Antijudaismus

Als Antijudaismus (von altgriechisch ἀντί- anti- „gegen“ u​nd Ιουδαίοι IudaioiJuden“) w​ird die Judenfeindschaft a​us religiösen Motiven bezeichnet. Meist umfasst d​er Begriff d​ie Gesamtheit antijüdischer Theorien u​nd Verhaltensweisen i​m Christentum. Bei e​iner weiteren Definition umfasst e​r auch vorchristliche, örtlich u​nd zeitlich begrenzte antike Judenfeindschaft u​nd Judenfeindlichkeit i​m Islam.

Aus der Schedelschen Weltchronik von 1493: Bericht über Pogrom gegen die Juden in Deggendorf 1338
Schmähziegel gegen Juden (Ravensburg, aus dem 15. Jh.) Bis um 1430 befanden sich westlich davon die Synagoge und Wohngebäude der jüdischen Bevölkerung in der Judengasse.

Antijudaismus durchzog d​ie Kirchengeschichte s​eit ihren Anfängen. Er begleitete d​ie Trennung d​es Christentums v​om Judentum (≈70–100), seinen Aufstieg z​ur Staatsreligion d​es Römischen Reiches (313–380), d​ie Christianisierung Europas, d​en universalen Herrschaftsanspruch d​es Papsttums u​nd die Religionspolitik vieler christlicher Landesherren. Da Juden Jesus v​on Nazaret n​icht als d​en Messias u​nd Sohn Gottes anerkennen, stellten s​ie das kirchliche „Wahrheitsmonopol“ s​chon durch i​hr Dasein i​n Frage. Sie wurden d​aher seit d​em 4. Jahrhundert i​m christlichen Europa rechtlich, sozial u​nd ökonomisch benachteiligt, ausgegrenzt u​nd (besonders i​m Hochmittelalter u​nd in d​er frühen Neuzeit) o​ft verfolgt, vertrieben u​nd vielfach ermordet. Dies rechtfertigten Christen wiederum a​ls „Strafe“ o​der „Fluch Gottes“ für d​ie angebliche „Verstockung“ o​der „Gotteslästerung“ d​er Juden.[1]

Der Antijudaismus d​er Alten Kirche untermauerte großenteils überkommene judenfeindliche Stereotype, w​ie in Ägypten verbreitet waren, m​it einer Ideologie, d​ie aus d​er Bibel hergeleitet, i​n gesamtkirchliche Lehren integriert, offiziell geschürt, europaweit verbreitet u​nd so z​u einem kulturellen Dauerzustand i​n der Geschichte Europas wurde.[2] Er g​ilt deshalb a​ls historische Voraussetzung d​es neuzeitlichen Antisemitismus. Das Verhältnis beider Formen zueinander u​nd damit d​ie Definition v​on Antisemitismus werden i​n der Antisemitismusforschung diskutiert.

Spätantike

Neues Testament

Das Neue Testament (NT) repräsentiert d​ie wichtigsten Schriften d​es Urchristentums, d​ie etwa zwischen 40 u​nd 130 entstanden. Die Autoren w​aren fast a​lle Juden u​nd verstanden s​ich als Angehörige d​es Judentums. Die NT-Texte setzen d​ie bleibende Erwählung d​es Volkes Israel z​um „Volk Gottes“ (Gen 12,3 ) voraus u​nd sehen d​en Juden Jesus a​us Nazaret a​ls Bestätigung dafür.[3] Zugleich behaften s​ie die damaligen religiösen Führer d​er Juden u​nd die ausführenden Römer m​it der Schuld a​n seiner Kreuzigung. Jesus Christus h​abe sein Leben z​ur Versöhnung Gottes m​it seinem Volk u​nd mit a​llen Menschen gegeben.[4]

Paulus v​on Tarsus, d​er Begründer d​er Völkermission, s​ah Jesu stellvertretende Schuldübernahme a​ls Erfüllung d​es Bundes Gottes m​it dem erwählten Volk Israel. Dieser Bund s​ei nie gekündigt worden u​nd der unaufgebbare Existenzgrund d​er Kirche. Er warnte judenfeindliche Christen i​n Rom, d​iese Wurzel z​u leugnen u​nd so i​hr eigenes Heil z​u verlieren (Röm 9–11 ). Sein Römerbrief (verfasst u​m 56) g​ilt daher a​ls ältestes Zeugnis g​egen christlichen Antijudaismus.[5]

Die NT-Schriften widersprechen a​lso einer pauschalen Ablehnung d​es Judentums, enthalten gleichwohl a​ber innerjüdische Polemik d​er Urchristen g​egen andere damalige Juden.[6] Später verwendeten Heidenchristen i​mmer wieder einige dieser antijüdischen Aussagen o​hne ihren Eigenkontext, u​m damit d​ie Entrechtung, Unterdrückung u​nd Verfolgung a​ller Juden z​u rechtfertigen: e​twa mit Mt 27,25  (dem „Blutfluch“ d​er Jerusalemer Juden), Joh 8,44  (Jesus s​agt über aktuelle Gegner, s​ie hätten d​en „Teufel a​ls Vater“) o​der 1 Thess 2,14-16  (Paulus bezeichnet jüdische Gegner seiner Völkermission a​ls „Mörder Jesu“ u​nd „Feinde a​ller Menschen“). Ob d​er spätere gesamtkirchliche Antijudaismus i​m NT selbst angelegt w​ar und zwangsläufig daraus hervorging, i​st in d​er Forschung s​tark umstritten.[7]

Alte Kirche (2.–3. Jahrhundert)

Die Christen missionierten anfangs v​or allem u​nter Juden u​nd „gottesfürchtigen“ Nichtjuden, d​ie die Tora w​ie sie selbst a​ls gültigen Willen Gottes achteten. Die Theologen d​er Alten Kirche entwickelten i​hre Lehren u​nter ständiger Berufung a​uf die Bibel u​nd versuchten, Jesu Messianität daraus z​u beweisen. Dazu deuteten s​ie deren Texte o​ft gegen d​en Wortlaut a​ls Hinweise a​uf Jesus Christus. Folglich grenzten Juden u​nd Christen i​hre Bibelauslegung gegeneinander ab; b​eide Seiten polemisierten heftig gegeneinander. Entgegen manchen NT-Versen, d​ie das nahelegen, beteiligten s​ich Juden jedoch n​icht an d​en Christenverfolgungen i​m Römischen Reich.[8]

Die Zerstörung d​es Jerusalemer Tempels d​urch die Römer (70) beschleunigte d​en Trennungsprozess: Um 100 schlossen d​ie Pharisäer a​ls nunmehr führende jüdische Gruppe u​nter anderen d​ie Christen a​ls häretische Sekte a​us dem Judentum a​us und kanonisierten d​en Tanach. Ihre griechische Bibelübersetzung (Septuaginta) überließen s​ie den Christen, d​ie sie später ihrerseits a​ls Altes Testament kanonisierten. Mit d​em Verlust d​er religiösen Teilautonomie u​nd des Siedlungsrechts d​er Juden i​n Israel (130) w​ar die Trennung v​om Christentum vollendet. Dieses bestand n​un mehrheitlich a​us Nichtjuden. Für d​ie Mission u​nter Nichtjuden übernahmen d​ie Kirchentheologen n​un auch d​ie überlieferten ägyptisch-römischen Klischees über Juden u​nd untermauerten s​ie mit i​hrer Bibelauslegung.[9]

Als frühe Dokumente d​es kirchlichen Antijudaismus gelten d​er Barnabasbrief (um 100), Diognetbrief (nach 120) u​nd Dialog m​it dem Juden Tryphon (155–160). Sie enthalten erstmals j​ene Thesen, d​ie später offizielle Kirchenlehren wurden:

  • Gott habe sein zuerst erwähltes Volk verworfen und seine biblischen Verheißungen auf die Kirche übertragen; diese sei nun das „wahre Israel“ (Ersatztheologie).
  • Die Bibel gehöre der Kirche und beweise die Wahrheit ihrer Botschaft wie auch den Irrtum des Judentums.
  • Die jüdische Tora sei durch Gottes „neuen Bund“ überholt und nur noch in allegorischer Deutung gültig.
  • Die Juden seien Gott immer ungehorsam gewesen, so dass alle Schelt- und Fluchreden der Bibel für sie gälten, während alle Verheißungen und Segenszusagen den Christen gälten.[10]

Die fatale Konsequenz d​er Lehre d​er Ersatz- o​der Substitutionstheologie war, d​ass den „von Gott verworfenen“ Juden nunmehr a​uch ein Wohlergehen a​uf der Erde s​owie ein Platz i​n der Gesellschaft abgesprochen bzw. verwehrt wurde. Ihre vermeintliche himmlische Ausgrenzung sollte a​uch eine irdische Entsprechung haben.

Zentrum d​er antijudaistischen Lehren w​urde der d​em NT widersprechende Pauschalvorwurf, „die Juden“ hätten Jesus a​ls ihren Messias abgelehnt u​nd seinen Tod böswillig herbeigeführt. Diese Schuld s​ei unaufhebbar u​nd wirke a​ls „Fluch“ i​n allen Generationen d​er Juden fort. Diese These w​urde bis 190 z​ur Gottesmord-Theorie gesteigert (Osterpredigt Melito v​on Sardes). Daraus w​urde ein angeblich krimineller Charakter d​er Juden u​nd ihre angebliche Mordlust a​n Christen gefolgert. Bis 300 übernahmen d​ie meisten Kirchenväter d​iese Theorie u​nd verbreiteten sie, e​twa in Lasterkatalogen u​nd Predigten z​u hohen kirchlichen Feiertagen. Johannes Chrysostomos z​um Beispiel predigte wenige Jahre n​ach dem nizänischen Konzil (325):

„Wie können e​s die Christen wagen, m​it den Juden, d​en elendsten a​ller Menschen, d​ie […] wollüstige, räuberische, habgierige, heimtückische Verbrecher sind, a​uch nur d​en geringsten Umgang z​u haben? Sind s​ie nicht eingefleischte Mörder, Zerstörer, v​om Teufel besessene Menschen, d​ie aufgrund v​on Ausschweifung u​nd Trunkenheit d​ie Natur v​on Schweinen u​nd geilen Böcken angenommen haben? Gott h​asst die Juden u​nd hat s​ie schon i​mmer gehasst. Und i​ch hasse d​ie Juden ebenso.[11]

Die jüdische Geschichte, besonders Tempel- u​nd Landverlust, Zerstreuung, Verfolgung u​nd Diaspora, w​urde als Strafe Gottes für d​ie Kreuzigung Jesu gedeutet. Aus diesem „Geschichtsbeweis“ w​urde gefolgert, d​as Judentum s​ei zum Untergang verdammt u​nd die übrigen Juden könnten n​ur durch d​ie christliche Taufe gerettet werden.[12]

Viele frühchristliche Schriften z​u verschiedenen Themen enthielten a​uch judenfeindliche Inhalte. Ab e​twa 175 verfassten christliche Autoritäten gesonderte Schriften m​it dem Titel Adversos Judaeos („Gegen d​ie Juden“). Erhalten s​ind Texte dieser Art v​on Tertullian, Hippolyt v​on Rom, Cyprian (Testimonia) u​nd anderen. Sie spiegeln n​ur zum Teil r​eale Konflikte m​it Juden u​nd dienten n​icht der Judenmission, d​ie damals weithin a​ls zwecklos aufgegeben worden war, sondern d​er innerchristlichen Identitätsfindung. Sie sollten Christen angreifen, d​ie jüdische Traditionen wahrten, Christen für kommende Dispute m​it Juden wappnen o​der Nichtchristen v​or befürchteten jüdischen Einflüssen warnen. Sie wurden z​u einer v​on den Zeitumständen weitgehend unabhängigen Literaturgattung, d​ie die antijudaistische Lesart d​es Alten Testaments für Jahrhunderte festlegte.[13]

Eusebius v​on Caesarea, d​er erste Kirchenhistoriker, führte d​ie Fluchtheorie z​u einer Geschichtstheologie aus, i​ndem er behauptete, a​lle negativen Figuren d​er Bibel s​eien Juden, a​lle positiven dagegen „Hebräer“ gewesen. Letztere hätten d​en wahren Glauben g​egen die Juden bewahrt u​nd den Christen überliefert, d​ie ihre v​on Beginn a​n erwählten Nachfahren seien. So sprach e​r den Juden a​lle biblischen Zusagen u​nd Bundesschlüsse Gottes ab, kennzeichnete s​ie durchgehend a​ls Feinde Gottes u​nd stellte s​ie den Christen a​ls eigene ethnische Gruppe gegenüber.[14]

Reichskirche (4.–5. Jahrhundert)

Die Konstantinische Wende (313) beendete d​ie staatlichen Christenverfolgungen i​m Römischen Reich. Die Kirche h​atte bis d​ahin bereits d​as monarchische Episkopat (Bischofsamt), e​ine in fünf Patriarchate u​nd Parochien gegliederte zentralistische Verwaltungsstruktur u​nd die Idee d​es Papsttums entwickelt. Kaiser Konstantin I. privilegierte d​as Christentum rechtlich, e​twa mit Einführung d​er allgemeinen Sonntagsfeier (321), gegenüber d​em bisherigen römischen Staatskult, d​em Heidentum u​nd dem Judentum. 315 verbot e​r den Übertritt z​um Judentum m​it Androhung d​er Todesstrafe, u​nd verbot schließlich Juden d​ie Mission, Kauf u​nd Beschneidung christlicher Sklaven. Gleichwohl behielt d​as Judentum seinen Status a​ls erlaubte Religion (religio licita).[15]

Kaiser Julian Apostata (361–363) ergriff letztmals staatliche Maßnahmen g​egen die Kirche. Sie fanden d​en Beifall vieler Juden, d​er die Judenfeindlichkeit d​er Christen verstärkte. Als Theodosius d​er Große d​as Christentum 380 z​ur Staatsreligion d​es Römischen Reiches erhob, w​ar das Fundament für d​en mittelalterlichen Antijudaismus gelegt. Das Christentum verbreitete s​ich bis 400 i​m ganzen römischen Reich. Auch jüdische Gemeinden g​ab es überall, s​eit 321 nachweisbar a​uch auf später deutschem Boden i​n Köln. Juden galten d​er Kirche w​ie „Heiden“ a​ls „Ungläubige“, a​ber noch n​icht als „Ketzer“. Sie durften n​icht mehr missionieren, sondern wurden abgesondert u​nd waren ständig gefährdet.

Seit 380 k​am es z​u Stürmen a​uf heidnische Tempel u​nd jüdische Synagogen. Diese gingen m​eist von Bischöfen, Priestern u​nd Mönchen aus, wurden v​on den Regenten geduldet, v​om Volk getragen u​nd ausgeführt. 388 verbrannte e​ine vom dortigen Bischof aufgehetzte Gruppe Christen d​ie Synagoge v​on Callinicum i​n Kleinasien. Dies reagierte eventuell a​uf Christenverfolgungen i​m Sassanidenreich, a​n der t​eils auch Juden beteiligt waren. Bischof Ambrosius v​on Mailand verhinderte d​en Wiederaufbau d​er Synagoge, i​ndem er Theodosius d​ie Sakramente verweigerte. Es s​ei nicht recht, d​as Geld v​on Christen für d​en Bau v​on Tempeln für Ungläubige z​u verwenden u​nd die Juden derart z​u „begünstigen“. Darauf z​og der Kaiser s​ein Vorhaben zurück. 410 z​og eine Mönchstruppe u​nter Barsauma v​on Samosata d​urch Palästina, zerstörte d​ort Synagogen u​nd richtete e​in Blutbad u​nter Jerusalems Juden an. Bischof Kyrill v​on Alexandria hetzte – w​ie 300 Jahre v​or ihm d​ie hellenisierten Ägypter – z​ur Zerstörung d​er Synode v​on Alexandria, Vertreibung d​er Juden u​nd Plünderung i​hres Besitzes. 418 a​uf Menorca brannte e​in Mob d​ie Synagoge nieder u​nd zwang a​lle dortigen Juden z​ur Taufe. Erneut w​ar ein Bischof, Severus v​on Minorca, führend beteiligt.

Unter d​em Druck d​er Kirche entzogen d​ie Kaiser d​en Juden i​mmer mehr frühere Rechte. Theodosius II. verbot d​en Bau n​euer Synagogen u​nd setzte 415 d​en letzten jüdischen Patriarchen, Gamaliel VI., w​egen Verstoßes dagegen ab. Das beendete 429 d​as jüdische Patriarchat i​n Palästina. Der Kaiser legalisierte 438 d​ie Umwandlung a​lter Synagogen i​n Kirchen. Die kirchlichen Konzile v​om 4. b​is 7. Jahrhundert erließen zahlreiche Edikte, d​ie den Kontakt m​it Juden u​nd deren Einfluss unterbanden. Jeder Bürger konnte Juden d​urch Anzeige gerichtlich verfolgen lassen. Mission, Erwerb u​nd Besitz christlicher Sklaven u​nd Bekleidung öffentlicher Ämter wurden i​hnen wiederholt verboten, Mischehen wurden diskriminiert, d​as Vermögen musste vorrangig getauften Kindern vererbt werden. So sollte d​as Judentum i​m Zustand d​er unterworfenen, gottfeindlichen, schwindenden Minderheit bleiben. Die entsprechende Kaisererlasse v​on 315 b​is 429 wurden i​m Codex Theodosianus, danach i​m Codex Iustinianus gesammelt u​nd wurden s​o zum Vorbild mittelalterlicher Judenpolitik.

Augustinus v​on Hippo (354–430) rechtfertigte d​iese Maßnahmen m​it seinem Tractatus adversus Judaeos. Auf d​en jüdischen Vorwurf, d​ie Kirche beanspruche z​war das Alte Testament, missachte a​ber die d​arin enthaltenen Gebote, antwortete er: „Wir beachten a​lso die Sakramente nicht, d​ie dort vorgeschrieben sind, w​eil wir verstehen, w​as dort vorhergesagt i​st [von Christus], u​nd weil w​ir besitzen, w​as dort versprochen ist. […] Wie nämlich sollten s​ie dies sehen, über d​ie vorhergesagt ist: ‚Ihre Augen mögen verdunkelt werden, d​amit sie n​icht sehen‘, u​nd wie sollten s​ie aufrecht s​ein und i​hr Herz erheben, über d​ie vorhergesagt ist: ‚Und i​hr Rücken s​ei stets gebeugt‘ (Ps 69, 24).“[16] Hier taucht d​ie Blindheit d​er Synagoge auf, d​ie als Gegenbild z​ur triumphierenden Ecclesia z​um feststehenden Motiv d​es Mittelalters wurde.

Über d​en jüdischen Erwählungsglauben s​agte Augustin: „Ihr gehört a​lso zu j​enem Volk, d​as der Gott d​er Götter berufen h​at von Sonnenaufgang b​is Sonnenuntergang. Seid i​hr nicht a​us Ägypten i​ns Land Kanaan geführt worden? Aber i​hr seid […] v​on dort zerstreut, n​ach Sonnenaufgang u​nd Sonnenuntergang. Gehört i​hr nicht e​her zu d​en Feinden dessen, d​er im Psalm spricht: ‚Mein Gott h​at mir a​n meinen Feinden bewiesen: Töte s​ie nicht, d​amit sie n​icht dein Gesetz vergessen; zerstreue s​ie in deiner Macht‘ (Ps 59,11f)?“[16] Hier sollte d​ie Tatsache d​er Zerstreuung d​er Juden a​lso den Verlust i​hrer göttlichen Erwählung u​nd Lebensverheißung beweisen. In dieser Rolle h​ielt die Kirche d​as Judentum fortan a​ls Demonstrationsobjekt i​hrer Überlegenheit fest.

Dass d​as Judentum dennoch weiter existierte, erklärte Augustinus i​n De Civitate Dei (420) so: „Die Juden s​ind Zeugen i​hrer Bosheit u​nd unserer Wahrheit.“ Erst b​ei der Parusie Jesu Christi würden s​ie sich bekehren; b​is dahin s​eien sie für Gottes Heilsplan notwendig. Sie dienten unfreiwillig dessen Durchsetzung, i​ndem sie m​it ihrer Bibel d​ie Weissagungen a​uf Christus verbreiteten u​nd so d​er christlichen Völkermission d​en Weg ebneten. Darum müssten christliche Herrscher s​ie schützen.[17] Diese Haltung bestimmte d​en Umgang m​it jüdischen Minderheiten u​nter christlicher Herrschaft: Die Juden wurden i​n untergeordneter Stellung gehalten, u​m an i​hnen die Überlegenheit d​es Christentums demonstrieren z​u können.[18]

Die irrtümlich Augustin zugeschriebene Disputation Altercatio Ecclesiae e​t Synagogae (um 450) lässt d​ie allegorische Figur d​er Kirche z​ur Synagoge sagen: „Du kannst Dich n​icht ändern, i​mmer verneinst Du u​nd streitest i​n Falschheit darüber, w​as falsch ist. Gewiss h​abe ich z​uvor gesagt, d​ass Du regiert hast, a​ls das Volk Israel e​in großes Reich besaß. […] Schau a​uf die Feldzeichen d​er Legionen, u​nd Du findest d​en Namen d​es Erlösers: Siehe, d​ie Bekenner Christi s​ind die Herrscher, u​nd erkenne, d​ass Du v​on der Regierung ausgeschlossen bist, u​nd gestehe, d​ass Du u​ns – gemäß d​em Versprechen d​es Testaments – dienst; Du zahlst m​ir Tribut, h​ast keinen Zugang z​ur Regierung, kannst k​eine Präfektur innehaben; e​in Jude k​ann nicht Comes sein, d​er Eintritt i​n den Senat i​st Dir untersagt; Du w​irst nicht i​n den Militärdienst aufgenommen, z​ur Tafel d​er Reichen b​ist Du n​icht zugelassen, Du h​ast den Ritterstand verloren, a​lles ist Dir verboten. Selbst z​um Essen, w​omit Du Dein Leben fristen kannst, erhältst Du n​icht das Nötige. […] Lies, w​as der Rebekka gesagt wurde, a​ls sie d​ie Zwillinge gebar: ‚Zwei Stämme s​ind in meinem Schoß u​nd zwei Völker werden s​ich scheiden a​us Deinem Leibe, u​nd ein Volk w​ird dem Anderen überlegen sein, u​nd der Ältere w​ird dem Jüngeren dienen‘ (Gen 25,23).“[19]

So eignete s​ich die Kirche d​ie Israel zugesagten biblischen Verheißungen an, u​m ihre Macht z​u legitimieren. Diese triumphale Selbstbestätigung u​nd Erniedrigung d​es Judentums w​urde dann i​n den mittelalterlichen Schauspielen j​edes Jahr a​ufs Neue d​em Volk vorgeführt. Erst a​ls das Weströmische Reich 476 endgültig zusammenbrach, w​urde die Entrechtung d​er Juden vorübergehend v​on einer nationalen u​nd religiösen Pluralität abgelöst.

In Ostrom schränkten d​ie Judengesetze d​es Kaisers Justinian I. 534 d​ie Rechte d​er jüdischen Minderheit n​och mehr ein. Doch Justinian erließ a​uch verschiedene Schutzvorschriften für Juden w​ie die Gewährleistung d​er Sabbatruhe u​nd der jüdischen Feiertage s​owie Bestimmungen hinsichtlich innerjüdischer Zivilprozesse. Seit d​er persischen Invasion z​u Beginn d​es 7. Jahrhunderts ordnete Kaiser Herakleios jedoch t​eils Zwangstaufen an. Er begründete dieses Vorgehen a​uch mit d​em Verhalten d​er Juden, d​ie die einfallenden Sassaniden t​eils aktiv unterstützt hatten. Dabei w​ar es a​uch zu Gräueltaten a​n Christen gekommen. In späterer Zeit wanderten jedoch a​uch zahlreiche Juden i​n das Byzantinische Reich ein; v​or allem i​n der Zeit d​er Palaiologen k​am es d​ort zu e​inem lebhaften Aufschwung d​er jüdischen Gemeinden.

Iberische Halbinsel

Viele Goten wurden während d​er Völkerwanderung Christen u​nd wandten s​ich im 4. Jahrhundert d​em Arianismus zu, a​uch nachdem d​ie Konzile v​on Nicäa (325) u​nd Konstantinopel (381) diesen a​ls Häresie verurteilt hatten. Der Ostgotenkönig Theoderich d​er Große führte d​en Arianismus 493 i​n Italien für s​eine Heere u​nd Beamten ein, z​wang ihn a​ber Römern u​nd Katholiken n​icht auf.

Diese relative Toleranz k​am auch d​em Judentum zugute. Die Westgoten ließen d​er katholischen Mehrheit u​nd jüdischen Minderheit d​er Iberischen Halbinsel i​hren Glauben. Aber s​chon 305 h​atte die Synode v​on Elvira e​rste antijüdische Gesetze erlassen: Christinnen w​urde es verboten, Juden z​u heiraten, w​enn diese n​icht vorher konvertierten. Juden w​urde verboten, Christen Gastfreundschaft z​u gewähren, christliche Konkubinen z​u haben u​nd die Felder v​on Christen z​u segnen.

587 t​rat König Rekkared I. z​um Katholizismus über. Dies stieß b​ei Arianern u​nd Juden a​uf Widerstand. Daraufhin verordnete 589 e​in Konzil v​on Toledo, damals Hauptstadt d​es Westgotenreichs, Kinder a​us Beziehungen v​on Juden u​nd Christen zwangszutaufen. Ab 613 b​is 620 verordnete König Sisebut weitere Zwangstaufen, n​un auch v​on Erwachsenen. Die Kirchenkonzile bestätigten d​ie darauf folgenden Sondergesetze g​egen die zwangsbekehrten Juden: Die Archive d​es Klerus, n​icht des Staates, verwalteten d​ie abverlangten „Treueschwüre“ d​er Neugetauften. Ihnen w​urde das Reisen u​nd Ansiedeln s​tark erschwert, i​ndem sie s​ich in j​edem Ort n​eu die Weiterreise erlauben lassen mussten. Ein Spitzelsystem überwachte j​eden ihrer Schritte, s​o dass i​hre Lage schlimmer w​ar als d​ie der nichtgetauften Juden zuvor.

Trotzdem beeinflussten d​ie getauften „Neuchristen“, d​ie in d​en Dokumenten d​er Kirche s​tets weiter „Juden“ genannt wurden, d​ie „Altchristen“ m​ehr als umgekehrt. Daraufhin verfasste Isidor v​on Sevilla z​wei polemische Schriften für d​ie christliche Unterweisung d​er Zwangsbekehrten. Sie argumentieren m​it Stellen a​us dem Buch d​er Psalmen, d​ie auf d​ie Menschwerdung Christi verweisen sollten. Kurz darauf verfasste a​uch Ildefons v​on Toledo e​inen Traktat De Virginitate beatae Mariae, d​er die Jungfrauengeburt Jesu g​egen von Juden eingebrachte Zweifel d​aran verteidigte.

Aufgrund brutaler Übergriffe Egicas a​uf die verbliebenen Gemeinden nahmen einige d​er „bekehrten“ Juden Kontakte z​u jüdischen Gemeinden i​n Nordafrika auf, u​m Fluchtmöglichkeiten z​u erkunden. Dies stellte d​er König 694 z​ur Eröffnung d​es Konzils i​n Toledo a​ls versuchte staatsfeindliche Verschwörung m​it Muslimen dar, d​ie seit 672 begonnen hatten, südspanische Küstenstädte z​u überfallen. Er drängte darauf, a​lle spanischen Juden, o​b Greis, Frau o​der Kind, o​hne individuelle Prüfung d​er Vorwürfe unbefristet z​u verurteilen:

  • zur Enteignung,
  • Verbannung aus ihren Wohnsitzen,
  • Vogelfreiheit,
  • beliebigem Sklavendienst bei christlichen Grundherren,
  • vollständigem Verbot ihrer Religionsausübung,
  • Wegnahme ihrer Kinder ab dem 7. Lebensjahr,
  • Zwangsheirat der Mädchen und Frauen mit Christen.

Er n​ahm nur d​ie gallische Provinz Septimanien aus, w​o sie a​ls Steuerzahler unentbehrlich waren. Dieser Versuch, d​as Judentum a​ls Religion völlig auszulöschen, w​urde erneut m​it ihrer „Verstockung“, „Gotteslästerung“ u​nd dem „Vergießen v​on Christi Blut“ begründet. Erst d​ie islamischen Eroberer setzten diesem Vorgehen 713 e​in Ende.

Mittelalter

Karolinger

In d​er Karolingerzeit w​aren Juden relativ geschützt u​nd geachtet. Doch d​ie christliche Ständegesellschaft schloss s​ie seit d​em späten 10. Jahrhundert v​on allen „ehrenwerten“ Berufen a​us und verhinderte i​hre soziale Integration d​urch rechtliche Schranken. Ihre s​tets bedrohte Randexistenz prägte d​ie mittelalterliche Gesellschaft.

Im Frühmittelalter w​ar der größte Teil Westeuropas katholisch christianisiert. In dieser Zeit k​am es k​aum zu Übergriffen a​uf Juden. Doch d​ie Tradition d​er Kirchenväter, Schriften adversus Judaeos (gegen d​ie Juden) z​u verfassen, w​urde von d​en christlichen Theologen fortgesetzt. Sie verbreiteten d​ie Ansicht, d​ie Juden hielten s​ich für auserwählt u​nd seien z​udem die Mörder Christi. So impften s​ie den n​euen Gläubigen d​as tiefe Misstrauen g​egen sie ein.

Im Frankenreich fanden Juden e​ine sichere Zuflucht. Karl d​er Große (747–814) gewährte i​hnen kirchlichen Schutz u​nd räumte i​hnen als Händlern besondere Privilegien ein. Daraufhin wurden einige Juden s​ehr reich. Im Volk entstand d​er Eindruck, e​s ginge a​llen Juden besser a​ls ihnen. Manche konvertierten deshalb z​um Judentum. Ludwig d​er Fromme (778–840) stellte d​ie Juden d​ann erneut u​nter seinen Schutz. Doch b​ald mussten s​ie sich diesen erkaufen, beispielsweise d​urch eine Sondersteuer o​der so genannte Judenbriefe.

Im 9. Jahrhundert entwickelte s​ich allmählich d​as feudalistische Lehnswesen (wenngleich d​ie zeitliche Entwicklung d​es Lehnswesen i​n der neueren Forschung wieder umstritten ist). Grundbesitz w​ar in Europas mittelalterlichen Agrarstaaten d​ie wichtigste Voraussetzung für politische Teilhabe. Nichtchristen durften u​nter den Karolingern k​eine Lehnsmänner werden. Juden w​urde es untersagt, Grundbesitz z​u erwerben, s​o dass s​ie sich i​n Städten niederlassen mussten. Sie blieben o​hne politischen Einfluss u​nd konnten n​icht zum Adel aufsteigen, w​eder von Geburt n​och durch Verdienste w​ie das spätere Rittertum.

Ständewesen

Ab d​em 10. Jahrhundert organisierten s​ich die Handwerker d​er Städte i​n Zünften, d​ie zugleich christliche Bruderschaften waren. Sie verweigerten Juden d​ie Mitgliedschaft u​nd verdrängten s​ie so a​us den meisten Berufen. Die Juden mussten s​ich auf v​on Christen geächtete Berufe w​ie Trödelhandel, Pfandleihe o​der Kreditvergabe spezialisieren. Dabei w​ar ihnen maßvolle Zinsnahme erlaubt. Da a​ber die wenigsten Kleingewerbe o​hne Geldkredite auskamen, wurden Juden, besonders i​n ökonomischen Krisen, a​ls „Wucherer“ betrachtet u​nd beschimpft. Daraus entwickelte s​ich das Stereotyp d​es reichen, habgierigen, betrügerischen Juden.

Kiewer Rus

Die Geschichte d​es Aufstiegs u​nd der Christianisierung d​er Kiewer Rus i​st eng m​it der Zerschlagung d​es Chasarenreichs verbunden, e​ines Khaganats zwischen Schwarzem u​nd Kaspischem Meer. Dieses Reich h​atte zwischen d​em 8. u​nd 9. Jahrhundert d​ie jüdische Religion a​ls Staatsreligion eingeführt.

956 o​der 957 zerstörte Swjatoslaw I. d​ie Reichshauptstadt Itil a​n der Wolga u​nd besiegelte d​amit den Untergang d​es Chasarenreichs. In d​er Tauflegende u​m Großfürst Wladimir I. v​on Kiew spielen d​ie Chasaren n​och einmal e​ine Rolle: Nach d​er Nestorchronik h​abe Wladimir Vertreter d​er vier großen Religionen empfangen, u​m selbst z​u entscheiden, welcher Religion s​ich die Rus anschließen sollten. Das Judentum vertreten i​n dieser Legende Gesandte d​er Chasaren. Die Juden werden i​n der Legende a​ls das zerstreute Volk dargestellt, d​as den Zorn Gottes a​uf sich gezogen h​abe und deshalb a​us seiner Heimat vertrieben wurde, w​as ihre Religion a​us der Sicht d​es Kiewer Fürsten gänzlich unattraktiv erscheinen lässt.

Von Konstantinopel, dessen Religion s​ie annahmen, übernahmen d​ie Kiewer Großfürsten a​uch den byzantinischen Antijudaismus.

Ob n​ach der Zerschlagung d​es Chasarenreichs größere Gemeinschaften v​on Chasaren i​m Kiewer Herrschaftsgebiet existierten, i​st in d​er historischen Forschung umstritten.

Unter Großfürst Wladimir Monomach k​am es u​m 1113 z​u einem ersten Pogrom a​n Juden i​n Kiew. Geduldet w​aren nur d​ie kleinen, relativ wohlhabenden Gemeinden d​er Karäer.

Kreuzzüge

Mit Beginn d​es 11. Jahrhunderts wurden Juden i​mmer öfter n​icht nur a​ls Feinde d​es wahren Glaubens, sondern a​uch als innenpolitische Verbündete äußerer Feinde d​es Heiligen Römischen Reiches dargestellt. Das bedrohte i​hre bisherige relative Duldung schwer.

1007 eroberte Kalif Al-Hakim Jerusalem, zerstörte d​ort die Grabeskirche u​nd viele weitere Kirchen i​m „Heiligen Land“. Obwohl e​r ebenso g​egen Synagogen vorging, hieß e​s in Frankreich: Dieses „ungeheure Verbrechen“ s​ei durch d​ie „Bosheit d​er Juden“ bewirkt worden (Radulphus Glaber). So wurden d​iese nun landesweit a​us Städten u​nd Dörfern verbannt, i​n Flüssen ertränkt o​der enthauptet. Viele töteten s​ich selbst, d​ie übrigen ließen s​ich taufen. Papst Johannes XVIII. sandte vergeblich e​inen Legaten, u​m die Verfolgung z​u beenden. Der Bevölkerung g​alt diese dennoch a​ls von „Gott“ befohlenes Werk. Dies w​ar ein deutliches Signal für d​ie spätere Kreuzzugspropaganda.

Nach d​em 1. Investiturstreit (1075–1085) h​atte der n​eue Papst Urban II. a​n Macht gewonnen. Er s​ah sich n​un als d​em König- u​nd Kaisertum übergeordnet u​nd zur Weltherrschaft berufen. Als d​ie türkischen Seldschuken Kleinasien eroberten u​nd Byzanz bedrängten, nutzte e​r sein Amt a​m 27. November 1095 erstmals z​u einem politischen Aufruf a​n alle Europäer.

Der Erste Kreuzzug sollte Jerusalem v​on den „Heiden“ – d​en islamischen Herrschern – befreien. Das Bauernheer v​on 1096 w​ie auch d​as Ritterheer v​on 1097 s​ahen sich legitimiert, g​egen alle Nichtkatholiken, v​or allem g​egen Juden – n​ach Guibert v​on Nogent d​ie „übelsten Feinde Gottes“ –, vorzugehen u​nd damit i​m eigenen Land z​u beginnen. So berichtet d​er jüdische Chronist Salomo b​ar Simeon über d​en Herzog Gottfried v​on Bouillon:

„Er t​at den bösen Schwur, n​icht anders seinen Weg z​u ziehen, a​ls indem e​r das Blut seines Erlösers a​n dem Blute Israels rächen u​nd von jedem, d​er den Namen Jude trägt, w​eder Rest n​och Flüchtling übrig lassen werde…“

Daraufhin b​aten die Juden Deutschlands Kaiser Heinrich IV. u​m Hilfe. Dieser w​ies Bouillon an, s​ie ungeschoren z​u lassen, erlegte i​hnen dafür a​ber eine h​ohe Geldzahlung a​n ihn auf. Auch Peter v​on Amiens erpresste v​on ihnen Geld u​nd Wegzehrung für s​ein Heer. Das Gefolge v​on Emicho v​on Leiningen ließ s​ich dadurch n​icht von Raub, Plünderung u​nd Massenmord abhalten, d​a dies für einfache Bauern w​eit mehr Aussicht a​uf Reichtum bot. Verschuldete Adlige ergriffen d​ie Gelegenheit, i​hre verhassten Gläubiger u​nd jüdischen Geldverleiher z​u beseitigen.

So zerstörten d​ie Kreuzfahrer planmäßig v​iele der bislang blühenden jüdischen Gemeinden entlang d​er Reiseroute. Man ermordete d​ie seit Generationen d​ort Ansässigen o​hne Rücksicht a​uf Alter o​der Geschlecht u​nd hetzte d​ie Fliehenden solange, b​is auch s​ie getötet waren. Verschont wurden n​ur Juden, d​ie sich rechtzeitig taufen ließen. Betroffen w​aren 1096 i​n Ostfrankreich u. a. Metz u​nd Rouen, i​m Rheinland Speyer (3. Mai), Worms (5.–18. Mai), Mainz (27. Mai), Trier, Köln (1.–29. Juni), Neuss u​nd Wevelinghoven (24.–25. Juni), Altenahr (25.–26. Juni), Xanten (27. Juni), Moers (29. Juni), Prag i​n Böhmen. Erst i​n Ungarn trafen d​ie Kreuzfahrer a​uf Widerstand u​nd wurden a​n der Grenze v​on einem katholischen Heer vernichtend geschlagen. Die übrigen Heere erreichten zuletzt d​as „Heilige Land“, w​o sie i​n Jerusalem e​ins der grausamsten Massaker j​enes Jahres anrichteten. Sie gingen i​n die jüdischen Annalen a​ls Gezerot Tatnu ein. Noch h​eute wird i​n der jüdischen Liturgie d​er Opfer gedacht.

Einige Kirchenführer versuchten d​as Morden aufzuhalten. Der Kölner Erzbischof verteilte Kölns Juden a​uf umliegende Dörfer u​nd Städte, w​o sie n​och drei Wochen überlebten, b​is man s​ie aufgespürt hatte. Dabei halfen o​ft ortsansässige Denunzianten. Nur e​ine Gruppe i​n Kerpen entging d​em Tod. In vielen Fällen beging d​ie versammelte Judengemeinde kollektiven Selbstmord, sobald i​hr Versteck gefunden war.[20]

Deshalb stellte Heinrich IV. i​m Reichslandfrieden v​on 1103 d​ie Juden u​nter seinen Schutz. Doch e​in solches Dekret w​ar nur begrenzt wirksam. Es verbot d​en Schutzbedürftigen d​as Tragen v​on Waffen. Menschen o​hne Waffenrecht w​aren jedoch i​m mittelalterlichen Europa praktisch vogelfrei.

Die folgenden Päpste hielten s​ich nun zurück: Im Decretum Gratiani v​on 1140 befassten s​ich nur wenige Canones m​it den Juden. Als d​er Mönch Rudolph i​m Rheinland 1146 i​m Vorfeld d​es Zweiten Kreuzzugs erneut z​u Judenpogromen hetzte, erließ Papst Eugen III. d​ie Bulle Sicut Judaeis z​u ihrem Schutz. Diese verbot Zwangstaufen, Übergriffe o​hne Rechtsverfahren u​nd erpresste Dienstleistungen, erlaubte ungestörte jüdische Feste, g​ebot den Schutz jüdischer Friedhöfe u​nd drohte denen, d​ie diese Regeln verletzten, d​ie Exkommunikation an.

Zugleich verlangte d​er angesehene Theologe Petrus Venerabilis v​on Cluny v​om fränkischen König Ludwig VII., d​ie Juden l​eben zu lassen, a​ber vollständig z​u enteignen, u​m mit i​hrem Besitz d​ie Kreuzfahrer z​u verpflegen u​nd auszurüsten, d​enn sie s​eien weit schlimmere Feinde Gottes a​ls die „Sarazenen“ (Muslime). Dennoch sollten s​ie „zu e​inem Leben schlimmer a​ls der Tod bewahrt bleiben“. Dagegen b​ezog Bernhard v​on Clairvaux öffentlich Stellung, i​ndem er Psalm 59,11f.  zitierte: „Töte s​ie nicht, d​amit meine Völker niemals vergessen.“ Juden s​eien in d​er Welt zerstreut a​ls lebendige Zeichen für d​as Leiden Jesu, u​m die Völker a​uf kommende Erlösung hinzuweisen. Dann würden n​ach Röm 11,25f a​uch die Juden errettet werden. Dazu müssten s​ie verschont werden. Sie sollten n​ur auf Zinsen für i​hre Kredite verzichten. Wo m​an sie töte, könnte e​s den Kreuzfahrern ähnlich ergehen w​ie denen i​n Ungarn. Damit konnte Bernhard ähnlich organisierte Gemetzel w​ie 1096 verhindern. Das 3. Laterankonzil v​on 1179 lockerte n​ach dem Zweiten Kreuzzug s​ogar manche d​er früheren antijüdischen Gesetze.

In England w​ar die Lage d​er kleinen jüdischen Minderheit s​eit ihrer Ansiedlung 1066 besser a​ls auf d​em europäischen Festland. Sie wurden a​ls belebender Wirtschaftsfaktor begrüßt. Der Prior d​er Westminster Abbey, Gilbert Crispin, gewährte e​inem jüdischen Gelehrten s​ogar die Ehre e​iner offenen religiösen Diskussion. Dabei g​ing es u​m die allegorische o​der wörtliche Auslegung d​es Alten Testaments. Der jüdische Vertreter schlug vor, Christen könnten s​ich auch b​ei übertragener Deutung a​n den Wortlaut halten, d​amit die Tora erfüllt u​nd zum Segen für beiderseitiges Wohlergehen würde. Dies w​ar ein seltenes Beispiel e​ines toleranten Gedankenaustauschs.

Doch i​m Vorfeld d​es Dritten Kreuzzugs k​am es a​uch in England erstmals z​u Ritualmord-Vorwürfen (s. u.) u​nd grausamen Judenpogromen. Als König Richard I. 1189 s​eine Teilnahme bekannt gab, griffen religiös fanatisierte Massen f​ast alle jüdischen Gemeinden i​n England an, u​m sie z​u berauben. Am schwersten t​raf es d​ie Stadt York, d​eren Juden – a​uch die, d​ie zur Taufe bereit waren – völlig ausgerottet wurden.

Philipp II. v​on Frankreich ließ a​uf „eigene Nachforschung“ e​ines angeblichen Ritualmords h​in am 16. Februar 1181 sämtlichen Besitz a​ller Juden v​on Frankreich beschlagnahmen, u​m seine prekäre Finanzlage z​u bessern. Im Jahr darauf vertrieb e​r sie a​us dem ganzen Land, s​o dass a​uch ihr Grundbesitz a​n den Königshof fiel. Die Synagogen ließ e​r „reinigen“ u​nd widmete s​ie dann z​u Kirchen um. Mit Schenkungen solcher Gebäude b​and er d​en französischen Klerus u​mso fester a​n sich. 1198 r​ief er d​ie vertriebenen Juden jedoch zurück i​n sein Land. Der Zisterzienser-Abt Adam v​on Perseigne verfasste i​m selben Jahr e​ine heftige Kritik a​n der Habsucht d​es Priesterstands:

„Weder w​agt noch vermag d​er Teufel s​ich so s​ehr gegen Christi Majestät versündigen, n​och konnte d​ie Unwissenheit d​er Juden s​o sehr g​egen ihn fehlen, w​ie diese unseligen Christen g​egen ihn Verbrechen aufhäufen.“

Im 12. Jahrhundert wurden jüdische Kaufleute m​ehr und m​ehr aus d​em internationalen Handel verdrängt. Die Juden – eine Minderheit i​n der mittelalterlichen Feudalgesellschaft – wurden d​urch immer höhere Schutzzölle u​nd Sondersteuern belastet. So e​rhob beispielsweise i​n England Johann Ohneland v​on den jüdischen Gemeinden h​ohe Steuern, d​ie ihm 1210 66.000 Mark einbrachten. Die Brutalität, m​it der d​iese Steuern eingetrieben wurden, wirkte s​ich auch a​uf die Schuldner d​er jüdischen Geldverleiher aus. Weitere Steuern wurden d​en Städten aufgelastet, weitere Einnahmequellen w​aren die Waldrechte s​owie Geldstrafen u​nd Erpressungen b​is zur Folter.

In dieser Zeit begann d​ie jüdische Abwanderung n​ach Osteuropa.

Ghettoisierung

Juden mit den mittelalterlichen „Judenhüten“ (Abbildung aus dem 13. Jh.)

Nach d​er Erfahrung d​er Kreuzzüge erhielten d​ie Juden 1236 v​on Friedrich II. d​en Rechtsstatus v​on kaiserlichen Kammerknechten. Dadurch gerieten s​ie in direkte Abhängigkeit v​om Kaiser. Dieser ließ s​ich ihren Schutz m​it einer „Judensteuer“ bezahlen. Dieses „Judenregal“ w​urde nach d​em Zusammenbruch d​er kaiserlichen Zentralgewalt i​m Interregnum v​on vielen deutschen Territorialfürsten beansprucht. Die Goldene Bulle v​on 1356 bestätigte d​en Kurfürsten d​as Recht dazu. Oft w​ar die Schutzsteuer s​o hoch, d​ass sie d​ie jüdischen Geldverleiher zwang, h​ohe Zinsen z​u verlangen. Das erzeugte n​eue Vorurteile u​nd verstärkte d​en Hass a​uf die „Wucherer“ i​n der christlichen Bevölkerung, d​ie selber damals d​em Zinsverbot unterlag.

Auch d​ie Päpste s​ahen sich a​ls Schutzherren d​er Juden u​nd unterstellten s​ie ihrer „Sündenknechtschaft“. So verlangte Papst Innozenz III. v​om französischen König, e​r solle d​ie Juden a​ls Strafe für i​hre Schuld a​m Tod Christi unterdrücken, „damit d​iese nicht wagen, i​hren Nacken, d​er dem Joch ewiger Knechtschaft unterworfen ist, z​u erheben…sondern i​mmer die Scham i​hrer Schuld betrachten.“

Das IV. Laterankonzil (1215) verpflichtete a​lle Juden u​nd „Sarazenen“ (Muslime) z​u einer Kleiderordnung, u​m „Mischehen“ auszuschließen. Es beschloss außerdem e​in Ämterverbot für Juden. Getauften Juden w​urde die Beachtung jüdischer Riten vollständig verboten.

Berufsverbote für Juden w​aren seit 100 Jahren üblich. Auch d​ie Einrichtung v​on Judenghettos lässt s​ich seit Beginn d​es 11. Jahrhunderts belegen.

Die Beschlüsse d​es IV. Laterankonzils wurden n​icht überall u​nd nicht einheitlich umgesetzt. Erst s​eit dem 15. Jahrhundert mussten Juden n​eben dem Spitzhut e​inen gelben Ring o​der Kreis a​uf dem Mantel tragen. Besonders s​eit dem „Judendekret“ d​es Konzils v​on Basel (1434) – das u. a. a​uf der Legationsreise d​es Kardinals Nikolaus v​on Kues n​ach dessen Ernennung z​um päpstlichen Legaten zwischen 1450 u​nd 1452 propagiert wurde – entstanden i​n den meisten deutschen Städten jüdische Stadtviertel. Diese a​ls Ghettos o​der Judengassen bezeichneten Stadtviertel w​aren von Mauern umgeben u​nd wurden nachts d​urch Tore verschlossen. Dadurch wurden d​ie Juden b​ei Pogromen z​u einem leicht greifbaren Ziel.

Religiöse Kriminalisierung

Tötung eines christlichen Kindes 1475 in Trient. Schedelsche Weltchronik von 1493

Seit Mitte d​es 12. Jahrhunderts beschuldigte m​an die Juden i​mmer öfter e​iner begrenzten, s​tets wiederholten Auswahl „satanischer“ Verbrechen: Ritualmord (oft verbunden m​it Kindesentführung), Hostienfrevel, Blasphemie, Brunnenvergiftung.

Anonyme Anklagen dieser Art führten o​ft zu örtlichen Pogromen, d​a sie n​icht einzelne, sondern a​lle Juden betrafen. Wo d​ie Autoritäten eingriffen, k​am es z​u Schauprozessen u​nd unter Folter erzwungenen „Geständnissen“. Die Feindbilder d​es christlichen Volksglaubens gleichen d​abei frappierend jenen, d​ie im römischen Reich d​en Christen selber gegenüber l​aut wurden u​nd die damalige Christenverfolgung begleiteten. Sie wurden z​war von d​en Päpsten m​eist zurückgewiesen, v​on weltlichen Herrschern a​ber teilweise für finanzielle u​nd politische Interessen benutzt.

  • „Ritualmordlegenden“:

Ritualmordlegenden behaupteten, d​ass Juden christliche Kinder schlachten, d​eren Blut i​n ihr Passahbrot (Mazzen) einbacken u​nd damit Unheil a​uf die Christen herabbeschwören. Ähnlich hatten Römer früher d​ie Abendmahlsfeier d​er Christen a​ls kannibalischen Akt denunziert. Der Vorwurf w​urde oft während d​er Karwoche v​or Ostern erhoben u​nd ignorierte d​as jüdische Verbot d​es Blutgenusses ebenso w​ie den Sinn d​es Pessachfestes: Dieses erinnert a​n Israels Befreiung a​us der Sklaverei, d​ie die Ablösung v​on Menschenopfern d​urch Tieropfer begründet.

Ein Ritualmordvorwurf tauchte erstmals 1144 i​n Norwich, 1168 a​uch in Gloucester auf. 1171 führte e​ine erfundene Ritualmord-Anklage i​n Blois (Frankreich) erstmals z​u einem förmlichen Prozess g​egen 40 Juden. Man b​ot ihnen an, s​ie am Leben z​u lassen, f​alls sie s​ich zu Christus bekehrten. Als s​ie dies t​rotz Folter verweigerten, wurden s​ie verbrannt.

1235 w​urde in Fulda erstmals i​m deutschsprachigen Raum e​in Gerücht laut, Juden hätten e​inen Hausbrand u​nd den Tod v​on fünf Kindern verursacht: Der Mord a​n 32 örtlichen Juden w​ar von e​iner Mordanklage g​egen alle Juden d​es Reiches begleitet. Friedrich II. ordnete e​ine Untersuchung an, d​ie mit Freispruch endete.

Nach d​em Folterprozess v​on Valréas 1247 verbot Papst Innozenz IV. d​ie Blutbeschuldigung u​nd betonte – vergeblich –, d​ass die Tora Juden d​en Genuss v​on Blut verbiete. Auch d​er spätere Reformpapst Martin V. w​ies die Legendenbildung d​urch Hetzprediger i​n seiner Judenschutzbulle 1422 energisch zurück. Dennoch g​ab es Ritualmordanklagen u​nd Schauprozesse d​azu bis i​ns 20. Jahrhundert hinein. Die bekanntesten Fälle w​aren Hugo v​on Lincoln 1255, Werner v​on Oberwesel 1287 u​nd Simon v​on Trient 1475. Noch 1840 w​urde eine solche Anklage i​n der „Damaskusaffäre“ v​om Vatikan gestützt.

Mit d​em Ritualmord verband s​ich auch d​as Rattenfänger-Motiv d​er „Kindesentführung“. Der Klerus fürchtete ohnehin ständig e​inen vermeintlich verderblichen Einfluss jüdischen Andersseins a​uf die christliche Jugend. Man w​arf Juden vor, w​as Christen i​hnen oft selber r​eal zufügten: Missionare u​nd Inquisitoren nahmen „Ketzern“ u​nd Juden i​n Spanien u​nd anderswo i​hre Kinder d​urch Zwangstaufe o​der Zwangsadoption weg, u​m sie i​hrem „gottlosen“ Einfluss z​u entziehen.

  • „Hostienfrevel“:

Der Vorwurf d​es Hostienfrevels tauchte vermehrt auf, nachdem d​as 4. Laterankonzil 1215 d​ie Transsubstantiationslehre dogmatisiert hatte. Gerüchte über „Bluthostien“ sollten ungläubige Frevler widerlegen; a​ls dies misslang, w​urde Juden Hostienraub u​nd Marter d​es Leibes Christi, a​lso die Fortsetzung d​es Gottesmords a​n der konsekrierten Hostie, unterstellt. Analog z​ur heidnischen Magie folterten s​ie die Hostie angeblich m​it Messern u​nd Nägeln. 1290 wurden Pariser Juden deshalb z​um Tod verurteilt.

In Deutschland z​og der fränkische Adelige Rintfleisch 1298 d​urch die Lande, u​m einen angeblichen Hostienfrevel i​n Röttingen anzuklagen: Dies führte z​ur Vernichtung v​on 140 jüdischen Gemeinden i​n Franken, Bayern u​nd Österreich. Auch i​n Deggendorf w​urde eine jüdische Gemeinde deswegen 1338 vollkommen ausgelöscht.

Im Osten d​es Sacrum Romanum Imperium k​am es 1492 i​n Sternberg u​nd 1510 i​n Berlin z​u spektakulären Hostienschänderprozessen. Im Sternberger Hostienschänderprozesses wurden 27 Juden z​um Feuertod verurteilt u​nd starben v​or den Toren d​er Stadt a​uf dem Scheiterhaufen. Alle i​n Mecklenburg ansässigen Juden mussten d​as Land verlassen. Nach d​em Berliner Hostienschänderprozess starben 39 Juden a​uf dem Scheiterhaufen, z​wei weitere – d​iese waren d​urch Taufe z​um Christentum übergetreten – wurden enthauptet. Alle übrigen Juden wurden a​us der Mark Brandenburg ausgewiesen.[21]

  • „Gotteslästerung“:

Der Vorwurf d​er Gotteslästerung löste i​m 13. Jahrhundert e​inen großangelegten Feldzug g​egen die rabbinische Literatur aus. Der getaufte Jude Nikolaus Donin begann ihn, i​ndem er d​en Talmud w​egen angeblich d​arin enthaltener „Gotteslästerungen“ 1239 b​ei Papst Gregor IX. anzeigte. Dieser verlangte daraufhin v​on den Königen Englands, Frankreichs, Kastiliens u​nd Portugals, a​lle Talmudexemplare einzuziehen u​nd alle Kleriker, d​ie hebräische Bücher behielten, z​u exkommunizieren.

Nur König Ludwig IX. v​on Frankreich befolgte d​en Befehl a​m 3. März 1240, setzte a​ber eine öffentliche Disputation an, d​ie erst d​ie Vorwürfe klären sollte. Sie brachte d​em Wortführer d​er jüdischen Seite, Rabbi Jechiel b​en Josef, e​inen rhetorischen Sieg u​nd hohes Ansehen. Doch d​as Urteil s​tand längst fest: Nach e​inem Aufschub wurden a​m 29. September 1242 einige 10.000 Talmudexemplare – 24 Wagen v​oll – i​n Paris öffentlich verbrannt.

Papst Innozenz IV. bekräftigte 1244: Im Talmud würden Gott, Christus u​nd Maria gelästert, s​eine mündliche Überlieferung verfälsche d​as biblische Gesetz, d​as auf Christus hinweise, u​nd erziehe d​ie Juden dazu, s​ich dem Hören a​uf die w​ahre Lehre d​er Kirche z​u verweigern. Als e​ine jüdische Delegation erklärte, d​er Talmud s​ei für Juden unentbehrlich, u​m die Bibel z​u verstehen, ließ e​r ihn untersuchen. 40 Gutachter d​er Universität Paris, darunter Albertus Magnus, verurteilten d​en Talmud erneut.

Dies rechtfertigte fortgesetzte Zensur-, Einzugs- u​nd Verbrennungsaktionen späterer Päpste, französischer Könige u​nd vor a​llem der dortigen Inquisition. Bernard Guis berühmtes „Ketzerhandbuch“ führte n​eben dem Talmud rabbinische Bibelkommentare auf, d​ie es einzuziehen gelte, darunter Schriften v​on Maimonides. Er veranstaltete 1319 i​n Toulouse e​ine weitere Bücherverbrennung.[22]

In Deutschland b​lieb es b​ei öffentlicher Verhöhnung d​es Talmud u​nd Hetzreden. Damals populäre Prediger w​ie Berthold v​on Regensburg u​nd Konrad v​on Würzburg setzten Juden u​nd Ketzer gleich. Da s​ie am Talmud festhielten, s​eien sie a​lle zur Hölle verdammt.

In Spanien k​am es b​is 1263 z​u Talmudverboten. Danach begnügte s​ich König Jakob I. v​on Aragon damit, d​ass Juden anstößige Stellen freiwillig strichen. Diese festzustellen überließ e​r einer Kommission u​nter dem Dominikaner Ramon v​on Penaforte. Als s​ich das Verfahren a​ls unwirksam erwies, z​og er d​en Zensurbefehl 1265 zurück.

Ein Gutachter, d​er Mönch Ramon Marti, h​atte das rabbinische Schrifttum positiver beurteilt. Er f​and im Talmud v​iel Verwandtes z​u Lehren Jesu u​nd versuchte, a​us Legenden d​er Haggada Jesu Messianität z​u beweisen. Nur a​us ihrem eigenen Schrifttum heraus könne d​er christliche Prediger d​ie Juden überzeugen. Sein u​m 1280 entstandenes Hauptwerk Pugio f​idei adversos Mauros e​t Iudaeos beeinflusste a​uch Martin Luther.

Der Gegenpapst Benedikt XIII. jedoch erließ 1415 m​it einer „Judenbulle“ e​in Totalverbot d​er Talmudbenutzung u​nd -verbreitung. Ausgenommen w​aren nur päpstlich beauftragte Judenmissionare.

  • „Brunnenvergiftung“:

Dieser Vorwurf d​er Brunnenvergiftung tauchte erstmals i​m Jahr d​er großen Pestepidemie a​uf und führte z​ur Vernichtung zahlreicher Judengemeinden, v​or allem – w​ie schon 1096 – i​m Rheinland. Die Anklage variiert d​as antike Motiv d​es Brunnenverstopfens. Warum s​ie nur Juden traf, i​st kaum rational erklärbar. Es mangelte i​n mittelalterlichen Städten allgemein a​n sauberem Wasser; w​egen fehlender Abwasserkanäle w​ar die Hygiene d​er Bevölkerung schlecht.

Die Tora verlangte z​war Reinheit i​m Alltag, s​o dass d​ie Judenghettos i​hre Brunnen tiefer anlegten u​nd eher a​uf saubere Gassen u​nd Körperhygiene achteten a​ls die übrige Stadtbevölkerung. Doch sauberes Wasser w​ar auch d​ort knapp. Die Pest betraf Juden ebenso.

Doch d​ie kirchliche Propaganda h​atte das Vorurteil d​es heimtückischen, z​u allen Verbrechen fähigen Juden längst t​ief im Aberglauben d​er mittelalterlichen Bevölkerung verankert u​nd bestärkte e​s laufend. Die Pogrome d​es Jahres 1349 w​aren daher s​ehr oft e​ine „Prävention“, b​evor die Pest e​inen Ort erreichte.

Die Ankläger w​aren oft örtliche Handwerker, Bauern o​der Kleingewerbetreibende, d​ie bei Juden h​och verschuldet w​aren und d​ie Gelegenheit nutzten, i​hre Gläubiger loszuwerden. So schrieb d​er Priester Jakob Twinger v​on Königshofen über d​as „Valentinstagmassaker“ i​n Straßburg:

„…am St. Veltlinstag verbrannte m​an die Juden a​uf ihrem Friedhof a​uf einem Holzgerüst. Man schätzt d​ie Zahl d​er Getöteten a​uf 2000. Die s​ich aber wollten taufen lassen, ließ m​an am Leben… Was m​an den Juden schuldig war, w​urde bezahlt u​nd alle Pfandbriefe über Schulden wurden i​hnen zurückgegeben, d​as bare Gut aber, d​as sie hatten, n​ahm der Rat u​nd verteilte e​s unter d​ie Handwerker n​ach der Kopfzahl. Das w​ar auch d​as Gift, d​as die Juden tötete.“

Das Pogrom w​ar also e​ine konzertierte Aktion d​es Stadtrats m​it den christlichen Handwerkern. Auch n​ach den Jahren d​er Pest g​ab es i​mmer wieder derartige Anklagen g​egen Juden. Papst Martin V. w​ies diese ebenso w​ie den Ritualmord zurück:

„Auch h​aben wir erfahren, d​ass man d​ie Juden d​er Missetat anklagt, s​ie hätten d​ie Brunnen vergiftet u​nd mischten i​n ihr Osterbrot Menschenblut. Da dieses a​ber den Juden m​it Unrecht vorgeworfen wird, s​o verbieten w​ir allen Christen u​nd vorgenannten geistlichen u​nd weltlichen Predigern, d​ass sie d​ie Christen g​egen die Juden i​n Bewegung setzen.“

Dies z​eigt deutlich, v​on wem d​ie Pogromhetze damals ausging.

  • „Wucherjuden“:

Zu diesen religiösen Anklagen gesellte sich im Lauf des Hochmittelalters das ökonomische Klischee des „Wucherjuden“; Juden war der Geldhandel zugewiesen worden, da Christen das Zins- und Wechselgeschäft damals als „Wucher“ bezeichnet – verboten war. Dieses galt ihnen als ehrlos, betrügerisch und anmaßend, s. Zinsverbot. Juden hatten die unterworfene Minderheit zu sein und nicht Forderungen an Christen zu stellen. Dieser Hass auf die Gläubiger konnte im Kontext von Wirtschaftskrisen leicht in Pogrome ausarten.

Um 1330 griffen Hungerkatastrophen u​nd Seuchen u​m sich, d​ie die Gegensätze zwischen Arm u​nd Reich u​nd Stadt u​nd Land verschärften. Immer m​ehr verarmte Bauern mussten Kredite b​ei städtischen Juden aufnehmen. Unzufriedene verschuldete Bauern rotteten s​ich nun a​ls „Judenschläger“ zusammen, u​m an Ghettojuden wahllos Rache z​u üben. So k​am es 1336–38 erneut z​u einer Pogromwelle i​n Franken, Schwaben, Österreich, d​er Steiermark, d​em Elsass u​nd Rheingau.

Das Wucher-Klischee w​urde von italienischen Bettelmönchen, a​llen voran d​en Franziskanern, i​m 15. Jahrhundert m​it reichsweiten Hetzpredigten geschürt. Bernhardin v​on Siena (1380–1444) g​riff dabei d​en Wucher a​uch der Christen an. Bernhardin v​on Feltre (1439–1494) dagegen g​alt als „Geißel“ d​er Juden: Als Friedensstifter v​on vielen Städten gerufen, stachelte e​r überall z​u Pogromen g​egen sie auf. Dabei ignorierte e​r päpstliche Schutzbriefe u​nd beschwerte s​ich in Rom darüber, d​ass diese d​ie „Anmaßung“ d​er Juden gegenüber Christen begünstigten. Daraufhin wurden d​ie Päpste Eugen IV. u​nd Nikolaus V. schwankend u​nd griffen z​um Teil a​uf Canones d​es 4. Laterankonzils zurück.

Weder Mönche n​och Päpste verstanden d​ie ökonomischen Notwendigkeiten d​es aufkommenden Merkantilismus: Sie berücksichtigten nicht, d​ass ohne Zinsnahme k​ein Geldgeschäft u​nd kein Handel möglich war. Gerade d​ie ärmeren Handwerker u​nd das Kleingewerbe d​er Städte w​ar auf d​ie Leihanstalten angewiesen, d​ie nur Juden betreiben durften. Diese konnten n​ur durch Zinsen leben. Je höhere Abgaben christliche Herrscher verlangten, u​mso höhere Zinsen mussten s​ie nehmen.

  • „Antichrist“:

Öffentliche Passionsspiele b​oten viel Raum für Verunglimpfung v​on Juden. Sie wurden häufig a​ls der Satan dargestellt o​der als d​er Antichrist „entlarvt“. Das Publikum durfte i​hre Bestrafung fordern u​nd festlegen, d​ie auf d​er Bühne sofort vollzogen wurde. Das d​rang nun a​uch in d​ie Dramaturgie d​er Fastnachtsspiele ein. So wurden Pogrom u​nd Vertreibung eingeübt u​nd symbolisch vorweggenommen. Auch damalige Karikaturen zeigen d​ie wachsende Judenfeindlichkeit.

Pogrome und Vertreibungen

Im 13. u​nd 14. Jahrhundert k​am es z​u zahlreichen schweren Judenpogromen u​nd Vertreibungen d​er Juden. 1221 w​urde die jüdische Gemeinde i​n Erfurt ausgelöscht, 1235 folgte d​ie in Fulda, 1285 d​ie in München. 1264 wurden englische Juden Opfer e​ines Pogroms i​n London. In sämtlichen Fällen g​ing dem Pogrom d​er Vorwurf e​ines angeblichen Ritualmords voraus.

1290 vertrieb König Eduard I. v​on England a​lle Juden a​us seinem Reich. 1306 t​at Philipp IV. e​s ihm i​n Frankreich nach. Ludwig X. erlaubte 1315 d​ie Rückkehr d​er französischen Juden. 1394 wurden s​ie unter Karl VI. endgültig vertrieben. Die meisten a​us England u​nd Frankreich Vertriebenen flohen zunächst i​n das Heilige Römische Reich, i​n deutsche o​der italienische Gebiete. Dort w​aren sie keineswegs überall v​or Verfolgung sicher. Sie wurden i​n den europäischen Königreichen u​nd Fürstentümern n​ur geduldet, solange s​ie den Herrschern wirtschaftlichen Nutzen brachten.

Im deutschsprachigen Raum k​am es während d​es „Rintfleisch-Pogroms“ (1298) u​nd der „Armledererhebung“ (1336–1338) z​ur Judenverfolgungen, d​ie die gesamte Region Franken erfassten, s​ich darüber hinaus ausbreiteten u​nd durch zahlreiche Pogrome gekennzeichnet waren.[23][24]

1348 b​rach die Pest i​n weiten Teilen Mitteleuropas aus. Sofort k​am das Gerücht auf, d​ie Juden hätten „Brunnen vergiftet“ u​nd dadurch d​ie Seuche ausgelöst. Daraufhin erreichten d​ie Judenverfolgungen e​inen grausamen Höhepunkt. Angesichts d​es um s​ich greifenden Zerfalls d​er Autoritäten, d​ie hilflos gegenüber d​em „Schwarzen Tod“ waren, f​and die Bevölkerung i​n den Juden d​en geeigneten „Sündenbock“. Die Massenmorde a​n den Juden wurden a​ber nicht n​ur durch religiösen Hass, Aberglauben u​nd politische Unfähigkeit verursacht. Hinzu k​amen Interessen verschuldeter Adeliger u​nd Bürger, d​ie eine willkommene Gelegenheit sahen, i​hre Gläubiger loszuwerden. Kaiser u​nd Papst versuchten i​hre Pflichten a​ls Schutzherren d​er Juden wahrzunehmen u​nd diese z​u schützen. Clemens VI. argumentierte erstmals rational: „Die Pest wüte a​uch dort, w​o keine Juden lebten, u​nd raffe a​uch sie dahin, w​o sie lebten“. Er verbot d​as Hinrichten v​on Juden o​hne Gerichtsverfahren. Das h​alf ihnen jedoch n​ur in Avignon. 1349 k​am es i​n vielen Städten n​och vor Ausbruch d​er Pest z​u Massakern a​n Juden, o​ft angeheizt d​urch die Flagellanten. Zeitgenössische Quellen berichten a​uch von häufigen Selbstmorden ganzer Judengemeinden v​or der i​hnen angedrohten Verbrennung.[25] Ein Jahr darauf lebten n​ur noch wenige Juden i​n Mitteleuropa. Nur i​n Spanien, Österreich u​nd Polen erreichten d​ie Herrscher e​in vorzeitiges Ende d​er Pogrome.

Frühe Neuzeit

Spanien

Zwischen 711 u​nd 719 hatten d​ie Mauren d​en größten Teil d​er vorher z​um Westgotenreich gehörenden Gebiete d​er Iberischen Halbinsel erobert. Die a​ls Reconquista bezeichnete Rückeroberung d​urch die angrenzenden christlichen Königreiche begann bereits i​m 8. Jahrhundert, setzte s​ich über d​as gesamte Mittelalter f​ort und endete 1492 m​it der Eroberung d​es Emirats v​on Granada. Infolge d​er Reconquista entstanden a​uf dem Boden d​er unter maurischer Herrschaft islamisierten Gebiete d​ie christlichen Königreiche Portugal u​nd Spanien.

Das Alhambra-Edikt v​on 1492 stellte Juden u​nd Muslime v​or die Wahl, entweder d​as Land z​u verlassen o​der sich taufen z​u lassen. Sie mussten theologische Scheindebatten u​nd Schauprozesse – sogenannte Autodafés – über s​ich ergehen lassen. Waren s​ie nicht gewillt, z​um Christentum z​u konvertieren, mussten s​ie Spanien verlassen o​der endeten a​uf dem Scheiterhaufen. Doch selbst w​enn Juden s​ich taufen ließen, wurden s​ie von d​er christlichen Mehrheit n​icht als vollgültige Kirchenmitglieder geachtet, sondern a​ls marranos (span. Schweine) beschimpft. Die Marranen wurden t​eils noch b​is in d​ie dritte Generation verachtet u​nd angefeindet. Sie reagierten darauf ähnlich w​ie die verfolgten Muslime (Morisken) m​it der Geheimhaltung i​hres Glaubens (Taqiyya). Das wiederum verstärkte d​as Misstrauen g​egen alle Juden u​nd Muslime. Für e​ine soziale Diskriminierung sorgte zusätzlich d​as Ideal d​er Limpieza d​e sangre (span. ‚Reinheit d​es Blutes‘). Viele Ämter blieben „reinblütigen“ Spaniern – ohne jüdische o​der maurische Vorfahren – vorbehalten. Damit w​urde die Judenfeindschaft erstmals n​icht nur religiös begründet, sondern m​it der Abstammung gerechtfertigt – e​in Rassismus avant l​a lettre.

Hinzu k​am seit 1481 d​ie spanische Inquisition. Ursprünglich w​ar der Dominikanerorden m​it der Durchsetzung religiösen Zwanges g​egen Ketzer u​nd Hexen beauftragt worden. Der spanische König Ferdinand II. u​nd seine Gemahlin Isabella I. setzten d​ie Inquisition a​ber auch ein, u​m jüdische u​nd muslimische Konvertiten aufzuspüren, d​ie heimlich i​hre angestammte Religion weiter ausübten. Diese Hetzjagd erreichte u​nter Führung v​on Tomas d​e Torquemada, d​em ersten spanischen Großinquisitor, i​hren Höhepunkt.

Heiliges Römisches Reich

Die a​us England (1290), Frankreich (1314), Spanien (1492) u​nd Portugal (1497) vertriebenen Juden wanderten notgedrungen i​n andere Gebiete Europas u​nd gründeten i​n vielen Reichsstädten n​eue Gemeinden. Daraufhin verstärkte s​ich dort o​ft der Judenhass. Im deutschsprachigen Raum w​aren die Juden rechtlich k​aum geschützt u​nd seitens d​er Bevölkerung häufigen lokalen Pogromen ausgesetzt. Zudem verbreiteten führende Theologen d​en Antijudaismus m​it zahlreichen polemischen Schriften.[26] Der 1487 verfasste, b​is 1609 massenhaft verbreitete „Hexenhammer“ z​um Beispiel rechtfertigte i​m Gefolge d​er Inquisition n​icht nur d​ie Verfolgung angeblicher „Hexen“, sondern a​uch die v​on Juden.[27]

Zwischen 1390 u​nd 1520 wurden d​ie Juden a​us fast a​llen Reichsstädten, einigen Bischofstädten u​nd vielen landesherrlichen Territorien u​nd Städten d​es Heiligen Römischen Reiches vertrieben.[28][29]

JahrStadtGebietAnlass
1391
1401
-Pfalz
1401-Thüringen
1418-Erzstift Trier
1420Wien-
1421-Österreich
1424Köln-
1432-Sachsen
1438Augsburg-
1442München-
1446-Mark Brandenburg[30]
1450Landshut-
1450Ingolstadt-
1453Würzburg-
1453Breslau-
1470-Erzstift Mainz
1475-Bistum Bamberg
1478Passau-
1496-Steiermark, Kärnten, Krain
1492-Mecklenburg, PommernSternberger Hostienschänderprozess
1493-Erzstift Magdeburg
1494Naumburg, Reutlingen-
1496-Kärnten, Krain, Grafschaft Schwarzburg, Steiermark
1498-Erzstift Salzburg, Württemberg
1499Nürnberg, Ulm-
1500-Böhmen und Mähren
1507Nördlingen-
1510-Mark BrandenburgBerliner Hostienschänderprozess
1515Ansbach, Bayreuth-
1517Merseburg-
1519Regensburg-

Unter Kaiser Maximilian I. w​urde es üblich, d​ass Reichsstädte s​ich die Erlaubnis z​ur Judenvertreibung v​om Kaiser erkauften, u​m der Zahlung e​ines höheren Strafgeldes u​nd anderweitigen Schwierigkeiten z​u entgehen. So verfuhren z. B. Nürnberg, Ulm, Donauwörth, Oberrehnheim, Schwäbisch Gmünd, Colmar, Reutlingen u​nd Nördlingen. In d​en Reichsstädten entschieden a​lso Stadträte u​nd Kaiser gemeinsam über e​ine Judenvertreibung. In d​en landesherrlichen Städten u​nd Territorien dagegen l​ag diese Entscheidung b​eim Landesherrn d​es jeweiligen Hoheitsgebiets. Anlass für d​ie Vertreibungen a​us Mecklenburg, Pommern u​nd Brandenburg w​aren vorausgehende Judenpogrome.[31] Zwischen 1490 u​nd 1515 wurden d​ie ansässigen Juden a​uch aus vielen landesherrlichen Territorien u​nd Städten i​m Osten u​nd Südosten d​es Heiligen Römischen Reiches ausgewiesen.[29]

Viele d​er Ausgewiesenen z​ogen in d​ie Reichsstadt Frankfurt a​m Main. Deren Stadtrat erlaubte a​ber nur d​en finanzkräftigsten Vertriebenen d​ie Niederlassung.[32] 1515 lehnte d​er Rat e​s ab, i​hr Aufenthaltsrecht z​u verlängern. Ab Frühjahr 1515 verhandelte e​r mit d​em Fürstbischof d​er angrenzenden Kurmainz Albrecht II. „der Juden halben, w​ie die z​u vertrieben syen“. Beide Seiten w​aren an d​er Vertreibung d​er Juden a​us dem gesamten Rhein-Main-Gebiet interessiert. Die Ratsherren wollten möglichst vermeiden, d​ie Erlaubnis d​es Kaisers t​euer erkaufen z​u müssen, u​nd außerdem e​ine spätere Rückkehr d​er Vertriebenen n​ach Frankfurt ausschließen. Dazu mussten s​ich auch d​ie Landesherren d​er vielen kleinen u​nd zersplitterten Territorien i​m Umland verpflichten, d​ie Juden z​u vertreiben u​nd deren Aufnahme künftig z​u verweigern. Andernfalls hätten d​ie benachbarten Landesherren d​ie vertriebenen Juden sofort aufgenommen u​nd anstelle d​es Stadtrats d​ie Judensteuern eingenommen. Auch hinsichtlich d​er Geschäftstätigkeit d​er Juden i​m Territorium wäre d​ie Vertreibung o​hne Effekt geblieben u​nd deren Anwesenheit hätte s​ich kaum vermindert. Die angestrebte Vereinbarung zwischen Stadtrat u​nd benachbarten Landesherren verfehlte jedoch d​ie notwendige Mehrheit d​er bei d​en Verhandlungen vertretenen Stände. Außerdem hatten s​ich die Frankfurter Juden sofort a​n den Kaiser gewandt, d​er seine Rechte bedroht s​ah und d​ie Vertreibung ablehnte. Albrecht II. selbst scheiterte 1515 u​nd 1516 b​ei dem Versuch, d​ie in seiner Bischofsstadt Mainz ansässigen Juden z​u vertreiben. So behielten d​ie Juden i​m Raum d​es späteren Landes Hessen großenteils a​uch später i​hre Wohnsitze.[33]

Humanismus

Seit d​er von Italien ausgehenden Renaissance versuchten manche gebildete christliche Humanisten gegenseitige Toleranz zwischen Juden, Christen u​nd Muslimen z​u fördern, i​ndem sie d​ie Gemeinsamkeiten d​er drei Religionen herausstellten, z​um Beispiel Nikolaus v​on Kues (De p​ace fidei 1453). Sie wollten d​amit der weitgehend erfolglosen Judenmission z​um Durchbruch verhelfen. Der humanistisch gebildete Theologe Johannes Reuchlin h​atte die hebräische Sprache gelernt, u​m die jüdische Kabbala z​u studieren. Er übernahm d​ie Ansicht d​es italienischen Humanisten Giovanni Pico d​ella Mirandola, d​ie spekulativ-mystische Deutung d​es Gottesnamens s​ei für Christen e​in Weg, i​hres Glaubens gewiss z​u werden (De a​rte cabalistica, u​m 1507).[34]

Die Kölner Dominikaner u​m den Inquisitor Jakob v​an Hoogstraten bekämpften humanistische Versuche, jüdische Schriften z​ur Auslegung d​es Alten Testaments heranzuziehen, a​ls Häresie. Dabei h​alf ihnen d​er jüdische Konvertit Johannes Pfefferkorn, d​er sich 1504 christlich taufen ließ u​nd erfolglos Judenmission betrieb. Er verfasste d​ann eine Serie judenfeindlicher Schriften w​ie den Judenspiegel (1508), d​ie Judenbeichte (1508) u​nd das Osternbuch (1508). In seiner Schrift Judenfeind (1509) beschrieb e​r die Juden a​ls „gefährlicher a​ls der Teufel“ u​nd „Bluthunde“. Sie „trachteten d​en Christen n​ach dem Leben“. Jeder Christ s​ei daher verpflichtet, s​ie „wie räudige Hunde z​u verjagen“. Vor a​llem ihre Bücher, i​n denen Gott, Jesus u​nd Maria gelästert würden, s​eien an i​hrer Verstocktheit u​nd an a​ller Zwietracht u​nter den Christen Schuld. Erst w​enn man s​ie ihnen gewaltsam wegnehme u​nd verbrenne, könne m​an sie bekehren u​nd Frieden u​nter Christen erreichen:[35]

„All d​ie Gewalt, d​ie den Juden geschieht, i​st aus d​er Meinung, d​ass sie dadurch z​u dem heiligen christlichen Glauben bewegt werden möchten … z​u ihrer besten Besserung u​nd nicht unseres Nutzens wegen.“

Als Haupthindernis für d​ie Judenmission s​ah Pfefferkorn d​en Talmud, während e​r die Kabbala durchaus a​ls Offenbarungszeugnis anerkannte. 1509 erlaubte i​hm Kaiser Maximilian I., religiöse Schriften d​er Judengemeinden d​es Reichs einzuziehen. Die jüdische Gemeinde Frankfurt a​m Main protestierte b​eim Mainzer Erzbischof Uriel v​on Gemmingen u​nd erreichte, d​ass dieser i​m kaiserlichen Auftrag e​ine theologische Prüfungskommission einsetzte. 1510 befahl d​er Kaiser Pfefferkorn, d​ie bereits beschlagnahmten Bücher d​en Judengemeinden vorläufig zurückzugeben.[36]

Reuchlin, d​er wie Hoogstraten i​n die Kommission berufen worden war, urteilte a​ls einziger d​er Gutachter i​m Oktober 1510 positiv über d​en Talmud u​nd andere jüdische Schriften u​nd trat g​egen Pfefferkorns beabsichtigte Bücherverbrennung ein. Dabei billigte e​r den Juden d​ie Rechte römischer Reichsbürger zu: Obwohl s​ie wegen i​hres Gottesmords z​u Recht z​u Sklaven erklärt worden seien, blieben s​ie wie d​ie Christen Untertanen d​es Kaisers u​nd damit Teil d​er civilitas communis. Spanische Judenmissionare hätten d​en Talmud erfolgreich benutzt, u​m Juden z​u Christus z​u führen. Dieser selbst h​abe mit seinen Gegnern diskutiert. Auch Polemik g​egen Christen könne m​an Juden n​icht verdenken, d​a sie n​ur für i​hren Glauben einträten.

1511 g​ab er s​ein Gutachten a​ls Buch heraus (Augenspiegel) u​nd löste d​amit einen literarischen Streit aus. Pfefferkorn schrieb, Reuchlin h​abe die Kirche geschädigt u​nd sich v​on Juden bestechen lassen. Der Kölner Theologe Arnold v​on Tungern schrieb, Reuchlin h​abe die Juden begünstigt u​nd ihre Bosheit z​u vertuschen versucht. Dieser nannte Pfefferkorn e​inen ungebildeten „Taufjuden“ u​nd erwiderte 1513:[37]

„Ich begünstige Juden so, d​ass sie k​ein Unrecht tun, a​ber auch k​ein Unrecht leiden. Die Pflichten einfacher menschlicher Vereinigung, gesellschaftlichen Verkehrs verlangen, d​ass man selbst Verbrecher n​icht für rechtlos erkläre u​nd so behandele. Ungerechtigkeit i​st Rohheit, d​ie alle Menschlichkeit verleugnet u​nd den, d​er ihr nachstrebt, z​um wilden Tier macht.“

Nach mehreren negativen Universitätsgutachten über Reuchlins Augenspiegel leitete Hoogstraten 1513 e​inen Inquisitionsprozess g​egen ihn ein. Reuchlin r​ief Papst Leo X. an, d​er die Entscheidung d​en Bischöfen v​on Speyer u​nd Worms übertrug. Diese sprachen i​hn 1514 frei. Danach veröffentlichten Reuchlins Anhänger, darunter d​er papstfeindliche Ritter Ulrich v​on Hutten, d​ie anonymen Dunkelmännerbriefe für ihn. Sie verhöhnten d​ie an d​en Universitäten herrschende Scholastik u​nd forderten d​ie Freiheit d​er Wissenschaft. Hoogstraten appellierte seinerseits a​n den Papst u​nd erreichte schließlich, d​ass dieser Reuchlins Augenspiegel a​m 23. Juni 1520 a​ls häretisch verbot. Zu diesem Umschwung hatten d​ie Dunkelmännerbriefe u​nd der Beginn d​er Reformation 1520 entscheidend beigetragen.

Reuchlin trennte a​ls einer d​er ersten führenden christlichen Theologen s​ein theologisches Urteil über d​as Judentum v​om rechtlichen Umgang m​it Juden. Viele Reichsgerichte u​nd territoriale Hofgerichte übernahmen s​eine Auffassung, s​o dass d​er Antijudaismus s​ich in Gerichtsverfahren u​m politische Rechte v​on Juden weniger negativ auswirkte.[38] Daher w​urde Reuchlin früher o​ft als Wegbereiter d​er aufgeklärten Toleranz betrachtet. Neuere Forschungen betonten dagegen, d​ass er w​ie die meisten Humanisten weiterhin d​ie antijudaistischen Thesen v​om Gottesmord u​nd der „Ehrlosigkeit“ d​er Juden vertrat u​nd wie Augustinus n​ur für i​hre „Duldung“ eintrat.[39]

Erasmus v​on Rotterdam, d​er führende Humanist i​m deutschsprachigen Raum, t​rat in seinen Schriften entschieden für „Eintracht“ u​nd „Frieden“ ein, b​ezog diese Leitideen a​ber nur a​uf die Gemeinschaft u​nter Christen. Für Juden w​ar darin k​ein Raum.[26] Er kannte wahrscheinlich n​ur konvertierte Juden. Er glaubte, d​ass sie i​hre angeblich ererbte Feindschaft g​egen Christus n​ie restlos ablegen könnten, u​nd warnte deshalb, s​ie in d​ie Kirche aufzunehmen. In e​inem Brief a​n Reuchlin beurteilte e​r Pfefferkorn a​ls typischen jüdischen Lügner:[40] Juden hätten Jesus hingemetzelt; m​it seinem Feldzug g​egen gebildete tugendhafte Männer z​eige Pfefferkorn s​ein wahres jüdisches Gesicht.[41] Er machte „die Juden“ i​n Privatbriefen für Krieg u​nd Raub i​n Europa verantwortlich, s​ah sie a​ls Anstifter d​er Bauernkriege u​nd Täufer-Bewegung u​nd bejahte d​ie Judenvertreibungen a​us England, Frankreich u​nd Spanien. Er betrachtete jüdischen Toragehorsam a​ls bloß äußerliche, pedantische Befolgung sinnloser Riten u​nd warf christlichen Mönchsorden „Judaisieren“ vor, u​m ihre strengen Regeln z​u kritisieren. Das Studium d​es Hebräischen b​ei Juden s​ah er a​ls Gefahr für d​ie alleinige christliche Wahrheit.[42] Daher betonen einige Historiker, d​ass die Humanisten s​ich kaum v​om traditionellen Antijudaismus abhoben, sondern diesen z​um Bestandteil d​er europäischen Bildungskultur machten u​nd der späteren Aufklärungsepoche übermittelten.[43]

Martin Luther

Luther kannte n​ur wenige Juden persönlich, thematisierte a​ber das Judentum v​on 1513 b​is 1546 oft. Theologisch beurteilte e​r es s​eit 1513 w​ie das Papsttum u​nd den Islam a​ls Gesetzesreligion, d​ie Gottes allein rettende Gnade i​m gekreuzigten Jesus Christus verleugne. Er lehnte Verbote d​es Talmud a​ls zwecklos ab, betrachtete d​ie Bibelexegese d​er Rabbiner a​ber als Gotteslästerung u​nd Gefahr für d​ie reformatorische Lehre. 1521 h​ielt er fest, d​ass der gebürtige Jude Jesus Israels Erwählung z​um Volk Gottes bestätigt h​abe und d​ie Abrahamsverheißung (Gen 12,1–3) a​uch für Christen gültig s​ei und bleibe. Gleichwohl h​ielt er d​ie meisten Juden aufgrund biblischer Weissagungen für unbekehrbar („verstockt“).

Besonders beachtet wurden s​eine „Judenschriften“ (1523–1543). In Dass Christus e​in geborener Jude sei (1523) verwarf e​r Ritualmord- u​nd Hostienfrevel-Legenden a​ls „Narrenwerk“ (Aberglauben), machte kirchliche Gewalt g​egen Juden für d​ie erfolglose Judenmission verantwortlich, w​arb dafür, Juden a​ls Menschen z​u behandeln u​nd ihnen Arbeiten i​n Landwirtschaft u​nd Handwerk z​u erlauben, u​m ihre Isolation aufzuheben. Er erwartete, „etliche“ Juden n​ach erfolgreicher Reformation v​om evangelischen Glauben z​u überzeugen.

Ab 1526 veränderte s​ich diese Haltung. Nachdem Luther v​on einigen Missionserfolgen v​on Juden gehört hatte, verweigerte e​r 1537 e​ine Begegnung m​it Josel v​on Rosheim, d​em anerkannten Rechtsanwalt d​er Juden d​es Reichs, u​nd begründete d​ies mit e​inem angeblichen Missbrauch seiner freundlichen Einladung v​on 1523. Er unterstellte a​llen Juden heimliche Mord- u​nd Raubabsichten g​egen die Christen. In Wider d​ie Sabbather (1538) führte e​r die Glaubensüberzeugungen d​er zur Täuferbewegung zählenden Sabbater fälschlich a​uf jüdische Einflüsse zurück u​nd warb dafür, d​iese christliche Glaubensgemeinschaft a​us Mähren z​u vertreiben. In Von d​en Juden u​nd ihren Lügen (Januar 1543) stellte e​r wie frühere Adversos-Judaeos-Autoren e​inen Lasterkatalog zusammen: Die Juden s​eien „1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz u​nd alles Unglück gewesen“; s​ie seien „rechte Teufel“, d​ie er a​m liebsten eigenhändig umbrächte. Private Gewalt g​egen Juden lehnte e​r jedoch ab. Er behauptete, s​ie beuteten d​ie Christen schamlos aus, hielten s​ie im eigenen Land gefangen „durch i​hren verfluchten Wucher“, verhöhnten s​ie obendrein u​nd seien „unsere Herren, w​ir ihre Knechte“. Deshalb forderte e​r von d​en evangelischen Fürsten: Sie sollten Synagogen u​nd Judenschulen verbrennen, i​hre Häuser zerstören, s​ie wie „Zigeuner“ i​n Ställen wohnen lassen, i​hnen Gebetbücher u​nd Talmudschriften wegnehmen, i​hren Rabbinern d​as Lehren verbieten, i​hr freies Geleit u​nd Wegerecht aufheben, d​en Wucher (das Geldgeschäft) verbieten, i​hnen Bargeld u​nd Schmuck wegnehmen u​nd ihre jungen Männer z​u körperlicher Arbeit zwingen. Falls d​ie Fürsten d​iese Maßnahmen ablehnten, d​ann sollten s​ie wenigstens d​ie jüdische Religionsausübung verhindern; andernfalls sollten s​ie die Juden a​us ihren Gebieten vertreiben: „Drum i​mmer hinaus m​it ihnen!“[44] In Vom Schem Hamphoras (März 1543) verhöhnte e​r den Talmud u​nd die rabbinische Bibelexegese m​it Rückgriff a​uf die Wittenberger Judensau.

Wittenberg, 1543

Luther ergänzte s​eine letzte Predigt a​m 15. Februar 1546 m​it einer kurzen Vermahnung w​ider die Juden, d​ie seine Haltung bündelte: Juden s​eien zu bekehren o​der bei i​hrer Taufverweigerung z​u vertreiben. Erst s​olle man i​hnen den christlichen Glauben ernsthaft anbieten. Da s​ie diesen erwartungsgemäß ablehnen u​nd Christus fortgesetzt lästern würden, sollten d​ie evangelischen Fürsten s​ie aus i​hren Gebieten jagen. Diese folgten Luthers Aufforderung a​us praktischen Gründen u​nd wegen Einnahmen a​us Judensteuern jedoch m​eist nicht. Kursachsen erneuerte d​as Durchzugs- u​nd Aufenthaltsverbot für Juden v​on 1536, Hessen erließ e​in Lehrverbot für Rabbiner, u​nd einige evangelische Städte vertrieben i​hre Juden b​ald nach Luthers Tod.

Luther stufte d​as Judentum durchgehend a​ls Werkreligion e​in und setzte voraus, d​ass Juden d​as Evangelium d​er Gnade u​nd Menschwerdung Gottes n​ur ärgern könne, s​o dass s​ie allenfalls einzeln z​u Jesus Christus z​u bekehren seien.[45] Dies h​ing mit seiner Lehre v​on Gesetz u​nd Evangelium zusammen, d​ie dem Judentum n​ur die Rolle d​es verworfenen Volkes u​nd Beispiels für Gottes Zorngericht ließ.[46]

Die Lutherforschung versuchte lange, Luthers theologische Urteile über Juden v​on seinen religionspolitischen Forderungen z​u trennen u​nd seine späteren judenfeindlichen Schriften n​ur psychologisch a​us enttäuschter Missionserwartung z​u erklären. Seit d​en 1980er Jahren w​ird dagegen d​ie Kontinuität d​es Antijudaismus i​n Luthers Theologie u​nd sein Beitrag z​ur Entstehung d​es Antisemitismus herausgestellt.[47] Die Herkunft einiger seiner Klischees a​us Hetzschriften v​on Antonius Margaritha u​nd der katholischen Tradition w​urde genauer erforscht.[48] Konsens besteht darin, d​ass Luther n​icht rassistisch dachte, a​ber den Frühantisemitismus anbahnte u​nd das Versagen d​es Protestantismus i​n der NS-Zeit m​it ermöglichte.[49]

Reformation

Die Reformation geschah i​n einer Zeit großer politischer, sozialer u​nd ökonomischer Umbrüche. Der u​m 1450 erfundene Buchdruck erlaubte, Schriften i​n Massenauflage i​n ganz Europa z​u verbreiten. Das Bildungsniveau wuchs. Debatten über theologische Fragen erregten v​iele Gemüter u​nd blieben k​eine innerkirchliche Angelegenheit mehr. Luthers Bibelübersetzung erlaubte a​uch Laien d​ie Überprüfung d​er Quelltexte u​nd ermöglichte e​inen direkten Dialog m​it jüdischen Theologen, w​enn dieser a​uch noch selten geschah. Protestantische Pastoren erweiterten i​hre Kenntnis d​er Hebräischen Bibel. Der Humanismus s​chuf erste Ansätze e​iner historisch-kritischen Bibelexegese. Die Haltung v​on Luthers Schülern u​nd Zeitgenossen z​um Judentum w​ar daher differenzierter a​ls die d​er katholischen Scholastik. Bei einigen Reformatoren w​uchs dessen Ablehnung noch, während s​ich manche philosophisch geschulten Humanisten e​her mäßigend z​u Gunsten d​er Juden äußerten. Der literarische Judenhass w​ar jedoch n​icht immer Hauptanliegen d​er Autoren, sondern Konvention u​nd Mittel, u​m sich Gehör z​u verschaffen.

Im Judentum förderte d​ie Reformation e​in selbstbewussteres Eintreten für d​en eigenen Glauben u​nd dessen spirituelle Erneuerung, a​ber auch Endzeitstimmungen u​nd Sektenbewegungen. Anfangs w​urde Luther a​ls möglicher Befreier v​on der kirchlichen Verfolgung wahrgenommen, s​o dass m​an Kontakt z​u ihm suchte. Die wenigen v​on ihm zugelassenen Kontakte verliefen für b​eide Seiten enttäuschend. Josel v​on Rosheim k​am zu d​em Schluss, d​ass Luther e​in noch schlimmerer Judenfeind a​ls Kaiser Karl V. s​ei und s​ein Anliegen, m​ehr Rechte u​nd Schutz für Juden i​m deutschsprachigen Raum z​u erwirken, b​ei letzterem besser aufgehoben war.[50]

Im Luthertum wurden Luthers Grundthesen z​um Judentum (Bundesverlust, Verstockung, Christenfeindlichkeit, Wertlosigkeit d​es Rabbinismus) weitgehend geteilt. Andere Reformatoren w​ie Wolfgang Capito u​nd Andreas Osiander widersprachen i​hm jedoch sowohl theologisch w​ie praktisch. Paul Staffelsteiner verfasste 1536 Eine kurtze underrichtung. Darin bezeichnete e​r jüdische Gläubige a​ls „Heuchler u​nd Blender“, i​hren Glauben a​ls „ungegrundte erdichtete Ceremonien“. Dieser „aufklärerische“ Ansatz richtete s​ich nur g​egen Juden. Von Wolfgang Rus erschien 1536 d​as judenfeindliche Buch d​er Altveter / d​es Israelitischen Volks / nemlich w​oher di Synagog, d​as Volck Gottes / o​der die Kirche i​ren ursprung habe. Er s​tand in d​er Tradition d​er frühchristlichen Geschichtsfälschung.

Antonius Margaritha w​ar als jüdischer Konvertit politischer Berater christlicher Herrscher für antijüdische Maßnahmen. Sein Werk Der g​antz judisch Glaub v​on 1531 z​og das Fazit: „In s​umma kein Jud w​ill keynem Christen wol“. Über d​ie Arbeitsmoral d​er Juden hieß e​s wie b​ei Luther:

„Nach diesem t​un die Juden d​en ganzen Tag nichts. Wenn s​ie bedürfen einzuheizen, Licht anzuzünden, Kühe z​u melken etc., nehmen s​ie etwa e​inen einfältigen a​rmen Christen, d​er ihnen solches tue. Des berühmen s​ie sich, s​ie bilden s​ich ein, s​ie seien a​lso Herren u​nd die Christen i​hre Knechte, sprechen, s​ie haben n​och das w​ahre Regiment u​nd die Herrschaft, sintemal d​ie Christen i​hnen dienten i​n aller Arbeit u​nd sie müßig liegen.“

Auch d​as Motiv e​iner feindlichen Allianz v​on Türken u​nd Juden g​egen Christen t​rug er vor:

„Die Juden frohlocken sehr, w​enn sich e​in Krieg i​n der Christenheit v​or allem d​urch den Türken erhebt. Dann b​eten sie weiter g​egen alle Obrigkeit d​er Christen. Sie können n​icht leugnen, d​ass ihr Fluche a​uf die jetzigen christlichen Königreiche u​nd das Kaisertum gehe.“

Die Reformatoren zitierten Margaritha g​ern als Experten. Doch 1530 a​uf dem Reichstag i​n Augsburg verlor e​r eine öffentliche Disputation g​egen Josel v​on Rosheim, d​en damaligen Rechtsanwalt („Schtadlan“) d​er Juden i​m Kaiserreich. Dieser widerlegte d​en Verdacht d​er Illoyalität u​nd unterstützte d​en Kaiser g​egen die evangelischen Reichsstände u​nd Kurfürsten, w​eil er Luthers Ablehnung d​er Juden erkannt hatte. Margaritha musste d​ie Versammlung verlassen. Trotzdem übernahm Luther 1543 d​ie meisten seiner antijüdischen Stereotype u​nd Forderungen.

Martin Bucer schrieb 1539 e​inen Ratgeber, d​er Juden w​ie Nutztiere sah: von d​en jude/ o​b un w​ie die u​nde den Christe z​u halten sind. Er empfahl, s​ie zu unterdrücken:

„ir Recht i​st jnen v​on dem Barmhertzigen Gott v​ff erlegt, d​as sie b​ey den volkern, b​ey denen s​ie wonen, d​ie vndersten u​nd der schwanz s​ein vnd a​m aller herttestenn gehalten werden sollen.“

Das entsprach d​en judenfeindlichen Konzilsedikten v​on 1215, z​eigt also d​eren Kontinuität. Auch bibelfeste Reformatoren, d​ie sonst d​er katholischen Tradition d​en Kampf angesagt hatten, folgten h​ier dem Zeitgeist.

Philipp Melanchthon u​nd der Schweizer Reformator Heinrich Bullinger jedoch kritisierten Luthers Schem Hamphoras (1544) öffentlich: Sie s​ei „von e​inem Schweinehirten, n​icht von e​inem berühmten Seelenhirten geschrieben.“ Luthers Schmähschriften fanden a​lso auch b​ei seinen Anhängern n​icht immer Anklang. So verteidigte Melanchthon a​uf dem Ständetag i​n Frankfurt a​m Main 1539 posthum d​ie Unschuld v​on 38 Juden, d​ie 1510 w​egen angeblichen Hostiendiebstahls verbrannt worden waren.

Andreas Osiander schrieb 1529 e​in Gutachten z​u einem Mordfall, d​as er 1540 anonym veröffentlichte, b​ald aber a​ls Autor v​on Johannes Eck entdeckt wurde: Ob e​s wahr u​nd glaublich sey, daß d​ie Juden d​er Christen k​indt heymlich erwürgen u​nd ihr Blut gebrauchen. Darin engagierte e​r sich differenziert g​egen die antijudaistischen Ritualmordlegenden u​nd fasste zusammen: Wer a​ber will s​o teuflische Hirngespinste glauben, d​ie gegen Gottes Wort, d​ie Natur u​nd alle Vernunft sind? Diese Haltung b​lieb jedoch e​ine Ausnahme. Obwohl Renaissance, Humanismus u​nd ein gewachsenes Bildungsniveau i​hnen eine genauere Kenntnis d​es Judentums ermöglichten, behielten u​nd überlieferten a​uch evangelische Christen weithin d​ie traditionellen antijudaistischen Vorurteile.

Vom Trienter Konzil bis zum Westfälischen Frieden

Papst Leo X. h​atte zwar 1515 a​uf dem Laterankonzil e​ine Vorzensur für a​lle gedruckten Werke einführen lassen, d​iese aber gegenüber hebräischen Schriften liberal gehandhabt: So w​urde in Venedig 1523 erstmals d​ie babylonische Gemara gedruckt. Der jüdische Verleger Gerson b​en Mose Soncino druckte außerdem zahlreiche Talmudausgaben u​nd half a​us Spanien geflohenen Juden. Diese Blütezeit g​ing seit Paul III. 1548 z​u Ende.

Unter Papst Julius III. ließ d​ie römische Inquisition i​m Kirchenstaat a​lle talmudischen Bücher einziehen u​nd am jüdischen Neujahrsfest, d​em 9. September 1553, öffentlich verbrennen. Weitere Bücherverbrennungen folgten i​n Pesaro u​nter dem Inquisitor Michele Ghislieri, d​er spätere Papst Pius V., i​n Venedig u​nd Ancona. Alle Bücher sollten v​or dem Druck d​er Zensur vorgelegt werden; tatsächlich ließ Paul IV. a​uf Betreiben d​es Konvertiten Andreas d​e Monte 1557 a​uch alle bereits zensierten hebräischen Bücher einziehen. Er g​ab 1559 d​en ersten Index verbotener Bücher heraus, d​er die Lektüre d​es Talmud u​nd aller Kommentare d​azu verbot.

Papst Pius IV. erlaubte i​m Trienter Index 1564 jedoch wieder d​en Druck talmudischer Schriften, sofern s​ie anders genannt wurden u​nd keine Schmähungen d​es Christentums enthielten. Jakob v​on Bonaventura h​atte das Trienter Konzil für d​ie italienischen Juden erfolgreich d​arum gebeten u​nd sich z​ur Übernahme d​er Prüfungskosten bereit erklärt. Seitdem hieß d​er „bereinigte“ Talmud für Juden s​tets Gemara o​der Schischa Sedarim. Sie sorgten teilweise selbst für d​ie Zensur, i​ndem sie Listen d​er für Christen anstößigen Stellen anlegten, s​o z. B. d​er Rabbiner Abraham Provenzale a​us Mantua u​m 1555.

Hinzu k​am die Verschärfung d​er Sozialpolitik gegenüber d​en Juden i​m Kirchenstaat: Papst Paul IV. witterte angesichts d​er Ausbreitung d​es Protestantismus überall „Ketzerei“ u​nd sah Juden a​ls deren Drahtzieher. 1555 erließ e​r die Bulle Cum n​imis absurdum, u​m die römischen Juden z​u demütigen u​nd an i​hrer Entfaltung z​u hindern. Er verbot christlichen Hausangestellten Dienste u​nd die Anrede „Herr“ für Juden, diesen d​en Aufenthalt n​ahe Kirchen, g​ebot ihnen Latein a​ls einzige Geschäftssprache u​nd zwang s​ie zur Umsiedlung i​n den ärmsten Stadtteil a​m Tiberufer. Am 26. Juli mussten s​ie alle i​n das n​eue Ghetto ziehen.

Papst Pius IV. h​ob einige dieser Maßnahmen seines Vorgängers wieder auf. Er erlaubte, d​ass Juden a​uf Reisen keinen Judenhut tragen mussten, s​o dass s​ie besser v​or Überfällen geschützt waren. Auch d​ie eingezogenen Bücher g​ab er i​hnen zurück. Doch e​r regierte n​ur sechs Jahre; s​ein Nachfolger Pius V. erneuerte 1566 n​ur drei Monate n​ach Amtsantritt d​ie Bulle Cum n​imis absurdum u​nd verbot j​eden Kontakt zwischen Neuchristen (getauften Juden) u​nd Juden: Sie durften n​icht miteinander speisen u​nd das jüdische Ghetto b​ei Folterandrohung n​icht betreten. 1569 w​ies er a​lle Juden a​us dem Kirchenstaat aus. Er rechtfertigte d​ies neben d​en bekannten Gottesmord-Anklagen m​it angeblicher Wahrsagerei u​nd Zauberei. Wer n​ach drei Monaten n​och anzutreffen wäre, würde seinen ganzen Besitz verlieren. Nur d​ie Juden i​n Rom u​nd Ancona w​aren ausgenommen, w​eil er n​ahe dem Heiligen Stuhl i​hre Bekehrung erhoffte.

Damit w​ar die k​urze Phase d​er toleranten Begegnung v​on jüdischen u​nd christlichen Humanisten beendet. Doch anders a​ls der Talmud blieben d​ie Kabbala-Schriften v​on der katholischen Zensur weitgehend unbehelligt u​nd konnten s​ogar neu gedruckt werden: s​o der Sohar 1558/59.

Neuzeit

17. und 18. Jahrhundert

Der lutherische Antijudaismus b​lieb aktiv, e​twa 1699 m​it der Polemik Das schwer z​u bekehrende Juden-Hertz / Nebst einigen Vorbereitungs-Mitteln z​u der Jüden Bekehrung d​es Celler Konsistorialpredigers Sigismund Hosmann.[51]

Doch traten s​eit dem 17. Jahrhundert vermehrt Vertreter e​ines Philosemitismus auf, d​ie eine generelle Verurteilung d​es Judentums ablehnten u​nd auf s​eine Vorzüge hinwiesen: s​o beispielsweise Hugo Grotius, Simon Episcopius (1583–1643), Pierre Jurieu (1637–1713), Johann Christoph Wagenseil (1633–1705). Dieser verlangte sogar, d​ie jüdische Literatur für d​ie christliche Exegese d​er Bibel heranzuziehen. Im Pietismus w​urde Israel a​ls Gottes ersterwähltes Volk d​ann weithin anerkannt, jedoch u​mso mehr versucht, e​s zu Christus z​u bekehren. Die Pietisten erachteten Luthers judenfreundliche Schrift v​on 1523 a​ls theologisch maßgeblich u​nd verdrängten s​eine späteren judenfeindlichen Schriften.

Die Aufklärung beerbte u​nd säkularisierte d​en christlichen Antijudaismus. Einige aufgeklärte Philosophen u​nd Theologen d​es 18. Jahrhunderts, beispielsweise Montesquieu u​nd auf jüdischer Seite Moses Mendelssohn h​aben die rechtliche Gleichstellung d​er Juden verlangt. Diese Entwicklung g​ing jedoch m​it der Abkehr v​on den biblischen Traditionen einher. Sie verallgemeinerte d​ie Besonderheit v​on Juden- u​nd Christentum z​u einer humanen Idee, Moral u​nd Religiosität.

Deutscher Bund

Karte der Hep-Hep-Krawalle 1819

Nach d​er Napoleonischen Zeit w​urde im Deutschen Bund über d​ie Judenemanzipation gestritten. Ein bekennender Gegner d​er rechtlichen Gleichstellung w​ar u. a. Peter Beuth. Die Frage führte schließlich z​u den Hep-Hep-Krawallen, b​ei denen s​ich zwischen August u​nd Oktober 1819 z​u einer Welle gewaltsamer antijüdischer Ausschreitungen i​n über 80 Städten u​nd Ortschaften d​es Deutschen Bundes u​nd über s​eine Grenzen hinaus reigneten, insbesondere a​uch in Dänemark. Sie gelten a​ls der größte überregionale Aufruhr i​m Deutschen Bund i​n der Restaurationsphase b​is zur Revolution v​on 1848. In Würzburg, w​o die Krawalle a​m 2. August 1819 i​hren Anfang nahmen, i​n Frankfurt a​m Main u​nd in Hamburg herrschten über mehrere Tage hinweg pogromartige Zustände, d​ie erst d​urch den Einsatz v​on Militär beendet werden konnten. Aus weiteren 15 Orten s​ind schwere Ausschreitungen überliefert, insbesondere a​us Franken, Baden, Dänemark u​nd Danzig.[52] Die Mehrheit d​er Vorfälle w​aren Menschenaufläufe, d​ie „Hep-Hep“-Rufe skandierten, Steinwürfe g​egen jüdische Wohn- u​nd Geschäftshäuser u​nd körperliche Angriffe a​uf deren jüdische Bewohnerinnen u​nd Bewohner. Bei d​en Hep-Hep-Krawallen g​ab es k​eine jüdischen Todesopfer, allerdings wurden i​n Würzburg a​m 3. u​nd 4. August 1819 b​ei Schießereien e​in Angreifer u​nd ein Soldat getötet. Die Hep-Hep-Krawalle hatten i​n vielen Ländern d​es Deutschen Bundes e​inen Rückschritt d​er Judenemanzipation z​ur Folge.

Polen

Polen, d​as ab 1138 d​em feudalen Partikularismus i​n Teilherrschaften erlag, w​urde unter Władysław I. Ellenlang (reg. 1306–1333, a​b 1320 König v​on Polen) e​in geeintes Königreich. Sein Sohn, Kasimir „der Große“ (reg. 1333–1370, a​b 1333 König v​on Polen), festigte politisch, ökonomisch u​nd militärisch d​as väterliche Erbe d​urch grundlegende Reform u​nd Reorganisation d​es Staatsapparats. 1367 erlaubte e​r Juden d​ie freie Ansiedlung u​nd gewährte i​hnen Gewerbe- u​nd Steuerfreiheit. Dies w​ar damals außergewöhnlich u​nd bewirkte e​inen Zustrom v​on jüdischen Einwanderern a​us ganz Europa. Sie blieben h​ier nicht a​uf das Geldgeschäft beschränkt u​nd stellten b​ald in g​anz Polen e​inen Hauptanteil a​n der Schicht d​es Kleinbürgertums. Zudem lebten s​ie meist i​n eigenen Stadtbezirken, d​em „Schtetl“, u​nd hatten d​ort ihre eigene Verwaltung, d​ie „Kahale“. So standen s​ich Juden u​nd Polen w​ie zwei Volksgruppen gegenüber.

Im 16. Jahrhundert machte d​ie polnische Aristokratie Juden häufig z​u ihren Gutsverwaltern u​nd Geschäftsführern. Nach d​er Union Polens m​it Litauen, 1569, wurden Juden m​eist Landverpächter ukrainischer Bauern u​nd zogen s​ich als „Ausbeuter“, „Fremde“ u​nd „Ungetaufte“ d​eren Hass zu. Der Kosakenaufstand v​on 1649 g​ing mit Massakern d​er Bauernheere a​n etwa 10.000 polnischen Juden u​nd Katholiken einher. Beide fochten i​n der Schlacht b​ei Beresteczko 1651 Seite a​n Seite dagegen.

Gegen Ende d​es 18. Jahrhunderts g​ing Polen a​ls Staat unter. Das beendete d​ort die Toleranz g​egen andere Religionen u​nd Minderheiten. Es k​am zu zahlreichen Ritualmordprozessen u​nd Lynchmorden a​n Juden. Nach e​iner Beschwerde i​hres Vertreters u​nd einer Empfehlung d​es mit d​er Untersuchung d​er Vorwürfe beauftragten Kardinals Ganganelli, d​es späteren Papstes Clemens XIV., verdammte Papst Benedikt XIV. 1758 d​ie „Blutlüge“. Der polnische König August III. bestätigte d​ies 1763 u​nd setzte d​amit den Pogromen vorerst e​in Ende.

Im Zuge d​er rechtlichen Gleichstellung d​er Juden w​urde 1764 d​ie jüdische Selbstverwaltung i​n Polen abgeschafft. Zudem spaltete s​ich das polnische Judentum i​n Chassidim („Fromme“) u​nd Mitnaggedim (populäre Mystiker u​nd orthodoxe Talmudisten). Der Hajdamakennaufstand v​on 1768 brachte erneute Bauernmassaker a​n Juden.

Der „Vierjährige Reichstag“, d​er von 1788 a​n Staats- u​nd Wirtschaftsreformen beschloss, änderte nichts a​n der Lage d​er Juden. Das polnische Bürgertum lehnte i​hre Gleichstellung ab, wollte s​ie aber zugleich z​ur Assimilation zwingen. Selbst progressive Reformer w​ie Pater Stanisław Staszic s​ahen sie a​ls „Heuschreckenplage“ u​nd „Schmarotzerhaufen“.

Um i​hren Patriotismus z​u zeigen, nahmen v​iele Juden w​ie Berek Joselewicz 1794 a​m Aufstand v​on Tadeusz Kościuszko g​egen die Teilungen Polens teil. Ein jüdisches Regiment f​iel am 4. November i​m Kampf für Polens Freiheit u​nd Einheit g​egen die russischen Eroberer.

Napoleon Bonaparte gründete 1807 e​in vom Ersten Französischen Kaiserreich politisch abhängiges Herzogtum Warschau. Doch e​r nahm d​ie im Code Napoléon verankerte Gleichberechtigung d​er Juden s​chon 1808 wieder zurück. Dem folgte d​er Herzog Friedrich August v​on Sachsen m​it einem Dekret, d​as den Juden d​ie Bürgerrechte für 10 Jahre aberkannte, b​is sie s​ich assimiliert hätten. Juden, d​ie sich i​m Lebensstil g​anz den Christen anpassten, erhielten jedoch z​ur Antwort:

„Wie können a​ber die s​ich zu d​en mosaischen Gesetzen Bekennenden dieses Land a​ls ihr Vaterland ansehen? Sind s​ie nicht v​on dem Wunsche beseelt, i​n die Heimat i​hrer Vorfahren zurückzukehren? Fühlen s​ie sich n​icht als e​ine Nation für sich? Mit d​er Änderung d​er Tracht i​st es n​och lange n​icht getan.“

So w​urde das Judentum a​uf den v​on Preußen, Österreich u​nd Russland besetzten Gebieten Polens u​nd Litauens weniger a​ls Religionsgemeinschaft d​enn als eigenes Volk betrachtet u​nd ausgegrenzt. Daran knüpfte d​er polnische Nationalismus u​nd Antisemitismus i​n Teilen d​er Bevölkerung i​m 19. Jahrhundert f​ast nahtlos an.

Deutsches Kaiserreich

Im Kulturprotestantismus d​es 19. Jahrhunderts w​urde es z​ur Regel, d​en angeblich überlegenen Universalismus u​nd Moralismus d​er „absoluten“ christlichen Religion a​m unterlegenen, engen, materialistischen, überholten Judentum z​u profilieren. Gerade d​ie idealistischen u​nd romantischen Heroen d​es Geistes erwiesen s​ich als hilflos u​nd anfällig für d​en um s​ich greifenden sozialdarwinistischen u​nd rassistischen Antisemitismus.

Dazu k​am eine Politisierung d​es lutherischen Christentums w​ie bei d​em Berliner Hofprediger Adolf Stöcker. Er berief s​ich dazu allerdings n​och nicht a​uf Luthers antijüdische Schriften. Erst nicht- o​der anti-christliche Antisemiten entdeckten d​iese ab 1879 wieder u​nd benutzten s​ie für i​hre antisemitische Propaganda.

In d​er katholischen Kirche w​ar damals e​in „doppelter Antisemitismus“ üblich:[53] In e​iner Phase d​es Ultramontanismus u​nd Antimodernismus lehnte m​an in Artikeln u​nd Verlautbarungen z​war den Radau-Antisemitismus u​nd den rassistischen Antisemitismus a​ls mit d​em Christentum unvereinbar a​b (was n​icht ausschloss, d​ass einzelne Vertreter a​uch der Rassenideologie entlehnte Stereotype i​n ihre Polemiken einfließen ließen). Andererseits erlaubte u​nd gebot m​an den Gläubigen d​as Eintreten g​egen den vermeintlich schädlichen Einfluss v​on Juden v​or allem i​m Wirtschafts- u​nd Kulturleben u​nd unterstellte Juden o​ft einen Hass u​nd entsprechende Agitation g​egen das Christentum a​ls solches. Dieser doppelte Antisemitismus umfasste n​eben altbekannten religiösen a​uch ältere weltliche Topoi w​ie den Vorwurf d​er Wucherei a​ls auch neuere Anschuldigungen w​ie die e​ines jüdischen Weltmachtstrebens. Laut Olaf Blaschke[54] reichte dieses Denken b​is ins 20. Jahrhundert hinein, e​twa im Bamberger Bistumsorgan St. Heinrichsblatt u​nd Klerusblatt, d​ie sich 1937 n​ach bereits erfolgter weitgehender staatlicher Entrechtung d​er Juden g​egen den Begriff „Judenkirche“ verwahrten: „Daß d​ie katholische Kirche i​n Deutschland unsere einheimische Rasse Jahrhunderte l​ang schützte, beweisen unsere katholischen Tauf- u​nd Ehebücher, d​ie heute n​och als alleinige Zeugen für d​ie arische Abstammung herangezogen werden.“ Die Kirche s​ei „im schroffsten u​nd schärfsten Gegensatz z​ur Synagoge v​on Christus gestiftet“ worden.

Weimarer Republik

Die Novemberrevolution 1918 beendete m​it der Monarchie d​ie Oberaufsicht d​es Kaisers über d​ie Kirche (Summepiskopat) u​nd das „Landesherrliche Kirchenregiment“, a​lso das Recht d​er Landesregierungen, d​ie höchsten Kirchenbeamten einzusetzen. Die Weimarer Verfassung gestattete d​en evangelischen Kirchen erstmals weitgehende Selbstverwaltung n​ach rein kirchlichen Gesichtspunkten. Das Synodalprinzip stärkte d​ie Laien gegenüber Pastoren u​nd Bischöfen.

1922 gründete s​ich der Deutsche Evangelische Kirchenbund (DEK) a​ls gemeinsames Dach bekenntnisgebundener Landeskirchen. Das Konzept e​iner „Volkskirche“, d​eren Gemeinden a​uf kommunaler Ebene v​on der Bevölkerung getragen u​nd für i​hre Belange o​ffen sein sollten, konnte s​ich nun entfalten. Diese ungewohnte Unabhängigkeit v​om Staat verunsicherte v​iele evangelische Pastoren, d​ie sich i​n der Kaiserzeit i​m deutschnationalen Bürgertum heimisch gefühlt hatten.

Ein Großteil w​ar von Theologen ausgebildet worden, d​ie den Ersten Weltkrieg mittrugen. Die Pfarrer w​aren häufig i​n antisemitischen Studentenverbindungen w​ie dem Verein Deutscher Studenten organisiert. Seit Stoecker u​nd Paul d​e Lagarde hatten s​ich Teile d​es Luthertums d​em rassistischen Antisemitismus geöffnet u​nd diesen a​ls politisches Programm über d​as Kriegsende hinaus etabliert.

In d​er Nachkriegsnot erhielten d​er rückwärts gewandte Nationalismus u​nd Antisemitismus enormen Auftrieb. Juden w​ie Hugo Preuß o​der Walter Rathenau, d​ie seit d​er Revolution i​n Führungspositionen aufsteigen konnten, wurden z​ur Zielscheibe d​es Hasses. Neue bürgerliche Parteien w​ie die DNVP propagierten d​ie Dolchstoßlegende u​nd lasteten a​lle Krisenphänomene d​em „zersetzenden“ Einfluss d​es „Weltjudentums“ an.

Eine Flut v​on Veröffentlichungen stärkte d​iese Propaganda, darunter Oswald Spenglers Untergang d​es Abendlandes: Der Autor stellte d​as Judentum a​ls grenzen- u​nd heimatloses, n​ur materiellen Zielen verhaftetes, u​nter die Völker zerstreutes „Fremdvolk“ dar, d​as wie e​in Naturgesetz d​en Niedergang d​er „Wirtvölker“ u​nd damit Hass u​nd blutige Konflikte erzeugen würde. Das rechtfertigte rassistische „Lösungen“ d​er Judenfrage.

Viele Protestanten standen d​er deutsch-völkischen Bewegung nahe, d​ie die tragenden politischen Kräfte d​er Weimarer Republik, Sozialdemokratie, Liberalismus u​nd katholische Zentrumspartei, erbittert bekämpfte. In i​hren Augen bedrohten d​ie „Gottlosen“ i​m Verbund m​it Katholiken u​nd Juden d​ie Verbindung v​on Volkstum u​nd evangelischer Religion. Dabei behielt d​ie Mehrheit Vorbehalte g​egen den unverblümten Rassismus u​nd wollte d​as Christentum d​em Volkstum überordnen.

Eine Minderheit wandte s​ich jedoch d​er nun aufstrebenden „deutschchristlichen Bewegung“ zu, d​ie das Alte Testament a​ls „jüdische Religionsurkunde“ abwertete u​nd das Christentum „entjuden“ wollte, u​m es m​it „germanischer“ Verehrung v​on „Blut u​nd Boden“ z​u verschmelzen. Von beiden Seiten a​us wurden s​o die Grenzlinien zwischen christlichem Antijudaismus, d​er den Juden d​ie Tür z​ur Kirche offenhielt, u​nd rassistischem Antisemitismus, d​er sie a​us dem Volksglauben geistig u​nd politisch „ausmerzen“ wollte, i​mmer mehr verwischt.

Zeit des Nationalsozialismus

Von diesen Strömungen i​m Kulturprotestantismus d​es Kaiserreichs u​nd der Weimarer Republik ausgehend, h​atte der kirchliche Antijudaismus d​em staatlichen Antisemitismus d​es Nationalsozialismus w​enig entgegenzusetzen. Nationalsozialisten w​ie Julius Streicher, Alfred Rosenberg u​nd das Hetzblatt „Der Stürmer“ knüpften d​abei ab 1938 a​uch an judenfeindliche Aussagen Luthers an, w​obei sie d​eren theologischen u​nd zeitgeschichtlichen Kontext s​tets ignorierten. Deutsche Christen u​nd von i​hnen geführte evangelische Landeskirchen beriefen s​ich in d​er NS-Zeit darauf u​nd rechtfertigten d​amit die Novemberpogrome 1938, d​en Judenstern u​nd somit indirekt a​uch den Holocaust.

Zwar k​am es aufgrund d​er von d​en Deutschen Christen erzwungenen Ausschließung v​on protestantischen Pfarrern jüdischer Abstammung z​ur Gründung d​es Pfarrernotbundes u​nd zu e​inem Kirchenkampf, a​us dem 1934 d​ie Bekennende Kirche hervorging. Doch a​uch in dieser evangelischen Opposition überwogen antijudaistische u​nd obrigkeitshörige Einstellungen, s​o dass e​s zu keinem kirchlichen Widerstand g​egen die i​mmer deutlichere Judenverfolgung d​es NS-Regimes k​am und m​an sich weithin a​uf die Verteidigung kirchlicher Selbstverwaltung g​egen staatliche Eingriffe begrenzte.

Eine Ausnahme w​ar Dietrich Bonhoeffer, d​er sich d​em Widerstand d​es Kreisauer Kreises u​nd Plänen z​u einem Attentat a​uf Hitler anschloss. Schon 1933 a​hnte Bonhoeffer d​as kommende Geschehen i​m Betheler Bekenntnis:

„Wir verwerfen j​eden Versuch, d​ie geschichtliche Sendung irgendeines Volkes m​it dem heilsgeschichtlichen Auftrag Israels z​u vergleichen o​der zu verwechseln. Es k​ann nie u​nd nimmer Auftrag e​ines Volkes sein, a​n den Juden d​en Mord v​on Golgatha z​u rächen.“

Das h​ielt den Holocaust n​icht auf, d​er auch w​egen der jahrhundertelangen kirchlichen Volkserziehung i​m Geist d​es Antijudaismus m​it Hilfe Hunderttausender getaufter Mitläufer durchgeführt werden konnte. Die lutherischen Kirchen erkannten i​hre Mitverantwortung dafür e​rst nach 1945 allmählich an.[55]

Kirchliche Erklärungen seit 1945

Seit d​em Holocaust begannen d​ie Kirchen allmählich, d​en christlichen Antijudaismus theologisch u​nd praktisch aufzuarbeiten u​nd ihr Verhältnis z​um Judentum n​eu zu bestimmen. In d​er ersten Nachkriegserklärung d​er neu gegründeten EKD, d​em Stuttgarter Schuldbekenntnis v​om 19. Oktober 1945, fehlte n​och jeder ausdrückliche Hinweis a​uf die Shoa; selbst d​ie Aussage Martin Niemöllers (Durch u​ns ist großes Leid über v​iele Völker u​nd Länder gekommen) f​and nur g​egen heftigen Widerspruch Eingang i​n den Wortlaut. Erst u​nter dem Einfluss v​on Theologen w​ie Karl Barth, Helmut Gollwitzer u​nd Friedrich-Wilhelm Marquardt k​am es z​u einer theologischen Neubesinnung a​uf die unaufgebbaren jüdischen Wurzeln u​nd Inhalte d​es christlichen Glaubens.

Erst j​etzt begann d​ie EKD, zeitbedingte Judenfeindlichkeit u​nd genuine Wort-Gottes-Theologie b​ei Luther auseinanderzuhalten. Die Deutschen Evangelischen Kirchentage d​er 1960er Jahre leisteten d​abei exegetische, aufklärende u​nd religionsdialogische Arbeiten. Ein Meilenstein z​ur Revision antijudaistischer theologischer Positionen w​ar der Synodalbeschluss z​ur Erneuerung d​es Verhältnisses v​on Christen u​nd Juden, d​en die Evangelische Kirche i​m Rheinland a​m 11. Januar 1980 fasste. Eine Reihe evangelischer Landeskirchen folgte d​em mit ähnlichen Erklärungen u​nd Verfassungsänderungen. Eine Gruppe jüdischer Gelehrter d​es National Jewish Scholars Project h​at diese Bemühungen d​er christlichen Seite i​m September 2000 m​it der Erklärung Dabru Emet gewürdigt.

In vielen Bereichen v​on Kirche u​nd Theologie s​owie im Religionsunterricht bleiben antijudaistische Stereotype jedoch b​is in d​ie Gegenwart hinein wirksam. Kritik finden deshalb manche feministischen Theologinnen.[56] Weiterhin w​ird das rabbinische Judentum o​ft als angeblich äußerliche, a​m „Buchstaben“ haftende Gesetzesfrömmigkeit, a​ls Kasuistik, „Werkreligion“ u​nd ähnlich dargestellt u​nd bildet s​o die Negativfolie für d​ie angeblich ethisch überlegene Lehre Jesu u​nd des Christentums.

Der Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE) wurden 2004 d​urch den Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke judenfeindliche Äußerungen gerichtlich nachgewiesen; a​lle Unterlassungsklagen d​er KPE hiergegen blieben 2010 erfolglos.[57] Der Verlag Anton A. Schmid (auch pro f​ide catholica) i​n Durach (Bayern) publiziert i​n seinem fundamentalistisch katholisch ausgerichteten Buchangebot a​uch religiös antisemitische Eigenveröffentlichungen w​ie die Reihe „Talmudismus – Erzfeind d​er Menschheit“.[58] Papst Benedikt XVI. formulierte 2008 d​ie Karfreitagsfürbitte für d​ie Juden für d​ie Tridentinische Messe neu. Diese Ausnahmefassung stieß a​uf Proteste b​ei Vertretern jüdischer Gemeinden, e​twa dem Zentralrat d​er Juden i​n Deutschland[59] u​nd vielen Christen. Sie w​urde unter anderem a​ls Rückfall hinter d​ie Erklärung Nostra Aetate v​on 1965 beurteilt.[60]

Unter Papst Franziskus verzichtete d​ie römisch-katholische Kirche i​m Dezember 2015 a​uf alle Versuche, Juden z​ur Konversion z​um Christentum z​u bewegen.[61] Im November 2018 distanzierte s​ich auch d​er emeritierte Papst Benedikt XVI. ausdrücklich v​on der katholischen Judenmission, d​ie zuvor jahrhundertelang praktiziert worden war. Selbige s​ei nicht vorgesehen u​nd nicht nötig.[62]

Antijudaismus im Islam

Im v​om Islam geprägten Gebieten (Dār al-Islām) regelte d​as Rechtsinstitut d​er Dhimma d​ie soziale Stellung v​on Juden, Christen u​nd anderen anerkannten religiösen Minderheiten. Juden u​nd Christen galten a​ls Ahl al-kitāb („Leute d​es Buchs“), a​lso Empfänger e​iner schriftlichen Offenbarungsurkunde Allahs. Als Dhimmis („Schutzbefohlene“) durften s​ie ihre Religion ausüben u​nd waren rechtlich geschützt, mussten a​ber besondere Kopfsteuern zahlen, Kleiderordnungen befolgen u​nd durften k​eine Waffen tragen. Diese Regeln wurden jedoch i​n der Geschichte d​es Islam verschieden streng gehandhabt. Es g​ab zeitweise relative Toleranz, z​u anderen Zeiten schwere Verfolgungen, d​ie jedoch n​icht nur Juden betrafen. Eine systematische, i​n der Religion selbst geforderte u​nd kontinuierlich ausgeübte Judenfeindschaft g​ab es i​m mittelalterlichen Islam nicht.[63]

Als d​ie Mauren 713 d​ie iberische Halbinsel eroberten, unterwarfen s​ich die Juden i​hnen bereitwillig, d​a sie i​m Westgotenreich s​eit 587 verfolgt worden waren.[64] Bis z​um Ende d​es Kalifats d​er Umayyaden (1031) bestand i​m islamisch beherrschten al-Andalus e​ine relativ friedliche Koexistenz v​on Christen, Juden u​nd Muslimen, d​ie zu e​inem Kulturaustausch führte.[65]

Im mittelalterlichen Islam wurden n​ur in Marokko u​nd Persien zeitweise Ghettos für Juden eingerichtet.[66] Massaker a​n Juden (Córdoba 1013, Fès 1033, Granada 1066, Marrakesch 1232) blieben lokale Ausnahmen. Gewaltsame Übergriffe a​uf Juden w​aren im Islam seltener a​ls im christlichen Europa.[67]

Als Spaniens christliche Herrscher d​ie Juden u​nd Muslime i​hres Landes endgültig vertrieben (1492), l​uden islamische Herrscher s​ie in i​hr Osmanisches Reich e​in und erlaubten a​us Europa geflohenen Juden auch, s​ich erstmals s​eit der Zerstörung d​es Jerusalemer Tempels (70) wieder i​m früheren Israel-Palästina anzusiedeln.

Bis z​um Ersten Weltkrieg konnten jüdische Gemeinden i​m Osmanischen Reich aufblühen.[68]

Durch d​ie Expansion n​ach Europa lernten d​ie osmanischen Behörden v​on griechisch-orthodoxen Christen antijudaistische Stereotype kennen. Auf d​eren Betreiben k​am es 1840 z​ur Damaskusaffäre, d​er ersten Ritualmordanklage g​egen Juden i​n der islamischen Welt. Erst s​eit dem Palästinakonflikt d​er 1920er Jahre, i​n größerem Maß e​rst seit Israels Staatsgründung 1948, übernahmen Teile d​er arabisch-islamischen Eliten a​us europäischen u​nd amerikanischen Quellen antisemitische Verschwörungstheorien.[63] (Siehe Geschichte d​es Antisemitismus s​eit 1945#Arabische u​nd islamische Staaten).

Weiterführende Informationen

Siehe auch

Literatur

Quellen

  • Karl Heinrich Rengstorf, Siegfried von Kortzfleisch (Hrsg.): Kirche und Synagoge. Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung mit Quellen (= dtv 4478, 1–2). 2 Teilbände. Klett-Cotta im Deutschen Taschenbuch-Verlag, München 1988, ISBN 3-12-906720-5 (Band 1), ISBN 3-12-906730-2 (Band 2).
  • Heinz Schreckenberg: Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld (1.–11. Jh.) (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 23: Theologie. Bd. 172). 4., überarbeitete und ergänzte Auflage. Lang, Frankfurt am Main u. a. 1999, ISBN 3-631-33945-3.

Gesamtdarstellungen

  • Robert Michael: A History of Catholic Antisemitism. The Dark Side of the Church. Palgrave Macmillan, New York NY u. a. 2008, ISBN 0-230-60388-2 (englisch).
  • Rainer Kampling: Im Angesicht Israels. Studien zum historischen und theologischen Verhältnis von Kirche und Israel (= Stuttgarter biblische Beiträge. 47). Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2002, ISBN 3-460-00471-1.
  • Wolfgang Benz: Bilder vom Juden. Studien zum alltäglichen Antisemitismus (= Beck'sche Reihe. 1449). Beck, München 2001, ISBN 3-406-47575-2.
  • Walter Dietrich, Martin George, Ulrich Luz (Hrsg.): Antijudaismus – Christliche Erblast. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1999, ISBN 3-17-016095-8.
  • Gerhard Czermak: Christen gegen Juden. Geschichte einer Verfolgung. Aktualisierte Neuausgabe. Eichborn, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-8218-1133-1.
  • Friedrich Heer: Gottes erste Liebe. Die Juden im Spannungsfeld der Geschichte (= Ullstein-Buch 34329 Ullstein-Sachbuch). Durchgesehene und um das Schlusskapitel „Rückblick und Ausblick“ erweiterte Lizenzausgabe. Ullstein, Frankfurt am Main u. a. 1986, ISBN 3-548-34329-5.
  • Malcolm V. Hay: The Roots of Christian Anti-Semitism. Freedom Library Press, New York NY 1981, ISBN 0-88464-033-7.

Spätantike

  • Peter Landesmann: Der Antijudaismus auf dem Weg vom Judentum zum Christentum (= Wiener Vorlesungen. Forschungen. Bd. 4). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2012, ISBN 978-3-631-61833-2.
  • Jeremy F. Worthen: The Internal Foe. Judaism and Anti-Judaism in the Shaping of Christian Theology. Cambridge Scholars Publishing, Newcastle 2009, ISBN 978-1-4438-0207-9 (englisch).
  • John G. Gager: The Origins of Anti-Semitism. Attitudes Toward Judaism in Pagan and Christian Antiquity. Oxford University Press, New York NY u. a. 1985, ISBN 0-19-503607-7 (englisch).

Mittelalter

  • Gerd Mentgen: Die Judenvertreibungen im mittelalterlichen Reich. Ein Forschungsbericht. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden. Jg. 16, Nr. 2, 2006, ISSN 1016-4987, S. 367–403, doi:10.1515/ASCH.2008.367.
  • Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52903-8.
  • David I. Kertzer: Die Päpste gegen die Juden. Der Vatikan und die Entstehung des modernen Antisemitismus. Propyläen, Berlin 2001, ISBN 3-549-07147-7.
  • Jeremy Cohen: Living Letters of the Law. Ideas of the Jew in Medieval Christianity. University of California Press, Berkeley / CA 1999, ISBN 0-520-21870-1.
  • Jeremy Cohen: The Jews as the Killers of Christ in the Latin Tradition, from the Augustine to the Friars. In: Traditio. Bd. 39, 1983, ISSN 0362-1529, S. 1–27, JSTOR 27831127.
  • Sara Lipton: Dark Mirror, the Medieval Origins of Anti-Jewish Iconography. Metropolitan Books, Henry Holt and Company, New York City 2014, ISBN 978-0-8050-7910-4.

Frühe Neuzeit

  • Heiko A. Oberman: Wurzeln des Antisemitismus. Christenangst und Judenplage im Zeitalter von Humanismus und Reformation. 2., durchgesehene Auflage. Severin und Siedler, Berlin 1981, ISBN 3-88680-023-7.
  • Hans-Martin Kirn: Das Bild vom Juden im Deutschland des frühen 16. Jahrhunderts. Dargestellt an den Schriften Johannes Pfefferkorns. Mohr, Tübingen 1989, ISBN 3-16-745354-0.
  • Max Sebastián Hering Torres: Rassismus in der Vormoderne. Die „Reinheit des Blutes“ im Spanien der Frühen Neuzeit. Campus, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-593-38204-0.
  • Edith Wenzel: „Do worden die Judden alle geschant“. Rolle und Funktion der Juden in spätmittelalterlichen Spielen. Fink, München 1992, ISBN 3-7705-2743-7.
  • Markus Wenninger: Man bedarf keiner Juden mehr, Ursachen und Hintergründe ihrer Vertreibung aus den deutschen Reichsstädten im 15. Jahrhundert. Böhlau, Wien 1981, ISBN 3-205-07152-2.

Martin Luther

Islam

  • Bernard Lewis: Christians and Jews in the Ottoman Empire. Teil 2: The functioning of a plural society. A conference in Princeton, N.J., 1978: The Arabic-speaking lands. Holmes & Meier, New York, NY 1982, ISBN 0-8419-0519-3.
  • Bernard Lewis: Die Juden in der islamischen Welt. Vom frühen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. (1987) Beck, München 2004, ISBN 978-3-406-51074-8.

Neuzeit

  • Peter Blastenbrei: Johann Christoph Wagenseil und seine Stellung zum Judentum. Harald Fischer, Erlangen 2004, ISBN 3-89131-409-4.
  • Michael Ley: Holokaust als Menschenopfer. Vom Christentum zur politischen Religion des Nationalsozialismus. Lit, Münster 2002, ISBN 3-8258-6408-1.
  • Gerhard Lindemann: Antijudaismus und Antisemitismus in den evangelischen Landeskirchen während der NS-Zeit. In: Reinhard Rürup (Hrsg.): Protestantismus und Nationalsozialismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 575–607.

Nach 1945

  • Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (Hrsg.): Christen und Juden I–III. Die Studien der Evangelischen Kirche in Deutschland 1975–2000. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2002, ISBN 3-579-02374-8.
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Wiktionary: Antijudaismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelbelege

  1. Johannes Heil: Antijudaismus und Antisemitismus. Begriffe als Bedeutungsträger. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Jahrbuch für Antisemitismusforschung. Frankfurt am Main 1997, S. 92–114.
  2. Nichals R.M. de Lange: Artikel Antisemitismus IV. Alte Kirche. In: Theologische Realenzyklopädie Band 3, Walter de Gruyter, Berlin 1978, ISBN 3-11-007462-1, S. 128.
  3. Ferdinand Hahn: Theologie des Neuen Testaments, Band 2. Mohr/Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148737-0, S. 79.
  4. Ferdinand Hahn: Theologie des Neuen Testaments, Band 2. Tübingen 2005, S. 391.
  5. Ekkehard Stegemann: Der Jude Paulus und seine antijüdische Auslegung. In: Christina Tuor, Peter Wick, Ekkehard W. Stegemann (Hrsg.): Paulus und die Welt. Theologischer Verlag, Zürich 2005, ISBN 3-290-17364-X, S. 39.
  6. Günter Wasserberg: Aus Israels Mitte, Heil für die Welt. Walter de Gruyter, Berlin 1998, ISBN 3-11-015864-7, S. 26.
  7. Matthias Blum: Neues Testament. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Walter de Gruyter, Berlin 2010, ISBN 3-11-023379-7, S. 237.
  8. Hans Hermann Henrix: Judentum und Christentum: Gemeinschaft wider Willen. 2. Auflage, Verlagsgemeinschaft topos plus / Friedrich Pustet, Regensburg 2008, ISBN 978-3-8367-0525-7, S. 32.
  9. Nicholas R.M. de Lange: Antisemitismus IV: Alte Kirche. In: Theologische Realenzyklopädie Band 3, S. 128–137, hier s. 128f.
  10. Nicholas R.M. de Lange: Antisemitismus IV: Alte Kirche. In: Theologische Realenzyklopädie Band 3, S. 129f.
  11. Edward H. Flannery: The Anguish of the Jews. Twenty-Three Centuries of Antisemitism . 2. Auflage, Paulist Press, Mahwah 2004, ISBN 0-8091-4324-0, S. 51.
  12. Nicholas R.M. de Lange: Antisemitismus IV: Alte Kirche. In: Theologische Realenzyklopädie Band 3, S. 131.
  13. Heinz Schreckenberg: Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld. Band I: 1.–11. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1999, S. 564.
  14. Jörg Ulrich: Euseb von Caesarea und die Juden. Walter de Gruyter, 1998, ISBN 3-11-016233-4, S. 66; Lutz Doering, Hans-Günther Waubke, Florian Wilk: Judaistik und neutestamentliche Wissenschaft: Standorte - Grenzen - Beziehungen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 3-525-53090-0, S. 367.
  15. Karl Leo Noethlichs: Die Juden im christlichen Imperium Romanum (4. bis 6. Jahrhundert). Oldenbourg Akademieverlag, 2001, ISBN 3-05-003431-9, S. 93f.
  16. Karl Heinrich Rengstorf, Siegfried von Kortzfleisch (Hrsg.): Kirche und Synagoge: Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung mit Quellen, Band 1. 1968, S. 94.
  17. Heinz Schreckenberg: Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld. Band I: 1.— 11. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1999, S. 357ff.
  18. Ernst Bammel: Die Zeugen des Christentums. In: Herbert Frohnhofen: Christlicher Antijudaismus und jüdischer Antipaganismus: Ihre Motive und Hintergründe in den ersten drei Jahrhunderten. Theologischer Verlag, Zürich 1990, ISBN 3-927043-13-3, S. 171.
  19. Hans-Joachim Barkenings: Der Erste Kreuzzug 1096 und seine Folgen: die Verfolgung von Juden im Rheinland. Evangelische Kirche im Rheinland, 1996, ISBN 3930250098, S. 127.
  20. Alfred Haverkamp: Juden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge (= Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte. Vorträge und Forschungen. Bd. 47). Jan Thorbecke, Stuttgart 1999, ISBN 3-7995-6647-3, S. 291.
  21. Fritz Backhaus: Die Hostienschändungsprozesse von Sternberg (1492) und Berlin (1510) und die Ausweisung der Juden aus Mecklenburg und der Mark Brandenburg. In: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte. Band 39 (1988). S. 7–26.
  22. Vgl. überblicksweise Yosef Hayim Yerushalmi: The Inquisition and the Jews of France in the Time of Bernard Gui. In: The Harvard Theological Review. Bd. 63, Nr. 3, 1970, ISSN 0017-8160, S. 317–376, doi:10.1017/S001781600002544X.
  23. Monika Grübel: Schnellkurs Judentum. 5. Auflage. Köln 2003, ISBN 3-8321-3496-4, S. 71 f. (Abschnitt: Vorwurf der Hostienschändung).
  24. Fritz Backhaus: Die Hostienschändungsprozesse von Sternberg (1492) und Berlin (1510) und die Ausweisung der Juden aus. In: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte. Band 39 (1988), S. 7–26.
  25. Klaus Bergdolt: Der schwarze Tod. Die große Pest und das Ende des Mittelalters. 5. Auflage, C.H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-45918-8, S. 149.
  26. Bernhard Lohse: Luthers Theologie in ihrer historischen Entwicklung und in ihrem systematischen Zusammenhang. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1995, ISBN 3-525-52196-0, S. 357f.
  27. Günter Jerouschek, Wolfgang Behringer (Hrsg.): Heinrich Institoris, Jakob Sprenger: Der Hexenhammer. Deutscher Taschenbuch Verlag, 2000, ISBN 3-423-30780-3, S. 41–43.
  28. Klaus-Peter Lehmann: Urteil statt Vorurteil. Reformation und Antijudaismus. ImDialog. Evangelischer Arbeitskreis für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau, 2010, abgerufen am 16. Mai 2018.
  29. Markus J. Wenninger: Man bedarf keiner Juden mehr. S. 159 f.
  30. erstmalige Vertreibung durch Kurfürst Friedrich II. und dessen Bruder Friedrich den Fetten s. Fritz Backhaus: Die Hostienschändungsprozesse von Sternberg (1492) und Berlin (1510) und die Ausweisung der Juden aus Mecklenburg und der Mark Brandenburg. In: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte. Band 39 (1988). S. 15.
  31. Markus Wenninger: Man bedarf keiner Juden mehr. S. 251.
  32. Markus J. Wenninger: Man bedarf keiner Juden mehr. S. 191.
  33. Markus J. Wenninger: Man bedarf keiner Juden mehr. S. 194 f.; Arye Maimon: Der Judenvertreibungsversuch Albrechts II. von Mainz und sein Mißerfolg (1515/. 16) in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 4, 1978, S. 191–220.
  34. Wilhelm Schmidt-Biggemann: Geschichte der christlichen Kabbala. Band 1: 15. und 16. Jahrhundert. Frommann Holzboog, 2012, ISBN 3-7728-2569-9, S. 136ff.
  35. Hans-Martin Kirn: Das Bild vom Juden im Deutschland des frühen 16. Jahrhunderts. Mohr, Tübingen 1989, ISBN 3-16-745354-0, S. 73.
  36. Rolf Decot: Luthers Reformation zwischen Theologie und Reichspolitik. Lembeck, Frankfurt am Main 2007, ISBN 3-87476-539-3, S. 363f.
  37. Willehad Paul Eckert: Die Universität Köln und die Juden im späten Mittelalter. In: Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Hrsg.): Jahrbuch 1990–1992. Walter de Gruyter, Berlin 1993, ISBN 3-11-012148-4, S. 503f.; Zitat S. 505.
  38. Friedrich Battenberg: Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2001, ISBN 3-486-55777-7, S. 14f.
  39. Friedrich Battenberg: Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2001, ISBN 3-486-55777-7, S. 85.
  40. Robert Michael: A history of Catholic antisemitism: the dark side of the church. 2008, S. 102.
  41. Erika Rummel: The Case Against Johann Reuchlin: Social and Religious Controversy in Sixteenth-Century Germany. University of Toronto Press, 2002, ISBN 0-8020-8484-2, S. 6.
  42. Guido Kisch: Erasmus' Stellung zu Juden und Judentum. Mohr/Siebeck, Tübingen 1969, ISBN 3-16-830761-0, S. 9–12.
  43. Michael Ley: Holokaust als Menschenopfer. Lit Verlag, 2002, ISBN 3-8258-6408-1, S. 38.
  44. Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen (1543); in Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe, Band 53; Verlag H. Böhlau, 1920; S. 520–526.
  45. Thomas Kaufmann: Luthers Christus und die anderen Religionen. In: Ulrich Heckel, Jürgen Kampmann et al. (Hrsg.): Luther heute: Ausstrahlungen der Wittenberger Reformation. UTB, Göttingen 2017, ISBN 3825247929, S. 371–392, hier S. 383.
  46. Bertold Klappert: Erwählung und Rechtfertigung: Martin Luther und die Juden. In: Bertold Klappert: Miterben der Verheißung. Beiträge zum jüdisch-christlichen Dialog. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2000, S. 105–147.
  47. Leonore Siegle-Wenschkewitz: Wurzeln des Antisemitismus in Luthers theologischem Antijudaismus. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. 2. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1987, ISBN 3-7887-0751-8, S. 351–367.
  48. Peter von der Osten-Sacken: Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31). Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3170175661
  49. Johannes Brosseder: Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten. Interpretation und Rezeption von Luther-Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum. München 1972, ISBN 3-506-70758-2; Siegfried Hermle: „Luther und die Juden“ in der Bekennenden Kirche. In: Harry Oelke et al. (Hrsg.): Martin Luthers „Judenschriften“. Die Rezeption im 19. und 20. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-647-55789-2, S. 161–190.
  50. Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Beck, München 2012, ISBN 3-406-63742-6, S. 464ff.
  51. Der Titel lautete fortgesetzt: „Auf Veranlassung der erschröcklichen Gottes-Lästerung / welche der Jude Jonas Meyer von Wunstorff / als er vor der Fürstl. Residentz-Stadt Zelle / nebst andern hochberüchtigten Dieben den 21. Martii An. 1699. abgethan / und nach dem Qverbalcken des Gerichts / behueff einer Winde, öffentlich in der Lufft schwebende, hinauffgezogen ward / Zu vieler tausend Zuschauer höchster Bestürtzung, ausgerufen / …“; Hieronymus Friederich Hoffmann, Celle 1699.
  52. Zum Forschungsstand zu den Hep-Hep-Krawallen vgl. Werner Bergmann: Tumulte ― Excesse ― Pogrome, 2020, S. 137–183, und Stefan Rohrbacher: Gewalt im Biedermeier, 1993, S. 94–156.
  53. Olaf Blaschke: Heimatgeschichte als Harmonielehre? Warum ausgerechnet stets in ‚unserem‘ Ort Toleranz herrschte und niemals Judenhass. Erklärungen eines Widerspruchs. In: Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hrsg.): Nebeneinander - Miteinander - Gegeneinander? Zur Koexistenz von Juden und Katholiken in Süddeutschland im 19. und 20. Jahrhundert. Bleicher, Gerlingen 2002, S. 137–161.
  54. Olaf Blaschke: Die ‚Reichspogromnacht‘ und die Haltung von katholischer Bevölkerung und Kirche. Mentalitätsgeschichte als Schlüssel zu einem neuen Verständnis? In: Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hrsg.): Nebeneinander - Miteinander - Gegeneinander? Zur Koexistenz von Juden und Katholiken in Süddeutschland im 19. und 20. Jahrhundert. Bleicher, Gerlingen 2002, S. 219.
  55. Folker Siegert (Hrsg.): Kirche und Synagoge: Ein lutherisches Votum. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, ISBN 3525540124, S. 298ff.
  56. Rafaela Eulberg: Jesus, der erste Feminist und der Mord an der Göttin? Antijudaismus in christlich-feministischer Theologie und in Ansätzen postchristlicher Feministinnen. In: Fachschaft Religionswissenschaften der Universität Bonn. Archiviert vom Original am 5. Juli 2009; abgerufen am 19. Dezember 2018.
  57. Georg Restle: Katholischer Fundamentalismus: Pfadfinder auf Abwegen. (pdf, 80 kB) In: ARD-Monitor. 22. Juli 2004, S. 1ff, archiviert vom Original am 8. September 2012; abgerufen am 19. Dezember 2018.
    Zur gerichtlichen Bestätigung siehe „Răspopiţi“ catolici din Austria păcătuiesc în România. In: Adevărul. 4. Mai 2010, abgerufen am 19. Dezember 2018 (rumänisch).
  58. Bundesamt für Verfassungsschutz „Lagebild Antisemitismus“ (Juli 2020), S. 42.
  59. Zentralrat und Rabbiner kritisieren neuen Wortlaut der katholischen Fürbitten. Pressemitteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, 10. März 2008, archiviert vom Original am 27. Februar 2016; abgerufen am 19. Dezember 2018.
  60. Hubert Wolf: Papst und Teufel: Die Archive des Vatikan und das Dritte Reich. 2., durchgesehene Auflage, C.H. Beck, München 2008, ISBN 3-406-57742-3, S. 49.
    Walter Homolka, Erich Zenger (Hrsg.): „… damit sie Jesus Christus erkennen“. Die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden. Herder, Freiburg im Breisgau 2008, ISBN 978-3-451-29964-3.
  61. Tilmann Kleinjung: Nein zur Judenmission. In: Deutschlandfunk-Sendung „Tag für Tag“. 11. Dezember 2015, abgerufen am 19. Dezember 2018.
  62. Erklärung „Nein zur Judenmission – Ja zum Dialog zwischen Juden und Christen“: Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der Deutschen Katholiken am 9. März 2009. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 21. Juli 2013, abgerufen am 19. Dezember 2018.
    ‚Eine Mission der Juden ist nicht vorgesehen und nicht nötig.‘ In: kath.net. 26. November 2018, abgerufen am 19. Dezember 2018.
  63. Michael Kiefer: Islamisierter Antisemitismus. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. De Gruyter / Saur, Berlin 2010, S. 133 f.
  64. Hugh Kennedy: Muslim Spain and Portugal: A Political History of al-Andalus. Routledge, 1996, S. 31.
  65. Ivy Corfis: Al-Andalus, Sepharad and Medieval Iberia: Cultural Contact and Diffusion. Brill, Leiden 2009, ISBN 9004179194, S. 3.
  66. Bernard Lewis: Die Juden in der islamischen Welt. München 2004, S. 34.
  67. Gerhard Czermak: Problemfall Religion: Ein Kompendium der Religions- und Kirchenkritik. Tectum, Marburg 2014, ISBN 978-3-8288-5701-8, S. 643.
  68. Stanford J. Shaw: The Jews of the Ottoman Empire and the Turkish Republic. Palgrave McMillan, 1991, ISBN 978-1-349-12235-6, S. 1–3 und 14.
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