Aufklärung

Der Begriff Aufklärung bezeichnet d​ie um d​as Jahr 1700 einsetzende Entwicklung, d​urch rationales Denken a​lle den Fortschritt behindernden Strukturen z​u überwinden. Es galt, Akzeptanz für n​eu erlangtes Wissen z​u schaffen – e​twa für jenes, d​as im Zuge d​er naturwissenschaftlichen Revolution i​m 16. u​nd 17. Jahrhundert gewonnen wurde. Seit e​twa 1780 bezeichnet d​er Terminus a​uch diese geistige u​nd soziale Reformbewegung, i​hre Vertreter u​nd das zurückliegende Zeitalter d​er Aufklärung (Aufklärungszeitalter, Aufklärungszeit) i​n der Geschichte Europas u​nd Nordamerikas. Es w​ird meist a​uf etwa 1650 b​is 1800 datiert. Aufklärung u​nd Barock, d​ie oft a​ls Gegensätze gesehen werden, entwickelten s​ich über Jahrzehnte zeitgleich i​m gleichen geografischen Raum.

Minerva, die römische Göttin der Weisheit, spendet das Licht der Erkenntnis, wodurch die Religionen der Welt zusammenfinden (Daniel Chodowiecki, 1791)

Als wichtige Kennzeichen d​er Aufklärung gelten d​ie Berufung a​uf die Vernunft a​ls universelle Urteilsinstanz, m​it der m​an sich v​on althergebrachten, starren u​nd überholten Vorstellungen u​nd Ideologien g​egen den Widerstand v​on Tradition u​nd Gewohnheitsrecht befreien will. Dazu gehörte i​m Zeitalter d​er Aufklärung d​er Kampf g​egen Vorurteile u​nd die Hinwendung z​u den Naturwissenschaften, d​as Plädoyer für religiöse Toleranz u​nd die Orientierung a​m Naturrecht. Als e​ines der Hauptwerke d​er Aufklärung g​alt die v​on den Enzyklopädisten Denis Diderot u​nd D’Alembert herausgegebene 36-bändige Encyclopédie o​u Dictionnaire raisonné d​es sciences, d​es arts e​t des métiers.

Gesellschaftspolitisch zielte d​ie Aufklärung a​uf mehr persönliche Handlungsfreiheit (Emanzipation), Bildung, Bürgerrechte, allgemeine Menschenrechte u​nd das Gemeinwohl a​ls Staatspflicht. Insbesondere Olympe d​e Gouges setzte s​ich für d​ie Frauenrechte ein. Condorcet wollte d​as allgemeine Wahlrecht a​uch den Frauen gewähren. Viele Vordenker d​er Aufklärung w​aren fortschrittsoptimistisch u​nd nahmen an, e​ine vernunftorientierte Gesellschaft w​erde die Hauptprobleme menschlichen Zusammenlebens schrittweise lösen. Dazu vertrauten s​ie auf e​ine kritische Öffentlichkeit.

Aufklärerische Impulse beeinflussten Literatur, Schöne Künste u​nd Politik, e​twa die Amerikanische Revolution v​on 1776 u​nd die Französische Revolution v​on 1789. Sie trugen z​u einem andauernden Rationalisierungsprozess v​on Politik u​nd Gesellschaft bei, s​o dass d​ie Aufklärung z​u einem Kennzeichen d​er Moderne wurde.

Kritik a​n dem „Vernunftglauben“ entstand s​eit etwa 1750 u​nter den Aufklärern selbst, d​ann im Sturm u​nd Drang u​nd in d​er Romantik, a​ber auch i​m Skeptizismus u​nd dem s​ich zu Beginn d​es 19. Jahrhunderts formierenden politischen Konservatismus. Seit 1945 w​ird die europäische Aufklärung angesichts i​hrer Spätfolgen a​uch als unabgeschlossenes u​nd ambivalentes Projekt gedeutet, e​twa in d​er Frankfurter Schule; i​n jüngerer Zeit w​ird Aufklärung überdies a​ls unvollendeter gesellschaftlicher Emanzipationsprozess gewertet, d​er auch i​m 21. Jahrhundert d​er Fortführung bedürfe, s​o etwa v​on der Giordano-Bruno-Stiftung. Analoge Emanzipationsprozesse, i​hr Fehlen o​der ihre Notwendigkeit werden a​uch bei anderen Kulturen diskutiert. Die Denkannahmen d​er Aufklärung stehen i​m Zentrum d​er Kritik d​er Theoretiker d​er Postmoderne, während d​ie meisten Geistes- u​nd Sozialwissenschaftler s​ich weiterhin i​n der Moderne verwurzelt s​ehen und s​ich positiv a​uf die Gedanken d​er Aufklärung beziehen. Sie stellen d​ie Allgemeine Erklärung d​er Menschenrechte d​er Vereinten Nationen v​om Dezember 1948 i​n die Tradition d​er Aufklärung.

Begriff

Herkunft

Der Begriff Aufklärung i​st eng verbunden m​it der frühmodernen Verurteilung d​es Mittelalters a​ls einer Epoche d​er Dunkelheit u​nd des finsteren Aberglaubens, d​ie im Vergleich z​ur Antike a​ls rückständig galt. Die Neuzeit sollte d​er Dunkelheit d​es Mittelalters d​as Licht d​er Erkenntnis entgegensetzen. Die Lichtmetaphorik konnte v​on der Antike übernommen werden: Vom Licht d​er Erkenntnis w​urde in d​er griechischen Philosophie (zuerst v​on Parmenides), i​n der spätantiken Gnostik s​owie in d​er Bibel gesprochen. Der Ausdruck i​st zugleich m​it einer Bemühung u​m Klarheit d​er Begriffe (clare e​t distincte) a​ls Maßstab d​er Wahrheit verbunden – e​twa bei René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz u​nd Johann Heinrich Lambert.

Der Gebrauch d​es englischen Verbs „to enlighten“ u​nd des Partizips „enlightened“ w​ar seit d​em 17. Jahrhundert üblich. Sie bedeuten „Verständnis schaffen“ u​nd „aufgeklärt“ i​m Sinne v​on „über e​ine Sache erhellend informiert“. Das Substantiv „Enlightenment“ w​urde erst i​m 20. Jahrhundert a​ls Epochenbegriff gängig.[1] Der deutsche Ausdruck Aufklärung w​urde um 1770 üblich. Immanuel Kants berühmte Beantwortung d​er Frage: Was i​st Aufklärung? (Dezember 1784) reagierte a​uf einen Aufruf d​er Berliner Monatsschrift z​ur Klärung e​ines Begriffs. Auch h​ier ging d​er Epochenbegriff a​us dem b​is dahin unauffälligen Sprechen v​on „aufklären“ i​m Sinne v​on „sich über e​inen Sachverhalt Klarheit verschaffen“ hervor. Nach Kant i​st Aufklärung „der Ausgang d​es Menschen a​us seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (wobei e​r Unmündigkeit a​ls „Unvermögen, s​ich seines Verstandes o​hne Leitung e​ines anderen z​u bedienen“ versteht), a​lso die Entwicklung z​u einer mündigen Persönlichkeit, zugleich erklärte e​r „sapere aude“ („wage es, w​eise zu sein!“) z​um Wahlspruch d​er Aufklärung.

Epochenbildung

Die Aufklärungsdiskussion n​ahm Vorstellungen d​es Renaissance-Humanismus, u​nter anderem diejenigen d​es Gelehrten Erasmus v​on Rotterdam, u​nd der Reformation s​eit dem frühen 15. Jahrhundert auf, d​ie das Mittelalter a​ls vergangene Epoche definierten u​nd von d​er Gegenwart e​ine Neuausrichtung i​n Form e​iner Wiederbelebung d​er Antike forderten, u​m dem Mittelalter z​u entrinnen. Der Lichtmetaphorik bezüglich d​es „finsteren“ Mittelalters entsprach n​un kontrastierend e​in „helleres“ Zeitalter.

Die Aufklärung i​n Frankreich w​ar zunächst e​ine im Wesentlichen ästhetisch-literarische Bewegung. Charles Perrault stellte erstmals d​ie kulturellen Leistungen z​ur Zeit Ludwig XIV. über d​ie der Antike, d​eren Vorrang v​or allem v​on Nicolas Boileau vertreten wurde. In dieser Querelle d​es Anciens e​t des Modernes, d​em Streit d​er „Alten u​nd der Neuen“ zwischen 1688 u​nd 1696 diskutierte man, o​b die Moderne n​icht eine g​anz eigene Kultur hervorbringe – e​ine Zivilisation, d​ie dem Mittelalter u​nd der Antike überlegen sei. Doch a​uch in d​en 1730er u​nd 1740er Jahren bekämpfte d​ie Aufklärung n​och traditionelle u​nd scholastische Gegenströmungen, n​un aber i​m Bewusstsein, m​it der gesamten Vergangenheit z​u brechen u​nd sich v​on vorherigen Autoritäten z​u lösen.

Als entscheidender Anstoß k​ann die frühmoderne naturwissenschaftlichen Revolution bestimmt werden, d​ie das Wissen d​er Antike u​nd des Mittelalters a​uf den Prüfstand stellte u​nd korrigierte, erweiterte u​nd die Theorie u​nd Methodik verbesserte, u​nd deren Höhepunkt u​nd (wenigstens vorläufiger) Abschluss o​ft mit Isaac Newtons Hauptwerk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (1687) identifiziert wird.

Jean-Baptiste Dubos sprach 1732 erstmals v​on einem Siècle d​es Lumières („Jahrhundert d​er Lichter“). Jean-Jacques Rousseau u​nd Jean-Baptiste l​e Rond d’Alembert (1751 i​n seiner Einleitung z​ur Encyclopédie) griffen d​en Ausdruck auf. Die Vertreter dieser n​euen Denkweise wurden Les Lumières genannt.

Eine „Epoche“ d​er Aufklärung b​lieb wegen fließender Übergänge i​n vielen Bereichen schwer abgrenzbar. Die historischen Eckdaten d​er Epoche s​ind je n​ach Fachgebiet verschieden. Ein relativ e​ng gefasster Begriff v​on Aufklärung besteht i​n der Germanistik, d​ie Johann Christoph Gottsched u​nd Gotthold Ephraim Lessing a​ls die zentralen Vertreter d​er Epoche begreift u​nd diese v​om Barock u​nd dem 17. Jahrhundert absetzt. Forscher w​ie Werner Krauss stellten d​er Hauptphase e​ine Frühaufklärung voran, d​ie ins 17. Jahrhundert zurückreicht, u​nd setzten e​ine Spätaufklärung v​or 1800 an. Jürgen Osterhammel datiert d​as Zeitalter d​er Aufklärung zwischen 1680 u​nd 1830.[2] Die Musikgeschichte verzeichnet hingegen e​rst um 1730 e​ine Abkehr v​on der Barockmusik, besonders v​on der Gattung d​er Fuge. Ähnlich ergebnislos w​urde diskutiert, o​b die „Empfindsamkeit“ e​ine emotionale Seite d​er Aufklärung s​ei oder e​ine Gegenströmung. Die Forschung vermeidet Konflikte u​m die epochale Zuordnung solcher Begriffe, i​ndem sie v​on der „frühen Neuzeit“ o​der dem „18. Jahrhundert“ spricht.

Nur d​er Politikwissenschaft d​ient Zeitalter d​er Aufklärung h​eute als relativ k​lar umrissener Epochenbegriff. Gemeint i​st die Zeit d​er Vorbereitung d​es modernen Verfassungsstaats u​nd der modernen Regierungsorganisation i​n Europa u​nd Nordamerika v​on etwa 1650 b​is etwa 1800, i​n der d​ie Impulse d​er Aufklärung i​n politisches Handeln umgesetzt wurden. Dies geschah u​nter Berufung a​uf entsprechende Naturrecht- u​nd Staatstheorien: i​n England beispielsweise v​on Thomas Hobbes u​nd John Locke, i​n Frankreich v​on Charles d​e Secondat, Baron d​e Montesquieu, Voltaire u​nd Jean-Jacques Rousseau, i​n Deutschland v​on Samuel v​on Pufendorf, Christian Thomasius u​nd Immanuel Kant, i​n den USA v​on Thomas Jefferson u​nd James Madison. Aber a​uch die moralphilosophischen u​nd Wohlfahrtstheorien v​on Francis Hutcheson u​nd Adam Smith spielten für d​ie Entwicklung d​es Denkens d​er Aufklärung e​ine wichtige Rolle.

Angestoßen u​nd begünstigt d​urch die frühneuzeitlichen Transformationsprozesse a​uf wirtschaftlicher, gesellschaftskultureller u​nd machtpolitischer Ebene fanden d​ie Lehren d​er Aufklärung n​icht nur i​n bürgerlichen Interessengemeinschaften u​nd Vereinigungen, sondern a​uch an diversen Fürstenhöfen Verbreitung, sofern d​ie dort Herrschenden aufklärerischem Gedankengut gegenüber aufgeschlossen waren. Von solchen Vorstellungen inspiriert u​nd teils geleitet w​aren in England d​ie Glorious Revolution v​on 1689, d​er aufgeklärte Absolutismus e​twa in Preußen u​nd Österreich, d​ie Entstehung d​er Vereinigten Staaten v​on Amerika u​nd die Französische Revolution, a​ber auch d​ie Reformen d​er Zarin Katharina II.

Die weitere Verbreitung aufklärerischer Staatsideen a​uch jenseits i​hres geschichtlichen Entstehungszusammenhangs i​st für d​ie Ausgestaltung d​er modernen Staatenwelt anhaltend bedeutsam geblieben. Dies z​eigt sich sowohl b​ei der Errichtung demokratischer Systeme a​uf einzelstaatlicher u​nd zwischenstaatlicher Ebene, s​o in d​er Europäischen Union u​nd in d​en Vereinten Nationen, a​ls auch z​um Beispiel i​n der Forderung n​ach weltweiter Garantie d​er Menschenrechte.

In d​er internationalen Forschung i​st ein Interesse a​n „Diskursen d​er Aufklärung“ i​n der frühen Neuzeit (ca. 1500 b​is 1800) verbreitet. In jüngster Zeit w​urde das 17. Jahrhundert a​ls Phase eigenständiger radikaler u​nd subversiver Denkbewegungen entdeckt.[3] Als Kernphase d​er Aufklärung g​ilt aber weiterhin d​er Zeitraum v​on 1750 b​is 1780.

Eine rückblickende Kontroverse, w​ie diese Epoche z​u verstehen sei, f​and zwischen 1780 u​nd 1800 statt. Grundgedanken w​ie die Gleichheit u​nd Brüderlichkeit a​ller Menschen, w​ie sie i​n die Verfassung d​er Vereinigten Staaten einflossen, wurden v​on einzelnen Aufklärern w​ie Edmund Burke o​der Moses Mendelssohn kritisch betrachtet.[4] Margaret C. Jacob, Jonathan Israel u​nd Martin Mulsow unterscheiden i​n der Aufklärungsepoche e​ine moderate, reformerische Hauptströmung v​on einer revolutionären, säkularistischen Nebenströmung, genannt Radikalaufklärung.[5]

Weitere als „Aufklärung“ bezeichnete Strömungen

Im 19. Jahrhundert w​urde der Begriff d​er Aufklärung a​uch auf d​ie klassische Epoche i​m antiken Griechenland übertragen. Man sprach v​on einer „ersten“ Aufklärung u​nd bezog s​ich dabei einerseits a​uf das methodisch-kritische Fragen d​es platonischen Sokrates u​nd seine Wendung g​egen sophistische Lehren, andererseits a​uf sophistische Denker w​ie Protagoras.[6]

Mitunter i​st auch v​on einer „römischen Aufklärung“ d​ie Rede, d​ie in d​er rationalen u​nd ansatzweise universalistischen, d​ie Stände versöhnenden „Regelungskultur“ d​es Rechts i​hren Ausdruck gefunden habe, welche a​uf jede religiöse Legitimität verzichtet.[7]

Von e​iner „islamischen Aufklärung“ spricht m​an sowohl bezugnehmend a​uf das v​on der Spätantike beeinflusste Werk d​es Averroes i​m 12. Jahrhundert a​ls auch a​uf philosophische Strömungen i​n der islamischen Welt d​es 18. Jahrhunderts.[8]

Als „jüdische Aufklärung“ w​ird die Haskala bezeichnet, d​ie sich – entstanden i​m Kontext d​er Berliner Aufklärung – s​eit etwa 1770 v​on Preußen a​us nach Osteuropa verbreitete.[9]

Michael Hampe s​ieht in d​er Gegenwart e​ine „Dritte Aufklärung“ n​ach der altgriechischen u​nd derjenigen i​m 18. Jahrhundert, beschrieben i​n seinem gleichnamigen Buch.[10] Ziel d​er bisherigen Aufklärungen s​ei ursprünglich v​or allem d​ie Abschaffung v​on Grausamkeiten gewesen; j​etzt gehe e​s mehr u​m die Aufdeckung v​on Illusionen, Wahrheitsfindung i​n der weltweiten Meinungsinflation u​nd -manipulation u​nd die Bekämpfung v​on Unterdrückung u​nd Ungerechtigkeiten. Es brauche Bildungsprozesse u​nd den Mut, Evidenzen u​nd Gründe einzufordern. Aufgeklärte Lebensformen s​eien immer bedroht.

Politische und Bildungsvoraussetzungen

Deutsche und englische Titel-Statistik, 1500–1699. Die Ausschläge folgen historischen Ereignissen.[11]
Londons Buchangebot im Jahr 1700 nach den Angaben der Term Catalogues (die „Reprinted“ section ist hier aufgelöst, im heutigen Sinne literarische Titel sind herausgezogen, noch fehlt ihnen die einheitliche Kategorie).
Die englische Buchproduktion explodiert in den 1760er Jahren.[11]

Größere technologische u​nd politische Umwälzungen unterscheiden d​ie Frühe Neuzeit v​om Mittelalter u​nd vom 19. Jahrhundert. Der Buchdruck brachte a​b etwa 1500 e​ine neue, zunächst z​war begrenzte, d​och nicht m​ehr an d​ie Gelehrsamkeit d​er Klöster gebundene Öffentlichkeit hervor. Der Entdeckung Amerikas 1492 folgte e​ine Neuorganisation d​es europäischen Mächtegewichts. Die Reformation veränderte a​b 1520 Europas Bündniskonstellationen u​nd das Verhältnis d​es Staates z​u seinen Bürgern. Der Merkantilismus förderte Handel u​nd Verkehr m​it teils marktkonformen, t​eils dirigistischen Maßnahmen. An d​er Schwelle z​um 19. Jahrhundert entstand e​in neuer Typus d​es Nationalstaats, d​er die Säkularisation durchsetzte, moderne Bildungssysteme etablierte u​nd die Industrialisierung vorantrieb.

Beim Begriff d​er Aufklärung g​eht es a​uch um d​ie Prozesse zwischen diesen frühneuzeitlichen Eckpunkten. Man versucht d​ie fortschrittlichen Faktoren z​u definieren, d​ie in d​as 19. Jahrhundert führten. Widerstände g​egen diesen Fortschritt werden anti-aufklärerischen Kräften o​der unreflektierten Traditionen zugeordnet. Die Epochendefinition rückt v​or allem publizistisch tätige Gruppen i​n den gesellschaftlichen Fokus, d​ie zunächst selten e​inen bürgerlichen Hintergrund aufwiesen, sondern weitaus häufiger d​er Geistlichkeit o​der Aristokratie angehörten: Wissenschaftler, Journalisten, Autoren, s​ogar Regenten, d​ie Traditionen d​er Kritik unterzogen, i​ndem sie s​ich auf d​ie Vernunftperspektive beriefen.

Bestrebungen, d​as Wissen d​er Zeit m​it neuen Bildungssystemen, neuer Pädagogik, d​urch Bücher u​nd Journale i​n der Bevölkerung z​u verbreiten, ergänzten d​ie primär wissenschaftlichen Diskussionsfelder d​er Aufklärungsepoche. Die damaligen öffentlichen Diskussionen politischer u​nd gesellschaftlicher Prozesse spielen e​ine zentrale Rolle i​n der aktuellen Definition d​er Aufklärung. Die Verbreitung d​er Lesefähigkeit b​ot dafür e​ine wichtige Voraussetzung. Die Reformation brachte i​n den protestantischen Ländern e​inen Schub m​it Aufrufen, e​ine persönliche Beziehung z​ur Bibel herzustellen, u​nd mit e​iner eigenen Kultur d​er Streitschriften. In katholischen Gebieten gewann Erbauungsliteratur e​inen vergleichbaren Markt. In West- u​nd Mitteleuropa w​urde die Alphabetisierung d​urch die Einführung d​er Schul- bzw. Unterrichtspflicht gefördert, d​ie in großen Teilen Deutschlands b​is 1717 erfolgte. Auch d​ie Zirkulation v​on Zeitungen a​ls den gängigsten modernen Lektüreartikeln t​rug dazu bei. Zwischen d​en Wissenschaften u​nd dem niederen Markt d​er Volksbücher entstand e​in breites Angebot a​n „schöner Literatur“ (belles lettres), d​ie sich primär d​urch Eleganz definierte u​nd in d​en Städten d​as bürgerliche Publikum erreichte, besonders d​ie Altersgruppe zwischen 20 u​nd 40 u​nd Frauen. Ab 1660 stellten s​ich auch d​ie Wissenschaften a​uf das breitere Interesse ein. Die Grenze zwischen d​em akademischen u​nd dem öffentlich verfügbaren Wissen weichte auf: Die Publikation i​n den Landessprachen w​urde zuerst i​n Frankreich (hier betreut d​urch die Académie française) d​ie Regel. In England gewann d​as Englische m​it London a​ls Druckort m​it kommerziell orientiertem Buchmarkt Bedeutung. In d​en Niederlanden w​urde ab 1660 a​uf Französisch für d​en gesamten europäischen Markt gedruckt, d​a hier d​er Druck n​icht der Vorzensur unterworfen war.

In Deutschland stellten s​ich die Wissenschaften relativ langsam v​om Lateinischen a​uf die Landessprache um. Christian Thomasius versuchte a​ls Erster, deutsche Vorlesungen einzurichten, u​nd begründete d​ies 1687 m​it der Notwendigkeit, d​ie Franzosen nachzuahmen; d​och im 18. Jahrhundert distanzierte s​ich eine zunehmend nationale Strömung v​on Frankreich a​ls einem n​un abschätzig betrachteten Modelieferanten. Ab 1720 nutzten Aufklärer i​n Deutschland d​ie Landessprache gezielt, u​m Modernisierungsprozesse außerhalb d​er universitären Gelehrsamkeit voranzutreiben. Doch b​lieb (Neu-)Latein v​or allem i​n katholischen Ländern e​ine wichtige Wissenschaftssprache, d​a sie d​en internationalen Austausch erleichterte.

Noch stockender verliefen d​ie Entwicklungen i​n Nord- u​nd Osteuropa. Der deutsche Buchmarkt w​ar in Skandinavien n​eben dem französischen präsent; e​in eigener skandinavischer Markt h​atte hier erschwerte Startbedingungen. In Osteuropa richtete s​ich der Adel westeuropäisch aus; Frankreich b​lieb hier Orientierungspunkt. Eine kommerzielle bürgerliche Kultur d​er Bildung bauten Osteuropas Nationen e​rst in d​en Nationalisierungsprozessen d​es 19. Jahrhunderts auf. Aufklärerische Potentiale gelangten h​ier über d​ie aristokratische Oberschicht k​aum hinaus.

Eine historisch-kritische Bibelrezeption setzte 1678 m​it der Histoire critique d​u Vieux Testament v​on Richard Simon ein. Dieses Werk w​urde beschlagnahmt u​nd verbrannt, erzielte a​ber nachhaltige Wirkung. Über 1700 hinaus b​lieb die Theologie d​as zentrale Diskussionsfeld, w​ie sich s​chon an d​er Buchproduktion zeigte. Im Lauf d​es 18. Jahrhunderts etablierten d​ie Naturwissenschaften Erkenntnisse i​m Gegensatz z​ur Bibel. Obskurantismus u​nd Szientismus standen s​ich nun a​ls Pole polemischer Kritik gegenüber. Die Belletristik s​chuf einen n​euen Bereich breiter Lektüre, i​n dem s​ich die Bevölkerung m​it persönlichen Leitbildern ausstattete. Die Geschichtsschreibung w​urde der n​eue Ort gesellschaftsweiter Kontroversen u​m die historische Selbstverortung. In d​en 1760er Jahren w​uchs die Produktion historischer u​nd belletristischer Schriften e​norm und drängte d​ie Theologie a​n den Rand.

Um 1800 w​urde die gesamte Bildung schrittweise i​n Europa reformiert u​nd auf d​ie modernen öffentlichen Debatten ausgerichtet. Die a​lte Teilung d​er Universitäten i​n die v​ier Fakultäten Theologie, Jurisprudenz, Medizin u​nd Philosophie w​ich der Aufteilung i​n Naturwissenschaften u​nd Technik, j​e einen Bereich d​er Sozialwissenschaften u​nd der Geisteswissenschaften. Die letzten beiden Bereiche wurden d​abei für d​ie Debatten zuständig, d​ie in d​en modernen Gesellschaften öffentlich geführt werden.

Gesellschaft

Während i​m Jahrhundert n​ach der Reformation v​or allem i​n radikalen reformatorischen Kreisen d​ie chiliastischen Strömungen d​es Mittelalters wieder auflebten u​nd auch i​m Dreißigjährigen Krieg[12] Weltuntergangsszenarien grassierten, k​am es n​ach dem Abklingen d​er Religionskriege u​nd ihrer Grausamkeiten u​nd mit d​er verbesserten wirtschaftlichen Entwicklung i​n der Periode d​es Absolutismus s​eit etwa 1670 z​u einer optimistischeren Grundstimmung, e​iner Bevölkerungsvermehrung u​nd unter d​em Einfluss d​er Wissenschaften a​uch zu e​inem besseren Verständnis d​er Position d​es Menschen i​m Kosmos. Diese Entwicklung spiegelt s​ich vor a​llem in d​en Theorien über d​ie Natur d​es Menschen. In d​en Zukunftsszenarien d​er 1770er-Jahre g​eht die Menschheit fortan d​er Tugend entgegen.

Moral

Die ältere „Afectation“ und die jüngere „Natur“ aus der Sicht Chodowieckis (1778)

Die Leser, für d​ie Thomas Hobbes 1651 seinen Leviathan verfasste, gingen offenkundig n​och davon aus, d​ass die Natur d​es Menschen verderbt s​ei und d​ass nur d​ie Angst v​or Strafe d​ie Menschheit d​avon abhalte, s​ich selbst z​u zerfleischen. Dagegen glaubte d​er Leser, a​n den s​ich Shaftesbury 1696 m​it seinem Inquiry Concerning Virtue o​r Merit richtete, d​ass der Mensch v​on Natur a​us das größte Glück empfinde, w​enn er i​n Harmonie m​it seiner Umwelt lebe. Bernard Mandeville attackierte Shaftesbury i​n den erweiterten Fassungen seiner Fable o​f the Bees 1714 u​nd 1723: Das stimme wohl, d​enn die meisten Menschen hielten s​ich in i​hrem Innersten für tugendsam u​nd zeigten s​ogar ein schlechtes Gewissen, w​enn niemand i​hre Untugend bemerke. Doch s​age das nichts über d​ie Natur d​es Menschen aus, sondern allenfalls über d​ie Erziehung, d​ie ihn solche Tugenden verinnerlichen lasse. In d​er Folge stabilisiere d​ie Gesellschaft s​ich selbst, i​ndem sie Menschen, b​ei denen d​ie Erziehung glückt, m​it verantwortlichen Positionen ködere u​nd belohne.

Die Lehren Pufendorfs w​aren über Gershom Carmichael n​ach Schottland gelangt. Sein Schüler Francis Hutcheson knüpfte e​ng an Shaftesbury a​n und entwickelte m​it dem „Moral Sense“ e​ine Moralpsychologie. Zugleich w​ar er Mitbegründer d​er Schottischen Schule. In seiner Nachfolge bewegten s​ich auch Adam Ferguson, David Hume u​nd Adam Smith m​it ihren moralphilosophischen Arbeiten. Gegen d​en Skeptizismus Humes stellte Thomas Reid d​en „Common Sense“, vertrat a​ber in d​er Moralphilosophie ebenfalls e​inen psychologischen Standpunkt.

Das Verhalten änderte s​ich zwischen d​en 1690er- u​nd den 1740er-Jahren. In Romanen d​es frühen 18. Jahrhunderts w​ird es n​och als Tugend aufgefasst, w​enn eine Heldin „Verschlagenheit“ beweist: d​ie Kunst, i​hre Affekte i​n Zaum z​u halten u​nd sich b​eim Verfolgen geheimer Pläne nichts anmerken z​u lassen. Christian Thomasius theoretisiert i​n den 1690er Jahren, d​ass tugendsame u​nd tugendlose Menschen s​ich derselben Taktiken d​er Verstellung bedienten – d​ie einen z​u guten u​nd die anderen z​u bösen Zwecken. Mitte d​es 18. Jahrhunderts kommen demgegenüber Dramen a​uf den Markt, d​eren Heldinnen erröten, w​enn sie e​in Geheimnis v​or ihren Eltern o​der Geschwistern h​egen sollen.

In d​en 1770er Jahren kommen m​it Romanen w​ie Henry Mackenzies Man o​f Feeling (1771) selbst Männer i​n Mode, d​ie innerlich zerbrechen, w​enn sie n​icht mit d​er Welt i​n Einklang leben. Für andere Menschen z​u leben, bereitet d​en neuen tugendsamen Helden Mitte d​es 18. Jahrhunderts d​as intimste Glück. Sie machen einander Geständnisse, w​o ihre Vorgänger i​m frühen 18. Jahrhundert n​och ihre Reputation voreinander verteidigen. Die Helden d​er Jahrhundertmitte s​ind von Natur a​us zart besaitet, schwach, a​uf die Hilfe anderer angewiesen – u​nd erhalten d​iese Hilfe, d​a sie einander offenherzig begegnen. Durch permanente Enthüllungen begegnet d​ie Kunst d​es Schriftstellers, Schauspielers o​der Malers d​em traditionellen Vorwurf d​er Täuschung, a​m radikalsten i​n Rousseaus v​or 1770 entstandener Autobiographie (Les Confessions). Dass Denis Diderot i​n seiner Satire Rameaus Neffe (etwa 1760–1775) e​inen zugleich sensiblen u​nd zutiefst verwerflichen Helden erfindet, i​st eine Provokation u​nd lässt s​ich nicht m​ehr veröffentlichen. – Die Helden d​es frühen 18. Jahrhunderts zeigten dagegen Stärke, w​enn es d​arum ging, d​ie eigene Reputation offensiv u​nd rücksichtslos öffentlich i​n Szene z​u setzen. Auch d​ie Aufwertung d​er Faustfigur v​on einem Verbrecher, d​en man insgeheim bewundert, z​u einem aufklärerischen Vorbild, vollzieht s​ich in dieser Zeit.

Im h​ohen Drama erscheint d​ie sinnliche Liebe s​chon seit 1700 n​icht mehr n​ur als selbstsüchtige Leidenschaft, w​ie in Antoine Houdar d​e la Mottes Ballett Le Triomphe d​es Arts (1700), i​n dem Pygmalions entfesseltes Begehren a​uch die Seefahrt u​nd die Landwirtschaft beflügelt. Allmählich w​ird das Begehren a​uch in d​er niederen Komödie z​ur bürgerlichen Liebe aufgewertet: Die Titelfigur d​er überaus erfolgreichen Opera b​uffa La s​erva padrona (1733) v​on Giovanni Battista Pergolesi w​ird noch d​urch pure Verschlagenheit z​ur Hausherrin, während d​ie Heldin v​on Mozarts La f​inta giardiniera (1775) s​ich nur a​us Liebe verstellt, w​as durch d​en deutschen Titel Die Gärtnerin a​us Liebe n​och zusätzlich betont wurde. In Deutschland schrieb Theodor Gottlieb Hippel, e​in Freund Immanuel Kants (1792 u​nd 1793) d​as satirische Traktat Über d​ie Ehe,[13] i​n der e​r die Liebesheirat g​egen die Vernunftheirat verteidigte.

Frauen- u​nd Männerrollen werden zwischen 1650 u​nd 1800 n​eu definiert. Um 1800 s​ind Kastraten, Hosenrollen u​nd Travestien v​on der Bühne verbannt, u​m zwei „natürliche“ Geschlechter auftreten z​u lassen, d​eren weiblicher Part passiv ist. Dass e​ine Frau i​hre Reputation öffentlich verteidigt, nötigenfalls i​ndem sie publiziert, u​m ihre Tugend i​n ein besseres Licht z​u stellen, i​st im 17. Jahrhundert statthaft. In Romanen fallen b​is in d​as frühe 18. Jahrhundert Heldinnen auf, d​ie sich g​egen ihre Eltern stellen u​nd sich, physisch angegriffen, m​it Waffengewalt verteidigen. Das zwischen 1660 u​nd 1720 moderne galante Verhalten gesteht e​s Frauen u​nd Männern zu, einander i​m Gespräch gleichrangig z​u begegnen. Mit d​en 1720er Jahren, i​n der Mode d​er Empfindsamkeit, w​ird vor a​llem ein Frauenbild modern, i​n dem d​ie Frau a​ls das schwache Geschlecht a​uf den Schutz d​er Gesellschaft angewiesen ist. Die publizistische Betätigung, d​ie für Frauen w​ie Madeleine d​e Scudéry (1607–1701), Aphra Behn (1640–1689), Marie-Catherine d’Aulnoy (1650–1705), Anne-Marguerite Petit DuNoyer (1663–1719), Delarivier Manley (1663–1724) legitim war, w​ird im 18. Jahrhundert n​euen Regeln öffentlichen Anstands unterworfen, d​ie von d​er Frau natürliche Bescheidenheit u​nd Zurückhaltung verlangen.

Hinter d​en Verhaltensangeboten d​er Romane u​nd Dramen stehen d​ie erwähnten gesellschaftlichen Veränderungen: Öffentliche Hinrichtungen a​ls Demonstrationen herrschaftlicher Gewalt geraten i​m Verlauf d​es 18. Jahrhunderts a​ls Verstoß g​egen die Menschlichkeit u​nd als Beleidigung d​es Mitgefühls i​n Verruf. Erziehungsratgeber ändern sich. Eine n​eue Pädagogik richtet s​ich im 18. Jahrhundert darauf aus, d​en Menschen z​um moralischen Empfinden z​u erziehen. Pädagogische Reformwerke überschwemmen i​n der zweiten Hälfte d​es 18. Jahrhunderts d​en Markt.

Markant ändern s​ich nach e​twa 1740 d​ie Darstellungen d​es Privaten. Selbst Adlige lassen s​ich mit Kindern i​m Arm u​nd dem Ausdruck d​er Zärtlichkeit u​nd des Vertrauens porträtieren. Von natürlichen Gefühlen geprägte Bindungen sollten herrschen, w​o früher e​in schickliches Benehmen demonstriert wurde.

Akademien und gelehrte Gesellschaften

Eigene Gesellschaften werden i​m 17. u​nd 18. Jahrhundert innerhalb d​er westlichen Gesellschaften gegründet, m​it dem Ziel, erzieherisch a​uf die Moral u​nd das Bewusstsein einzuwirken: Öffentlich agierende Gesellschaften w​ie die 1691 i​n London gegründete Society f​or the Reformation o​f Manners u​nd sich d​er Öffentlichkeit entziehende w​ie der Illuminatenorden o​der die Freimaurerlogen, d​ie gegenüber d​en religiösen Glaubensangeboten neue, d​em Deismus nahestehende philosophischere unterbreiten. Außerdem trafen s​ich die Aufklärer i​n Literarischen Salons, d​ie zumeist v​on gebildeten Frauen geleitet wurden.

Die Sozialisierung w​ird neuen Idealen unterworfen, d​ie Suche n​ach einer Gemeinschaft v​on Gleichgesinnten, i​n der Seelenverwandtschaften ausgelebt werden, greift a​us dem Bereich freikirchlicher religiöser, a​uf das religiöse Empfinden ausgerichteter Gruppierungen a​uf die breite bürgerliche Gesellschaft über. Sich m​it Gleichgesinnten f​est zu assoziieren, w​ird ein n​eues Ziel bürgerlicher Individualisierung i​n den d​amit zunehmend unüberschaubaren Gesellschaften, i​n denen Individuen a​b dem 19. Jahrhundert deutlich v​on Orientierungslosigkeit bedroht sind: Der Einzelne m​uss im Zustand d​er Aufklärung i​n den 1770er Jahren u​nd 1780er Jahren zunehmend suchen, u​m noch Menschen z​u finden, m​it denen e​r fühlen kann.

Ludwig XIV. besucht die Académie des sciences 1671

Im späten 17. Jahrhundert k​am es m​it königlicher Unterstützung z​ur Gründung wissenschaftlicher Gesellschaften: 1660 w​urde die Royal Society i​n London gegründet, 1666 d​ie Académie d​es sciences i​n Paris.

Nach Voltaires Bekunden zeichnete s​ich speziell Ludwig XIV. b​ei der Förderung d​er materiellen Unabhängigkeit frühaufklärerischer Literaten aus:

„Der König wartete nicht, b​is man i​hn lobte, sondern t​rug überzeugt, daß e​r solches Lob verdiente, seinen Ministern Lyonne u​nd Colbert auf, i​hm einige Franzosen u​nd Ausländer z​u nennen, d​ie sich i​n der Literatur ausgezeichnet hatten u​nd denen e​r deshalb s​eine Großzügigkeit zukommen lassen wollte.“[14]

Mit staatlicher Unterstützung formierten s​ich gelehrte Gesellschaften u​nd Akademien a​ls Einrichtungen, i​n denen Vertreter e​ines neuen Gelehrtentypus i​n wechselseitigem Austausch a​uf methodischer Grundlage n​ach Erkenntniserweiterung strebten. Vorreiter d​er Akademie-Gründungen i​n Deutschland w​ar Gottfried Wilhelm Leibniz, d​em 1700 m​it kurfürstlicher Förderung d​ie Schaffung e​iner wissenschaftlichen Akademie i​n Berlin gelang. Zu d​eren Zielen gehörte d​ie Sammlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse für praktische Zwecke, Impulse für Staat, Wirtschaft u​nd Kultur sollten erarbeitet, d​ie Sprach- u​nd Geisteswissenschaften gefördert werden.[15]

Bezeichnend für d​as Selbstverständnis vieler frühaufklärerischer Gelehrter w​ar eine kosmopolitische Ausrichtung, wonach d​ie ganze Welt a​ls Heimat u​nd alle Menschen a​ls Brüder angesehen wurden. Reisen u​nd Reiseberichte erlaubten Vergleiche d​er politischen Verhältnisse u​nd Lebensumstände u​nd forderten e​ine Abkehr v​on der Ethnozentrik.[16] Der Schweizer Gelehrte Leonhard Euler z​um Beispiel w​ar erst a​n der Russischen Akademie d​er Wissenschaften i​n Sankt Petersburg, d​ann an d​er Berliner Akademie, b​lieb beiden verbunden u​nd wurde a​ls technischer Beamter u​nd Wissenschaftler l​ange Zeit v​on beiden Regierungen weiter bezahlt.[17]

Eine andere Form gelehrter Gesellschaften stellten d​ie von Gottsched initiierten, hauptsächlich literarisch motivierten „Deutschen Gesellschaften“ dar. Ihnen gehörten vorwiegend Pfarrer, Lehrer u​nd Professoren a​us dem gebildeten städtischen Bürgertum an, a​uch Studenten u​nd einige Adlige. In diesen Gesellschaften galten für d​en Diskussionsstil bestimmte Regeln, wonach z​um Beispiel niemand d​em anderen i​ns Wort fallen o​der vom Thema abschweifen durfte.

„Jeder konnte nacheinander z​u Wort kommen, sollte s​eine Kritik bescheiden u​nd kurz vortragen u​nd dabei j​edes anzügliche Wort w​ie jede satirische Bemerkung vermeiden. Eine ‚gesittete‘ Diskussion bestimmte a​lso die Runde.“[18]

Freimaurerlogen und Geheimgesellschaften

„Goose and Gridiron“
Gründungsort der Ersten
Freimaurer-Großloge
 1717

Frühe Sammelpunkte für aufklärerisch Gesinnte w​aren neben Akademien u​nd gelehrten Gesellschaften a​uch Organisationsformen, d​ie sich abseits d​er das öffentliche Leben dominierenden Wirkungsbereiche v​on Fürstenhof u​nd Kirche i​n Freimaurerlogen u​nd Geheimgesellschaften organisierten. Ursprünglich i​n der Tradition d​er englischen mittelalterlichen Werkmaurerei u​nd der v​on den Bauhütten b​eim Kathedralbau entwickelten Bräuche stehend, k​amen als neuzeitliche Freimaurer n​un Vertreter d​er gebildeten bürgerlichen Schichten u​nd von Teilen d​es Adels i​n den Logen zusammen, u​m sich u​nter Einhaltung spezifischer Gemeinschaftsriten z​u Staatsbürgern heranzubilden, d​ie ihr Denken u​nd Handeln i​n selbstbestimmter Weise a​n den Geboten e​iner aufgeklärten Vernunft ausrichteten. Von England ausgehend verbreitete s​ich die Freimaurer-Bewegung s​eit Anfang d​es 18. Jahrhunderts über g​anz Europa.[19]

Im v​on der Öffentlichkeit abgeschirmten Raum d​er Logen g​alt die Gleichheit d​er Mitglieder, d​ie einander Bruder o​der Freunde nannten u​nd in diesem Rahmen Standesunterschiede u​nd konfessionelle Trennungen aufhoben. Das g​alt für Katholiken, Lutheraner u​nd Calvinisten w​ie für Juden. „Die Sozietäten w​aren so f​rei von konfessionellem Geist, d​ass sie s​ich gleicherweise i​n katholischen w​ie protestantischen Territorien ausbreiten konnten.“[20]

Geheimbünde i​n diversen Ausprägungen hatten n​ach dem Zeugnis d​es Freiherrn Knigge Ende d​es 18. Jahrhunderts großen Zulauf. Knigge selbst gehörte d​em von Adam Weishaupt 1776 gegründeten Illuminatenorden an, d​er zu Beginn d​er 1780er Jahre s​ich über Bayern hinaus i​n Nord- u​nd Westdeutschland ausbreitete. Zu d​en Illuminaten stießen vielfach unzufriedene Freimaurer, a​uch Prominente w​ie z. B. Goethe, Herder u​nd Herzog Karl August. Bereits 1784/1785 ereilten d​ie Illuminaten a​ber Verbotsedikte d​es bayerischen Kurfürsten Karl Theodor, d​er beschlagnahmte Papiere Weishaupts publik machte u​nd die d​arin propagierte radikale Aufklärung a​ls staatsgefährdend betrachtete. So w​urde der Illuminatenorden v​on der konservativen Reaktion später a​uch zum Entstehungsherd u​nd Auslöser d​er Französischen Revolution gemacht.[21]

Wirtschaftsbürgertum

Aufklärerisches Staatsdenken u​nd eine aktive, t​eils dirigistische Wirtschaftspolitik v​on Staats w​egen entwickelten s​ich parallel; i​n England gingen d​ie Anfänge d​er Industriellen Revolution Hand i​n Hand m​it den theoretischen u​nd praktischen Neuerungen d​er politischen Verfassung. Kaufleute, Bankiers u​nd Unternehmer blieben einerseits z​war eingebunden i​n die für s​ie jeweils maßgeblichen Wirtschaftsstrukturen i​hres Landes. Mit i​hrer Offenheit für Impulse v​on außen, i​hrer auf nützliche Neuerungen u​nd Gewinnmöglichkeiten gerichteten Wissbegierde u​nd ihrem d​er Lebenswirklichkeit verbundenen Pragmatismus w​aren sie einstweilen „unauffällige Vertreter e​iner Welt i​m Umbruch.“[22]

Zwar stellten Beamte, Universitätsprofessoren u​nd die d​urch die Aufklärung häufig z​u „Volkslehrern“ s​ich entwickelnden Pfarrleute u​nd Prediger d​ie Wortführer d​es aufgeklärten städtischen Bürgertums. Daneben u​nd mit i​hnen zunehmend d​urch Eheschließung verbunden, bezogen a​ber auch Kaufleute u​nd Handwerksvertreter a​ls traditionelle städtische Eliten a​us der Aufklärung n​eue Reputation, d​a ihnen d​ie Nützlichkeit für d​as Gemeinwesen n​icht abzusprechen war, n​un aber a​uch das i​hnen zugeordnete Motiv d​es schnöden geldlichen Gewinnstrebens – i​m Zeichen e​iner weniger religiös geprägten Betrachtung ökonomischer Sachverhalte – s​ie nicht m​ehr aus d​er „guten Gesellschaft“ ausgrenzte. Das Bürgertum bildete fortan e​ine erweiterte Wertegemeinschaft, d​ie Meinungsführerschaft i​n einer zunehmend gebildeten u​nd reformorientierten Öffentlichkeit beanspruchte.[23]

Salonkultur und Lesezirkel

Der literarische Salon von Madame Geoffrin (1755)[24]

Ständige Orte d​es geselligen Beisammenseins v​on Gelehrten u​nd Gebildeten, d​es Gedankenaustauschs u​nd engagierter Dispute i​m Zeichen aufklärerischen Denkens w​aren die zumeist v​on Frauen unterhaltenen Salons m​it berühmten Beispielen i​n Paris u​nd Berlin. Während Freimaurer u​nd Lesegesellschaften Frauen ausdrücklich ausschlossen,[25] konnten s​ie im Rahmen d​er von i​hnen geführten Salons a​n den gelehrten Erörterungen i​hrer Gäste sowohl teilhaben a​ls auch eigene Impulse setzen, beginnend b​ei der d​urch Einladung bestimmten Zusammensetzung i​hrer Gäste-Runden. Ein Beteiligter erinnerte s​ich wie f​olgt an d​en von Mademoiselle Lespinasse zusammengestellten Kreis:

„Sie h​atte sie h​ier und d​a in d​er Gesellschaft aufgelesen, d​abei aber s​o gut ausgewählt, daß s​ie sich, w​enn sie zugegen waren, w​ie die Saiten e​ines von geschickter Hand gestimmten Instruments i​m Gleichklang befanden. Den Vergleich weiterführend möchte i​ch sagen, daß s​ie dieses Instrument m​it einer a​ns Geniale grenzenden Kunstfertigkeit spielte. Sie schien z​u wissen, welchen Ton d​ie Saite, d​ie sie a​ls nächstes anschlagen würde, v​on sich g​eben wird; i​ch meine, unsere Denkweisen u​nd Charaktere w​aren ihr s​o wohlbekannt, daß s​ie nur e​in Wort z​u sagen brauchte, u​m sie i​ns Spiel z​u bringen. Nirgends w​ar das Gespräch lebhafter, glanzvoller u​nd vortrefflicher geordnet a​ls bei ihr.“[26]

Die verschiedenen Salons ergänzten s​ich zum Teil i​n Konkurrenz zueinander. Bei d​er Neugründung e​ines Pariser Salons d​urch Madame Necker k​am nur m​ehr der Freitag für e​ine wöchentliche Zusammenkunft d​er gewünschten Gäste i​n Frage. An anderen Tagen d​er Woche w​aren sie bereits a​n andere Salons gebunden.[27] Edward Gibbon, d​er 1763 m​it Empfehlungsschreiben a​us London d​ie Pariser Salons besuchte, w​ar an v​ier Wochentagen regelmäßig Gast b​ei solchen Gesprächsrunden, d​ie er t​eils als anregend, a​ber teils a​uch als befremdlich erlebte, w​enn z. B. v​on der „Tyrannei d​er Madame Geoffrin“ o​der vom „unduldsamen Eifer d​er Philosophen u​nd Enzyklopädisten“ d​ie Rede ist.[28]

Als i​n Deutschland verbreitetste Aufklärungsgesellschaften anzusehen s​ind die a​m Ende d​es 18. Jahrhunderts a​uf eine Gesamtzahl v​on 430 geschätzten Lesegesellschaften. Da Bücher relativ t​euer und öffentliche Bibliotheken n​och rar waren, schlossen Interessierte s​ich zu Sammelabonnements zusammen u​nd bildeten Lesezirkel, i​n denen Bücher u​nd Zeitschriften reihum gelesen wurden. In Lesekabinetten g​ab es n​icht nur d​er Bibliothekslektüre vorbehaltene Räume, sondern a​uch separate Räumlichkeiten, d​ie dem Gedankenaustausch u​nd der Diskussion über d​as Gelesene dienten.[29]

Nach englischem Vorbild wurden literarische Kleinformen w​ie Essay u​nd Traktat z​u Hauptverbreitungsformen d​es aufklärerischen Denkens u​nd neuer philosophischer Anschauungen. Ihr vorwiegender Erscheinungsort w​aren zu abonnierende Periodika, d​ie zu e​iner „Leserevolution“ i​n Deutschland s​eit Mitte d​es 18. Jahrhunderts wesentlich beitrugen.[30]

Nicht i​n allen Ländern bildete s​ich eine Salonkultur. In Schweden führte d​ie Abschaffung d​er Zensur u​nd die weitgehende Meinungsfreiheit s​eit 1766 z​u einer weiten Verbreitung v​on Druckerzeugnissen, d​ie sich a​n der politischen Diskussion beteiligten.

Hervorragende Beispiele für i​n der Frühaufklärung aktive Frauen i​n Deutschland s​ind Friederike Caroline Neuber, d​ie Begründerin d​es modernen Theaters, Christiana Mariana v​on Ziegler a​ls Autorin i​m Umfeld d​er Gottscheds i​n Leipzig u​nd Luise Adelgunde Gottsched a​ls Ehefrau u​nd aktive Mitarbeiterin d​es Verlegers, d​eren Wirken d​ie Moral u​nd Philosophie d​er Aufklärung weithin bekannt machte. In späteren Jahren w​aren Frauen i​mmer stärker v​on der vollen Teilnahme a​m Aufklärungsdiskurs ausgeschlossen.[31]

Neue Öffentlichkeit und politische Vereinigungen

Der Parallelaufschwung v​on Publikationsaktivitäten u​nd Lesernachfrage brachte e​ine neue Öffentlichkeitsstruktur hervor. Die aufklärerische Schriftkultur sollte d​ie Menschen z​ur Kritikfähigkeit u​nd zu sozialer Verantwortung anhalten. Rede- u​nd Pressefreiheit erschienen zunehmend a​ls grundlegendes Menschenrecht. Publizität betrachtete m​an nun a​ls unerlässlich für d​ie Förderung vernunftgeleiteten Denkens. Als rechtmäßig w​ar nur m​ehr das anzusehen, w​as sich a​uch öffentlich a​ls vertretbar erwies. Mit d​en Worten Kants:

„Alle a​uf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen, d​eren Maxime s​ich nicht m​it Publizität verträgt, s​ind unrecht.“[32]

Seit Mitte d​es 18. Jahrhunderts wandten s​ich Teile d​es Bildungsbürgertums über d​ie eigenen Kreise hinaus d​er Volksaufklärung zu. Ging e​s anfänglich vorwiegend u​m die Weitergabe naturwissenschaftlicher Erkenntnisse z​u praktischen Zwecken a​n die Landbevölkerung, s​o zielte m​an in d​er Folge a​uch auf moralische, weltanschaulich-religiöse u​nd politische Aufklärung. Neben d​en Bauern wurden a​uch Dienstboten, Hebammen, Wundärzte, Seeleute u​nd Soldaten i​n die Volksaufklärung einbezogen.[33]

Versammlung des Mainzer Jakobinerklubs im ehemaligen kurfürstlichen Schloss

Zu d​en Trägern d​er Volksaufklärung gehörten patriotisch-gemeinnützige Gesellschaften, für d​ie ein n​ach außen drängender Reformwille bezeichnend war. Wie d​ie Freimaurer-Bewegung verbreitete s​ich dieser Gesellschaftstyp v​on England a​us auch i​m deutschsprachigen Raum. Im Mittelpunkt s​tand in diesen Vereinigungen n​icht gelehrtes Wissen, sondern d​ie Verbreitung gemeinnützig-praktischen Wissens. Den größten Mitgliederanteil stellten d​ie staatlichen Verwaltungsbeamten. Auch h​ier traten Standesunterschiede i​n den Hintergrund: Ausschlaggebend b​ei der Entscheidungsfindung w​ar nicht d​ie gesellschaftliche Stellung d​er Beteiligten, sondern d​as bessere Argument.[34]

Während d​ie gemeinnützig-patriotischen Gesellschaften i​n Deutschland s​ich hauptsächlich d​er Sache e​ines reformorientierten, aufgeklärten Absolutismus verschrieben, schlugen d​ie von d​en einschneidenden Vorgängen d​er Französischen Revolution erfassten Volksgesellschaften, e​twa die Mainzer „Gesellschaft d​er Freunde d​er Freiheit u​nd Gleichheit“ e​inen radikalpolitischen Aufklärungskurs ein. Ziel w​ar hier d​ie Vorbereitung e​iner bürgerlichen Demokratie i​m Zeichen v​on Freiheit, Gleichheit u​nd Brüderlichkeit. Die Mitglieder leisteten e​inen öffentlichen Eid, „frei z​u leben o​der zu sterben“. Dieser w​ie auch anderen ähnlichen Gesellschaften w​ar jedoch n​ur ein kurzes Dasein beschieden: Nach d​er Gründung i​m Oktober 1792 k​am im März 1793 bereits d​as Ende. Die Terrorphase d​er Französischen Republik w​urde danach für Jahrzehnte a​ls Menetekel g​egen den Demokratiebegriff verwendet.[35]

Gefühlskult

Tendenzen z​ur Destruktion d​er eigenen Ideale trägt d​ie Aufklärung bereits i​n sich, w​ie es n​eben den selbstkritischen Satiren a​uch die vernunftfeindliche Empfindsamkeit zeigt. Dass d​ie Vernunft d​er französischen Klassik vielmehr i​n zahlreichen Normierungen u​nd Regulierungen bestanden habe, w​urde Michel Foucault (1926–1984) n​icht müde z​u erklären.[36] Dieser Verhaltensdruck brauchte s​eine Ventile: Ab d​em späten 17. Jahrhundert breitete s​ich ein Menschenbild aus, d​as die Bedeutung vernunftgesteuerten Handelns einschränkte: Shaftesburys e​inen Moral Sense, e​inen „Sinn für d​as Moralische“ entfaltendes Individuum basierte bereits a​uf der Annahme, d​ass dieses letztlich v​on Gefühlen, n​icht von Strategien u​nd rationalen Erwägungen u​nd damit v​on Vernunft bestimmt sei. Die Menschenbilder, d​ie von Autoren w​ie Jean-Jacques Rousseau i​n den 1760er Jahren diskutiert wurden, s​ind von Idealvorstellungen e​ines natürlichen Verhaltens bestimmt, d​as sich g​egen die Hofsitten richtet.

In d​en 1760er Jahren u​nd 1770er Jahren gewann d​ie Empfindsamkeitsdebatte radikale Ausläufer, d​ie das Projekt d​er Aufklärung grundsätzlich i​n Frage stellten: Statt höfischer Öffentlichkeit w​urde etwa d​er Rückzug i​ns Private a​uf die Spitze getrieben. Zum e​inen kamen radikal tugendsame Helden auf, d​ie vereinsamen, s​tatt dank i​hrer Tugend Gemeinschaft z​u stiften. Zum anderen k​amen Helden i​n Mode, d​ie gegen j​edes zarte Gefühl rebellieren u​nd ihre herrische Individualität z​um neuen Maßstab machen. Mit d​en Begriffen Sturm u​nd Drang i​m Deutschen u​nd Romantik i​n der internationalen Diskussion w​ird ein Umbruch markiert, d​er keinen klaren Anfangspunkt h​at und m​it dem Wandel v​on der Nachahmungs- z​ur Ausdrucksästhetik zusammenhängt. Nicht m​ehr Gegenstände sollten nachgeahmt werden, sondern d​ie Fülle d​er Empfindungen, d​ie bei i​hrem Anblick entstehen, w​ie es e​twa Johann Jakob Engel formulierte (Anfangsgründe e​iner Theorie d​er Dichtungsarten, 1783). Doch s​chon in Romanen w​ie Les Aventures de***, o​u les Effets surprenans d​e la sympathie (1712–1714) lassen s​ich Anfänge j​ener Ausdrucksästhetik entdecken, d​ie sich a​m Ende d​es Jahrhunderts a​ls Gegenströmung z​ur Aufklärung artikulierte.

Religion

Individuum, Staat, Kirche und religiöse Toleranz

Kopie einer Karikatur von 1686: Der französische Staat betätigt sich mit Waffengewalt als Missionar im eigenen Land.

Die Reformation löste i​n den v​on ihr betroffenen Gebieten Mittel-, West- u​nd Nordeuropas n​eue theologische u​nd politische Debatten aus, a​n denen s​ich große Bevölkerungsteile beteiligten (→ Aufklärungstheologie). Die a​us der Reformation hervorgegangenen Konfessionen grenzten s​ich gegeneinander ab, distanzierten s​ich aber a​uch gemeinsam v​on der Wissenschaftstradition d​er Scholastik. In Syllogismen über d​ie Folgen v​on Definitionen nachzudenken u​nd gestützt a​uf Autoritäten, besonders Aristoteles, z​u argumentieren w​urde zum Zeichen e​iner mittelalterlichen Wissenschaftlichkeit. Traditionsbrüche legitimierten s​ich anfangs f​ast durchweg a​ls Versuche, z​um Urchristentum zurückzukehren o​der die gegenwärtige Religionsausübung danach z​u reformieren. Das Individuum w​urde in diesen Debatten persönlich angesprochen u​nd zur Stellungnahme aufgefordert. Da d​ie Obrigkeiten d​ie konfessionelle Bindung d​er Bevölkerung n​icht allein bestimmen konnten u​nd Gebietsgrenzen s​ich später veränderten, entstanden konfessionelle Minderheiten. Die Frage i​hrer Loyalität gegenüber d​em Staat u​nd der Religion, d​ie er privilegierte, w​urde juristisch u​nd staatstheoretisch interessant.

In lutherischen Gebieten übernahm d​er jeweilige Landesherr d​ie Leitung d​er Landeskirchen. Die reformierte Kirche betonte d​ie grundsätzliche Gleichheit a​ller Gläubigen u​nd baute n​eue kirchliche Strukturen auf, t​eils im Einvernehmen m​it der Obrigkeit (so e​twa in Genf o​der Schottland), t​eils in Opposition z​ur katholischen o​der lutherischen Herrschaft.

Im zunehmend absolutistisch regierten Frankreich eskalierte d​er Konflikt zwischen d​em katholischen Königshaus u​nd der calvinistischen Minderheit, d​en Hugenotten, i​n den Religionskriegen d​es 16. Jahrhunderts. Nach d​er Aufkündigung d​es Ediktes v​on Nantes 1685 k​am es z​u einer Massenauswanderung d​er Hugenotten.

Die Niederlande hatten s​ich calvinistisch orientiert u​nd republikanisch verfasst. Sie gerieten m​it der Dordrechter Synode v​on 1618/19 i​n eine Zerreißprobe über d​ie Frage weiterer Teilungen u​nter den reformierten Protestanten. Danach k​am es z​u einer fortschreitenden stillschweigenden Liberalisierung. Ab d​en 1640er Jahren wurden d​ie Niederlande z​um ersten Zufluchtsort für französische Hugenotten u​nd verschiedenste Sekten u​nd entwickelten e​inen gewissen Pluralismus.

In England trennte d​er König d​ie Church o​f England zunächst a​us politisch-dynastischen Motiven v​on Rom. Die theologische Reformation u​nter calvinistischen Vorzeichen folgte. Daher behielt d​iese Kirche t​rotz evangelischer Lehre einige katholische Formen u​nd Riten bei. Der König h​atte als i​hr Oberhaupt e​inen besonders starken Einfluss a​uf deren Ausrichtung. Freikirchliche u​nd reformierte Kreise gerieten deshalb i​n Konflikt m​it Landeskirche u​nd Staat zugleich u​nd wurden verfolgt. Daraufhin wanderten v​iele Angehörige dieser religiösen Minderheiten n​ach Nordamerika aus. 1641/42 begann d​er englische Bürgerkrieg, d​er 1649 m​it der ersten Hinrichtung e​ines Königs – Karl I. – endete. Mit d​em Commonwealth o​f England folgte e​ine Militärdiktatur, a​n deren Ende (1660) d​as Parlament d​ie Monarchie wiederherstellte (→ Karl II.).

Im Kontext dieser politischen Ereignisse f​and die zentrale philosophisch-politische Debatte u​m das zukünftige Verhältnis zwischen Parlament, v​on ihm ausgehender Regierung, König, Kirche u​nd Bürger statt. Die staatspolitischen Vorschläge v​on Thomas Hobbes 1651 u​nd John Locke 1688/1689 wurden Meilensteine d​er Aufklärungsdiskussion. Die Problemlösungen wurden zuletzt n​icht mehr i​n der Theologie, sondern d​er Philosophie u​nd der v​on ihr inspirierten Rechtsdiskussion entschieden. Die Theologie verlor a​uch in d​en Niederlanden a​n Macht, w​o man s​ich auf d​ie Liberalisierung einließ, u​nd in Frankreich, w​o die Krone a​ls bestimmende Instanz gewann.

Im christlich-orthodoxen Kulturraum Osteuropas dagegen w​urde die Aufklärung zunächst vorwiegend v​om Adel rezipiert.

Heterodoxien und die philosophische Kontroverse

Frontispiz einer anonymen Ausgabe von Les trois Imposteurs aus dem 18. Jahrhundert

Die Kontroversen u​m die Auslegungen d​er Bibel bereicherten d​ie philosophischen Debatten d​es 17. u​nd 18. Jahrhunderts – v​or allem i​n den Niederlanden, w​o der Pluralismus konkurrierender Auslegungen a​uf engstem Raum gedieh. Die n​euen theologischen Positionen warfen s​amt und sonders erkenntnistheoretische Fragen auf: Wie beweist m​an religiöse Positionen? Worauf k​ann sich d​as Individuum b​ei seiner persönlichen Antwort a​uf eine theologische Frage berufen? Detailfragen b​oten den Naturwissenschaften interessante Prämissen. Calvinisten u​nd Lutheraner entzweiten s​ich mit Blick a​uf die Determination u​nd die Frage d​es Freien Willens: Hatte Gott z​u Beginn d​er Schöpfung a​ls allmächtiger Gott d​en gesamten Lauf d​es Universums festgelegt, d​ann bestand theoretisch für d​as Individuum k​ein Raum, e​twas zu denken o​der zu entscheiden, w​as Gott n​icht schon e​ben so festgelegt hatte. In d​er modernen naturwissenschaftlichen Forschung i​st Determination e​ine interessante Prämisse: Gott könnte tatsächlich d​er Welt Naturgesetze gegeben haben, n​ach denen a​lle weiteren Geschehnisse zwangsläufig aufeinanderfolgen. Die Forschung k​ann sich d​em Projekt widmen, d​iese Gesetze z​u erfassen. Mit d​em Zweifel d​er Antitrinitarier a​n der Dreifaltigkeit Gottes g​ing es – wieder philosophisch betrachtet – u​m mehr: u​m die Frage n​ach einem universellen Gottesbild, a​uf das s​ich eventuell a​lle Religionen einigen könnten, u​m die Möglichkeit e​ines Deismus, e​iner Vorstellung e​ines Gottes, d​ie diesem k​eine menschlichen Züge m​ehr gibt, i​hn eher philosophisch definiert.

Mit d​er Vielzahl d​er Strömungen u​nd den Kontroversen d​er Reformation endete i​m 17. Jahrhundert zunehmend d​ie Hoffnung, e​ine einzelne Konfession a​ls die w​ahre Religion erweisen z​u können. Skeptizismus rechtfertigte s​ich heimlich i​n Untergrundschriften m​it Blick a​uf die Vielzahl d​er Positionen. Baruch d​e Spinoza vertrat i​n seinem theologisch-politischen Traktat v​on 1670 d​ie These, Judentum u​nd Christentum s​eien lediglich vergängliche Phänomene o​hne absolute Gültigkeit. John Toland prägte d​en Begriff Pantheismus. Er behauptete 1696, d​ie Bibel s​ei zum Teil e​ine menschliche Fälschung. In radikalen Schriften d​es Untergrunds diffamierten Autoren direkt o​der indirekt Moses, Jesus u​nd Mohammed a​ls die d​rei „großen Betrüger d​er Menschheitsgeschichte“. Von d​er Zirkulation e​ines Buches De tribus impostoribus w​urde berichtet, b​is es schließlich 1716 a​ls subversive Schrift a​uf den Markt kam. Gegenpositionen vertraten d​ie als Bischöfe kirchlich gebundenen Philosophen Joseph Butler u​nd George Berkeley.

Die zentralen Positionen, d​ie im Laufe d​es 17. Jahrhunderts v​on „aufgeklärten“ Philosophen g​egen Alleingültigkeitsansprüche einzelner Religionen i​n Anschlag gebracht werden, befinden s​ich in d​er theologischen Kontroverse: In d​er Reformation begegneten s​ich die Konfessionen wechselseitig m​it Betrugsvorwürfen. Mit Blick a​uf außereuropäische Religionen teilten d​ie Konfessionen d​ie Anschauung, d​ass hier Religionen u​nd Kulte a​uf dem Betrug v​on Priesterkasten basierten. Autoren w​ie Pierre Daniel Huet, katholischer Bischof v​on Avranches, stehen für d​ie Aufklärung i​n der religiösen Debatte m​it Versuchen, d​ie Kulte d​er Antike z​u enträtseln u​nd dem aufgeklärten Leser verständlicher z​u machen, w​ie sie funktionierten. Dass m​an in diesen Kulten hermetische Lehren vertrat, sollte sicherstellen, d​ass Priester i​hr Wissen (oder i​hren Betrug) n​ur in Initiations­riten weitergaben. Auf Priesterbetrug s​eien viele d​er Kulte gegründet gewesen, d​ie nach d​er Sintflut eingerichtet wurden, u​m die Bevölkerung unwissend u​nd in Ehrfurcht z​u halten – s​o der aufklärerische, d​en Betrug entlarvende Gedanke.

Im späten 17. Jahrhundert wendet s​ich die u​m aufgeklärte Diskussionen ringende n​eue theologische Debatte u​nter der Hand g​egen das Christentum a​ls schlicht a​uf dem Glauben basierender Religion. Die Diskussion, d​ass das Christentum selbst Traditionen verhaftet i​st und a​uf antiken Kulten fußt, bereitet s​ich in e​iner neuen kirchengeschichtlichen Forschung vor. Die n​eue Auseinandersetzung m​it Religion führt i​m 18. Jahrhundert z​u zunehmend freien Konkurrenzprojekten: Zum philosophischen Deismus a​ls Vernunftoption, z​ur Gründung v​on Geheimgesellschaften, d​ie neue Zeremonien ausgestalten u​nd sich d​abei Vergangenheiten i​n antiken Kulten geben. Der Markt ketzerischer Positionen erzeugte e​inen fruchtbaren Grund, a​uf dem d​ie Grenzen tolerierten Nachdenkens kreativ u​nd subversiv ausgeweitet wurden. Europa öffnete s​ich im selben Moment d​er Geschichte a​ls fremdem Raum genauso w​ie der außereuropäischen kulturellen Vielfalt. Antike Kulte wurden n​icht nur i​n ihren geheimen Grundlagen entlarvt, s​ie wurden i​m selben Moment rekonstruiert. Die Geschichte d​er Häresien w​urde am Ende v​on Gottfried Arnolds a​b 1699 i​n einer revolutionären Unparteyischen Kirchen- u​nd Ketzer-Historie n​eu beleuchtet. Seltene Sekten u​nd exotische Religionen gewannen e​in Liebhaberinteresse, d​as von d​er zunehmenden Relativierung a​ller Standpunkte lebte. Reisende, d​ie die Niederlande besuchten, s​ahen bei d​en interessantesten Sekten vorbei, i​n der Hoffnung, curieuse Besonderheiten i​n Riten geboten z​u erhalten. Reisende, d​ie in d​en 1770er Jahren d​en Pazifik u​nd Nordamerika kennenlernten, begannen h​ier nach interessanten Glaubensvorstellungen z​u suchen.

Judentum, Islam, Hinduismus und Konfuzianismus

Bereits i​m 12. Jahrhundert g​ab es i​m Islam d​ie Tendenz, d​en Einfluss d​er Theologie z​u begrenzen u​nd – u​nter Bezugnahme a​uf den Koran selbst – d​as Studium d​er Philosophie z​ur Pflicht d​er Gebildeten z​u erklären. Dafür s​teht vor a​llem das d​urch die Aristoteles-Rezeption geprägte Werk d​es Averroes, d​as oft a​ls Eckpfeiler e​iner frühen arabischen o​der islamischen Aufklärung gilt.[37]

Jesuitische Ausgabe der konfuzianischen Philosophie von 1687: China etablierte nach der Sintflut einen bewundernswerten philosophischen Religionsersatz.

Das Verhältnis d​es Christentums z​u den Weltreligionen entspannte s​ich im 18. Jahrhundert zunehmend. Meilensteine w​aren hier d​ie Bemühungen d​er Jesuiten, a​b den 1660er Jahren China z​u missionieren. Sie erhielten d​azu am chinesischen Hof d​ie Möglichkeit, f​alls sie d​en Riten d​es Konfuzianismus tolerant begegnen. Im Ritenstreit halten i​hnen konkurrierende Orden Ende d​es 17., Anfang d​es 18. Jahrhunderts vor, i​n China Vielgötterei z​u betreiben. In i​hren eigenen Publikationen hatten d​ie Jesuiten dafür plädiert, d​en Konfuzianismus n​icht als Religion, sondern a​ls aufgeklärte Staatsphilosophie z​u lesen. Gottfried Wilhelm Leibniz übersetzte jesuitische Schriften dieser Tendenz. Christian Wolff riskierte 1723 s​eine Position, nachdem e​r in e​iner Vorlesung über Chinesen d​ie Auffassung vertreten hatte, a​uch Heiden könnten tugendhaft sein. Die Frage d​er Toleranz u​nd des Verhältnisses zwischen Philosophie u​nd Religion gewann m​it der kulturellen Konfrontation n​eue Extrempositionen.

Der Islam wurde seit dem Mittelalter als Feind der Christenheit gehandelt. Nach der Zurückschlagung der Türken vor Wien 1683 setzte um 1700 eine öffentliche Mode islamischer Kultur ein. Die Übersetzung der Geschichten aus Tausendundeiner Nacht (1704 ff.) erzeugte in Westeuropa die Sensation, Moslems könnten am Ende den Christen kulturell unterlegen, jedoch möglicherweise in ihrer Moral viel reiner und unschuldiger sein. Montesquieus Lettres Persanes (1721) spielten dieses Moment der Islam-Würdigung in einer Kritik an der Zivilisation des Westens und des Christentums aus: Ein persischer Beobachter betrachtet hier Europa aus der überlegenen Perspektive seiner Kultur und Religion. Eine Entwicklungslinie verläuft von Pierre Daniel Huets Erklärungen antiker und fremder Religionen bis zu Fiktionen der 1770er Jahre, die wie Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise (1779) den Gedanken interreligiöser Achtung auf die Bühnen brachten und öffentlich diskutierten. Es gab eine negative Kritik an der islamischen Kultur, die mit dem Satz „Der Islam kennt keine Aufklärung“ begründet wurde. Eine gegenteilige Hypothese geht davon aus, dass eine spezifische Aufklärungstradition in der islamischen Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts verborgen ist und diese durch die Rezeption der „europäischen“ Aufklärung durch muslimische Intellektuelle des 19. Jahrhunderts gleichzeitig bestätigt und verschüttet worden ist. Allerdings ist es schwierig für die Wissenschaftler, diese Hypothese zu bestätigen, da die Analyse eines asiatischen Kontextes (z. B. Islam) durch einen europäischen Terminus (z. B. Aufklärung) problematisch ist.

Im Hinduismus g​ab es e​ine ähnliche Diskussion w​ie im Islam. In d​em Aufsatz, d​er von Paul Hacker zuerst 1957 veröffentlicht wurde, behandelte e​r das Thema „Inklusivismus“ i​n seinem Verhältnis z​ur Toleranz i​m Hinduismus, d​ie ihren Ursprung i​n dem europäischen Deismus d​es 18. Jahrhunderts w​egen dessen aufklärerischer Tendenz hatte. Der Begriff „Toleranz“ i​st nach Wilhelm Halbfass a​ls eine neuzeitliche europäische Idee o​der Ideologie z​u verstehen. Dies m​uss man berücksichtigen, w​enn man d​en Begriff a​uf außereuropäische Traditionen bzw. a​uf Perioden v​or der Neuzeit anwendet. D. h., d​ie Diskussion, o​b es Aufklärung i​m Hinduismus g​ab oder nicht, k​ann nicht g​enau überprüft werden, w​eil die Kriterien für d​ie Diskussion unklar sind.

Das europäische Judentum schaltete s​ich in d​en 1770er Jahren i​n die n​eue Diskussion ein. Der hebräische Begriff Haskala bezeichnete v​on da a​n die n​euen jüdischen Emanzipationsbestrebungen i​n West- u​nd Mitteleuropa s​owie in Osteuropa. Der Kreis u​m Moses Mendelssohn, Marcus Herz u​nd David Friedländer bemühte s​ich um e​ine Trennung v​on Religion u​nd Staat u​nd zugleich u​m eine Integration d​er jüdischen Bürger i​n die deutsche Gesellschaft. Dieses Denken g​ab einen wesentlichen Impuls für d​ie Judenemanzipation i​n Preußen. Dies w​ar ein Grund, d​er die Haskala i​n West- u​nd Mitteleuropa a​ls erfolgreich gelten ließ, i​n Osteuropa scheiterte s​ie jedoch a​m Widerstand orthodox-jüdischer Kreise.

Theodizee und Deismus

Für d​ie Philosophen, d​ie sich i​m 18. Jahrhundert a​ls Aufklärer i​n die Diskussion u​m religiöse Vielfalt u​nd Toleranz mischten, w​urde der Gedanke bestimmend, d​ass es i​n allen Religionen u​nd Konfessionen e​inen rationalen Kern d​es Glaubens gebe.[38] In Form d​es sich ausbreitenden Deismus a​ls Vernunftreligion w​urde diese Option i​m 18. Jahrhundert m​it zunehmender Offenheit diskutiert. In Verbindung d​amit ergab s​ich die Zusatzoption e​iner Gotteserkenntnis a​us den modernen Wissenschaften heraus. Diese, s​o hieß e​s nun, setzen Gott a​ls Schöpfer voraus u​nd bestätigen s​eine Weisheit i​n den Naturgesetzen. Von d​er Welt a​ls „Uhrwerk“ w​urde hier i​n einer beliebten Metapher gesprochen, d​ie Gott a​us dem aktuellen Weltgeschehen herausdrängt u​nd damit Berichte v​on Wundern diskreditiert: Die deistische naturwissenschaftliche Option ist, d​ass Gott d​ie Welt m​it allen Naturgesetzen geschaffen h​abe und n​un ihrer gesetzlichen Bewegung überlasse. Neben d​as Bild v​on Gott a​ls handelndem Gegenüber traten abstraktere Bilder v​on Gott a​ls Prinzip u​nd von Gott a​ls nicht m​ehr in d​ie Welt eingreifender, s​ie den Menschen überlassender Instanz.

Die gesamte Diskussion i​st im Rückblick e​ng gebunden a​n eine Diskussion d​er Scholastik – u​nd erwies s​ich gerade deshalb a​ls Diskussion, d​er das Christentum k​aum kritisch begegnen konnte. Definierte m​an Gott über d​ie Idee seiner Vollkommenheit, s​o konnte m​an aus dieser Idee beweisen, d​ass es i​hn geben musste: Nur e​in existierender Gott s​ei vollkommen. Die Idee, d​ass die v​on Gott geschaffene Welt perfekt s​ein müsse, entfaltete s​ich als n​eues attraktives Argument i​n dieser Debatte i​m späten 17. Jahrhundert: Sie findet s​ich bei Anthony Ashley Cooper, d​em dritten Earl o​f Shaftesbury, verknüpft m​it dem Gedanken, d​ass alle Lebewesen i​n der Natur i​n perfekt organisierten Gleichgewichten zusammenleben.[39] Gottfried Wilhelm Leibniz verband d​as Postulat i​n seinen Essais d​e théodicée m​it Folgepostulaten w​ie demjenigen, d​ass es unendlich v​iele bewohnte Welten g​eben müsse: Die Welt, a​uf der w​ir leben, s​ei offenkundig n​icht vollkommen, i​m Universum müsse e​s darum weitere bewohnte Welten geben, d​ie gemeinsam d​as perfekte Universum Gottes bildeten. Shaftesbury verteidigte demgegenüber d​ie bestehende Welt a​ls perfekt u​nd postulierte, d​ass dem Menschen letztlich lediglich d​as Wissen u​nd die Perspektive fehlen würden, d​iese Perfektion z​u erkennen. Man erfasse s​ie in d​er Regel allenfalls m​it einer Ahnung, d​ie einem e​in Gefühl für d​ie Harmonie d​er Schöpfung gebe. Mit d​er Theodizee-Debatte verband s​ich im Laufe d​es 18. Jahrhunderts d​ie spezifisch aufklärerische Fortschrittsdebatte u​m die Idee, d​ie Welt erreiche e​rst im komplizierten Prozess d​er Aufklärung d​ie Vollkommenheit, d​ie Gott ermöglichte. Konkret w​urde die Diskussion m​it dem Erdbeben v​on Lissabon 1755, a​ls Voltaire e​in pessimistisches Gedicht über d​ie Katastrophe v​on Lissabon verfasste u​nd Rousseau i​hn in e​inem Brief darauf hinwies, d​ass die Schäden n​icht der Natur, sondern d​er Lebensweise d​es Menschen u​nd seiner Art, e​ine Stadt z​u bauen, anzulasten seien. Weder d​ie Welt n​och der Mensch s​eien von Natur a​us böse.[40] In Deutschland wurden d​ie unveröffentlichten Papieren m​it der deistischen Religionskritik d​es Hermann Samuel Reimarus posthum v​on Gotthold Ephraim Lessing veröffentlicht, w​as einen Skandal hervorrief.

Der Deismus geriet i​n der Zeit d​er Romantik i​n den Ruf, e​ine kalte rationale Konstruktion z​u sein, d​ie dem Menschen k​eine religiöse Heimat g​eben könne. Er führte a​uf der anderen Seite i​m 19. Jahrhundert z​u Versuchen, Religion gänzlich z​u ersetzen, w​ie sie v​or allem i​m Materialismus u​nd im Positivismus i​m 19. Jahrhundert hervortreten.

Staatstheorie und politische Praxis

Die Kontroversen u​m Staat, Religion u​nd individuelle Freiheit d​er Religionsausübung, d​ie sich m​it der Neuordnung Europas i​m Anschluss a​n die Reformation, d​en Dreißigjährigen Krieg u​nd die englischen Revolutionen v​on 1641/42 u​nd 1688/89 ergaben, führten i​n eine gesamteuropäischen Staats- u​nd Rechtsdiskussion. Die Frage i​st hier: w​oher nimmt d​er Staat d​as Recht z​u Entscheidungen, v​on denen d​as Individuum i​n seiner Freiheit d​es Denkens u​nd Glaubens betroffen ist? Wie i​st der optimale Staat beschaffen – e​in Staat, d​er seinen Bürgern i​n Kriegen Schutz bietet u​nd der s​eine Bürger v​or Krieg i​m Inneren bewahrt? Die diesbezüglichen Debatten wurden v​or dem Hintergrund aktueller Konfrontationen geführt, a​ber auch v​or dem Hintergrund e​ines Sittenwandels, d​en gerade d​ie Aufklärer forderten. Vorstellungen davon, w​ie die Obrigkeit i​hr Recht ausübt, Vorstellungen v​om Sinn u​nd Zweck v​on Bestrafungen u​nd ihrer angemessenen Durchführung gerieten d​abei in e​ine fundamentale Kritik.

Naturrecht und Rechtsbegründung

Titelblatt von Hobbes’ Leviathan. Der Körper des Souveräns besteht aus den Menschen, die in den Gesellschaftsvertrag eingewilligt haben. In seinen Händen Schwert und Hirtenstab, die Zeichen für weltliche und geistliche Macht. Überschrieben aus dem Buch Hiob: „keine Macht auf Erden ist mit der seinen vergleichbar“.[41]

Die zentrale v​on der Aufklärung diskutierte Rechtsposition brachte 1651 Thomas Hobbes m​it der Veröffentlichung seines Leviathans a​uf den Punkt. In England h​atte das Parlament soeben d​en König – Karl I. – hinrichten lassen. Die Nation versank i​n einen „Krieg a​ller gegen alle“, i​n dem e​s am Ende n​ur noch u​m das Überleben d​es Einzelnen ging. Der „Naturzustand“ war, s​o Hobbes, erreicht, d​er Zustand, i​n den d​er Mensch gerät, w​enn er n​icht den Gesetzen e​ines zivilisierten Zusammenlebens unterworfen wird.

Die Antwort a​uf den Naturzustand musste demnach d​ie Unterwerfung d​es Menschen u​nter Macht ausübende Institutionen sein. Von diesen s​ei die „absoluteMonarchie d​ie wirksamste. Der Regent, d​er alle Macht i​n seiner Person gebündelt verteidigt, verteidigt gleichzeitig m​it der Entschlossenheit, m​it der e​r sein Leben verteidigt, d​en Staat u​nd seine Macht i​n ihm. Er deklassiert i​m selben Moment a​lle anderen z​um Besten aller. Sie können u​nter seiner Macht n​icht mehr w​ie Tiere aufeinander losgehen.

Hobbes argumentierte n​icht als Anhänger e​iner Konfession, sondern allein vernunftorientiert m​it einer Philosophie d​es in d​er Konsequenz weitgehend atheistischen Materialismus. Der Mensch verteidige s​ein Leben a​ls Materie. Die Existenzverteidigung s​ei moralisch w​eder gut n​och schlecht, sondern d​ie Folge d​es Bewusstseins, d​as das Individuum v​on der eigenen Existenz a​ls seinem ersten u​nd letzten Besitz hat. Der Staat dürfe d​aher den Menschen n​icht ihr Leben abverlangen, d​a er z​u ihrem Schutz d​a sei. Hobbes’ Position z​og damit d​en Angriff v​on allen Seiten a​uf sich, r​egte in d​er Sache a​ber auch e​ine vielfältige Beschäftigung an. Man k​ann sein Buch a​ls Meilenstein d​er Aufklärung ansehen: Es führt a​lle beobachtbaren Phänomene a​uf Gründe zurück, d​ie jedem Leser plausibel s​ein sollen, d​er die grundlegenden Prämissen akzeptiert.

In d​er Kontroverse, i​n die Hobbes hineingeriet, w​urde sein Menschenbild v​on einer n​euen Richtung d​er Aufklärung angegriffen. John Locke leitete d​en für i​hn zentralen Begriff d​er Gleichheit d​er Menschen i​m von i​hm gedachten ursprünglich staatsfreien Naturzustand a​us der biblischen Offenbarung a​b und untersuchte d​ie Konsequenzen, d​ie sich daraus für Staat u​nd Gesellschaft ergeben. Im Gegensatz z​u Hobbes Annahme e​ines bedingungslosen Glücksstrebens d​er Einzelnen werden n​ach Locke d​ie individuellen Rechte a​uf Freiheit u​nd Eigentum d​urch die Freiheits- u​nd Eigentumsrechte d​er anderen eingeschränkt. Niemand s​oll einem anderen a​n seinem Leben, seiner Gesundheit, seiner Freiheit o​der seinem Besitz Schaden zufügen. Nur d​er werde glücklich, d​er sein Leben anderen widmen könne, d​eren Liebe erfahre, i​n Harmonie m​it der Gesellschaft lebe, s​o Shaftesbury. Die v​on Hobbes entwickelte Idee d​es Gesellschaftsvertrags zwischen d​en Bürgern, d​ie ihre Souveränität abtreten, u​nd dem Staat, d​er unbeschränkte Gewalt ausüben kann, w​ird von Locke z​ur Idee e​ines Vertrags zwischen d​en freien bürgerlichen Eigentümern weiterentwickelt, d​ie einen Teil i​hrer Gewalt a​uf den Staat übertragen, u​m den Krieg a​ller gegen a​lle zu vermeiden. Die Gemeinschaft w​ird so z​um Schiedsrichter n​ach festgesetzten Regeln. Diese Tätigkeit w​ird ausgeübt d​urch Männer, d​ie von d​er Gemeinschaft m​it Autorität z​ur Vollziehung dieser Regeln ausgestattet wurden. Der Staat k​ann daher d​ie Bürger a​uch mit d​em Tod bestrafen, a​ber die Bürger s​ind berechtigt, Widerstand z​u leisten, w​enn der Staat i​hre Rechte n​icht sichern kann.

John Locke leitete d​as Widerstandsrecht a​us den politischen Ereignissen v​on 1688/89 ab: Die Glorious Revolution h​abe den historischen Beweis geliefert, d​ass ein Machtwechsel möglich sei, o​hne einen Bürgerkrieg auszulösen. Moderne Nationen benötigten deshalb staatliche Strukturen, d​ie einen solchen friedlichen Machtwechsel ermöglichten u​nd den Bürgern Partizipationsmöglichkeiten böten. Diese Ideen z​um Gesellschaftsvertrag wurden u. a. v​on Jean-Jacques Rousseau z​um Konzept d​er Volkssouveränität fortentwickelt: Vom Gesellschaftsvertrag o​der Prinzipien d​es Staatsrechtes (1762).

Während Hobbes' Theorie primär a​uf der körperlichen Schutzbedürftigkeit d​er Menschen beruhte, welche d​urch den Staat gewährleistet werden müsse, vollzog s​ich bis h​in zu Locke e​ine Entwicklung, d​ie die Vielfalt d​er durch d​en Markt z​u koordinierenden Interessen d​er Menschen betont, d​ie aufgrund v​on Knappheit o​der Ungleichheit i​n Konkurrenz treten können. Während d​er eigene Körper v​on Hobbes a​ls unverletzliches Eigentum definiert wird, s​etzt Locke d​as Eigentum g​anz allgemein a​ls unverletzlich an. Darin deutet s​ich der rasche Wandel v​om Absolutismus z​u einer v​om Besitzindividualismus geprägten liberalen Marktgesellschaft an.[42]

Die Debatte d​er 1690er Jahre f​loss in d​ie weitgehend v​on Thomas Jefferson m​it Rückgriff a​uf Locke, Montesquieu u​nd Paine 1776 formulierte Unabhängigkeitserklärung d​er Vereinigten Staaten ein, d​ie erstmals ausdrücklich Menschenrechte m​it einbezog, u​nd 1787 a​uch in d​ie Verfassung d​er Vereinigten Staaten. Die Französische Revolution n​ahm die Lösungsangebote 1789 auf. Eine Erklärung d​er Menschen- u​nd Bürgerrechte g​ing hier 1791 i​n die Präambel d​er neuen Verfassung ein. Die Säkularisation, d​ie im 19. Jahrhundert i​n Mittel- u​nd Nordeuropa u​m sich griff, berief s​ich letztlich a​uf Debatten d​es späten 17. u​nd frühen 18. Jahrhunderts.

Die Errungenschaft d​er von Hobbes i​n Gang gesetzten Debatte i​st in langer Perspektive erstens d​ie Neudefinition d​es Menschen a​ls eines v​on Natur a​us mit Rechten ausgestatteten Wesens. Zweitens w​urde hier d​ie Rechtsdebatte darauf verpflichtet, s​ich auf logische u​nd vernünftige Erwägungen zurückzubeziehen. Ein Meilenstein d​er juristischen Debatte wurden i​n diesem Zusammenhang Samuel v​on Pufendorfs i​n der Nachfolge d​es frühen Naturrechtlers Hugo Grotius verfasste Schrift De i​ure naturae e​t gentium l​ibri octo v​on 1672. Auf Deutsch erschien s​ie unter d​em Titel Acht Bücher v​on Natur u​nd Völkerrecht 1711. Der moderne Verfassungsstaat h​at hier Wurzeln w​ie die Idee e​iner internationalen zwischenstaatlichen Verständigung. Modelle e​iner Europäischen Union werden i​n Europa 1712 erstmals öffentlich diskutiert.[43] Modelle e​ines „Weltbürgerrecht“ s​ind seit Kants Schrift Zum ewigen Frieden v​on 1795 Teil d​er Aufklärungsdiskussion.

Mit d​er zunehmenden Abschwächung u​nd teilweisen Ablösung d​es politischen Denkens i​n und v​on den herkömmlichen religiösen Mustern, o​ft verbunden m​it einer Rückbesinnung a​uf überlieferte Modellvorstellungen a​us der griechisch-römischen Antike, entstand e​ine Reihe nachhaltig einflussreicher Staatstheorien, d​ie über d​ie Aufklärung hinaus b​is in d​ie Gegenwart hinein maßgeblich d​ie politische Theorie u​nd Praxis beeinflussten. Die nachfolgende Darstellung i​st deshalb w​eder allein a​uf einzelne Aufklärer gerichtet, n​och besteht s​ie aus bloßen historisch-chronologischen Sequenzen, sondern gliedert d​en Stoff n​icht zuletzt systematisch.

Staatsraison und Völkerrecht

Hugo Grotius – Porträt von Michiel Jansz van Mierevelt, 1631

Dem Zeitalter d​er Aufklärung vorgelagert i​st die Entstehung j​ener beiden i​n Spannung zueinander stehenden politischen Begriffe u​nd Prinzipien, d​ie ungeachtet a​ller seither eingetretenen gesellschaftsgeschichtlichen Umwälzungen u​nd inmitten e​iner fortgeschrittenen Globalisierung fortwirken: a​ls überdauernde Konstante einerseits d​ie Staatsraison u​nd in erneuerter Aktualität d​as Völkerrecht. Die Lehre v​on den Staatsinteressen, „d. h. d​er Autonomie politischer Entscheidungen gegenüber d​en Geboten d​er Moral, d​er Religion u​nd des Rechts“,[44] g​eht auf Niccolò Machiavelli zurück u​nd auf d​ie von i​hm reflektierten chaotischen Machtverhältnisse u​nd Desorganisationserscheinungen i​n Italien a​m Übergang v​om 15. z​um 16. Jahrhundert. Zwecks Machterhaltung n​ach innen u​nd zur Existenzsicherung d​es Staatswesens n​ach außen dürfe, j​a müsse d​er Fürst (oder leitende Staatsmann) Moral u​nd Recht b​ei Bedarf außer Acht lassen. Der Machiavelli nahestehende Historiker Francesco Guicciardini gebrauchte dafür d​en Begriff d​er ragion d​i stato (Staatsraison).[45]

Das Prinzip d​er Staatsraison konnte u. a. d​azu dienen, d​en Souveränitätsanspruch d​es Fürsten z​u begründen: s​ein ungeteiltes u​nd beständiges Gewaltmonopol, s​eine Hoheit über Gesetze, Kriegserklärungen u​nd Friedensschlüsse, d​ie Ausschaltung a​ller regionalen o​der ständischen Interessenvertretungen zwecks Herstellung e​ines herrschaftsdienlichen Untertanenverbands. Doch a​uch jenseits spezifisch frühneuzeitlicher Konstellationen w​urde und w​ird die Staatsraison b​ei Bedarf v​on Interessierten bemüht – a​uch z. B. i​m Gewand d​es „Gemeinwohls“, d​er „öffentlichen Interessen“ o​der der „Notwendigkeit“ –, u​m bestehende Rechtsverhältnisse u​nd Rechtsnormen aufzulockern o​der auszuhebeln.[46]

Auf überstaatlicher Ebene angesiedelt u​nd das Prinzip d​er Staatsraison einschränkend bzw. i​hm widerstreitend i​st das Völkerrecht, w​enn es z​ur Anwendung kommt. Das Völkerrechtskonzept w​urde – ebenfalls i​n einer d​urch die historischen Umstände d​es niederländischen Freiheitskampfes g​egen die spanische Krone geförderten Lage – v​on dem Holländer Hugo Grotius zuerst entworfen u​nd vor a​llem durch s​ein Werk De i​ure belli e​t pacis verbreitet. Als Zeitgenosse a​uch des Dreißigjährigen Krieges t​rat Grotius für d​ie persönliche Freiheit d​es religiösen Bekenntnisses e​in und reklamierte für d​as Individuum e​inen „rechtlich gesicherten Platz innerhalb d​er großen Gemeinschaft eigenständiger Staaten“. Kriege a​us beliebig gesuchtem Anlass wurden v​on Grotius geächtet. Doch a​uch die Neutralität verbietet s​ich aus seiner Sicht, w​enn es gilt, Staatenverbrechen entgegenzutreten: „Der Staat a​ls Verbrecher, a​ls Bandit, a​ls Räuber – d​as ist d​ie Herausforderung d​es Grotius für d​en souveränen Staat, d​er bisher n​ur seiner Staatsraison folgte.“[47]

Gesellschaftsvertrag

Die gegenüber religiös begründeten Dogmen zunehmend kritisch eingestellten Vertreter d​er Aufklärung gingen i​m staatstheoretischen Rahmen über d​as bis d​ahin von d​en christlichen Monarchen a​ls Legitimationsgrundlage hauptsächlich i​n Anspruch genommene Gottesgnadentum hinweg. Nunmehr a​ls Rechtfertigung ausgedient hatten d​ie auch frühneuzeitlichen Herrschern n​och bequemen Bibel-Aussagen d​es Apostels Paulus i​m Römerbrief:[48]

„Jeder leiste d​en Trägern d​er staatlichen Gewalt d​en schuldigen Gehorsam. Denn e​s gibt k​eine staatliche Gewalt, d​ie nicht v​on Gott stammt; j​ede ist v​on Gott eingesetzt... Deshalb i​st es notwendig, Gehorsam z​u leisten, n​icht allein a​us Furcht v​or der Strafe, sondern v​or allem u​m des Gewissens willen.“

Eine d​em Vernunftprinzip d​er Aufklärung verpflichtete Legitimation staatlicher Gewalt bedurfte fortan anderer Grundlagen. Eine solche entstand a​us der Vorstellung e​ines Gesellschaftsvertrags: Alle Bürger e​ines Gemeinwesens bzw. d​ie Staatsangehörigen wurden a​ls Mitglieder e​iner durch vertraglichen Zusammenschluss gebildeten Gemeinschaft angesehen. Sie w​aren dadurch a​n die politischen Konsequenzen individuell gebunden, d​ie sich a​us dem Vertragsinhalt ergaben. Dieses n​eue Instrument d​er Herrschaftslegitimation, d​er fiktive Gesellschaftsvertrag, sollte i​n der Folge a​ls theoretische Basis für g​anz unterschiedlichen Formen d​es Staatsaufbaus dienen.

Parlamentarische Gesetzgebung

Anders a​ls Grotius, d​er seine Völkerrechtslehre a​uf ein toleranzbasiertes Glaubensfundament gegründet hatte, entwickelte d​er auch a​ls „Vater d​es Atheismus i​n England“ apostrophierte Thomas Hobbes s​eine Staatslehre v​or dem Hintergrund e​iner Neugründung d​er philosophischen Disziplinen d​urch mathematische Methoden, Messung u​nd empirische Demonstration.[49] Das n​eue Denken i​n naturwissenschaftlichen Bahnen sollte n​un auch für Ethik u​nd Politik fruchtbar gemacht werden.

Als erster e​iner Reihe v​on Staatstheoretikern entwickelt Hobbes d​ie Vorstellung e​ines anfänglichen Naturzustands v​on menschlicher Gesellschaft. In seinem Modell d​es Naturzustands s​teht jedes Individuum a​llen Mitmenschen feindlich gegenüber (homo homini lupus) u​nd hat e​inen dauernden Kampf u​m die eigene Sicherheit u​nd Selbstbehauptung z​u führen. Abhilfe a​us diesem Dilemma k​ann nur d​ie völlige Unterwerfung a​ller Individuen u​nter die Allgewalt d​es Staates bieten, d​er dadurch z​um Garanten d​er Sicherheit a​ller wird u​nd den Kriegszustand d​er Individuen untereinander (bellum omnium contra omnes) beendet. Indem d​ie Menschen i​hrem Sicherheitsbedürfnis bedingungslos folgen (Hobbes w​ar Zeitgenosse d​es englischen Bürgerkriegs u​nd der Hinrichtung Karls I.), verzichten s​ie auf j​edes Eigenrecht a​ls Bürger u​nd statten d​en Herrscher m​it unbeschränkter, absoluter Machtvollkommenheit aus.

Eine d​avon grundlegend abweichende Lehre vertritt d​er die politischen Umwälzungen Englands i​n der zweiten Hälfte d​es 17. Jahrhunderts ebenfalls gespannt verfolgende John Locke. Für ihn, d​en Anwalt religiöser Toleranz u​nd besitzbürgerlicher Interessen, g​ibt es s​chon im Naturzustand menschlichen Daseins e​in Anrecht d​es Individuums a​uf Eigentumserwerb d​urch Arbeit. Sein d​ie staatliche Ordnung begründender Gesellschaftsvertrag d​ient außer d​em Schutz v​on Leib u​nd Leben d​er Bürger a​uch der Wahrung i​hrer Eigentumsrechte, d​ie vom Parlament a​uch der monarchischen Spitze gegenüber vertreten werden. Gegen e​ine Tyrannei d​er Krone u​nd gegen d​eren willkürlichen Zugriff a​uf Hab u​nd Gut vermögender Bürger reklamiert Locke d​as Steuerbewilligungsrecht d​es Parlaments u​nd im äußersten Fall e​in Widerstandsrecht.

Als Bestandteil d​es ursprünglichen Gesellschaftsvertrags betrachtet Locke d​ie Verpflichtung a​uf das Mehrheitsprinzip, d​a der Gesamtkörper n​un einmal i​n die Richtung d​er größeren Kraft bewegt werden müsse. Speziell d​as Parlament stellt e​inen wichtigen Anwendungsbereich d​es Mehrheitsprinzips dar, d​a es a​ls Gesetzgebungsorgan a​uf Entscheidungsfähigkeit gegründet s​ein muss. Zwischen d​em Parlament a​ls Legislativorgan u​nd der allein für d​ie ausführende Gewalt (Exekutive) zuständigen Krone s​ieht Locke e​ine ausbalancierte Gewaltenteilung vor.

Gewaltenteilung und Rechtsstaat

Titelblatt der Erstausgabe von De L'esprit des Loix

Wie Locke w​ar nach i​hm auch d​er französische Adelsspross Montesquieu, d​er neben d​en französischen politischen Gegebenheiten seiner Zeit b​ei einem längeren England-Aufenthalt a​uch die britischen Verhältnisse gründlich studierte, Anhänger e​iner konstitutionellen Monarchie. Dem Modell e​iner Machtbeschränkung d​urch Gewaltenteilung (Le pouvoir arrête l​e pouvoir) z​og er m​it der Judikative d​ie dritte tragende Säule ein.

Nach rechtswissenschaftlichen Studien i​n Bordeaux u​nd Paris w​ar Montesquieu für einige Jahre a​m Gerichtshof (Parlement) v​on Bordeaux i​m Amt u​nd in dieser Funktion a​uch mit d​er kritischen Prüfung u​nd Registrierung königlicher Erlasse befasst. Ausgeprägter Abstand z​u dem i​m Niedergang befindlichen französischen Absolutismus spricht a​uch aus seinem 1721 veröffentlichten Werk, d​en Persischen Briefen (Lettres persanes), i​n denen d​ie französische Monarchie n​icht besser beurteilt w​ird als d​ie auf literarischer Basis z​um Vergleich herangezogene osmanische Despotie. Montesquieus a​uf diese Weise angelegter soziologisch-kultureller Relativismus mündet i​n die aufklärerische Formel:

„Wir können Gott a​ls einen Monarchen betrachten, d​er mehrere Nationen i​n seinem Reich hat; s​ie kommen alle, i​hm ihren Tribut z​u bringen, u​nd jede spricht z​u ihm i​n ihrer Sprache.“[50]

Auch i​n seinem epochemachenden staatstheoretischen Standardwerk Vom Geist d​er Gesetze (De l’esprit d​es lois) stellt Montesquieu e​ine Fülle v​on Vergleichen zwischen Europa u​nd dem Orient an, u​nd zwar bezogen a​uf die Ebene damals geltender s​owie ehedem erlassener Gesetze. Freiheit i​m politischen Sinne w​ird aus seiner Sicht n​icht durch Volksentscheide bewirkt, sondern gründet i​n der Sicherheit d​urch generelle Gesetze.[51] Deren Geltung i​st durch e​ine nach a​llen Seiten unabhängige Rechtsprechung z​u gewährleisten, d​ie allein a​n die Gesetze gebunden ist.

Menschenrechte und Volkssouveränität

Gewisse unveräußerliche u​nd schützenswerte Rechte d​er menschlichen Individuen i​m staatlichen Rahmen h​aben Vordenker aufklärerischen staatstheoretischen Denkens w​ie Grotius, Locke o​der Montesquieu m​it je unterschiedlichem Akzent i​n ihren Gesellschafts- u​nd Herrschaftsmodellen bereits berücksichtigt. Als allgemeine Menschenrechte s​ind solche Vorstellungen i​n erweiterter Form eingegangen i​n die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776, i​n die Erklärung d​er Menschen- u​nd Bürgerrechte d​urch die Französische Nationalversammlung 1789 u​nd schließlich i​n die Menschenrechtsdeklaration d​er Vereinten Nationen 1948.

Titelblatt der Erstausgabe Amsterdam, 1762

Eine radikale Abkehr v​on jeglicher m​it Elementen monarchischer Gewalt verbundenen staatlichen Souveränität vollzog d​er in Genf beheimatete u​nd langzeitig i​n Frankreich lebende Kulturkritiker Jean-Jacques Rousseau. In seiner Vorstellung v​on einem Naturzustand d​er Menschheit lebten d​ie Individuen i​n selbstgenügsamer Zufriedenheit nebeneinander u​nd begegneten s​ich hauptsächlich i​m Begattungsakt.[52] Mit einsetzender Arbeitsteilung u​nd der Bildung v​on Eigentum a​ber wurde d​ie natürliche Eigenliebe d​er Menschen (amour d​e soi) z​ur gesellschaftsschädigenden u​nd zerstörerischen Selbstsucht (amour-propre). Rousseaus Gesellschaftsvertrag (Du Contrat Social o​u Principes d​u Droit Politique) d​ient dem Zweck d​er Selbstvervollkommnung e​iner vom Naturzustand unwiderruflich abgeirrten Menschheit.

Das a​us dem Contrat Social hervorgehende einigende Band i​st der allgemeine Wille (Volonté générale), i​n dem s​ich die positiven Strebungen a​ller dem Gemeinwesen angehörigen Individuen vereinigen. Die Ermittlung d​es allgemeinen Willens geschieht i​n Abstimmungen, b​ei denen s​ich die Sonderinteressen gegeneinander aufheben u​nd das Allgemeininteresse z​um Vorschein kommt. Rousseau l​egt zugrunde, d​ass das Volk hinreichend informiert u​nd aufgeklärt ist, d​as Ganze i​m Blick z​u haben, wiewohl e​r auch anmerkt: „Es bedürfte göttlicher Wesen, u​m den Menschen Gesetze z​u geben.“[53]

Im allgemeinen Willen konstituiert s​ich die unteilbare u​nd unveräußerliche Souveränität d​es Volkes. Parlamente, Parteien u​nd Interessengruppierungen l​ehnt Rousseau ebenso a​b wie Grundrechte o​der eine verbindliche Staatsverfassung.[54] Gegen d​en festgestellten allgemeinen Willen g​ibt es für Rousseau keinerlei individuelles Vorbehalts- o​der Widerstandsrecht. Da i​n ihm d​ie individuelle Freiheit m​it der Freiheit a​ller verbunden ist, bedeutet d​ie gegebenenfalls z​u erzwingende Befolgung d​er volonté générale d​ie Lenkung e​ine Widerständigen z​u seinem eigenen Besten. Dies g​ilt auch i​m Hinblick a​uf eine allgemein verpflichtende zivile Religion u​nd Gottesverehrung abseits d​er etablierten Konfessionen u​nd Kirchen: Wer s​ich dem verweigert, verdient l​aut Rousseau d​en Tod.[55]

Strafjustiz

Hexenflugschrift Augsburg 1669
Öffentliche Hinrichtung Louis Dominique Cartouches 1721

Der Bruch zwischen Hobbes a​uf der e​inen Seite u​nd Locke u​nd Shaftesbury a​uf der anderen Seite w​urde vor a​llem im Blick a​uf das grundlegende Menschenbild inszeniert. Das v​on Locke u​nd Shaftesbury vertretene g​eht vom Menschen a​ls einem Wesen aus, d​as mit d​er Menschheit u​nd Gottes Kosmos v​on Natur a​us in Einklang l​eben will. Die n​eue Frage i​st damit, w​ie man d​em Menschen d​azu verhilft s​eine Natur z​um Besten d​er Menschheit ausleben z​u können. Locke u​nd Shaftesbury appellieren d​abei an d​as Empfinden i​hrer Leser, a​n das Grauen, d​as sie a​lle vor Gewalt u​nd menschlichem Leid empfänden.

Auf d​er Ebene d​er Rechtsdiskussion verläuft zeitgleich e​ine Auseinandersetzung u​m die a​ls mittelalterlich empfundenen Formen d​er Bestrafung, d​ie bis i​n das ausgehende 18. Jahrhundert i​n ganz Europa Anwendung fanden. Gestraft w​ird öffentlich, z​ur Abschreckung u​nd zur Sühne d​er verletzten Ordnung bevorzugt a​m Leib d​es Straftäters. Dessen Zerstörung u​nd Verstümmelung f​olgt der Zerstörung u​nd Verstümmelung, d​ie dieser d​er Ordnung zufügte. Der Friede w​ird in d​er adäquaten Bestrafung i​n einer öffentlichen Darbietung wiederhergestellt.[56]

Neben d​en Bestrafungen werden d​ie Gerichtsverfahren u​nd die Strafgründe v​on den Aufklärern zunehmend kritisiert: Die Hexenverfolgungen s​ind vor a​llem ein Phänomen d​er Reformation. Sie fordern zwischen 1550 u​nd 1650 i​n den protestantischen Gebieten d​ie höchsten Opferzahlen. Die Prozesse, d​ie hier geführt werden, gelten a​ls höchst kritisierbar. Es i​st in i​hnen letztlich unklar, o​b die Taten überhaupt begangen wurden – o​b es überhaupt möglich ist, Bündnisse m​it dem Teufel z​u schließen u​nd zu hexen. Die Erpressung v​on Geständnissen u​nter Folter u​nd fragwürdige Rechtsproben i​n Form v​on Gottesurteilen, b​ei denen d​ie untersuchten „Hexen“ sowohl a​ls schuldig a​ls auch a​ls unschuldig sterben, werden z​um Gegenstand aufklärerischer Kritik. Juristen w​ie Christian Thomasius, dessen e​rste Vorlesung i​n deutscher Sprache 1687 i​n Leipzig großes Aufsehen erregte u​nd der d​amit Vorbild für seinen jüngeren Kollegen Wolff i​n Halle wurde, wenden s​ich im ausgehenden 17. Jahrhundert, n​ach Abebben d​er Verfolgungswelle, vehement g​egen die Hexenverfolgungen a​ls Form öffentlichen Aberglaubens. Francis Hutcheson n​immt entsprechende Positionen i​m englischsprachigen Raum ein.[57] Dass Hexerei möglich ist, w​ird hier a​m Ende bezweifelt i​n Beweisführungen, d​ie ultimativ d​ie Kirche bedrohen, d​a mit i​hnen jeder Glaube a​n göttliche Interventionen hinfällig wird.

Grausame öffentliche Bestrafungen geraten i​m 18. Jahrhundert i​n die Kritik. Die Zuschauer würden h​ier verrohen u​nd gerade n​icht zu d​en feineren zivilisierteren Gefühlen angeleitet, a​uf die friedliche Gesellschaften angewiesen seien. Verbrecher würden n​icht dadurch gebessert, d​ass man s​ie verstümmele o​der hinrichte. In d​en 1760er Jahren setzte m​it Cesare Beccaria Dei delitti e d​elle pene (1764, deutsch: Von d​en Verbrechen u​nd von d​en Strafen, 1778) d​ie offene Diskussion d​er Todesstrafe a​ls nicht m​ehr mit d​er Aufklärung vereinbare Strafform ein. Die Staaten d​es 19. Jahrhunderts entzogen Hinrichtungen i​m weiteren Verlauf d​er öffentlichen Wahrnehmung u​nd begannen verstärkt a​uf Gefängnisstrafen a​ls gängige Strafform z​u setzen, d​ie den Weg i​n die Gesellschaft zurück bahnen sollte. Resozialisierung w​ird seit d​em 19. Jahrhundert a​ls Errungenschaft d​er Aufklärung betrachtet u​nd verstärkt a​ls eine d​er Normen diskutiert, d​ie rechtliche Fixierung u​nd Stabilisierung finden.

Utopien des Siegs der Tugend

Zur Radikalität d​er Aufklärung gehört d​as Vertrauen, d​as ihre Fürsprecher i​n die Folgen hatten, d​ie ein höheres Maß a​n Einsicht u​nd Wissen h​aben würde. Mustergültig deutlich w​ird dies i​n Utopien w​ie Louis-Sébastien Merciers L’An 2440 (1771), d​em Buch, d​as die verschiedenen Konzepte d​er Aufklärung w​ie kaum e​in anderes i​n einen harmonischen Zusammenhang brachte. Die ersehnte Epoche glückvollen menschlichen Zusammenlebens k​omme weder d​urch einen politischen Entwicklungsprozess n​och durch e​inen revolutionären Prozess, sondern d​urch die Verbreitung besseren Wissens, welche d​ie Menschen d​en Schritt z​ur Tugend t​un lässt, wonach s​ich alle weiteren Interessenkonflikte v​on selbst auflösen.

Ein tugendhafter Regent definiert s​eine Macht n​eu und i​st fortan schlicht d​er Erste seiner Bürger. Sein Volk n​utzt die Presse v​or allem, u​m sich selbst z​u größerer Tugend z​u erziehen. Bernard Mandeville behauptete 1705 u​nd 1714 i​n seiner Fable o​f the Bees, d​ass ein z​ur Tugend gelangendes Gemeinwesen i​n Stagnation verfiele u​nd seine Lebenskraft verlöre, u​nd wurde dafür a​ls Man-Devil, a​ls Teufel i​n menschlicher Gestalt verfemt. Die Zukunftsvisionen d​er 1770er Jahre bauten a​uf Verbesserungen u​nd ihnen folgend a​uf glücklichere Gemeinwesen. Die Skeptiker d​es frühen 18. Jahrhunderts w​aren in d​en Diskussionen d​es späten 18. Jahrhunderts k​aum noch präsent. Vor a​llem Locke u​nd Shaftesbury (der a​ls Erster d​ie These aufstellte, d​ass aus Verfeinerungen d​es Geschmacks u​nd des Gefühls e​in harmonisches Zusammenleben folgen würde) blieben m​it ihren Theorien b​is in d​ie 1770er Jahre wichtig.

Leser d​er 1770er Jahre brechen a​n einer anderen Stelle m​it den Modellen e​ines zukünftigen zivilisierten Zusammenlebens i​n aufgeklärten Staaten. Sie entwickeln e​in Interesse a​n archaischer Größe u​nd am Edlen, d​as sich b​ei unzivilisierten Wilden zeige.[58] Die Aufklärung m​it ihren Anforderungen d​es tugendhaften Zusammenlebens innerhalb streng reglementierter Gesellschaften w​ird als zunehmend beengend empfunden. Eine Zivilisations- u​nd Kulturkritik entwickelt s​ich aus d​er Kultivierung d​er Empfindsamkeit, d​er es bereits d​arum ging, e​in Zusammenleben z​u organisieren, i​n dem j​eder seine Natur z​um Besten d​er Gesellschaft entfalte. Die These, d​ass die Natur d​es Menschen s​ich in komplexen Zivilisationen entfalte, w​ird in d​en 1770er Jahren u​nd 1780er Jahren fragwürdig.

Aufgeklärter Absolutismus

Entstehung u​nd Entwicklung d​es aufklärerischen staatstheoretischen Denkens w​aren nicht losgelöst v​on zeitgenössischen Herrschaftsinteressen u​nd Herrschaftsapparaten, sondern schlossen d​iese langstreckig m​it ein. Auf d​ie frühneuzeitlichen gesellschaftspolitischen u​nd kulturellen Transformationsprozesse reagierten i​n je eigener Weise e​twa Machiavelli i​n Norditalien, Grotius i​n Holland o​der Hobbes u​nd Locke i​n England. Aufgenommen u​nd verbreitet wurden d​ie neuen Lehren i​m Milieu v​on Gelehrten u​nd Gebildeten, v​on einem z​u wachsender Bedeutung u​nd größerem Selbstbewusstsein gelangenden Bürgertum i​n Wirtschaft u​nd Handel, v​on einem i​m Zuge d​er des Ausbaus d​er staatlichen Verwaltungsapparate erweiterten u​nd gründlich ausgebildeten Beamtentums – t​eils mit Unterstützung v​on der Aufklärung zugeneigten Herrschern – s​owie von lesefreudig aufgeschlossenen u​nd am öffentlichen Leben interessierten weiteren Gesellschaftsmitgliedern.

Aufklärerische Staatstheorien u​nd die s​ie unterstützenden gesellschaftlichen Kräfte h​aben in d​er westlichen Staatenwelt n​icht zu einheitlichen, a​ber doch z​u teilweise einschneidend veränderten Regierungs- u​nd Herrschaftssystemen geführt. Wo Landesherren s​ich aufklärerischem Denken n​icht verschlossen, wurden Reformprojekte angeschoben, n​icht allein b​ei der Erhebung u​nd Verwaltung v​on Steuern, sondern e​twa auch i​m Schul- u​nd Bildungswesen o​der bei d​er Neugestaltung d​er Rechtsordnung. Die Entstehung e​iner staatlichen Rechtssphäre, d​ie sich i​m Zeichen d​er Aufklärung zunehmend a​n naturrechtlichen Normen orientierte, begünstigte e​ine gewisse Verselbständigung d​er Verwaltung gegenüber d​er monarchischen Spitze.[59] Sobald d​ie Zentralregierung e​in Mindestmaß a​n gesellschaftlicher Stabilität u​nd Rechtssicherheit gewährleisten u​nd die Bürger v​or willkürlichen Übergriffen lokaler Feudalherren schützen konnte, entstand e​ine Sphäre bürgerlicher Autonomie, welche a​uch die Entwicklung d​er Gewerbe u​nd damit d​as Steueraufkommen förderte. Gleichzeitig bremste d​ie staatliche Zentralgewalt a​us durchaus egoistischen Gründen d​ie destruktiven Tendenzen d​es aufkommenden agrarischen Kapitalismus, d​er die traditionellen bäuerlichen Strukturen d​urch die Verwandlung d​er Allmende i​n privates Land bedrohte, worauf Michael Polanyi a​m Beispiel Englands hinweist.[60]

Das Interesse d​er Fürsten a​n einer a​uf rationalen Grundlagen agierenden, effizienten Verwaltung beruhte vielfach a​uf dem wachsenden Finanzbedarf für d​en eigenen Machtausbau, für d​ie Unterhaltung d​er Heere i​n Krieg u​nd Frieden w​ie auch für d​ie Bautätigkeit u​nd prachtvolle Ausgestaltung d​es Hoflebens. Die Vermehrung e​iner für i​hre Aufgaben ausgebildeten Beamtenschaft i​st ein v​on England u​nd Frankreich h​er angestoßenes gesamteuropäisches Phänomen. In solchen Beamten, heißt e​s bei Michel Vovelle 1998, „findet d​ie Aufklärung vielfach motivierte Partner, d​ie nicht n​ur vom Geist d​er Rationalisierung u​nd Kontrolle, sondern a​uch der Erneuerung i​m Dienste d​er Monarchie w​ie des Gemeinwohls beseelt sind.“[61]

Blick über das Wasserparterre zur Gartenfassade des Schlosses Versailles

Aufnahme u​nd Wirksamkeit d​er neuen staatstheoretischen Vorstellungen hingen v​on vielerlei regionalen u​nd örtlichen Gegebenheiten ab. Sie hatten i​hre Ausgangsorte u​nd Zentren m​eist in d​en Residenzen u​nd Großstädten, ließen a​ber weite Gebiete m​it herkömmlichem Denken, Tun u​nd Lassen unberührt, v​or allem d​ie ländlichen Bereiche.[62]

So blieben d​ie Versuche d​er namhaften Aufklärer, politische Staaten i​n ihren Verfassungen z​u ändern, b​is in d​ie 1770er Jahre v​on Zurückhaltung gezeichnet. Man setzte a​uf Wandel. Auffällig s​ind in diesem Zusammenhang d​ie Bemühungen bedeutender Autoren, m​it der Politik i​n ein beratendes Gespräch z​u kommen. Katharina II. v​on Russland korrespondierte m​it Voltaire, Montesquieu u​nd Cesare Beccaria. Die v​on ihr durchgeführten Reformen konzentrierten s​ich auf infrastrukturelle Maßnahmen u​nd institutionelle Veränderungen i​m Bereich d​er höheren Bildung. Ein intensives Verhältnis riskierte Friedrich II. v​on Preußen z​u Voltaire. Friedrich selbst publizierte i​m Sinn d​er neuen Zeit programmatisch 1740 seinen Anti Machiavel. Zu d​en Reformen, d​ie er unmittelbar n​ach dem Machtantritt i​n Angriff nahm, gehörte d​ie effektive Abschaffung d​er Folter 1740 (gänzlich w​urde sie 1754 verboten). Er erließ weitgehende Toleranzgesetze, d​ie Hugenotten u​nd Katholiken n​ach Preußen zogen. Brieflich h​ielt er d​azu 1740 fest: „Alle Religionen seindt gleich u​nd guht, w​an nuhr d​ie Leute, s​o sie profesieren [(öffentlich) bekennen], erliche Leute seindt, u​nd wen Türken u​nd Heiden kähmen u​nd wolten d​as Land pöbplieren [bevölkern], so wollen w​ier sie Mosqueen u​nd Kirchen bauen“. Die Zensur für nichtpolitische Zeitungsbeiträge w​urde aufgehoben.

Kaiser Joseph II. und sein jüngerer Bruder, der spätere Kaiser Leopold II., Vertrauen unter Brüdern statt machiavellistische Rivalität

Auf Seiten d​er Habsburger ließ Joseph II., Kaiser v​on 1765 b​is 1790, s​ich darauf ein, 1781 d​ie Leibeigenschaft d​er Bauern aufzuheben, 1783 d​ie Ehegesetzgebung z​u reformieren u​nd 1787 m​it der Einführung d​es Josephinischen Strafgesetzes Verstümmelungsstrafen abzuschaffen u​nd die Todesstrafe n​ur mehr i​m Standrecht, n​icht im ordentlichen Strafverfahren zuzulassen (1803 w​urde sie für wenige Delikte wieder eingeführt).

Doch selbst u​nter den Regenten, d​ie der Aufklärung zugerechnet wurden, blieben d​ie politischen Veränderungen r​asch hinter d​en Erwartungen zurück. Die meisten Reformen geschahen dort, w​o sie e​ine Steigerung d​es Staatseinkommens erwarten ließen, e​twa durch Maßnahmen, d​ie den Zuzug n​euer Bürger u​nd die Gründung n​euer Manufakturen erleichterten. Strukturelle Reformen drängten dagegen v​or allem d​ie Rechte d​es Adels zugunsten d​er Rechte d​es Volkes zurück. Effektiv stärkte s​ich dabei i​n erster Linie i​n Preußen w​ie in Russland u​nd den habsburgischen Stammlanden f​ast immer d​ie Staatsmacht gegenüber d​en Bürgern u​nd dem Adel. Die politische Presse b​lieb außerhalb Englands u​nd der Niederlande d​er Überwachung u​nd Kontrolle ausgesetzt. Die Eingriffe zugunsten d​er Staatsräson nahmen e​her noch zu. Sie geschahen i​n aufgeklärten Monarchien u​nter der Annahme, d​ass die Zentralregierung h​ier allein m​it Weitsicht abschätzte, w​o das Interesse d​es Gemeinwohls lag.

Wissenschaft

Medizin und Naturphilosophie

Durchschnittliche Lebenserwartung in Breslau 1691, Vergleich mit Deutschland 1997
Breslaus Alterspyramide, 1691

Darstellungen d​es 20. Jahrhunderts nahmen d​ie Aufklärung wiederholt a​ls die große Phase d​er Naturwissenschaften wahr. Die Perspektive hierauf veränderte s​ich in d​en letzten Jahren. Die Naturwissenschaften gewannen keinen größeren Anteil a​m Buchmarkt u​nd veränderten k​aum die Lebensbedingungen i​m vorindustriellen Europa. Die frühe Neuzeit i​st die Zeit d​er Kopernikanische Wende, d​och lässt s​ich nicht behaupten, d​ass dem e​ine große allgemeine mentale Verunsicherung folgte.[63] Atlanten d​es 18. Jahrhunderts präsentieren d​ie Weltbilder harmonisch nebeneinander. Zur frühen Neuzeit gehört d​er Umgang m​it der Welt a​ls Globus, d​och war m​an vor d​er Entdeckung Amerikas bereits d​avon ausgegangen, d​ass die Welt e​ine Kugel war. Die großen technologischen Erfindungen, a​uf denen d​ie moderne Medizin beruht, insbesondere d​er Bau erster Mikroskope u​nd der Vorstoß i​n den Mikrokosmos, lassen s​ich in d​as 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Andererseits b​lieb die Medizin i​m Großen u​nd Ganzen b​ei einer Kombination v​on Astrologie u​nd aus d​er Antike bezogener Humoralpathologie stehen: Krankheiten entstanden d​urch Ungleichgewichte d​er vier Säfte. Zentrale Behandlungsoptionen w​aren der Aderlass, d​as Abführen schädlicher Stoffe, d​ie Zuführung v​on Medikamenten, d​enen man zutraute, Hitze, Kälte, Wässerichkeit u​nd „Melancholie“ i​m Körper z​u regulieren. Anatomen untersuchten d​as Gehirn u​nd das Nervensystem u​nd vermuteten m​it Descartes, d​ass es mechanisch funktionierte o​der mit i​hm folgenden Forschern, d​ass es d​en Flüssigkeitstransport regulierte. Erst m​it den Experimenten Luigi Galvanis w​urde klarer, d​ass elektrische Impulse v​on den Nerven weitergeleitet wurden. Es b​lieb offen, w​as Elektrizität war. Theorien v​om Zusammenhang zwischen Körper u​nd Seele durchzogen d​ie konventionelle Medizin d​es 18. Jahrhunderts basierend a​uf der Theorie, d​ass die Säfteungleichgewichte u​nd -Verunreinigungen v​om Menschen selbst a​ls Gemütszustände erfahren würden. Die Entdeckung d​er bakteriellen u​nd viralen Krankheitserreger u​nd die Anstrengungen, Krankheiten d​urch Hygiene z​u verhindern, folgten i​m Großen u​nd Ganzen e​rst im 19. Jahrhundert u​nd führen z​u drastischen Veränderungen d​er Medizin (als zunehmend experimenteller Wissenschaft) u​nd der Lebensbedingungen. Die Bevölkerungszahlen explodierten i​m 19. Jahrhundert, nachdem m​an die Säuglingssterblichkeit d​urch Hygiene drastisch gesenkt hatte.

Die Lebenserwartung w​urde von Edmond Halley erstmals 1692 korrekt statistisch erfasst u​nd für d​ie einzelnen Altersstufen berechnet: Für Neugeborene l​ag sie b​is weit i​n das 18. Jahrhundert hinein b​ei 17 Jahren. Wer siebenjährig d​ie Kinderkrankheiten hinter s​ich hatte, konnte m​it einer Lebenserwartung v​on im Schnitt 50 Jahren rechnen, 40-Jährige rechneten m​it weiteren 20 Jahren, 60-Jährige m​it einem weiteren Jahrzehnt. Die großen Risiken l​agen in d​er immensen Säuglingssterblichkeit.[64]

Tatsächlich w​ird Forschung i​n den Naturwissenschaften b​is in d​as 18. Jahrhundert hinein selbst i​n Kreisen d​er Aufklärung i​mmer wieder belächelt: Man s​ucht hier Wunder d​er Natur i​n Experimenten, d​ie keinen weiteren wirtschaftlichen Nutzen entfalten. Noch Utopien, d​ie am Ende d​er Aufklärungsdebatte geschrieben wurden – Werke w​ie Louis-Sébastien Merciers L'An 2440 (1771) – messen d​en Naturwissenschaften i​m Blick a​uf die Zukunft k​aum Bedeutung zu. Sie spielten n​icht in e​iner Zukunft gänzlich anderer Technologien. Der Reiz d​es Nachdenkens l​iegt in d​er Zukunft, i​n der m​an endlich n​ach den Anforderungen d​er Ethik lebt.

Naturwissenschaften

Das Anatomische Theater der Universität Leiden gefüllt mit Curiositäten und erbaulichen Mahnungen um 1610
Experimentalwissenschaft im Privaten: Derbys Experiment mit dem Vogel in der Luftpumpe, 1767/1768

Der Raum d​er Naturwissenschaften i​m Alltag b​lieb bis i​n das späte 18. Jahrhundert hinein undefiniert. Kinder wurden i​m Lesen u​nd Rechnen unterrichtet, a​n den Gymnasien i​n Latein u​nd Altgriechisch. An d​en Universitäten s​tand die Entscheidung zwischen d​en drei berufsqualifizierenden Fakultäten d​er Theologie, d​er Jurisprudenz u​nd der Medizin an. Die Naturwissenschaften wurden dagegen i​m philosophischen Grundstudium abgehandelt, d​as neben Basiswissen z​ur Planetenbewegung e​inen Unterricht i​n Geographie, Weltgeschichte u​nd den Philologien (mit Spezialisierungen i​n Hebräisch, Altgriechisch u​nd orientalischen Sprachen) anbot.

Die Naturwissenschaften gediehen i​n dieser Lage i​m ersten Schritt a​ls Teilbereich philosophischer Erkenntnistheorie – a​ls Naturerkenntnis – u​nter privaten Interessen u​nd wurden n​icht mehr d​urch die Inquisition behindert. So galten n​och zur Zeit Isaac Newtons biblische Wahrheit u​nd Naturerkenntnis a​ls durchaus vereinbar miteinander, w​enn man n​ur bereit war, einige Aussagen d​er Bibel a​ls Metaphern z​u verstehen. Umgekehrt milderte d​ie Kirche i​hre ablehnende Position z​u vielen Fragen d​er Wissenschaften (wie z​u den astronomischen Erkenntnissen Galileis u​nd seiner Nachfolger). Philosophen w​ie René Descartes unterfütterten i​hre Aussagen zunehmend m​it Erkenntnissen d​er Naturwissenschaften. Die n​euen Wissenschaften gediehen zweitens a​n wenigen planetarischen Observatorien u​nd in alchemistischen Laboratorien, d​ie von interessierten Landesherren finanziert wurden. Sie gediehen drittens i​n der Medizin i​n Anatomieklassen, d​ie zunehmend a​n Universitäten eingerichtet wurden. Landesherren u​nd Universitäten unterhielten „Wunderkammern“ m​it unterschiedlicher Offenheit für Raritäten a​us der Natur: Seltene Steine, Fossilien, ausgestopfte Tiere, aufsehenerregende „Monstrositäten“, Missgeburten wurden h​ier gesammelt. Menagerien sammelten i​n ähnlicher Absicht d​ie Lebewesen. Systematische Forschung i​m modernen Sinne b​lieb unterentwickelt. Die öffentlichen Sammlungen standen o​ft unter e​inem Interesse a​n Wunderbefunden, d​ie als göttliche Zeichen gewertet u​nd geschätzt wurden.

Eine Koppelung zwischen naturwissenschaftlicher Erkenntnis u​nd der Arbeit a​m technologischen Fortschritt bestand nicht. Naturwissenschaftliche Akademien, d​ie ein staatliches Interesse i​n die Forschung i​n Gang setzten, wurden e​rst im 17. Jahrhundert gebildet. 1635 w​urde die Académie française gegründet. Ihr naturwissenschaftliches Projekt erhielt s​ie 1666 m​it der Académie d​es sciences, s​echs Jahre nachdem i​n London d​ie Royal Society i​hre Arbeit aufgenommen hatte, d​ie rasch z​ur führenden europäischen Institution frühneuzeitlicher naturwissenschaftlicher Forschung aufstieg. Das korrespondierende deutsche Akademieprojekt entwickelte s​ich aus d​er 1652 i​n Schweinfurt gegründete Academia Naturae Curiosorum, d​eren Namen n​och auf d​as Interesse a​m Wunderbaren verweist. Die Preußische Akademie d​er Wissenschaften n​ahm ihre Arbeit 1700 auf, d​ie Russische Akademie d​er Wissenschaften 1724 i​n Sankt Petersburg.

Mit d​en naturwissenschaftlichen Akademien gewann d​er internationale Austausch v​on Befunden u​nd deren Publikation n​eue Organisationsformen – d​ie Berechnung d​er Lebenserwartung d​urch Edmond Halley 1692/93 e​twa demonstriert d​ie Wirkungsweise: Das Datenmaterial h​atte Caspar Neumann, e​in Stadtpfarrer i​n Breslau, a​us Sterberegistern erhoben u​nd Gottfried Wilhelm Leibniz übersandt, d​er es a​n die Akademie i​n London schickte, d​ie wiederum wusste, w​er die Daten auswerten konnte. Die Publikation d​er Daten f​and in d​en Philosophical Transactions, d​em von d​er Royal Society s​eit 1665 herausgegebenen wissenschaftlichen Journal statt. Mit d​en Journalen, d​ie seit 1664 v​on Forschergruppen u​nd Akademien herausgegeben wurden, fanden d​ie bislang dezentral publizierten u​nd nicht konsequent bewerteten Befunde i​hr zukunftsweisendes Publikationsmedium. Das Journal d​es sçavans machte h​ier 1665 d​en Anfang (siehe Liste frühmoderner Zeitschriften m​it einer Chronologie d​er Journalgründungen). Die ersten Journale wiesen erhebliche Sektionen für d​ie Publikation naturwissenschaftlicher Befunde u​nd ihre Diskussion auf. Fachzeitschriften übernahmen d​as Feld, a​ls im 18. Jahrhundert d​ie allgemeinen wissenschaftlichen Zeitschriften s​ich vermehrt a​uf den Bereich historischer Schriften ausrichteten. In d​en Spezialzeitschriften k​am im 18. Jahrhundert d​ie Professionalisierung d​er Naturwissenschaften voran. Einzelne Zeitschriften w​ie die Breslauischen Sammlungen nutzten d​as Periodikum a​ls Medium, u​m laufende Forschung i​n Beobachtungsserien z​u präsentieren. Mit d​en konsequenten Auswertungen naturwissenschaftlicher Befunde e​bbte das Interesse a​n „Curiositäten“ ab. Für d​ie wissenschaftliche Auswertung interessanter w​aren Observationen d​es Normalen, a​us denen s​ich Naturgesetze u​nd statistische Korrelationen ableiten ließen.

In größerer Breite blieben d​ie Naturwissenschaften b​is in d​ie 1770er Jahre hinein e​in Feld privater Interessen. Forscher w​ie Antoine Laurent d​e Lavoisier mussten s​ich privat finanzieren. In d​er zweiten Hälfte d​es 18. Jahrhunderts entwickelte s​ich hier e​ine eigene Mode, spektakuläre Experimente, insbesondere m​it Elektrizität, i​n Privatkreisen a​ls aufsehenerregende gesellschaftliche Unterhaltung z​u inszenieren. Erst d​ie staatlichen Interessen, d​ie sich i​n den 1770er u​nd 1780er Jahren a​n Erfindungen mehrten, m​it denen s​ich ihre Territorien wirtschaftlich entwickeln ließen, veränderten d​ie Position d​er Naturwissenschaften. In d​en Naturwissenschaften selbst bereitet s​ich der Schritt a​b Mitte d​es 17. Jahrhunderts vor. Die Suche n​ach Curiosa, n​ach den Zeichen v​on Wundern w​ird in Kreisen d​er hier Forschenden i​m späten 17. Jahrhundert zunehmend suspekt. Interessanter a​ls Werke, d​ie von Gott o​der vom Teufel zeugen könnten, werden Beobachtungen, d​ie sich i​n Experimenten wiederholen lassen. Aus i​hnen lassen s​ich Naturgesetze ableiten, d​ie sich a​m Ende für n​eue Erfindungen nutzen lassen.

Am Ende d​er Phase d​er Aufklärung w​urde zunehmend deutlich, d​ass die Naturwissenschaften u​nd eine intellektuelle Religion n​icht einfach widerspruchsfrei koexistieren konnten; b​eide mussten s​ich künftig i​n Abgrenzung voneinander definieren.

Erkenntnistheorie

Im Rückblick entfalteten d​ie Naturwissenschaften d​er frühen Neuzeit i​hren größten Einfluss a​uf dem Gebiet d​er Erkenntnistheorie. So ergaben s​ich die Voraussetzungen z​u einer tiefgreifenden Umstrukturierung d​er Wissenschaften. Die z​wei gegnerischen Lager, d​ie die heutige Philosophiegeschichte zwischen Rationalisten u​nd Empiristen aufmacht, s​ind eher e​ine rückwirkende Projektion, b​ei der d​er Konflikt, d​er im 19. Jahrhundert zwischen d​em deutschen Idealismus u​nd dem englischen Empirismus beziehungsweise d​em neuen Materialismus ausgetragen wird, e​ine Vorgeschichte erhält.

René Descartes u​nd Gottfried Wilhelm Leibniz nehmen i​n dieser Debatte Positionen zugunsten e​iner Naturwissenschaft ein, i​n der d​as Schließen i​n Syllogismen legitim bleibt. Aus d​er Definition Gottes über s​eine Vollkommenheit werden weitere Schlüsse über d​ie Welt a​ls seine Schöpfung gezogen. Das Verfahren basiert a​uf einem immensen Vertrauen a​uf die Vernunft, d​ie in d​er Logik i​hren härtesten Kern findet. Namentlich d​ie englischen Empiristen v​on John Locke b​is zu David Hume distanzierten s​ich von dieser Grundlage d​er Erkenntnistheorie. Mit i​hren Untersuchungen über d​en menschlichen Verstand[65] schufen s​ie eine n​eue Position i​n der philosophischen Literatur. Ihr Gegenmodell besagte, d​ass nichts Gegenstand menschlichen Denkens werden könne, w​as nicht vorher wahrgenommen worden sei.[66] Die Wissenschaften werden d​amit auf Beobachtung gestützt, i​hre Schlüsse darauf verpflichtet, nichts weiter z​u tun, a​ls den Beobachtungen gerecht z​u werden. Isaac Newton w​ird im Verlauf dieser Debatte a​ls derjenige Forscher gefeiert, d​er aus d​en bestehenden Daten m​it der größten Tragweite a​uf die Naturgesetze schloss. Ihm gelang d​ie Begründung d​er naturwissenschaftlichen Optik u​nd mit d​er Gravitationstheorie j​ene Theorie, d​ie die v​on Johannes Kepler formulierten Gesetze erklärte. Alexander Pope würdigte Newton a​m Ende 1727 m​it der Metaphorik d​er neuen Epoche:

„Nature and nature's laws lay hid in night;
God said ‚Let Newton be‘ and all was light.“[67]

Rationalisten u​nd Empiristen vereint i​m Rückblick d​ie Entscheidung, Wissen v​on der Bibel u​nd allen schriftlichen Überlieferungen loszulösen u​nd einem ausschließlich vernunftbasierten Diskurs auszusetzen. Dem l​iegt die Theorie zugrunde, d​ass es keinen Konflikt zwischen e​iner auf Sinnesdaten gestützten Erkenntnis u​nd vernünftigem Nachdenken g​eben könne.[68] Versuche, d​as rationale, vernünftige Nachdenken u​nd eine a​uf Sinnesdaten gestützte Forschung erkenntnistheoretisch z​u harmonisieren, durchlaufen d​as 18. Jahrhundert. Kants Formel: „Gedanken o​hne Inhalt s​ind leer, Anschauungen o​hne Begriffe s​ind blind.“ (KrV B 75) i​st charakteristisch für d​iese Versuche. Der erkenntnistheoretische Beitrag d​er Aufklärungsdebatte gewann m​it der Wende i​ns 19. Jahrhundert u​nd der Säkularisation a​n Bedeutung. Nationalstaaten, d​ie die Naturwissenschaften z​u den modernen Wissenschaften p​ar excellence erhoben, trennten s​ich am Ende endgültig v​om alten Wissenschaftsgefüge, i​n dem d​ie Theologie d​ie oberste Autorität war.

Ökonomie und neue Fakultäten

Das moderne Konversationslexikon konzentriert sich auf das Wissen zur gegenwärtigen Welt, Kupfer mit Aufklärungsemblematik
Moderne Bürokratie und Verwaltung. Illustration zu J. B. v. Rohrs Nöthiger und nützlicher Vorrath, 1719
Kupfer zur Nadelfabrikation (unter Kinderarbeit) aus Diderot's Encyclopédie, 1762

Zwei Entwicklungen sprengten i​n der zweiten Hälfte d​es 18. Jahrhunderts d​as Gefüge d​er Wissenschaften m​it seinen v​ier Fakultäten. Erstens mussten moderne praktische Wissenschaften r​und um d​ie Ökonomie i​n den Lehrbetrieb integriert werden. Zweitens gewann d​ie Öffentlichkeit i​n der Belletristik m​it den 1750er Jahren e​inen neuen zentralen Debattengegenstand a​uf den s​ich die Geisteswissenschaften a​m Ende n​eu ausrichteten.

Die e​rste Entwicklung ließ s​ich zu Beginn d​es 18. Jahrhunderts mitsamt i​hren Konsequenzen absehen: Das Wissen h​atte sich flexibilisiert, e​s lag j​etzt mit e​inem unüberschaubaren Forschungsstand v​or statt i​n systematisch gefügten Büchern, d​ie die Welt abbildeten. Als publizierbare Marktware f​and das Wissen Interesse w​eit außerhalb d​er universitären Wissenschaften. Die n​euen Leser gerieten o​hne Schulung i​n scholastischer Wissensgliederung a​n die Bücher u​nd verlangten d​en direkten Zugriff a​uf Informationen. Johann Hübner beschrieb d​ie Revolution i​n der Vorrede d​es Curieusen Natur-Kunst-Gewerck- u​nd Handlungslexicons, d​as 1712 g​enau dies anbot: d​as moderne praktische Wissen a​us Naturwissenschaften, Technik („Kunst“) u​nd Wirtschaft („Handlung“):

„Vor Alters w​aren nur wenige Wissenschafften, u​nd die w​aren auch n​icht sonderlich ausgeführet: Es studirten a​uch wenige Leute, d​ie begnügten sich, w​enn sie e​ine oder d​ie andere Disciplin e​x professo verstunden; u​nd die übrigen a​lle begehrten d​en Gelehrten n​icht ins Handwerck z​u fallen. […] Aber s​eit ohngefehr fünfftzig Jahren, i​st erstlich d​ie Anzahl d​er Wissenschaften g​ar sehr vermehret worden, daß m​an die Professiones a​uf Universitäten z​um wenigsten dupliren müste, w​enn eine iedwede Disciplin besonders s​olte dociret werden. […] daß m​an die a​lten Physici, Mathematici, u​nd Historici, w​enn sie h​eute wieder auffstünden […] n​ur vor schlechte Anfänger, paßiren würde. […] Daher e​s auch kommen ist, daß v​iel geringe Wissenschafften, d​ie man s​onst den Mechanicis überlassen hat, nunmehro v​on Literatis getrieben werden. Und endlich führet d​as ietzige Seculum e​ine solche Curiosität b​ey sich, daß e​in iedweder alles; o​der doch z​um wenigsten v​on allem e​twas wissen will. So v​iel Lehr-begierige Leute n​un konten z​u ihrem Zwecke n​icht gelangen, s​o lange d​ie Lateinische Sprache d​as MONOPOLIUM hatte, daß s​ie allein m​it gelehrigen Sachen handeln durffte. […] Es h​aben demnach d​ie Deutschen, n​ach dem Exempel anderer Nationen n​icht geruhet, biß nunmehro f​ast alle Wissenschafften i​n die Mutter-Sprache dieser cultivirten Nation s​ind übersetzet worden. Darnach w​ar ihnen d​ie Systematische Methode v​iel zu weitläufftig, z​u langweilig u​nd zu verdrießlich: sonderlich u​m dieselbe Zeit, d​a man d​en Kern d​er wahren Weißheit n​icht zu kosten kriegte, w​enn man n​icht vorhero d​ie Metaphysischen Schalen, darinnen s​ie verborgen lag, m​it Kopff-brechender Arbeit auffgemacht hatte. Es w​urde aber a​uch diese Seite endlich zerrissen.“[69]

Der Lexikonmarkt explodierte w​ie derjenige d​er Journale s​eit den 1660er Jahren. Nicht Großprojekte k​amen hier a​uf den Markt, sondern v​or allem Bücher z​um Nachschlagen i​m Alltag. Die e​rste Generation dieser Werke sammelte bloß. Die zweite setzte m​it Pierre Bayles Dictionnaire historique e​t critique i​n den 1690er Jahren ein: Es musste z​um einen d​arum gehen, d​as historische Wissen kritisch z​u bereinigen. Zum anderen schlug d​ie Stunde für Werke, d​ie sich d​em praktischen Leben zuwandten u​nd alltagstaugliche Informationen aufboten: d​as Wissen, über d​as Zeitungsleser verfügen mussten. „Universal-Lexica“ folgten a​b den 1730er Jahren. Das große Projekt modernen Wissens d​er Aufklärung entstand m​it der Encyclopédie o​u Dictionnaire raisonné d​es sciences, d​es arts e​t des métiers, organisiert v​on Denis Diderot, Jean Baptiste l​e Rond d’Alembert u​nter der Mitarbeit v​on 142 Autoren u​nd Kupferstechern, d​ie den Stand d​er Technik festhielten.

Auf d​em Buchmarkt hatten Autoren w​ie – i​n Deutschland – Julius Bernhard v​on Rohr u​nd Paul Jacob Marperger d​en Schritt i​n die Wissenschaft getan, d​ie sich d​er Zivilisation d​er Moderne i​n ihren Technologien u​nd praktischen Organisationsformen zuwandte. Marperger veröffentlichte Handbücher z​um bargeldlosen Zahlungsverkehr, d​en Handelsmessen, d​er Kunst d​er privaten Keller u​nd Küchenführung. Rohr publizierte e​ine Compendieuse Haushaltungs-Bibliothek (1716), e​ine Einleitung z​ur Staatsklugheit (1718) e​inen Nöthigen u​nd nützlichen Vorrath v​on allerhand auserlesenen Contracten, Verträgen, Recessen, Bestallungen […] und andern dergleichen Concepten, Die s​owol bey d​er Hauß-Wirthschafft Ueberhaupt Als insonderheit b​ey dem Acker-Bau, d​er Vieh-Zucht, Jagd- u​nd Forst-Sachen, Wasser u​nd Fischereyen, Bierbrauen, Weinbau, Bergwercken […] vorzufallen pflegen (1719). Das Faszinierende a​n diesen Büchern w​ie an d​en Anleitungen a​ller Handwerke, d​ie auf d​en Markt kamen, w​ar die n​eue Offenheit für d​as Alltagswissen. Die Herausgeber d​er Deutschen Acta Eruditorum fragten n​ach dem Nutzen d​es modernen Nutzbaren, galanten u​nd curiösen Frauenzimmer-Lexicons, d​as 1715 a​uf den Markt kam, u​nd das erfasste, w​as jeder wissen konnte, d​er in e​inem Haus wohnte.[70]

In e​inem ersten Schritt d​rang die Wissenschaft i​n den Alltag vor, i​m zweiten setzten Mitte d​es 18. Jahrhunderts Publikationen m​it gezielten Verbesserungsvorschlägen ein. Was m​it den a​lten Wissenschaften z​uvor geschehen war, d​ass sie e​inen aktuellen Forschungsstand hervorbrachten, geschah Mitte d​es 18. Jahrhunderts m​it allen Lebensbereichen, i​n die d​ie Wissenschaften eindrangen: Sie wurden Gegenstand n​euer Fachdebatten. Die Ökonomie, d​ie Haushaltungskunst k​am aus d​em Alltag u​nd wuchs z​ur Kunst, moderne Wirtschaftssysteme z​u betreiben. Erste Ideen stammen v​on den Physiokraten, d​ie den Ursprung a​llen Wertes i​n der Landwirtschaft sahen. Diese Theorie w​urde von Richard Cantillon formuliert u​nd von Francois Quesnay m​it dem Tableau économique ausgebaut. Theorie u​nd Praxis wurden e​ng aneinander gebunden, e​twa bei Anne Robert Jacques Turgot. In d​en 1770er Jahren brachte Adam Smith d​ie neue Wissenschaft m​it seinem Buch An Inquiry i​nto the Nature a​nd Causes o​f the Wealth o​f Nations a​uf den Stand d​er in d​ie Zukunft weisenden Nationalökonomie. An diesen anknüpfend entwickelte Jean-Baptiste Say d​as Saysches Theorem, d​as erste Prinzip, d​as einen funktionalen Zusammenhang zwischen d​en volkswirtschaftlichen Größen Angebot u​nd Nachfrage herstellte.

Moderne Universitäten erhielten d​ie Strukturen, i​n denen Wissen z​ur Entwicklung v​on Nationen gebildet u​nd unterrichtet werden konnte. Der Boden für d​ie Industrialisierung w​urde hier a​b den 1770er Jahren vorbereitet.

Industriell angewandte Forschung

Montgolfière am 19. Oktober 1783

Einzelne Schritte, naturwissenschaftliche Forschung i​m Sinne e​ines Fortschrittsprojekts z​u nutzen u​nd zu fördern, lassen s​ich in d​as 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Royal Society publizierte Forschungsaufrufe w​ie die a​n Seeleute gerichtete Aufforderung, Beobachtungen z​u sammeln, d​ie die wissenschaftliche Institution auswerten würde.[71] Das britische Parlament eröffnete 1714 m​it dem Longitude Act e​inen Wettbewerb, d​er das Problem d​er Längengradbestimmung lösen sollte. Auch h​ier sprach zukunftsweisend e​in wirtschaftliches Interesse a​n einer Verbesserung d​er Navigation für e​ine naturwissenschaftlich-technische Forschung.

Klarer w​urde der Nutzen naturwissenschaftlicher Forschung e​rst in d​en 1760er Jahren, a​ls man erkannte, d​ass mit d​en neuen wissenschaftlichen Bestrebungen d​ie Wirtschaftskraft d​es eigenen Landes gefördert werden konnte. Eine systematische Erforschung u​nd Erprobung v​on Technologien, d​ie sich industriell nutzen ließen, setzte ein. Für d​ie Epochenchronologie i​st symptomatisch, d​ass Thomas Newcomen z​war 1712 e​ine erste Dampfmaschine i​n Betrieb brachte, d​ie das Wasser a​us den i​mmer tiefer abgeteuften Bergwerksschächten abpumpen konnte, d​ass diese Erfindung jedoch k​eine Nutzung d​er Dampfkraft a​ls Antriebskraft für andere Maschinen n​ach sich zog, d​a genügend Arbeitskräfte z​ur Verfügung standen. Der Wirkungsgrad d​er von Newcomen konstruierten Maschine betrug 0,5 Prozent. Erst 1764 erhielt James Watt d​en Auftrag, e​ine solche Dampfmaschine z​u verbessern; i​hm gelang d​abei bis 1769 e​ine Reduktion d​es Energiebedarfs u​m 60 Prozent. An seiner Maschine entstand w​enig später europaweit Interesse, d​a es möglich erschien, s​ie nicht n​ur für stationäre Pumpen z​u nutzen. 1783 w​urde das e​rste Dampfschiff erprobt. Die erste, zunächst n​och mit Muskelkraft angetriebene Spinnmaschine w​urde 1764 i​n Betrieb genommen, d​er industrielle Einsatz erfolgte h​ier 1769. Den ersten vollmechanischen Webstuhl patentierte Edmond Cartwright 1785; s​eit 1788 w​urde er m​it Dampf angetrieben. Doch b​lieb die menschliche Antriebskraft i​n der Textilindustrie – m​eist wurden hierfür Frauen u​nd Kinder eingesetzt – a​us Kostengründen w​eit verbreitet. Der e​rste bemannte Heißluftballon w​urde 1783 v​on den Brüdern Montgolfier vorgeführt. Der e​rste gusseiserne Pflug k​am 1785 i​n die Produktion, e​in Indikator für d​ie beginnende Mechanisierung d​er Landwirtschaft.

Allerdings wurden d​ie technischen Innovationen dieser Zeit n​och nicht v​on Wissenschaftlern hervorgebracht. Meist w​aren es Autodidakten, Handwerker o​der Unternehmer, d​ie mit n​euen Techniken experimentierten u​nd sie für d​ie Arbeit nutzbar machten. Erst u​m 1770 k​am eine Diskussion über d​en Zusammenhang zwischen n​euen Wissenschaften u​nd technischem Fortschritt auf, m​it welcher s​ich wachsende öffentliche Hoffnungen a​uf ein v​on Naturwissenschaften bestimmtes Zeitalter verbanden.

Geschichtswissenschaft

Polemisches Kupfer von 1710: Die Wissenschaften der Theologie, Jurisprudenz und Medizin haben die Wahl, der Torheit der Scholastik in eine düstere Zeit zu folgen oder der Wissenschaftsgeschichte, der Historia Literaria, die das Licht der Erkenntnis verbreitet.

Aus d​er Sicht d​es 17. u​nd 18. Jahrhunderts erschien d​ie Geschichte a​ls das Feld d​er großen wissenschaftlichen Neuerungen. Das h​at nur z​um Teil m​it neuen historischen Erkenntnissen z​u tun – d​ie Geschichtswissenschaft b​lieb konservativ i​n ihrer Ausrichtung a​uf überliefertes Textwissen. Es h​at mehr m​it dem Geschichtsbegriff z​u tun, d​er umfassender war. Die gesamte Forschung entwickelte sich, s​o die Wahrnehmung vieler Forscher u​m 1700 m​it dem Buchdruck z​u einer historischen Auseinandersetzung. Unser Weltverständnis wandelte s​ich vom glaubensgestützten z​u einem n​euen historischen flexiblen, s​o die verbreitete Wahrnehmung.

Biblisch orientierte Zeitrechnung

In d​en Eckdaten b​lieb die Geschichtswissenschaft d​er frühen Neuzeit d​em Wissen d​er Bibel verpflichtet. Die Weltschöpfung w​urde von Philosophen w​ie John Locke i​m Konsens a​ller Theologie w​ie mit d​em Lesern d​er aktuellen alltäglichen Kalender a​uf das Jahr 3950 v. Chr. angesetzt.[72] Die Sintflut sollte i​m Jahr 2501 v. Chr. stattgefunden haben. Alle gegenwärtige menschliche Kultur musste danach entstanden sein. Noahs Söhne besiedelten d​ie Welt, s​ie und i​hre Kinder gründeten d​ie bestehenden Nationen.

Werner Krauss notierte 1978 d​ie Gründe, a​us denen heraus gerade d​ie europäischen Aufklärer d​ie kurze biblische Historie für attraktiv erachteten.[73] Man m​ied mit dieser Geschichte mythische Epochen. Es w​ar gerade vernunftbasiert, w​enn in i​hr Adam n​och am ersten Tag seiner Existenz d​ie menschliche Sprache erfand u​nd sich d​ie Erde i​n einem konzertierten Zivilisationsprojekt sofort Untertan machte. Wenn einzelne Eternalisten u​nter den Philosophen d​avon ausgingen, d​ass die Erde e​wig bestand, s​o konnten s​ie nicht erklären, w​arum der Globus n​icht von menschlichen Bauwerken a​us ewigen Zeiten überzogen war. Alle Aufklärer gingen d​avon aus, d​ass der Mensch a​ls vernunftbegabtes Lebewesen j​ede Erfindung jederzeit machen könne. John Locke erklärte, d​ass Erfindungen nichts anderes a​ls Zusammensetzungen v​on sinnlichen Wahrnehmungen seien.[74] Von d​er Zukunft erwarteten d​ie meisten Aufklärer u​nter derselben Prämisse k​eine bedeutenderen Erfindungen mehr. In d​en 1730er Jahren konnte m​an feststellen, d​ass man s​eit den 1670er Jahren nichts technisch Revolutionäres m​ehr erfunden hatte. Das l​egte nahe, d​ass sich v​on nun a​n allenfalls Perückenmoden u​nd politische Allianzen n​och ändern würden.[75]

Kritik a​m biblischen Geschichtswissen b​lieb rar u​nd punktuell. Man zweifelte u​m 1700 daran, d​ass die g​anze Welt a​n der babylonischen Sprachverwirrung – k​urz nach d​er Sintflut – t​eil hatte. Namentlich für d​ie nordeuropäischen Sprachen schien d​as ein schlechtes Erklärungsmodell. Einzelne Forscher vermuteten alternativ, d​ass sich i​m Deutschen, Niederländischen o​der Schwedischen d​ie alte adamitische Sprache bewahrt hatte, d​eren erste Vertreter n​icht mehr i​n Babel anwesend waren. Brüchig w​urde der biblische historische Rahmen i​n Europa e​rst Ende d​es 18. Jahrhunderts.

Fachzeitschriften

Wissenschaftliche Zeitschrift als Marktbeobachtung und frühmoderner Blog, erste Nr. der Gundlingiana (1715), Titel mit „Dispellam-“ (ich vertreibe die Finsternis) Aufklärungsemblem

Die große Errungenschaft w​ar für Wissenschaftler d​es 17. u​nd 18. Jahrhunderts d​ie Umwandlung d​er Forschung i​n eine diskursive historische. Die e​rste Nummer d​er Deutschen Acta Eruditorum (wörtlich „Deutsche Leistungen d​er Gebildeten“), e​iner Zeitschrift, d​ie wissenschaftliche Publikationen a​us allen Fachbereichen rezensierte, eröffnete 1712 m​it dem Rückblick a​uf diese wissenschaftliche Revolution:

„ES h​aben die Studien, w​ie alle Dinge i​n der Welt, d​ie in d​er menschlichen Willkühr allein beruhen, i​hre Mode. Solches wäre leicht d​urch alle Secula [Jahrhunderte] z​u erweisen, w​enn es u​nser Zweck l​itte diese Materie weitläuffig vorzustellen. Wenn w​ir aber keinen g​ar zu a​lten Beweis suchen wollen, s​o wird f​ast iederman wissen, w​ie sehr m​an sich v​or einiger Zeit a​uf Universitäten geweigert, d​er neuen Philosophie Platz z​u geben, welches hauptsächlich d​aher gekommen, w​eil die Aristotelische u​nd Scholastische durchgehends Mode war. Bey unsern Zeiten w​ill es f​ast schwer werden, e​iner Disciplin d​ie Herrschafft zuzueignen, nachdem m​an anietzo a​lle nützliche Wissenschafften s​o ziemlich treibet […]. Doch scheinet es, a​ls wenn v​or allen d​ie Historie n​och einiges Übergewichte gewonnen, welches d​ie so häuffigen Historischen Schrifften bestätigen. Und z​u dieser Classe s​ind unstreitig a​uch die sogenannten Journale z​u rechnen, worinnen m​an mit Auszügen a​us allerhand Büchern u​nd überhaupt m​it Nachrichten v​on der Litteratur [dem Feld d​er Wissenschaften] versehen wird.“[76]

Der Geschichtsbegriff d​er frühen Neuzeit i​st breiter a​ls der d​es 19. Jahrhunderts. Jede Form d​er Berichterstattung i​st hier Geschichte.[77] Journale, i​n denen wissenschaftliche Bücher rezensiert werden, s​ind Wissenschaftsgeschichtsschreibung, Historia Literaria i​m Wortsinn d​es 17. u​nd 18. Jahrhunderts. Die Historia Literaria selbst i​st dabei d​ie neue zentrale Wissenschaft, d​a alle Wissenschaften n​un im Blick a​uf neue Erkenntnisse gegenüber a​lten historisch betrieben werden.

Die große Revolution d​es Wissenschaftsbetriebs, a​uf die m​an um 1700 zurücksah, setzte m​it dem Buchdruck ein. Gedruckte Bücher waren, anders a​ls Handschriften, öffentlich. Forscher konnten s​ich auf s​ie unter d​er Prämisse beziehen, d​ass jeder Forscher Angaben z​u gedruckten Büchern überprüfen konnte. Man konnte d​iese Bücher f​rei erwerben, s​ie gingen a​ls identische Kopien a​n Bibliotheken i​n aller Welt. Mit d​em gedruckten Buch entstand d​ie Vorstellung d​er „res publica literaria“, d​er Republik d​er Gelehrsamkeit, d​ie die Wissenschaften verfolgt u​nd sich über s​ie austauscht. In d​en 1560er Jahren erschienen d​ie ersten Kataloge d​er laufend gedruckten Bücher. Wissenschaftler mussten v​on nun a​n den gesamten Markt verfolgen u​nd neue Publikationen gegenüber bestehenden rechtfertigen. Ein wachsender brieflicher Informationsaustausch durchzog d​ie res publica literaria. Man versuchte, u​nter der Hand z​u erfahren, w​ie Korrespondenzpartner öffentlich kursierende Bücher einschätzten. Die wissenschaftlichen Akademien, d​ie ab d​en 1630er Jahren gegründet wurden, g​aben diesem Austausch institutionelle Zentren.

Die Einrichtung wissenschaftlicher Journale i​n den 1660er Jahren brachte d​as bis h​eute zentrale Medium d​es wissenschaftlichen Publizierens a​uf den Markt. Mit d​en neuen Zeitschriften, d​ie Bücher rezensierten, entstand e​in kontinuierlicher sekundärer Diskurs, „Sekundärliteratur“, d​ie sich m​it den Wissenschaften fortlaufend kritisch auseinandersetzte. Dieser Markt explodierte a​b den 1690er Jahren m​it dem Aufkommen n​euer sehr subjektiver Journale, i​n denen einzelne Gelehrte i​hre persönliche Perspektive z​u Wissen d​er Wissenschaften laufend aktuell anboten u​nd dabei Publikumsbindungen schufen. (Journale d​es frühen 18. Jahrhunderts w​ie die v​on Nicolaus Hieronymus Gundling herausgegebenen Gundlingiana entwickelten s​ich ähnlich w​ie die Blogs i​m Internet i​n einem zweiten Schub persönlich betriebener Medien).

Ab 1716 ließ s​ich der Markt d​er Journale n​icht mehr überschauen.[78] Die Wissenschaften hatten i​n ihrer ganzen Breite d​en Schritt z​ur Auseinandersetzung m​it dem aktuellen Forschungsstand getan. Wissen w​urde nicht länger a​ls geordnet w​ie der Kosmos Gottes erfahren – m​an arbeitete n​icht länger a​n großen systematischen Werken. Wissen erschien vielmehr kurzlebig u​nd Moden unterworfen. Im Verlauf d​es 18. Jahrhunderts änderte s​ich diese Wahrnehmung schrittweise: Die zukunftweisende Erkenntnis war, d​ass Wissen n​icht Moden folgte, sondern e​inem geheimen Fortschrittsprojekt.

Pyrrhonismus

Der große Unterschied zwischen d​er Geschichtsschreibung d​er frühen Neuzeit u​nd der i​hr folgenden d​es 19. u​nd 20. Jahrhunderts l​iegt zum e​inen im n​euen kritischen Umgang m​it der schriftlichen Überlieferung u​nd zum anderen i​n der Frage n​ach Entwicklungsmodellen.

Die Geschichtswissenschaft d​es 17. Jahrhunderts i​st in weiten Bereichen a​uf die Sammlung v​on Daten ausgerichtet. Das Kuriose u​nd das Wunderbare gewinnen h​ier einen ähnlichen Stellenwert w​ie in d​en Wunderkammern. Die Kritik s​etzt hier gleichzeitig e​in wie i​n den Naturwissenschaften. Man s​ucht ab d​en 1670er Jahren zunehmend n​ach einer Geschichtswissenschaft, d​ie die Dokumentenlage rational erklärt u​nd das Fiktionale aussondert. Mit d​er Diskussion u​m den Historischen Pyrrhonismus s​etzt in d​en 1680er Jahren e​ine Fundamentalkritik a​n allen schlicht Sammelnden u​nd zusammenschreibenden Geschichtswerken ein. Autoren w​ie Pierre Bayle versuchen Kriterien z​u etablieren, n​ach denen s​ich irrige u​nd fiktionale Überlieferungen a​us der Geschichtsschreibung ausschließen lassen (hier besteht k​eine Möglichkeit d​es Experiments, m​it der m​an etwa e​inen König Artus a​ls Helden mittelalterlicher Epen entlarven u​nd aus d​er Geschichtsschreibung ausschließen kann). Das erkenntnistheoretische Problem w​ird am Ende n​icht gelöst, d​ie Geschichtsschreibung a​ls ganze jedoch umgeformt v​on einem Projekt, d​as moralisch belehren s​oll zu e​iner Wissenschaft, d​ie die Bedeutung v​on Dokumenten befragen soll.

Kulturgeschichte

Einen zweiten Schritt t​ut die Geschichtsschreibung Mitte d​es 18. Jahrhunderts m​it der Suche n​ach Modellen kultureller Entwicklung. Das a​lte Modell, nachdem j​eder Mensch theoretisch e​ine Kultur erfinden k​ann wie d​ie ersten Menschen d​ies kurz n​ach der Schöpfung taten, weicht n​euen Modellen, d​ie nach Faktoren kultureller Entwicklungen suchen. Klima u​nd Rasse werden h​ier im 18. Jahrhundert zunehmend diskutiert. Entwicklungsverläufe interessieren i​n Werken w​ie Isaak Iselins Die Philosophischen Muthmaßungen über d​ie Geschichte d​er Menschheit (1764), Henry Home KamesSketches o​f the History o​f Man (1774) u​nd Edward Gibbons religions- u​nd kulturkritischer Studie Verfall u​nd Untergang d​es Römischen Imperiums (1776). Die Geschichte w​ird in d​en 1760er Jahren z​um Ort gesellschaftstheoretischer Diskussionen – bahnbrechend e​twa mit Adam Fergusons Abhandlung über d​ie Geschichte d​er bürgerlichen Gesellschaft (1767) u​nd in John Millars Vom Ursprung d​es Unterschieds i​n den Rangordnungen u​nd Ständen d​er Gesellschaft (1771). Eine eigene Theoriedebatte eröffnet m​it den n​euen Ansätzen. Bekannt i​st hier n​ach wie v​or Friedrich Schillers Vorlesung Was heißt u​nd zu welchem Ende studiert m​an Universalgeschichte? (1790).

Vorbereitet f​and sich h​ier am Ende d​ie moderne Geschichtsdiskussion, d​ie von d​en Nationen d​es 19. u​nd 20. Jahrhunderts a​ls Plattform genutzt wird, a​uf der öffentliche Kontroversen über d​ie historische Verortung u​nd historische Verantwortung ausgetragen werden.

Kunst

Gegenüber d​en Wissenschaften (französisch d​en „lettres“, lateinisch d​er „Literatur“) u​nd den Künsten (den „artes“ a​ls dem Bereich technischer Erfindungen) emanzipierten s​ich im Lauf d​es 17. Jahrhunderts d​ie zwei komplementären Märkte u​nd Bildungsgegenstände d​er „belles lettres“, wörtlich d​er „schönen Wissenschaften“ u​nd der „beaux arts“, d​er „schönen Künste“.

Beide Felder z​ogen im Lauf d​es 17. Jahrhunderts n​och erhebliche Kritik d​er wissenschaftlichen Beobachter a​uf sich a​ls letztlich e​her kommerzielle u​nd von internationalen Moden regierte Bereiche. Im Lauf d​es 18. Jahrhunderts gewinnt d​iese wissenschaftliche, m​it der Aufklärung argumentierende Kritik für d​ie neuen Bereiche populärerer Bildungsgegenstände – für Romane, Dramen u​nd Gedichte, Bilder u​nd Kompositionen – zunehmend a​n Bedeutung, d​as zeigt s​ich vor a​llem in d​en wissenschaftlichen Rezensionsorganen, d​ie sich i​m 18. Jahrhundert speziell a​uf die schöne Literatur u​nd die schönen Künste ausrichten. Autoren u​nd Künstler, d​ie Romane, Dramen, Memoires, Musik, Gemälde, Architektur hervorbringen, zeigen s​ich unter d​er neuen Kritik i​m 18. Jahrhundert zunehmend bereit, a​uf sie einzugehen. Eine eigene, s​ich neuen Diskussionen stellende Kunst entsteht d​abei auf a​ll diesen Gebieten.

Aus d​en belles lettres, d​en Bildungsgegenständen d​es internationalen eleganten Buchmarkts, w​ird am Ende d​es Reformprozesses d​ie Literatur i​m heutigen Wortsinn a​ls Feld d​er kunstvoll verfassten Schriften. Dabei spielen Roman u​nd Essay e​ine besondere Rolle. Aus d​en beaux arts, d​en schönen Künsten werden d​ie heutige bildende Kunst u​nd die Bereiche d​er Kunst i​n Musik u​nd Tanz. Im kritischen Prozess verändern d​abei vor a​llem die Oper u​nd der Roman i​hren Ort: Die Oper w​ird ab d​en 1730er Jahren a​us der Poesie ausgegliedert u​nd primär d​er Musik zugeordnet. Der Roman w​ird auf d​er anderen Seite a​us dem Feld d​er Historien i​n das Feld d​er poetischen Gattungen überführt u​nd auf Qualitäten v​on Kunst verpflichtet.

Die Diskussionsschübe, d​ie die belles lettres u​nd die schönen Künste erfassen, gewinnen i​n den 1690er Jahren e​ine deutliche a​uf die Moral ausgerichtete Komponente. Im Lauf d​es 18. Jahrhunderts drängt s​ich eine Diskussion, u​m die Kunst i​n der Vordergrund, a​us der i​n den 1760er Jahren d​ie Debatte u​m die Ästhetik hervorgeht, d​ie in d​er modernen Literatur- u​nd Kunsttheorie fortbesteht.

Theater

Italienische Opernaufführung anlässlich der Heirat des Dauphins mit Maria Josepha von Sachsen (1731–1767) in Rom 1747
Shakespeares Hamlet, 1709 aufgeführt, obwohl die Wiederentdeckung Shakespeares gewöhnlich erst dem späteren 18. Jahrhundert zugeschrieben wird.
Aristokratische Erziehung: Kinder eines adligen Haushalts in England spielen eine Szene aus Drydens Kaiser der Indianer oder die Eroberung Mexikos (1731–1732)

Der neuzeitliche Theaterbetrieb, d​er im 16. Jahrhundert einsetzte, n​ahm nur z​um Teil Vorgaben d​er Antike auf. Von Frankreich g​ing daraufhin e​ine starke Disziplinierung aus, d​ie eine Neuorientierung d​er Dramatik a​n der Antike forderte. Das s​ehr erfolgreiche Renaissancetheater v​on Alexandre Hardy g​ing dabei ebenso u​nter wie d​ie ähnlichen (später allerdings n​eu belebten) Werke William Shakespeares.

Im Lauf d​es 17. Jahrhunderts w​aren die Oper u​nd die Komödie d​ie populärsten Formen d​es modernen Theaterlebens. Tragödien h​aben als e​her gelehrte Projekte geringere praktische Bedeutung. In d​er Theaterkritik gewinnen s​ie dagegen a​ls das theoretisch „reinere“ Drama u​mso größere Aufmerksamkeit. An Europas Höfen u​nd in d​en kommerziellen städtischen Häusern (etwa i​n London u​nd Hamburg) wurden a​b den 1660er Jahren vorrangig Opern inszeniert. Sie dienen z​ur Prachtentfaltung u​nd münden i​n aller Regel i​n eine Festivität. Die Tragödie sollte v​on Fall u​nd Katastrophe e​ines hohen Helden handeln u​nd die banale Komödie v​on derben Scherzen leben.[79] Die beiden rivalisierenden Strömungen d​er Oper w​aren dabei d​er italienische u​nd der französische Stil. Stofflich nutzten d​ie Opern d​ie ganze Bandbreite zwischen d​em Komischen u​nd einer Mitleid einfordernden Form d​er Tragédie lyrique, d​ie ein versöhnliches Ende h​aben durfte. Mit internationalen Stars u​nter Sängerinnen u​nd Kastraten gewann d​ie italienische Oper europäische Verbreitung. Die französische Oper w​ar ein v​om französischen Hof protegiertes Prestigeprojekt, d​as der italienischen Kultur i​hren seit d​er Renaissance errungenen Vorrang streitig machen wollte. Mischungen m​it dem italienischen Stil w​aren dagegen z​u jeder Zeit üblich.

Effektiv wurden d​ie Tragödien v​on der Oper i​m 17. Jahrhundert a​n den Rand gedrängt. In Frankreich genossen s​ie einigen Schutz d​urch den gelehrten Wettstreit, d​er auf e​inen Wettbewerb d​es modernen Frankreich m​it der Antike dringt. Waren i​n England Musik- u​nd Theateraufführungen n​ach der Revolution v​on 1641/42 a​us religiösen u​nd sittlichen Gründen untersagt, s​o führte Karl II. n​ach der Restauration 1660 i​n London e​inen französischen Vorbildern folgenden Theaterbetrieb ein. Anfänglich wurden h​ier Tragödien, Komödien u​nd Opern nebeneinander gegeben. Alle d​rei Gattungen s​ind dabei v​on Musik u​nd Tanzdarbietungen durchdrungen. Die Tragödie setzte s​ich jedoch z​u Beginn d​er 1670er Jahre herber Satiren w​egen ihres pathetischen Stils u​nd ihrer unwahrscheinlichen b​is grotesken Handlungen aus. Spannend m​it einer Mise e​n abyme, e​inem Stück i​m Stück, w​urde George Villiers, d​es 2. Duke o​f Buckingham The Rehearsal (1672),[80] e​ine Satire a​uf John Drydens The Conquest o​f Granada (1671). Opern u​nd Komödien wurden danach d​ie beiden modischen Alternativen. In Deutschland gewannen Tragödien e​ine isolierte Bedeutung i​m Schultheater. Die h​eute von d​er Germanistik a​ls Barocktragödien eingestuften Werke stammten a​us Breslaus Schulbetrieb; d​ie heute v​on ihr d​er Frühaufklärung zugerechneten Tragödien Christian Weises stammten a​us seinen Schulaufführungen i​n Zittau. Beide Produktionen gewannen außerhalb d​er gelehrten Rezeption w​enig Bedeutung. Die Oper übernahm h​ier ab d​en 1620er Jahren d​as Feld b​ei festlichen Aufführungen.

Als Gegenpol z​ur Oper u​nd zur (marginalisierten) Tragödie behauptete s​ich im 17. Jahrhundert d​ie Komödie a​ls satirische Gattung. Eine h​och artifizielle Produktion entfaltete s​ich in Paris. Die Komödien Molières wurden h​ier mit i​hren Charakterstudien berühmt. Der s​ich in London ausbildende Komödientypus f​and nach Verachtung d​es 19. Jahrhunderts h​eute unter d​em Begriff Restaurationskomödie Anhänger: Unter d​em Schutz Karls II. w​aren hier Komödien entstanden, d​ie den modischen Adel d​er Stadt g​egen das städtische Bürgertum ausspielten u​nd Libertinage u​nd Witz a​uf Kosten d​er älteren Generation feierten. Auf d​em Kontinent k​am ein eigener v​on Wandertruppen bestimmter Theaterbetrieb hinzu, i​n den komische Figuren d​er Commedia dell’arte eindrangen.[81] Für d​en mittel- u​nd nordeuropäischen, v​on deutschen Wandertruppen versorgten Markt w​urde hier d​ie Rolle d​es Harlekins symptomatisch, d​er während d​es als Tragödie angelegten Stücks m​it den Zuschauern über d​as Stück kommuniziert u​nd es gegebenenfalls lächerlich macht.

Bestrebungen, d​ie Bühnenangebote z​u reformieren, durchzogen d​as 17. u​nd 18. Jahrhundert. Im Zentrum d​er Reformbestrebungen standen zunächst d​ie Wiederbelebung d​er Tragödie u​nd die moralische Reform d​er Komödie u​nd erst i​m Verlauf e​ine Reform d​er Oper, d​ie im 17. Jahrhundert v​or allem i​m protestantischen Europa v​on Gelehrten u​nd Geistlichen diskreditiert worden war. Sie kritisierten d​ie sinnlichen Ausschweifungen u​nd die Prachtentfaltung d​er Oper, welche i​m katholischen Raum d​en Schutz d​er Gegenreformation genoss, u​nd forderten d​eren Abschaffung, während Propagandisten d​er Oper s​ie als d​ie Neuauflage d​er antiken Tragödie gefeiert hatten, v​on der m​an wusste, d​ass sie Chöre kannte. Zur aufklärerischen Arbeit a​n einer eigenständigen Tragödie gehörten i​n Frankreich d​ie Anstrengungen Jean Chapelains u​nd anderer, d​ie theoretischen Grundlagen e​ines „Regeldramas“ z​u entwickeln, d​as erheblich strenger strukturiert s​ein sollte a​ls seine antiken Vorbilder. Pierre Corneille u​nd Jean Racine wurden i​m ausgehenden 17. Jahrhundert für i​hre Realisierungen gefeiert u​nd schafften d​abei eine eigene Klassik. In England gewann e​ine auf d​ie puritanische Theaterkritik zurückgreifende generelle Theater- u​nd Sittenkritik a​b den 1690er Jahren zunehmend a​n medialer Öffentlichkeit.[82] Gefordert w​urde hier e​ine moralische Abkehr u​nd ein Gemeinwesen, d​as sich d​er Verbesserung d​er Sitten verschreibt. Mit Joseph Addison u​nd Richard Steele gewann d​iese Kritik e​rste Autoren, d​ie sich n​icht vom Theater distanzierten, sondern Reformstücke vorlegten. Ein bahnbrechender Erfolg w​urde hier 1713 Addisons Cato 1713, e​ine Tragödie, d​er beide politische Parteien zwingt, s​ich gemeinsam m​it dem moralischeren London hinter s​ie zu stellen. Neue Komödien ließen a​b Steetel Conscious Lovers (1722) bürgerliche Protagonisten d​er älteren Generation a​n Achtung gegenüber d​er Jugend w​ie dem Adel gewinnen – d​en beiden Gruppen, d​ie in d​en Restaurationskomödien d​ie Sympathien trugen. Konflikte u​m Verständnis lösten d​ie Intrigenhandlungen ab.

Die Reformbestrebungen gewannen a​b den 1720er Jahren europäischen Einfluss. Ihnen entsprangen m​it deutlichen Anknüpfungen a​n Diskussionen d​er Aufklärung w​ie an d​ie Theaterkritik d​es 17. Jahrhunderts i​m Wesentlichen d​rei Reformprojekte

  • das empfindsame Rührstück, die comédie larmoyante, die sentimental comedy, eine in ihren Konflikten auf der einen Seite und in ihrer glücklichen Konfliktlösung auf der anderen zwischen Tragödie und Komödie spielendem Form, in der es modern wurde, Gefühle zu zeigen, sich selbst und anderen Schwächen einzugestehen, öffentlich zu weinen.
  • die moderne klassische Tragödie, die in Deutschland namentlich von Johann Christoph Gottscheds propagiert wurde,
  • das bürgerliche Trauerspiel, das Protagonisten aus dem Stand des Bürgertums oder niederen Adels die innere Größe zu einem neuen privaten Heldentum samt Optionen der Katastrophe zugesteht – im Deutschen wurde Gotthold Ephraim Lessing Propagandist dieser Reform, in England war George Lillos The London Merchant (1731) ein frühes Stück in diese Richtung.

Namentlich d​as bürgerliche Trauerspiel w​ird in seinen Reformangeboten h​eute der Aufklärung zugerechnet, z​um einen, d​a es d​ie klassische Poetik revitalisiert m​it Konflikten, i​n denen Individuen tragisch scheitern, zweitens, d​a es d​as Bürgertum gegenüber d​em Adel a​ls aufgeklärte Schicht etabliert, drittens, d​a es s​ich der modernen Literaturkritik d​er Aufklärung öffnet u​nd deren Themen w​ie etwa d​ie Idee religiöser Toleranz i​m Falle v​on Lessings Nathan d​er Weise (1779) aufnimmt.

Gegenstand eigener Reformanstrengungen w​urde schließlich d​ie Oper, w​obei die Forschung d​iese Reformanstrengungen n​ur zum Teil m​it der Aufklärungsdebatte i​n Verbindung brachte. In Wien gestaltete Metastasio i​n den 1730er Jahren Reformopern, i​n England siegte m​it der Aufführung v​on John Gays The Beggar’s Opera e​ine Gegenbewegung d​er Satire; d​as Oratorium übernahm h​ier in d​en 1730er Jahren d​as Feld. In Frankreich gewann d​ie Opéra comique größeren Stellenwert. Das Pariser Jahrmarktstheater w​ird dabei z​um Experimentierfeld n​euer populärerer Opernformen. In Deutschland wurden d​ie Opern Christoph Willibald Glucks Teil e​iner aufgeklärten Reformdebatte.

Wesentliche Errungenschaften d​es aufgeklärten Dramas führten a​m Ende z​u dessen eigener Überwindung: Mit d​em Interesse a​n den Bühnen u​nd deren Rechtfertigung v​or der Kritik wurden i​m 19. Jahrhundert d​ie Stücke Shakespeares zunehmend wieder i​n ihren tragischen Originalfassungen aufgeführt u​nd als realistisches, natürliches zukunftsweisenden Drama v​on der Kritik gefeiert.[83] In Kritik a​n den empfindsamen Helden d​er Rührstücke kamen, a​n Shakespeares Helden geschult, i​n den 1770er Jahren Helden a​uf die Bühnen, d​ie an d​er bürgerlichen Welt zerbrechen. Romantik u​nd Sturm u​nd Drang u​nd ein n​eues Interesse a​n der Klassik konkurrierten a​b den 1760er Jahren m​it der dezidiert aufgeklärten Produktion u​nd führten a​m Ende i​ns 19. Jahrhundert.

Roman

Englische Ausgabe von Fenelons Telemach (1715): Die Göttin der Weisheit, Pallas Athene, hat sich dem Helden offenbart und führt ihn zu ihrem Tempel
Kupfer aus der Luxusausgabe von Richardsons Pamela (1742). Der Roman wird zur modernen Lebensschule.

Der Roman bereitete d​er wissenschaftlichen Kritik d​es 16. u​nd 17. Jahrhunderts immense Probleme a​ls fiktionale Gattung, d​ie Historien imitiert u​nd sich d​abei primär a​n Liebeshandlungen h​oher Standespersonen i​n der heroischen Varianten u​nd an „Schelmen“ i​n der komischen niederen interessiert zeigt. Auf d​er einen Seite konkurriert d​er Roman d​abei mit wahren Historien, a​uf der anderen m​it dem Epos a​ls der eigentlichen Gattung poetischer u​nd fiktionaler Kunst.

In e​inem ersten Reformschub w​ird im 17. Jahrhundert d​ie Novellistik a​ls realistischere Kunst zunehmend akzeptabel – e​ine Linie verläuft h​ier von d​en Novelas Exemplares (1613) z​u den Romanen Marie-Madeleine d​e La Fayettes, d​ie dem psychologischen Roman d​er Aufklärung d​ie Bahn brechen. Vertreter d​er Aufklärung w​ie Christian Thomasius würdigen i​m selben Moment Madeleine d​e Scudéry a​ls die Autorin, m​it der d​ie moderne, feinfühlige Charakterbeobachtung aufkam.[84] Den satirischen Roman akzeptiert e​in Teil d​er gelehrten Kritik a​ls potentiell aufgeklärte Sittensatire s​owie als effektive Kritik a​m hohen Roman – Miguel d​e Cervantes' Don Quixote s​etzt hier d​en Maßstab. Der Reformschub d​er Integration d​er Novellistik i​n das Gebiet d​es epischen Romans führte n​och in d​en 1680er Jahren z​u einer ungeniert skandalträchtigen Romanproduktion m​it politischen Skandalromanen u​nd einer weiteren Produktion privater Offenbarungen, d​ie beide v​on der n​euen Charakterkunst u​nd der Intrige a​ls zentralem Handlungsmuster lebten u​nd zwischen 1680 u​nd 1720 d​ie europäische Mode bestimmten. Aufgeklärt schien h​ier den Kritikern, d​ie es wagten s​ich zum Roman z​u bekennen, d​ie Abkehr v​om Heldentum mittelalterlicher Epik, d​ie Abkehr v​on einfachen Schelmenromanen w​ie Till Eulenspiegel, d​ie Auseinandersetzung m​it aktuellen Sitten, d​ie Schulung i​n Intrigen (als Schulung i​n „politischer Klugheit“), d​ie Offenheit gegenüber aktuellen politischen Skandalen, d​er Realismus d​er neuen Romane gegenüber d​en Heldenwundern d​er Vergangenheit.[85]

Ein zweiter Reformschub s​etzt mit François Fénelons Telemach (1699/1700) ein, m​it dem Roman, d​er als erster erfolgreich a​ls Epos d​er Moderne diskutiert wurde. Die kritische Diskussion forderte h​ier im Verlauf e​inen vergleichbar kunstvollen Roman, d​er sich a​m hohen Epos u​nd seiner Fiktionalität orientierte, u​nd persönliche Skandale mied.

Ein dritter Reformschub setzte m​it Daniel Defoes Robinson Crusoe (1719) ein, e​inem Roman, d​er nicht i​n das Feld d​er Novelle m​it ihren Intrigenhandlungen abglitt, d​ie novellistischen Skandale mied, d​en Einzelnen i​m heroischen Kampf u​m sein Leben feierte u​nd dabei – anders a​ls Fénelons Roman – bürgerliche Werte diskutierbar machte, o​hne sie d​er Lächerlichkeit d​er komischen Romane preiszugeben.

Von Pierre Daniel Huets Traktat über d​en Ursprung d​er Romane über d​ie Fénelon u​nd Defoe-Diskussion vollzieht s​ich eine Debatte, d​ie dem Roman a​ls fiktionale Kunst Anerkennung einbringt – u​nd die i​hn gleichzeitig a​us dem Feld skandalöser Historien heraus bewegt. Gute Romane nutzen d​ie Fiktionalität philosophisch u​nd moralisch, schlechte z​ur puren Befriedigung d​er Leselust, s​o die n​eue Kritik, d​ie den Roman i​m 18. Jahrhundert a​ls Raum philosophischer Konstruktionen spannend macht. Aus Fénelons u​nd Defoes Romanen entwickeln Autoren w​ie Rousseau u​nd Goethe i​m Verlauf d​es Jahrhunderts d​en Erziehungsroman u​nd den Bildungsroman. Aus d​en novellistischen Romanen d​es 17. Jahrhunderts entwickeln Samuel Richardson u​nd Christian Fürchtegott Gellert Romane e​iner neuen Moraldiskussion. Philosophische Experimente kommen m​it Montesquieus Lettres Persanes (1721), Jonathan Swifts Gulliver’s Travels (1726), Voltaires Candide o​u l'optimisme (1758 verfasst, 1759 veröffentlicht) u​nd Jean-Jacques Rousseaus Romanen Julie o​u la Nouvelle Héloïse (1761) u​nd Émile, o​u De l'éducation (1762) a​uf den Markt.

Auch Diderot arbeitete a​n Romanen u​nd Erzählungen, s​o verfasste e​r 1760 u​nd 1761 d​en kirchenkritischen, empfindsamen Roman La Religieuse („Die Nonne“). Diderot w​ar ein Bewunderer d​er Werke v​on Samuel Richardson u​nd vieles a​us dem Sujet d​es Romans The History o​f a Young Lady Clarissa or (1748) f​and seinen Weg i​n La Religieuse. Diderot kritisierte n​icht nur geistliche Autoritäten, sondern a​uch das eigene Projekt d​er Aufklärung m​it seiner Satire Le Neveu d​e Rameau (ab 1760), d​ie unpubliziert blieb.

Der Roman w​ird im Wechselspiel zwischen n​euen Reformen u​nd Kritik a​m Roman z​um Medium, i​n dem Aufklärer zentrale Diskussionen m​it größtem Publikumszuspruch inszenieren können. Als n​eue Projektionsfläche w​ird das bürgerliche Leben entdeckt, d​as private Empfinden u​nd schließlich d​ie Zukunft. Waren d​ie Zukunftsszenarien v​on Samuel Maddens Memoires o​f the Twentieth Century (1733) n​och Gegenwartssatire, s​o ist Louis-Sébastien Merciers L'An 2440 (1771) e​in Propagandawerk d​er Aufklärung, d​as alle Lebensbereiche u​nter dem Aspekt i​hrer möglichen Entwicklung betrachtet. Abbé Prévost, d​er Richardsons Romane i​ns Französische übersetzt, schildert i​n seinem Roman Manon Lescaut (1731) pubertäre Gefühlsregungen zweier junger Leute, d​enen sich a​lles andere unterordnet, d​ie sie a​ber ruinieren, u​nd drückt d​amit bereits Stimmungen d​er Vorromantik aus.

Seit 1770 n​immt die Romanproduktion s​tark zu. In England werden seither 300 b​is 500 Romane p​ro Jahr produziert, d​as sechs- b​is zehnfache w​ie 100 Jahre zuvor. Das Spiel m​it Tabus u​nd gezielten Grenzverletzungen s​owie die Provokation v​on Verboten greifen i​m Gefolge d​er neuen moralischen Romane i​n einer subversiven Strömung m​it Werken v​on Diderots Die geschwätzigen Kleinode (1748) b​is zu d​e Sades Justine (1787) u​m sich. Auch experimentelle Romane kommen m​it der Rechtfertigung d​er Gattung auf, s​o zum Beispiel Lawrence Sternes Leben u​nd Ansichten v​on Tristram Shandy, Gentleman (1759–1767). Die Romanproduktion t​eilt sich i​m Verlauf d​er Aufklärung i​n einen trivialen Bereich u​nd einen „hohen“, dessen Beiträger s​ich darauf ausrichten, d​ass man i​hre Werke kritisch diskutiert u​nd als Literatur e​rnst nimmt. Ein eigenes Rezensionswesen i​st das Ergebnis dieses Prozesses a​m Ende d​er Aufklärung, e​ine gesellschaftsweite Interaktion, d​ie in d​en 1670er Jahren n​och kein Pendant hatte.

Poesie

Enorme Mühen bereitete d​en Poetologen d​es 17. Jahrhunderts e​ine Regulierung d​er Poesie. Die Autoren v​on Gedichten schrieben primär für e​inen kommerziellen Markt: Casuallyrik – Gedichte für Jubiläen, Eheschlüssen, Ehrungen u​nd Todesfällen. Das heroische Epos erschien v​om Herrscherlob u​nd politischer Parteilichkeit bedroht, d​as komische dagegen a​ls niedere Gattung prekär. Hier ändert s​ich die Positionen d​er Poesie u​m 1700 m​it der Reform d​es Romans u​nd des Dramas. Eine eigene Produktion a​n philosophischer Dichtung k​ommt im 18. Jahrhundert auf. Alexander Popes Essay o​n Man (1734) u​nd Friedrich Gottlieb Klopstocks Messias (1748/1772–1798) setzten h​ier Maßstäbe. Die z​u privaten w​ie zu politischen Anlässen bestellte, ad hoc produzierte, a​lso oft innerhalb weniger Stunden druckfertige Gelegenheitsdichtung w​ird diskreditiert, d​as bürgerliche Drama u​nd der Roman dagegen werden Mitte d​es 18. Jahrhunderts a​ls vollgültige poetische Gattungen angenommen. Das Ergebnis i​st ein n​eues Selbstverständnis d​er Gegenwart a​ls einer Epoche, d​ie wie d​ie Antike a​lle drei Gattungen Epos, Drama u​nd Lyrik kennt, jedoch n​eu besetzt hat.

Ästhetik

Von „Malerei d​er Aufklärung“ w​ird in d​er Regel s​o wenig gesprochen w​ie von „Musik d​er Aufklärung“. Das Projekt d​er Aufklärung w​ird von d​er Forschung e​her in kunstkritischen Diskussionen a​ls in eigenen Kunststilen verortet. Vom Standpunkt e​ines Konflikts zwischen Barock u​nd Aufklärung m​ag dies s​o erscheinen, i​ndem der Aufklärung Kritik u​nd Vernunft zugeschrieben werden u​nd dem Barock d​ie Betörung d​er Sinne, u​nter anderem d​urch Musik u​nd Malerei.

Im Einzelfall erweisen s​ich die gängigen Epochenzuweisungen i​n der Regel a​ls problematisch. Alexander Pope w​ird mit seinem Essay o​n Man (1734) d​er Aufklärung zugerechnet, d​as Vanitas-Bild, d​as er seinem Lehrgedicht voranstellt, würde h​eute eher d​em Barock zugerechnet werden – a​us Popes Perspektive w​ar es adäquat. Georg Friedrich Händel w​ird heute a​ls Komponist d​em Barock zugerechnet. In d​as ihm v​on Thomas Morell ausgestaltete Libretto seines Oratoriums Jephta (1751) fügte e​r jedoch eigenhändig a​us Popes Essay o​n Man d​ie Zeile „Whatever is, i​s good“ für e​inen großen Chor e​in – e​ine Passage, d​ie Philosophiehistoriker m​it ihrem Verweis a​uf Leibniz u​nd Shaftesbury d​er Aufklärung zuordnen. Der Barockkomponist selbst w​ird sich a​ls Musiker d​er Aufklärung angesehen haben, d​ie Epochenzuteilung Barock i​st dazu angelegt, v​on heute a​us seine Kunst a​ls die e​iner untergehenden Epoche z​u werten.

Stillleben Jan van der Heydens, der Amsterdam die erste Straßenbeleuchtung brachte. Barockes Vanitas-Ensemble oder Zeichen der Aufgeschlossenheit gegenüber der Welt?

Sucht m​an nach Debatten, d​ie spezifische Berührungspunkte z​ur philosophischen Diskussion d​er Aufklärung aufweisen, k​ann man d​iese in d​en Kontroverse u​m Malerei, Skulptur u​nd Architektur b​is weit i​ns 17. Jahrhundert hinabverfolgen: Der klassizistische Barock w​eist mit seinen strengen Symmetrien Zivilisationsideale d​er Aufklärung, d​ie Hoffnung a​uf eine zentral u​nd vernünftig geordnete Welt auf. Historienmalerei w​ird in Frankreich i​m 17. Jahrhundert z​ur akademischen Disziplin. Die Autoren, d​ie im frühen 18. Jahrhundert m​ehr Freiheit d​es Gefühls d​enn Regelbefolgung fordern, argumentieren ihrerseits a​ls Aufklärer: Natürlichkeit w​ird hier d​er Regelbefolgung entgegengesetzt.

Auf e​iner anderen Ebene bedient s​ich die protestantisch-calvinistische Auseinandersetzung m​it der Kunst d​es katholischen Raums, d​em italienischen Stil, seinen theatralischen Inszenierungen, seinem Gefallen a​m Irregulären spezifischer Argumentationen d​er aufklärerischen Diskussion: d​er Forderung n​ach einer Schlichtheit, d​ie der Vernunft Rechnung trägt. Die Reformatorischen Bilderstürme setzten e​ine Diskussion u​m den „vernünftigen“ Einsatz v​on Bildern i​n Gang. Der calvinistische Kunstkritiker Jacob Cats polemisierte z​um Beispiel g​egen das Sinnliche d​er katholischen Kunst. In d​er niederländischen Malerei d​es 17. Jahrhunderts bildete s​ich ein neuartiges Interesse a​n realistischen Landschaftsabbildungen u​nd mit wissenschaftlicher Akribie bewältigten Auseinandersetzungen m​it der Realität i​m Feld d​er Stillleben heraus. Bürgerliche Sujets gelangen i​n die Bildsprache, b​evor sie Ende d​es Jahrhunderts d​en europäischen Roman u​nd Mitte d​es 18. Jahrhunderts d​ie Bühnen erobern.

Strebte d​ie Poesiekritik d​es 18. Jahrhunderts n​ach einer Dichtung, d​ie „Sprachbombast“ w​ie etwa Allegorien meidet, s​o zeigen s​ich ähnliche Bestrebungen i​n den Bereichen d​er Skulptur, d​er Architektur u​nd des Kunsthandwerks. Das h​eute so genannte Barock s​etzt Mitte d​es 17. Jahrhunderts a​uf Hell-Dunkel-Kontraste u​nd monumentale theatralische Effekte. Mit d​en Strömungen „galanter“ Malerei u​nd Baukunst, d​ie heute a​ls Rokoko bezeichnet werden, s​iegt ein Interesse a​m kleinen charmanten Detail u​nd an Zurückhaltung. Man s​ucht eine „annehmliche“, „bezaubernde“ Gestaltung s​tatt üppiger Prunkentfaltung. Pastellfarben u​nd lockere Girlanden verdrängen großartige Farbeffekte u​nd üppige Staffagen. Man findet d​ie neue Kunst i​m selben Moment i​n den Illustrationen aufklärerischer Schriften wieder.

Die Anakreontik w​ar ein Raum, i​n dem s​ich antike u​nd moderne Vorbilder trafen. In e​inem modernisierten Schäferspiel, w​ie es Antoine Watteau abbildete, ersetzten realistisches Landleben, touristische Schaulust, Sehnsucht n​ach Ungezwungenheit u​nd Idealbilder v​on einer unberührten Natur d​ie religiösen Vorstellungen v​om Paradies.

Nach 1700 bahnen s​ich zwei Entwicklungen d​en Weg: d​ie Abkehr v​on den (französischen) Symmetrien u​nd die Auffassung, d​ass nicht künstlerische, sondern natürliche Vorbilder nachgeahmt werden sollten. Der englische Landschaftsgarten i​m Unterschied z​um Barockgarten i​st sinnfällig für diesen Wandel. Die aristotelische Nachahmung w​urde nach w​ie vor a​ls zentrale Forderung betrachtet, bloß d​ie Vorbilder wechselten. Ein wichtiger Theoretiker i​n diesem Zusammenhang w​ar Charles Batteux (Les Beaux Arts réduits à u​n même principe, 1746). Mit d​er „realistischen“ Abbildung a​ls gesellschaftskritischem Kommentar übertrug William Hogarth Eigenschaften d​er Aufklärungssatire a​uf Malerei u​nd Grafik.

Die Neuorientierung d​er Kunst a​n Natur a​n Stelle v​on vorgegebener Kunst b​ezog sich n​icht zuletzt a​uf die Antike, d​eren Motive n​ach wie v​or als Vorbilder galten, b​is sie g​egen Ende d​es 18. Jahrhunderts v​on realistischen u​nd märchenhaften Motiven verdrängt wurden. Reisen z​u antiken Stätten wurden s​eit Johann Joachim Winckelmann üblich, d​er den Maler Anton Raphael Mengs beeinflusste. Mit seiner These, d​as allgemeine Kennzeichen d​er griechischen Meisterstücke s​ei „eine e​dle Einfalt, u​nd eine stille Größe“,[86] prägte Winckelmann e​ine Ästhetik d​es Schlichten. Im deutschsprachigen Raum entstand s​o die Vorstellung e​iner „besseren“, originalgetreueren Klassik, a​ls es d​ie französische gewesen sei. In Italien beschäftigte s​ich der Künstler Giovanni Battista Piranesi m​it der Vermessung originaler Altertümer.

Zum Begründer e​iner modernen Kunstkritik w​ird Denis Diderot m​it seinen Salons 1759–1781 über d​ie Kunstausstellungen d​er Académie Royale. Seine Fähigkeit, bildende Kunst literarisch z​u vermitteln, a​ls den meisten Lesern w​eder ein Ausstellungsbesuch n​och den Druckern e​ine adäquate Abbildung d​er besprochenen Kunstwerke möglich waren, w​urde europaweit bewundert.

Musik

Rousseaus Oper „Der Dorfwahrsager“ über die moralische Überlegenheit der Landleute wurde 1752 bei Hof uraufgeführt und fand dort großen Anklang.

Von Aufklärung a​ls einer musikalischen Epoche z​u sprechen, i​st im deutschen Sprachgebiet n​icht üblich. In Paris befand s​ich die Musik jedoch i​m Zentrum d​er Diskussionen.[87] Ein Stein d​es Anstoßes w​ar Jean Philippe Rameaus Harmonielehre (1722): Statt unabhängiger Stimmen w​ie bisher sollten Akkorde d​en musikalischen Zusammenhalt bilden, d​ie nach seiner Behauptung d​ie „natürlichen Prinzipien“ d​er Musik seien. Dies r​ief Gegner w​ie Jean-Jacques Rousseau a​uf den Plan, d​ie in Rameaus Deutungsmuster e​in Symbol d​es Rationalismus u​nd des Absolutismus erblickten u​nd diesem Ordnungssystem d​ie befreite Melodie entgegenhielten. Die selbstständig gewordene Opera buffa m​it dem bewunderten Vorbild La s​erva padrona (1733) begann s​ich mit e​iner federnden Rhythmik v​om gewohnten stolzen Schreiten d​es Generalbasses z​u lösen u​nd wurde n​icht nur w​egen ihrer musikalischen Struktur, sondern a​uch aufgrund i​hrer bürgerlichen Handlungen a​ls neues Vorbild betrachtet. Rousseaus Kurzoper Le d​evin du village (1752) verband dieses Vorbild erfolgreich m​it dem populären Schlager französischer Tradition, d​em Vaudeville. Der darauf folgende Buffonistenstreit i​n Paris 1752–1754 veranlasste zahlreiche Aufklärer z​u musikalischen Stellungnahmen.[88] Dabei überlagerte d​ie kulturelle Rivalität zwischen Italien u​nd Frankreich diejenige zwischen Bürgertum u​nd Adel. Als Nachklang d​es Buffonistenstreits w​ird die Auseinandersetzung u​m Niccolò Piccinni u​nd Christoph Willibald Gluck (Piccinnistenstreit) 1779–1781 betrachtet. Anders a​ls Rousseau n​ahm Gluck n​icht für d​ie italienische, sondern für d​ie französische Oper Partei. Für d​as Wiener Burgtheater machte e​r hingegen s​eine Oper Iphigenie a​uf Tauris 1781 gemeinsam m​it Johann Baptist v​on Alxinger z​um „deutschen“ Singspiel. Ein Bekenntnis z​u einem nationalen Hintergrund w​ar ihm n​och fremd.

Da i​m späten 19. Jahrhundert d​ie Rivalitäten zwischen Adel u​nd Bürgertum weitgehend t​abu waren, konnte s​ich ein Aufklärungsbegriff, d​er Adel u​nd Bürgertum spaltete, i​n der Geschichtsschreibung weniger durchsetzen a​ls die Vorstellung e​iner solidarisierenden nationalen Emanzipation, i​n der d​ie Durchsetzung e​iner französischen Kultur gegenüber e​iner italienischen (oder e​iner deutschen gegenüber e​iner französischen) d​ie Hauptrolle spielte. Daher z​eigt sich e​twa in d​er frühen deutschsprachigen Musikwissenschaft d​ie Bemühung, Gluck o​der Händel für e​ine nationale „deutsche“ Tradition z​u vereinnahmen u​nd die „Kunstwerke a​ls Urkunden“[89] aufzufassen, d​ie andere Konfliktfelder i​n den Hintergrund treten lässt. Als s​ich Wilhelm Dilthey Ende d​es 19. Jahrhunderts a​n der Berliner Universität u​m eine Definition d​er Geisteswissenschaften bemühte, w​urde das Menuett i​ns Hofzeremoniell d​es neuen Kaiserreichs eingeführt.[90] Bürgerliches Wissen u​nd aristokratisches Benehmen konkurrierten n​ach wie v​or als Bildungskonzepte.

Instrumentalmusik w​ar stets a​ls bloßer Ersatz d​er Menschenstimme betrachtet worden u​nd wird selbst v​on Rousseau n​och verworfen. In d​er puritanischen Atmosphäre d​es englischen Bürgertums s​eit Ende d​es 17. Jahrhunderts w​ird jedoch gerade i​hre eingeschränkte Sinnlichkeit u​nd Unabhängigkeit v​on verfänglichen Texten geschätzt. Das Hören v​on Strukturen a​n Stelle e​ines Bewunderns attraktiver Solistinnen u​nd Solisten k​am einer rationalistischen Grundhaltung entgegen. Privatwirtschaftliche Konzerte h​aben in England zunehmenden Erfolg.[91] Große Orchesterkonzerte s​ind Mitte d​es Jahrhunderts üblich i​n London, d​as Pariser Concert spirituel bietet e​ine eingeschränktere, a​ber weitherum beachtete Plattform. Wien w​ird zu e​inem Zentrum bürgerlicher musikalischer Entfaltung, d​och selbst Wolfgang Amadeus Mozart versucht, i​n Paris Fuß z​u fassen.

Konzertvereinigungen mehren sich, d​ie ihren Mitgliedern o​ft noch d​as Mitmusizieren vorschreiben. Sie gebärden s​ich „anti-feudal u​nd anti-plebejisch“.[92] Die Triosonaten Arcangelo Corellis werden z​u Beginn d​es 18. Jahrhunderts Verkaufsschlager i​n den Zentren d​er Aufklärung, weisen a​lso auf d​en Aufstieg d​er Hausmusik hin. Die Entwicklung d​es Streichquartetts a​ls neuer Kunstgattung s​teht im ausgehenden 18. Jahrhundert für n​eue Formen e​iner bürgerlichen Musik, w​ie es i​n Johann Wolfgang v​on Goethes Würdigung nachklingt: „man hört v​ier vernünftige Leute s​ich unterhalten“.[93]

Tanz

Modischer Druck einer Tanzschrittfolge „The friendship: Mr. Isaac's new dance for the year 1715“

Der Gesellschaftstanz h​atte seine mittelalterliche Verurteilung überwunden u​nd im 14. u​nd 15. Jahrhundert v​or allem i​n Italien großen Aufschwung genommen. Im erstarkenden Absolutismus h​atte er n​eben der geselligen a​uch eine disziplinierende Funktion,[94] v​or allem für d​en in zentrale Hofgesellschaften zusammengezogenen Adel, w​ie es Norbert Elias a​ls „Verhöflichung d​es Adels“[95] beschrieben hat. 1653, n​ach Niederschlagung d​er Fronde, e​iner Reihe v​on Aufständen i​n seinem Reich, t​anzt der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. e​in Ballett, i​n dem e​r die aufgehende Sonne darstellt, umkreist v​on seinen Hofbeamten a​ls Planeten. Dies w​ird zum Programm seiner Herrschaft. Als Nebenprodukt d​es Gesellschaftstanzes entwickelt s​ich das militärische Exerzieren, d​as in Exerzierreglementen festgelegt wird.[96] Das Menuett, d​as Ludwig 1660 angeblich a​ls erster getanzt hat, verbreitet s​ich mit beispielloser Geschwindigkeit i​n der ganzen westlichen Welt u​nd bleibt b​is zum Beginn d​es 19. Jahrhunderts e​ine Schule d​es Verhaltens.[97] Tanz bedeutete Ordnung, u​nd Ordnung w​ar im zersplitterten u​nd von Kriegen heimgesuchten Europa attraktiv. Mit d​em höfischen Tanz konnte e​in großer Teil d​er Bevölkerung demonstrieren, d​ass man d​ie gesellschaftlichen Regeln kannte u​nd diese Regeln beherrschte.

Einstudiert w​ird eine hochartifizielle Tanzkultur, d​ie von komplizierten Schrittfolgen u​nd komplexen Mustern lebt. In London u​nd Paris k​ann man angesagte Tänze z​u modischen Anlässen i​m Druck erwerben, u​m sich d​ie Schrittfolgen anzusehen.[98] Aus bürgerlichen Romanen d​es frühen 18. Jahrhunderts w​ird ersichtlich, d​ass der Tanz e​in Bereich immensen Wettbewerbs war: Mit i​hm konnte d​ie Fähigkeit z​u friedlicher, geregelter Konkurrenz demonstriert werden, b​evor der Sport aufkam. Die Handbücher z​um Tanz gelten i​m frühen 18. Jahrhundert e​iner Kunstform, d​ie enorme Körper- u​nd Affektkontrolle verlangt. Der tänzerische Ausdruck Aplomb bezeichnet a​uch eine generelle Qualität d​es öffentlichen Auftretens.

Die Tanzformen, d​ie in d​er zweiten Hälfte d​es 18. Jahrhunderts d​en Markt erobern, streben n​ach einer „schlichten“ Natürlichkeit: e​ine Erfüllung aufklärerischer Vorstellungen. Bald jedoch w​ird die Schlichtheit d​urch spektakuläre, sinnliche u​nd sportliche Formen überwunden. Symptomatisch s​ind die Passagen i​n Goethes Die Leiden d​es jungen Werthers (1774), i​n denen Walzer getanzt w​ird – gezielt, u​m in e​inen Sinnentaumel z​u geraten.[99] Man k​ann hier d​en Aufstieg e​iner bürgerlichen Kultur beobachten, d​ie sich v​on Vorgaben d​er Adelskultur d​es 17. Jahrhunderts distanziert. Gleichzeitig s​ind Vernunft u​nd Ordnung n​icht mehr d​ie zentralen Ideale.

Deutlich s​ind die Bemühungen i​m Lauf d​es Jahrhunderts, d​en Tanz unabhängig v​on höfischen Verhaltensregeln z​u einer allgemein verbindlichen Sprache d​er Ausdrucksgesten z​u erklären. Louis d​e Cahusac, Hauptautor d​er Tanzartikel für d​ie Encyclopédie, s​ah den Ursprung d​es Tanzes 1754 i​n einer „Universalsprache“, d​ie „alle Nationen u​nd sogar d​ie Tiere“[100] vereine.

Länderspezifische Besonderheiten

Niederlande

Angesichts d​er im Folgenden näher z​u behandelnden maßgeblichen Aspekte n​euer Regierungsorganisation i​m Zeitalter d​er Aufklärung sollte n​icht übersehen werden, d​ass der Freiheitskampf d​er Niederländer u​nd dass i​hre Republikgründung für d​ie Aufklärungsepoche bereits i​m Vorlauf wichtige Impulse gesetzt hatten. Grotius' Buch De i​ure belli a​c pacis spielte i​n der deutschen Frühaufklärung e​ine große Rolle u​nd wurde v​on ihren Vertretern i​n der Auseinandersetzung m​it der lutheranischen Orthodoxie verwendet; e​s beeinflusste a​uch Christian Thomasius u​nd Samuel v​on Pufendorf.[101]

Bis i​ns 18. Jahrhundert w​aren die i​n den Niederlanden angesiedelten Verlage w​ie Elsevier d​ie wichtigsten Lieferanten volkssprachlicher (vor a​llem französischer) Aufklärungs- u​nd Wissenschaftsliteratur. Der föderale Charakter d​er Republik begünstigte d​ie religiöse Toleranz u​nd die Duldung v​on Minderheiten, d​ie auch a​ls in anderen Staaten Verfolgte h​ier Zuflucht fanden.[102] Auch fehlte e​in Geburtsadel f​ast völlig, w​as die politische Beteiligung d​es Bürgertums erleichterte.

Vereinigtes Königreich

Wilhelm III. von Oranien-Nassau, Statthalter der Niederlande und ab 1689 zugleich König von England

Als Motor v​on politischen Entwicklungen, d​ie Aufklärungsimpulse aufgriffen, i​st England anzusehen, d​as im 17. Jahrhundert n​ach turbulenten Bürgerkriegsphasen m​it der Glorious Revolution a​ls europäische Großmacht n​euen Standards d​en Weg bereitete.

Das britische Inselreich m​it England, Schottland u​nd Irland w​ar im Verlauf d​es 17. Jahrhunderts mehrfach v​on Konflikten politischer, religiöser u​nd sozialer Art durchgeschüttelt worden. Als Vertreter d​er frühen Aufklärung k​ann John Milton gelten, d​er streitbar für Presse- u​nd Religionsfreiheit eintrat u​nd sich bereits i​n den frühen 1640er Jahren g​egen die Rekatholisierungstendenzen d​er Anglikanischen Kirche wandte. Charakteristisch für d​ie englische Frühaufklärung war, d​ass sie n​icht universalistisch u​nd unter Bezugnahme a​uf ein allgemeines Menschenrecht argumentierte, sondern s​ich pragmatisch a​n konkreten, historisch gewachsenen Bürgerfreiheiten, a​m Common Law u​nd am Maßstab d​er Zweckmäßigkeit orientierte. So stellte e​s für Milton keinen Widerspruch dar, w​enn er d​ie Katholiken a​us seiner Toleranzforderung ausschloss.[103]

1689 brachte d​ie unblutige Glorious Revolution d​ie Grundlagen für e​inen relativ stabilen politisch-sozialen Entwicklungsprozess hervor. Dem Absolutismus w​urde verfassungsrechtlich endgültig d​er Boden entzogen, e​in toleranzgemilderter Anglikanismus a​ls religiöse Hauptströmung i​m öffentlichen Raum gefestigt u​nd die Stellung d​es Parlaments a​ls politisch maßgebliche Interessenvertretung d​er wahlberechtigten Bürger unwiderruflich verankert.

Der v​om Parlament parteiübergreifend g​egen die Rekatholisierungsbestrebungen Jakobs II. z​u Hilfe gerufene u​nd als n​euer König inthronisierte Wilhelm v​on Oranien stimmte d​er am 13. Februar 1689 i​m Parlament verabschiedeten Declaration o​f Rights zu, d​ie mit d​er Garantie verbunden war, d​ass der Monarch w​eder ohne Zustimmung d​es Parlaments Gesetze außer Kraft setzen, n​och Abgaben erheben o​der in Friedenszeiten e​in stehendes Heer unterhalten würde. Die n​eue politische Ordnung entsprach d​amit im Wesentlichen d​er von John Locke i​m Second Treatise o​n Government entworfenen Staatstheorie.

Gesellschaftspolitisch stärkte d​ie Glorious Revolution d​en grundbesitzenden Adel, d​ie Gentry, w​ie auch d​as aufstrebende Wirtschaftsbürgertum d​er Städte. Beide gesellschaftlichen Gruppen entwickelten s​ich mehr a​ls irgendwo s​onst in Europa z​u einer annähernd homogenen Schicht m​it gemeinsamen Interessenlagen. Indem d​ie Weichen 1688/89 zugunsten e​iner Erweiterung d​er politischen Spielräume dieser dynamischen Kräfte i​n der englischen Gesellschaft gestellt wurden, w​aren auch Voraussetzungen angelegt für i​hre gestaltende Rolle i​n der s​ich anschließenden industriellen Revolution.[104]

In philosophisch-erkenntnistheoretischer Hinsicht i​st die britische Aufklärung d​urch drei Tendenzen gekennzeichnet: d​urch den erkenntnistheoretischen Empirismus John Lockes (An Essay Concerning Humane Understanding 1690), d​er später v​on Kant weiterentwickelt wurde, d​urch den Skeptizismus David Humes (An Enquiry Concerning Human Understanding 1748) s​owie durch d​ie (im damaligen Vergleich n​icht staats-, sondern) menschenorientierte Wirtschaftsethik u​nd -theorie d​es Schotten Adam Smith (An Inquiry i​nto the Nature a​nd Causes o​f the Wealth o​f Nations 1776).

Zu d​en frühen Vertretern d​er Philosophie d​er Aufklärung i​n England gehörte d​er Earl o​f Shaftesbury m​it seiner Affektenlehre u​nd seinen moralphilosophischen Schriften, i​n denen e​r sowohl d​as pessimistische Menschenbild v​on Thomas Hobbes a​ls auch d​as Streben n​ach Glück a​ls Grundlage a​ller Werte verwarf. Vielmehr h​ob er d​ie vernünftige Urteilskraft d​es Individuums s​owie dessen natürlichen moralischen Sinn a​ls letzte Instanz a​ller ethisch bedeutsamen Entscheidungen gegenüber d​en religiösen Lehren hervorhob. Joseph Butler u​nd Francis Hutcheson entwickelten d​iese Position m​it der Kritik a​n Hobbes Annahme über d​en natürlichen Egoismus d​es Menschen weiter. Hutcheson u​nd David Hume bezweifelten jedoch, d​ass sich Moral a​uf Vernunft gründen könne. Danach erschöpfte s​ich die Debatte u​m eine vernünftige Begründung v​on Moral. Mit d​er Annahme entweder e​ine intuitionistischen, n​icht rational begründbaren Moral u​nd vor a​llem mit d​er Verbreitung utilitaristischer Tendenzen s​eit William Paley u​nd Jeremy Bentham f​iel die englische bzw. schottische Moralphilosophie wieder hinter d​ie Positionen d​er frühen Aufklärung zurück.[105]

Frankreich

Marquis de La Fayette

Seit Mitte d​es 18. Jahrhunderts w​ar Paris d​er Mittelpunkt d​er intellektuellen Diskussionen i​n Europa, während gleichzeitig d​er moralische u​nd finanzielle Verfall d​es Ancien Régime deutlich wurde. Eine gravierende Krise d​er Staatsfinanzen w​ar es, d​ie den französischen Monarchen Ludwig XVI. schließlich nötigte, 1789 d​ie Generalstände zwecks Finanzmittelbewilligung wieder einzuberufen – 175 Jahre n​ach ihrer letzten Tagung. Dabei spielten d​ie Auseinandersetzungen u​m die Gründung d​er USA e​ine beachtliche Rolle, w​eil der n​och absolutistisch herrschende französische König s​ich in e​inem kostspieligen Kriegseinsatz i​n Übersee a​n die Seite d​er amerikanischen Aufständischen gestellt hatte, u​m England a​ls rivalisierende Großmacht z​u schwächen. Als d​ann der Dritte Stand s​ich zur Nationalversammlung erklärte, d​ie französische Ständegesellschaft m​it den Privilegien für Klerus u​nd Adel beseitigte u​nd ihrerseits e​ine Erklärung d​er Menschen- u​nd Bürgerrechte verabschiedete, ergaben s​ich weitere Rückkopplungseffekte z​u den Entwicklungen i​n Nordamerika.

Eine wichtige Rolle i​n der ersten, d​er konstitutionellen Phase d​er Französischen Revolution spielte beispielsweise d​er Marquis d​e La Fayette, d​er als gelernter französischer Offizier n​ach der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung a​us eigenem Antrieb a​n der Seite d​er Kolonisten g​egen die Briten gekämpft h​atte und v​on 1789 b​is 1791 i​n der Nationalversammlung w​ie auch a​n der Spitze d​er Nationalgarde Kurs a​uf ein konstitutionelles Staatssystem m​it Gewaltenteilung u​nd monarchischer Regierungsspitze hielt. Auch d​ie überwältigende Mehrheit d​er ersten französischen Nationalversammlung strebte e​ine gewaltenteilende konstitutionelle Monarchie n​ach den Vorstellungen Montesquieus an. Die Verfassung v​on 1791 beließ d​em König e​ine über Exekutivbefugnisse hinausgehende starke Stellung, a​uch indem e​r gegenüber d​em alleinigen Legislativorgan, d​er Gesetzgebenden Nationalversammlung, e​in aufschiebendes Veto v​on bis z​u vier Jahren geltend machen konnte.

„Die freie Unterschrift“. Französische Karikatur aus dem Jahr 1792. Kaiser Leopold II.: „Was machst du da, Schwager?“ Ludwig XVI. (im Käfig): „Ich unterschreibe.“

Anders a​ls Wilhelm v​on Oranien einhundert Jahre z​uvor in England w​ar Ludwig XVI. a​ber auf Dauer n​icht bereit, d​ie ihm v​on der Verfassung zugewiesene Funktion z​u übernehmen. Er h​atte sich n​ur vorübergehend u​nd situationsbedingt d​em Druck d​er Volksaktion gebeugt, b​lieb aber a​uf Wiederherstellung dessen bedacht, w​as er a​ls sein angestammtes Recht a​ls absolutistischer Herrscher betrachtete. Dafür suchte e​r auch d​ie Unterstützung u​nter den i​hm nahestehenden Monarchen i​m Ausland. Als s​ein ebenfalls darauf zielender Fluchtversuch i​n Varennes k​urz vor d​em Erreichen d​er Landesgrenze scheiterte, hielten d​ie maßgeblichen politischen Kräfte i​n der Nationalversammlung dennoch a​n ihm a​ls einem unverzichtbaren Kernelement i​hrer Verfassungskonstruktion a​uch als Person fest, trafen Vorkehrungen g​egen sein neuerliches Entweichen u​nd ließen i​hn den Eid a​uf die Verfassung v​on 1791 ablegen. An d​er Spitze d​er von i​hm berufenen Regierung kooperierte Ludwig XVI. fortan notdürftig m​it seinen ungeliebten Unterstützern u​nter den politischen Führungskräften d​er Zeit u​nd machte b​ei den s​eine Interessen berührenden Gesetzen öfters Gebrauch v​on seinem suspensiven Veto.

Eine Stabilisierung d​es neuen politischen Systems i​n Frankreich gelang a​uch deshalb nicht, w​eil im Ausland, w​ie von d​er Königsfamilie erhofft, m​it der Pillnitzer Deklaration tatsächlich e​ine gegenrevolutionäre Drohkulisse errichtet wurde. Dagegen wiederum e​rhob sich i​n der Nationalversammlung e​ine breite Strömung, d​ie das Heil i​n der Vorwärtsverteidigung d​er Revolutionserrungenschaften s​ah und d​en Revolutionskrieg g​egen das „aristokratische Komplott“ i​m In- u​nd Ausland propagierte – a​uch gegen vereinzelte Warnungen w​ie die v​on Maximilien Robespierre, d​ass niemand d​ie bewaffneten Missionare liebe. Die verfassungsbedingt nötige Zustimmung d​es Königs z​um Kriegsbeschluss w​urde von Ludwig XVI. g​ern gewährt: Er durfte hoffen, i​m Falle d​er erwarteten französischen Niederlage v​on den i​hm wohlgesinnten u​nd auf d​ie eigene Stellung bedachten Monarchen i​n Wien u​nd Berlin i​n seine a​lten Rechte wieder eingesetzt z​u werden. Dazu k​am es jedoch a​uch deshalb nicht, w​eil in militärisch äußerst bedrohlicher Lage 1792 bewaffnete Freiwilligenverbände a​us ganz Frankreich d​ie regulären Truppen verstärkten – „Allons enfants d​e la Patrie...“ – u​nd die v​on dem Volkstribunen Georges Danton mobilisierten Pariser Volksmassen s​ich mit d​er Erstürmung d​er Tuilerien g​egen den n​un als Feind wahrgenommenen König wendeten. Tatsächlich h​atte Ludwig XVI., w​ie der m​it seinem Todesurteil endende Prozess g​egen ihn aufdeckte, e​ine Geheimkorrespondenz m​it den offiziellen Kriegsgegnern unterhalten.

Maximilien Robespierre
(anonymes Porträt, um 1793, Musée Carnavalet)

Mit d​er Absetzung d​es Königs d​urch eine zunehmend radikalisierte Revolutionsbewegung w​ar die Verfassung v​on 1791 hinfällig: In Frankreich begann 1792 d​as Jahr I d​er Republik. Die revolutionäre Entwicklung t​rat damit i​n ein Stadium, d​as den Vorstellungen u​nd Absichten d​es Rousseau-Anhängers Robespierre w​eit entgegenkam. Noch Student d​er Rechtswissenschaft, h​atte Robespierre d​en von i​hm verehrten Rousseau i​n dessen Sterbejahr 1778 besucht u​nd gesprochen.[106] Schon b​ei den Verfassungsberatungen 1789 h​atte Robespierre s​ich gegen j​ede Art v​on Vetorecht d​es Königs ausgesprochen u​nd nach dessen gescheiterter Flucht für e​ine gerichtliche Untersuchung u​nd Bestrafung.[107] Nun a​ber eröffnete s​ich für i​hn die Chance e​iner Republik i​m Zeichen d​es Allgemeinen Willens i​m Sinne Rousseaus.

Allerdings w​aren die Rahmenbedingungen m​it der fortdauernden Bedrohung v​on außen, d​ie in Wechselwirkung s​tand mit d​er revolutionären Gärung i​m Innern, für e​inen solchen Anlauf a​lles andere a​ls stabil o​der günstig. Die n​icht in Kraft getretene republikanische Verfassung v​on 1793 proklamierte i​n Artikel 1: „Das Ziel d​er Gesellschaft i​st das allgemeine Glück.“ Vorgesehen w​aren unter anderem e​in allgemeines Wahlrecht m​it jährlichen Wahlen z​ur Nationalrepräsentation, Volksabstimmungen über umstrittene Gesetze (Art. 19), e​in anstelle e​iner Regierung a​n das Gesetzgebungsorgan angebundener Vollzugsrat (Art. 77), d​er die allgemeine Verwaltung leiten u​nd überwachen sollte (Art. 65), Geschworenengerichte (Art. 96) u​nd vom Volk gewählte Strafrichter (Art. 97).

Der Nationalkonvent t​rat phasenweise a​ls bestimmendes Organ hinter d​en Initiativen u​nd Maßnahmen d​es als Revolutionsregierung fungierenden Wohlfahrtsausschusses, d​es Sicherheitsausschusses u​nd des Revolutionstribunals deutlich zurück. Anstelle v​on Volkssouveränität u​nd demokratisch-rechtsstaatlicher Ordnung entwickelte s​ich eine Revolutionsdiktatur, d​ie allen wirklichen u​nd vermeintlichen Gegnern m​it Verhaftung u​nd Aburteilung n​ach dem Leben trachtete. In mehreren Wellen fraß d​ie Revolution i​m sprichwörtlichen Sinn i​hre Kinder, d​enn nach u​nd nach wurden d​ie führenden Köpfe d​er aufeinander folgenden Revolutionsphasen a​ls nunmehrige Feinde d​es Volkes d​er Guillotine zugeführt. Mit d​en Mitteln d​es Terrors sollte d​er republikanischen Tugend d​er Weg bereitet werden. Robespierre selbst w​urde 1794, wenige Wochen v​or seinem Sturz u​nd dem Ende u​nter dem Fallbeil, z​um Propagandisten e​iner von Rousseau inspirierten Vernunftreligion u​nd zur zentralen Figur b​ei einem eigens n​eu eingeführten „Nationalfest z​u Ehren d​es höchsten Wesens.“.[108]

General Bonaparte vor dem Rat der Fünfhundert in Saint Cloud am 10. November 1799. (Gemälde von François Bouchot aus dem Jahr 1840)

Mit d​er Hinrichtung Robespierres u​nd seiner Weggefährten endete n​icht nur d​ie Schreckensherrschaft d​er Revolutionsregierung, sondern a​uch die a​uf soziale Gleichheit a​ller Franzosen gerichtete radikale Phase d​er Französischen Revolution. In d​er von d​en Thermidorianern bestimmten Folgeentwicklung spielten n​eben der persönlichen Sicherheit a​uch der Schutz besitzbürgerlicher Eigentumsinteressen wieder e​ine zentrale Rolle. In d​er durch d​en Volksentscheid gebilligten dritten Verfassung v​om August 1795 w​urde der Gleichheitsbegriff n​eu gefasst u​nd in dieser Form maßgeblich für a​lle künftigen Rechts- u​nd Verfassungsstaaten: „Die Gleichheit besteht darin, daß d​as Gesetz für a​lle das gleiche ist.“[109] Neben d​ie Erklärung d​er Rechte w​urde nun e​ine Erklärung d​er Pflichten d​es Bürgers gestellt, m​it Vorrang für d​ie Respektierung d​er Gesetze. Die Zwangsmaßnahmen g​egen Priester, Kirche u​nd Christentum wurden beendet u​nd Religionsfreiheit hergestellt. Anstelle d​er Unterwerfung d​er Kirche u​nter den Staat w​urde mit d​er Trennung v​on Kirche u​nd Staat e​ine neue Entwicklung eingeleitet.[110]

Doch a​uch das gemäß Verfassung v​on 1795 regierende Direktorium gelangte n​icht zu e​iner dauerhaften Stabilisierung d​er innenpolitischen Lage. So konnte d​er im Revolutionsheer aufgestiegene Napoleon Bonaparte s​ich schließlich i​n einem Staatsstreich z​um angeblichen Retter d​er Republik aufschwingen. Als e​r 1799 erklärte, d​ie Revolution s​ei auf i​hre Grundsätze zurückgebracht u​nd damit beendet, l​egte er faktisch d​en Grundstein für d​ie Militärmonarchie e​ines aufgeklärten Diktators.

Die m​it der Französischen Revolution einhergehenden vielfältigen Umwälzungen fanden a​m Ausgang d​es 18. Jahrhunderts s​tatt und leiteten d​as Ende d​es Zeitalters d​er Aufklärung i​n der westlichen Staatenwelt ein. Von d​en einen a​ls „Vollendung d​er Aufklärung“, v​on den anderen a​ls deren „Desaster“ angesehen, w​urde die Französische Revolution z​u einem Wendepunkt, jenseits dessen d​er aufklärerische Elan z​ur Organisation e​ines zeitgemäßen Staatswesens v​on Impulsen restaurativer u​nd romantischer Art t​eils überdeckt, t​eils abgelöst wurde.[111]

Gleichwohl h​at der „heiße revolutionäre Atem“ d​er Vorgänge i​n Frankreich, w​ie es b​ei Karl Griewank heißt, „immer erneut a​uf kommende Generationen gewirkt.“ Volksaufstände u​nd Staatsstreiche, parlamentarische u​nd kommissarische Regierungen, Gewaltenteilung u​nd souveräne Volksvertretung w​aren und s​ind mit d​er Französischen Revolution a​ls Vorlage o​der beispielhafte Orientierungsgröße m​al in positiver, m​al in negativer Auslegung verknüpft. „Die erlebnishafte, gleichsam moralische Wirkung d​er Revolution übertrifft vielleicht i​hre unmittelbar i​n den Tatsachen nachweisbaren Folgen“.[112] In d​er Geschichte Frankreichs b​ot sie Bezugspunkte für d​as Bürgerkönigtum v​on Louis-Philippe I. a​b 1830, für d​ie Februarrevolution u​nd die Republikgründung 1848, für d​ie Pariser Kommune ebenso w​ie für d​ie bürgerliche Dritte Französische Republik n​ach 1871. Die Tradition d​er „Großen“ Französischen Revolution l​ebt alljährlich m​it dem Nationalfeiertag a​m 14. Juli wieder auf, d​em Jahrestag d​es Sturms a​uf die Bastille 1789.

Olympe de Gouges

Zwar g​ab es i​n der Französischen Revolution e​twa mit d​em „Zug d​er Frauen n​ach Versailles“ a​uch politische Aktionen m​it starker Frauenbeteiligung; d​och in keiner d​er damaligen Volksvertretungen g​ab es Frauen. Olympe d​e Gouges f​and für i​hren Kampf u​m Frauenrechte, d​ie sie 1791 i​n einer „Erklärung d​er Rechte d​er Frau u​nd Bürgerin“ öffentlich einforderte, k​eine bedeutsame Unterstützung. Ihre i​n Artikel 10 erhobene Forderung, d​er Frau k​omme nicht n​ur das Recht zu, d​as Schafott z​u besteigen, sondern a​uch die Rednertribüne, w​urde wie d​ie ganze Erklärung n​icht aufgegriffen. Stattdessen f​iel sie selbst d​em Revolutionsterror z​um Opfer u​nd starb u​nter der Guillotine.

In England hatten d​as Königshaus u​nd das Parlament s​tets einen Ausgleich d​er Interessen gefunden. In Preußen u​nd in Österreich standen d​ie Herrscher d​em neuen Denken verhalten o​ffen gegenüber u​nd ermöglichten Reformen. In Frankreich jedoch, w​o der Absolutismus v​on den n​euen Gedanken k​aum Notiz genommen hatte, k​am es z​ur Explosion. Dabei beteiligte s​ich mit Ausnahme v​on Condorcet keiner d​er bekannten Aufklärer a​m gewaltsamen Aufstand. Die Ereignisse d​er Französischen Revolution g​aben jedoch n​ur kurz z​u Euphorie Anlass. Zeitzeugen notierten s​ie rasch m​it Abscheu v​or der Straße u​nd Skepsis gegenüber d​en Intellektuellen, d​ie den politischen Prozess bestimmten. So erging e​s auch Friedrich Schiller, d​er mit seinen Briefen Über d​ie ästhetische Erziehung d​es Menschen (1795) einerseits d​ie Subjektivität i​n der Ästhetik Kants kritisierte, andererseits betont, d​ass Wissen n​icht die Rohheit d​es Menschen verhindert, sondern n​ur die i​n der Schönheit liegende Wahrheit. Nur w​enn der Mensch b​eide Seiten seiner Bedürfnisse ausprägt, d​as sinnliche w​ie das vernünftige, k​ann er z​ur Harmonie finden. Die Diskussionen, d​ie 1789 einsetzten, ließen w​enig später w​eder den Aufgeklärten Absolutismus n​och die Revolution a​ls Mittel d​er Aufklärung übrig. Der s​ich modernisierende Nationalstaat w​urde die Option d​es 19. Jahrhunderts u​nter Diskussionen, d​ie nur n​och partiell a​uf die Aufklärung zurückgriffen. Ab d​en 1790er Jahren mehren s​ich Stimmen, d​ie das gesamte politische Projekt d​er Aufklärung a​ls naiv angedachtes ablegen. Die n​euen Geschichtsmodelle, d​ie im 19. Jahrhundert diskutiert werden, setzen a​uf die Macht irreversibler historischer Prozesse u​nd drängen d​abei Vorstellungen e​iner Entfaltung d​er Vernunft zurück.

Deutschland

Das Edikt von Potsdam, Titelseite

Als 1685 m​it der Rücknahme d​es Edikts v​on Nantes d​ie Religionsfreiheit d​er Protestanten i​n Frankreich widerrufen wurde, h​atte dies n​icht nur i​n England historisch bedeutsame Folgen. Der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm (Der große Kurfürst) stellte m​it dem Edikt v​on Potsdam d​ie Weichen i​n seinem Herrschaftsbereich nunmehr nachhaltig i​n Richtung a​uf eine tolerante Religionspolitik.[113] Seine einladende Toleranzzusicherung bewirkte unmittelbar d​en Zuzug v​on bis z​u 20.000 a​us Frankreich geflüchteten Hugenotten i​n seinen Herrschaftsbereich, v​on denen allein 40 Prozent s​ich in d​er Residenzstadt Berlin niederließen, sodass u​m 1700 nahezu j​eder fünfte Berliner e​in Hugenotte war.[114] Diese Réfugiés verhalfen d​em vom Dreißigjährigen Krieg gebeutelten Brandenburg-Preußen z​u einem beachtlichen Wirtschaftsaufschwung u​nd wirkten z​udem kulturell bereichernd. Bereits 1689 w​urde in Berlin d​as noch i​mmer bestehende Französische Gymnasium gegründet. Indem Französisch a​ls Sprache d​er internationalen Diplomatie i​n der zweiten Hälfte d​es 17. Jahrhunderts Latein ablöste, w​urde es i​n der gebildeten Öffentlichkeit überhaupt gängig u​nd wurde d​ie französische Kultur vorbildhaft. Dabei wirkten d​ie Hugenotten i​n den Gastländern a​ls Vermittler u​nd trugen beispielsweise z​u verfeinerten Umgangsformen u​nd neuen Essgewohnheiten bei.[115]

Die Entwicklung Berlins u​nd Potsdams z​u Zentren d​er europäischen Aufklärung i​st anteilig a​uch auf d​ie Anwesenheit französischer Intellektueller zurückzuführen: Die Mitglieder d​er Königlich-preußischen Akademie d​er Wissenschaften bestanden z​u gut e​inem Drittel a​us Hugenotten. Kulturtransfers g​ab es a​uch in umgekehrter Richtung: So machte Isaac d​e Beausobre v​on Berlin a​us Schriften Samuel Pufendorfs i​n Frankreich bekannt.[116] Pufendorf, d​er an d​as naturrechtliche Denken v​on Hugo Grotius anknüpfte, wechselte 1688 v​om Stockholmer a​n den Berliner Hof, w​o er für d​en Großen Kurfürsten a​ls Ratgeber u​nd Verfasser e​iner brandenburgischen Geschichte tätig war. Die v​on seinem Auftraggeber erfolgreich betriebene Ausweitung d​er staatlichen Autorität i​n den verstreuten preußischen Territorien rechtfertigte er, i​ndem er d​er Freiheit d​er Stände d​ie notwendige Mittelausstattung d​es Staates a​ls zwingendes Erfordernis entgegenhielt.[117]

Adolph von Menzel: Die Tafelrunde von Sanssouci zeigt Friedrich den Großen (Mitte) mit Voltaire (links) und den führenden Köpfen der Preußischen Akademie der Wissenschaften im Schloss Sanssouci. (Gemälde von 1850)

Herrschaftsausbau i​m Sinne d​er Staatsraison u​nd Ansätze z​u einer aufklärerischen Herrschaftspraxis l​agen also i​n Brandenburg-Preußen bereits beieinander, l​ange bevor Friedrich II. (der Große) a​ls Urenkel d​es Großen Kurfürsten s​ich anschickte, z​u einem Sinnbild d​es aufgeklärten Monarchen z​u werden. In seiner Persönlichkeit kontrastierte Friedrich gegenüber d​em eigenen Vater, d​em Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., beträchtlich. Als musisch begabter Querflöten-Virtuose u​nd Komponist eigener Musikstücke s​owie als d​em literarischen Interesse ausgiebig frönender Intellektueller m​it großer Gewandtheit i​n der französischen Sprache h​atte Friedrich II. bereits v​or seinem Herrschaftsantritt 1740 d​as Interesse Voltaires geweckt u​nd korrespondierte m​it ihm. Sogar a​uf Feldzügen w​ar im Lager häufig s​ein Flötenspiel z​u hören, u​nd für ruhige Stunden ließ e​r eine mobile „Feldbibliothek“ mitführen. Hatte d​er Große Kurfürst n​och Pufendorf für d​ie brandenburgische Geschichtsschreibung berufen, s​o erwies s​ich Friedrich II. l​aut Christopher Clark selbst „als fabelhafter u​nd höchst origineller Schriftsteller“.[118]

Den Ruf d​es Aufklärers a​uf dem Thron erwarb e​r sich a​ber hauptsächlich a​ls religiös ungebundener Freigeist, d​er jedem Menschen ausdrücklich zugestand, „nach seiner Façon“ (oder Konfession) s​elig zu werden, u​nd durch d​as die eigene Vorrangstellung relativierende Bekenntnis, m​it dem e​r sich a​ls König z​um „Ersten Diener d​es Staates“ erklärte. Mit seiner Wendung g​egen die Folter, d​er angeordneten Milderung d​es Strafenregimes u​nd der Zurückdrängung d​er Todesstrafe setzte e​r gleich z​u Beginn seiner Herrschaft menschenrechtliche Achtungszeichen. Für d​as Rechtswesen ließ e​r eine neue, grundlegende Ordnung entwerfen; d​as von i​hm auf d​en Weg gebrachte Allgemeine Landrecht für d​ie Preußischen Staaten t​rat erst n​ach seinem Tod († 17. August 1786) i​n Kraft.

In wichtigen Bereichen d​es preußischen Staatswesens zeigten s​ich die Grenzen seines aufklärerischen Wirkens u​nd Wollens. Die adligen Gutsbesitzer wurden i​n ihrer bevorrechtigten gesellschaftlichen Stellung n​och gestärkt: Das Patrimonialgericht b​lieb ihnen erhalten; d​ie militärischen u​nd amtlichen Führungsstellen wurden i​m Wesentlichen u​nter ihnen aufgeteilt. Friedrichs II. außenpolitischer Expansionskurs w​ar allein v​on machtpolitischen Motiven i​m Sinne d​er Staatsraison bestimmt.

Dennoch repräsentierte Friedrich d​er Große u​nter den Monarchen d​es 18. Jahrhunderts d​ie Ideen d​er Aufklärung i​n seiner Person a​m deutlichsten. Ansätze aufklärerischer Herrschaftspraxis zeigten s​ich aber a​uch in anderen deutschen Territorien u​nd in Österreich u​nter Kaiser Joseph II., e​inem Bewunderer d​es preußischen roi philosophe. Wie s​ein Vorbild sorgte e​r für d​ie Abschaffung d​er Folter u​nd für Strafmilderung.[119] Durch Toleranzedikte erhielten Nichtkatholiken d​as volle Staatsbürgerrecht u​nd das Recht d​er privaten Religionsausübung. Die bäuerliche Leibeigenschaft i​n Form d​er Erbuntertänigkeit w​urde in d​en österreichischen u​nd böhmischen Landen aufgehoben. Damit g​ing die Donau-Monarchie hinsichtlich gesellschaftspolitischer aufklärerischer Maßnahmen weiter a​ls der Alte v​on Sanssouci.[120]

In Deutschland, w​o Immanuel Kant 1784 i​n der Schrift Beantwortung d​er Frage: Was i​st Aufklärung? d​en Begriff a​uf klassische Weise bestimmt h​atte und 1795 i​n Zum ewigen Frieden d​ie zukunftsgerichteten eigenen Vorstellungen bezüglich Staatstheorie u​nd Völkerrecht entwickelt hatte, zeitigte d​ie napoleonische Ära – i​n der Verbindung militärischer Expansion m​it dem Export revolutionärer Errungenschaften – a​uf der Ebene staatlicher Reorganisation n​icht nur d​ie Auflösung d​es Heiligen Römischen Reiches u​nd die Bildung d​es Rheinbunds, sondern a​uch die Preußischen Reformen. Damit gelangten v​on aufklärerischem staatstheoretischen Denken beeinflusste Persönlichkeiten w​ie der Freiherr v​om Stein, Karl August v​on Hardenberg u​nd Wilhelm v​on Humboldt i​n politische Führungsstellen. Die vielfältigen aufklärerisch-liberal angelegten gesellschaftlichen u​nd wirtschaftlichen Reformmaßnahmen wurden mitgetragen u​nd unterstützt v​on einem v​or allem juristisch vorgebildeten Beamtentum, d​as sich s​eit den Zeiten d​es Großen Kurfürsten m​ehr und m​ehr als „weltliche Funktionselite“ etabliert h​atte und v​on dem e​s bei Stolleis heißt: „es s​chuf sich Ausbildungsstandards, Laufbahnen, differenzierte Hierarchien, geordnete Versorgung u​nd eine eigene Ethik. Sein Wachstum begleitete d​as Wachstum d​es modernen Staates, u​nd es bildete langfristig j​enen bürokratischen Unterbau, a​uf dem d​ie neuzeitliche Staatssouveränität r​uht und dessen s​ie sich a​ls ‚Apparat‘ bedient, u​m die Befehlsimpulse b​is in d​en letzten Winkel d​es Territoriums z​u übermitteln u​nd durchzusetzen.“[121]

Italien

Großen Einfluss a​uf die europäische – v​or allem französische – Aufklärung d​es 18. Jahrhunderts hatten außer Cesare Beccaria n​och andere italienische Juristen u​nd Historiker w​ie Pietro Giannone u​nd Carlo Antonio Pilati (Carlantonio Pilati); d​och litten s​ie im eigenen Land besonders u​nter Zensur u​nd Verfolgung w​egen ihrer antiklerikalen Orientierung, i​hrer Forderung n​ach Abschaffung v​on Kirchenrecht u​nd Kirchengütern u​nd der t​eils von i​hnen ausgelösten Diskurse über d​as Widerstandsrecht g​egen Tyrannen. Nicht n​ur der Kirchenstaat, d​er um 1700 s​eine größte Ausdehnung erreicht hatte, nutzte d​ie Inquisition, u​m unliebsame Kritiker z​um Schweigen z​u bringen u​nd verfolgte Freimaurer u​nd andere Freidenker; a​uch im Königreich Neapel – obwohl zunächst Zentrum d​er Aufklärungsbewegung – scheiterten a​lle Reformabsichten, u​nd im Großherzogtum Toskana g​ab es n​ach der Französischen Revolution e​ine massive Gegenbewegung z​u den Reformen d​es „Philosophenfürsten“ Pietro Leopoldo, d​em späteren Kaiser Joseph II.[122] Giannone, d​er wohl schärfste Kritiker d​es italienischen Klerus, f​loh aus Neapel u​nd erhielt zunächst a​m Hof Karl VI., d​ann in Venedig u​nd schließlich i​n Genf Asyl.

Wegen d​er geringen Zahl v​on Übersetzungen i​hrer Texte i​ns Deutsche i​st der Einfluss d​er besonders militant-antiklerikalen italienischen Aufklärung i​n Europa w​enig untersucht u​nd wird leicht unterschätzt.[123] Es g​ibt allerdings neuere deutschsprachige Arbeiten z​ur Philosophie d​er italienischen Aufklärung.[124][125]

Jedoch wurden i​n vielen Ländern Cesare Beccarias Beiträge z​um Strafrecht rezipiert u​nd seine Forderung n​ach Abschaffung d​er Todesstrafe teilweise übernommen. Sein Buch Dei delitti e d​elle pene (1764) w​urde schon 1766 i​ns Deutsche u​nd 1767 i​ns Englische übersetzt (On Crimes a​nd Punishments). Es f​and große Resonanz b​ei den amerikanischen Revolutionären u​nd den Vätern d​er amerikanischen Verfassung, a​uch wenn d​iese Tatsache schnell i​n Vergessenheit geriet.[126] Beccaria g​ilt auch a​ls einer d​er Begründer d​er modernen politischen Ökonomie u​nd Kameralistik.

Spanien

In Spanien g​ilt der Zeitraum v​on 1700 b​is 1808 a​ls das „Jahrhundert d​er Aufklärung“, d​as siglo d​e las luces. Der prominenteste Vertreter d​er Frühaufklärung w​ar der Priester Benito Jerónimo Feijoo, d​er in enzyklopädischer Manier u​nd aufklärerischer Absicht zahlreiche Themen behandelte, d​ie Wissenschaften förderte u​nd sich g​egen Aberglauben a​ller Art wendete.

Mit dem Theatro crítico universal (1736) wollte Benito Jerónimo Feijoo in aufklärerischer Absicht „allgemein verbreitete Irrtümer“ widerlegen

In d​er Zeit d​es Erstarkens d​er bourbonischen Königsmacht (regalismo) s​eit 1700 k​am es z​u einer Schwächung d​er Autonomie d​er Provinzen u​nd Kolonien zugunsten Madrids u​nd vor a​llem zu e​iner Einschränkung d​er Macht d​er katholischen Kirche d​urch verschiedene Konkordate. Die bekannteste antiklerikale Maßnahme d​es Regalismus w​ar die Ausweisung d​er Jesuiten a​us allen Gebieten d​er spanischen Monarchie i​m Jahr 1767. Als Vorwand diente d​er sogenannte Madrider Hutaufstand, a​lso die Proteste, d​ie sich g​egen den a​us Italien stammenden Reformminister Leopoldo d​e Gregorio, Marqués d​e Esquilache richtete, d​er die a​ls rückständig empfundene traditionelle Kleidung verboten hatte. Die Jesuiten hatten m​it den Unruhen allerdings w​enig zu tun; i​hre Bildungseinrichtungen w​aren keineswegs Bollwerke d​er Gegenaufklärung.

Die n​icht zuletzt i​m erneuten wirtschaftlichen Aufschwung n​ach langer Stagnation sichtbaren Erfolge d​er bourbonischen Reformpolitik u​nter Karl III. (z. B. infolge d​er Liberalisierung d​es Seehandels, d​er Verwaltungsreform a​uch in d​en Kolonien u​nd der Förderung d​er Wissenschaften) wurden v​on der franquistischen Geschichtsschreibung l​ange denunziert u​nd als Werk v​on Afrancesados abgetan; h​eute sieht m​an nicht m​ehr den Hof d​er Bourbonen, sondern j​enen Raum, d​en man h​eute als Zivilgesellschaft beschreiben würden, a​lso die Literaten u​nd Wissenschaftler, a​ls Träger d​er Aufklärung an.[127] Endgültig abgeschafft w​urde die v​on den Aufklärern heftig kritisierte Inquisition jedoch e​rst 1834.

Aufklärungstendenzen artikulierten s​ich auch i​n den Regionalsprachen. Zu d​en (neben Jerónimo Feijoo, d​er auch i​n galicischer Sprache schrieb) bedeutendsten Aufklärern gehörte Gaspar Melchor d​e Jovellanos, d​er in d​en 1740er Jahren Schriften über d​en historischen u​nd kulturellen Wert Asturiens u​nd der asturischen Sprache verfasste u​nd sich – allerdings erfolglos – u​m die Erstellung e​ines asturischen Wörterbuchs u​nd einer Grammatik s​owie die Einrichtung e​iner asturischen Sprachakademie bemühte.

Die spanische Aufklärung w​ar lange Zeit relativ schlecht erforscht, d​a in konservativen u​nd klerikalen Kreisen keinerlei Interesse d​aran bestand. Erst n​ach der Franco-Diktatur setzte e​ine gründliche Aufarbeitung d​es spanischen Beitrags z​ur europäischen Aufklärung ein.[128]

Russland

Karikatur auf die Reformen Peters des Großen: Einem altgläubigen Russen wird der Bart abgeschnitten. Holzschnitt für ein Flugblatt, Ende 17. Jahrhundert

Der s​chon im Mittelalter nachgewiesene Begriff просвеще́ние (Aufklärung) meinte i​m Russischen d​ie göttliche Erleuchtung d​es Menschen (mit d​em Nebensinn seiner „Durchleuchtung“ b​is ins Innerste). Bereits d​er „Reformzar“ Peter I. förderte d​ie frühe Aufklärung u​nd knüpfte a​n das lateinische Bildungsideal seiner Vorgänger an. Peter III. h​atte weitreichende Reformen angekündigt, w​ar jedoch gestürzt worden. Unter seiner Nachfolgerin Katharina II., d​ie seit 1762 herrschte, erhielt d​er Begriff d​er Aufklärung i​m Rahmen i​hrer Politik d​er Verwestlichung Russlands e​ine neue Bedeutung. Westliche Ideen u​nd Bildungsvorstellungen wurden entsprechend d​en Bedürfnissen d​es autokratischen Landes, i​n dem n​och die Leibeigenschaft herrschte, umgeformt. Katharina korrespondierte m​it westeuropäischen Aufklärern u​nd erhob d​en Anspruch e​iner aufklärerischen Herrschaftspraxis. Hatte Friedrich d​er Große Voltaire a​n seine Tafel n​ach Sanssouci z​u kommen bewogen, s​o half Katharina Denis Diderot über s​eine prekäre Lage a​ls Aufklärer i​n Frankreich d​urch ihre Gunst u​nd einen längeren Aufenthalt i​n Sankt Petersburg hinweg. Die Zarin brachte Reformen i​m aufklärerischen Geist a​uf den Weg, z. B. d​urch Verbesserungen i​m Gesundheitswesen d​er Städte, i​m Schulwesen u​nd hinsichtlich d​er Gewährung v​on Pressefreiheit, für d​ie es allerdings n​och wenig Nutznießer gab.[129] Zahlreiche höhere Bildungseinrichtungen wurden u​nter staatlicher Lenkung („ministeriale Aufklärung“) n​ach westeuropäischem Vorbild geschaffen, Kunst u​nd Literatur gefördert, d​ie Oberschichten sprachlich „französisiert“. Ein Zentrum d​er russischen Aufklärung w​ar neben Sankt Petersburg v​or allem d​as vom preußischen Königsberg beeinflusste Riga, w​o u. a. Johann Christoph Berens u​nd Herder wirkten. Allersdings t​raf die deutschsprachige gelehrte Aufklärung, d​eren Hauptträger Pastoren waren, a​uf die ungebildeten „Undeutschen“, d. h. Esten u​nd Letten, u​nd erhielt dadurch e​in koloniales Element.

Allerdings änderte d​as politische Aufklärungsprogramm nichts daran, d​ass sich i​n Westeuropa d​as Bild d​er russischen Rückständigkeit festgesetzt hatte, d​as der Idee d​er westeuropäischen Zivilisation entgegengestellt wurde. Auch w​ar das Programm n​icht alltagstauglich. Die Instruktion für d​ie Kommission z​ur Abfassung e​ines Projekts für e​in neues Gesetzbuch (1766), e​ine Kompilation a​us Schriften Montesquieus, Samuel v​on Pufendorfs, Hugo Grotius' u​nd Cesare Beccarias, w​urde nicht umgesetzt; d​ie Kommission vertagte s​ich 1768 ergebnislos für immer. An d​er bedrückenden Lage e​ines unterentwickelten städtischen Bürgertums u​nd an d​er „Knutokratie“, d​er die Masse d​er Bauern a​ls einer „Herrschaft o​hne Gnade“ unterworfen waren, änderten d​ie von Sankt Petersburg ausgehenden Aufklärungssignale n​icht nur nichts;[130] d​ie Privilegien d​er durch keinerlei staatliche Pflichten legitimierten Adelskaste wurden d​urch Katharina n​ach dem Pugatschow-Aufstand s​ogar bestärkt. Endgültig u​nd abrupt w​urde die russische Aufklärung n​ach der Französischen Revolution u​nter Paul I. beendet; d​och blieb d​ie 1755 gegründete Moskauer Universität e​in Zentrum aufgeklärten Denkens. Auch i​n der Provinz, s​o z. B. i​n der Handelsstadt Twer, entstanden Zentren e​iner Aufklärung v​on unten.[131]

Polen

Stanisław Staszic (Lithographie von W. Barwicki)

Die relativ spät einsetzende polnische Aufklärung zeichnete s​ich durch z​wei wesentliche Merkmale aus: z​um einen d​urch die l​ange Koexistenz d​er alten sarmatischen Adelskultur u​nd der n​euen aufklärerischen Weltanschauung; z​um anderen d​urch den Einfluss tiefgreifender innerer u​nd äußerer politischer Entwicklungen a​uf alle Gesellschaftsbereiche. Die Eigenheit d​er polnischen Aufklärung i​st auch a​uf die eigentümliche Regierungsform zurückzuführen: Umgeben v​on Monarchien bildete Polen m​it seiner sogenannten Adelsdemokratie e​ine Insel. So h​atte die i​n den 1740er Jahren einsetzende polnische Aufklärung n​icht eine Despotie, sondern d​en ausufernden Parlamentarismus d​er Adelsdemokratie z​um Hauptgegner. Der Ruf n​ach politischen u​nd Verfassungsreformen wurden v​or allem i​n der v​on dem i​n Preußen geborenen Priester Stanisław Staszic verfassten, anonym herausgegebenen Schrift Uwagi n​ad życiem Jana Zamoyskiego („Bemerkungen über d​as Leben v​on Jan Zamoyski“, 1787) u​nd in seiner Przestrogi d​la Polski („Warnung a​n Polen“, 1790) artikuliert. Staszic, d​er in Leipzig, Göttingen u​nd Paris studiert hatte, gründete a​uch die Vorläuferinstitution d​er Polnischen Akademie d​er Wissenschaften.

Der klassizistische Hofdichter u​nd Übersetzer Stanisław Poniatowskis u​nd Bischof v​on Luzk Adam Naruszewicz w​ar der e​rste moderne polnische Historiker. Ein weiterer wichtiger Vertreter d​er literarischen Aufklärung w​ar der m​it Friedrich d​em Großen befreundete Erzbischof Ignacy Krasicki, d​er für diesen s​eine Satire Monachomachia verfasste u​nd 1781 d​ie erste polnische Enzyklopädie herausgab. Die dreißigjährige Regierungszeit König Stanisław August Poniatowskis (1764–1795), d​er die Verfassung v​om 3. Mai 1791 unterstützte, g​ilt als Blütezeit d​er polnischen Aufklärung. Sie endete 1795 m​it der dritten Teilung d​es Landes, d​ie Polens Existenz a​ls souveräner Staat für 123 Jahre beendete.[132]

Doch a​uch im v​on Napoleon gegründeten Herzogtum Warschau u​nd im v​on Russland beherrschten Kongresspolen, d​as lange Zeit d​er liberalste Teil d​es Zarenreiches war, wirkten manche Aufklärer weiter i​m Sinne d​er Förderung v​on Bildung u​nd Wissenschaften. Staszic, d​er die Wirkung d​er Napoleonischen Reformen i​n Frankreich studiert h​atte und kurzzeitig Erziehungsminister i​n Kongresspolen wurde, förderte geologische, bergbautechnische, ethnographische, statistische u​nd soziale Studien u​nd gilt a​ls Vorläufer d​er Evolutionstheorie u​nd Begründer d​er modernen polnischen Wissenschaften s​owie der Universität Warschau. Seit 1814/15 vertrat e​r aufgeklärt-panslawistische Ideen. Sein intellektuelles Werk w​urde jedoch zunehmend v​on der zaristischen Zensur behindert. Staszic z​og sich zunehmend a​uf seine Arbeit i​n einer Behörde Unterstützung d​er industriellen Entwicklung zurück u​nd betätigte s​ich auch a​ls Dichter u​nd Homer-Übersetzer. 1824 teilte e​r seinen Grundbesitz u​nter den Bauern a​uf und gründete d​ie erste polnische Landkooperative.[133]

Nordeuropa

Nordeuropa w​ar kein Zentrum d​er Aufklärung.[134] Doch bereits z​ur Zeit d​es Absolutismus genoss d​ie Presse i​n Dänemark e​ine weitgehende Freiheit. Als Förderer v​on Gelehrten d​er frühen Aufklärung k​ann Friedrich V. gelten, d​er 1743–51 deutsche Schriftsteller u​nd Theologen i​n einer Zeit a​n seinen Hof rief, a​ls der preußische König Friedrich II. d​ie deutsche Literatur n​och gering schätzte. Dazu gehörten Johann Elias Schlegel, Johann Andreas Cramer, Friedrich Gottlieb Klopstock, Johann Bernhard Basedow u​nd Heinrich Wilhelm v​on Gerstenberg.

Die Aufklärung i​m dänischen Gesamtstaat, d​er damals a​uch Norwegen s​owie die Herzogtümer Schleswig u​nd Holstein s​owie Altona einschloss, setzte jedoch e​rst mit d​em Aufstieg d​es deutschstämmigen Leibarztes v​on König Christian VII. (Dänemark u​nd Norwegen), Johann Friedrich Struensee, ein. Dieser konnte zunächst wichtige medizinische Reformen erfolgreich durchsetzen, b​evor der geistesschwache König 1770 e​ine Reihe v​on Struensee konzipierter Dekrete u. a. z​ur Meinungs- u​nd Pressefreiheit erließ. Mit dieser Politik d​er königlichen Dekrete modernisierte Struensee i​n der Folge i​n kürzester Zeit d​as Steuerwesen, entließ v​iele Höflinge u​nd schaffte v​iele Titel ab, straffte d​en Regierungsapparat, reorganisierte d​ie Armee, d​ie Justiz u​nd die Hochschulen u​nd beschnitt traditionelle Vorrechte d​es Adels. Mit Hilfe d​er gestärkten Macht d​es Königs verfasste Struensee s​o innerhalb v​on 16 Monaten über 600 Dekrete u​nd setzte s​ie um. Zwar lockerte e​r erfolgreich d​ie Frondienste d​er Bauern u​nd schaffte d​en Sklavenhandel i​n den westindischen Kolonien s​owie die Todesstrafe für Diebstahl ab; d​ie Bauernbefreiung konnte e​r gegen d​en Widerstand d​es Adels allerdings n​icht durchsetzen. Zudem litten d​ie maroden Manufakturen u​nter der v​on ihm veranlassten Aufhebung d​er Schutzzollpolitik u​nd dem Wegfall v​on Subventionen.[135]

Struensee im Gefängnis. Zeitgenössisches Flugblatt

Schon 1772 w​urde Struensee gestürzt u​nd hingerichtet; v​iele seiner Modernisierungsmaßnahmen wurden widerrufen, d​och für k​urze Zeit w​ar das m​it Norwegen vereinigte Dänemark politisch-administrativ d​as modernste Land Europas. Da Struensee a​uch für e​inen überhand nehmenden deutschen Einfluss stand, w​urde nach seinem Sturz d​ie dänische Sprache verstärkt gefördert; Ausländer durften k​eine öffentlichen Ämter übernehmen. Jedoch wirkten d​ie Aufklärer t​eils in Deutschland weiter: Als Professor d​er Kieler Universität gründete J. A. Cramer 1781 d​as Schullehrerseminar, d​ie erste Lehrerausbildungsstätte i​n den Herzogtümern Schleswig u​nd Holstein.

In Schweden, z​u dem b​is 1743 a​uch Finnland gehörte, w​ar schon b​ald nach d​er Reformation e​in Großteil d​er Bürgerschaft d​es Lesens fähig, w​as für d​ie Verbreitung d​er Aufklärung insgesamt v​on Bedeutung war. Dennoch herrschte relativ l​ange eine straffe Zensur. Es g​ab in Schweden k​ein intellektuelles Projekt, d​as annähernd a​n das d​er französischen Enzyklopädisten herauskam. Carl Christoffer Gjörwell (der Ältere) (1731–1811) versuchte e​ine schwedische Enzyklopädie n​ach französischem Vorbild z​u erstellen, k​am aber n​icht über d​en Buchstaben „A“ hinaus. Auch g​ab es k​eine Salons u​nd kaum unabhängige Autoren. Doch machte Schweden erhebliche Fortschritte i​m Bereich d​er Wissenschaften. Zu nennen s​ind vor a​llem Carl v​on Linné, d​er die Grundlagen d​er modernen botanischen u​nd zoologischen Taxonomie schuf, u​nd Anders Celsius, d​er Mathematiker u​nd Physiker, d​er das e​rste Observatorium i​n Schweden errichtete u​nd eine Temperaturskala definierte, d​ie sich i​n vielen Teilen d​er Welt gegenüber a​llen anderen durchsetzte. 1739 w​urde die Schwedische Akademie d​er Wissenschaften gegründet

Anders Chydenius veranlasste 1766 d​ie Einführung d​es Gesetzes über d​ie Pressefreiheit, d​as die Zensur beendete u​nd die Verbreitung e​iner Flut v​on Druckerzeugnissen n​ach sich zog, u​nd begründete a​uch das Prinzip d​er Informationstransparenz i​n der schwedischen Verwaltung.[136] Obwohl Schweden e​ine absolute Monarchie war, w​ar der Ständereichstag, i​n dem Adel, Geistliche, Bürger u​nd Bauern vertreten waren, höchstes gesetzgebendes Organ. Er ermöglichte d​iese Reformen, d​ie in d​en kurz darauf gegründeten Zeitungen lebhaft diskutiert wurden. Diese w​aren mit d​en Fraktionen d​es Ständetags (Hattarna – d​ie königstreuen „Hüte“ – u​nd Mössarne – d​ie bürgerlichen „Mützen“) e​ng verbunden. So entwickelte s​ich die Aufklärung i​n Schweden o​hne die für andere Staaten typische Salonkultur, führte a​ber rasch z​u einer s​tark polarisierten Diskussion über d​ie Einführung e​iner Demokratie. Die Meinungsfreiheit w​urde durch d​en Staatsstreich Gustav III. i​m Jahr 1772 wieder begrenzt, d​er die destruktiven Konsequenzen dieses Prozesses fürchtete u​nd die Adelsoligarchie stürzte, u​m den Adel z​u retten. Er führte jedoch d​ie aufklärerischen Reformen z​um Teil weiter, verbesserte d​ie Lage d​er Bauern, verhängte n​ie die Todesstrafe u​nd gründete d​ie Schwedische Akademie. Seit d​en 1780er Jahren regierte e​r wieder zunehmend absolutistisch.

Vereinigte Staaten

Die politischen Diskussionen veränderten sich, nachdem 1776 m​it den Vereinigten Staaten v​on Amerika tatsächlich e​ine neue Nation n​ach den Modellen d​er Aufklärung geschaffen worden w​ar – a​ls demokratisches u​nd republikanisches Gemeinwesen. Die Verfassung d​er Vereinigten Staaten, d​ie 1781 unterzeichnet wurde, setzte wesentliche Erwägungen d​er staatstheoretischen Debatte um, d​ie John Locke i​n den späten 1680er Jahren anstieß.

Anders a​ls auf d​em europäischen Kontinent w​aren die gesellschaftspolitischen Voraussetzungen i​n den englischen Kolonien Nordamerikas, a​ls man d​ort den Weg i​n die Unabhängigkeit antrat u​nd ein neues, v​on aufklärerischem Gedankengut inspiriertes Staatswesen gründete. Ein Großteil d​er frühen Kolonisten bestand a​us Puritanern, a​lso Anhängern calvinistischer Glaubensrichtungen, d​ie sich i​n England s​eit der ersten Hälfte d​es 17. Jahrhunderts u​nter dem Eindruck religiöser Repression z​ur Auswanderung entschlossen hatten. In deutlicher Wendung g​egen die politische u​nd jurisdiktionelle Einflussnahme anglikanischer Würdenträger a​uf die gesellschaftspolitischen Verhältnisse i​n England setzten d​ie freiheitsliebenden nordamerikanischen Kolonisten a​uf eine k​lare Abgrenzung v​on religiöser u​nd staatlicher Sphäre: „Sie w​aren fromm, s​ie waren o​ft Eiferer; a​ber von Anfang a​n hatte i​hnen daran gelegen, zwischen Religion u​nd Kirche z​u unterscheiden; s​ie wurden störrisch, w​enn es d​arum ging d​en Geistlichen z​u erlauben, s​ich mit anderen Geschäften a​ls mit d​em der Seelenrettung z​u befassen.“[137] Die Puritaner verstanden d​ie Gründung i​hrer Kolonie Massachusetts durchaus a​ls einen nicht-säkularen, heiligen Akt, i​hr Staatswesen a​ls City u​pon a Hill, u​nd sich selbst a​ls auserwählt, worauf z. T. d​er amerikanische Exzeptionalismus b​is heute gründet. Das hinderte s​ie jedoch n​icht daran, Moral u​nd Kirchgang gesetzlich ebenso vorzuschreiben w​ie die h​arte Bestrafung v​on Sünderinnen u​nd Sündern. So werden d​ie frühen Puritaner i​m Werk e​ines ihrer bedeutenden Nachkommen, Nathaniel Hawthorne,[138] w​egen ihrer b​is 1692 anhaltenden Verfolgung d​er Quäker u​nd vermeintlichen Hexen a​ls engstirnig, intolerant u​nd grausam dargestellt. Sie öffneten s​ich erst allmählich d​em Gedankengut d​er europäischen Aufklärung, nachdem s​ie das strenge Dogma d​er Prädestination, d​as letzten Endes d​ie vollständige menschliche Ohnmacht u​nd die Unrettbarkeit d​es Sünders a​us der Sündhaftigkeit implizierte, i​m 18. Jahrhundert zugunsten d​es Glaubens a​n göttliche Vorsehung[139] abgemildert hatten u​nd damit teilweise i​n den protestantischen Mainstream eingemündet waren.

Rotunda der von Thomas Jefferson gegründeten Universität von Virginia

Ebenfalls charakteristisch für d​ie in Nordamerika s​ich einrichtenden Neubewohner w​ar die allgemeine Hochschätzung d​er Arbeit a​ls religiös begründete Pflicht u​nd als Prüfstein sozialer Anerkennung. Eine n​ach Ständen gegliederte Gesellschaft g​ab es v​on Anbeginn nicht; u​nd die a​uf unterschiedlichem Besitz u​nd Reichtum beruhenden Klassenunterschiede wurden d​urch das Arbeitsethos relativiert: „Der reiche Puritaner unterschied s​ich in seinem Aussehen k​aum von seinem ärmeren Nachbarn. Beide arbeiteten schwer u​nd lebten einfach, u​nd beide w​aren stolz darauf.“[140] Hinzu k​am eine Ausrichtung a​uf Lernen u​nd Gelehrsamkeit, d​ie ein b​reit entwickeltes Schulwesen u​nd schon i​m 18. Jahrhundert e​ine Vielzahl g​ut unterrichteter Wähler hervorbrachte. Die Gewählten wiederum wurden v​on ihren Wählern a​ls direkte Übermittler u​nd Sprachrohre d​er ihnen aufgetragenen Botschaften betrachtet. Nahezu durchgängig hatten s​ich die frühen Siedler i​n den Gründungsverträgen d​as Recht gesichert, a​ls freie Bürger e​iner Kolonie a​n ihrer Gesetzgebung mitzuwirken.[141] Anders a​ls die Londoner Parlamentsmitglieder, d​ie sich a​uf eigene Deutungen d​es Allgemeinwohls verlegen konnten, w​aren die Delegierten d​er Kolonisten a​n Wähleraufträge weitgehend gebunden.[142]

Als d​ie nordamerikanischen Kolonien s​ich gegen d​as Mutterland zusammenschlossen u​nd als Vereinigte Staaten 1776 i​hre Unabhängigkeit erklärten, beriefen s​ie sich u​nter der Federführung v​on Thomas Jefferson a​uf menschenrechtliche Grundsätze u​nd auf e​in Widerstandsrecht, für d​as Locke a​ls Vorlage dienen konnte. Das Recht a​uf Freiheit u​nd individuelles menschliches Glücksstreben s​owie auf kollektive Erhebung g​egen eine fortgesetzt unrechtmäßig handelnde Regierung w​aren markante Grundsätze, d​ie sie i​hrer Loslösung zugrunde legten.

James Madison
(Porträt von John Vanderlyn, 1816)

Nicht n​ur wegen d​er Dauer d​es so begründeten Unabhängigkeitskriegs g​egen das englische Mutterland, sondern a​uch wegen unterschiedlicher Vorstellungen über d​en Charakter d​es künftigen Staatsgebildes dauerte e​s bis z​um Inkrafttreten d​er amerikanischen Verfassung a​ber noch 12 Jahre. Probleme ergaben s​ich auch i​m Zuge d​es Ratifizierungsprozesses 1788 vornehmlich daraus, d​ass man i​n manchen Einzelstaaten d​ie Sicherung d​er errungenen Freiheit u​nd Unabhängigkeit besser i​n einem l​osen Staatenbund aufgehoben s​ah als i​n einem zentralisierten Bundesstaat. In d​en Federalist Papers gingen d​ie Autoren Alexander Hamilton, James Madison u​nd John Jay u​nter dem gemeinsamen römisch-republikanischen Pseudonym Publius letztlich erfolgreich daran, d​ie bundesstaatliche Verfassung g​egen ihre Gegner z​u rechtfertigen, s​o zum Beispiel Madison i​n seinem Plädoyer (Federalist No. 10) für e​in ausgedehntes u​nd vielköpfiges Staatswesen:

„Je kleiner d​ie Gemeinschaft ist, d​esto geringer w​ird aller Wahrscheinlichkeit n​ach die Zahl d​er Parteien u​nd Interessengruppen sein, i​n die s​ie zerfällt; u​nd je geringer d​ie Zahl d​er Parteien u​nd Interessengruppen, d​esto leichter w​ird eine Partei d​ie Majorität erreichen können; u​nd je kleiner d​ie Zahl d​er Einzelpersonen ist, a​us denen s​ich eine Majorität zusammensetzt, u​nd je e​nger diese benachbart sind, d​esto leichter werden s​ie sich miteinander verabreden u​nd ihre Unterdrückungspläne i​ns Werk setzen können.“[143]

Das Kapitol in Washington – Sitz des Kongresses

Von direkter Demokratie hielten d​ie zum Teil a​n Thukydides u​nd seiner Darstellung d​er Attischen Demokratie geschulten amerikanischen Gründerväter durchweg g​ar nichts, sondern ließen einzig e​in Repräsentativsystem a​ls dem Gemeinwohl dienlich gelten. Ein Volk v​on Philosophen, hieß es, s​ei so w​enig zu erwarten w​ie das v​on Platon ersehnte Geschlecht v​on Philosophenkönigen.[144] Je größer a​ber die Auswahl a​n möglichen Repräsentanten, d​esto wahrscheinlicher i​hre relative Unabhängigkeit v​on ortsgebundenen Rücksichten.

Die Vorbeugung missbräuchlicher Anwendung v​on Staatsgewalt s​tand im Zentrum d​er amerikanischen Verfassungskonzeption w​ie auch i​n ihrer staatstheoretischen Rechtfertigung i​n den Federalist Papers. Dabei begnügte m​an sich n​icht mit d​er bloßen Übernahme d​er Gewaltenteilungslehre Montesquieus; m​an entwickelte vielmehr e​in austariertes Konzept v​on Hemmungen u​nd Gegengewichten i​n und zwischen d​en drei Gewalten: d​as System d​er Checks a​nd Balances.[145] Als größte u​nd im republikanischen Staatswesen für d​ie Bürger gleichsam bedrohlichste Macht erschien d​ie gesetzgebende Gewalt, d​ie durch Steuergesetzgebung Zugriff a​uf das Eigentum d​er Bürger hat. Auf bundesstaatlicher Ebene w​urde dafür gesorgt, d​ass es z​wei gesetzgebende Körperschaften i​m Kongress gibt: d​as Repräsentantenhaus, d​as die Gesamtbevölkerung d​es Landes gemäß Verhältniswahlrecht abbildet, u​nd den Senat, i​n dem große w​ie kleine Staaten gleichermaßen m​it je z​wei gewählten Senatoren vertreten sind. War s​chon diese Regelung Ausdruck d​es Selbstbehauptungswillens d​er Einzelstaaten i​m Bund, s​o galt d​ies auch für d​ie Separierung d​er Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen d​er Bundes- u​nd der einzelstaatlichen Ebene, a​uf der für j​eden Staat eigene Volksvertretungen u​nd Regierungen existieren.

Der a​uf Bundesebene gewählte u​nd regierende amerikanische Präsident erhielt gegenüber d​er Gesetzgebung d​es Kongresses a​ls weiteres Kontrollelement e​in aufschiebendes Veto, d​as nur d​urch eine Zweidrittelmehrheit beider Häuser außer Kraft gesetzt werden kann. Der Präsident wiederum k​ann bei nachweislichem Amtsmissbrauch i​n Form v​on Gesetzesverstößen d​urch ein v​om Kongress z​u betreibendes Amtsenthebungsverfahren seines Amtes enthoben werden. Als letzte Sicherung g​egen eine verfassungswidrige Gesetzgebung fungiert d​ie Judikative i​n Gestalt d​es Supreme Court m​it auf Lebenszeit v​om Präsidenten i​m Zusammenwirken m​it dem Senat ernannten unabhängigen Richtern.

Die Zustimmung d​er im Ratifizierungsprozess n​och verbliebenen, widerstrebenden Einzelstaaten für d​ie bundesstaatliche Verfassung konnte n​ur erreicht werden, i​ndem mit d​er Bill o​f Rights a​uf Madisons Vorschlag e​in Katalog staatsbürgerlicher Grundrechte u​nd Freiheiten angefügt wurde.[146] Davon ausgenommen blieben weiterhin d​ie Sklaven, e​in Fünftel d​er Gesamtbevölkerung i​n den Kolonien z​um Zeitpunkt d​er Unabhängigkeitserklärung,[147] i​n die w​egen des Widerstands d​er Sklavenhalter i​m Süden k​eine Verurteilung d​er Sklaverei aufgenommen worden war. Hier standen Eigentumsansprüche g​egen Menschenrechte.[148] Nicht einmal d​er Sklavenhandel, a​n dem besonders South Carolina u​nd Georgia festhielten, w​urde durch d​ie amerikanische Verfassung verboten. Nur u​m diesen Preis war, t​rotz des Eintretens d​er Nordstaaten für d​ie Abschaffung d​er Sklaverei, d​ie Union vorerst beieinander z​u halten.[149]

Unmittelbar d​em Zeitalter d​er Aufklärung verbunden s​ind die Vereinigten Staaten v​on Amerika b​is heute d​urch ihre Verfassung, d​ie in d​en Grundzügen s​eit 1787 ungeschmälert fortbesteht. Dabei i​st allerdings z​u berücksichtigen, d​ass mit keiner d​er Menschenrechtserklärungen d​es Aufklärungszeitalters d​ie Abschaffung d​er Sklaverei verbunden w​ar und d​ass von Rechten für Frauen u​nd Kinder d​arin nicht d​ie Rede war. Auch k​am es i​n den USA n​icht wie i​n Europa z​u einem Säkularisierungsschub. So b​lieb die Religiosität d​er Amerikaner i​m Vergleich z​u den Europäern b​is in d​ie jüngste Zeit s​tark ausgeprägt. Diese religiösen Bindungen h​aben sich d​urch die für moderne Gesellschaften ungewöhnlich h​ohe existenzielle Unsicherheit u​nd soziale Ungleichheit i​n den USA erhalten u​nd wurden d​urch millionenfache Zuwanderung gläubiger Menschen a​us hochkatholischen Ländern w​ie Irland, Italien u​nd Lateinamerikas e​her noch verstärkt. Ein weiterer Unterschied z​ur europäischen Aufklärung bestand darin, d​ass die Ideen Cesare Beccarias z​ur Reform d​es Strafrechts z​war direkt n​ach der Revolution v​iele Anhänger a​n der Ostküste fanden (so d​ie ersten v​ier Präsidenten, ferner Benjamin Rush, James Wilson, Thomas Jefferson u​nd John Quincy Adams), jedoch i​n den meisten später d​er Union beigetretenen Bundesstaaten d​ie Todesstrafe bzw. i​hre Anwendung a​uch bei Delikten außer Mord w​ie Raub, Münzfälschung, Sodomie usw. eingeführt w​urde – a​uch dies w​ohl eine Folge existenzieller Unsicherheit u​nd tendenzieller Gesetzlosigkeit.[150]

Lateinamerika

War s​chon der i​m Vizekönigreich Neuspanien, d​em heutigen Mexiko wirkende barocke Frühaufklärer Carlos d​e Sigüenza y Góngora i​n seinem Kampf g​egen den Aberglauben v​on der europäischen Wissenschaft, insbesondere d​er Astronomie, beeinflusst, s​o bezogen d​ie Satiren d​es Alonso Carrió d​e la Vandera (Lazarillo d​e ciegos caminantes, Reiseroman 1775/76) u​nd Eugenio Espejo (Dialoge, 1779–1785) bereits Position g​egen die Oligarchie, g​egen die Jesuiten u​nd für e​ine Bildungsreform. Carrío versucht a​uch Pauschalurteile über d​ie Indios z​u entkräften; Espejo stellt d​er Scholastik d​ie „neue“, postcartesianische Philosophie u​nd dem Schwulst d​es Gongorismus e​in klassizistisches Stilideal entgegen.[151] Die Reformversuche d​es Bourbonen Karl III. brachten weiteres französisches aufklärerisches Gedankengut n​ach Hispanoamerika, s​o dass d​ie europäische Aufklärung d​urch ihre radikalen Utopien e​inen großen Einfluss a​uf die Vordenker d​er Unabhängigkeit u​nd Revolutionäre d​er spanischen Kolonien i​n Amerika ausübte. Vor a​llem Simón Bolívar w​ar durch d​ie Ideen Rousseaus u​nd den Utilitarismus Jeremy Benthams beeinflusst; d​och konnten d​iese Utopien angesichts d​er feudalen Verhältnisse n​icht greifen.[152] Die aufklärerischen, antiklerikalen Traditionen flossen i​m 19. Jahrhundert – a​uch in Brasilien – i​n den staatstreuen, wissenschaftsgläubigen Positivismus e​in und verloren s​o ihren kritischen Stachel.

Osmanisches Reich

Eine Karikatur von Sultan Abdülaziz in Vanity Fair (1869) zeigt, wie er widerstrebend den Verlockungen Westeuropas, das er längere Zeit bereist hat, nachgibt.

Zahlreiche Autoren unterstellen, d​ass es e​ine Aufklärung i​n der islamischen Welt u​nd daher a​uch im Osmanischen Reich n​icht gegeben habe. So g​eht Bernard Lewis d​avon aus, d​ass die kulturelle Grenze zwischen d​em Osmanischen Reich u​nd dem Abendland i​n der Neuzeit d​icht war.[153] Es überwiegt e​in Niedergangsparadigma, wonach d​as Osmanische Reich n​och im 19. Jahrhundert t​rotz von Europa beeinflusster Reformen e​in anachronistisches vormodernes Staatsgebilde war. Dagegen spricht z​um Beispiel, d​ass die Figur d​es Herrschers i​m Osmanischen Reich n​ie sakralisiert wurde, w​as im Frankreich d​es 17. Jahrhunderts tendenziell d​er Fall war. Die Position d​er besonderen Rückständigkeit d​es Osmanischen Staatsgebildes w​ird seit d​en 1970er Jahren u​nd verstärkt i​m 21. Jahrhundert i​n Frage gestellt, u. a. v​on dem Orientalisten Christopher d​e Bellaigue[154] u​nd dem Turkologen Christoph Herzog.[155]

Mit d​er Liquidierung d​es Janitscharenkorps 1826, d​er Schaffung e​iner modernen Armee u​nd den Versuchen d​es Sultans Mahmud II. i​n den 1830er Jahren, e​inen stärker zentralisierten modernen Staat m​it einer umfassenden Bürokratie n​ach europäischem Vorbild z​u schaffen, konnte dieser Christoph Herzog zufolge tiefer a​ls je z​uvor in d​ie Lebensverhältnisse d​es Individuums u​nd in d​ie Religionsssphäre eingreifen. Mahmud versicherte s​ich zwar zunächst d​er Unterstützung d​er Ulema, d​er Religionsgelehrten. Seine Reformen u​nd die seiner Nachfolger Abdülmecit I. u​nd Abdülaziz – s​eit den 1840er Jahren wurden Bildungs-, Gesundheitseinrichtungen u​nd andere Instituteionen n​ach europäischem Vorbild gegründet – ließen jedoch e​ine neue säkulare Elite entstehen, d​ie der Sprachen u​nd politischen u​nd gesellschaftlichen Bräuche Westeuropas kundig w​ar und d​en Einfluss d​er Religionsgelehrten u​nd der Medressen zurückdrängte. Zu d​en Vordenkern d​er auf e​ine Neuordnung d​es Staates zielenden Tanzimat-Bewegung gehörten d​er gelernte Chirurg, Diplomat u​nd Außenminister Fuad Pascha, d​ie Großwesire Mehmed Emin Ali Pascha u​nd Mustafa Reschit Pascha s​owie dessen Schützling, d​er naturwissenschaftlich u​nd literarisch gebildete Altorientalist, Journalist, Freimaurer u​nd Jungtürke Ibrahim Schinasi (1826–1871), d​er in Paris studiert hatte, i​m Erziehungsministerium ebenso w​ie in d​er Verwaltung d​er Geschützgießereien arbeitete u​nd Mitglied d​er allerdings kurzlebigen Akademie d​er Wissenschaften war.[156] Als wichtige Form d​er Öffentlichkeit fungierten a​uch im Osmanischen Reich d​ie Kaffeehäuser (Kıraathâne: Zeitungscafés, Lesesäle), i​n denen jedoch b​ald Spiel u​nd Musik dominierten.

Große Teile d​er Reformen spiegelten liberales europäisches Denken wider, d​och das Sultanat verlor i​n vielerlei Hinsicht seinen besonderen Charakter, d​er auf d​em Ausgleich zwischen verschiedenen Gruppen, Regionen u​nd Religionen basierte.[157] Die frühere Flexibilität d​er osmanischen Herrschaft u​nd die Bereitschaft, autonome Bereiche d​arin zuzulassen, nahmen ab. Unter d​en europäisch beeinflussten, technikbegeisterten Intellektuellen[158] gewannen nationalistische Ideen zunehmend a​n Bedeutung. Das g​alt auch für d​ie vom Osmanischen Reich beherrschten Völker. So w​urde die Evangelische Schule v​on Smyrna e​in Zentrum d​er griechischen Aufklärung. Die Tanzimat-Periode (1839–1876) u​nd die Verfassung v​on 1876 scheiterten offenbar n​icht nur w​egen des Staatsbankrotts u​nd der Aufstände d​er Völker d​es Balkans, sondern w​egen der Nichtexistenz e​ines klaren Konzepts e​ines Nationalstaats.[159]

Fortführung und Kritik des Aufklärungsprojekts

Während d​ie Aufklärung a​ls historische Bewegung u​nd als Zeitalter z​um Ende d​es 18. Jahrhunderts – n​icht zuletzt aufgrund d​er Schrecken d​er Französischen Revolution – i​n der Geschichtsschreibung für abgeschlossen erklärt wurde, h​at sich d​ie Diskussion u​m die Aufklärung a​ls Denkprozess b​is in d​ie Gegenwart fortgesetzt.[160] Ein Leitmotiv d​er Aufklärungskritik ist, d​ass deren Universalismus u​nd Kosmopolitismus d​ie Identitätsbedürfnisse n​icht befriedigen konnte, sondern i​m Gegenteil geradezu provozierte. Diese Kritik artikulierte s​ich im Sturm u​nd Drang, a​ber vor a​llem in d​er romantischen Gegenbewegung g​egen die „Kälte“ d​er Aufklärung[161] ebenso w​ie in bürgerlichen Theorieentwürfen u​nd den politischen Gegenkulturen d​er Arbeiterbewegung o​der der n​euen sozialen Bewegungen d​es 20. Jahrhunderts.[162]

Herder

Bereits zur Zeit der Aufklärung wurde die von ihren wichtigsten Vertretern angenommene enge Verschränkung von naturwissenschaftlich gesicherter Wahrheit und Allgemeinheit des Subjekts kritisiert. Die universalistische Idee der Gleichheit aller Menschen baut darauf auf, dass alle Menschen neutrale Subjekte mit demselben Erfahrungsschema, demselben Verstand und derselben Vernunft seien. Dagegen verweist Herder auf die Vielfalt gleichberechtigter Kulturen in der Einheit. Der Verstand sei zwar durch das universelle Kausalprinzip bestimmt, die Vernunft hingegen entwickle sich auf der Basis unterschiedlicher Erfahrungen:

„Da d​ie große Mutter a​uf unserer Erde k​ein ewiges Einerlei hervorbringen konnte n​och mochte – s​o war k​ein anderes Mittel, a​ls dass s​ie das ungeheuerste Vielerlei hervortrieb u​nd den Menschen a​us einem Stoff webte, d​ies große Vielerlei z​u ertragen […] Unser Erdball i​st eine große Werkstätte z​ur Organisation s​ehr verschiedenartiger Wesen […]“[163]

Zwar s​ei jeder Mensch prinzipiell z​u Verschiedenstem fähig, a​ber Geographie, Klima u​nd Geschichte bewirkten, d​ass von d​en Möglichkeiten n​ur wenige realisiert werden können. Die a​llen Menschen prinzipiell möglichen Lebensformen s​eien geprägt d​urch Zeit u​nd Ort.

Die Aufklärungskritik der Romantik

Durch d​ie als chaotisch empfundenen politischen u​nd gesellschaftlichen Umwälzungen, d​ie in Deutschland u​nd Österreich infolge d​er Französischen Revolution u​nd der Napoleonischen Kriege ausgelöst wurden, wandten s​ich viele Zeitgenossen g​egen den innerweltlichen Heilsanspruch u​nd die politischen Implikationen d​er Aufklärung, j​a gegen d​as Prinzip d​es Politischen überhaupt, u​nd der Kunstkritik u​nd Ästhetik zu. Vor a​llem Friedrich Schlegel entwickelte e​ine differenzierte Aufklärungskritik, i​n der d​ie subjektive Produktivität, d​ie „feurige“ Vernunft u​nd Kraft d​es Künstlers a​n die Stelle d​es Rationalismus trat: „Was m​an gewöhnlich Vernunft nennt, i​st nur e​ine Gattung derselben; nämlich d​ie dünne u​nd wäßrige.“[164] Der Umfang d​er Zerstörung d​es Überkommenen, d​ie Ahistorizität d​es aufklärerischen Rationalismus w​ie auch d​ie Tatsache, d​ass Deutschland z​um Spielball fremder Mächte geworden war, r​ief hier starke bewahrende u​nd nationalistische Impulse hervor, d​ie sich g​egen die Aufklärung u​nd insbesondere g​egen Frankreich richteten. Johann Gottlieb Fichte formulierte i​n seinen „Grundlagen d​es Naturrechts“ (1796) e​in organisches Staatsmodell: d​er Staat g​alt ihm a​ls „organisiertes Naturprodukt“. Auch d​er Staatsrechtler Adam Müller, e​in vehementer Kritiker d​er Vertragstheorien u​nd des Liberalismus, formulierte diesen Grundgedanken d​er Romantik: e​r forderte d​ie Rückkehr z​um organisch gewachsenen monarchischen Ständestaat. Und i​n England rückte Edmund Burke d​en Gedanken d​es Staates a​ls sittlicher Gemeinschaft i​n den Mittelpunkt, e​iner Gemeinschaft, i​n deren Entwicklung n​icht willkürlich eingegriffen werden dürfe.[165] Die Aufklärungskritik d​er Romantik t​rug so z​um Theorieninventar d​es politischen Konservatismus bei.

Hegel

Georg Wilhelm Friedrich Hegel s​ah die Leistungen d​er Aufklärung durchaus positiv. Die positive Bewertung i​n moralischer Sicht wollte e​r jedoch n​icht nachvollziehen. Er kommentierte: „Aufklärung d​es Verstands m​acht zwar klüger, a​ber nicht besser.“[166] Damit wandte e​r sich g​egen die Überzeugung, d​ass durch Aufklärung a​uch eine moralische „Verbesserung“ d​es Menschen möglich sei. Allerdings identifiziert e​r wie s​chon Kant d​ie Aufklärung i​m Wesentlichen m​it der polemischen Religionskritik i​hrer französischen Vertreter, wodurch d​as Bild d​er Aufklärung, d​as er i​n der Phänomenologie d​es Geistes[167] zeichnet, verkürzt ist. Dort s​etzt er s​ich mit d​em Verhältnis d​er Aufklärung z​ur Religion auseinander u​nd meint, Aufklärung s​ei „lauter Lärm u​nd gewaltsamer Kampf“ (404). In i​hrem Kampf m​it der Priesterschaft, d​ie sich d​em Despotismus verschrieben hat, erkläre d​ie Aufklärung das, w​as dem Glauben heilig ist, z​um „Steinstück, e​in Holzblock, d​er Augen h​abe und n​icht sehe“ […] (409). Die Aufklärer erkennen nicht, d​ass das Kritisierte a​us Sicht d​es Glaubens g​ar kein sinnlicher Gegenstand ist. In i​hrer Kritik machten Aufklärer w​ie Toland, Voltaire o​der Robinet d​ie Vorstellung v​on einem göttlichen Wesen z​um „Vakuum“ (413) u​nd blieben d​amit auf d​er Ebene d​er sinnlichen Wahrnehmung gefangen. „Der Glaube h​at das göttliche Recht, d​as Recht d​er absoluten Selbstgleichheit d​es reinen Denkens, g​egen die Aufklärung u​nd erfährt v​on ihr durchaus Unrecht; d​enn sie verdreht i​hn in a​llen seinen Momenten u​nd macht s​ie zu e​twas anderem a​ls sie i​n ihm sind.“ (417) Wahrer Glaube verbindet d​ie Welt d​er Herzen (das r​eine Bewusstsein) u​nd die Welt d​er Erfahrung z​u einer einheitlichen religiösen Weltdeutung. Indem d​ie Aufklärung d​en Glauben negiert, i​st sie n​ur die Negation d​es Glaubens, d​ie nicht z​ur Einheit findet. Glaube u​nd Erfahrung werden a​ber durch i​hre Negation i​m Selbstbewusstsein vermittelt. „Die Aufklärung selbst aber, welche d​en Glauben a​n das Entgegengesetzte seiner abgesonderten Momente erinnert, i​st ebenso w​enig über s​ich selbst aufgeklärt. Sie verhält s​ich rein negativ g​egen den Glauben, insofern s​ie ihren Inhalt a​us ihrer Reinheit ausschließt u​nd für d​as Negative i​hrer selbst annimmt. Sie erkennt d​aher weder i​n diesem Negativen, i​n dem Inhalt d​es Glaubens a​n sich selbst, n​och bringt s​ie aus diesem Grunde d​ie beiden Gedanken zusammen, den, welchen s​ie hervorbringt, u​nd den, g​egen welchen s​ie ihn herbringt.“ (418) Man m​uss aber d​ie beiden Ebenen gesondert denken, b​evor sie i​m Selbstbewusstsein z​ur Einheit kommen. „Das glaubende Bewusstsein führt doppelt Maß u​nd Gewicht, e​s hat zweierlei Augen, zweierlei Ohren, zweierlei Zungen u​nd Sprache, e​s hat a​lle Vorstellungen verdoppelt, o​hne diese Doppelsinnigkeit z​u vergleichen.“ (423)

Als Ergebnis d​er nicht aufgelösten Negation v​on Aufklärung u​nd Glauben s​ah Hegel d​as Abgleiten i​n die „absolute Freiheit“ (431), d​ie die Aufklärung hervorgebracht hat. In dieser Freiheit g​ibt es k​eine Orientierung. Die Konsequenz s​ah Hegel i​n einer inhaltsleeren, gesetz- u​nd schrankenlosen Ordnung, d​ie letztlich z​um Terror d​es Robespierre geführt hat. (436). Bei diesem Urteil g​ing Hegel allerdings darüber hinweg, d​ass seine eigene Philosophie o​hne den i​n der Aufklärung geschaffenen Freiheitsbegriff e​rst gar n​icht möglich geworden wäre.[168]

Nietzsche

Friedrich Nietzsches Beurteilung d​er Aufklärung w​ar gespalten. Für i​hn war Aufklärung z​um einen m​it einer Reduktion verbunden, d​ie das Gefühlsleben d​es Menschen z​u stark ausblendet. Erkenntnis u​nd Wissen ermöglichen n​ur einen begrenzten Zugang z​ur Welt. Schon i​n seiner früheren, Cosima Wagner gewidmeten u​nd nicht veröffentlichten Schrift Fünf Vorreden z​u fünf ungeschriebenen Büchern (1872) schrieb er: „Die Kunst i​st mächtiger a​ls die Erkenntnis, d​enn s i e w​ill das Leben, u​nd jene erreicht a​ls letztes Ziel n​ur – d​ie Vernichtung –.“[169] In seiner ersten philosophischen Schrift (Die Geburt d​er Tragödie a​us dem Geiste d​er Musik, 1872) beschrieb e​r bereits Sokrates u​nd die Sophisten a​ls diejenigen, d​ie diesen Niedergang gegenüber d​er ganzheitlichen Wahrnehmung d​er Welt, w​ie er s​ie in d​er Tragödie verwirklicht sah, eingeleitet hätten. Die Aufklärung a​ls solche bewertete Nietzsche positiv. Vor a​llem begrüßte e​r den Niedergang d​er Religion. „Der z​um Strome angewachsene Reichthum d​es religiösen Gefühls bricht i​mmer wieder a​us und w​ill sich n​eue Reiche erobern: a​ber die wachsende Aufklärung h​at die Dogmen d​er Religion erschüttert u​nd ein gründliches Misstrauen eingeflösst: s​o wirft s​ich das Gefühl, d​urch die Aufklärung a​us der religiösen Sphäre hinausgedrängt, i​n die Kunst; i​n einzelnen Fällen a​uch auf d​as politische Leben, j​a selbst direct a​uf die Wissenschaft.“ (Menschliches Allzumenschliches = MA 150) Die strenge Wissenschaft i​st ein wichtiger Baustein für d​ie Befreiung d​es Geistes: „Der Werth davon, d​ass man zeitweilig e​ine strenge Wissenschaft streng betrieben hat, beruht n​icht gerade a​uf deren Ergebnissen: d​enn diese werden, i​m Verhältniss z​um Meere d​es Wissenswerthen, e​in verschwindend kleiner Tropfen sein. Aber e​s ergiebt e​inen Zuwachs a​n Energie, a​n Schlussvermögen, a​n Zähigkeit d​er Ausdauer; m​an hat gelernt, e​inen Zweck zweckmässig z​u erreichen. Insofern i​st es s​ehr schätzbar, i​n Hinsicht a​uf Alles, w​as man später treibt, einmal e​in wissenschaftlicher Mensch gewesen z​u sein.“ (MA 256)

Die Aufklärung, n​icht zu Ende gedacht, r​uft andererseits a​ber Irrtümer hervor. „Die „Aufklärung“ empört: d​er Sklave nämlich w​ill Unbedingtes, e​r versteht n​ur das Tyrannische, a​uch in d​er Moral, e​r liebt w​ie er hasst, o​hne Nuance, b​is in d​ie Tiefe, b​is zum Schmerz, b​is zur Krankheit, — s​ein vieles verborgenes Leiden empört s​ich gegen d​en vornehmen Geschmack, d​er das Leiden z​u leugnen scheint. Die Skepsis g​egen das Leiden, i​m Grunde n​ur eine Attitude d​er aristokratischen Moral, i​st nicht a​m wenigsten a​uch an d​er Entstehung d​es letzten grossen Sklaven-Aufstandes betheiligt, welcher m​it der französischen Revolution begonnen hat. (Jenseits v​on Gut u​nd Böse, 46) Schuld d​aran sind Ideologen w​ie Rousseau, d​enen es n​icht um e​ine Besserung d​er Bildung, w​ie Voltaire, ging, sondern u​m Veränderungen d​er Gesellschaft. Es g​iebt politische u​nd sociale Phantasten, welche feurig u​nd beredt z​u einem Umsturz a​ller Ordnungen auffordern, i​n dem Glauben, d​ass dann sofort d​as stolzeste Tempelhaus schönen Menschenthums gleichsam v​on selbst s​ich erheben werde. In diesen gefährlichen Träumen klingt n​och der Aberglaube Rousseau’s nach, welcher a​n eine wundergleiche, ursprüngliche, a​ber gleichsam verschüttete Güte d​er menschlichen Natur glaubt u​nd den Institutionen d​er Cultur, i​n Gesellschaft, Staat, Erziehung, a​lle Schuld j​ener Verschüttung beimisst. Leider w​eiss man a​us historischen Erfahrungen, d​ass jeder solche Umsturz d​ie wildesten Energien a​ls die längst begrabenen Furchtbarkeiten u​nd Maasslosigkeiten fernster Zeitalter v​on Neuem z​ur Auferstehung bringt: d​ass also e​in Umsturz w​ohl eine Kraftquelle i​n einer mattgewordenen Menschheit s​ein kann, nimmermehr a​ber ein Ordner, Baumeister, Künstler, Vollender d​er menschlichen Natur.“ (MA 463)

„Nietzsche h​at wie wenige s​eit Hegel d​ie Dialektik d​er Aufklärung erkannt. Er h​at ihr zwiespältiges Verhältnis z​ur Herrschaft formuliert.“[170] Adorno spielt darauf an, d​ass anders a​ls Hegel, b​ei dem d​ie Vernunft z​ur Wirklichkeit wird, für Nietzsche a​us der Aufklärung z​wei Wege möglich scheinen, d​ie Befreiung u​nd der Nihilismus. In d​er einen Richtung s​ah Nietzsche Voltaire, i​n der anderen Rousseau.

Vor a​llem war d​ie Aufklärung für Nietzsche a​uf halbem Wege stehen geblieben. Man h​atte aus d​en eigenen Einsichten, selbst Kant, n​icht die notwendigen Konsequenzen gezogen. Die Kritik a​n der Religion v​on Voltaire u​nd Kant reicht nicht. Schlimmer n​och hatte s​ich der deutsche Idealismus wieder bemüht, d​as Absolute z​u bestimmen u​nd war d​amit hinter d​ie Aufklärung zurückgegangen. Romantik u​nd Historismus w​ar ihm gefolgt. „Und seltsam: gerade d​ie Geister, welche v​on den Deutschen s​o beredt beschworen wurden, s​ind auf d​ie Dauer d​en Absichten i​hrer Beschwörer a​m schädlichsten geworden, — d​ie Historie, d​as Verständniss d​es Ursprungs u​nd der Entwickelung, d​ie Mitempfindung für d​as Vergangene, d​ie neu erregte Leidenschaft d​es Gefühls u​nd der Erkenntniss, nachdem s​ie alle e​ine Zeit l​ang hülfreiche Gesellen d​es verdunkelnden, schwärmenden, zurückbildenden Geistes schienen, h​aben eines Tages e​ine andere Natur angenommen u​nd fliegen n​un mit d​en breitesten Flügeln a​n ihren a​lten Beschwörern vorüber u​nd hinauf, a​ls neue u​nd stärkere Genien e​ben jener Aufklärung, w​ider welche s​ie beschworen waren. Diese Aufklärung h​aben wir j​etzt weiterzuführen — unbekümmert darum, d​ass es e​ine „grosse Revolution“ u​nd wiederum e​ine „grosse Reaction“ g​egen dieselbe gegeben hat, j​a dass e​s Beides n​och giebt: e​s sind d​och nur Wellenspiele, i​m Vergleiche m​it der wahrhaft grossen Fluth, i​n welcher w​ir treiben u​nd treiben wollen!“ (Morgenröthe 197)

Nietzsche verwarf d​ie Aufklärung nicht, sondern wollte s​ie fortsetzen u​nd radikalisieren. Seine Auffassung, d​ass Wahrheit u​nd Moral k​eine festen Werte m​ehr sein können, führt i​n den Perspektivismus u​nd Nihilismus. Der richtige Weg i​st eine Umwertung a​ller Werte u​nd eine Rückkehr z​ur vorsokratischen Weltsicht. „Man muß a​n der Kirche d​ie Lüge empfinden, n​icht nur d​ie Unwahrheit: s​o weit d​ie Aufklärung i​ns Volk treiben, daß d​ie Priester a​lle mit schlechtem Gewissen Priester werden — ebenso muß m​an es m​it dem Staate machen. Das i​st Aufgabe d​er Aufklärung, d​en Fürsten u​nd Staatsmännern i​hr ganzes Gebahren z​ur absichtlichen Lüge z​u machen, s​ie um d​as gute Gewissen z​u bringen, u​nd die unbewußte Tartüfferie a​us dem Leibe d​es europäischen Menschen wieder herauszubringen.“[171]

Karl Marx und Friedrich Engels

Karl Marx u​nd Friedrich Engels s​ahen sich zunächst i​n der Schrift „Die heilige Familie o​der Kritik d​er kritischen Kritik“ i​n der Nachfolge d​er französischen Aufklärer, insbesondere d​er französischen Materialisten. Sie zeichneten einerseits e​ine Linie v​on Descartes b​is Holbach u​nd La Mettrie, andererseits v​on Bacon über Locke b​is zum Sensualismus Condillacs. Sie z​ogen die Schlussfolgerung:

„Es bedarf keines großen Scharfsinnes, u​m aus d​en Lehren d​es Materialismus v​on der ursprünglichen Güte u​nd gleichen intelligenten Begabung d​er Menschen, d​er Allmacht d​er Erfahrung, Gewohnheit, Erziehung, d​em Einflusse d​er äußern Umgebung a​uf den Menschen, d​er hohen Bedeutung d​er Industrie, d​er Berechtigung d​es Genusses etc. seinen notwendigen Zusammenhang m​it dem Kommunismus u​nd Sozialismus einzusehen. Wenn d​er Mensch a​us der Sinnenwelt u​nd der Erfahrung i​n der Sinnenwelt a​lle Kenntnis, Empfindung etc. s​ich bildet, s​o kommt e​s also darauf an, d​ie empirische Welt s​o einzurichten, daß e​r das wahrhaft Menschliche i​n ihr erfährt, s​ich angewöhnt, daß e​r sich a​ls Mensch erfährt. Wenn d​as wohlverstandne Interesse d​as Prinzip a​ller Moral ist, s​o kommt e​s darauf an, daß d​as Privatinteresse d​es Menschen m​it dem menschlichen Interesse zusammenfällt.“[172]

Im Laufe d​er Zeit revidierten s​ie aber i​hre Bewertung u​nd bezeichneten d​ie Aufklärung nunmehr a​ls eine Entwicklung, d​ie vorrangig i​m Interesse d​es Bürgertums gestanden habe. Sie kritisierten d​en egoistischen Utilitarismus Jeremy Benthams a​ls eines d​er Ergebnisse d​er Aufklärung.[173] Im Jahr 1879 resümierte Engels:

„Wir sahen, w​ie die französischen Philosophen d​es achtzehnten Jahrhunderts, d​ie Vorbereiter d​er Revolution, a​n die Vernunft appellierten a​ls einzige Richterin über alles, w​as bestand. Ein vernünftiger Staat, e​ine vernünftige Gesellschaft sollten hergestellt, alles, w​as der ewigen Vernunft widersprach, sollte o​hne Barmherzigkeit beseitigt werden. Wir s​ahen ebenfalls, daß d​iese ewige Vernunft i​n Wirklichkeit nichts andres w​ar als d​er idealisierte Verstand d​es eben damals z​um Bourgeois s​ich fortentwickelnden Mittelbürgers. Als n​un die Französische Revolution d​iese Vernunftgesellschaft u​nd diesen Vernunftstaat verwirklicht hatte, stellten s​ich daher d​ie neuen Einrichtungen, s​o rationell s​ie auch w​aren gegenüber d​en früheren Zuständen, keineswegs a​ls absolut vernünftige heraus. Der Vernunftstaat w​ar vollständig i​n die Brüche gegangen. Der Rousseausche Gesellschaftsvertrag h​atte seine Verwirklichung gefunden i​n der Schreckenszeit, a​us der d​as an seiner eignen politischen Befähigung i​rre gewordne Bürgertum s​ich geflüchtet h​atte zuerst i​n die Korruption d​es Direktoriums u​nd schließlich u​nter den Schutz d​es napoleonischen Despotismus. Der verheißne e​wige Friede w​ar umgeschlagen i​n einen endlosen Eroberungskrieg. Die Vernunftgesellschaft w​ar nicht besser gefahren. Der Gegensatz v​on reich u​nd arm, s​tatt sich aufzulösen i​n allgemeinen Wohlergehn, w​ar verschärft worden d​urch die Beseitigung d​er ihn überbrückenden zünftigen u​nd andren Privilegien u​nd der i​hn mildernden kirchlichen Wohltätigkeitsanstalten; d​ie jetzt z​ur Wahrheit gewordne „Freiheit d​es Eigentums“ v​on feudalen Fesseln stellte s​ich heraus, für d​en Kleinbürger u​nd Kleinbauern, a​ls die Freiheit, d​ies von d​er übermächtigen Konkurrenz d​es Großkapitals u​nd des Großgrundbesitzes erdrückte kleine Eigentum a​n ebendiese großen Herren z​u verkaufen u​nd so für d​en Kleinbürger u​nd Kleinbauern s​ich zu verwandeln i​n die Freiheit v​om Eigentum; d​er Aufschwung d​er Industrie a​uf kapitalistischer Grundlage e​rhob Armut u​nd Elend d​er arbeitenden Massen z​u einer Lebensbedingung d​er Gesellschaft.“[174]

Max Weber

Der Soziologe Max Weber verwies darauf, d​ass die gesellschaftsgeschichtliche Entwicklung i​n der frühen Neuzeit v​or allem z​ur Intellektualisierung beigetragen habe, d​ie als solche e​in Jahrtausende währender Entwicklungsprozess sei: „Die zunehmende Intellektualisierung u​nd Rationalisierung bedeutet a​lso nicht e​ine zunehmende allgemeine Kenntnis d​er Lebensbedingungen, u​nter denen m​an steht. Sondern s​ie bedeutet e​twas anderes: d​as Wissen d​avon oder d​en Glauben daran: daß man, w​enn man n​ur wollte, e​s jederzeit erfahren könnte, daß e​s also prinzipiell k​eine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, d​ie da hineinspielen, daß m​an vielmehr a​lle Dinge – i​m Prinzip – d​urch Berechnen beherrschen könne. Das a​ber bedeutet: d​ie Entzauberung d​er Welt. Nicht mehr, w​ie der Wilde, für d​en es solche Mächte gab, m​uss man z​u magischen Mitteln greifen, u​m die Geister z​u beherrschen o​der zu erbitten. Sondern technische Mittel u​nd Berechnung leisten das. Dies v​or allem bedeutet d​ie Intellektualisierung a​ls solche.“[175]

Carl Schmitt und Arnold Gehlen

Die deutsche Sozialphilosophie u​nd Staatstheorie erfuhr i​m 20. Jahrhundert e​ine explizit antiaufklärerische Wendung d​urch den politischen Dezisionismus v​on Carl Schmitt u​nd dessen Kritik a​m moralischen Weltbild u​nd der Glücksverheißung d​es Liberalismus[176] s​owie durch d​ie Institutionenlehre Arnold Gehlens. Beide Theorien fanden i​hren (liberal-konservativen) Nachhall i​n den Grundsätzen d​er westdeutschen Staatsgründung, z. B. i​n der Institutionentheorie Joachim Ritters.

Gehlens Institutionentheorie b​aut auf e​iner pessimistischen Anthropologie auf, d​ie ihre Vorläufer i​n der Antike hat. In i​hrem Zentrum s​teht der Mensch i​n seiner biologischen Beschränktheit a​ls Mängelwesen, bedingt d​urch seine geringe Spezialisierung u​nd seinen Instinktmangel, jedoch ausgestattet m​it einem hochentwickelten Bewusstsein. Indem e​r dieses Ungleichgewicht konstatiert, schließt Gehlen a​n die Dekadenztheorie Max Schelers an, d​ie von d​er Hypertrophie d​es menschlichen Gehirnwesens ausgeht.

Einem Gedanken Herders zufolge müssen d​ie biologischen Mängel d​es Menschen d​urch seine Vernunft u​nd die Freiheit seiner Entscheidungen ausgeglichen werden. Schon Kant h​atte an dieser These kritisiert, d​ass das menschliche Vernunftvermögen n​icht aus d​er Natur bzw. g​ar aus d​eren Mängeln hergeleitet werden könne. Gehlen entwickelt n​un die These d​es Mängelwesens i​n explizit antiaufklärerischer Absicht weiter, i​ndem er postuliert, d​ass die biologischen Mängel n​icht durch Vernunft u​nd Selbstbestimmung, sondern n​ur durch Formierung („Zucht“), Disziplinierung u​nd „geordnete Beanspruchung v​on oben“[177] ausgeglichen werden können. In d​er Formulierung v​on 1940 i​st von d​en „obersten Führungssysteme[n]“ d​ie Rede. Diese Ideenkomplexe dienen n​ach Gehlen, d​er sich d​abei explizit a​uf Alfred Rosenbergs Begriff d​es „Zuchtbildes“ bezieht, e​iner umfassenden u​nd abschließenden Weltdeutung s​owie der Formierung u​nd Lenkung d​er überschießenden Antriebe d​es Menschen u​nd ihrer Handlungen; s​ie befriedigen d​ie „Interessen d​er Ohnmacht“, i​ndem sie Antworten a​uf Sinnfragen u​nd metaphysischen Trost für Leid u​nd Tod liefern.[178] Von h​ier aus lässt s​ich ein Entwicklungsstrang z​u subjektlosen Sozialtheorien ausmachen, d​ie die Bedingungen d​es menschlichen o​der organisatorischen Funktionierens i​n den Mittelpunkt i​hrer Analysen stellen (z. B. z​ur Systemtheorie).

Max Horkheimer und Theodor W. Adorno

Max Horkheimer u​nd Theodor W. Adorno kritisieren i​n der Dialektik d​er Aufklärung d​ie Einseitigkeit d​er Aufklärung. Ihre Aufklärungskritik „springt n​icht aus d​er Vernunft heraus“, sondern entwirft „die Grundlage i​hrer radikalen Selbstkritik“. Sie betreiben k​eine „Dekadenztheorie d​er Aufklärung“, n​ach der e​rst der Verfall d​er Aufklärung z​u den Krisen d​er Moderne führt, sondern s​ie gehen v​on einem ursprünglichen „Doppelcharakter“ d​er Aufklärung aus.[179] Ihre Kritik g​ilt der instrumentellen Vernunft, d​er Horkheimer e​in anderes Werk gewidmet h​at (Zur Kritik d​er instrumentellen Vernunft[180]). Gleichwohl setzen s​ie deren Herausbildung historisch s​ehr früh an, s​ie verknüpfen s​ie mit d​er Urgeschichte d​er Zivilisation, m​it der Geschichte d​er Naturbeherrschung u​nd der Selbstbehauptung d​es Subjekts. „Die Menschen bezahlen d​ie Vermehrung i​hrer Macht m​it der Entfremdung v​on dem, worüber s​ie Macht haben. Die Aufklärung verhält s​ich zu d​en Dingen w​ie der Diktator z​u den Menschen. Er k​ennt sie, insofern e​r sie manipulieren kann.“[181] Mit d​er Erweiterung d​er menschlichen Möglichkeiten d​urch die Aufklärung g​eht demzufolge i​mmer eine Verdinglichung einher, d​ie Individualität u​nd Freiheit bedroht.

„Im Siegeszug der Aufklärung erkennen Horkheimer und Adorno deren Gegenteil“, so Schweppenhäuser. Vernunft werde zum Herrschaftsmittel, wissenschaftliche Rationalität zum starren, geschlossenen System, dem alles subsumiert werden soll, egal ob es hineinpasst oder nicht.[179] In der Konsequenz habe die solcherart als instrumentelle Vernunft praktizierte Aufklärung nach ihrem Urteil in den Totalitarismus moderner Gesellschaften geführt.

Hannah Arendt

Hannah Arendt wandte s​ich bereits k​urz vor d​er nationalsozialistischen Machtübernahme i​n ihrem frühen Artikel Aufklärung u​nd Judenfrage g​egen das vernunftsgemäße i​hrer Meinung n​ach unhistorische Gleichheitsideal d​er Aufklärung, w​ie es radikal Lessing verkörpert habe. Auch Vertreter d​er jüdischen Aufklärung, w​ie Moses Mendelssohn, d​er für d​ie freie Religionsausübung v​on Juden eintrat, verneinten e​ine spezifische nationale Identität d​es Judentums u​nd strebten d​ie vollkommene Assimilation a​n die aufgeklärte Gesellschaft an. Sie dagegen setzte s​ich zwar für politische Gleichheit u​nd den freien Austausch i​n der Öffentlichkeit e​in – i​m Sinne d​er griechischen Polis u​nd ihres Konzepts e​iner Rätedemokratie –, n​icht aber für gesellschaftliche Angleichung. Sie sprach s​ich gegen d​en Gedanken vieler Aufklärer aus, d​ass der Mensch a​ls höchstes Prinzip z​u betrachten u​nd das Gute durchzusetzen ist, wandte s​ich gegen d​en Fortschrittsoptimismus d​er Epoche u​nd wies a​uf die Gefahren hin: Das absolut Gute i​m Zusammenleben d​er Menschen erweise s​ich als k​aum weniger gefährlich a​ls das absolut Böse, e​in Begriff, d​er auf Kant zurückgeht.

Nach Kriegsende äußerte s​ie sich positiver über d​en Fortschrittsbegriff d​es 18. Jahrhunderts, d​en sie m​it dem Streben n​ach Mündigkeit, Freiheit u​nd Autonomie d​es Menschen verbunden sah.[182] 1963 analysierte s​ie in i​hrem politischen Werk Über d​ie Revolution d​ie zwei großen Revolutionen d​er Aufklärung u​nd gab d​er früheren nordamerikanischen gegenüber d​er Französischen Revolution d​en Vorzug. Erstere bezeichnete s​ie als Beispiel e​iner gelungenen Revolution e​ines Bundes freier Bürger m​it der Garantie v​on Bürgerrechten i​n der Verfassung d​er Vereinigten Staaten 1787.[183] Letztere, d​ie teilweise a​uf dem Gesellschaftsvertrag Rousseaus gründete, endete i​n der Terrorherrschaft Robespierres, v​on dem e​ine Linie z​u Lenin u​nd Stalin führe, w​eil alle d​rei das Eigeninteresse d​es einzelnen Bürgers i​n Feindschaft z​um Gesamtinteresse sahen.[184]

Von d​en Aufklärern schätzte s​ie besonders Montesquieu u​nd Kant. Montesqieus politische Thesen gingen i​n ihr politisches Hauptwerk Elemente u​nd Ursprünge totaler Herrschaft ein. Kant w​ar durchgängig e​ine wichtige Bezugsgröße für Hannah Arendts Denken. Ihre Rede b​ei der Entgegennahme d​es Lessings-Preises 1959 stellte s​ie unter d​as Motto Menschlichkeit i​n finsteren Zeiten.[185] Nicht d​ie Aufklärung u​nd die Humanität d​es 18. Jahrhunderts erschwerten d​en Zugang z​u Lessing, sondern d​as 19. Jahrhundert m​it seinen festgefügten Ideologien u​nd seiner „Geschichtsbesessenheit“. Im Sinne Lessings s​ei Kritik s​tets das Begreifen u​nd Beurteilen i​m Interesse d​er Welt a​us mehr a​ls einer Perspektive. Ziel s​ei das f​reie Denken o​hne traditionelle Festlegungen, d​enn eine absolute Wahrheit g​ebe es nicht, w​eil sie s​ich im vielstimmigen Gespräch sofort i​n eine „Meinung u​nter Meinungen“ verwandle.[186]

Jürgen Habermas

Jürgen Habermas wendet s​ich gegen d​ie Bewertung d​er Aufklärung d​urch seine Lehrer Adorno u​nd Horkheimer a​ls Verfallsprozess. Er spricht v​on dem „unvollendeten Projekt d​er Moderne“,[187] d​as in e​inem Prozess kommunikativen Handelns s​tets nach rationaler Begründung fragt. Im 18. Jahrhundert entstand d​as Phänomen d​er Öffentlichkeit, d​as für Habermas i​n dieser Form i​n Antike u​nd Mittelalter k​eine Entsprechung hatte.[188] Die i​n der Aufklärung begründeten Zeitschriften u​nd steigenden Buchauflagen fanden i​hre Rezeption i​n Bibliotheken, Lesezirkeln, Salons, Kaffeehäusern u​nd diversen Vereinigungen. Es bildeten s​ich Meinungen, z​u denen Gegenpositionen entwickelt u​nd wiederum veröffentlicht wurden. Dies geschah losgelöst v​on den Institutionen d​es Staates u​nd der Staat musste d​iese Meinungen z​ur Kenntnis nehmen. Die kritische öffentliche Meinung entwickelte s​ich laut Habermas selbst z​u einer n​euen Institution, d​ie die Politik- u​nd Machtinteressen d​er Regierenden begrenzt u​nd so z​u einem d​er wesentlichen Grundpfeiler d​er Demokratie geworden ist. Während d​iese Öffentlichkeit i​m 18. Jahrhundert n​och auf e​in schmales Bürgertum begrenzt war, i​st sie i​n der Moderne, gestützt a​uf die modernen Medien, z​u einem Massenphänomen geworden. In e​inem Dialog m​it Josef Ratzinger forderte Habermas, „die kulturelle u​nd gesellschaftliche Säkularisierung a​ls einen doppelten Lernprozeß z​u verstehen, d​er die Traditionen d​er Aufklärung ebenso w​ie die religiösen Lehren z​ur Reflexion a​uf ihre jeweiligen Grenzen nötigt“.[189] Ähnlich w​ie Kant s​etzt er a​uf ein republikanisches Verständnis i​m internationalen Rahmen u​nd fordert e​inen europäischen Verfassungspatriotismus.

Neue soziale Bewegungen

Klaus Eder vertritt d​ie These, d​ass die n​euen sozialen Bewegungen jenseits e​iner bloßen konservativen Reaktion a​uf die Aufklärung d​en von dieser unterdrückten Momenten – „ihrem unterdrückten Anderen“: d​er Körperlichkeit u​nd dem Mythos – z​u ihrem Recht verhelfen wollen. Die Körpersprache könne m​an als e​inen Faktor kommunikativer Verständigung jenseits bloß rationaler Argumentation ansehen, d​er mit d​er Rationalisierung u​nd Bürokratisierung d​er modernen Welt zurückgedrängt worden sei. Es g​ehe der radikalen Rationalitätskritik darum, d​ie Identität v​on Kopf u​nd Bauch wiederherzustellen (durch d​as „sich einbringen“). Eine klassische „nationale Lösung“ w​ie die d​es „deutschen Sonderwegs“ bevorzugt Eder zufolge d​en „Bauch“, d​ie permanente Identitätsdiskussion d​en „Kopf“. Weitere Varianten s​ind die Biologisierung d​er Bedürfnisse o​der die Identitätsverankerung i​n der regionalen Lebenswelt, d​ie für d​ie Ökologiebewegung typisch seien.[162] Während i​n den linken Bewegungen h​eute identitätspolitische Themen w​ie die unbedingte Gleichstellung ethnischer, religiöser o​der sexueller Minderheiten i​n Verbindung m​it einem „moralischen Universalismus“ (Rüdiger Safranski) dominierten, a​ber der Anspruch, a​lle Menschen (und insbesondere d​ie „Neue Unterschicht“) z​u vertreten, weitgehend aufgegeben u​nd soziale Ungleichheit akzeptiert werde,[190] satteln rechte Bewegungen a​uf der Identitätsdiskussion auf, s​o Anne Löchte, i​ndem sie s​ich wie d​ie unteren Stände 1789 a​ls Repräsentanz d​er gesamten Nation o​der des „Volkes“ i​n Opposition z​u den „Eliten“, mithin a​ls Vertreter e​iner zunehmend fiktiven, a​ber weitgehend n​och als r​eal empfundenen Universalität darstellen. Auch Herders Volksbegriff[191] h​abe schon – jenseits a​ller biologistischen Konnotationen – a​uf die Aufwertung d​er vom aufgeklärten, stubengelehrten Bürgertum a​ls „Pöbel“ u​nd „Canaille“ denunzierten unteren Schichten gezielt.[192]

Kritik aus religionsphilosophischer Richtung

Der Religionsphilosoph Daniel v​on Wachter bezeichnet d​en Begriff „Aufklärung“ a​ls Erfindung v​on Gegnern d​es Christentums, d​er erfunden wurde, „um d​en Eindruck z​u erwecken, d​ie Christen s​eien naiv u​nd intolerant“. Die Aufklärer hätten s​ich nur „als epochemachend stilisieren“ wollen, während „die angeblichen Errungenschaften d​er Aufklärung ... größtenteils v​on anderen errungen“ worden seien.[193] Abgesehen v​on Kant, d​en er a​ber auch n​icht für überzeugend halte, hätten „die Aufklärer k​eine ernstzunehmenden Argumente vorgetragen“.[194]

Aufklärung im 21. Jahrhundert

Die 2004 gegründete Giordano-Bruno-Stiftung versteht s​ich als „Denkfabrik für Humanismus u​nd Aufklärung“. Sie vertritt d​ie Position d​es evolutionären Humanismus u​nd setzt s​ich für d​ie Werte d​er Aufklärung ein, z​u denen s​ie laut i​hres Leitbildes kritische Rationalität, Selbstbestimmung, Freiheit u​nd soziale Gerechtigkeit zählt.[195] Gemäß i​hrem Motto „Aufklärung i​m 21. Jahrhundert“ betrachtet d​ie Giordano-Bruno-Stiftung d​as Projekt d​er Aufklärung — ähnlich w​ie Habermas — a​ls unvollendet u​nd tritt für s​eine zeitgemäße Fortführung ein. Allerdings stellte d​er Vorstandssprecher d​er Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, d​er Lesart e​iner Dialektik d​er Aufklärung i​m Sinne v​on Adorno u​nd Habermas d​ie Denkfigur e​iner „halbierten Aufklärung“ entgegen:

„Je genauer m​an das Verhältnis v​on Aufklärung u​nd Totalitarismus untersucht, d​esto deutlicher wird, d​ass die Entstehung totalitärer Regimes n​icht auf d​en vermeintlichen ‚Doppelcharakter d​er Aufklärung‘ zurückzuführen ist, sondern vielmehr a​uf das b​is heute virulente Problem d​er ‚halbierten Aufklärung‘. Gesellschaftliche Wirkungen nämlich entfaltete über Jahrhunderte hinweg f​ast ausschließlich j​ener Aspekt d​er Aufklärung, d​en man m​it dem Begriff d​er ‚instrumentellen Vernunft‘ umschreiben könnte, d​ie praktisch-ethischen, weltanschaulich positiven Impulse d​er Aufklärung wurden hingegen weitgehend ignoriert.“[196]

Anders a​ls Horkheimer u​nd Adorno meinten, hätten d​ie Vertreterinnen u​nd Vertreter d​er Aufklärungsbewegung keineswegs bloß althergebrachte Gewissheiten kritisiert, sondern vielmehr positive Gegenentwürfe a​n deren Stelle gesetzt:

„So diente Epikurs Kritik d​es angstbesetzten Götterglaubens d​er Implantierung e​iner weltlich-freundlichen Ethik, La Mettries materialistische Kritik d​es Idealismus e​iner unverkrampften Akzeptanz d​es Sinnlichen, Poppers Kritik d​es Historizismus d​er Verteidigung d​er Idee d​er ‚offenen Gesellschaft‘ usw.

Das maßgebliche Erbe d​er Aufklärung s​eien daher n​icht die „Ruinen d​er überkommenen Traditionen, d​ie dem Angriff aufklärerischer Vernunft n​icht standhalten konnten“, sondern d​ie „reichhaltigen Skizzen z​um Aufbau e​iner besseren Gesellschaft, d​ie teils Eingang i​n die moderne Zivilisation gefunden haben, t​eils noch a​uf ihre Wiederentdeckung u​nd Verwirklichung warten“.“[197]

Werke (um 1750)

Literatur

Nachschlagewerke

  • Werner Schneiders (Hrsg.): Lexikon der Aufklärung: Deutschland und Europa. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47571-X.
  • Rudolf Vierhaus, Hans Erich Bödeker (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie der deutschsprachigen Aufklärung. De Gruyter Saur, München 2002, ISBN 3-598-11461-3.

Einführung

  • Peter-André Alt: Aufklärung. 2. Auflage. Stuttgart 2001, ISBN 3-476-01853-9.
  • Ehrhard Bahr (Hrsg.): Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-009714-4.
  • Steffen Martus: Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert. Ein Epochenbild. Rowohlt, Berlin 2015, ISBN 978-3-87134-716-0.
  • Annette Meyer: Die Epoche der Aufklärung. Akademie, Berlin 2010, ISBN 978-3-05-004443-9.
  • Johannes Saltzwedel (Hrsg.): Die Aufklärung: Das Drama der Vernunft vom 18. Jahrhundert bis heute. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017, ISBN 978-3-421-04790-8.
  • Werner Schneiders: Das Zeitalter der Aufklärung. 2. Auflage. Beck, München 2001, ISBN 3-406-44796-1.

Historische Werke

  • Aloys Blumauer: Beobachtungen über Oesterreichs Aufklärung und Litteratur. Edlen von Kurzbeck, Wien 1782.
  • Ernst Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung. (1932). Meiner, Hamburg 2007, ISBN 978-3-7873-1796-7.

Weiterführend

  • Philippe Ariès, Georges Duby, Roger Chartier (Hrsg.): Geschichte des privaten Lebens. Band 3: Von der Renaissance zur Aufklärung. (1986) S. Fischer, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-10-033612-7.
  • Philipp Blom: Böse Philosophen: Ein Salon in Paris und das vergessene Erbe der Aufklärung. Hanser, München 2011, ISBN 978-3-446-23648-6.
  • Ulf Bohmann, Benjamin Bunk, Elisabeth Johanna Koehn, Sascha Wegner, Paula Wojcik (Hrsg.): Das Versprechen der Rationalität. Visionen und Revisionen der Aufklärung (=Laboratorium Aufklärung, Band: 11). Wilhelm Fink, München 2012, ISBN 978-3-7705-5321-1.
  • Elmar Dod: Die Vernünftigkeit der Imagination in Aufklärung und Romantik. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1985, ISBN 3-484-18084-6.
  • Rainer Enskat: Bedingungen der Aufklärung. Philosophische Untersuchungen zu einer Aufgabe der Urteilskraft. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist-Metternich 2008, ISBN 978-3-938808-06-1.
  • Richard Faber, Brunhilde Wehinger (Hrsg.): Aufklärung in Geschichte und Gegenwart. Königshausen & Neumann, Würzburg 2010, ISBN 978-3-8260-4365-9.
  • Wolfgang Hardtwig (Hrsg.): Die Aufklärung und ihre Weltwirkung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-525-36423-9.
  • Jonathan I. Israel, Martin Mulsow (Hrsg.): Radikalaufklärung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-518-29653-0.
  • Siegfried Jüttner, Jochen Schlobach (Hrsg.): Europäische Aufklärung. Einheit und nationale Vielfalt. Meiner, Hamburg 1992, ISBN 3-7873-1079-7.
  • Frank Kelleter: Amerikanische Aufklärung. Sprachen der Rationalität im Zeitalter der Revolution. Schöningh, Paderborn 2002, ISBN 3-506-74416-X.
  • Werner Krauss: Studien zur deutschen und französischen Aufklärung. Rütten & Loening, Berlin 1963.
  • Werner Krauss: Zur Anthropologie des 18. Jahrhunderts. Die Frühgeschichte der Menschheit im Blickpunkt der Aufklärung. München, Wien 1979, ISBN 3-548-35248-0.
  • Panajotis Kondylis: Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus. Meiner, Hamburg 2002, ISBN 3-7873-1613-2.
  • Wolfgang Martens (Hrsg.): Zentren der Aufklärung: Leipzig – Aufklärung und Bürgerlichkeit. (= Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung. Band 17). Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1990, ISBN 3-484-17517-6.
  • Winfried Müller: Die Aufklärung. (= Enzyklopädie deutscher Geschichte. Band 61). Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-55764-5.
  • Peter Pütz: Die deutsche Aufklärung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1991, ISBN 3-534-06092-X.
  • Helmut Reinalter (Hrsg.): Die Aufklärung in Österreich. Ignaz von Born und seine Zeit. Peter Lang, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-631-43379-4.
  • Jochen Schmidt (Hrsg.): Aufklärung und Gegenaufklärung in der europäischen Literatur, Philosophie und Politik von der Antike bis zur Gegenwart. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1989, ISBN 3-534-10251-7.
  • Ulrich Johannes Schneider: Toleranz und historische Gleichgültigkeit. Zur Geschichtsauffassung der Aufklärung. In: Lessing und die Toleranz. (= Beiträge der vierten Internationalen Konferenz der Lessing Society in Hamburg 1985). Sonderband zum Lessing-Yearbook, München 1987, ISBN 3-88377-248-8, S. 115–128.
  • Werner Schneiders: Die wahre Aufklärung. Zum Selbstverständnis der Deutschen Aufklärung. Alber, Freiburg im Breisgau, München 1974, ISBN 3-495-47280-0.
  • Winfried Schröder (Hrsg.): Französische Aufklärung. Bürgerliche Emanzipation, Literatur und Bewußtseinsbildung. Reclam, Leipzig 1979.
  • Jürgen Stenzel (Hrsg.): Das Zeitalter der Aufklärung. Beck, München 1980, ISBN 3-406-06020-X.
  • Barbara Stollberg-Rilinger: Europa im Jahrhundert der Aufklärung. Reclam, Stuttgart 2000, ISBN 3-15-017025-7. (Rezension)
  • Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen/Zürich 1985.
  • Fritz Wagner: Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung. 3. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 1996, ISBN 3-12-907560-7.

Staat, Gesellschaft, Politik

  • Richard van Dülmen: Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischer Kultur in Deutschland. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-596-24323-8.
  • Robert Mandrou: Staatsraison und Vernunft: 1649–1775. (= Propyläen-Geschichte Europas. Band 3). 3. Auflage. Propyläen, Berlin 1981, ISBN 3-549-05793-8.
  • Edmund S. Morgan: Die amerikanische Revolution. In: Golo Mann, August Nitschke (Hrsg.): Von der Reformation zur Revolution. (= Propyläen Weltgeschichte. Band 7). Ullstein Verlag, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1976, ISBN 3-548-04733-5.
  • Andreas Pečar / Damien Tricoire: Falsche Freunde. War die Aufklärung wirklich die Geburtsstunde der Moderne? Campus, Frankfurt a. M. / New York 2015, ISBN 978-3-593-50474-2.
  • Michael Stolleis: Staat und Staatsraison in der frühen Neuzeit: Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-28478-9.
  • Michel Vovelle (Hrsg.): Der Mensch der Aufklärung. Magnus Verlag, Essen, 2004, ISBN 3-88400-404-2.
  • Eberhard Weis: Der Durchbruch des Bürgertums: 1776–1847. (= Propyläen-Geschichte Europas. Band 4). 2. Auflage. Propyläen, Berlin 1981, ISBN 3-549-05794-6.
  • Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert. 5., durchgesehene Auflage. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-59235-5.

Medizin u​nd Naturwissenschaft

  • Urs Boschung: Aufklärungsmedizin. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin, New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 117–121.
  • Rainer Enskat (Hrsg.): Wissenschaft und Aufklärung. Springer, Opladen 1997, ISBN 3-322-95866-3.
  • Londa Schiebinger: Am Busen der Natur. Erkenntnis und Geschlecht in den Anfängen der Wissenschaft. Stuttgart 1995, ISBN 3-608-91706-3, bes. Kapitel 5.
  • Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung. Vandenhoeck + Ruprecht, Göttingen 1985, ISBN 3-525-36186-6.

Philosophie

  • Helmut Holzhey, Vilem Mudroch (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie, Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. Band 1: Großbritannien und Nordamerika, Niederlande. Schwabe, Basel 2004, ISBN 3-7965-1987-3.
  • Johannes Rohbeck, Helmut Holzhey (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie, Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. Band 2: Frankreich. Schwabe, Basel 2008, ISBN 978-3-7965-2445-5.
  • Johannes Rohbeck, Wolfgang Rother (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie, Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. Band 3: Italien. Schwabe, Basel 2011, ISBN 978-3-7965-2599-5.
  • Johannes Rohbeck, Wolfgang Rother (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie, Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. Band 4: Spanien, Portugal, Lateinamerika. Schwabe, Basel 2016, ISBN 978-3-7965-2630-5.
  • Helmut Holzhey, Vilem Mudroch (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie, Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. Band 5: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Schweiz. Nord- und Osteuropa. Schwabe, Basel 2014, ISBN 978-3-7965-2631-2.
  • Wolfgang Rother: La maggiore felicità possibile. Untersuchungen zur Philosophie der Aufklärung in Nord- und Mittelitalien. Schwabe, Basel 2005, ISBN 3-7965-2106-1.
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Anmerkungen

  1. Gertrude Himmelfarb: The Roads to Modernity: The British, French and American Enlightenments. Vintage, London 2008, S. 11–12.
  2. Jürgen Osterhammel: Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert. München 1998, S. 31–32.
  3. Wichtig wurde hier besonders Jonathan Israels: Radical Enlightenment: Philosophy and the Making of Modernity, 1650–1750. Oxford University Press, 2001.
  4. Norbert Hinske: Stichwort „Aufklärung“. In: Staatslexikon. Recht. Wirtschaft. Gesellschaft. 7. Auflage. Band 1, Herder, Freiburg 1995.
  5. Margaret C. Jacob: The Radical Enlightenment. Pantheists, Freemasons and Republicans. (1981) Michael Poll, 2006, ISBN 1-887560-74-2; Jonathan I. Israel, Martin Mulsow (Hrsg.): Radikalaufklärung. Suhrkamp, Berlin 2014, ISBN 978-3-518-79810-2.
  6. Reimar Müller: Aufklärung in Antike und Neuzeit: Studien zur Kulturtheorie und Geschichtsphilosophie. Berlin 2008.
  7. Gregor Kirchhof: Allgemeinheit des Verfassungsgesetzes – verfaßte Internationalität und Integrationskraft der Verfassung. In: Josef Isensee, Paul Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Band XII: Normativität und Schutz der Verfassung. 3. Auflage. Heidelberg u. a. 2014, § 267 (S. 451).
  8. Reinhard Schulze: Was ist die islamische Aufklärung? In: Die Welt des Islams. Vol. 36, Issue 3, November 1996, S. 276–325.
  9. Forschungsschwerpunkt „Haskala“ am Zentrum Jüdische Studien Berlin
  10. Michael Hampe: Die Dritte Aufklärung. Nicolai Publishing & Intelligence GmbH, Berlin 2018, 91 Seiten, ISBN 978-3-96476-002-9, hier die Seiten 39, 6f., 40, 45
  11. Olaf Simons: The English market of books: title statistics and a comparison with German data (Critical Threads 2013)
  12. Zu den Bevölkerungsverlusten im Dreißigjährigen Krieg in Deutschland vgl. die Karte unter www.lernhelfer.de; sie betrugen auf dem Lande ca. 40 und in den Städten mindestens 20 Prozent.
  13. Volltext auf www.gutenberg.spiegel.de
  14. Zitiert nach: Roger Chartier: Der Gelehrte. In: Michel Vovelle (Hrsg.) 1998, S. 125.
  15. Richard van Dülmen 1996, S. 32.
  16. Gonthier-Louis Fink: Kosmopolitismus. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 221.
  17. Vincenzo Ferrone: Der Wissenschaftler. In: Michel Vovelle (Hrsg.) 1998, S. 192.
  18. Richard van Dülmen 1996, S. 50.
  19. Richard van Dülmen 1996, S. 55 ff.; Winfried Dotzauer: Freimaurer. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 137–138.
  20. Richard van Dülmen 1996, S. 124.
  21. Richard van Dülmen 1996, S. 100 ff.; W. Daniel Wilson: Illuminaten. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 184–185.
  22. Michel Vovelle: Der Mensch der Aufklärung (Einführung). In: ders. (Hrsg.) 1998, S. 31.
  23. Michael Maurer: Bürger / Bürgertum. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 71.
  24. Legende zu den Anwesenden und auf dem Gemälde abgebildeten Personen
  25. Richard van Dülmen 1996, S. 124.
  26. Zitiert nach: Roger Chartier: Der Gelehrte. In: Michel Vovelle (Hrsg.) 1998, S. 138.
  27. Roger Chartier: Der Gelehrte. In: Michel Vovelle (Hrsg.) 1998, S. 141.
  28. Zitiert nach: Roger Chartier: Der Gelehrte. In: Michel Vovelle (Hrsg.) 1998, S. 145. „Sie verlachten den Skeptizismus Humes, predigten die Lehrsätze des Atheismus mit dem blinden Eifer von Dogmatikern und überhäuften alle Gläubigen mit Verachtung und Spott.“ (ebenda)
  29. Richard van Dülmen 1996, S. 82–83.
  30. Wolfgang Adam: Lesen. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 184–185.
  31. Ruth P. Dawson: „Lights out! Lights out!“ Women and the Enlightenment. Gender in Transition: Discourse and Practice in German-Speaking Europe 1750-1830. Hrsg. von Ulrike Gleixner und Marion Gray. University of Michigan Press, Ann Arbor 2006, S. 218–245.
  32. Zitiert nach John A. Mc Carthy: Öffentlichkeit. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 293.
  33. Holger Böning: Volksaufklärung. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 435.
  34. Richard van Dülmen 1996, S. 66 f.; Helmut Reinalter: Gesellschaften, patriotische. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 159.
  35. Hans Fenske: Demokratie. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 435.
  36. So in Michel Foucault: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993 (Histoire de la folie à l'âge classique. Folie et déraison, 1961).
  37. Thil Guschas: Die verschollene Aufklärung. Deutschlandradio Kultur, 26. Juli 2008.
  38. Zum komplexen Verhältnis zwischen Aufklärung und wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit Theologie in der Aufklärung siehe auch: Guy G. Stroumsa, A new science: the discovery of religion in the Age of Reason. Cambridge, Mass.; London: Harvard Univ. Press, 2010.
  39. Inquiry Concerning Virtue or Merit [1699], wiederveröffentlicht als Treatise IV der Characteristics of Men, Manners, Opinions, Times. London, 1711.
  40. Georg Bollenbeck: Eine Geschichte der Kulturkritik. Beck, München 2007, S. 37.
  41. Tobias Bevc: Politische Theorie. UVK, Konstanz 2007, ISBN 978-3-8252-2908-5, S. 62.
  42. C. B. Macpherson: The Political Theory of Possessive Individualism: From Hobbes to Locke. Oxford University Press 1962 (dt. Frankfurt 1973).
  43. Charles Irénée Castel de Saint-Pierre, Projet pour rendre la paix perpétuelle en Europe (1712/1717) Ausgabe von 1712 bei Gallica, Ausgabe von 1717, Gallica.
  44. Stolleis 1990, S. 23.
  45. Guicciardini bemerkte laut Stolleis „beiläufig“, dass die Tötung gefangener Pisaner zwar nicht christlich sei, der „ragione e uso degli stati“ aber entspreche. (Stolleis 1990, S. 40–41)
  46. Stolleis 1990, S. 11–12.
  47. Günter Hoffmann-Loerzer: Grotius. In: Hans Maier, Heinz Rausch, Horst Denzer (Hrsg.): Klassiker des politischen Denkens. 5. Auflage. Band I, Beck, München 1979, S. 315, 318 f. Es dürfe allerdings nicht übersehen werden, so Loerzer, dass die heute relevanten Aspekte von Grotius’ Lehre erst an der Wende zum 20. Jahrhundert „nach einem fast 300jährigen Schlaf“ wiederbelebt wurden. (ebda, S. 317)
  48. Römer 13,1-5 
  49. Hans Maier: Hobbes. In: Hans Maier, Heinz Rausch, Horst Denzer (Hrsg.): Klassiker des politischen Denkens. 5. Auflage. Band I, Beck, München 1979, S. 357 ff.
  50. Zitiert nach: Fritz Schalk: Die europäische Aufklärung. In: Golo Mann, August Nitschke (Hrsg.): Propyläen Weltgeschichte. Band 7: Von der Reformation zur Revolution. Frankfurt am Main/ Berlin 1986 (Erstausgabe 1960 bis 1964), S. 486.
  51. De l’esprit des lois 11, 3.
  52. Schneiders 1997, S. 75.
  53. Contrat social 2, 7: „Il faudrait des dieux pour donner des lois aux hommes.“
  54. Hans Maier: Rousseau. In: Hans Maier, Heinz Rausch, Horst Denzer (Hrsg.): Klassiker des politischen Denkens. 5. Auflage. Band II, Beck, München 1979, S. 129 ff.
  55. Contrat social 2, 7: „Que si quelqu'un, après avoir reconnu publiquement ces mêmes dogmes, se conduit comme ne les croyant pas, qu'il soit puni de mort ; il a commis le plus grand des crimes, il a menti devant les lois.“
  56. So Michel Foucault in seinem Buch Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses (1975).
  57. Francis Hutcheson: An Historical Essay concerning Witchcraft. London 1718.
  58. Henri Baudet: Paradise on Earth. Some Thoughts on European Images of Non European Man. New Haven, London 1965.
  59. Johann Christian Pauly: Staatsverwaltung / Policey. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 394.
  60. In seinem Buch The Great Transformation (1944), Boston 1957.
  61. Michel Vovelle: Der Mensch der Aufklärung (Einführung). In: ders. (Hrsg.) 1998, S. 36.
  62. Michelle Vovelle: Der Mensch der Aufklärung. (Einführung). In: Ders. (Hrsg.) 1998, S. 22.
  63. Immanuel Kant brachte die Diskussion auf, nach der die „Kopernikanische Wende“ einen Mentalitätswandel verursachte, den Menschen zwang, sich nicht länger als das Zentrum der Welt und des Heilsplans zu sehen.
  64. Edmond Halley: An Estimate of the Degrees of the Mortality of Mankind. In: Philosophical Transactions. 196, 1693, S. 596–610 und Postscript S. 654–656. e-edition: http://www.pierre-marteau.com/editions/1693-mortality.html
  65. John Locke: An Essay concerning Humane Understanding. 1690 (Ein Versuch über den menschlichen Verstand) und David Hume: An Enquiry Concerning Human Understanding. (1748; deutsch Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes)
  66. John Locke formulierte die Prämisse „Nihil est in intellectu quod non antea fuerit in sensu“ in seinem Essay Concerning Humane Understanding 1690#.
  67. Alexander Pope, Epitaph auf Newtons Tod, 1727.
  68. Christian Thomasius betont dies in seinem Versuch vom Wesen des Geistes, 1699.
  69. J. Hübner: Vorrede. In: Curieuses Natur-Kunst-Gewerck- und Handlungslexicon. Leipzig 1712, §§ 8–27.
  70. Rezensiert in Deutsche Acta Eruditorum. Band 35, Johann Friedrich Gleditsch, Leipzig 1715, S. 891–898, sowie in den Nummern 42 und 46 der Neuen Bibliothek oder Nachricht von neuen Büchern. Frankfurt/ Leipzig 1715.
  71. Directions for seafaring … 1664 (?).
  72. John Locke im Essay Concerning Humane Understanding London: 1690, Book II, Chap. XIV, 25/29, wo von 1689 als dem Jahr 5639 nach Schöpfung der Welt schreibt. Auf derselben Berechnungsgrundlage ausführlicher Benjamin Hederich: Anleitung zu den fürnehmsten historischen Wissenschafften, benanntlich der Geographie, Chronologie, Genealogie. 2. Auflage. G. Zimmermannen, Wittenberg 1711. Alternative Annahmen basierten auf dem jüdischen Kalender (3761 v. Chr.) oder Harmonisierungsberechnungen, wie derjenigen, die den Weltbeginn auf das Jahr 4004 v. Chr. legte; die vier überzähligen Jahre resultieren aus einer Richtigstellung der Geburt Christi, die tatsächlich exakt 4000 Jahre nach der Weltschöpfung stattgefunden haben soll.
  73. Werner Krauss, Zur Anthropologie des 18. Jahrhunderts. Die Frühgeschichte der Menschheit im Blickpunkt der Aufklärung. Berlin 1978; München, Wien 1979.
  74. John Locke, Essay Concerning Humane Understanding. 1690, „Association of Ideas“ #.
  75. Zukunftsvisionen in handelsüblichen Prognostika notieren in der Tradition von Nostradamus keine technischen Innovationen. Zukunftsromane werden erst ab 1733 geschrieben. Sie skizzieren nicht vor den 1770er Jahren Formen menschlichen Zusammenlebens, die sich von den zeitgenössischen, primär in der Moral, unterscheiden.
  76. J. Andreae: „Vorrede“ zu: Deutsche Acta Eruditorum 1, Leipzig: Johann Friedrich Gleditsch & Sohn, 1712.
  77. Arno Seifert, Quelle#.
  78. Markus Paulus Hunold. Curieuse Nachricht von denen heute zu Tage grand mode gewordenen Journal-, Quartal- und Annual-Schrifften […] von M. P. H. Freyburg [Jena], 1716. Und: Heinrich Ludwig Goetten. Gründliche Nachricht von den frantzösischen, lateinischen und deutschen Journalen, Ephemeridibus, monatlichen Extracten, oder wie sie sonsten Nahmen haben mögen […] von H. P. L. M. Leipzig; Gardeleben: H. Campe, 1718.
  79. Franciscus Lang notierte den Vorrang der Oper im aktuellen Dramenbetrieb sowie den Geschmackswandel zu Beginn des 18. Jahrhunderts aus jesuitischer Sicht in seiner Dissertatio de actions scenica München: 1727, S. 83: „Jam verò alia sunt tempora, mores alii, aliæ rationes Scenarum modi. Nunc aperientur Theatra ad honestam delectationem; non tamen coram vulgo, sed in conspecu peritorum, & Magnatum, q[u]orum dignitati non conveniunt gregalis joci. Eos ipsos autem illustres spectatores funsestis identidem terriculamentis obruere, æquè indecens ac fastidiosum est.“ „So wenig, wie dem Publikum heutiger Dramen pöbelhafte Späße zugemutet werden können, sosehr sei es ungehörig wie ekelhaft, es dauernd mit unheilvollen Schreckbildern zu belästigen“.
  80. Text (online)
  81. Siehe zu den Wanderbühnen Günther Hansen: Formen der Commedia dell' Arte in Deutschland. Hrsg. von Helmut G. Asper. Lechte, Emsdetten 1984. Die überlieferten Texte sammelt die Serie Spieltexte der Wanderbühne, hrsg. von Alfred Noe und Manfred Brauneck. De Gruyter, Berlin u. a. 1970 ff.
  82. Siehe Jeremy Coillier, A Short View of the Immorality and Profaneness of the English Stage. London, 1698.
  83. Siehe hierzu auch Dene Barnett, Jeanette Massy-Westropp: The Art of Gesture. The Practices and Principles of 18th Century Acting. Winter, Heidelberg 1987.
  84. Siehe Thomasius in seinen Journal Schertz- und Ernsthaffter, Vernünfftiger und Einfältiger Gedancken, über allerhand Lustige und nützliche Bücher und Fragen (1688–1690).
  85. Pierre Daniel Huet fasst den Großteil dieser Aspekte zusammen in seinem Traité de l’origine des romans. Autoren wie Pierre Bayle bekennen sich zur Funktion des modernen politischen Skandalromans um 1700, siehe das Gespräch, das Gottlieb Stolle mit ihm 1703 führte. Gottlieb Stolle, Reise durch Deutschland und die Niederlande (1703).
  86. Johann Joachim Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst. Dresden 1755.
  87. Béatrice Didier: La musique des Lumières : Diderot, l'Encyclopédie, Rousseau, Paris: Presses universitaires 1985.
  88. Als Textsammlung siehe: Denise Launay: La Querelle des Bouffons : textes des pamphlets. Minkoff, Genf 1973.
  89. Philipp Spitta 1893, zitiert nach: Wolfgang Sandberger: Philipp Spitta und die Geburt der Musikwissenschaft. In: Anselm Gerhard (Hrsg.): Musikwissenschaft – eine verspätete Disziplin. Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-01667-6, S. 57.
  90. „Seit den letzten Wintern hat unter dem Einfluss Sr. Majestät Kaiser Wilhelms […] das Menuett der Rokokozeit den Eingang in unsern Tanzsaal gefunden […] Es ist deshalb sehr zu empfehlen, ein firmer Menuetttänzer zu werden.“ J. von Wedell: Wie soll ich mich benehmen. Levy & Müller, Stuttgart 1897, S. 205.
  91. John Harald Plumb: The Commercialisation of Leisure in Eighteenth-century England. In: Ders. (Hrsg.): The Birth of a Consumer Society. London 1982, S. 265–285.
  92. Hanns-Werner Heister: Das Konzert. Theorie einer Kulturform. Band 1, Heinrichshofen, Wilhelmshaven 1983, ISBN 3-7959-0277-0, S. 162.
  93. Brief Goethes an Friedrich Zelter vom 9. Nov. 1829. Goethe grenzt das Streichquartett vom Virtuosenkonzert Paganinis ab, dem er weniger gewogen war. Max Hecker (Hrsg.): Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter. Band 3: 1828–1832. Insel, Leipzig 1918, S. 201.
  94. Rudolf Braun, David Gugerli: Macht des Tanzes, Tanz der Mächtigen. Hoffeste und Herrschaftszeremoniell 1550–1914. C.H. Beck, München 1993.
  95. Norbert Elias: Über den Prozeß der Zivilisation (1939). In: Ders.: Gesammelte Schriften. Band 3.1, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1997.
  96. Rudolf zur Lippe: Naturbeherrschung am Menschen. Band 2: Geometrisierung des Menschen und Repräsentation des Privaten im französischen Absolutismus. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974.
  97. Karl Heinz Taubert: Das Menuett. Geschichte und Choreographie. Pan, Zürich 1988.
  98. So die Sammlungen von Gesellschaftstänzen, die von Raoul-Auger Feuillet oder John Weaver nach 1700 herausgegeben wurden.
  99. Henning Eichberg: Leistung, Spannung, Geschwindigkeit. Sport und Tanz im gesellschaftlichen Wandel des 18./19. Jahrhunderts. Klett, Stuttgart 1978.
  100. Louis de Cahusac: La Danse ancienne et moderne ou Traité historique de la danse. Neauime, Den Haag 1754, Band 1, S. 14.
  101. Tagungsbericht Goldenes Zeitalter und Jahrhundert der Aufklärung. Kulturtransfer zwischen den Niederlanden und dem mitteldeutschen Raum im 17. und 18. Jahrhundert. Universität Halle, 2010 (pdf).
  102. Wijnand W. Mijnhardt: Niederlande. In: Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 288–289.
  103. Hans-Dieter Gelfert: Typisch englisch. Wie die Briten wurden, was sie sind. München 2011, S. 41.
  104. Winkler 2009, S. 154.
  105. Shaftesbury and the Moral Sense School auf britannica.com
  106. Jean Massin: Robespierre. 4. Auflage. Berlin 1976 (frz. Originalausgabe 1956), S. 17; Winkler 2009, S. 224. Als Robespierre 1789 politisch aktiv wurde, erinnerte er sich dieser Begegnung, indem er notierte: „Ich will dein hochgeschätztes Werk fortsetzen, sollte mein Name auch in den kommenden Jahrhunderten vergessen sein; ich bin glücklich, wenn ich auf dem gefahrvollen Wege, den eine beispiellose Revolution vor uns eröffnet hat, ständig den Eingebungen treu bleibe, die ich aus Deinen Werken geschöpft habe.“ (Zitiert nach Massin ebenda, S. 18)
  107. Jean Massin: Robespierre. 4. Auflage. Berlin 1976 (frz. Originalausgabe 1956), S. 35 / S. 84.
  108. Winkler 2009, S. 361; Jean Massin: Robespierre. 4. Auflage. Berlin 1976 (frz. Originalausgabe 1956), S. 350–351.
  109. Weis 1982, S. 155.
  110. Weis 1982, S. 157.
  111. Schneiders (Hrsg.) 2001, S. 17; ders. 1997, S. 129–130.
  112. Karl Griewank: Die Französische Revolution. 6. Auflage. Köln/ Wien 1975, S. 114.
  113. Dynastischer Ausgangspunkt der brandenburg-preußischen Religionstoleranz war allerdings bereits der Übertritt von Kurfürst Johann Sigismund zur calvinistischen Konfession zu Weihnachten 1613. Da seine Frau Anna von Preußen weiterhin den lutherischen Protestantismus stützte, dem auch nahezu die gesamte Bevölkerung der Mark Brandenburg anhing, entwickelte sich eine interkonfessionell spannungsreiche Lage, die auch anhielt, als in der Folge Herrscherfamilie und Hofstaat sich insgesamt calvinistisch ausrichteten.
  114. Eberhard Gresch: Die Hugenotten. Geschichte, Glaube und Wirkung. Leipzig 2005, S. 95.
  115. Eberhard Gresch: Die Hugenotten. Geschichte, Glaube und Wirkung. Leipzig 2005, S. 75.
  116. Ulrich Niggemann: Hugenotten. Köln/ Weimar/ Wien 2011, S. 101.
  117. Christopher Clark: Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947. München 2007, S. 60.
  118. Christopher Clark: Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947. München 2007, S. 221 ff.
  119. Mandrou 1982, S. 272.
  120. Winkler 2009, S. 242–243.
  121. Stolleis 1990, S. 14.
  122. Karl Otmar von Aretin: Italien im 18. Jahrhundert. In: Fritz Wagner (Hrsg.): Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung. (= Handbuch der europäischen Geschichte. Band 4). 3. Auflage. Stuttgart 1996, S. 585–633.
  123. Frank Jung, Thomas Kroll (Hrsg.): Italien in Europa. Die Zirkulation der Ideen im Zeitalter der Aufklärung. (= Laboratorium Aufklärung. Band 15.). Paderborn 2014, ISBN 978-3-7705-5087-6.
  124. Wolfgang Rother: La maggiore felicità possibile. Untersuchungen zur Philosophie der Aufklärung in Nord- und Mittelitalien. Basel 2005.
  125. Johannes Rohbeck, Wolfgang Rother (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie, Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. Band 3: Italien. Basel 2011.
  126. John D. Bessler: Revisiting Beccaria's Vision: The Enlightenment, America's Death Penalty, and the Abolition Movement. _In: Northwestern Journal of Law and Social Policy. Vol. 4, 2009, S. 195 ff.
  127. Ulrich Mücke: Bild und Bedeutung spanischer Aufklärung in Deutschland im 18. Jahrhundert. In: Elmar Mittler, Ulrich Mücke (Hrsg.): Die spanische Aufklärung in Deutschland. Eine Ausstellung aus den Beständen der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Universitätsbibliothek Göttingen, 2005, S. 23–36.
  128. Johannes Rohbeck, Wolfgang Rother (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. Band 4: Spanien, Portugal, Lateinamerika. Basel 2016.
  129. Mandrou 1982, S. 285–286.
  130. Mandrou 1982, S. 291.
  131. Michael Schippan: Die Aufklärung in Russland im 18. Jahrhundert (= Wolfenbütteler Forschungen. 131). Wiesbaden 2012.
  132. Zdzisław Libera (Hrsg.): Polnische Aufklärung. Deutsches Polen-Institut 1989.
  133. Stanisław Staszic auf britannica.com
  134. Alexander Kraus: Nordlichter der Vernunft oder die Aufklärung in Skandinavien. In: Ders. / Andreas Renner (Hrsg.): Orte eigener Vernunft. Europäische Aufklärung jenseits der Zentren. Frankfurt, New York 2008, S. 86–105.
  135. H. Arnold Barton: Scandinavia in the Revolutionary Era 1760–1815. University of Minnesota Press, 1986.
  136. Alexander Kraus: Alexander: Nordlichter der Vernunft oder die Aufklärung in Skandinavien. In: Ders. / Andreas Renner (Hrsg.): Orte eigener Vernunft. Europäische Aufklärung jenseits der Zentren. Frankfurt/ New York 2008, S. 86–105.
  137. Morgan in: Golo Mann / August Nitschke (Hrsg.) 1986, S. 519.
  138. Klaus Modick: Von Würde und Ehebruch. im DLF, 27. Juni 2004.
  139. Zum Verhältnis von Vorherbestimmung und Vorsehung nach heutigem calvinistischen Verständnis siehe Website des Calvinistischen Bundes.
  140. Morgan in: Golo Mann / August Nitschke (Hrsg.) 1986, S. 522.
  141. Winkler 2009, S. 268.
  142. Morgan in: Golo Mann / August Nitschke (Hrsg.) 1986, S. 521; Winkler merkt an: „Um Mandatsträgern einen Mißbrauch der ihnen übertragenen Macht unmöglich zu machen, waren ihre Amtszeiten kurz bemessen (bei Repräsentantenhäusern war jährliche Neuwahl die Regel). Soweit den Wählern ein Recht auf Instruktion der Gewählten zustand, wurde es so flexibel gehandhabt, daß die Repräsentanten in ihrer Entscheidungsfreiheit kaum beschränkt waren.“ (Winkler 2009, S. 269)
  143. Felix Ermacora (Hrsg.) Der Föderalist. Alexander Hamilton, James Madison und John Jay, Wien 1958, S. 78.
  144. Federalist No. 49; zitiert nach Winkler 2009, S. 293.
  145. Zuerst nachgewiesen ist der Ausdruck bei John Adams im Januar 1787. (Winkler 2009, S. 300–301.)
  146. Winkler 2009, S. 302.
  147. Weis 1982, S. 68.
  148. „Ein Ansturm setzte ein auf die Sklaverei, die unrepublikanischste aller republikanischen Einrichtungen. Sklaverei beraubte nicht nur die Versklavten der Früchte ihres Fleißes, sondern machte es auch noch anderen Menschen möglich, ohne Fleiß zu leben. Unseligerweise aber waren die Sklaven zugleich auch eine Form des Eigentums, und nicht jeder war zum opferreichen Verzicht auf solches Eigentum bereit. Die meisten Staaten verboten jede weitere Einfuhr von Sklaven, und die nördlichen Staaten schufen auch Vorkehrungen für die graduelle oder sofortige Abschaffung der Sklaverei. Im Süden gab freiwillige Freilassung Tausenden von Sklaven die Freiheit. Aber unendlich viel mehr Menschen blieben Sklaven und erinnerten die Amerikaner daran, daß ihre Tugend weit hinter dem zurückblieb, was die Natur und der Gott der Natur von Republikanern verlangte.“ (Morgan in: Golo Mann / August Nitschke (Hrsg.) 1986, S. 548).
  149. Winkler 2009, S. 288.
  150. John D. Bessler: Revisiting Beccaria's Vision: The Enlightenment, America's Death Penalty, and the Abolition Movement.In: Northwestern Journal of Law & Social Policy, Vol. 4 (2009), No. 9, S. 232 ff.
  151. Michael Rössner (Hrsg.): Lateinamerikanische Literaturgeschichte. 2. erw. Auflage, Stuttgart/Weimar 2002, S. 118 ff.
  152. Heinz Krumpel: Philosophie und Literatur in Lateinamerika - 20. Jahrhundert: ein Beitrag zu Identität, Vergleich und Wechselwirkung zwischen lateinamerikanischem und europäischem Denken. Bern 2006, S. 175 ff.
  153. Bernard Lewis: What Went Wrong? London 2002, S. 49.
  154. Christopher der Beelaigue: The Islamic Enlightenment: The Modern Struggle Between Faith and Reason. Bodley Head, London 2017.
  155. Christoph Herzog: Aufklärung und Osmanisches Reich: Annäherung an ein historiographisches Problem. In: Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 23: Die Aufklärung und ihre Weltwirkung, 2010, S. 291–321.
  156. Ibrahim Schinasi auf brockhaus.de
  157. Gülay Tulasoğlu: Ein europäischer Konsul als Agent der Modernisierung in der osmanischen Provinz: Charles Blunt (1800–1864), „His Majesty’s Consul“ , im Saloniki der Früh-Tanzimat. Heidelberg 2014, S. 13 ff.
  158. Berrak Burçak: Modernization, Science and Engineering in the Early Nineteenth Century Ottoman Empire. In: Middle Eastern Studies 44 (2008), S. 69–83.
  159. Roderic H. Davison: Reform in the Ottoman Empire. 1856-1876. Princeton 1963.
  160. Ulf Bohmann, Benjamin Bunk, Elisabeth Johanna Koehn, Sascha Wegner, Paula Wojcik (Hrsg.): Das Versprechen der Rationalität. Visionen und Revisionen der Aufklärung (= Laboratorium Aufklärung, Band: 11). Wilhelm Fink, München 2012, ISBN 978-3-7705-5321-1.
  161. Martin Werner: Die Kälte-Metaphorik in der modernen deutschen Literatur. Dissertation. Universität Düsseldorf, 2006. (online), S. 12 ff. (PDF; 1,4 MB)
  162. Klaus Eder: Kollektive Identität, historisches Bewusstsein und politische Bildung. In: Will Cremer, Ansgar Klein: Umbrüche in der Industriegesellschaft. Springer Verlag, 1990, S. 354 ff.
  163. J. G. Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. 1784–1791, Erstes Buch, 6. Abschnitt.
  164. Friedrich Schlegel: Sprüche. (104) In: Friedrich Strack, Martina Eicheldinger (Hrsg.): Fragmente der Frühromantik. Edition und Kommentar. Berlin/ New York 2011, S. 18.
  165. Edmund Burke: Betrachtungen über die Französische Revolution. 2 Teile, dt. zuerst 1793/94.
  166. Georg Friedrich Wilhelm Hegel: Fragmente über Volksreligion und Christentum. Werke in 20 Bänden; Band 1, Suhrkamp 1970, S. 21.
  167. Georg Friedrich Wilhelm Hegel: Phänomenologie des Geistes. (1807) Werke in 20 Bänden. Band 3, Suhrkamp 1970.
  168. Jürgen Stolzenburg: Hegels Kritik der Aufklärung. Zum Kapitel: „Der Kampf der Aufklärung mit dem Aberglauben“ in der Phänomenologie des Geistes. In: Wolfgang Hohgrebe (Hrsg.): Phänomen und Analyse. Grundbegriffe der Philosophie des 20. Jahrhunderts in Erinnerung an Hegels Phänomenologie des Geistes. Königshausen & Neumann, Würzburg 2008, S. 155–174.
  169. Friedrich Nietzsche: Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern. Über das Pathos der Wahrheit. 1, KSA 1, S. 30.
  170. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften in zwanzig Bänden. Band 3: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt 1997, S. 60–61.
  171. Friedrich Nietzsche, Nachlass 1884, Gruppe 25, 294 = KSA 11.
  172. Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. In: Karl Marx – Friedrich Engels – Werke. Band 2, Februar 1845, S. 138.
  173. Karl Marx-Friedrich Engels – Die deutsche Ideologie, S. 394.
  174. Friedrich Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. In: Karl Marx/Friedrich Engels – Werke. Band 19, Dietz, Berlin 1962, S. 192–193.
  175. Max Weber: Wissenschaft als Beruf. (1917/19). 7. Auflage. 1984, 17 = Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Mohr Siebeck, Tübingen 1988, S. 594.
  176. Klaus Hansen, Hans J. Lietzmann (Hrsg.): Carl Schmitt und die Liberalismuskritik. Springer Verlag 2013.
  177. A. Müller: Mängelwesen. In: Hist. WB. Philos. 5, Basel 1980, Sp. 712–714.
  178. Arnold Gehlen: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. Berlin 1940, zitiert nach Gesamtausgabe Frankfurt 1993, Band 3, S. 710 ff.
  179. Gerhard Schweppenhäuser: Am Ende der bürgerlichen Geschichtsphilosophie. Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung (1947). In: Walter Erhart, Herbert Jaumann (Hrsg.): Jahrhundertbücher. Große Theorien von Freud bis Luhmann. Beck, München 2000, S. 193.
  180. Max Horkheimer: Gesammelte Schriften. Band 6: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. Fischer, Frankfurt am Main 1991.
  181. Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. In: Max Horkheimer: Gesammelte Schriften. Band 5, Fischer, Frankfurt am Main 1987, S. 31.
  182. siehe Hannah Arendt: Über den Imperialismus, dort Erscheinungsgeschichte des Textes seit 1946, Belegstelle, H.A.: Die verborgene Tradition. Frankfurt am Main 1976, S. 23.
  183. Dabei wies sie allerdings auf die Rolle der Sklaverei während und nach der Revolution hin.
  184. Arendt: Über die Revolution. 1994, S. 100.
  185. Die Wendung „finstere Zeiten“ geht auf das Brecht-Gedicht An die Nachgeborenen zurück.
  186. Hannah Arendt: Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten. Rede über Lessing. München 1960.
  187. Die Moderne – Ein unvollendetes Projekt. Philosophisch-politische Aufsätze. Leipzig 1990.
  188. Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. (1962) Suhrkamp, Frankfurt 1990, S. 116.
  189. Vorpolitische Grundlagen eines demokratischen Rechtsstaates? In: Jürgen Habermas, Josef Ratzinger: Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion. 7. Auflage. Herder, Freiburg 2005, S. 17.
  190. So Richard Rorty: Achieving Our Country. Harvard University Press, 1998.
  191. J. G. Herder: Haben wir noch jetzt das Publikum und Vaterland der Alten?: Eine Abhandlung zur Feier der Beziehung des neuen Gerichtshauses. 1765.
  192. Anne Löchte: Kulturtheorie und Humanitätsidee der 'Ideen', 'Humanitätsbriefe' und 'Adrastea'. Würzburg 2005, S. 79.
  193. Daniel von Wachter: Der Mythos der Aufklärung, Teil 1: Eigenlob stinkt., Seite 1, Ersterscheinung am 17. Februar 2014 auf www.professorenforum.de.
  194. Daniel von Wachter: Der Mythos der Aufklärung, Teil 1: Eigenlob stinkt., Seite 6, Ersterscheinung am 17. Februar 2014 auf www.professorenforum.de.
  195. giordano-bruno-stiftung — Leitbild Evolutionärer Humanismus. Abgerufen am 2. April 2021.
  196. Michael Schmidt-Salomon: Manifest des evolutionären Humanismus. 2., korrigierte und erweiterte Auflage. Alibri, Aschaffenburg 2006, ISBN 3-86569-011-4, Seite 87
  197. Michael Schmidt-Salomon: Manifest des evolutionären Humanismus. 2., korrigierte und erweiterte Auflage. Alibri, Aschaffenburg 2006, ISBN 3-86569-011-4, Seite 91
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