Weltmacht
Weltmacht, im Unterschied zum umfassenderen Begriff Großmacht, bezeichnet einen Staat, der auf weltpolitischer Ebene wesentlichen Einfluss ausübt. Im Unterschied zum Weltreich setzt der Begriff daher das Vorhandensein einer globalen politischen Ebene voraus und ist somit für die Zeit vor dem Zeitalter der Entdeckungen nicht angemessen.[1]
Geschichte des Begriffs
Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat der politische Stellenwert staatlicher Macht eine inhaltliche Veränderung erfahren. Die Lehre von den Großen Mächten löste sich aus der europäisch geprägten Bedeutung von Großmacht. Die europäischen Mächte (Pentarchie der Großmächte) entwickelten sich auch unter dem Einfluss des Imperialismus von dem bisherigen politischen Ziel einer Stabilisierung europäischer Machtverhältnisse zu einer widerstreitenden und teilweise gegeneinander gerichteten Weltpolitik. Damit wurde Großmacht nicht mehr nur über den Begriff Landmacht, sondern auch unter Berücksichtigung von Seemacht definiert. Bestimmend für diesen Prozess waren das sich weiterentwickelnde Nationalbewusstsein der Mächte und die entstehenden ökonomischen Zwänge der industriellen Revolution. Es kam zu einer Synthese der Begriffe Großmacht und dem schon seit 1820 im Brockhaus Band 10 benannten Begriff Weltmacht. Die Begriffe Weltmacht und Großmacht waren identisch geworden. Es entstand ein Weltstaatensystem. Die Entwicklung von einem europäisch konzentrierten zu einem weltpolitisch geprägten Politikansatz führte im Imperialismus und Kolonialismus zu einer globalen Machtpolitik.
Entwicklung des Weltmächtesystems
Ein System der Weltmächte entstand im Zeitalter des Imperialismus, als einige Großmächte, insbesondere Russland, das Osmanische Reich, die Vereinigten Staaten und das Deutsche Reich versuchten, die Vormachtstellung Großbritanniens und Frankreichs zu erreichen oder gar zu übertreffen. Dem französischen Kaiserreich war es bereits unter Napoleon Bonaparte gelungen, Großbritanniens Machtstellung zu erreichen. Der Erste Weltkrieg und noch mehr der Zweite Weltkrieg lassen sich in diesem Sinne als Kampf um eine Weltmachtstellung interpretieren.[2]
Im Zweiten Weltkrieg strebten Japan, das Deutsche Reich und Italien eine Weltmachtposition an. Das Ergebnis des Krieges war dann, dass die USA und die Sowjetunion Weltmachtstatus gewannen. Ihre gegenüber den Weltmächten des imperialistischen Zeitalters noch herausgehobenere Position als Führungsmächte von Ost- und Westblock fand in der Wortprägung Supermacht ihren Ausdruck. Nach dem Zerfall der Sowjetunion blieben die USA als einzige Weltmacht zurück. Für diese neue Machtstellung hat der ehemalige französische Außenminister Hubert Védrine den Begriff Hypermacht geprägt.
Verwendung der Bezeichnung
Zum einen bezeichnet Weltmacht eine etablierte Macht, die die bestehende Ordnung aufrechterhält, wie es zunächst Spanien und danach Frankreich oder Großbritannien zur Zeit der kolonialen Imperien, die USA und die Sowjetunion zur Zeit des Ost-West-Konflikts waren und die USA als einzige Weltordnungsmacht seit 1991 sind. Zum anderen spricht man vom Aufstieg zur Weltmacht, wenn eine Großmacht versucht, in den Kreis der Weltmächte vorzustoßen, wie es im Zeitalter des Imperialismus das wilhelminische Deutsche Reich tat und gegenwärtig China zu unternehmen bereit ist.[3]
Siehe auch
Literatur
- Peter Fibiger Bang u. a. (Hrsg.): The Oxford World History of Empire. 2 Bände. Oxford University Press, Oxford 2021.
- Vjaceslav I. Dasicev: Moskaus Griff nach der Weltmacht. Die bitteren Früchte hegemonialer Politik. Mittler, Hamburg u. a. 2002, ISBN 3-8132-0798-6.
- Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschlands 1914/1918. 1. Auflage (Droste) 1961. 3. überarb. Aufl. 1964. Gekürzte Aufl. 1967. 3. Aufl. 1971. Nachdruck der gekürzten Auflage (Droste 1994 und 2009) ISBN 3-7700-0902-9.
- Christian Hacke: Zur Weltmacht verdammt. Die amerikanische Außenpolitik von J. F. Kennedy bis G. W. Bush. 2. Auflage, Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 2003.
- Xuewu Gu, Hanns W. Maull: Die prekäre Weltmacht. Grundzüge der Außenpolitik Chinas im 21. Jahrhundert. Nomos, Baden-Baden 2005.
- Ulrich Menzel: Die Ordnung der Welt. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015, ISBN 9783518423721.
- Herfried Münkler: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Rowohlt, Berlin 2005, ISBN 3-87134-509-1.
- Emmanuel Todd: Weltmacht USA: Ein Nachruf. Piper, München/Zürich 2003, ISBN 3-492-04535-9.
- Immanuel Wallerstein: Absturz oder Sinkflug des Adlers? Der Niedergang der amerikanischen Macht. VSA, Hamburg 2004, ISBN 3-89965-057-3.
Weblinks
- Thorsten Benner, Jan Martin Witte: Brücken im globalen System. Neues Leitbild für internationale Organisationen (PDF; 116 kB). In: Internationale Politik. 56. Jahrgang, Nr. 5, 2001, S. 1–8.
- Heinz Brill: Strategische Allianzen in der internationalen Politik. In: Österreichische Militärische Zeitschrift. Nr. 5, 2002.
- Andreas Bummel: Weltordnungsdiskurs in der Krise. Nationalstaatliche Souveränität als anachronistisches Paradigma. In: Blickpunkt Zukunft. 23. Jahrgang, Nr. 40, 2003.
- Wolfgang H. Reinicke, Thorsten Benner: Politik im globalen Netz. Globale Politiknetzwerke und die Herausforderung offener Systeme (PDF; 32 kB). In: Internationale Politik. 54. Jahrgang, Nr. 8, 1999, S. 25–32.
- Grafiken: Vergleich EU – USA – China, aus: Zahlen und Fakten: Europa, Bundeszentrale für politische Bildung/bpb
Anmerkungen
- Auch wenn er seit Ende des 19. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebrauch nicht selten auch für frühere Epochen verwendet wird, z. B. von Hans von Zwiedineck-Südenhorst in Venedig als Weltmacht und Weltstadt, Bielefeld 1899/1906.
- Vgl. Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschlands 1914/1918 (siehe Literaturverzeichnis) und die sich daran anschließende Diskussion.
- In der öffentlichen Meinung werden freilich auch Mächte, die man früher eher zu den Großmächten gezählt hätte, als Weltmacht bezeichnet, z. B. Brasilien (vgl. Die neue Weltmacht wackelt in: Spiegel online vom 30. Oktober 2010).