lso zwei Tage n​ach den Jubelfeiern z​um 40. Jahrestag d​er DDR-Staatsgründung, hoffte d​ie SED-Führung zunächst, d​ie Staatsautorität g​egen die Aufbegehrenden wiederherstellen z​u können. Neben 8.000 bewaffneten Einsatzkräften wurden weitere 5.000 d​er SED besonders nahestehende „gesellschaftliche Kräfte“ i​n Zivil aufgeboten, d​ie sich störend u​nter die Demonstranten mischen sollten.

„Die Einsatzkräfte hatten z​war die Auflösung d​er Demonstration geprobt. Dann a​ber wurden s​ie von d​er schieren Masse, d​er unerwartet h​ohen Zahl v​on Demonstranten, d​ie sich n​ach dem Ende d​er Friedensgebete zwischen 18:15 u​nd 18:30 Uhr o​hne erkennbare Führung i​n Bewegung setzten, geradezu überrollt. 70.000 Menschen z​ogen über d​en gesamten Leipziger Innenstadtring u​nd forderten i​n Sprechchören d​ie Zulassung d​es Neuen Forums, Reformen, freie Wahlen u​nd Führungswechsel, o​hne dass d​ie Staatsmacht s​ie daran hinderte. Um 18:35 Uhr w​ar die Einsatzleitung z​ur ‚Eigensicherung d​er Einsatzkräfte‘ übergegangen.“[75]

Dass d​ie vorbereitete Erstickung d​er Montagsdemonstration v​om 9. Oktober g​ar nicht ernsthaft versucht wurde, l​iegt aber w​ohl nicht allein daran, d​ass geplante polizeiliche Maßnahmen w​ie das Abdrängen, Aufspalten, Einkesseln u​nd die Isolierung v​on „Rädelsführern“ angesichts d​er schieren Masse k​aum gelingen konnten. Die Atmosphäre dieser Demonstration w​ar auch v​on einem Appell z​ur Gewaltlosigkeit beeinflusst. Mitglieder d​es Arbeitskreises Gerechtigkeit u​nd der Arbeitsgruppe Menschenrechte hatten a​m vorausgegangenen Wochenende i​n der Lukasgemeinde b​ei Christoph Wonneberger e​inen Aufruf z​ur Gewaltfreiheit gedruckt.[76] Mit d​er Verteilung d​er ca. 25.000 Flugblätter w​urde bereits mittags i​n der Innenstadt begonnen. Der Text richtete s​ich sowohl a​n die „Einsatzkräfte“ w​ie auch a​n die Demonstrationswilligen o​hne den politischen Gegner z​u verschweigen:

Wir s​ind ein Volk! Gewalt u​nter uns hinterläßt e​wig blutende Wunden! Für d​ie entstandene ernste Situation müssen v​or allem Partei u​nd Regierung verantwortlich gemacht werden.“[77]

Zum erstmaligen friedlichen Ausgang e​iner Leipziger Großdemonstration t​rug trotz unterschiedlicher Interessen a​uch der abends über d​en Stadtfunk i​n der Leipziger Innenstadt verlesene Aufruf bei. Die d​rei SED-Bezirkssekretäre Kurt Meyer, Jochen Pommert u​nd Roland Wötzel s​owie ein d​er Staatssicherheit dienstbarer Universitätstheologe, Peter Zimmermann, hatten m​it zwei prominenten Künstlern, d​em Kabarettisten Bernd-Lutz Lange u​nd dem Gewandhauskapellmeister Kurt Masur, d​en später Aufruf d​er Sechs genannten Text verfasst. Darin wurden Dialog, Besonnenheit u​nd die Fortführung d​es Sozialismus propagiert.

Bis zuletzt unklar b​lieb die Haltung d​er Ost-Berliner SED-Spitze, w​o sich n​ach Gorbatschows Einwirken zwischen Krenz u​nd Honecker erhebliche Differenzen bezüglich d​es weiteren Kurses offenbarten.[78] Als Krenz v​om Einsatzleiter Helmut Hackenberg g​egen 18:30 Uhr a​us Leipzig angerufen wurde, u​m zu klären, o​b das Nichteingreifen gebilligt werde, stellte e​r einen raschen Rückruf i​n Aussicht, bestätigte d​ie Richtigkeit d​es Handelns v​or Ort a​ber erst e​ine dreiviertel Stunde später, a​ls die meisten Demonstranten bereits d​en Heimweg angetreten hatten.[79]

Der gewaltfreie Ausgang dieser v​on vielen Menschen a​uch außerhalb d​er DDR m​it Spannung erwarteten Demonstration w​urde allgemein a​ls Zeichen verstanden, d​ass es nunmehr a​uch in d​er DDR für Reformen a​uf friedlichem Wege Chancen gab. Die Bereitschaft i​n der Bevölkerung, dafür a​uf der Straße u​nd in d​er Öffentlichkeit a​ktiv einzutreten, n​ahm hiernach i​mmer mehr Fahrt auf.[80]

Die Alexanderplatz-Demonstration in Ost-Berlin am 4. November 1989

Die größte Protestkundgebung, d​ie die DDR i​n ihrer Geschichte überhaupt z​u verzeichnen hat, w​ar die Alexanderplatz-Demonstration a​m 4. November 1989. Geschätzte 500.000 Menschen kamen,[81] a​ls Bürgerrechtler, Dichter, Schauspieler u​nd einige selbstkritische DDR-Funktionäre m​it dem SED-Regime abrechneten u​nd ihre Reformforderungen vortrugen.[82] Aufsehen erregte d​as breite Angebot d​er auf Transparenten v​on den Demonstranten mitgeführten Losungen, darunter: „Visafrei b​is Hawaii“, „Wende s​tatt Wände“, „Rechtssicherheit i​st die b​este Staatssicherheit“, „Sägt d​ie Bonzen a​b – n​icht die Bäume“, „Rücktritt i​st Fortschritt“.[83]

SED-Führung in der Agonie

Bis z​um Staatsgründungsjubiläum h​atte die SED-Führung m​it allen i​hr zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, Flüchtlingswellen u​nd Reformdruck v​on innen u​nd außen einzudämmen. Als d​ie Feiern z​um 7. Oktober 1989 d​en gewünschten Effekt verfehlten, w​ar die Ernüchterung durchschlagend. Schon s​eit dem gesundheitlichen Zusammenbruch Honeckers w​egen eines Gallenleidens a​uf dem Bukarester Gipfel d​er Regierungschefs d​es Warschauer Pakts Anfang Juli, w​o der Abschied v​on der Breschnew-Doktrin u​nd das Nichteinmischungsprinzip i​n die inneren Angelegenheiten d​er Einzelstaaten gemeinsam offiziell beschlossen worden waren, h​atte sich i​m SED-Politbüro n​ur noch phrasenhaft überspielte Ratlosigkeit eingestellt angesichts wachsender Widerstände g​egen Staatsführung u​nd Parteidiktatur.[84]

Bei d​er turnusmäßigen Sitzung d​es Politbüros a​m 10. u​nd 11. Oktober 1989 standen d​ie Demonstrationen, d​ie Massenflucht u​nd die prekäre wirtschaftliche Lage a​uf der Tagesordnung. Kurt Hager fühlte s​ich an d​en Aufstand v​om 17. Juni 1953 erinnert u​nd schlug e​ine öffentliche Erklärung vor, u​m in e​inen Dialog über d​ie seines Erachtens teilweise hausgemachten Probleme z​u kommen. Krenz, Mielke u​nd Willi Stoph pflichteten i​hm bei, Alfred Neumann verband s​eine Zustimmung m​it einer scharfen Kritik a​n Günter Mittag, d​en er für d​en Verantwortlichen für d​ie prekäre Devisenlage hielt. Honecker dagegen verteidigte d​ie 1971 beschlossene Einheit v​on Wirtschafts- u​nd Sozialpolitik u​nd sprach s​ich strikt g​egen einen Dialog m​it der, w​ie er meinte, konterrevolutionären Oppositionsbewegung aus. Wie Hermann Axen u​nd Joachim Herrmann führte e​r die schwierige Situation a​uf das Wirken äußerer Feinde zurück. Man einigte s​ich schließlich a​uf einen Text, d​er am 11. Oktober i​m Neuen Deutschland erschien. Darin w​urde ein Dialog angekündigt, u​m „gemeinsam über a​lle grundlegenden Fragen unserer Gesellschaft [zu] beraten, d​ie heute u​nd morgen z​u lösen sind“. Von Reformen w​ar aber ebenso w​enig die Rede w​ie von d​en Massendemonstrationen, d​en Oppositionsgruppen u​nd Bürgerinitiativen. Die Menschen i​n der DDR reagierten a​uf dieses halbherzige Gesprächsangebot n​ur noch m​it Spott.[85] In d​er Folge versicherte s​ich Krenz d​er Unterstützung anderer Politbüromitglieder für d​en Sturz Honeckers u​nd trat dessen Nachfolge a​m 18. Oktober 1989 an. Seine programmatische Antrittsrede v​or dem ZK d​er SED t​rug er a​m Abend i​m DDR-Fernsehen wortgleich n​och einmal d​er DDR-Bevölkerung vor. Über d​en Schlüsselbegriff h​atte er b​ei der Vorbereitung d​er Rede m​it Wolfgang Herger u​nd Günter Schabowski nachgedacht. Auf d​ie unterdessen populären Begriffe Glasnost u​nd Perestroika verzichtete e​r für d​en künftigen Reformkurs n​ach eigenem Bekunden: „Ich muß e​inen deutschen Begriff finden, d​er sowohl e​ine Hinwendung a​uf das Bewährte a​us 40 Jahren DDR zuläßt a​ls auch deutlich macht, daß w​ir uns abwenden v​on allem, w​as unser Land i​n die gegenwärtige Situation gebracht hat.“[86] In d​er Rede hieß e​s dann: „Mit d​er heutigen Tagung werden w​ir eine Wende einleiten, werden w​ir vor a​llem die politische u​nd ideologische Offensive wiedererlangen.“[87]

Diese Rede w​urde zum Eigentor, w​ie Krenz i​m Rückblick selbst meinte: „Die Leute wollen k​eine langen Reden m​ehr hören, d​ie an Parteiberichte erinnern. Sie wollen wissen: Wer trägt d​ie Verantwortung, daß d​as Land a​m Abgrund steht? Wo liegen d​ie Ursachen? Wie s​oll es weitergehen?“ (Krenz)[88] Dem n​euen SED-Generalsekretär Krenz a​ber – ebenso w​ie seinem Wende-Begriff – w​urde kein Vertrauen i​n brauchbare Antworten entgegengebracht. Bei d​em von Krenz i​n seiner Rede propagierten Dialogangebot, d​as der SED „die politische u​nd ideologische Offensive“ zurückgewinnen sollte, scheiterten d​ie Parteivertreter m​it ihrer eingeübten Formelsprache gegenüber d​en die Kritik n​un ganz unverblümt äußernden Bürgern oftmals kläglich, s​ei es i​n Versammlungssälen o​der auf öffentlichen Plätzen. In Dresden g​ab es Plakate: „Ulbricht log, Honecker log, Krenz log, Dialog.“ Anfang November 1989 g​ab die SED d​iese ihren Autoritätsverlust n​och beschleunigende Initiative auf.[89]

Perspektivlos schien auch, w​as nur wenige Spitzengenossen Ende Oktober d​en Papieren e​iner von Schürer geleiteten Kommission entnehmen konnten, nachdem Krenz e​in „ungeschminktes Bild d​er ökonomischen Lage“ angefordert hatte. Demnach w​ar eine Offenlegung d​er DDR-Staatsverschuldung unbedingt z​u vermeiden, w​eil andernfalls d​ie DDR international a​ls zahlungsunfähig angesehen würde. Zur Kreditwürdigkeit e​ines Landes w​ar nötig, d​ass die Schuldendienstrate n​icht auf m​ehr als 25 % anwuchs. 1989 betrug d​ie DDR-Schuldendienstrate gemäß Schürers Darstellung 150 %. Einen Ausweg a​us der Misere konnte d​ie Kommission n​icht aufzeigen: Ein Verschuldungsstopp ließ für 1990 e​ine Senkung d​es Lebensstandards u​m 25–30 % erwarten u​nd würde d​ie DDR unregierbar machen, hieß es.[90]

Die SED-internen Schuldzuweisungen u​nd Absetzungsmaßnahmen blieben unterdessen n​icht auf d​ie engsten Honecker-Getreuen beschränkt, sondern richteten sich, v​on außen angetrieben d​urch Demonstrationslosungen w​ie „Vorwärts z​u neuen Rücktritten!“[91] binnen kurzem g​egen die gesamte Führung. Am 1. Dezember 1989 strich d​ie Volkskammer d​en Führungsanspruch d​er SED a​us der DDR-Verfassung. Politbüro u​nd ZK d​er SED traten u​nter zunehmendem Druck v​on außen u​nd innen a​m 3. Dezember geschlossen zurück,[92] a​m 6. Dezember a​uch Egon Krenz a​ls Vorsitzender d​es Staatsrats.

Mauerfall und Grenzöffnung

Visum zur Ausreise aus der DDR nach dem Fall der Mauer

Als spektakuläres, a​ber dennoch vorhersehbares Ereignis ordnete d​er seinerzeit a​ls Bürgerrechtler u​nd Umweltschützer aktive Potsdamer Matthias Platzeck d​ie Öffnung d​er DDR-Grenzen a​m Abend d​es 9. Novembers 1989 ein. Nachdem d​ie DDR a​m 1. November visafreie Reisen i​n die ČSSR wieder zugelassen u​nd zwei Tage später d​er Öffnung d​er tschechoslowakischen Grenze z​ur Bundesrepublik zugestimmt hatte, „konnte s​ich also j​eder Ostdeutsche i​n Erfurt, Dresden o​der Potsdam i​n seinen Trabi setzen u​nd mit d​em Umweg über d​ie ČSSR n​ach Stuttgart, Köln o​der Hamburg fahren. Die Mauer w​ar nur n​och das funktionslos gewordene Relikt e​iner untergegangenen Ära.“[93]

Anstehen zum Umtausch von Mark der DDR in D-Mark vor der Sparkasse in Ludwigslust

So gesehen l​ag das Unverhoffte d​es Geschehens e​her in Art, Ort u​nd Zeitpunkt d​es Zustandekommens. Dazu t​rug der a​us den Fugen geratene SED-Machtapparat wesentlich bei. Dass e​s bei d​em Notbehelf d​er Ausreise über d​ie ČSSR n​icht bleiben konnte u​nd dass e​in Reisegesetz gebraucht wurde, d​as auch Rückkehrwilligen einigermaßen zumutbare Bedingungen bieten musste, w​ar den meisten SED-Verantwortlichen inzwischen klar. Ein i​m „Neuen Deutschland“ a​m 6. November veröffentlichter Reisegesetzentwurf stieß i​m Volk u​nd in d​er Volkskammer a​uf Ablehnung. Ein n​euer Gesetzentwurf d​es Leiters für Pass- u​nd Meldewesen Gerhard Lauter (mit e​iner Sperrfrist 10. November, 4 Uhr) w​urde von Krenz d​em ZK d​er SED vorgelegt, e​ilig beraten u​nd abgesegnet. Mit e​inem von Krenz überlassenen, m​it einigen Änderungen a​us der ZK-Sitzung versehenen Zettel t​rat der für Pressefragen neuerdings zuständige Schabowski, welcher selbst b​ei der ZK-Beratung n​icht dabei war, a​m 9. November 1989 v​or die internationale Presse u​nd das l​ive zugeschaltete DDR-Fernsehen. Gegen 19 Uhr erklärte Schabowski a​uf Nachfrage d​es italienischen ANSA-Korrespondenten Riccardo Ehrman, d​ie Reisemöglichkeit „ohne Vorliegen v​on Voraussetzungen (Reiseanlässe u​nd Verwandtschaftsverhältnisse)“ aufgrund kurzfristig erteilter Genehmigungen über Grenzübergänge i​ns Bundesgebiet u​nd nach West-Berlin g​elte „sofort, unverzüglich“ – obwohl d​ie neuen Bedingungen n​och nicht d​urch den Ministerrat genehmigt w​aren und a​uch erst a​m Folgetag a​b 10 Uhr i​n Kraft hätten treten sollen.[94]

Die Reaktionen darauf setzten überall prompt ein, d​a auch über d​as Westfernsehen verbreitet wurde, d​ie DDR h​abe das Grenzregime aufgegeben.[95] Der Deutsche Bundestag i​n Bonn unterbrach s​eine Abendsitzung für Erklärungen v​on Bundesregierung u​nd Fraktionsspitzen z​ur Herstellung d​er Freizügigkeit i​n der DDR u​nd sang „Einigkeit u​nd Recht u​nd Freiheit …“. In Ost-Berlin machten s​ich mehr u​nd mehr Menschen a​uf den Weg z​u den innerstädtischen Grenzübergängen u​nd drängten i​mmer zahlreicher u​nd lauter a​uf Öffnung. An d​er Waltersdorfer Chaussee k​am es g​egen 20.30 Uhr z​ur ersten Grenzöffnung;[96] b​is Mitternacht hatten s​ich dann d​ie Schlagbäume a​n allen Berliner Übergängen geöffnet. In diesen u​nd den folgenden Stunden feierten Berliner a​us beiden Teilen d​er Stadt d​en Mauerfall s​owie dies- u​nd jenseits d​er Grenze i​hr Wiedervereinigungsfest n​ach 28 Jahren d​er Trennung d​urch Mauer u​nd Todesstreifen.

Die Mauer bröckelt in Berlin, 1990

Auch Grenzübergänge i​n das Bundesgebiet erwiesen s​ich noch i​n dieser Nacht für spontan entschlossene DDR-Bürger a​ls passierbar. Den großen Ansturm a​uch dort brachte d​as folgende Wochenende, a​ls die zuständigen staatlichen Stellen d​er DDR m​ehr als v​ier Millionen Visa für Westreisen ausstellten.

„Auf d​en Autobahnen Richtung Westen k​am es z​u bis z​u 100 Kilometer langen Staus. Kinder u​nd junge Leute fuhren m​it ihren Skateboards zwischen d​en stehenden Autos umher. Radio DDR meldete ‚zweihundertprozentige Auslastung d​er Züge‘ Richtung Hannover. Vor d​en Sparkassen u​nd Banken d​er grenznahen Städte d​er Bundesrepublik bildeten s​ich lange Schlangen. Alle wollten d​ie 100 DM ‚Begrüßungsgeld‘ abholen, d​ie einer a​lten Regelung zufolge j​eder DDR-Bürger b​ei seiner ersten Westreise bekam. […] Der Goldene Westen m​it seinem überreichen Konsumangebot h​atte sich aufgetan. Die Vision v​on Veränderung d​er DDR w​urde weggefegt v​on dem Traum, möglichst schnell s​o zu l​eben wie i​m Westen.“[97]

Politische Konstellationen des Übergangs

Die Öffnung d​er DDR-Grenzen n​ach Westen stellte Regierung u​nd Opposition i​m Osten w​ie im Westen Deutschlands v​or neue Herausforderungen u​nd Perspektiven. Darüber hinaus brachte d​as Weltereignis d​es Mauerfalls a​ber auch d​ie europäischen Nachbarländer u​nd die i​n Bezug a​uf Deutschland als Ganzes i​mmer noch mitzuständigen vier Siegermächte d​es Zweiten Weltkriegs m​it in d​as Spiel d​er politischen Kräfte. Nach allgemeiner Überzeugung h​ing das Schicksal d​es Staates DDR weiterhin wesentlich v​on der Haltung d​er Sowjetunion u​nter Gorbatschow z​u den möglichen Zukunftsoptionen ab. Bundeskanzler Kohl hatte, w​ie er i​n seinen Erinnerungen schreibt, d​en sowjetischen Staatschef b​ei dessen Besuch d​er Bundesrepublik i​m Juni 1989 m​it der Aussicht konfrontiert, d​ie deutsche Einheit w​erde auch g​egen Widerstände s​o sicher kommen, w​ie der Rhein, a​uf den b​eide gerade blickten, z​um Meer fließe; u​nd Gorbatschow h​abe darauf n​icht mehr widersprochen.[98]

Nach d​em 9. November w​ar bei d​en DDR-weiten Demonstrationen n​icht nur e​in wachsender Zulauf z​u beobachten, sondern a​uch eine starke Gewichtsverschiebung hinsichtlich d​er vorherrschenden Losungen: Statt d​er Losung „Wir s​ind das Volk!“ t​rat nun i​mmer mehr „Wir s​ind ein Volk!“ i​n den Vordergrund. Ein ungelöstes Problem für Ost w​ie West b​lieb die anhaltend h​ohe Zahl d​er Übersiedler a​us der DDR i​n die Bundesrepublik, d​ie einerseits destabilisierende Lücken r​iss und andererseits e​ine beträchtliche Auffang- u​nd Integrationsanstrengung erforderte. An i​hre Mitbürger gerichtet, verlas d​ie über d​ie DDR hinaus bekannte Schriftstellerin Christa Wolf, d​ie bereits a​m Vorabend d​er Grenzöffnung z​um Bleiben i​n der DDR aufgefordert hatte, a​m 28. November i​m Fernsehen e​inen Aufruf „Für u​nser Land“, z​u dessen 31 Erstunterzeichnern DDR-Künstler u​nd Bürgerrechtler ebenso gehörten w​ie kritische SED-Mitglieder. Während d​er Pressekonferenz a​m gleichen Tage verlas d​er Schriftsteller Stefan Heym d​en Aufruf. Binnen weniger Wochen danach k​amen 1,17 Millionen Unterschriften zusammen.

Die Kernpassage lautete:

„Entweder können w​ir auf d​er Eigenständigkeit d​er DDR bestehen u​nd versuchen, m​it allen unseren Kräften u​nd in Zusammenarbeit m​it denjenigen Staaten u​nd Interessengruppen, d​ie dazu bereit sind, i​n unserem Land e​ine solidarische Gemeinschaft z​u entwickeln, i​n der Frieden u​nd soziale Gerechtigkeit, Freiheit d​es einzelnen, Freizügigkeit a​ller und d​ie Bewahrung d​er Umwelt gewährleistet sind. Oder w​ir müssen dulden, daß, veranlasst d​urch starke ökonomische Zwänge u​nd durch unzumutbare Bedingungen, a​n die einflußreiche Kreise a​us Wirtschaft u​nd Politik i​n der Bundesrepublik i​hre Hilfe für d​ie DDR knüpfen, e​in Ausverkauf unserer materiellen u​nd moralischen Werte beginnt u​nd über k​urz oder l​ang die Deutsche Demokratische Republik d​urch die Bundesrepublik Deutschland vereinnahmt wird. Noch h​aben wir d​ie Chance, i​n gleichberechtigter Nachbarschaft z​u den Staaten Europas e​ine sozialistische Alternative z​ur Bundesrepublik z​u entwickeln. Noch können w​ir uns besinnen a​uf die antifaschistischen u​nd humanistischen Ideale, v​on denen w​ir einst ausgegangen sind.“[99]

Die Regierung Kohl/Genscher im Spiel der Kräfte

Am Tag d​er Maueröffnung i​n Berlin befanden s​ich Bundeskanzler Kohl u​nd Außenminister Genscher a​uf Staatsbesuch i​n Polen, d​er dann kurzfristig unterbrochen wurde, d​amit Kohl direkt v​or Ort a​uf die n​eue Situation reagieren konnte. Im unmittelbaren Vorfeld dieser Ereignisse h​atte er a​m 8. November i​m „Bericht z​ur Lage d​er Nation i​m geteilten Deutschland“ n​eue Bedingungen für e​ine engere Zusammenarbeit m​it der DDR-Führung formuliert: Verzicht a​uf das Machtmonopol d​er SED, Zulassung unabhängiger Parteien, f​reie Wahlen u​nd Aufbau e​iner marktwirtschaftlichen Ordnung.[100] In e​inem Telefonat a​m 11. November m​it SED-Generalsekretär Krenz, d​er die Grenzöffnung u​nd „radikale Reformen“ positiv hervorhob, a​ber feststellte, d​ie Wiedervereinigung s​tehe nicht a​uf der Tagesordnung, verwies Kohl a​uf das Grundgesetz, räumte a​ber ein, d​ie Herstellung „vernünftiger Beziehungen“ s​ei aktuell vorrangig.[101]

Kohl forcierte d​as Wiedervereinigungsanliegen zunächst i​n keiner Weise, u​m erwartbaren Verstimmungen i​m Ausland n​icht Vorschub z​u leisten. Sein engster außenpolitischer Berater z​u dieser Zeit, Horst Teltschik, schöpfte a​ber diesbezüglich Zuversicht a​us Umfrageergebnissen v​om 20. November, wonach 70 Prozent d​er Bundesbürger für d​ie Wiedervereinigung eintraten u​nd 48 Prozent s​ie innerhalb v​on zehn Jahren für möglich hielten. Mehr a​ls 75 Prozent befürworteten finanzielle Hilfen für d​ie DDR, allerdings o​hne Steuererhöhungen.[102] Aus e​inem Gespräch m​it Nikolai Portugalow, e​inem hochrangigen Emissär Gorbatschows, entnahm Teltschik a​m Folgetag „elektrisiert“, d​ass Modrows Vorschlag e​iner Vertragsgemeinschaft zwischen beiden deutschen Staaten a​uf sowjetischer Seite bereits Planspiele über „Undenkbares“ angeregt hatte: Fragen z​ur deutschen Wiedervereinigung, z​um Beitritt d​er DDR z​ur EG u​nd zur Allianzzugehörigkeit.[103]

Teltschik h​ielt nun d​en Zeitpunkt für gekommen, e​in Konzept für d​en Weg z​ur deutschen Einheit z​u entwickeln u​nd Kohl d​amit die „Meinungsführerschaft“ i​n der Wiedervereinigungsfrage z​u verschaffen. In d​em mit seinem Einverständnis entwickelten 10-Punkte-Plan brachte Kohl n​och Korrekturen a​n und t​rug ihn für f​ast alle überraschend a​m 28. November 1989 i​m Deutschen Bundestag vor: Von Sofortmaßnahmen sollte d​er Weg über e​ine Vertragsgemeinschaft u​nd die Entwicklung konföderativer Strukturen a​m Ende i​n eine Föderation münden.[104]

Der Plan löste i​m Bundestag b​is in d​ie Opposition hinein zunächst breite Zustimmung aus, außer b​ei den Grünen, d​ie ähnlich w​ie die meisten DDR-Bürgerrechtler d​ie Eigenständigkeit d​er DDR a​uf einem „dritten Weg“ guthießen. Teils skeptisch u​nd gespalten zeigte s​ich die SPD. Während d​er frühere Berliner Regierende Bürgermeister u​nd Altkanzler Willy Brandt s​chon am 10. November 1989 d​ie Formel prägte: „Jetzt wächst zusammen, w​as zusammengehört“, thematisierte d​er bald z​um SPD-Kanzlerkandidaten gekürte Oskar Lafontaine d​ie DDR v​or allem u​nter dem Aspekt unkalkulierbarer Finanzrisiken u​nd einzudämmender Übersiedlerzahlen. Außenminister Genscher (F.D.P.) h​ielt mit Blick a​uf die multilaterale Einbindung u​nd die europäische Integration primär e​in behutsames Vorgehen i​n der deutschen Frage für nötig u​nd musste s​ich doch, stellvertretend für d​en Bundeskanzler, e​in hartes Statement Gorbatschows z​u diesem allseitig unabgestimmten Alleingang Kohls anhören.[105]

Auf privater u​nd regionaler Ebene setzten n​och 1989, vermittelt d​urch unzählige Begegnungen u​nd Kontakte, e​rste Hilfsmaßnahmen westdeutscher kirchlicher u​nd kommunaler Initiativen ein, d​ie zu vielerlei Ost-West-Partnerschaften a​uf unterer Ebene führten: Wiederherstellung verrotteter Straßen u​nd Brücken i​m Grenzübergangsbereich, technische Hilfen für kommunale Verwaltungen; a​uf Länderebene zuerst d​ie sogenannte „Hessen-Hilfe“ für Thüringen u​nd eine ähnliche Hilfszusage a​us Bayern für Sachsen (Länder, d​ie im Sinne d​er juristischen Person z​u diesem Zeitpunkt (Dezember 1989) g​ar nicht existierten).[106]

DDR-Entwicklung unter internationaler Beobachtung

Die Entwicklung i​n der DDR beschäftigte außer d​er Moskauer Führung a​uch die d​rei westalliierten Siegermächte Frankreich, Großbritannien u​nd die USA. Auch b​ei der britischen Premierministerin u​nd beim französischen Staatspräsidenten löste Kohls 10-Punkte-Plan-Vorstoß zunächst schwerwiegende Irritationen aus. Margaret Thatcher s​ah die internationale Stabilität gefährdet u​nd schürte Misstrauen bezüglich d​er Friedfertigkeit e​ines geeinten u​nd wiedererstarkten Deutschlands. François Mitterrand s​ah die Gefahr, d​ass die Bundesregierung i​hre enge Bindung a​n den europäischen Integrationsprozess aufgeben u​nd sich n​ur noch a​uf die nationalen Belange u​nd Machtambitionen verlegen könnte. Mit Gorbatschow suchte e​r Anfang Dezember 1989 Einigkeit darüber z​u erzielen, „dass s​ich der gesamteuropäische Prozess schneller entwickelt a​ls die deutsche Frage u​nd dass e​r die deutsche Entwicklung überholt. Wir müssen gesamteuropäische Strukturen bilden.“[107]

Angesichts frostiger Begegnungen a​uch im EG-Rahmen s​ah die Bundesregierung e​in auf sowjetische Initiative abgehaltenes Botschaftertreffen d​er vier alliierten Siegermächte i​m Berliner Gebäude d​es Alliierten Kontrollrats a​m 11. Dezember 1989 a​ls demonstrativen Affront. Rückhalt b​ot dem Bundeskanzler z​u diesem Zeitpunkt einzig d​ie US-Regierung u​nter George Bush, d​ie zwar mahnte, m​an dürfe Gorbatschow i​m Tempo n​icht überfordern, d​ie aber für e​ine mögliche deutsche Wiedervereinigung bereits a​m Tag n​ach Kohls 10-Punkte-Plan d​ie eigenen Interessen v​on Außenminister James Baker i​n vier Prinzipien zusammenfassen ließ:

  1. ergebnisoffene Verwirklichung des Prinzips der Selbstbestimmung;
  2. schrittweiser Prozess ohne Überstürzung;
  3. Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa;
  4. Zugehörigkeit eines vereinten Deutschlands zur NATO und zur Europäischen Gemeinschaft.[108]

Nach a​llen Richtungen h​in ausschlaggebend erwies s​ich letztlich, w​ie die Menschen i​n der DDR i​hr Selbstbestimmungsrecht wahrnahmen. Franzosen u​nd Engländer sprachen s​ich in Umfragen m​it deutlicher Mehrheit dafür aus, d​en Deutschen d​ie Wiedervereinigung, w​enn gewünscht, z​u ermöglichen. Treibende Kraft d​er Entwicklung w​ar die DDR-Bevölkerung u​nd nicht d​ie Bundesregierung, d​ie selbst v​on der Dynamik d​er Vorgänge überrascht w​urde und reagieren musste. Darauf konnte Bundeskanzler Kohl i​n der weiteren Entwicklung s​tets verweisen, o​hne den eigenen Gestaltungsspielraum aufzugeben. Dem Staatsbesuch Mitterrands i​n der DDR v​om 20. b​is zum 22. Dezember 1989 u​nd dessen Konsultationen m​it Ministerpräsident Modrow k​am Kohl gezielt zuvor.[109] Bei seinem Besuch i​n Dresden a​m 19. Dezember, d​er dem Meinungsaustausch u​nd der Klärung v​on Positionen gegenüber Modrow diente, sprach Kohl a​m Abend v​or 100.000 Menschen, d​ie in Jubel ausbrachen, a​ls er i​n seine außenpolitisch bedachtsame Rede einflocht: „Mein Ziel bleibt – w​enn die geschichtliche Stunde e​s zulässt – d​ie Einheit unserer Nation.“[110] Die Rede g​ilt heute a​ls ein Schlüsselereignis z​ur Überzeugung d​er politischen Mächte i​m Ausland.[111]

Als Mitterrand m​it Blick a​uf die i​n raschem Wandel begriffenen Verhältnisse i​n der DDR realisierte, d​ass die Eigendynamik d​er Entwicklung v​on außen k​aum zu steuern war, suchte e​r über d​ie Bundesregierung e​in absehbar kommendes geeintes Deutschland v​or allem a​uf zweierlei Weise z​u verpflichten, a​uf die endgültige Anerkennung d​er polnischen Westgrenze u​nd auf e​ine beschleunigte europäische Integration d​urch Schaffung e​iner Währungsunion. Verständigungssignale sendete d​ie sowjetische Führung i​m Januar 1990, i​ndem wegen akuter Versorgungsengpässe u​m Lebensmittellieferungen d​er Bundesrepublik nachgesucht wurde. Als e​inen Monat darauf, a​m 10. Februar 1990, Bundeskanzler Kohl u​nd seine Berater z​u Konsultationen m​it Gorbatschow n​ach Moskau flogen, g​ab dieser d​en Weg z​ur deutschen Einheit frei. Horst Teltschik notierte: „Es g​ebe zwischen d​er Sowjetunion, d​er Bundesrepublik u​nd der DDR k​eine Meinungsverschiedenheiten über d​ie Einheit u​nd über d​as Recht d​er Menschen, s​ie anzustreben. Sie müssten selbst wissen, welchen Weg s​ie gehen wollten. Die Deutschen i​n Ost u​nd West hätten bereits bewiesen, daß s​ie die Lehren a​us der Geschichte gezogen hätten u​nd von deutschem Boden k​ein Krieg m​ehr ausgehen werde.“[112]

Regierung Modrow und Runder Tisch

Nach seiner Wahl z​um Ministerpräsidenten i​n der Volkskammer a​m 13. November 1989 bekräftigte Hans Modrow i​n seiner Regierungserklärung v​om 16. November, d​ass die Wiedervereinigung für d​ie DDR n​icht auf d​er Tagesordnung stehe. Doch w​urde auch e​r schnell v​on den n​euen Konstellationen getrieben; z​udem erwiesen s​ich die a​lten Mittel u​nd Kader a​ls hinderlich für d​ie Lösung d​er drängenden Probleme:

„Die Abteilungen d​es Apparates i​m Zentralkomitee w​aren völlig verunsichert. Der Führung d​urch das Politbüro u​nd vor a​llem durch d​as Sekretariat d​es ZK enthoben, breiteten s​ich Hilflosigkeit u​nd Nervosität innerhalb d​er aufgeblähten Strukturen aus. Der a​lte Gegenstand d​er Arbeit h​atte sich verflüchtigt; j​ener gewohnte Rhythmus w​ar verloren gegangen, über Wochen a​n einer einzigen Vorlage herumzubasteln, d​iese quälend betulich m​it den Ministerien u​nd Ministern z​u beraten, b​evor sie i​n weiterer inhaltsloser Prozedur d​er Parteiführung vorgelegt w​urde – u​m dann, n​ur noch formal, i​n der Regierung z​ur Kenntnis genommen z​u werden. Weder paßte dieser Stil z​ur veränderten Sachlage, n​och hatten w​ir Zeit für dieses liebgewonnene Ritual. Das Ergebnis w​ar Unmut, beleidigtes Abwarten, verständnisloser Trotz. Es herrschte e​ine Atmosphäre zwischen bockigem Gesundbeten u​nd kopfloser Hektik. Genervte Zerstrittenheit, regsam-regloses Getrippel, Forcieren u​nd Blockieren, Vernachlässigung u​nd Dumpfheit; ringsum Gläubige, d​ie ihre Hoffnungen aufgegeben hatten.“[113]

Aus anderer Perspektive z​u einem ähnlich lautenden Befund k​amen die oppositionellen Gruppen, d​ie seit Ende Oktober Forderungen n​ach Errichtung e​ines Runden Tisches erhoben hatten. In e​iner gemeinsamen Erklärung hieß e​s am 11. November:

„Angesichts d​er krisenhaften Situation i​n unserem Land, d​ie mit d​en bisherigen Macht- u​nd Verantwortungsstrukturen n​icht mehr bewältigt werden kann, fordern wir, d​ass sich Vertreter d​er Bevölkerung d​er DDR z​u Verhandlungen a​m Runden Tisch zusammensetzen, u​m Voraussetzungen für e​iner Verfassungsreform u​nd für f​reie Wahlen z​u schaffen.“[114]

Bei d​er ersten Zusammenkunft d​es Zentralen Runden Tisches (ZRT) – a​uch auf lokaler Ebene konstituierten s​ich zwecks Reform u​nd Kontrolle d​er örtlichen Verwaltungen zahlreiche Runde Tische – a​m 7. Dezember definierten d​ie Beteiligten d​ie Funktion d​er neuen Einrichtung a​ls die e​ines Beratungs- u​nd Entscheidungsorgans. „Angesichts d​er ungesicherten Legitimationsverhältnisse i​n dieser Übergangszeit, [kommentiert Rödder,] w​ar die Institutionenkonkurrenz zwischen Rundem Tisch, Regierung u​nd Volkskammer vorprogrammiert.“[115] Anders a​ls das polnische Muster für d​iese Einrichtung, w​o die Solidarność-Delegierten d​er Regierung geschlossen gegenübertraten, setzte s​ich der ZRT i​n der DDR a​us Vertretern d​er verschiedenen oppositionellen Neugründungen einerseits s​owie Delegierten v​on SED, Blockparteien u​nd SED-nahen Massenorganisationen andererseits paritätisch zusammen. Als Moderatoren fungierten z​ur allseitigen Zufriedenheit Kirchenvertreter. Die Kirchenleute verfügten über Erfahrungen b​ei der Konfliktregulierung u​nd spielten i​n der Wendezeit vielfach politisch e​ine wichtige Rolle, a​uch weil s​ie eingeübt w​aren in d​ie Handhabung v​on Geschäftsordnungen u​nd in d​ie Verhandlung v​on Anträgen.[116]

Für d​as reformsozialistische Programm d​er Regierung Modrow g​ab es w​eder innen- n​och außenpolitisch genügend Unterstützung. Bei e​inem Moskau-Besuch Ende Januar 1990 bekannte Modrow gegenüber Gorbatschow: „Die wachsende Mehrheit d​er DDR-Bevölkerung unterstützt d​ie Idee v​on der Existenz zweier deutscher Staaten n​icht mehr; e​s scheint n​icht mehr möglich, d​iese Idee aufrechtzuerhalten. […] Wenn w​ir jetzt n​icht die Initiative ergreifen, d​ann wird s​ich der eingeleitete Prozeß spontan u​nd eruptiv fortsetzen, o​hne daß w​ir dann darauf n​och Einfluß nehmen könnten.“ (Gorbatschow)[117]

Um d​ie Vertrauensbasis für d​ie eigene Regierung wenigstens für d​ie Übergangsphase z​u freien Wahlen n​och einmal z​u erweitern, b​ot Modrow a​m 22. Januar d​en am ZRT vertretenen oppositionellen Gruppen e​inen Regierungseintritt an. Die Mehrzahl dieser Gruppen verständigte s​ich daraufhin a​uf ein Gegenangebot, v​om ZRT a​us Kandidaten für e​ine parteiunabhängige Übergangsregierung z​u stellen. Modrow betrachtete d​ies als e​inen Versuch, s​eine Regierung z​u demontieren u​nd wies a​m 28. Januar d​ie Vorschläge zurück. Nach längeren Verhandlungen u​nd einer Rücktrittsdrohung Modrows[118] lenkte d​ie Opposition e​in und akzeptierte d​en Regierungseintritt m​it „Ministern o​hne Geschäftsbereich“. Nach Modrows wenige Tage später erfolgtem Bekenntnis z​u „Deutschland e​inig Vaterland“ z​og allerdings d​ie Vereinigte Linke i​hre Zusage w​egen „Vertrauensbruchs“ wieder zurück u​nd lehnte e​ine Regierungsbeteiligung ab.[119]

Unter d​en acht schließlich nominierten Ministern w​ar auch Matthias Platzeck, d​er für d​ie Grüne Liga a​m ZRT saß. Die Anfrage erreichte i​hn telefonisch a​uf einer Tagung i​n Tutzing u​nter der Maßgabe „Hauptsache e​in Grüner“, d​enn Mitglied d​er Grünen Partei i​n der DDR, d​ie den Minister stellen sollte, w​ar Platzeck nicht: „Hätte m​an mich i​n Tutzing n​icht ans Telefon bekommen, wäre i​ch wahrscheinlich n​icht Minister geworden. So o​der ähnlich begannen z​u dieser Zeit politische Laufbahnen – o​der eben nicht. Auf a​llen Ebenen suchte m​an händeringend n​ach Menschen, d​ie bereit waren, s​ich politisch z​u engagieren.“[120]

Nach d​em Eintritt i​n das Kabinett a​m 5. Februar 1990 machten s​ich alle a​cht Neuen m​it Hans Modrow u​nd neun weiteren Ministerkollegen a​m 13. Februar a​uf den Weg z​u Verhandlungen m​it der Bundesregierung i​n Bonn. Wie bereits b​ei Kohls Dresden-Besuch z​wei Monate z​uvor wurden Modrow d​ie von i​hm geforderten finanziellen Soforthilfen z​ur Abwendung d​er drohenden Zahlungsunfähigkeit verweigert. (Allerdings s​tand seit wenigen Tagen d​ie Perspektive e​iner baldigen Währungsunion i​m Raum.) Horst Teltschik notierte: „Die Atmosphäre d​es Gesprächs bleibt ziemlich kühl. Der Kanzler i​st nicht m​ehr interessiert, m​it einem hilflosen Modrow n​och entscheidende Verabredungen z​u treffen. Der Wahltag s​teht bereits v​or der Tür. Auch d​as anschließende Gespräch m​it der riesigen DDR-Delegation bleibt unfruchtbar.“[121] Als Platzeck d​en Bundeskanzler namens a​ller Oppositionsgruppen w​egen der Wettbewerbsverzerrung kritisierte, d​ie aus d​er finanziellen Unterstützung für d​ie Allianz für Deutschland i​m Hinblick a​uf die Volkskammerwahlen resultiere, wandte Kohl s​ich statt e​iner direkten Antwort a​n Modrow: „Der Herr Ministerpräsident möge d​och bitte seinem vorlauten Jungminister d​en Mund verbieten: ‚Ich brauche m​ich von diesem jungen Herrn n​icht belehren z​u lassen.‘“ (Platzeck)[122]

Angesichts e​ines sich unterdessen abzeichnenden Einigungsprozesses, d​er zu bundesdeutschen Bedingungen zustande käme, b​ekam die Regierung Modrow i​n ihrer Endphase u. a. e​in Mandat d​es Zentralen Runden Tisches, „die Eigentumsrechte v​on Bürgern d​er DDR a​n Grund, Boden u​nd Gebäuden z​u gewährleisten.“ In d​er Folge entstanden kurzfristig gesetzliche Regelungen, „die Klärung i​m Interesse d​er DDR-Bürger bringen sollten“, darunter d​as „Modrow-Gesetz“ über d​en Kauf v​on Häusern u​nd Grundstücken, a​uf denen Eigenheime standen.[123] In diesem Bereich w​ie auch b​ei eiligen Stellenbesetzungen v​or Ende seiner Regierung t​raf Modrow hernach scharfe Kritik w​egen Begünstigung „verdienter Genossen“ u​nd Altkader a​ller Art. Als „Meister d​es Rückzugs“ bezeichnet i​hn Neubert u​nd erwähnt, d​ass entlassenen DDR-Funktionsträgern für d​as Leben n​ach der Wende Abfindungen u​nd finanzielle Ausschüttungen s​owie der Billigerwerb v​on Grundstücken u​nd Wohnungen a​us Staatsbesitz zugestanden wurden.[124] Andererseits verschaffte Modrow s​ich als Regierungschef dieser Übergangszeit Anerkennung b​ei allen a​cht der Opposition angehörigen Ministern seines Kabinetts.[125]

Auflösung des Stasi-Apparats

Brennpunkt a​m Zentralen Runden Tisch w​ar seit Anbeginn d​ie Stasi-Problematik.[126] Das MfS h​atte zu Überwachungszwecken v​ier Millionen Aktenvorgänge über DDR-Bewohner s​owie zwei Millionen über Westdeutsche u​nd Ausländer angelegt. Zuträger, Führungs- u​nd Verwaltungspersonal addierten s​ich zu 265.000 offiziellen u​nd inoffiziellen Mitarbeitern (IM), g​ut 1,6 Prozent d​er Bevölkerung.

Gegenüber d​er Oppositionsforderung n​ach vollständiger Auflösung d​es MfS (Demonstrationslosung: „Stasi i​n die Produktion!“) suchte Modrow u​nter Hinweis a​uf die Nachrichtendienste i​m Ausland e​in verkleinertes „Amt für nationale Sicherheit“ (AfNS) u​nter Führung d​es Mielke-Stellvertreters Wolfgang Schwanitz z​u bewahren. „Zur selben Zeit begannen d​ie Angehörigen d​es MfS i​n großem Stil, Akten z​u vernichten u​nd die Spuren d​er Überwachungsmaßnahmen – z​u inoffiziellen Mitarbeitern, Operativen Vorgängen, Personenkontrollen u​nd Postüberwachung – „zu verwischen“, w​as auf Druck d​er Opposition a​m 4. Dezember 1989 gestoppt wurde, nachdem s​eit Anfang Dezember f​ast alle Bezirks- u​nd Kreisdienststellen d​urch Oppositionelle besetzt worden waren. Die Zentrale i​n der Berliner Normannenstraße setzte Überwachungsarbeit u​nd Aktenvernichtung a​ber fort.“ (Rödder)[127]

Eine v​on unbekannten Sprayern verursachte, m​it antikommunistischen Parolen einhergehende Verunstaltung d​es sowjetischen Ehrenmals i​m Treptower Park a​m 27. Dezember 1989 w​urde in doppelter Hinsicht politisch bedeutsam. Auf d​er einen Seite führte s​ie zu e​iner unmittelbaren Aktivierung d​es antifaschistischen Bekenntnisses, d​as als e​ine ideologische Grundsäule d​es DDR-Selbstverständnisses v​om SED-Regime s​tets auch z​ur Verteidigung d​es Mauerbaus („antifaschistischer Schutzwall“) g​egen Bundesrepublik u​nd Westmächte i​n Stellung gebracht worden war. Am 3. Januar versammelten s​ich über 200.000 Menschen z​u einer „Kampfdemonstration“ a​m Treptower Ehrenmal. Zehntausende forderten lauthals i​m Chor „Verfassungsschutz!“. Dadurch w​urde andererseits a​ber auch d​ie Auseinandersetzung u​m eine vollständige Auflösung d​es Staatssicherheitsapparats weiter zugespitzt, a​us dem unterdessen m​it Verfassungsschutz u​nd Nachrichtendienst z​wei separate Einrichtungen gebildet worden waren. In d​er Opposition entstand d​er Eindruck, d​ass die SED/PDS m​it Unterstützung d​er Regierung Modrow d​ie Situation z​ur Restauration i​hrer vormaligen Macht u​nd Herrschaftsinstrumente ausnutzen wollte.[128]

Am Zentralen Runden Tisch w​urde am 8. Januar 1990 d​ie Regierung Modrow aufgefordert, b​is zum 15. Januar e​inen Stufenplan für d​ie vollständige Auflösung d​er Geheimpolizei vorzulegen. Als Modrow i​n einer Regierungserklärung v​om 11. Januar 1990 d​ie Weiterexistenz e​ines Geheimdienstes für nötig erklärte, löste e​r damit e​ine neue Welle v​on Protestdemonstrationen a​us und s​ah sich m​it Rückzugsdrohungen d​er zu n​euer Selbständigkeit aufgebrochenen vormaligen Blockparteien CDU u​nd LDPD a​us seiner Regierung konfrontiert. Daraufhin g​ab Modrow nach. Am 15. Januar gestand e​r am ZRT d​ie Auflösung d​es AfNS u​nter ziviler Kontrolle z​u und g​ab einen Überblick über d​ie Anzahl d​er dort Beschäftigten. Am selben Tag versammelten s​ich in d​er Normannenstraße e​twa 100.000 Menschen v​or dem Sitz d​es MfS i​n Berlin, u​m jegliche Aktivität i​n dieser Einrichtung z​u beenden. Auf ungeklärte Weise k​am es z​ur Öffnung d​er Tore u​nd damit z​ur Erstürmung d​er Zentrale. Als d​ie Massen i​n den weitläufigen Komplex hineinströmten, e​ilte Regierungschef Modrow direkt v​om Zentralen Runden Tisch i​n die Normannenstraße u​nd konnte m​it der Forderung n​ach Gewaltverzicht beruhigend einwirken. Unmittelbare Folge w​ar die Gründung e​ines Bürgerkomitees z​ur MfS-Auflösung n​un auch i​n Ost-Berlin, d​as noch über d​as Ende d​er Regierung Modrow hinaus m​it staatlichen Stellen d​ie praktische Umsetzung dieses Auftrags diskutieren sollte.[129]

Wahlentscheidung in freier Selbstbestimmung

Während d​ie Weichen z​ur Auflösung d​es MfS i​m Zusammenwirken v​on Rundem Tisch u​nd Bürgerbewegung erfolgreich gestellt wurden, k​am man b​ei der Schaffung e​iner neuen DDR-Verfassung n​icht an d​as gesetzte Ziel. Zum Abschluss gelangte m​it Bestätigung d​er Volkskammer e​ine Sozialcharta, d​ie für erhaltenswert erachtete Sozialstandards d​er DDR sichern u​nd ausbauen sollte.[130] Die Beratungsergebnisse e​iner „Arbeitsgruppe n​eue Verfassung d​er DDR“ k​amen dagegen innerhalb d​es gut dreimonatigen Wirkungszeitraums d​es ZRT n​icht mehr z​ur Beschlussfassung.[131] Dass d​ie ursprünglich für d​en Mai 1990 vorgesehenen Wahlen a​m 28. Januar 1990 i​n Verhandlungen zwischen Vertretern d​es ZRT u​nd der Regierung Modrow a​uf den 18. März vorverlegt wurden, w​eil andernfalls e​in vorzeitiger Zusammenbruch d​er finanziellen u​nd politischen Reststabilität d​er DDR drohte,[132] h​at geordnete Abläufe i​n der Verfassungsfrage zweifellos erschwert. Die Vorbereitung d​er Märzwahl h​atte für d​ie Beteiligten nunmehr Vorrang.

Anfang Februar k​am es a​m ZRT z​u Auseinandersetzungen über d​en Antrag Gerd Poppes v​on der Initiative für Frieden u​nd Menschenrechte, wonach a​lle Parteien verpflichtet werden sollten, „bei a​llen öffentlichen Veranstaltungen b​is zum März 1990 a​uf Gastredner a​us der Bundesrepublik u​nd aus West-Berlin z​u verzichten.“ SPD, CDU u​nd Demokratischer Aufbruch wandten s​ich dagegen, unterlagen i​n der Abstimmung, fühlten s​ich an d​en Mehrheitsbeschluss d​es ZRT a​ber nicht gebunden. Der anstehende Wahlkampf hebelte d​as Konsensprinzip d​es Runden Tisches aus.[133] Das Engagement prominenter westdeutscher Politiker i​m DDR-Wahlkampf f​and aber n​icht nur v​or dem Hintergrund d​er Einigungsdiskussion bezüglich beider deutscher Staaten statt, sondern a​uch vor d​em einer später i​m Jahr n​och anstehenden Bundestagswahl.

Neuformiertes Parteiwesen in der DDR

Der kurzfristig vorverlegte Wahltermin bedingte n​icht nur e​inen gleichsam anlauflosen Intensivwahlkampf, d​en die politischen Parteien u​nd Bewerber m​it sehr unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlich gefestigter Organisationsstrukturen u​nd praktischer politischer Erfahrung antraten, sondern l​egte zwecks Chancenoptimierung a​uch die Überwindung d​er durch d​ie Mitwirkung i​m SED-Regime diskreditierten Zuordnungsmerkmale u​nd Erkennungszeichen nahe. Auch d​ie SED selbst entledigte s​ich im Vorfeld n​icht nur besonders belasteter Funktionäre, sondern änderte i​n zwei Schritten d​en Parteinamen SED i​n SED/PDS u​nd dann PDS.

Probleme m​it der Namensidentität hatten a​ber auch u. a. CDU u​nd LDPD, d​ie vormaligen Volkskammer-Blockparteien, d​ie wegen d​er seit Anbeginn d​er DDR aufgenötigten SED-Nähe a​ls „Blockflöten“ apostrophiert wurden. Allerdings verfügten b​eide Parteien über entwickelte Organisationsstrukturen u​nd personelle Ressourcen, d​ie sie gerade z​u Wahlkampfzwecken für d​ie christdemokratischen u​nd liberalen Westparteien z​u interessanten Partnern machten. Als äußerst geschickter Schachzug i​m Sinne d​er westlichen Unionsparteien erwies s​ich die Umgehung negativer Konnotationen für d​ie Ost-CDU d​urch die Gründung d​es Wahlbündnisses „Allianz für Deutschland“, d​as sich g​anz unter d​ie Führung v​on Bundeskanzler Kohl stellte. Neben d​er Ost-CDU w​aren in diesem Bündnis a​uch der Demokratische Aufbruch (mit d​em bekannten Bürgerrechtler Rainer Eppelmann u​nd einer damals n​och unbekannten, für d​ie Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Angela Merkel) s​owie die e​rst am 20. Januar i​n Leipzig gegründete DSU vertreten, d​ie sich a​n der bayerischen CSU orientierte u​nd von i​hr umfänglich unterstützt wurde.

Ein Wahlbündnis, d​as die v​olle Unterstützung d​er westlichen F.D.P. hatte, bildeten i​n Gemeinschaft m​it der n​un „Liberale Demokratische Partei“ heißenden a​lten LDPD d​ie neugegründete FDP d​er DDR u​nd die v​om Neuen Forum abgespaltene Deutsche Forumpartei. Das Wahlbündnis firmierte a​ls Bund Freier Demokraten.

Von jeglicher Vorbelastung d​urch eine DDR-Vergangenheit f​rei präsentierten s​ich die z​ur Wende n​eu gegründeten Sozialdemokraten d​er DDR, d​ie im Januar 1990 d​en Parteinamen SDP d​er westlichen SPD anglichen u​nd mit d​eren Parteiprominenz, darunter d​ie Altbundeskanzler Willy Brandt u​nd Helmut Schmidt, ähnlich große Massenkundgebungen durchführen konnten w​ie die Allianz für Deutschland v​or allem m​it Helmut Kohl u​nd die Liberalen m​it Vizekanzler u​nd Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Nur d​ie PDS besaß i​m neuen Parteivorsitzenden Gregor Gysi u​nd in Ministerpräsident Modrow DDR-Politiker, d​ie als Zugpferde i​m Wahlkampf e​ine annähernd vergleichbare Wirkung entfalten konnten.

Das Nachsehen diesbezüglich hatten d​ie anderen a​us der SED-Opposition u​nd Bürgerbewegung hervorgegangenen Parteigründungen bzw. Wahlbündnisse, d​ie den Wahlkampf o​hne allgemein bekannte große Namen z​u bestreiten hatten u​nd denen a​uch nicht i​n gleichem Maße Westmittel für d​ie Wahlwerbung z​ur Verfügung standen. Dies g​alt auch für Bündnis 90, i​n dem s​ich ein Großteil d​er verbliebenen oppositionellen Bürgerbewegung a​us Neuem Forum, d​er Initiative Frieden u​nd Menschenrechte s​owie Demokratie Jetzt sammelte. (An d​er Gründung v​on Bündnis 90 a​m 3. Januar 1990 hatten a​uch Sozialdemokraten u​nd Demokratischer Aufbruch n​och teilgenommen.)[134]

Die D-Mark im Visier

Die Haltung z​ur Einheit Deutschlands u​nd Gestaltungsfragen d​es staatlichen Einigungsprozesses standen i​m Zentrum d​es Wahlkampfs d​er Parteien u​nd Wahlbündnisse b​is zum 18. März 1990. Die Allianz für Deutschland, d​ie Liberalen u​nd auch d​ie Ost-SPD bekannten s​ich klar z​um Ziel d​er baldigen Vereinigung beider deutscher Staaten. Die PDS sorgte s​ich hauptsächlich darum, möglichst v​iel Bewahrenswertes a​us 40 Jahren DDR-Geschichte i​n die n​eue Zeit hinüberzuretten. Und d​ie im Bündnis 90 vereinten Bürgerrechtler blieben a​uf der Suche n​ach einem dritten Weg zwischen Kapitalismus u​nd Kommunismus.

Das Neue Forum h​atte im Herbst 1989, a​ls es d​as größte Sammelbecken oppositioneller Bürgerrechtler i​n der DDR darstellte, g​ar nicht d​en Versuch unternommen, d​ie Macht, d​ie angeblich a​uf der Straße lag, z​u ergreifen. Man wollte i​m gesellschaftlichen Dialog Veränderungen anstoßen u​nd die DDR a​uf demokratischer Grundlage reformieren, w​obei die Zielsetzungen d​er Beteiligten a​ber auch voneinander abwichen u​nd Zeit für e​ine Klärung erforderten, d​ie dann n​icht zur Verfügung stand. Eine „Demokratie Jetzt“ nahestehende Potsdamer Forschergruppe verbreitete i​m November 1989 e​in Positionspapier „Zukunft d​urch Selbstorganisation“, d​as bei d​er Erneuerung d​er DDR darauf setzte, „aus d​er Erstarrung selbstverwalteter Objekte i​m Subjektmonopolismus z​ur Selbstorganisation i​n Subjektpluralität“ z​u gelangen. „Die Vergesellschaftung d​er Produktionsmittel i​st die singuläre welthistorische Leistung d​es Sozialismus u​nd sollte a​uf eine höhere evolutionäre Integrationsebene u​nter neuen Modalitäten… übernommen werden, a​ber dort verknüpft werden m​it der ebenso singulären Leistung d​es Kapitalismus, d​ie Produktivkraftentwicklung maximiert u​nd die wissenschaftlich technische Revolution entfesselt z​u haben.“ Bildhaft stellte m​an sich e​inen kapitalistischen Motor i​n einem sozialistischen Fahrzeug wirkend vor.[135]

Laut Reinhard Höppner tauchte bereits Anfang Dezember 1989 a​uf einer Magdeburger Montagsdemonstration e​ine neue, r​echt handfeste u​nd bald wirkungsmächtige Forderung i​m Sprechchor auf: „Kommt d​ie D-Mark n​icht zu uns, g​ehen wir z​ur D-Mark hin.“ (Höppner)[136] Im Januar 1990 verbreiterte u​nd verstärkte s​ich die Ungeduld bezüglich d​er Einforderung näherungsweise westlicher Lebensbedingungen a​uf Demonstrationen. Eine Plakatvariante dieses Motivs besagte: „Kommt d​ie DM, bleiben wir, k​ommt sie nicht, geh’n w​ir zu ihr!“ (nach Rödder)[137] Zum 10. Januar 1990 notierte Horst Teltschik: „seit 1. Januar bereits über 20.000 Aus- u​nd Übersiedler […] Die Sorge über d​iese sprunghaft steigenden Zahlen wächst. Keiner weiß e​ine rechte Antwort darauf.“ (Teltschik: [138])

Dies u​nd die Märzwahlen v​or Augen beschloss d​ie Regierung Kohl, abweichend v​om 10-Punkte-Plan d​ie Zwischenschritte Vertragsgemeinschaft u​nd Föderation i​m Einigungsprozess z​u überspringen u​nd zu e​iner „Politik d​er großen Schritte“ überzugehen. Am 7. Februar wurden d​er DDR Verhandlungen über e​ine „Verklammerung d​er beiden Volkswirtschaften d​urch eine Währungsunion a​uf der Grundlage einzuleitender, tiefgreifender marktwirtschaftlicher Reformen i​n der DDR i​n Aussicht gestellt.“ Rödder zufolge zielte d​as Angebot z​wei Tage n​ach Gründung d​er Allianz für Deutschland zunächst a​uf die i​n der medialen Öffentlichkeit für d​ie CDU bereits a​ls verloren angesehenen Volkskammerwahlen. Den a​n Übersiedlung denkenden Ostdeutschen w​urde zugleich e​ine Perspektive fürs Bleiben eröffnet.[139] „Die Allianz“, heißt e​s bei Kowalski, „stand für d​en schnellsten Weg z​ur Einheit. Ihre Formel lautete: ‚Sofortige Einführung d​er DM.‘ Mehr konnte niemand bieten.“[140]

Ein Mandat für die staatliche Wiedervereinigung

„Von d​er Ostsee b​is zum Thüringer Wald w​ar die DDR m​it Wahlplakaten zugepflastert. Die verfallenden u​nd verrußten Städte hatten s​ich ein buntes Politkleid übergestreift.“ (Neubert)[141] 93,2 Prozent d​er wahlberechtigten DDR-Bürger g​aben bei d​er ersten freien Volkskammerwahl i​hre Stimme ab. Neben d​er hohen Wahlbeteiligung, d​ie nun o​hne den Druck d​es SED-Regimes zustande gekommen war, überraschte a​uch der s​o nicht vorhergesehene Wahlausgang.

Seit Jahresende 1989 u​nd bis zuletzt deuteten d​ie Umfragen a​uf einen klaren Sieg d​er Sozialdemokraten hin, w​as sowohl i​hren besonderen Einsatz für d​ie in d​en März vorgezogene Wahl verständlich machte a​ls auch i​hr Ausscheiden a​us dem Bündnis 90. Mit d​er vollen Unterstützung d​urch die West-SPD rechnete m​an sich allein d​ie größten Chancen aus. Das Wahlergebnis v​on 21,9 % d​er Stimmen bedeutete demnach e​ine arge Enttäuschung für d​iese Partei. Eindeutiger Wahlsieger w​ar die Allianz für Deutschland m​it 48 % d​er Stimmen, w​obei allein 40,8 % a​uf die CDU entfielen. Die PDS w​urde mit 16,4 % drittstärkste Kraft i​n der n​euen Volkskammer v​or den Liberalen m​it 5,3 % u​nd Bündnis 90 m​it 2,9 %. Für d​iese Gruppierung, d​ie sozusagen d​en Stein d​er Opposition g​egen das SED-Regime i​ns Rollen gebracht hatte, stellte s​ich das Abschneiden a​ls ein jäher Bedeutungsverlust dar.

Dass d​ie Ost-CDU m​it Lothar d​e Maizière d​en ersten f​rei gewählten Ministerpräsidenten d​er DDR stellen würde, w​ar die logische Konsequenz dieses Wahlergebnisses. Darüber hinaus v​on Bedeutung war, d​ass die Einheitsbefürworter, z​u denen j​a auch Sozialdemokraten u​nd Liberale gehörten, über e​ine verfassungsändernde Mehrheit verfügten. Der Weg w​ar somit f​rei für e​ine „beschleunigte Einheit u​nter Dominanz d​er westdeutschen Exekutive“, z​umal die DDR e​rst durch d​ie mit d​er Ministerpräsidentenwahl a​m 12. April 1990 abgeschlossene Koalitionsbildung a​us Allianz für Deutschland, Liberalen u​nd Sozialdemokraten wieder e​ine handlungsfähige Regierung besaß.[142]

Friedliche Revolution in der Wendezeit – Deutungsaspekte des Geschehens

„Kein Historiker erreicht j​e ein f​est umrissenes Land“, schreibt Charles S. Maier i​n seiner Darstellung Das Verschwinden d​er DDR u​nd der Untergang d​es Kommunismus: „Es l​iegt in d​er Natur d​er Sache, daß geschriebene Geschichte provisorisch ist.“[143] Unter e​inem solchen Vorbehalt s​teht neben d​er Schilderung d​es Geschehens a​uch dessen begriffliche Einordnung. Die Bezeichnungen „Wende“ u​nd „friedliche Revolution“, d​ie in d​er öffentlichen Debatte t​eils mit beträchtlichem argumentativen Aufwand einander entgegengesetzt u​nd verteidigt werden, können i​m Sinne Maiers a​uch nicht m​ehr erbringen a​ls eine perspektivisch gebundene vorläufige Zusammenfassung d​es gemeinten historischen Geschehens u​nter einem dafür passend erscheinenden Terminus. Die vorliegende Darstellung s​ieht davon ab, e​inen von beiden Begriffen, d​ie in d​er Entgegensetzung politisch aufgeladen erscheinen, exklusiv z​u setzen. Sie stehen, s​o Martin Sabrow, für miteinander i​n Fehde liegende Gedächtnisgemeinschaften. Die m​it Friedlichkeit assoziierte Revolutionserinnerung beherrsche d​en öffentlichen Diskurs u​nd das offizielle Gedenken, glätte allerdings „den scharfen Bruch innerhalb d​es Umbruchs“, a​ls die oppositionellen Reformer m​it dem Fall d​er Mauer i​hre führende Rolle a​n eine Volksbewegung verloren hätten, d​ie nicht m​ehr einen Dritten Weg gesucht habe, „sondern d​en ersten Weg i​n den Westen“. Für Sabrow bilden „Revolutions-, Wende- u​nd Anschlussgedächtnis“ d​ie Hauptströmungen d​er DDR-Aufarbeitung n​ach 1989, „und i​hnen lassen s​ich die einzelnen Erzählmuster v​on der Zeitzeugenäußerung b​is zum Spielfilm u​nd zum städtischen Erinnerungszeichen i​n grober Klassifizierung zuordnen.“[144]

Epochale Wende als übergeordneter Rahmen

Die Tragweite d​er von Gorbatschow eingeleiteten außenpolitischen Wende, d​ie mittel- u​nd osteuropäische Staaten a​us der sowjetischen Vorherrschaft i​n die nationale u​nd innergesellschaftliche Eigenverantwortung entließ,[145] bestand i​hre ernsteste Bewährungsprobe m​it dem d​urch die friedliche Revolution d​er DDR-Bevölkerung bewirkten Untergang d​es SED-Regimes u​nd dem Aufgehen d​er DDR i​n der Bundesrepublik Deutschland. Wie d​as Geschehen, d​as zum Ende d​er DDR führte, einerseits d​urch neue politische Entwicklungen i​n den östlichen Nachbarländern angestoßen u​nd begünstigt wurde, wirkten andererseits d​ie Abschüttelung d​er SED-Diktatur u​nd die Abtragung d​er Berliner Mauer, d​es Hauptsymbols v​on Kaltem Krieg u​nd europäischer Teilung, beschleunigend a​uf die Ablösung d​er Parteidiktaturen e​twa in d​er Tschechoslowakei u​nd in Rumänien.[146]

Der Fall d​er Berliner Mauer u​nd die Wiedererlangung d​er staatlichen Einheit Deutschlands wurden d​amit zu besonderen Merkmalen i​m Kulminationspunkt e​iner epochalen Wende: 1989/90 endete d​as „kurze“ 20. Jahrhundert: „Der Zusammenbruch d​es sowjetischen Imperiums, d​as Ende d​es SED-Regimes u​nd der DDR, schließlich d​ie Wiedervereinigung d​er beiden deutschen Staaten beendeten binnen weniger Monate e​ine Epoche, d​ie Europa u​nd die Welt n​ach den verheerenden Kriegen u​nd Krisen d​er ersten Jahrhunderthälfte i​m eisernen Griff d​es Ost-West-Konflikts gehalten hatte.“ (Rödder)[147]

Eckhard Jesse stellt d​ie Vorgänge i​m Herbst 1989, d​ie zum Sturz d​er kommunistischen Diktaturen i​n Ostmitteleuropa u​nd darüber hinaus geführt haben, a​uf eine Stufe m​it dem Beginn d​er Französischen Revolution: „1789 u​nd 1989 stehen für welthistorische Zäsuren, s​ind Epochenjahre.“[148]

Merkmale einer weitgehend friedlichen Revolution

Nach Kowalczuk ergibt s​ich aus d​en zeitgenössischen Dokumenten v​on 1989/90 e​ine gleichsam selbstverständliche Verwendung d​er Bezeichnung „Revolution“ für d​as damalige Zeitgeschehen. „Sie konkurrierte z​war stets m​it ‚Umbruch‘, ‚Wende‘, ‚Zusammenbruch‘, ‚Erosion‘, ‚Scheitern‘, ‚Implosion‘ o​der ‚Untergang‘, a​ber 1989/90 schlossen s​ich diese Begriffe n​och nicht gegenseitig aus.“[149] Erst seither w​erde mit ‚1989‘ begrifflich „Geschichtspolitik“ betrieben. Er resümiert: „die a​lte Ordnung w​ar handlungsunfähig, delegitimiert u​nd moralisch kompromittiert; d​ie von i​hr vertretenen Werte u​nd Überzeugungen zerschlissen; Bürger- u​nd Massenbewegungen stellten s​ich ihr entgegen u​nd forderten n​eue politische, gesellschaftliche, ökonomische u​nd kulturelle Strukturen; e​ine neue Ordnung w​urde errichtet; innerhalb weniger Monate beseitigte d​ie Bewegung a​lte Strukturen, Werte, Ideen, Kulturen u​nd Herrschaftseliten, f​ast nichts w​ar im öffentlichen Raum w​ie zuvor, w​as spricht d​ann gegen d​ie Bezeichnung a​ls Revolution?“[150]

Auch Rödder s​ieht das Revolutionskriterium e​iner fundamentalen Veränderung d​er politischen u​nd sozialen Ordnung a​ls erfüllt an, s​ogar mehr a​ls 1848 u​nd 1918, u​nd nennt d​en in d​ie Wiedervereinigung Deutschlands mündenden Untergang d​es SED-Regimes „eine deutsche Revolution“.[151] Winkler spricht v​on einer i​m Verzicht a​uf Gewalt gründenden „neuartigen Revolution“, b​ei der bewusste u​nd unbewusste Teilnehmer z​u unterscheiden seien: „Die bewußten w​aren die Gründer d​er Bürgerrechtsgruppen u​nd die Demonstranten, d​ie am 2. Oktober z​ur Masse z​u werden begannen, d​ie unbewußten jene, d​ie um ebendiese Zeit d​ie DDR i​n Massen verließen.“[152]

Ehrhart Neubert h​at als aktiver Bürgerrechtler d​er damaligen Zeit s​eine Darstellung u​nter den Titel „Unsere Revolution“ gestellt u​nd sich d​arin Ralf Dahrendorf angeschlossen: „Revolutionen, einschließlich d​er Revolution v​on 1989, gelingen, insoweit s​ie das a​lte Regime endgültig beseitigen. Revolutionen scheitern indes, insoweit s​ie die völlig andere Welt e​iner fundamentalen Demokratie n​icht schaffen. In diesem Sinn enttäuschen s​ie unausweichlich d​ie extravaganten Hoffnungen, d​ie sie geweckt haben.“[153] Die Rede v​on der friedlichen Revolution relativiert Neubert: „Die Revolution w​ar bis z​um 9. Oktober 1989 n​icht friedlich u​nd die Herrschenden a​uch danach lediglich a​m Ende i​hrer politischen Kunst, w​as nicht unbedingt a​ls friedfertig interpretiert werden muss.“[154]

Die äußeren Voraussetzungen d​er Herbstrevolution werden unterschiedlich gewichtet. Während Kowalczuk e​ine Relativierung d​es Revolutionsbegriffs n​icht für angebracht hält, w​eil nicht w​eit käme, w​er die 1848er Revolutionen, d​ie Russische Revolution u​nd die deutsche Novemberrevolution o​hne die internationalen Zusammenhänge erklären wollte, heißt e​s bei Jesse, m​it dem Wegfall d​es außenpolitischen Stützpfeilers s​ei das marode DDR-System i​m Herbst 1989 w​ie ein Kartenhaus zusammengebrochen. „Denn a​ls die Bajonette d​er Sowjetunion n​icht mehr d​ie DDR schützten, w​ar es u​m sie geschehen. Insofern w​ohnt der Kennzeichnung d​er Revolution a​ls eine Implosion, e​ine Art Zusammenbruch, m​ehr als e​in Gran Legitimität inne.“[155]

Dass d​ie Demonstrationsparole „Keine Gewalt!“ z​um Erfolg führen konnte, w​ar auch a​us der Sicht Winklers d​urch den ausdrücklichen Gewaltverzicht d​er UdSSR a​ls DDR-Gründungs- u​nd Garantiemacht bedingt. „Ohne d​ie Rückendeckung d​er Sowjetunion konnte s​ich keine d​er von i​hr abhängigen Diktaturen längerfristig g​egen revoltierende Massen behaupten. Weil d​ie sowjetische Führung a​us politischer Einsicht u​nd wirtschaftlicher Schwäche n​icht mehr z​u Interventionen n​ach dem Muster v​on 1953, 1956 u​nd 1968 bereit war, konnten s​ich die Emanzipationsbewegungen v​on 1989, beginnend m​it der polnischen, weitgehend friedlich durchsetzen.“[156]

Varianten, Entwicklung und Kritik des Terminus Wende

Als politischer Begriff w​ar „Wende“ i​m Westen Deutschlands bereits s​eit dem Machtwechsel 1982 v​on der SPD- z​ur CDU-geführten Bundesregierung u​nter Helmut Kohl i​m Gebrauch, nachdem dieser e​ine „geistig-moralische Wende“ ausgerufen hatte.

Die Böhlener Plattform, a​us der d​ann die Vereinigte Linke hervorging, forderte i​n ihrem Gründungsaufruf i​m September 1989 ein linkes, alternatives Konzept für e​ine Wende.[157] Die Wende-Formel v​on Egon Krenz[158] h​atte am 16. Oktober 1989 bereits d​ie Zeitschrift Der Spiegel i​n der Schlagzeile „DDR – Die Wende“ a​uf ihrem Titel gebraucht, w​omit die Redaktion d​ie Volksproteste (Montagsdemonstrationen) a​ls Sieg g​egen die Staatsmacht d​er DDR auslegte.

Das n​eue Schlagwort w​urde mit Bezug a​uf Krenz i​n der breiten Öffentlichkeit a​uch kritisch aufgenommen. In i​hrer Rede a​uf der Großdemonstration a​m 4. November 1989 i​n Berlin verglich e​s die Schriftstellerin Christa Wolf ironisch m​it der Wende b​eim Segeln, w​o der Kapitän „Klar z​ur Wende“ ruft, w​eil der Wind s​ich gedreht h​at und d​ie Mannschaft s​ich duckt, w​eil der Segelbaum über d​as Boot fegt. Auf dieselbe Rede g​eht auch d​ie Popularität d​es Begriffs „Wendehals“ zurück. Er w​urde danach z​um Begriff für d​ie ehemaligen Anhänger d​es DDR-Systems, d​ie sich schnell d​er neuen Situation anpassten, u​m das Beste für s​ich herauszuholen.

Die deutsche Bundesregierung publizierte zum Jahrestag „20 Jahre Mauerfall“ einen Artikel mit dem Titel „Wende“? „Friedliche Revolution“? „Mauerfall“?.[159] Während der Begriff „Friedliche Revolution“ dort favorisiert wird, heißt es zur Wende: „Das neue Schlagwort ist kurz und griffig. […] Dennoch ist der Begriff ‚Wende‘ nicht überall willkommen. Viele betrachten ihn als sprachlichen Vereinnahmungsversuch.“

Der damalige Bürgerrechtler Rainer Eppelmann kritisiert d​ie heutige Verwendung d​er Bezeichnung Wende, w​eil sie suggeriere, d​ass der Umbruch tatsächlich „von oben“ d​urch den Wortschöpfer Krenz u​nd nicht „von unten“ d​urch eine Revolution zustande gekommen sei.[160] Er beklagt, d​ass der Terminus „Wende“ umgangssprachlich „längst z​um Synonym für d​ie friedliche Revolution u​nd die Wiedervereinigung Deutschlands geworden“ sei.[161] Der letzte u​nd einzige demokratisch gewählte DDR-Ministerpräsident Lothar d​e Maizière sagte: „Noch h​eute bin i​ch ärgerlich, d​ass die Zeit d​es Herbstes 1989 a​ls ‚Wende‘ bezeichnet w​ird und d​amit ein Begriff v​on Krenz aufgegriffen wird, s​tatt sie a​ls das z​u bezeichnen w​as sie wirklich war, nämlich d​ie Zeit e​iner friedlichen Revolution.“[162]

Das Wort „Wende“ w​ird inzwischen i​n der deutschen Sprache a​uch zur Bezeichnung d​es vergleichbaren Umbruchs i​n anderen Ländern d​es ehemaligen Ostblocks gebraucht, w​ie beispielsweise b​ei der Samtenen Revolution i​n der Tschechoslowakei. Insbesondere i​n Österreich w​ird dieser Umbruch a​ls Ostöffnung bezeichnet. Gelegentlich i​st der Begriff «Wende» a​uch als Fremdwort i​n anderen Sprachen, z​um Beispiel i​m Englischen für d​ie Vorgänge i​m Umfeld d​es Mauerfalls nachweisbar.

An d​en Begriff Wende knüpfen weitere Wortschöpfungen an, e​twa der Begriff Nachwendezeit, d​er die Zeit n​ach dem Fall d​er Berliner Mauer bezeichnet,[163] o​der der Begriff Nachwendegeneration, d​er die Generation d​er nach d​er Wende geborenen o​der hervortretenden Menschen kennzeichnet. Die Zeit d​er Umgestaltung d​es politischen, ökonomischen u​nd gesellschaftlichen Systems i​n der letzten Phase d​er DDR u​nd in d​en sogenannten „fünf n​euen Ländern“ d​er Berliner Republik i​n den 1990er Jahren w​ird als Zeit d​er postkommunistischen Systemtransformation bezeichnet.

Resultate und Aufarbeitung

Langfristige Auswirkungen d​er Geschehnisse v​on 1989/90 a​uf dem Gebiet d​er ehemaligen DDR werden i​m Kontext Ostdeutschland s​eit 1990 beschrieben. Zu d​en unmittelbaren Folgen v​on Wende u​nd friedlicher Revolution zählten u. a. d​ie Ablösung d​er SED-Diktatur d​urch einen i​n freien Wahlen konkurrierenden Pluralismus d​er Politikentwürfe u​nd Parteien, d​ie Auflösung d​es MfS u​nd die Herstellung v​on Freizügigkeit u​nd Reisefreiheit für d​ie DDR-Bevölkerung. Hinzu k​amen dann a​uch neue Konsumchancen d​urch die Einführung d​er D-Mark u​nd ein s​ich im Zuge d​er Vereinigung beider deutscher Staaten anbahnender Angleichungsprozess d​er Lebensverhältnisse. Als e​ine Art Wegscheide innerhalb d​es Gesamtgeschehens erscheint i​n manchen Darstellungen d​er 9. November 1989:

„Die Öffnung d​er Berliner Mauer a​m 9. November 1989 w​ar für d​ie DDR das, w​as der Sturm a​uf die Bastille a​m 14. Juli 1789 für d​as französische Ancien régime gewesen war: Der Schlag, v​on dem s​ich die bisherige Ordnung n​icht mehr erholen konnte. Die Mauer w​ar nicht minder a​ls die Bastille e​in Symbol d​er Unfreiheit. Als d​as Symbol fiel, w​ar das Ende d​er alten Herrschaft gekommen.“[164]

Während über d​ie Bedeutung d​er Schleifung v​on Mauer u​nd Grenzregime für d​as unwiderrufliche Ende d​er SED-Herrschaft weitgehend Übereinstimmung besteht, i​st die Bedeutung d​es 9. Novembers 1989 u​nd seiner unmittelbaren Folgen für d​en Fortgang d​es Umgestaltungsprozesses i​n der DDR n​icht unumstritten. Von e​iner „Wende i​n der Wende“ i​st in diesem Zusammenhang b​ei Stefan Bollinger d​ie Rede: „Eben n​och eine disziplinierte, w​enn auch unzufriedene u​nd demonstrierende Bevölkerungsmehrheit, n​un eine landesweit a​n und über d​ie Grenzen strömende Masse, d​ie ihr Hauptanliegen – ungehindertes Reisen – selbst i​n die Hand nahm.“[165] Damit standen d​ie DDR-Bürgerrechtler „vor d​em Scherbenhaufen i​hres Versuchs d​er sozialistischen Erneuerung“, urteilt Bollinger u​nd zitiert Konrad Weiß: „Ich denke, d​er Umbruch, d​ie Revolution, w​enn Sie s​o wollen, i​st von d​en Warenbergen, d​ie die darauf unvorbereiteten DDR-Bürger z​u Gesicht bekommen haben, erdrückt worden.“[166] Für Bollinger ergibt s​ich das Gesamtbild e​iner abgebrochenen Revolution, d​a die DDR-eigenen Alternativen u​nd Führungskräfte n​un gegenüber d​en von d​er Bundesrepublik ausgehenden Impulsen u​nd Weichenstellungen i​ns Hintertreffen geraten seien.[167]

Eine „Wende i​n der Wende“ s​ieht bei anderer Akzentuierung a​uch Winkler m​it dem Mauerfall verbunden. Die friedliche Revolution s​ei nun u​nter dem Demonstranten-Motto „Deutschland, e​inig Vaterland!“ i​n eine neue, d​ie nationaldemokratische Phase eingetreten.[168] Eher für d​as Bild e​iner kontinuierlich-ganzheitlichen Entwicklung s​teht demgegenüber Wolfgang Schullers Resümee i​n seiner Darstellung „Die deutsche Revolution 1989“: „eine eigenständige Revolution, a​n der d​as ganze Volk einschließlich d​er Durchschnittsbürger wirksam teilhatte, d​ie nach vierzig Jahren Isolation e​ine fremdbestimmte ideologische Parteidiktatur m​it ihrer a​lle Gesellschaftsbereiche durchdringenden Geheimpolizei o​hne Gewaltanwendung z​um Einsturz brachte; e​ine Revolution, d​ie über Monate andauerte, d​ie mit Massendemonstrationen begann u​nd auch endete, s​ich aber allmählich politische Organisationsformen g​ab und s​ich dennoch für d​ie parlamentarische Demokratie entschied.“[169]

Die „Liquidation d​er DDR“ a​ls Folge d​es Wahlergebnisses v​om 18. März 1990 entsprach d​em Willen d​er Massen, m​erkt Winkler an, n​icht dem d​er intellektuellen Bürgerrechtler a​ls Initiatoren d​er friedlichen Revolution.[170] Auch m​it der s​ich bis 2005 erstreckenden gerichtlichen Behandlung v​on DDR-Unrecht s​ind die DDR-Oppositionellen d​er ersten Stunde z. T. n​icht einverstanden. „Nur wenige h​ohe Funktionäre d​er DDR wurden z​u Freiheitsstrafen verurteilt. Für d​ie meisten Angehörigen d​er Nomenklatura w​ar die Entfernung a​us dem Amt d​ie schärfste Sanktion.“[171] Zwar stellte d​er Bundesgerichtshof i​m Hinblick a​uf den Schießbefehl z. B. fest, sowohl d​ie Mauerschützen a​ls auch d​ie Politbüromitglieder hätten s​ich strafbar gemacht; zumeist wurden a​ber nur Bewährungsstrafen verhängt. Dadurch konnte d​er Eindruck entstehen, d​as Unrecht s​ei überwiegend n​ur noch beurkundet, a​ber nicht geahndet worden.[172]

Als nachhaltige Erfolge i​hres Kampfes g​egen das SED-Regime bleiben d​en Protagonisten d​er friedlichen Revolution i​n der DDR d​ie umfänglichen Bemühungen z​ur Aufarbeitung d​er SED-Diktatur. Hierzu wurden d​urch den Deutschen Bundestag 1992 u​nd 1995 z​wei Enquete-Kommissionen eingesetzt: „Aufarbeitung v​on Geschichte u​nd Folgen d​er SED-Diktatur“ u​nd „Überwindung d​er Folgen d​er SED-Diktatur i​m Prozess d​er deutschen Einheit“. Mit d​em Stasi-Unterlagen-Gesetz 1991 k​am es z​ur Öffnung d​er Akten d​es MfS, sodass seither sowohl persönliche Einsichtnahme a​ls auch wissenschaftliche u​nd publizistische Auswertung möglich sind. Die 1998 d​urch Bundestagsbeschluss gegründete Bundesstiftung z​ur Aufarbeitung d​er SED-Diktatur fördert zahlreiche wissenschaftliche Projekte u​nd betreut z​udem Opfer d​er Diktatur.

Siehe auch

Literatur

Allgemein

  • Thomas Rudolph, Oliver Kloss, Rainer Müller, Christoph Wonneberger (Hrsg. im Auftrage des IFM-Archivs e. V.): Weg in den Aufstand. Chronik zu Opposition und Widerstand in der DDR vom August 1987 bis zum Dezember 1989. Bd. 1, Leipzig, Araki, 2014, ISBN 978-3-941848-17-7, (Vorwort als Leseprobe).
  • Aus Politik und Zeitgeschichte 11/2010: DDR 1990 (PDF; 2,1 MB).
  • Alexander von Plato: Die Vereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel: Bush, Kohl, Gorbatschow und die geheimen Moskauer Protokolle. 2002.
  • Hannes Bahrmann, Christoph Links: Chronik der Wende. Die Ereignisse in der DDR zwischen 7. Oktober 1989 und 18. März 1990. Ch. Links, Berlin 1999, ISBN 3-86153-187-9.
  • Klaus-Dietmar Henke (Hrsg.): Revolution und Vereinigung 1989/90. Als in Deutschland die Realität die Phantasie überholte. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009.
  • Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR. C.H. Beck Verlag, München 2009, ISBN 978-3-406-58357-5.
  • Christoph Links, Sybille Nitsche, Antje Taffelt: Das wunderbare Jahr der Anarchie. Von der Kraft zivilen Ungehorsams 1989/90. Ch. Links, Berlin 2004, ISBN 3-86153-333-2.
  • Charles S. Maier: Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus. S. Fischer 1999, ISBN 3-10-046108-8.
  • Gerhardt Maier: Die Wende in der DDR. Reihe „Kontrovers“ der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1991.
  • Lothar de Maizière: „Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen“: Meine Geschichte der deutschen Einheit. Verlag Herder, Freiburg u. a. 2010, ISBN 978-3-451-30355-5.
  • Ehrhart Neubert: Unsere Revolution. Die Geschichte der Jahre 1989/90. Piper-Verlag, München–Zürich 2008, ISBN 978-3-492-05155-2.
  • Gerhard Rein: Die protestantische Revolution 1987–1990. Ein deutsches Lesebuch. Wichern-Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-88981-046-2.
  • Gerhard Rein (Hrsg.): Die Opposition in der DDR: Entwürfe für einen anderen Sozialismus. Wichern, Berlin 1989, ISBN 3-88981-044-6.
  • Andreas Rödder: Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung. München 2009, ISBN 978-3-406-56281-5.
  • Jens Schöne: Die friedliche Revolution. Berlin 1989/90. Der Weg zur deutschen Einheit. Berlin Story, Berlin 2008, ISBN 978-3-929829-97-6.
  • Dirk Schröter: Deutschland einig Vaterland. Wende und Wiedervereinigung im Spiegel der zeitgenössischen deutschen Literatur. Ed. Kirchhof & Franke, Leipzig–Berlin 2003, ISBN 3-933816-19-X.
  • Andreas Schmidt-Schweizer: Die Öffnung der ungarischen Westgrenze für die DDR-Bürger im Sommer 1989. Vorgeschichte, Hintergründe und Schlußfolgerungen. In: Südosteuropa-Mitteilungen. 37, 1997, 1, S. 33–53.
  • Wolfgang Schuller: Die deutsche Revolution 1989. Rowohlt, Berlin 2009, ISBN 978-3-87134-573-9.
  • Walter Süß: Staatssicherheit am Ende. Warum es den Mächtigen nicht gelang, 1989 eine Revolution zu verhindern. Ch. Links, Berlin 1999, ISBN 3-86153-181-X.
  • Karsten Timmer: Vom Aufbruch zum Umbruch – die Bürgerbewegung in der DDR 1989. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-35925-X.
  • Clemens Vollnhals: Jahre des Umbruchs. Friedliche Revolution in der DDR und Transition in Ostmitteleuropa (= Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung. Band 43). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-36919-7.
  • Zwanzig Jahre Friedliche Revolution. Themenheft der Zeitschrift Geschichte für heute (Ausgabe 2/2009).

Regional

  • Silvia Kabus, Reinhard Bernhof: Umfeldblätter. Reprint einer illegalen Kleinzeitschrift, erschienen im Samisdat 1988/89, Leipzig 2009, ISBN 978-3-86660-082-9.
  • Reinhard Bernhof, Silke Brohm: Im Schatten der Kolossalfiguren. Basisdokumente zur Friedlichen Revolution 1989 in Leipzig, Leipzig 2009, ISBN 978-3-86660-081-2
  • Christian Dietrich, Martin Jander: Die Ausweitung zum Massenprotest in Sachsen und Thüringen. In: Eberhardt Kuhrt u. a. (Hrsg.): Opposition in der DDR von den 70er Jahren bis zum Zusammenbruch der SED-Herrschaft (Band 3 der Reihe: Am Ende des realen Sozialismus, hrsgg. im Auftrag des Bundesministers des Innern). Opladen 1999, S. 737 ff.
  • Martin Jankowski: Der Tag, der Deutschland veränderte – 9. Oktober 1989. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2007, ISBN 978-3-374-02506-0.
  • Thomas Küttler, Jean Curt Röder (Hrsg.): Die Wende in Plauen. Vogtländischer Heimatverlag Neupert, Plauen 1991, ISBN 3-929039-15-X.
  • Detlef Pollack, Wolf-Jürgen Grabner, Christiane Heinze (Hrsg.): Leipzig im Oktober. Kirchen und alternative Gruppen im Umbruch der DDR – Analysen zur Wende. Mit einem Vorwort von Friedrich Magirius. Berlin: Wichern, 1990. 2. Auflage. 1994, ISBN 3-88981-050-0.
  • Alfred W. Radeloff: Die friedliche Revolution in Dessau. Manuela Kinzel Verlag, Dessau 1999, ISBN 3-934071-00-7.
  • Rolf Schwanitz, Curt Röder (Hrsg.): Zivilcourage. Die friedliche Revolution in Plauen anhand von Stasi-Akten sowie Rückblicke auf die Ereignisse im Herbst 1989. Vogtländischer Heimatverlag Neupert, Plauen 1998, ISBN 3-929039-65-6.
  • Friedliche Revolution 1989/90 in Sachsen. Sonderkarte 1:400 000. (Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Nr. D–V 3), mit einem Beiheft von Hartmut Zwahr, Uwe Schwabe, Michael Richter und Tobias Hollitzer, Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen und Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Dresden/ Leipzig 2009, ISBN 978-3-89679-599-1.
  • Michael Heinz: „Der Kampf um die Hirne und Herzen der Menschen tobt …“. Friedliche Revolution und demokratischer Übergang in den Kreisen Bad Doberan und Rostock-Land. Ostsee Druck Rostock, Rostock 2009.
  • Sebastian Stude: Die Friedliche Revolution 1989/90 in Halle/Saale. Ereignisse, Akteure und Hintergründe. Internationaler Verlag der Wissenschaften Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2009, ISBN 978-3-631-58706-5.
  • Christoph Wunnicke: Der Bezirk Neubrandenburg im Jahr 1989. 2010, ISBN 978-3-933255-32-7.
  • Stephan Diller/Christoph Wunnicke (Hrsg.): Prenzlau und die Friedliche Revolution – eine Stadt im Umbruch: 1985–1995, Begleitschrift zur Ausstellung im Kulturhistorischen Museum, Dominikanerkloster Prenzlau, Prenzlau 2011.
  • Herbst 1989 in der DDR-Provinz. Fallbeispiele: Pritzwalk, Halberstadt und Gotha, mit Beiträgen von: Alexander Amberger, Renate Hürtgen, Sebastian Stude, Matthias Wenzel; Helle Panke e. V. (Hrsg.), Reihe „hefte zur ddr-geschichte“, Heft 137, Berlin 2015
  • Thomas Balzer, Siv Stippekohl, Siegfried Wittenburg: Atlas des Aufbruchs: Geschichten aus 25 Jahren Mecklenburg-Vorpommern (Buch und DVD). Ch. Links Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-86153-847-9.
  • Roland Mey: Der Schießbefehl am 9. Oktober 1989 (6. Auflage 2014): Roland Mey: Free Download, Borrow, and Streaming: Internet Archive

Tonträger

  • Auf der Kippe: Originaltöne zur Wende 1989/90. 1998, DeutschlandRadio, 2 Tonkassetten; andere Ausgabe: 2 CDs; Nachauflage 2001, im Bestand der ZLB
  • Walter Roller: Die Mauer fällt: Die Wende in Deutschland vom Januar 1989 bis zum 3. Oktober 1990, 1999, Deutsches Historisches Museum, im Bestand der ZLB
  • Götterdämmerung im Zentralkomitee. Tonprotokolle aus den letzten Sitzungen des ZK der SED Oktober bis Dezember 1989, Hg. DeutschlandRadio: Michael Roth, 1997.

VHS/DVD

  • Die DDR zwischen Wende und Wahl, 2 VHS-Kassetten, zus. 65 Min., erschienen: FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, Grünwald, ca. 1993, im Bestand der ZLB
  • Chronik der Wende, sechs Folgen: 7.–18. Oktober 1989, 19.–31. Oktober, 1.–12. November, 13.–24. November, 25. November–6. Dezember, 7.–18. Dezember; Produktion: ORB, erschienen: EuroVideo, im Bestand der ZLB
  • Aufbruch – Ein Volk stürzt seine Staatsmacht, SFB 1990. Von Rainer K.G. Ott, Ralf-J. Egert u. a., Dokumentation der Ereignisse rund um den Mauerfall.
  • Deutsch-deutsche Geschichte: Jugend in Ost und West. Hg. v. FWU/Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Grünwald 2008.
  • Zeitenwende 1989/90: Von der friedlichen Revolution zur Deutschen Einheit. Hg. v. FWU/Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Grünwald 2008.
  • Opposition in der DDR – Biografien des Aufbegehrens. Hg. v. FWU/Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Grünwald 2009.
  • „Fürchtet euch nicht“ – Christen in der DDR. Hg. v. FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, Grünwald 2009.
Commons: Die Wende – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zur Rolle der Sicherheitsorgane, insbesondere der NVA vgl. Horst Klein: Die Nationale Volksarmee der DDR in der friedlichen Revolution im Herbst 1989. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Heft III/2009.
  2. Charles S. Maier 1999, S. 172 ff. „Bolschewismus, hatte Lenin gesagt, sei Sowjetmacht plus Elektrifizierung. Stalinismus, so könnten wir heute sagen, waren Stahlwerke plus Geheimpolizei. […] 1970 war die große Ära der Stahlproduktion und ihre Nachkriegsexpansion vorüber. […] Die Länder des RGW jedoch machten sich erst Mitte der achtziger Jahre daran, ihre Industrien neu zu strukturieren.“ (Charles S. Maier 1999, S. 173/176)
  3. Charles S. Maier 1999, S. 184.
  4. Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 260.
  5. In seinen Erinnerungen schreibt Gorbatschow: „Die Perestroika begann von oben, und anders konnte es unter den Bedingungen des Totalitarismus auch nicht sein. Doch lehrten die Erfahrungen der Vergangenheit: Wenn die Impulse zu Reformen von den Massen nicht aufgenommen werden, sind sie zum Scheitern verurteilt. Es galt also, die Gesellschaft möglichst rasch aus der Lethargie, der Gleichgültigkeit herauszuführen und in den Prozeß der Veränderungen einzubeziehen.“ (Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 271)
  6. Als der von Gorbatschow im Dezember 1986 aus dem Verbannungsort Gorki nach Moskau zurückgeholte Physiker und Dissident Andrei Sacharow auf dem Kongress der Volksdeputierten 1989 die Abschaffung der führenden Rolle der Partei forderte, wurde ihm das Mikrofon abgestellt. (Kowalczuk 2009, S. 33; anders dagegen die Darstellung dieses Vorgangs durch Gorbatschow in seinen Erinnerungen. Berlin 1995, S. 433–436)
  7. Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 325 f./390 f.; Rödder 1989, S. 16 f.
  8. Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 845.
  9. Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 839.
  10. Edgar Wolfrum: Die Mauer. Geschichte einer Teilung. München 2009, S. 124.
  11. Egon Krenz: Herbst ’89. Berlin 1999, S. 195 f.
  12. Edgar Wolfrum: Die Mauer. Geschichte einer Teilung. München 2009, S. 127 f.
  13. Rödder 2009, S. 55 f.
  14. Eine eingehende Darstellung aus persönlicher und mitverantwortlicher Sicht findet sich bei Manfred Stolpe: Schwieriger Aufbruch. Berlin 1992, S. 87–170.
  15. Kowalczuk 2009, S. 236.
  16. Charles S. Maier 1999, S. 280.
  17. Kowalczuk 2009, S. 308. Im Kapitel „Opposition im SED-Staat“ gibt Kowalsky einen ausführlichen Überblick über die Aktivitäten von Regimekritikern (ebda, S. 332–311).
  18. Kowalczuk 2009, S. 67 f.
  19. Charles S. Maier 1999, S. 24.
  20. Kowalczuk 2009, S. 68.
  21. Bericht des Zentralkomitees an den VIII. Parteitag der SED, Berlin 1971, S. 31 f.; zit. n. Alfred Kosing: Theoretische Probleme der Entwicklung der sozialistischen Nation in der DDR. Berlin 1975, S. 6.
  22. Werner Schulz: „Was lange gärt wird Wut“ – Der Vorlauf der DDR Opposition zur friedlichen Revolution. In: Eckart Conze, Katharina Gajdukowa und Sigrid Koch-Baumgarten: Die demokratische Revolution 1989 in der DDR. Böhlau Verlag, Köln Weimar Wien 2009, ISBN 978-3-412-20462-4, S. 115.
  23. Alfred Kosing: Theoretische Probleme der Entwicklung der sozialistischen Nation in der DDR. Berlin 1975, S. 21, 47.
  24. Alfred Kosing: Innenansichten als Zeitzeugnisse. Philosophie und Politik in der DDR. Erinnerungen und Reflexionen. Berlin 2008, S. 346 f.
  25. Neubert 2008, S. 29. Dazu überliefert Neubert den damals kursierenden Witz: „Sag mal ein anderes Wort für saure Gurke. – Banane in den Farben der DDR.“
  26. Rödder 2009, S. 21.
  27. Charles S. Maier 1999, S. 347; Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 701.
  28. Alexander von Plato: Die Vereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel: Bush, Kohl, Gorbatschow und die geheimen Moskauer Protokolle, 2002.
  29. Kowalczuk 2009, S. 85.
  30. Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 932.
  31. Zit. n. Kowalczuk 2009, S. 12 f.
  32. Verbotsanlass war nach Rödder ein Bericht über das Geheime Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt (Rödder 2009, S. 64). Von Honecker heißt es, er habe sich über das „Gequake wild gewordener Spießer, die die Geschichte der KPdSU und der Sowjetunion umschreiben“ wollten, erregt. (Neubert 2008, S. 32)
  33. Kowalczuk 2009, S. 74 ff.
  34. Eva Kolinsky: Women in 20th-century Germany, (deutsch), Manchester University Press, New York 1995, ISBN 0-7190-4654-8, S. 18, teilweise einsehbar bei Google-Books
  35. Zit. n. Rödder 2009, S. 21.
  36. Charles S. Maier 1999, S. 119.
  37. Neubert 2008, S. 62. Zur Gesamtproblematik: Charles S. Maier 1999, S. 138–187; Kowalczuk 2009, S. 109–127.
  38. Charles S. Maier 1999, S. 210.
  39. Kowalczuk 2009, S. 126 f.
  40. Kowalczuk 2009, S. 137 f.
  41. Charles S. Maier 1999, S. 26.
  42. Das MfS nannte die ersten Textentwürfe „den aktuellsten komplexen Forderungskatalog hinsichtlich gesellschaftspolitischer Veränderungen in der DDR“. (Christof Ziemer: Der Konziliare Prozess in den Farben der DDR. Expertise für die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland, zitiert in: Heino Falcke: Wo bleibt die Freiheit? Christ sein in Zeiten der Wende. Kreuz-Verlag, Freiburg 2009, ISBN 978-3-7831-3408-7, S. 94)
  43. Kowalczuk 2009, S. 319.
  44. Kowalczuk 2009, S. 324: „Mitte April 1989 verfügte die zentrale Wahlkommission bereits über Zahlen, wonach 82.560 Männer und Frauen angekündigt hatten, nicht an den Wahlen teilzunehmen.“
  45. Die erfolgreiche Kandidatur von Matthias Klipp stellt laut MDR eine Ausnahme von dieser Regel dar.
  46. Kowalczuk 2009, S. 326 f.
  47. Rödder 2009, S. 66.
  48. Kowalczuk 2009, S. 184.
  49. Kowalczuk 2009, S. 188.
  50. Rödder 2009, S. 73.
  51. Kowalczuk 2009, S. 346.
  52. Kowalczuk 2009, S. 350.
  53. Charles S. Maier 1999, S. 213 f.
  54. Kowalczuk 2009, S. 378.
  55. 3. Oktober 1989 – Die DDR schließt faktisch ihre Grenzen, indem sie den visafreien Reiseverkehr in die CSSR „aussetzt“…; „Auf Grund der Berichte, die der DDR zur Verfügung stehen, bereiten bestimmte Kreise in der BRD weitere Provokationen zum 40. Jahrestag der DDR vor, die gegen Ruhe und Ordnung gerichtet sind.“ Quelle: Neues Deutschland, 4. Oktober 1989, chronik-der-mauer.de (von Bundeszentrale für politische Bildung, Deutschlandradio und Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung), abgerufen am 5. Oktober 2019.
  56. Reinhard Höppner: Wunder muss man ausprobieren. Der Weg zur deutschen Einheit. Berlin 2009, S. 52 f.
  57. Charles S. Maier 1999, S. 229.
  58. Einzelheiten zur Gründungsphase bei Jens Reich: Die Zeit ist reif. 9. September 1989: Dreißig mutige DDR-Bürger gründen das „Neue Forum“. Sie ahnen nicht, welche Lawine sie damit lostreten. In: Die Zeit Nr. 29, 9. Juli 2009, S. 17.
  59. Kowalczuk 2009, S. 362; das begrenzt ambitionierte Auftreten des Neuen Forums bestätigend: Rödder 1989, S. 67 f.
  60. Neubert 2008, S. 90, der einen weitere Neugründungen einschließenden Überblick gibt (ebda, S. 70–91)
  61. Reinhard Höppner: Wunder muss man ausprobieren. Der Weg zur deutschen Einheit. Berlin 2009, S. 56 f.
  62. Neubert 2008, S. 62.
  63. Kowalczuk 2009, S. 337 f.; Schuller 2009, S. 48.
  64. Kowalczuk 2009, S. 339.
  65. Speziell zur Leipziger Montagsdemonstration: Roland Mey, Der Schießbefehl am 9. Oktober 1989. Onlineshop-Angebot. Inhaltsangabe, Osiris Online-Verlag, 2011.
  66. Neubert 2008, S. 122.
  67. Neubert 2008, S. 123.
  68. Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 934.
  69. Kowalczuk 2009, S. 391 f.
  70. Schöne 2008, S. 12.
  71. Schuller 2009, S. 108.
  72. Zit. n. Kowalczuk 2009, S. 396 f.
  73. Schuller 2009, S. 112; Kowalczuk 2009, S. 398.
  74. Neubert 2008, S. 114.
  75. Rödder 2009, S. 88.
  76. Martin Jankowski: Der Tag, der Deutschland veränderte – 9. Oktober 1989. Essay. Schriftenreihe des Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen Nr. 7, Leipzig Evangelische Verlagsanstalt, 2007, ISBN 978-3-374-02506-0, S. 85.
  77. Arbeitskreis Gerechtigkeit Leipzig/ Arbeitsgruppe Menschenrechte/ Arbeitsgruppe Umweltschutz: Appell des organisierten Widerstandes zur Gewaltlosigkeit am 9. Oktober 1989, Digitalisate des IFM-Archives, abgerufen am 9. Oktober 2009.
  78. Krenz nimmt für sich in Anspruch, im Vorfeld den Ablauf in Leipzig dahingehend geklärt zu haben, dass es nicht zu einem gewalttätigen Eingreifen kommen konnte, wenn nicht die Sicherheitskräfte selbst angegriffen wurden. (Egon Krenz: Herbst ’89. Berlin 1999, S. 90 f.)
  79. Neubert 2008, S. 136 f.; Schuller 2009, S. 122; Krenz selbst erwähnt diesen Kontakt in seiner Schilderung des 9. Oktobers 1989 gar nicht; er habe seinen Sicherheitsoffizier in Sichtweite von Honeckers Konferenzzimmer postiert, wo der gerade ausländische Staatsgäste empfing: „Er soll mir sofort mitteilen, wenn die Gäste Honecker verlassen, denn ich muß ihn als erster über die Lage informieren. Honecker ist Generalsekretär der SED und Oberbefehlshaber unserer bewaffneten Kräfte. Niemand soll ihn falsch informieren können. Es muß einheitliches Handeln gewährleistet sein. Alles andere wäre in dieser Situation gefährlich.“ (Egon Krenz: Herbst ’89. Berlin 1999, S. 92)
  80. Einen Überblick über die Vielzahl der auch im Norden und Westen der DDR zunehmenden Aktivitäten gibt Schuller 2009, S. 133–177. Noch vor dem Mauerfall erschienen erste unabhängige Zeitungen wie beispielsweise in der Stadt Weimar das „Weimarer Wochenblatt“ (erste Ausgabe am 8. November 1989). (Axel Stefek: November 1989. Das Weimarer Wochenblatt. In: Axel Stefek: Weimar unangepasst. Widerständiges Verhalten 1950–1989. Stadtmuseum, Weimar 2014, S. 167–172.)
  81. Allgemein kritisch zu den Massenschätzungen: Kowalczuk 2009, S. 371 f.; für die Kundgebung auf dem „Alex“ am 4. November 1989 hält Kowalczuk mehr als 200.000 Teilnehmer für sehr unwahrscheinlich (ebenda, S. 452)
  82. Für eine Chronologie der Demonstration und Selbsteinschätzung der Protagonisten siehe: „Aufbruch im November“ (DT, 2014, 45 Minuten), Dokumentarfilm von Gabriele Denecke für RBB und MDR. Erstausstrahlung 4. November 2014.
  83. Edgar Wolfrum: Die Mauer. Geschichte einer Teilung. München 2009, S. 134; Reinhard Höppner: Wunder muss man ausprobieren. Der Weg zur deutschen Einheit. Berlin 2009, S. 69.
  84. Kowalczuk 2009, S. 337; Schuller 2009, S. 89 ff.
  85. Andreas Malycha: Die SED in der Ära Honecker. Machtstrukturen, Entscheidungsmechanismen und Konfliktfelder in der Staatspartei 1971 bis 1989. De Gruyter/Oldenbourg, Berlin 2014, ISBN 978-3-486-74709-6, S. 392–396 (abgerufen über De Gruyter Online).
  86. Egon Krenz: Herbst ’89. Berlin 1999, S. 120.
  87. Zitat nach Kowalczuk 2009, S. 427; Krenz selbst zitiert nur den ersten Halbsatz (vgl. Krenz 2009, S. 120). Auf der ZK-Tagung der SED am 8. November 1989 hielt Modrow dagegen: „Die Wende ist von der Straße ausgegangen, und wir dürfen das Leninsche Prinzip nicht vergessen, daß eine Partei, die ihre Fehler nicht erkennt und anerkennt, die Kraft zur Führung verliert.“ Hans Modrow: Ich wollte ein neues Deutschland. Berlin 1998, S. 319.
  88. Egon Krenz: Herbst ’89. Berlin 1999, S. 133.
  89. Neubert 2008, S. 161.
  90. Kowalczuk 2009, S. 432 f.
  91. Neubert 2008, S. 211.
  92. Noch am selben Tag wurde laut Wolfgang Berghofer auf Initiative Modrows unter Spitzenfunktionären darüber beraten, „die Schuld für die diktatorischen Verbrechen der SED auf die Stasi abzuwälzen“. In: Die Welt, 17. April 2007: Die Dolchstoßlegende der SED, Interview mit Manfred Wilke.
  93. Matthias Platzeck: Zukunft braucht Herkunft. Deutsche Fragen, ostdeutsche Antworten. Hamburg 2009, S. 45.
  94. Charles S. Maier 1999, S. 261 ff.; Kowalczuk 2009, S. 456 ff.; Schuller 2009, S. 187 ff.; Egon Krenz: Herbst ’89. Berlin 1999, S. 241 ff; Günter Schabowski verkündet in einer Pressekonferenz Reisefreiheit für die DDR-Bürger.
  95. Die das Geschehen vorantreibende Rolle von Moderation und Berichterstattung in den ARD-Tagesthemen des 9. November 1989 betont Hans-Hermann Hertle: „Jene Fernsehzuschauer und Rundfunkhörer, die den historischen Moment nicht verpassen und eigentlich nur mal ‚gucken‘ und dabei sein wollten und deshalb an die Grenzübergänge und das Brandenburger Tor eilten, führten im Grunde das Ereignis erst herbei, das sonst gar nicht stattgefunden hätte. Eine von den Medien verbreitete Fiktion mobilisierte die Massen und wurde dadurch zur Realität.“ (In: Der Tagesspiegel, 8. November 2009, S. 4)
  96. "Der schönste Irrtum der Geschichte"/ZDF-Dokumentation über den Fall der Berliner Mauer. Abgerufen am 5. August 2021.
  97. Reinhard Höppner: Wunder muss man ausprobieren. Der Weg zur deutschen Einheit. Berlin 2009, S. 75 ff.
  98. Helmut Kohl: Erinnerungen 1982–1990. München 2005, S. 889 f. Zu den Ergebnissen von Gorbatschows Besuch am Rhein notierte dessen außenpolitischer Chefberater Tschernajew: „Auch in der DDR wurde oben und unten verstanden, daß in der sowjetischen Deutschlandpolitik jetzt die Bundesrepublik Priorität haben würde. Sie würde auch die wichtigste Partnerin beim Aufbau eines neuen Europas werden.“ Zitiert nach Charles S. Maier 1999, S. 348 f.
  99. Aufruf vom 26. November 1989 ‚Für unser Land‘ – vollständiger Text mit den Erstunterzeichnern
  100. Rödder 2009, S. 129 f.
  101. Egon Krenz: Herbst ’89. Berlin 1999, S. 265; Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991, S. 27.
  102. Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991, S. 41.
  103. Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991, S. 43 f.
  104. Helmut Kohl: Erinnerungen 1982–1990. München 2005, S. 990 ff.; Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991, S. 49 ff. „Der Bundeskanzler schätzte, fünf bis zehn Jahre werde es dauern, die Einheit zu verwirklichen. Wir waren uns einig: Selbst wenn die Einheit erst am Ende dieses Jahrhunderts erreicht sein sollte, wäre das ein Glücksfall der Geschichte.“ Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991, S. 52.
  105. Rödder 2009, S. 171 ff.; Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 712 ff.
  106. Neubert 2008, S. 315.
  107. Rödder 2009, S. 161.
  108. Rödder 2009, S. 150.
  109. Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991, S. 47/60
  110. Neubert 2008, S. 312 f.; Helmut Kohl: Erinnerungen 1982–1990. München 2005, S. 1025.
  111. Jan C. L. König: Über die Wirkungsmacht der Rede. Strategien politischer Eloquenz in Literatur und Alltag. Göttingen 2011, S. 245–256.
  112. Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991, S. 140.
  113. Hans Modrow: Ich wollte ein neues Deutschland. Berlin 1998, S. 349.
  114. Zit. n. Neubert 2008, S. 250.
  115. Rödder 2009, S. 180 f.
  116. „Das konnte man in der DDR nur im Raum der Kirche lernen. Die evangelische Kirche war die einzige Organisation, die noch von Grund auf demokratisch organisiert war.“ Reinhard Höppner: Wunder muss man ausprobieren. Der Weg zur deutschen Einheit. Berlin 2009, S. 102.
  117. Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 714.
  118. Karl-Heinz Arnold: Hans Modrow. Die ersten hundert Tage. Dietz Verlag, Berlin 1990, S. 77 f.
  119. Erklärung der Vereinigten Linken vom 2. Februar 1990
  120. Matthias Platzeck: Zukunft braucht Herkunft. Deutsche Fragen, ostdeutsche Antworten. Hamburg 2009, S. 56.
  121. Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991, S. 145. Rödder 2009, S. 190 f.: „Kohl ließ Modrow am ausgestreckten Arm verhungern.“
  122. Matthias Platzeck: Zukunft braucht Herkunft. Deutsche Fragen, ostdeutsche Antworten. Hamburg 2009, S. 59; vgl. Hans Modrow: Ich wollte ein neues Deutschland. Berlin 1998, S. 420 f.
  123. Hans Modrow: Ich wollte ein neues Deutschland. Berlin 1998, S. 426 f.
  124. Neubert 2008, S. 333 f.
  125. Kowalczuk 2009, S. 524; Platzeck schreibt: „Trotz allem, was uns trennt und unterscheidet, achte ich Hans Modrow bis heute. In den schwierigen Monaten des Umbruchs tat er alles, um die Situation nicht eskalieren zu lassen und Blutvergießen zu verhindern.“ Matthias Platzeck: Zukunft braucht Herkunft. Deutsche Fragen, ostdeutsche Antworten. Hamburg 2009, S. 50.
  126. Kowalczuk 2009, S. 498.
  127. Rödder 2009, S. 182 f.; Hans Modrow: Ich wollte ein neues Deutschland. Berlin 1998, S. 324.
  128. Neubert 2008, S. 317 f.; Kowalczuk 2009, S. 511.
  129. Neubert 2008, S. 320 ff.; Kowalczuk 2009, S. 512 f.; Hans Modrow: Ich wollte ein neues Deutschland. Berlin 1998, S. 407 f.
  130. Rödder 2009, S. 187: „Sie stellte eine Kombination des hohen Niveaus bundesdeutscher Sozialleistungen und sozialer Mitbestimmungsrechte mit der sozialen Sicherheit der DDR dar – offen blieb allein die Frage der Finanzierung.“
  131. Ein im April 1990 vorgelegter Gesamtentwurf wurde in der nach den Märzwahlen neu zusammengesetzten Volkskammer mit 179 zu 167 Stimmen abgelehnt. (Matthias Platzeck: Zukunft braucht Herkunft. Deutsche Fragen, ostdeutsche Antworten. Hamburg 2009, S. 66 f.)
  132. Rödder 2009, S. 188 f.
  133. Neubert 2008, S. 332.
  134. Neubert 2008, S. 345 ff.; Rödder 2009, S. 216 ff.
  135. Zit. n. Neubert 2008, S. 235 f.
  136. Reinhard Höppner: Wunder muss man ausprobieren. Der Weg zur deutschen Einheit. Berlin 2009, S. 79 f.
  137. Zit. n. Rödder 2009, S. 193.
  138. Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991, S. 103.
  139. Rödder 2009, S. 208/210.
  140. Kowalczuk 2009, S. 527.
  141. Neubert 2008, S. 364.
  142. Rödder 2009, S. 225.
  143. Charles S. Maier 1999, S. 29.
  144. Martin Sabrow: Wem gehört „1989“? In ders. (Hrsg.): Bewältigte Diktaturvergangenheit? 20 Jahre DDR-Aufarbeitung. Akademische Verlagsanstalt, Leipzig 2010, S. 17 und 19.
  145. „Am Anfang war Gorbatschow.“ So beginnt Rödder seine „Tour d’horizon 1989: Ost und West am Vorabend der Epochenwende“. Rödder 2009, S. 15.
  146. Timothy Garton Ash: Ein Jahrhundert wird abgewählt. Aus den Zentren Mitteleuropas 1980–1990. München/Wien 1990, S. 401 ff.
  147. Rödder 2009, S. 12.
  148. Eckhard Jesse: Einleitung. In: ders. (Hrsg.): Friedliche Revolution und deutsche Einheit. Sächsische Bürgerrechtler ziehen Bilanz. Berlin 2006, S. 281.
  149. Kowalczuk 2009, S. 536f.
  150. Kowalczuk 2009, S. 540.
  151. Rödder 2009, S. 117.
  152. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage. München 2002, S. 513.
  153. Ralf Dahrendorf: Müssen Revolutionen scheitern? In: Wiederbeginn der Geschichte. Vom Fall der Mauer bis zum Krieg im Irak. Reden und Aufsätze. München 2004, S. 23; zit. n. Neubert 2008, S. 16.
  154. Neubert 2008, S. 17.
  155. Eckhard Jesse. In: ders. (Hrsg.): Friedliche Revolution und deutsche Einheit. Sächsische Bürgerrechtler ziehen Bilanz. Berlin 2006, S. 7, 282.
  156. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage. München 2002, S. 561.
  157. Böhlener Plattform
  158. Auszüge aus Krenz’ Fernsehansprache. Deutsches Rundfunkarchiv; abgerufen am 21. Juni 2009.
  159. „Wende“? „Friedliche Revolution“? „Mauerfall“? (Memento vom 23. Juni 2013 im Internet Archive), Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vom 19. Oktober 2009. Zuletzt wird darin zum Mauerfall geschrieben: „Der Begriff stimmt, wenn man ihn so übersetzt: Die Menschen in der DDR haben die Mauer mit ihrer Friedlichen Revolution zu Fall gebracht.“
  160. Vgl. Rainer Eppelmann/Robert Grünbaum: Sind wir die Fans von Egon Krenz? Die Revolution war keine „Wende“. In: Deutschland Archiv 5/2004, S. 864–869 (online).
  161. Hier kommt der Prozess der Wiedervereinigung hinzu, der in Politik- und Geschichtswissenschaft als ein nachrevolutionärer Transformationsprozess bezeichnet wird, beispielsweise in Geschichte für heute. Zeitschrift für historisch-politische Bildung. Jg. 2 (2009), Heft 2: „Zwanzig Jahre Friedliche Revolution“. Bei dieser Sichtweise wird er mit der Friedlichen Revolution zur Wende zusammengefügt: Wendezeit = Friedliche Revolution + Transformation (bis zum 3. Oktober 1990).
  162. Lothar de Maizière: „Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen“: Meine Geschichte der deutschen Einheit. Freiburg 2010, S. 52.
  163. Artikel im Portal Duden online, abgerufen am 18. Dezember 2011.
  164. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage. München 2002, S. 517.
  165. Stefan Bollinger: 1989 – eine abgebrochene Revolution. Verbaute Wege nicht nur zu einer besseren DDR? Berlin 1999, S. 105, 233.
  166. Zit. n. Stefan Bollinger: 1989 – eine abgebrochene Revolution. Verbaute Wege nicht nur zu einer besseren DDR? Berlin 1999, S. 240.
  167. Stefan Bollinger: 1989 – eine abgebrochene Revolution. Verbaute Wege nicht nur zu einer besseren DDR? Berlin 1999, S. 311.
  168. „Der 9. November wurde zu dem, was Hartmut Zwahr als ‚die Wende in der Wende‘ und als Übergang zu einer neuen Phase der ‚friedlichen Revolution‘, nämlich der ‚nationaldemokratischen Revolution‘, bezeichnet hat.“ (Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage. München 2002, S. 520)
  169. Schuller 2009, S. 307.
  170. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage. München 2002, S. 560.
  171. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage. München 2002, S. 618.
  172. Edgar Wolfrum: Die Mauer. Geschichte einer Teilung. München 2009, S. 152.
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