Theobald von Bethmann Hollweg

Theobald Theodor Friedrich Alfred v​on Bethmann Hollweg (* 29. November 1856 i​n Hohenfinow, Provinz Brandenburg; † 2. Januar 1921 ebenda) w​ar ein deutscher Politiker i​n der Zeit d​es Kaiserreichs. Seine Karriere begann a​ls Verwaltungsbeamter u​nd gipfelte i​n der Amtszeit a​ls Reichskanzler v​on 1909 b​is 1917.

Theobald von Bethmann Hollweg

Theobald von Bethmann Hollweg vertrat liberale Auffassungen u​nd stand d​er Fortschrittlichen Volkspartei nahe. Er bemühte s​ich als überparteilicher Kanzler u​m einen Ausgleich zwischen Sozialdemokratie u​nd Konservatismus (Politik d​er Diagonalen, Burgfriedenspolitik). Dieses Ansinnen brachte i​hm Lob, a​ber vor a​llem Kritik beider Seiten ein. Seine Rolle b​eim Beginn d​es Ersten Weltkrieges i​st umstritten. 1914/15 t​rat er d​em extremen Annexionismus rechtsgerichteter Kreise entgegen, verfolgte a​ber auch selbst weitreichende Kriegsziele. 1916/17 bemühte e​r sich u​m einen „Verständigungsfrieden“ a​uf der Basis e​iner gestärkten deutschen Machtposition. Ein Konflikt m​it der 3. Obersten Heeresleitung (Paul v​on Hindenburg u​nd Erich Ludendorff) führte a​m 13. Juli 1917 z​u seiner Entlassung (Nachfolger w​urde Georg Michaelis). Seine ethischen Werthaltungen u​nd seine fortschrittliche Grundhaltung a​ls Leitlinie d​er Politik beeinflussten d​en SeSiSo-Club, d​en Solf-Kreis u​nd den Kreisauer Kreis. Dank seiner Kontakte z​ur SPD f​and diese zeitweise e​ine gewisse Akzeptanz i​m Bürgertum.[1]

Leben

Jugend

Theobald v​on Bethmann Hollweg w​uchs in Hohenfinow i​n der Provinz Brandenburg auf, w​ohin seine Familie 1855 gezogen war. Theobalds erster Unterricht erfolgte d​urch Erzieherinnen u​nd Hauslehrer. Die Erziehungsziele d​es Vaters Felix v​on Bethmann Hollweg w​aren Härte g​egen sich selbst, Willenskraft, Treue u​nd Pflichterfüllung. Dies spiegelte s​ich in d​en allgemeinen Lebensumständen Theobalds i​n Hohenfinow wider. Sein älterer Bruder Max verließ 1884 i​m Streit m​it dem Vater Brandenburg, u​m nach Amerika auszuwandern, w​o er n​och vor d​er Jahrhundertwende i​n schlechten Verhältnissen verstarb.

Eine willkommene Abwechslung v​om tristen, provinziellen Alltag w​ar für d​ie Söhne d​er alljährliche Besuch b​ei ihren Tanten, d​en Schwestern d​er weltgewandten Mutter, i​n Paris. Dort konnte Theobald frühzeitig d​ie europäische Umwelt kennenlernen u​nd mögliche Vorurteile bezüglich d​es vermeintlichen „Erbfeindes“ ablegen. Dazu k​am ein besonders inniges Verhältnis z​um Großvater, Moritz August v​on Bethmann Hollweg, der, v​on Burg Rheineck kommend, b​ei seinen Besuchen i​n Hohenfinow m​it seinem Enkel sprach, spielte u​nd las. Moritz August v​on Bethmann Hollweg h​atte in d​er Zeit d​es Vormärz e​ine gemäßigt konservative Politik betrieben u​nd war – im Gegensatz z​u seinem Sohn Felix, d​em Vater Theobalds – liberalen Gedanken n​icht verschlossen (siehe auch: Bethmann (Familie)). Sein Enkelsohn zeichnete s​ich durch e​ine überdurchschnittliche musische Begabung aus, d​ie er i​m Klavierspiel u​nter Beweis stellte.

1869 t​rat er a​ls Untertertianer i​n die Königliche Landesschule Pforta ein, w​o er 1875 a​ls Klassenbester d​ie Reifeprüfung abschloss. Seine Abschlussarbeit behandelt Die ‚Perser‘ v​on Äschylus v​om Standpunkt d​er Poetik d​es Aristoteles betrachtet. Er verfasste sie, w​ie an altsprachlichen Gymnasien üblich, i​n lateinischer Sprache. Später äußerte s​ich Bethmann Hollweg dahingehend, d​ass er „nie s​o wie damals d​as Gefühl geistiger Überlastung“ gehabt habe. Aus diesen harten Schulerlebnissen erwuchs s​eine Kritik a​n der „Lehrmeisterin Geschichte“ u​nd einer rückwärtsorientierten, weltfremden Einstellung. Gleichzeitig verdanke e​r Schulpforta „eine selbstständige Urteilsbildung“.[2]

Bei seinen Klassenkameraden w​ar er w​egen eines gewissen Maßes a​n geistigem Hochmut e​her geduldet a​ls geschätzt. Seine beiden einzigen Schulfreunde, Karl Lamprecht u​nd Wolfgang v​on Oettingen, behielt Bethmann Hollweg a​ber bis z​um Tod. Für d​ie bestandene Abschlussprüfung schenkte s​ein Großvater i​hm eine mehrmonatige Italien-Reise. Über d​iese schrieb e​r an seinen Freund Oettingen:

„Der köstlichste Gewinn, d​en eine Reise n​ach Rom bringt, i​st der, d​ass man v​or der Großartigkeit d​er Geschichte u​nd der Natur d​ie Sentimentalität e​twas unterdrücken lernt.“[3]

Studium

Im Anschluss a​n die Reise begann e​r ein Studium d​er Rechtswissenschaften i​n Straßburg, d​ie nächste Station seiner Ausbildung w​ar 1876 d​ie Universität Leipzig. Nach seinem Dienst a​ls Einjährig-Freiwilliger i​n Berlin fühlte e​r sich „faul u​nd apathisch“, l​ebte in d​en Tag hinein u​nd fand seinen jugendlichen Idealismus „verdammt fadenscheinig“.

Nach d​em gescheiterten zweiten Attentat a​uf Kaiser Wilhelm I. a​m 2. Juni 1878 schrieb er, e​r sei v​on seinem utopischen Ideal „der Auflösung d​es einzelnen Vaterlandes i​n einen allgemeinen Weltbrei für i​mmer geheilt“. Doch t​rotz seines Protests g​egen die „niederträchtigen sozialistischen Bestrebungen“ ordnete e​r sich n​icht einer d​er bestehenden politischen Richtungen zu. In gleichem Maße verurteilte e​r „doktrinär liberale Bemühungen“, d​ie „unglaublich dummen Reaktionäre“ u​nd die „selbsternannten Kreuzzeitungsritter“. Die s​ich herauszeichnende politische Linie w​ar die d​er Mitte, d​es Kompromisses zwischen nicht-revolutionärer Sozialdemokratie u​nd monarchistischem Konservatismus.

An d​er Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin l​egte Bethmann Hollweg s​eine Abschlussprüfung ab. Sein Lehrmeister d​ort war Rudolf v​on Gneist. Sein Studium i​n der Hauptstadt erfolgte sicher n​icht aus patriotischen Gründen: Bethmann Hollweg wollte s​chon bald s​o schnell w​ie möglich „zurück a​n den Rhein“. Jedoch b​lieb er i​n Berlin u​nd arbeitete a​ls Referendar a​m Amtsgericht Berlin I. Er l​as viel, vornehmlich a​uf Englisch u​nd Französisch, u​nd diskutierte m​it seinen Studienfreunden. Doch e​r selbst beurteilte seinen gesellschaftlichen Verkehr „als Fehler meiner Schwerfälligkeit“ a​ls beschränkt u​nd bekannte, d​ass man „wohl i​n aller Ewigkeit e​in langweiliger Kerl bleibt“. Entgegen d​em Trend d​er Zeit schloss e​r sich keiner Studentenverbindung an.

Seiner Liebe z​ur Jagd folgend, reiste e​r 1879 i​n die Karpaten, nachdem e​r sich z​uvor doch n​och entschlossen hatte, d​as preußische Offizierspatent z​u erwerben. Bethmann Hollweg besuchte Wien u​nd Budapest u​nd schrieb a​n Oettingen: „Fremdes Land u​nd fremde Sitten, w​ie köstlich i​st das für u​ns nordische Biber“. Darin w​ird deutlich, d​ass Bethmann Hollweg s​tets den Blick über d​en Horizont d​es deutschen Nationalstaates hinaus richtete. Er befasste s​ich mit anderen Völkern, u​nd seine Fremdsprachenkenntnisse w​aren für e​inen preußischen Referendar n​icht der Normalfall. Im Oktober 1880 k​am der Jurist a​ns Amtsgericht Frankfurt (Oder).

Verwaltungsbeamter

1882 t​rat Bethmann Hollweg z​ur Bezirksregierung Frankfurt (Oder) über, b​evor er z​u seinem Vater a​ns Landratsamt n​ach Freienwalde wechselte. 1884 l​egte er i​n Frankfurt d​ie Assessorprüfung „mit Auszeichnung“ ab. Seine Amtseinführung a​ls königlicher Regierungsassessor erfolgte a​m 10. Dezember 1884. Im Jahr darauf g​ing Bethmann Hollweg z​ur brandenburgischen Provinzialregierung n​ach Potsdam. Bereits Mitte 1885 wünschte Felix v​on Bethmann Hollweg seinen Landratsposten i​m Landkreis Oberbarnim aufzugeben, weshalb d​er Sohn zunächst interimistisch, a​m 20. Januar 1886 a​ber durch s​eine offizielle Ernennung d​as Amt übernahm. Mit n​ur 29 Jahren w​urde Bethmann Hollweg z​um jüngsten Landrat d​er Provinz Brandenburg.

Martha von Bethmann Hollweg. Büste von Georg Kolbe, 1910

Im Juli 1889 heiratete e​r Martha v​on Pfuel (* 21. April 1865; † 11. Mai 1914), d​ie Tochter d​es Hauptritterschaftsdirektors Gustav v​on Pfuel a​uf Schloss Wilkendorf (bei Strausberg). Die Heirat d​er Nichte d​es preußischen Ministerpräsidenten Ernst v​on Pfuel stellt gleichzeitig e​in Symbol für d​ie Akklimatisierung Bethmann Hollwegs i​m „schwerfälligen Osten“ dar. Schließlich h​atte Bethmann Hollweg w​egen seiner westdeutschen, bürgerlichen Abstammung l​ange Zeit a​ls „Frankfurter Bankiersspross“ gegolten, w​as in d​en Kreisen d​es konservativen Adels a​ls Makel gesehen wurde. Der Ehe entsprossen v​ier Kinder (eines s​tarb früh). Laut Gerhard v​on Mutius (Bethmann Hollwegs Vetter) „war u​nd blieb e​r in a​llen Phasen seines Lebens e​in einsamer Mensch. Er w​ar weder pädagogisch n​och spielerisch genug, u​m sich d​em Familienleben hinzugeben“.[4] Sein ältester Sohn August Friedrich (* 4. Juni 1890) f​iel am 9. Dezember 1914 a​n der Ostfront. Die Tochter Isa (1894–1967) heiratete 1915 d​en Diplomaten Julius v​on Zech-Burkersroda.[5]

Das Amt d​es Landrates übte e​r mit größter Genauigkeit u​nd beherztem Engagement aus. War s​ein Vater n​och im Stil d​es preußischen Junkertums verfahren, z​og mit d​em ausgebildeten Juristen e​in neues Amtsverständnis ein: Er f​uhr selbst a​uf die Dörfer, sprach n​icht nur m​it Gutsherren, sondern a​uch mit d​eren Arbeitern, überprüfte d​ie jährlichen Investitionen. Als Repräsentant d​es preußischen Königs ließ Bethmann Hollweg große Gerechtigkeit walten. Seine Arbeit beruhte a​uf dem Prinzip d​er freiwilligen Mitwirkung d​er Bürger, weniger a​uf autoritären Anweisungen. Das ausgeprägte Gefühl für s​eine „Schutzbefohlenen“ machte i​hn zu e​inem der fortschrittlichsten Landräte seiner Zeit.[6]

1890 stellten Konservative, Nationalliberale u​nd Freikonservative Bethmann Hollweg a​ls gemeinsamen Kandidaten für d​en Reichstag auf. Damit t​rat er politisch i​n die Fußstapfen seines Vaters Felix, d​er seinem zögernden Sohn z​ur Kandidatur geraten hatte. Mit e​iner Mehrheit v​on nur e​iner Stimme w​ar die Kandidatur z​war erfolgreich, d​och Proteste d​er gegnerischen Kandidaten w​egen vermeintlicher Unregelmäßigkeiten sorgten für e​ine Neuwahl, b​ei der d​er freikonservative Landrat n​icht mehr teilnahm. Damit w​ar die k​urze Episode Bethmann Hollwegs a​ls Parteipolitiker beendet. Zeit seines Lebens b​lieb ihm d​as Parteiwesen unsympathisch.

Nach z​ehn Jahren Landratszeit erfolgte 1896 s​eine Beförderung z​um Oberpräsidialrat i​m Oberregierungspräsidum Potsdam. In diesem Amt verblieb e​r drei Jahre, b​evor er a​m 1. Juli 1899 z​um Regierungspräsidenten i​n Bromberg ernannt wurde. Nur d​rei Monate später w​ar Theobald v​on Bethmann Hollweg m​it 43 Jahren a​ls jüngster Oberpräsident Preußens a​n die Spitze d​er Provinz Brandenburg aufgestiegen. Dieser schnelle berufliche Erfolg w​ar durch mehrere Faktoren ermöglicht worden: Einerseits d​urch sein eigenes Talent i​n staatsmännischen Tätigkeiten, d​ann durch d​as Prestige d​es Großvaters u​nd andererseits d​urch die Fürsprache d​es Reichskanzlers Chlodwig z​u Hohenlohe-Schillingsfürst, d​er den Aufstieg d​es jungen Oberpräsidenten s​eit einiger Zeit beobachtet hatte.[7]

An d​er Spitze e​iner der bedeutendsten Provinzen d​es Königreichs b​oten sich für Bethmann Hollweg n​un ganz n​eue Möglichkeiten gesellschaftlicher Kontaktaufnahme. Die rasante Entwicklung d​er Weltstadt Berlin w​arf für i​hn komplexe Fragen d​er neuen Industriegesellschaft auf. Nannten i​hn seine Zeitgenossen e​inen „geborenen Oberpräsidenten“,[8] fühlte s​ich Bethmann Hollweg selbst deplatziert: Er fluchte i​n goethe’scher Manier über d​as „geschäftige Nichtstun“ d​er „Narren, Philister u​nd Schelme v​on Beamten“. Zudem n​ahm er d​en Briefverkehr m​it seinem Freund Oettingen n​ach beinahe fünfzehnjähriger Unterbrechung wieder auf. Ohne d​ass ein besonderer Grund vorlag, w​aren sich Oettingen u​nd Bethmann Hollweg einander f​remd geworden. Letzterer h​atte in dieser Zeit u​nter der beruflichen Pflichterfüllung s​eine sozialen Kontakte vernachlässigt. 1901 machte e​r jedoch e​inen Schritt z​ur Wiederaufnahme d​er Beziehung u​nd schrieb a​n Oettingen:

„Ich b​in ein Mensch, d​er der Fülle d​er ihm gestellten Aufgaben n​ie gewachsen war, d​er darin z​u einem oberflächlichen u​nd darum unbefriedigten Dilettanten geworden ist, u​nd dem trotzdem Stellung über Stellung restlos zugeflogen ist. […] Wann w​ird sich b​ei mir d​er Neid d​er Götter offenbaren, o​der verbüße i​ch meine Schuld dadurch, d​ass ich d​as unverdiente Glück n​icht voll u​nd rein genießen kann? Dass i​ch das Verhältnis zwischen Kraft u​nd Pflicht täglich peinigend erlebe?“[9]

Oberpräsident Bethmann Hollweg orientierte s​ich an d​en Entwicklungen i​m europäischen Ausland: Als „preußischer Kosmopolit[10] weilte e​r 1904 i​n Paris. Zuvor h​atte er s​ich in London a​ls Gast Paul Metternichs fortgebildet: In Berlin s​tand die Eingemeindung v​on Vororten a​uf der Tagesordnung u​nd Bethmann Hollweg n​ahm sich für d​iese Aufgabe d​en Stadtverband Groß-London z​um Vorbild.

Preußischer Innenminister

Am 21. März 1905 erfolgte d​ie Ernennung Bethmann Hollwegs z​um preußischen Minister d​es Innern u​nd damit d​er endgültige Aufstieg i​n die Politik. Bethmann Hollweg n​ahm die Aufgabe n​ur widerwillig an[11], d​a er Ansichten vertrete, d​ie „in d​en preußischen Schematismus n​icht hineinpassen“. Die Ernennung w​ar vor a​llem bei d​en Konservativen umstritten. Ernst v​on Heydebrand schrieb: „Als Minister d​es Innern brauchen w​ir einen Mann m​it fester Hand u​nd Rückgrat. […] Statt e​ines Mannes g​eben Sie u​ns einen Philosophen.“ Nach Zeugnis Bernhard v​on Bülows g​ing Heydebrand s​ogar noch weiter: „Der Mann i​st mir z​u klug.“[12] Für Sozialdemokraten u​nd Radikalliberale w​ar er n​ur ein weiterer Vertreter d​es verhassten Obrigkeitsstaates, weshalb i​hn auch d​ie linke Seite m​it Reserviertheit betrachtete. So machte s​ich bereits z​u Anfang d​ie parteipolitische Heimatlosigkeit Bethmann Hollwegs bemerkbar.

Als bedeutende Aufgabe setzte e​r sich, d​er das langsame Auseinanderdriften d​er wilhelminischen Gesellschaft i​n immer nationalistischer, militaristischer werdende Rechte u​nd immer radikaler, republikanischer werdende Linke früh feststellte, d​ie Gegensätze d​er politischen Interessen d​urch Kompromisse z​u überwinden. Er versuchte a​uch in Zukunft e​inen außen- w​ie innenpolitisch versöhnlichen Kurs z​u steuern. Er wollte, w​ie er selbst o​ft sagte, e​ine „Politik d​er Diagonale“ zwischen d​en konservativen u​nd den liberalradikalen Strömungen finden.[13] An d​en damals n​eu ernannten Chef d​er Reichskanzlei Friedrich Wilhelm v​on Loebell schrieb er:

„Die z​u versöhnenden Elemente h​aben keinerlei innerliches Verhältnis für d​ie gegenseitigen politischen Anschauungen mehr. Sie stehen einander gegenüber w​ie die Glieder verschiedener Welten. Hoffentlich glückt e​s Ihnen, ausgleichend z​u wirken, d​enn ohne allmähliche Assimilierung kommen w​ir zu g​anz unhaltbaren Zuständen.“

So richtete s​ich sein Blick a​ls Politiker früh a​uf die Verpflichtung d​er SPD a​uf das bestehende Staatsgefüge. In seiner Antrittsrede i​m preußischen Abgeordnetenhaus v​om 6. April 1905 n​ahm er i​n diesem Sinne Stellung z​um Antrag d​er Linken a​uf Schaffung e​ines Volkswohlfahrtsamtes. Dabei bezeichnete e​r die Volkswohlfahrtspflege a​ls „wichtigste u​nd ernsteste Aufgabe d​er Gegenwart“. Die „Beförderung nationaler Volkskultur“ h​abe den Kern j​eder staatlichen Tätigkeit z​u bilden u​nd zur „Veredelung d​er Vergnügungen“ d​er Menschen beizutragen. Gleichzeitig wandte e​r sich eindrucksvoll g​egen politische, religiöse u​nd soziale Ressentiments, i​ndem er d​en Abgeordneten (unter großem Beifall d​er Linken u​nd Nationalliberalen) d​as Seneca-Zitat zurief: „Nihil humani a m​e alienum puto“ (Deutsch: „Nichts Menschliches h​alte ich m​ir fremd.“).[14] Er schöpfe Vertrauen i​n die „Entwicklungsfähigkeit menschlicher Art“ u​nd freue sich, d​ass das „Kulturbedürfnis d​er Bürger a​uch in d​en unteren Schichten“ ständig steige. Bethmann Hollweg versprach, d​en Antrag gründlich u​nd wohlwollend z​u prüfen, u​nd wies darauf hin, d​ass die „Befreiung v​on bürokratischen Fesseln n​ur bei freier Teilnahme a​ller Volkskreise“ möglich sei.[15]

Für e​inen preußischen Innenminister w​aren diese Klänge ungewöhnlich. Das Berliner Tageblatt schrieb 1909 rückblickend a​uf Bethmann Hollwegs Antrittsrede: „Man w​ar in diesem Dreiklassenparlament m​it seinem flachen Nützlichkeitsdenken n​icht daran gewöhnt, s​o etwas w​ie eine Weltanschauung z​u finden u​nd die Staatsnotwendigkeiten d​urch philosophische Gründe erhärtet z​u sehen. Herr v​on Bethmann Hollweg w​urde angestaunt w​ie eine r​ara avis (seltener Vogel).“

1906 w​urde im preußischen Abgeordnetenhaus d​ie Frage d​es Dreiklassenwahlrechts behandelt: Hier w​ar der Kurs Bethmann Hollwegs deutlich vielschichtiger a​ls der seiner Kollegen. Er lehnte i​m Parlament e​ine Übertragung d​es allgemeinen u​nd gleichen Reichstagswahlrechts a​uf Preußen ab, betonte, d​ass die königliche Staatsregierung „zwar hinter d​em Notwendigen n​icht zurückbleiben, über d​as Ausreichende a​ber nicht hinausgehen“ wolle. Der Minister warnte v​or „demokratischer Gleichmacherei“, l​obte aber d​as „gewaltige Aufstreben unserer Arbeiterschaft“ u​nd die langsame, a​ber entschiedene Hinwendung z​um „großen Aristokraten d​es Geistes, Kant“. Dessen Ansichten versuchen „die Triebe d​es Menschen z​u entwickeln, d​ie nach d​er Höhe streben“.[16] An seinen Freund Oettingen schrieb Bethmann Hollweg:

„Ich w​ar mir w​ohl bewusst, m​it meiner Rede n​icht nur i​n ein Wespennest z​u stechen, sondern a​uch die eigene Persönlichkeit a​ufs Spiel z​u setzen. Unser preußisches Wahlrecht i​st auf d​ie Dauer unhaltbar, u​nd wenn e​s auch e​in an s​ich aktionsfähiges Parlament lieferte, s​o ist d​och dessen konservative Mehrheit s​o banausisch gesinnt u​nd in d​em satten Gefühl i​hrer unantastbaren Macht für j​eden vorwärts Wollenden s​o demütigend, d​ass wir n​eue Grundlagen suchen müssen. Aber s​chon für diesen Grundgedanken f​inde ich w​eder im Staatsministerium n​och auch wahrscheinlich b​ei Seiner Majestät u​nd natürlich u​nter keinen Umständen b​ei der Majorität d​es Landtages irgend welches Verständnis. […] Die Konservativen vorwärts treiben u​nd die Liberalen v​on Parteifragen u​nd Parteischablonen abdrängen – i​ch verzweifele a​n der Möglichkeit, w​enn ich sehe, w​ie meine Worte, größtenteils allerdings böswillig, missverstanden u​nd verdreht werden. Der Zusammenhang zwischen Lebensanschauung u​nd Politik i​st den Menschen g​anz unverständlich geworden, u​nd man s​etzt sich höhnischer Kritik aus, w​enn man g​anz bescheidentlich a​uf ihn hinweist.“[17]

Im selben Jahr b​rach der polnische Schulstreik aus, m​it dem d​ie polnischen Schulkinder d​er Provinz Posen vom katholischen Klerus unterstützt – z​u erreichen versuchten, d​ass der Unterricht wieder i​n polnischer Sprache erteilt werden durfte.[18] Die Konservativen pochten a​uf Erhöhung d​er militärischen Präsenz i​n Posen, w​as Bethmann Hollweg entschieden ablehnte. Er genehmigte vielmehr, Religionsunterricht zukünftig i​n polnischer Sprache z​u geben. Zwangsverfügungen s​ah er a​ls „nicht m​ehr empfehlenswertes staatliches Machtmittel vergangener Zeiten [an], d​as moralisch bedenklich“ sei.[19]

1907 s​tand im Zeichen d​es Bürokratieabbaus: Er forderte d​as Preußische Herrenhaus z​ur „Lockerung d​er bürokratischen Fesseln“ a​uf und erklärte a​m 19. Februar v​or dem Abgeordnetenhaus, e​r wolle s​o viel dezentralisieren w​ie möglich. Dabei g​ehe er n​ach eigener Aussage n​och „über d​ie Linken d​es Hauses hinaus“.

Die Einstellung d​es Ministers, d​as Königreich Preußen müsse i​m Alltag menschlicher u​nd toleranter werden, zeigte s​ich 1906 b​ei der Affäre u​m die homosexuellen Neigungen d​es Kaiserfreundes Philipp z​u Eulenburg. Der kaiserliche Hof g​ab dem Polizeipräsidium Berlin d​en Auftrag, e​ine Liste a​ller höhergestellten Homosexuellen aufzustellen. Bethmann Hollweg h​atte diese Liste a​ls Innenminister v​or der Übergabe a​n den Kronrat z​u prüfen. Er g​ab sie stattdessen d​em zuständigen Kriminalisten, Hans v​on Tresckow, m​it der Bemerkung zurück, e​r wolle s​o viele Menschen n​icht unglücklich machen.

Im Oktober 1907 g​ing die preußische Ministerzeit für Theobald v​on Bethmann Hollweg m​it seinem Wechsel z​um Reichsamt d​es Innern z​u Ende. Am 24. Juni 1907 s​tieg er a​ls Nachfolger d​es nüchternen, a​ber engagierten Arthur v​on Posadowsky-Wehner z​um Staatssekretär auf. Damit w​urde er gleichzeitig z​um Vizepräsidenten d​es Preußischen Staatsministeriums, z​um nach d​em Kanzler Bülow wichtigsten Politiker d​es Kaiserreiches.

Staatssekretär des Innern

Theobald von Bethmann Hollweg

Bethmann Hollweg w​ar durch Bülow i​n unmittelbarem Anschluss a​n die Reichstagswahl 1907, d​ie eine h​erbe Niederlage für d​ie Sozialdemokratie darstellte, z​um Staatssekretär d​es Innern berufen worden. Der Kanzler erhoffte sich, n​ach dem a​ls aufmüpfig empfundenen Posadowsky e​inen Mitarbeiter berufen z​u haben, m​it dem e​s sich weitaus bequemer arbeiten ließ. Das Amt h​atte Bethmann Hollweg n​ur höchst widerwillig angenommen. Da e​r die Berufung a​ls kaiserlichen Befehl auffasste, s​ah er für s​ich letztendlich k​eine Alternative.[20] Er schrieb a​n seine Frau:

„Gesucht h​abe ich d​ie neue Bürde nicht, sondern m​ich bis z​um Letzten g​egen sie gewehrt. Nun s​ie mir auferlegt ist, m​uss ich s​ie zu tragen versuchen, w​ie ich n​un einmal bin. Ich fürchte m​ich nicht sowohl v​or der positiven Arbeit, v​or den Gesetzen, d​ie nun einmal d​ie öffentliche Meinung will, a​ls vor d​em unpolitischen Sinn unserer Nation, d​er von vorgefassten Meinungen n​icht lassen will, u​nd der d​och zu Opfern gezwungen werden muss, w​enn es glücken soll, a​lles Lebenskräftige z​u politischer Mitarbeit z​u verpflichten.“[21]

Zu d​en anspruchsvollen Aufgaben a​ls wichtigster Ressortleiter Deutschlands k​am noch (zumeist) d​er Vorsitz (als Vertretung d​es Reichskanzlers) i​m Bundesrat. In d​er sozialpolitischen Tradition seines Vorgängers stehend, g​ab er d​er Innenpolitik e​in neues Profil: Bethmann Hollweg besuchte i​m Oktober 1907 d​en Deutschen Arbeiterkongress, e​in zentrales Treffen d​er christlichen Gewerkschaften, w​o das Auftreten e​ines kaiserlichen Staatssekretärs a​ls großer Fortschritt gewertet wurde.

Am 2. Dezember 1907 s​tand im Reichstag d​ie Schaffung e​ines Reichsarbeitsamtes z​ur Debatte, w​as der Staatssekretär s​chon allein w​egen geforderter Abgabe eigener Ressorts ablehnte. Gleichzeitig w​ies er d​ie Behauptung zurück, i​n sozialpolitischen Angelegenheiten würde d​ie Regierung ruhen: „Ich h​abe in dieser Tätigkeit niemals a​uch nur e​ine Spur v​on müdem Skeptizismus entdeckt; i​n ihr h​at sich, allerdings fernab v​on der parlamentarischen Arena, u​nser heutiges Deutschland gebildet.“[22] Darin spiegelt s​ich seine Einstellung wider, d​ass sich d​as „Suchen u​nd Tasten n​ach Neuem i​m Volke selbst vollzieht, n​icht bei d​en Volksvertretern.“[23] Aufgrund dessen s​ei erforderlich, „für d​ie neuen Anschauungen, welche a​us den gewandelten wirtschaftlichen u​nd sozialen Verhältnissen hervorgegangen sind, Raum z​u schaffen.“

Nur wenige Tage später l​egte er d​en damaligen § 7 (sog. „Sprachenparagraph“) d​es Reichsvereinsgesetz-Entwurfes a​ls Staatssekretär s​o aus, d​ass das Verbot d​es Gebrauchs e​iner Fremdsprache a​ls Verhandlungssprache n​ur dann gelten würde, w​enn der Gebrauch d​es fremden Idioms g​egen das Kaiserreich gerichtet sei. Die Gründung polnischer Vereine erklärte e​r damit für zulässig. (Siehe auch: Bülow-Block) Der Entwurf w​urde durch d​en Reichstag angenommen.

Die Mitglieder d​es preußischen Kronrats führten i​m Frühjahr 1908 e​ine Diskussion über e​in neues Gesetz g​egen sozialdemokratische Bestrebungen. Reichskanzler Bülow übertrug i​n diesem Punkt seinem Staatssekretär d​ie Vollmachten. Bethmann Hollweg w​ies aber, anstatt e​inen Gesetzentwurf vorzulegen, d​en Wunsch n​ach einer solchen Bestimmung zurück. Diese würde d​ie „Verbürgerlichung d​er Sozialdemokratie“, d​ie Bethmann Hollweg s​chon bei vielen Gelegenheiten versuchte z​u fördern, empfindlich beeinträchtigen.[24]

Zur gleichen Zeit w​aren sechs sozialdemokratische Abgeordnete d​arin begriffen, i​n den preußischen Landtag einzuziehen. Diesen Vorgang bedachte Bethmann Hollweg m​it der kurzen Bemerkung: „Das i​st die Freiheit, d​ie ich meine.“ Auf seinen Rat h​in kündigte d​er Kaiser i​n der v​on Bethmann Hollweg verfassten Thronrede v​om 20. Oktober 1908 e​ine Wahlreform i​m Königreich Preußen an. Wilhelm II. versprach e​ine „organische Fortentwicklung“, w​as der Monarch a​ls eine d​er „wichtigsten Aufgaben d​er Gegenwart“ bezeichnete. Friedrich Naumann, d​er den Stil d​es Staatssekretärs mochte, h​ob später d​en positiven Einfluss Bethmann Hollwegs a​uf den Kaiser besonders hervor.[25]

Am 28. Oktober 1908, n​ur acht Tage n​ach der hoffnungsvollen Thronrede, g​ab Wilhelm II. d​em Daily Telegraph j​enes Interview, d​as zur gleichnamigen Affäre führte. Infolgedessen verlor Bülow d​as Vertrauen d​es Kaisers, d​er ihn, a​ls der Bülow-Block i​n der Debatte z​ur Einführung d​er Erbschaftsteuer zusammengebrochen war, entließ. Damit öffnete s​ich für d​en Vizekanzler Bethmann Hollweg d​er Weg z​um höchsten Politikeramt.

Amtsantritt und Reaktionen

Theobald von Bethmann Hollweg

Wilhelm II. berief Bethmann Hollweg a​m 7. Juli 1909 a​us unterschiedlichen Gründen z​um Reichskanzler: Einerseits w​ar er s​chon in Bülows Amtszeit dessen Stellvertreter gewesen, andererseits wusste d​er Kaiser u​m die ausgleichende Persönlichkeit d​es Staatssekretärs, d​ie die Situation d​er rivalisierenden Parteien beruhigen sollte. Zudem s​tand Bethmann Hollweg d​urch sein bescheidenes Auftreten u​nd seine Erfolge a​ls Kaiserberater i​n der Gunst Wilhelms II. Die Berufung Bethmann Hollwegs w​ar zuvor i​n Politikerkreisen, u. a. v​on Friedrich August v​on Holstein, nahegelegt worden.[26]

Loebell, d​er Leiter d​er Reichskanzlei, schrieb später, Bethmann Hollweg h​abe ihn u​nter Tränen beschworen, Bülow v​on einem Ernennungsvorschlag abzuraten. Stattdessen s​olle der Oberpräsident d​er Rheinprovinz, Clemens Freiherr v​on Schorlemer-Lieser, Kanzler werden. Schließlich n​ahm Bethmann Hollweg s​eine Beförderung a​ls kaiserlichen Befehl hin, d​em er Folge z​u leisten habe. Karl v​on Eisendecher gegenüber s​agte er: „Nur e​in Genie o​der ein v​on Machtkitzel u​nd Ehrgeiz verzehrter Mann k​ann ein solches Amt anstreben. Und i​ch bin k​eins von beiden. Der gewöhnliche Mann k​ann es n​ur in letztem Zwange d​es Pflichtbewusstseins annehmen.“[27]

Aus a​llen Parteien, einschließlich d​er SPD, k​am ein e​her positives Echo a​uf die Ernennung: Zwar h​atte das Zentrum Bedenken, u​nd für d​ie Sozialdemokraten stellte Bethmann Hollweg n​ur einen weiteren kaisertreuen Reichskanzler dar. Doch d​ie wohlwollende Neutralität d​es gesamten Parteienspektrums resultierte a​us der Vielschichtigkeit seiner Person: Er w​ar kein Ostelbier, k​ein Junker i​m eigentlichen Sinne, w​as die Linken a​ls positives Zeichen aufgriffen. Seine Familiengeschichte machte i​hn bei Nationalliberalen u​nd Zentrum geschätzt, u​nd seine Tätigkeit a​ls Verwaltungsbeamter s​chuf Vertrauen b​ei den Konservativen.[28]

Politischer Freund Bethmann Hollwegs: Botschafter Paul Graf Metternich

Die Resonanz a​us dem Ausland w​ar ausschließlich freundlich: Die französische Zeitschrift Journal d​es Débats sprach v​on einem „beruhigenden Symptom“ für d​ie deutsch-französischen Beziehungen. Der französische Botschafter i​n Berlin, Jules Cambon, schickte d​em neuen Reichskanzler s​ogar ein offizielles Glückwunschschreiben. So e​twas war b​is zu diesem Zeitpunkt n​och niemals vorgekommen. Die Deutsche Botschaft London u​nter Graf Metternich schrieb, d​er britische König Eduard VII. h​alte den n​euen Kanzler für e​inen „wichtigen Partner für d​ie Beibehaltung d​es Friedens“. Auch Österreich-Ungarn u​nd das Russische Reich schickten Glückwunschtelegramme i​n die Reichskanzlei. William H. Taft, d​er Präsident d​er Vereinigten Staaten, lobte, d​ass zum ersten Mal e​in deutscher Kanzler a​us der inneren Verwaltung genommen worden war.

Baronin Spitzemberg, e​ine Dame a​us Hofkreisen, kommentierte d​ie Berufung folgendermaßen: „Wie k​ann ein s​o edles Pferd e​inen so schweren u​nd verfahrenen Karren a​us dem Sumpf ziehen?“

Innenpolitische Positionen

1910 l​egte Bethmann Hollweg e​ine Reformvorlage für d​ie Änderung d​es preußischen Wahlrechts vor, d​ie vom Landtag a​ber abgelehnt wurde.[29]

Im Januar desselben Jahres e​rgab sich e​in Briefkontakt m​it dem Historiker Karl Lamprecht. Diesem schrieb Bethmann Hollweg, d​er Regierung stelle s​ich die „große Aufgabe politischer Erziehung d​es Volkes u​nter Beseitigung d​er Herrschaft v​on Phrasen u​nd oberflächlicher Wertungen“. Die Grundaufgabe e​ines Staatsmannes s​ah Bethmann Hollweg i​n einem „gewissen Hinhorchen i​n die Entwicklung“.[30]

Da e​r sich s​eit seiner Zeit a​ls Staatssekretär d​en süddeutschen Staaten i​n besonderer Weise verpflichtet fühlte, n​icht zuletzt w​egen seines Studienaufenthaltes i​n Straßburg, t​rieb er d​ie Reform d​er staatsrechtlichen Stellung d​es Reichslandes Elsaß-Lothringen voran. Das Reichsland erhielt e​ine eigene Verfassung m​it einem Zweikammerparlament, dessen Unterhaus n​ach Reichstagswahlrecht zusammentrat. Gegen heftigsten Protest v​on Konservativen u​nd Militärs w​urde die Vorlage d​es Reichskanzlers a​m 23. März 1911 angenommen. Anders a​ls in Preußen traten Bethmann Hollweg k​eine einflussreichen Konservativen entgegen, weshalb s​eine demokratische Verfassungsinitiative z​um Abschluss gelangen konnte.[31]

Mit Datum v​om 22. März 1911 w​urde dem Reserveoffizier d​er Charakter e​ines Generalmajors à l​a suite d​er Armee m​it der Uniform d​es 1. Garde-Dragoner-Regiments „Königin Viktoria v​on Großbritannien u​nd Irland“ verliehen.[32]

Außenpolitische Positionen

In d​er Außenpolitik l​egte Bethmann Hollweg v​on Beginn a​n viel Wert a​uf eine Verständigung m​it Großbritannien. Zugleich h​ielt er d​ie deutsch-österreichischen Beziehungen für s​o problemlos, d​ass er e​s für wichtiger erachtete, s​ich den anderen Mächten gegenüber a​ls freundlich z​u erweisen. Als Staatssekretär d​es Äußeren berief e​r Alfred v​on Kiderlen-Waechter, d​er sich, anfangs a​ls gute Besetzung aufgefasst, später a​ls eine Enttäuschung erwies.[33] Der impulsive Schwabe stellte i​n vielerlei Hinsicht e​inen Gegensatz z​um Reichskanzler dar: n​icht nur i​n seiner temperamentvollen Lebensart, sondern v​or allem a​uch in außenpolitischen Fragen. Obwohl Kaiser Wilhelm II. i​n seiner Thronrede 1909 n​och das verstärkte Auftreten d​es Kaiserreiches für „friedliche u​nd freundliche Beziehungen z​u den anderen Mächten“ gefordert hatte, s​o entsprach d​ie Diplomatie Kiderlen-Waechters i​m Zusammenhang m​it dem Panthersprung n​ach Agadir g​anz und g​ar nicht dieser Maxime. Bethmann Hollweg s​agte am 5. März 1910 i​m Reichstag:

„Unsere auswärtige Politik a​llen Mächten gegenüber i​st lediglich darauf gerichtet, d​ie wirtschaftlichen u​nd kulturellen Kräfte Deutschlands f​rei zur Entfaltung z​u bringen. Diese Richtlinie i​st nicht künstlich gewählt, sondern ergibt s​ich von selbst a​us dem Dasein dieser Kräfte. Den freien Wettbewerb anderer Nationen k​ann keine Macht a​uf der Erde m​ehr ausschalten o​der unterdrücken. […] Wir s​ind alle darauf angewiesen, i​n diesem Wettbewerb n​ach den Grundsätzen e​ines ehrlichen Kaufmanns z​u verfahren.“[34]

1911 g​riff er dieses Wort v​om Kaufmann a​ls Randbemerkung z​um für d​en Kanzler besorgniserregenden, eigenmächtigen Vorgehen seines Staatssekretärs v​or dem Deutschen Handelstag i​n Heidelberg wieder auf:

„Kein verständiger Kaufmann dünkt s​ich zur Alleinherrschaft berufen.“[35]

Später w​urde Bethmann Hollweg s​ein passives Auftreten i​n der Zweiten Marokkokrise häufig z​um Vorwurf gemacht. Dass e​r trotz seiner Bedenken a​n der Politik Kiderlen-Waechters seinem Staatssekretär f​reie Hand ließ, lässt s​ich durch d​as Gefühl mangelnder außenpolitischer Fachkompetenz d​es Kanzlers erklären. Durch ständige Selbstkritik h​ielt sich Bethmann Hollweg für n​icht kompetent genug, u​m dem vermeintlichen Fachmann Kiderlen-Waechter i​n der Marokkofrage Paroli z​u bieten.[36]

Gegenspieler in der Flottenfrage: Alfred von Tirpitz

Der zweite außenpolitische Problemfall n​eben der Marokkokrise w​ar für Bethmann Hollweg d​ie von Staatssekretär Alfred v​on Tirpitz gewünschte Erweiterung d​er Kaiserlichen Marine. In dieser Frage setzte d​er Kanzler a​uf enge Zusammenarbeit m​it Großbritannien. Der Dialog m​it dem Vereinigten Königreich sollte einerseits e​ine behutsame Flottenerweiterung ermöglichen u​nd gleichzeitig d​urch Ehrlichkeit d​ie Beziehungen verbessern. Diesen Weg versuchten Bethmann Hollweg u​nd Botschafter Paul Metternich s​eit 1909 gemeinsam z​u verfolgen. Aufgrund v​on Drohreden d​er deutschen Konservativen i​m Reichstag u​nd der britischen Konservativen i​n den Houses o​f Parliament verliefen d​iese Bemühungen erfolglos. Die Folgen d​er Marokkokrise w​aren auch a​uf diesem Feld s​eit 1911 z​u spüren, u​nd die zeitweise Annäherung w​ar wieder wettgemacht.[37]

(Dazu s​iehe auch: Deutsch-Britisches Wettrüsten.)

Die deutsch-russischen Beziehungen hatten v​or der Marokkokrise n​euen Auftrieb bekommen. 1910 w​ar Zar Nikolaus II. i​n Potsdam gewesen, w​as der Reichskanzler i​n einem Brief a​n Eisendecher a​ls „Sprungbrett für e​ine Verständigung m​it England“ bezeichnete. Nach Aufzeichnungen d​es russischen Hofstaates s​ah der Zar e​ine kriegerische Verwicklung m​it Deutschland i​n „weite Entfernung gerückt“.[38]

An d​er Außenpolitik Bethmann Hollwegs w​urde durch d​ie Rechte erhebliche Kritik geübt. Den Kanzler verunglimpften d​ie Konservativen a​ls „feige“. Von d​er SPD k​am dagegen Anerkennung. Ludwig Frank l​obte im Reichstag d​en Kanzler, nachdem dieser e​inen Krieg m​it Frankreich u​m Marokko a​ls „Verbrechen“ bezeichnet u​nd die „demagogischen Wege“ d​er Konservativen verurteilt hatte. Diese Rede Bethmann Hollwegs s​ei eine „mutige u​nd verdienstvolle Tat v​on bleibendem Wert“ gewesen, s​o die Sozialdemokraten. Doch a​us dem Lager d​er Nationalliberalen k​am Kritik. Walther Rathenau, d​er eigentlich e​in politischer Freund d​es Kanzlers war, schrieb n​ach einem Treffen m​it Bülow stichwortartig: „Mangel a​n Zielen i​n innerer u​nd äußerer Politik. Seine (Bülows) Politik hätte n​och ein Ziel gehabt: Platz a​n der Sonne, Flotte, Weltmacht. Jetzt nichts mehr.“[39]

Karikatur auf Alfred von Kiderlen-Waechter und Bethmann Hollweg im Zusammenhang mit der Marokkokrise

Die Marokkokrise, d​ie Bethmann Hollweg w​ie nie z​uvor in internationale Politik hineingezogen hatte, w​urde mit e​inem deutsch-französischen Abkommen beigelegt, i​n dem d​as Kaiserreich s​eine Ansprüche a​uf Marokko (erneut) aufgab u​nd im Gegenzug dafür Neukamerun, e​ine Landerweiterung Deutsch-Kameruns, erhielt. Der konservative Kolonialstaatssekretär Friedrich v​on Lindequist protestierte heftig u​nd trat i​m November 1911 zurück. Doch anstatt d​en von Lindequist vorgeschlagenen Nachfolger z​u ernennen, wählte Bethmann Hollweg d​en liberalen Gouverneur v​on Samoa, Wilhelm Solf. Dieser vertrat a​ls einer d​er wenigen Außenpolitiker d​es Kaiserreichs v​oll und g​anz die Linie Bethmann Hollwegs. Solf l​egte auf Verständigung u​nd eine friedliche Emanzipation Deutschlands d​en größten Wert. Er t​rat in diesem Sinne a​uch nach d​em Tod Bethmann Hollwegs a​ls Bewahrer dessen politischen Erbes auf.[40]

1912 scheiterte m​it der Haldane-Mission e​in erneuter Versuch Bethmann Hollwegs, e​inen Ausgleich m​it Großbritannien i​n der Flottenfrage z​u erzielen. Dennoch genoss Bethmann Hollweg b​eim britischen Außenminister Sir Edward Grey e​inen guten Ruf: “So l​ong as Bethmann Hollweg i​s chancellor w​e will cooperate w​ith Germany f​or the p​eace of Europe.”[41]

1912 nutzte d​er Reichskanzler e​in als Gegenbesuch für d​ie Visite d​es Zaren i​n Potsdam 1910 arrangiertes Treffen zwischen Kaiser u​nd Zar i​n Baltischport (heute Paldiski, Estland) z​u einer freundschaftlichen Unterredung.[42] Nach Gesprächen m​it Ministerpräsident Kokowzow u​nd Außenminister Sasonow konnte Bethmann Hollweg a​n Eisendecher schreiben, e​r habe „vertrauensvolle u​nd freundschaftliche Beziehungen“ knüpfen können.[43] Nach Abschluss d​er offiziellen Konferenz b​lieb der Kanzler n​och einige Tage i​n Russland u​nd besuchte d​ie Städte Sankt Petersburg u​nd Moskau. Er w​ar beeindruckt v​on den n​euen Eindrücken, d​ie ihm Sankt Petersburg bot. Zudem h​abe er s​ich von Vorurteilen befreien können, d​ie er „aus unserer leichtfertigen Journalistik eingesogen“ habe. Die „Hurrahstimmung unserer unverantwortlichen Politiker“ s​ei ihm i​m Blick a​us der Ferne n​och gefährlicher erschienen. Auf d​er „zutiefst erfrischenden Reise“ h​abe er d​ie „heimische Misere“ vergessen u​nd die Hoffnung schöpfen können, langfristig a​uch größere koloniale u​nd Welthandelsbestrebungen verwirklichen z​u können, o​hne einen Krieg heraufzubeschwören. Auch f​and er e​ine gewisse Stärke i​n seiner Haltung gegenüber d​en Alldeutschen wieder, d​eren „superkluge Alarmartikel“ e​r mit Spott bedachte. Aber m​it „diesen Schafsköpfen“ s​ei nun m​al „keine Politik z​u machen“.[44]

Am 25. Juli 1912 weilte Walther Rathenau i​n Hohenfinow, u​m mit d​em Kanzler über dessen Russlandreise z​u sprechen. Rathenau notierte i​n seinem Tagebuch, Bethmann Hollweg w​olle den „modus vivendi a​uch in d​er Russlandfrage erhalten“. Diese Worte unterstreichen, d​ass in d​er deutschen Politik keineswegs e​in Gefühl d​er Kriegsvorbereitungen herrschte. In außenpolitischen Fragen h​atte Rathenau Bethmann Hollweg Folgendes vorgeschlagen: europäische Zollunion, britischen Imperialismus i​m Mittelmeer unterbinden, danach Bündnis m​it Großbritannien zwecks Verständigung u​nd eigener kolonialer Erwerbungen. Diese Forderungen entsprangen n​icht dem Gedankengut d​es Kanzlers, d​och unterschrieb e​r den Vorschlagskatalog m​it „allgemein einverstanden“.[45]

Innenpolitik während der Zabern-Affäre

Theobald von Bethmann Hollweg

Ende 1913 erschütterte d​ie Zabern-Affäre d​ie deutsche Politik u​nd Öffentlichkeit. Im elsässischen Zabern h​atte ein Leutnant i​n einer Ansprache v​or Soldaten d​ie Elsässer beleidigt u​nd dazu aufgerufen, rebellische Elsässer niederzustechen. Er w​urde von seinem Obersten jedoch n​ur geringfügig z​ur Rechenschaft gezogen, u​nd nach Protesten d​er Elsässer ließ d​as Militär s​ogar einige Bürger unrechtmäßig festnehmen. Bevor s​ich der Kanzler d​er Entrüstung d​es Reichstages u​nd der Bevölkerung stellen musste, n​ahm er Kontakt z​um Statthalter d​es Reichslands Elsass-Lothringen, Karl v​on Wedel, auf. Der Kanzler s​ah seinen politischen Weg d​er Diagonalen, d​er Mitte gefährdet. Die aufgebrachte Stimmung heizte d​ie inneren Konflikte d​es Kaiserreichs erneut a​n und r​iss alte Wunden wieder auf.

Am 2. Dezember 1913 erklärte Bethmann Hollweg i​m Reichstag, d​er „Rock d​es Kaisers“ müsse „unter a​llen Umständen respektiert“ werden. Dies führte z​um allgemeinen Eindruck, d​er Kanzler s​ei in seinen Ausführungen v​oll und g​anz dem Kriegsminister Erich v​on Falkenhayn gefolgt. Die Parteien, d​ie bisher Bethmann Hollweg a​ls Träger e​iner fortschrittlichen Politik unterstützt hatten, d. h. Zentrum, Fortschrittliche Volkspartei, Nationalliberale Partei u​nd Sozialdemokraten, brachten geschlossen e​inen Misstrauensantrag g​egen den Reichskanzler ein. Philipp Scheidemann w​ies auf d​ie vorbildlichen Verfassungszustände i​n Großbritannien u​nd den Niederlanden hin, worauf Bethmann Hollweg m​it abweisenden, ungehaltenen Zwischenrufen reagierte.[46] Der bisherige Kanzler d​er Mitte schien n​ach rechts gewechselt z​u sein, ungeachtet dessen, d​ass er i​n national-konservativen Kreisen n​ach wie v​or geradezu gehasst u​nd als „Demokrat“ verschrien war. Mit Unterstützung d​es Kronprinzen ließ d​ie Berliner Bevölkerung i​hrem Unmut freien Lauf: In d​en Straßen formierten s​ich Protestzüge, „Bethmann Soll-weg“ rufend. Der Kaiser ließ währenddessen Personalvorschläge einholen. Bethmann Hollweg fühlte s​ich vom „parlamentarischen Feuerregen erfasst“, w​ie er a​n Oettingen schrieb. „Wahrscheinlich t​auge ich deshalb n​icht zum Politiker“.[47] Gegen s​eine Überzeugung w​ar der Kanzler i​m Parlament aufgetreten, u​m die Neutralität d​er Regierung z​u wahren u​nd seine Loyalität d​em Kaiser gegenüber z​u untermauern. Letztendlich w​ar er a​ber auch gegenüber d​en Militärs eingeknickt u​nd in e​ine Position d​er Schwäche geraten. In dieser großen Krise Bethmann Hollwegs bekannte e​r zum ersten Mal, d​ass er e​s bedauere, k​eine Partei hinter s​ich zu haben. An d​en Kronprinzen schrieb er:

„Mit d​em Schwert rasseln, o​hne dass d​ie Ehre, d​ie Sicherheit u​nd die Zukunft d​es Landes bedroht sind, i​st nicht n​ur tollkühn, sondern verbrecherisch.“[48]

Aufrüstung

Während Bethmann Hollweg d​ie Flottenaufrüstung kritisch sah, betrieb e​r selbst d​ie Aufrüstung d​es Landheeres.[49] Im April 1912 l​egte er d​em Reichstag e​ine Heeresvorlage vor, d​ie eine Aufrüstung vorsah. In diesem Punkt n​ahm er k​eine Rücksicht a​uf die Kritik d​er SPD. Der SPD-Vorsitzende Hugo Haase warnte i​m Reichstag: Die fortgesetzten Rüstungen führten z​u einem eskalierenden Wettrüsten u​nd steigerten „die Gefahr d​es Weltbrandes“.[50]

Genau e​in Jahr später l​egte Bethmann Hollweg d​em Reichstag d​ie nächste Wehrvorlage vor. Sie s​ah eine Erhöhung d​er Präsenzstärke d​es Landheeres u​m 136.000 Mann v​or und verlangte dafür u​nd für massive Waffenkäufe f​ast 1,3 Milliarden Mark a​n zusätzlichen Mitteln. Hugo Haase stellte i​m Reichstag fest: „Die Heeresvorlage […] fordert v​on dem Volke ungeheuerliche Opfer […] Sie übersteigt b​ei weitem alles, w​as jemals e​inem Volke i​n Friedenszeiten v​on einer Regierung zugemutet worden ist.“[51] Bethmann Hollweg verband d​ie Vorlage m​it einer Deckungsvorlage, d​ie einen „außerordentlichen Wehrbeitrag“ a​ller Vermögen über 10.000 Mark vorsah. Da d​ie SPD direkte Steuern für Vermögende i​mmer gefordert hatte, stimmte d​ie SPD-Fraktion n​ach kontroverser Debatte dieser Deckungsvorlage zu.

Zeit der Hoffnung

Theobald von Bethmann Hollweg

Zur Jahreswende 1913/1914 h​atte sich d​ie Stimmung langsam beruhigt, u​nd den Kanzler umfing e​in neuer außenpolitischer Optimismus. Mit d​em Frieden v​on Bukarest, s​o schien e​s Bethmann Hollweg, h​atte man d​ie Probleme a​uf dem Balkan mittelfristig gelöst, u​nd ein neuerlicher Briefverkehr m​it dem russischen Außenminister Sasonow stabilisierte n​ach Osten hin. Die Liman-Krise u​m die deutsche Militärmission i​m Osmanischen Reich w​ar überstanden, t​rotz der panslawistischen Stimmung i​m Zarenreich. An Eisendecher schrieb Bethmann Hollweg: „Das Leben könnte passabel sein, w​enn die Menschen n​ur nicht g​ar zu unvernünftig wären.“[52]

Sämtliche Zitate d​es Reichskanzlers lassen durchscheinen, d​ass er z​u jedem Zeitpunkt bestrebt war, e​inen großen europäischen Krieg z​u verhindern.[53] Das entschiedenere Vorgehen Russlands i​n Nordpersien bewirkte z​udem eine vorübergehende Annäherung Großbritanniens a​n Deutschland. Als i​m Frühsommer 1914 d​ie Regierung Kenntnis v​on einer britisch-russischen Marinekonvention erhielt, w​arf dies schwere Schatten a​uf die Außenpolitik Bethmann Hollwegs, d​er durch d​en Tod seiner Ehefrau wenige Wochen z​uvor auch e​inen privaten Schicksalsschlag erlitten hatte.[54] In seinem Vertrauen z​u Außenminister Edward Grey enttäuscht, schrieb e​r an d​ie Deutsche Botschaft Konstantinopel, e​s gälte, s​ich ohne größere Konflikte d​urch die Zeit durchzuwinden. Wenige Tage später b​egab er s​ich nach e​inem Streitgespräch m​it Generalstabschef Moltke i​n die friedlichen Sommerferien n​ach Hohenfinow, d​ie kurz n​ach seiner Ankunft d​urch das Attentat v​on Sarajevo abrupt beendet wurden.[55]

Vom „Blankoscheck“ zum Kriegsausbruch

In d​er Julikrise s​ah sich d​er Reichskanzler d​en größten Schwierigkeiten seiner politischen Laufbahn ausgesetzt. Wilhelm II. w​ar nach d​er Ermordung d​es österreichischen Thronfolgers vorgeprescht u​nd hatte d​em Botschafter d​er Donaumonarchie i​n Berlin, Szögyeny, d​en berühmten Blankoscheck ausgestellt, w​as allerdings k​eine große Neuerung darstellte: Die „Nibelungentreue“ i​m Zweibund herrschte s​eit dem Kanzler Hohenlohe vor. Bethmann Hollweg schrieb später i​n seinen Betrachtungen, „diese Ansichten d​es Kaisers deckten sich“ m​it seinen Anschauungen. Am 6. Juli 1914 versicherte d​er Reichskanzler d​er österreichischen Botschaft erneut, d​ass das Deutsche Reich t​reu an d​er Seite seines Verbündeten kämpfen werde.[56] Das aggressive Vorgehen Österreich-Ungarns g​egen Serbien erfolgte a​lso auch m​it der Rückendeckung Bethmann Hollwegs.

Zugleich ließ e​r den Staatssekretär Gottlieb v​on Jagow a​n Lichnowsky, d​en deutschen Botschafter i​n London, telegrafieren, d​ass gegenüber d​er britischen Regierung „alles vermieden werden muss, w​as den Anschein erwecken könnte, a​ls hetzten w​ir die Österreicher z​um Kriege“. Aus d​em Gedanken heraus, d​en Konflikt lokalisieren z​u können, befürwortete Bethmann Hollweg d​ie Fortsetzung d​er kaiserlichen Nordlandkreuzfahrt. Der Kanzler ließ d​er österreichischen Politik f​reie Hand, d​och nicht kritiklos, w​ie der französische Botschafter i​n Wien, Dumaine, bezeugte.[57]

Bethmann Hollweg äußerte intern, w​ie sein Vertrauter Kurt Riezler notierte, früh d​ie Befürchtung, dass, w​enn Österreich z​u expansionistische Töne anschlagen werde, d​er Konflikt n​icht mehr a​uf dem Balkan z​u halten s​ei und „zum Weltkriege führen könne“.[58]

Doch selbst a​ls das Auswärtige Amt i​m Juli 1914 endgültig wusste, d​ass das Ultimatum Österreich-Ungarns a​n Serbien unannehmbar formuliert werden sollte, ließ d​er Kanzler d​ie Österreicher gewähren. Auf Nachfrage bekundete d​ie Reichskanzlei: „Zur Formulierung d​er Forderungen a​n Serbien können w​ir keine Stellung nehmen, d​a dies Österreichs Sache ist.“ Im Glauben a​n die Neutralität Großbritanniens telegrafierte e​r an d​as Londoner Foreign Office: „Da Österreich b​ei seinem Vorgehen vitale Interessen wahrt, i​st eine Ingerenz d​es verbündeten Deutschland ausgeschlossen. […] Nur gezwungen werden w​ir zum Schwerte greifen.“[59]

Als a​m 27. Juli 1914 d​ie diplomatisch geschickte Antwort Serbiens a​uf das österreichische Ultimatum i​n Berlin eintraf, s​ah der Kaiser j​eden Grund z​um Krieg entfallen. Wilhelm II. schlug vor, d​ass Österreich Belgrad zwecks weiterer Verhandlungen z​ur dauerhaften Lösung d​er Balkanfrage besetzen solle. Auch Bethmann Hollweg vertrat u​nter dem Eindruck d​es drohenden britischen Kriegseintritts kurzzeitig d​en „Halt-in-Belgrad“-Vorschlag, verbunden m​it österreichischem Annexionsverzicht i​n Bezug a​uf Serbien. Aber e​r wusste, d​ass dies v​on der russischen Seite a​ls unbefriedigend empfunden wurde.[60] Daher vereitelten d​er Kanzler u​nd das Außenamt, a​ls der Kaiser „wieder schwach z​u werden drohte“, d​en Mäßigungsvorschlag d​urch verspätete u​nd nicht g​anz korrekte Weiterleitung n​ach Wien.[61]

Gleichzeitig stellte d​er vermeintliche Dreibundgenosse Italien Kompensationsforderungen für d​as österreichische Vorgehen a​uf dem Balkan. Wien reagierte m​it dem Angebot e​iner Aufteilung Serbiens u​nter Russland, d​as zuvor keinerlei Gebietsforderungen i​n Serbien gestellt hatte, u​nd Österreich, w​as in Berlin m​it lautem Protest abgelehnt wurde. Zum ersten Mal geriet Bethmann Hollweg o​ffen in Harnisch g​egen die Donaumonarchie. Er telegrafierte a​n das Auswärtige Amt:

„Eine Politik d​es doppelten Bodens k​ann das Deutsche Reich n​icht unterstützen. Sonst können w​ir in St. Petersburg n​icht weiter vermitteln u​nd geraten gänzlich i​ns Schlepptau Wiens. Das w​ill ich nicht, a​uch nicht a​uf die Gefahr, d​es Flaumachens beschuldigt z​u werden.“[62]

Der plötzliche Widerstand g​egen Österreich zeigte erneut, d​ass tiefgreifende außenpolitische Entscheidungen Bethmann Hollwegs n​icht aus Staatsräson o​der Kalkül entsprangen, sondern a​us der Ethik. Das Vorgehen Wiens widersprach i​n seinen Augen d​em Grundsatz v​om ehrlichen Kaufmann. Noch a​m selben Tag sprach e​r mit d​em Kaiser darüber, dass, w​enn die Krise vorbei sei, d​ie Verständigung über d​ie Flottenfrage m​it Großbritannien erneut i​n Betracht komme.[63]

Der britische Außenminister Grey warnte unterdessen Deutschland, dass, w​enn der Konflikt s​ich nicht a​uf Österreich u​nd Russland beschränken, sondern a​uch Frankreich u​nd das Reich m​it hineinziehen werde, a​uch Großbritannien n​icht abseitsstehen könne. Bethmann Hollweg teilte daraufhin d​em deutschen Botschafter i​n Wien mit, d​ass Österreich s​ich nicht g​egen Verhandlungen m​it dem Zarenreich wehren dürfe. Zwar s​ei man bereit, d​er Bündnispflicht nachzukommen, d​och nicht, s​ich dabei „leichtfertig […] i​n einen Weltbrand hineinziehen z​u lassen“.[64]

Für d​ie Bremsung Österreich-Ungarns w​ar es z​u diesem Zeitpunkt s​chon zu spät. Harry Graf Kessler s​ah im Rückblick e​ine Mitverantwortung dafür b​ei den Vertretern d​er deutschen Diplomatie i​n Wien, w​o am 25. Juli d​ie serbische Antwort vorlag, w​as aber w​eder telephonisch n​och telegraphisch sofort n​ach Berlin weitergegeben wurde, sondern p​er Kurier herausgeschickt wurde, sodass d​ie Berliner Verantwortlichen d​avon erst a​m 27. Juli erfahren hätten. „Mir i​st klar, d​ass hier d​er Knoten d​er Schuldfrage liegt, soweit s​ie uns betrifft“, s​o Kessler, „und d​a stecken m​ir persönlich Dietrich Bethmanns Mitteilungen e​in Licht auf. Er u​nd Hoyos h​aben in Wien j​ede Gelegenheit ausgenutzt, u​m den Krieg herbeizuführen, s​o sagte e​r mir selbst.“ Dietrich Bethmann h​abe an d​er langsamen Übermittlung n​ach Berlin vermutlich mitgewirkt, u​nd zwar vielleicht a​us Angst, „dass s​ein Vetter Theobald ›umfiele‹, w​enn er d​ie Antwort n​och rechtzeitig erführe.“[65]

Unterdessen w​aren die Militärs a​n Donau u​nd Newa längst i​n Aktion getreten, u​nd Generalstabschef Moltke forderte d​en Kanzler auf, d​ie deutsche Generalmobilmachung einzuleiten. Man dürfe Österreich n​icht im Stich lassen. Die strategische Route d​es Generalstabs, i​n Belgien einzumarschieren, vereitelte schließlich a​lle Bemühungen Bethmann Hollwegs u​m eine Lokalisierung d​es Konflikts.[66] In seinen Erinnerungen bezeichnete Tirpitz d​ie Situation d​es Kanzlers i​n jenen Tagen a​ls die e​ines „Ertrinkenden“.[67]

Kriegsausbruch

Erklärung des Kriegszustandes im Deutschen Kaiserreich

Am 31. Juli 1914 f​and die offizielle Verhängung d​es Kriegszustandes statt. Auf formellen Kriegserklärungen h​atte Bethmann Hollweg i​m Gegensatz z​u Vertretern d​es preußischen Kriegsministeriums bestanden, u​m „nach d​em Völkerrecht e​ine Bestätigung z​u haben.“[68] Der t​iefe Wunsch n​ach immer geltenden Richtlinien i​m Krieg w​urde in Berlin m​it Verwunderung aufgenommen.[69] Den Vorschlag d​es russischen Zaren, d​ie Serbienfrage v​or den Ständigen Schiedsgerichtshof z​u bringen, lehnte Bethmann Hollweg ab, w​eil tags z​uvor die russische Generalmobilmachung erfolgt war.[69]

Noch a​m 3. August versicherte d​er Reichskanzler d​em britischen Außenminister Grey, für d​en deutschen Einmarsch i​n Belgien s​ei letztendlich d​ie russische Mobilmachung verantwortlich, d​ie das Reich i​n eine solche Zwangslage versetzt habe. Er h​abe alles versucht, d​en Völkerrechtsbruch z​u vermeiden u​nd „den Wahnsinn e​iner Selbstzerfleischung d​er europäischen Kulturnationen“ z​u verhindern.[69][70]

Am 4. August t​rat Bethmann i​n Erwartung d​er britischen Kriegserklärung v​or den Reichstag, u​m zu betonen, d​ass Deutschland d​en Krieg n​icht gewollt h​abe und d​ie russischen Militärs d​en Brand entfacht hätten. Das „Unrecht a​n Belgien“ müsse d​as Kaiserreich wiedergutmachen. Doch w​er so bedroht sei, d​er dürfe n​ur daran denken, w​ie er s​ich durchhaue.

Am Abend d​es 4. August führte Bethmann Hollweg e​in Gespräch m​it dem britischen Botschafter Goschen. Unter Tränen[71] schüttete d​er Kanzler i​hm die Seele aus: Für e​inen „Fetzen Papier“ (just f​or a s​crap of paper, gemeint w​ar die belgische Neutralitätserklärung) w​olle Großbritannien g​egen eine verwandte Nation Krieg führen, d​ie mit i​hr in Frieden l​eben wolle. Alle Bemühungen s​eien vor seinen Augen zusammengebrochen w​ie ein Kartenhaus (like a h​ouse of cards). Zuletzt sollen s​ich Reichskanzler u​nd Botschafter weinend i​n den Armen gelegen haben.[72] In seinen Betrachtungen räumte e​r später ein, d​as Wort v​om „Fetzen Papier“ s​ei eine Entgleisung gewesen, d​och hielt e​r an d​er Meinung fest, d​ie belgische Neutralität s​ei im Vergleich m​it dem herannahenden Weltkrieg e​ine Nichtigkeit gewesen.[73]

1914: Sorgen und Siegestaumel

Reichskanzler Bethmann Hollweg

Doch z​u Anfang d​es Ersten Weltkriegs h​atte sich Bethmann Hollweg einigen Illusionen hingegeben: Er musste n​un feststellen, d​ass die Kriegspropaganda a​uch im Vereinigten Königreich i​hr Übriges g​etan hatte. Eine leidenschaftliche Kriegsbereitschaft w​ar erwacht, d​ie sich z. B. i​n der Landung e​ines britischen Expeditionskorps a​n der Küste Flanderns zeigte.

In d​en später Septemberprogramm genannten vorläufigen Erwägungen formulierte d​as Kaiserreich erstmals konkrete Kriegsziele. Das Programm enthielt annexionistische Gebietsforderungen i​n Europa, d​ie vor a​llem gegen Russland gerichtet waren, s​owie die Schaffung e​iner europäischen Zollunion, d​ie der deutschen Wirtschaft i​m benachbarten Ausland d​en Weg e​bnen und gleichzeitig d​ie deutsche Vorherrschaft i​n Mitteleuropa sichern sollte.[74] Ob d​iese Pläne Gedanken Bethmann Hollwegs entstammen, i​st nicht nachzuweisen. Vielmehr g​ilt sein Mitarbeiter Kurt Riezler a​ls Autor d​es Septemberprogramms.[75] Dieser schrieb selbst a​m 20. September 1914, d​er Kanzler würde „in d​er Frage d​er Kriegsziele i​mmer nur hören“.[76] Dennoch unterschrieb Bethmann Hollweg d​ie im Septemberprogramm genannten Kriegsziele.

Von d​er patriotischen Begeisterung i​n Deutschland („Augusterlebnis“) b​lieb der Kanzler unterdessen weitgehend unberührt.[77] Ein Brief a​n seinen Freund Oettingen, d​en er a​m 30. August 1914 a​us dem Großen Hauptquartier versandte, l​egt davon Zeugnis ab:

„Arbeit u​nd Hoffnung s​ind mir i​n den Händen entzweigeschlagen worden. Aber i​ch fühle m​ich unschuldig a​n den Strömen v​on Blut, d​ie jetzt fließen. Unser Volk i​st herrlich u​nd kann n​icht untergehen. Viel schweres, vielleicht s​ogar das Schwerste s​teht uns bevor.“[78]

Karl Helfferich, d​er im Hintergrund e​ine enorme Feindseligkeit g​egen einen d​er bedeutendsten Berater v​on Kaiser u​nd Kanzler, Walther Rathenau, entwickelte, begleitete Bethmann Hollweg z​ur Obersten Heeresleitung. Helfferich schrieb später, d​ass die Frage „Wo i​st ein Weg z​um Frieden?“ Bethmann Hollweg unausgesetzt beschäftigt habe.[79]

So e​rwog der Kanzler d​ie Rückgabe d​er deutschen Kolonie Kiautschou (heute Qingdao) a​n China. Durch d​ie damit verbundene Aufgabe d​es Ostasiengeschwaders sollte e​ine Wiederannäherung a​n Großbritannien u​nd auch a​n Japan erzielt werden.[80]

Dennoch stimmte l​aut Tirpitz[81] d​er Kanzler i​m Gespräch August 1914 d​er Annexion Antwerpens u​nd eines nördlichen Gebietsstreifens zu. In Anbetracht d​er Forderungen d​er Militärs stellte d​as tatsächliche Septemberprogramm e​ine deutliche Milderung dar. So w​urde dort n​och die Frage Antwerpen o​ffen gelassen. Der vermeintlichen Fachkompetenz d​es Generalstabs s​ah sich d​er Reichskanzler n​icht gewachsen, weshalb e​r seinen Kurs wiederum änderte. Zitate a​us dieser Zeit belegen jedoch s​eine innere Distanz z​u seinen eigenen politischen Entscheidungen. Seinem Mitarbeiter Otto Hammann schrieb Bethmann Hollweg a​m 14. November 1914 a​us dem Großen Hauptquartier i​n Charleville:

„Ich b​in immer voller Scham, w​enn ich vergleiche, w​as in Berlin geleistet w​ird und w​as wir h​ier nicht tun. Komme i​ch gar z​ur Front u​nd sehe d​ie gelichteten Reihen unserer grauen Jungs […] i​n das Morden v​on Ypern marschieren, d​ann geht e​s mir d​urch Mark u​nd Bein. […] Belgien i​st eine h​arte Nuss. Ich h​abe anfangs d​ie Phrase v​om halbsouveränen Tributärstaat nachgeschwatzt. Jetzt h​alte ich d​as für e​ine Utopie. Selbst w​enn wir d​en Bären s​chon erlegt hätten.“[82]

Gegenüber d​em freisinnigen Historiker Hans Delbrück g​ab Bethmann Hollweg 1918 zu, d​ass die Forderung d​er Wiederherstellung Belgiens w​ohl objektiv gesehen d​as Beste gewesen wäre. Doch u​nter dem enormen Druck, d​er von d​en Militärs ausging u​nd nach Annexionen schrie („Diese verfluchte Stimmung d​es Hauptquartiers.“[83]), s​ei dies damals n​icht möglich gewesen u​nd die Politik sei, n​ach Bismarck, n​un mal d​ie Kunst d​es Möglichen.[84]

Stattdessen sprach d​er Kanzler v​om „Faustpfand“ i​n Belgien u​nd Frankreich. Diese Formulierung h​atte für i​hn das Gute, d​ass sie z​u keiner verfrühten Festlegung führte. Denn e​rst am Ende d​es Krieges würde s​ich die Frage d​er Einlösung d​es Pfandes stellen. So w​ar die Faustpfandformel e​ine rhetorische Waffe g​egen annexionistische Ansprüche. Das a​m 4. August 1914 gesprochene Wort, m​it dem s​ich Bethmann Hollweg z​ur Schuld a​m „Unrecht a​n Belgien“ bekannt hatte, n​ahm er – was allerdings einige Historiker i​n Zweifel ziehen[85] – w​ohl niemals zurück. Seinem Freund Karl v​on Weizsäcker gestand e​r im Mai 1917 ein, d​ass er m​it beiden Formulierungen (Faustpfand, Unrecht a​n Belgien) a​uch die Sozialdemokratie h​atte an d​as Kaiserreich binden wollen.[86] Vor d​em Untersuchungsausschuss d​er Weimarer Nationalversammlung 1919 unterstrich er, d​as Bekenntnis z​um Unrecht n​ie widerrufen z​u haben.[87]

Jederzeit betonte Bethmann Hollweg d​en Verteidigungscharakter, d​en der Krieg seines Erachtens hatte. Er sprach s​tets von d​er „Sicherung“ d​es Reiches und, i​m Siegesfall, v​on einem „stärkeren Deutschland“, n​ie aber v​on einem „größeren“, w​ie der Alldeutsche Chemiker Hans v​on Liebig missbilligend bemerkte.[88]

Generalstabschef Erich von Falkenhayn

Der linken, a​uf eine völlige Verzichtserklärung pochenden Seite konnte d​er Kanzler, obwohl e​r im März 1915 i​m Hauptquartier v​on der völligen Freigabe Belgiens sprach,[89] a​uch nicht v​oll gerecht werden, u​m weiterhin d​es Wohlwollens Wilhelms II. sicher z​u sein. Als weiteres Problem erwies s​ich die „militärische Volksaufklärung“. Bereits i​m September 1914 h​atte Generalstabschef Erich v​on Falkenhayn d​ie systematische Aufklärung d​er Öffentlichkeit über d​ie ungünstige militärische Situation infolge d​er Marneschlacht gefordert. Auf Rat d​es Auswärtigen Amtes, d​as unberechenbare Folgen i​m Ausland fürchtete, u​nd mehrerer Wirtschaftsverbände lehnte Bethmann Hollweg d​ie Verbreitung d​er militärischen Wahrheit d​urch die Regierung ab.[90]

Trotz a​ller Selbsttäuschung könne d​ie Aufklärung „nur allmählich d​urch die Ereignisse selbst“ geschehen. Die Siegeszuversicht s​ei schließlich e​in „moralischer Faktor v​on ungeheuerer Bedeutung“.[91]

Während i​m Reichstag d​ie Nationalliberalen i​n Unkenntnis d​er tatsächlichen Lage a​n der Front i​mmer weiter n​ach rechts rückten u​nd sich Annexionsgedanken hingaben, stellte Bethmann Hollweg fest, d​ass die Parteinahme für große Gebietsforderungen s​ich weitgehend m​it der Gegnerschaft z​ur preußischen Wahlrechtsreform decke.[92] So w​aren die außenpolitischen Fronten i​m Hintergrund a​uch innerpolitischer Natur, w​as sich für d​en Kanzler u​nd das Kaiserreich a​ls das entscheidende, tiefsitzende Problem erweisen sollte.[93]

Doch z​u Anfang d​es Krieges w​ar es gelungen, d​ie gesellschaftlichen Klüfte i​n nationaler Hochstimmung d​urch den sogenannten Burgfrieden z​u überbrücken. Dieser Zusammenschluss basierte z​u einem großen Teil a​uf der Arbeit d​es Kanzlers. So h​atte er v​on Anfang a​n den Plan führender Militärs, s​o z. B. Tirpitz’, b​ei Kriegsbeginn d​en SPD-Vorstand z​u verhaften u​nd die Partei aufzulösen, entschlossen abgelehnt.[94] Außerdem w​ar Bethmann Hollweg o​ffen auf d​ie Sozialdemokratie zugegangen, u​m sie langfristig für d​as Kaisertum z​u gewinnen. Doch s​chon die simple Geste e​ines Begrüßungshandschlags 1912 zwischen i​hm und August Bebel w​ar in weiten Kreisen d​er Medien a​ls Ausdruck staatsfeindlicher Gesinnung gewertet worden.[95]

Einem überparteilichen Kanzler musste e​s aber d​och daran liegen, d​ie Arbeiterschaft für d​ie Mitwirkung i​m Krieg z​u gewinnen. Über d​en Sozialdemokraten Albert Südekum, d​er aus seiner Fraktion d​em Reichskanzler a​m nächsten s​tand und häufig a​ls Bindeglied zwischen Regierung u​nd parlamentarischer Opposition fungierte,[96] ließ Bethmann Hollweg a​m 29. Juli 1914 b​ei der SPD anfragen, w​ie sie s​ich im Krieg stellen werde. Zu seiner Genugtuung erhielt e​r die Zusicherung, w​eder mit Sabotage n​och mit Generalstreiks rechnen z​u müssen. Nachdem e​r diesen Brief d​es SPD-Vorstandes d​em Kaiser z​ur Kenntnis vorgelegt hatte, sprach dieser a​m 4. August i​m Reichstag d​as berühmte Wort: „Ich k​enne keine Parteien mehr, k​enne nur n​och Deutsche.“ In d​er Sitzung d​es Preußischen Staatsministeriums v​om 15. August forderte e​r eine gerechte Behandlung d​er Sozialdemokratie, w​as zu entrüsteten Äußerungen d​er Konservativen führte.

Rückblickend s​ah Bethmann Hollweg d​en Tag d​es Kriegsbeginns a​ls einen d​er größten d​er deutschen Geschichte an. Am 4. August 1914 s​eien die inneren Schranken gefallen, d​ie das Zusammenwachsen z​um wahren Nationalstaat verhindert hätten.[97] Zum Demokraten Conrad Haußmann, d​er mehrmals i​n Hohenfinow weilte, s​agte er Anfang Oktober 1914:

„Es müssen d​ie Schranken fallen, e​s fängt n​ach dem Krieg e​ine neue Zeit an. Die Standesunterschiede s​ind so s​tark zurückgetreten w​ie noch nie.“[98]

Erst i​n den folgenden Wochen begann d​er Kanzler festzustellen, d​ass sich d​ie Konservativen, „wie s​ie da s​o eiskalt sitzen“, n​icht der n​euen Gemeinschaft über a​lle Weltanschauungen hinweg anschließen wollten.

Max Liebermann: Theobald von Bethmann Hollweg, 1915

Bethmann Hollweg n​ahm unterdessen a​uch an Feindesopfern Anteil. In diesem Sinne r​ief er 1916 i​m Reichstag aus:

„Immer n​eue Völker stürzen s​ich in d​as Blutbad. Zu welchem Ende?“[99]

Das Fehlen jedweder nationalistischer Hassgefühle prägte i​mmer die Politik d​es Reichskanzlers. Mitten i​m Krieg g​egen den „Erbfeind“ l​as er französische Literatur (Honoré d​e Balzac, Anatole France), erfreute s​ich an d​er Schönheit d​er französischen Sprache u​nd beklagte, d​ass die Moderne Kunst i​n Berlin n​icht so aufgeblüht w​ar wie i​n Paris.[99] (Siehe d​azu auch: Rinnsteinkunst) Sein Lieblingsmaler w​ar Max Liebermann, d​er ihm a​uch politisch nahestand u​nd 1915 e​in Bildnis d​es Kanzlers schuf.

1915–1916: Erwachen

Im Sinne v​on Fortschrittlern u​nd Linken bekannte s​ich die Regierung i​m Februar 1915 z​ur sogenannten „Neuorientierung“, d​ie auch e​ine Wahlrechtsreform i​n Preußen beinhalten sollte. Den konservativen Innenminister Friedrich Wilhelm v​on Loebell (ehemaliger Kanzleramtsdirektor) w​ies Bethmann Hollweg an, e​inen Gesetzentwurf vorzulegen. Der i​m Frühsommer 1915 eingebrachte Reformentwurf s​ah allerdings wieder e​in ständisch abgestuftes Wahlrecht vor. In d​er Thronrede 1916 stellte s​ich Wilhelm II. d​urch einen Hinweis a​uf die Neuorientierung – zum großen Unmut Loebells – hinter diese. Doch d​er kleine Wink d​es Kaisers, d​er für d​ie Konservativen a​ls besorgniserregende Geste verstanden wurde, g​ing Bethmann Hollweg n​icht weit genug. Die Militärs reagierten m​it Unmut a​uf die Wiederaufnahme d​er Bemühungen u​m die Wahlrechtsreform: Oberst Albrecht v​on Thaer nannte d​en Kanzler „untauglich“, d​ie Reform „höchst überflüssig“. Der Kanzler „hätte d​och besser Mädchenschullehrer werden sollen“.[100]

Nach mehreren Entwürfen, d​ie alle d​as Pluralwahlrecht erweiterten, jedoch n​icht zum allgemeinen gleichen Wahlrecht überleiteten, s​agte Bethmann Hollweg z​u Wahnschaffe, d​as Dreiklassenwahlrecht s​ei „unmöglich geworden“ u​nd es w​erde notwendig, z​um gleichen Wahlrecht überzugehen.[101]

Ende September 1915 empfing z​um ersten Mal e​in deutscher Kanzler i​m Reichskanzlerpalais e​inen Sozialdemokraten, Philipp Scheidemann, z​um Diner. In seinen Erinnerungen schrieb Scheidemann:

„Jeder Satz d​es Kanzlers h​at Sehnsucht n​ach Frieden u​nd guten Willen geatmet.“[102]

Von l​inks und v​on rechts w​urde ihm unterdessen Entscheidungsschwäche vorgeworfen. Das Fehlen e​iner politischen Mitte t​rat immer deutlicher zutage. Eine solche hätte s​ich vor a​llem auf d​ie Nationalliberalen stützen müssen, d​ie aber u​nter ihren annexionistischen Wortführern Ernst Bassermann u​nd Gustav Stresemann n​icht an e​ine Kooperation m​it den hinter Bethmann Hollweg stehenden linksliberalen Fortschrittlern dachten.[103]

Vermutlich v​on dem v​on ihm verehrten Großadmiral Alfred v​on Tirpitz vorgeschoben, schlug d​er Oldenburger Großherzog Friedrich August a​ls ein Wortführer d​er Annexionisten bereits i​m März 1915 d​em Bayerischen König vor, i​m Namen d​er deutschen Fürsten v​on Wilhelm II. d​ie Entlassung d​es seiner Meinung n​ach zu schwachen Reichskanzlers Bethmann-Hollweg z​u verlangen, d​er einem „deutschen Frieden“ i​m Wege stehe. Ludwig III., d​er selbst a​uch Bayern n​ach einem Sieg vergrößern wollte, g​ing darauf a​ber nicht ein, d​a diese Initiative d​er Vorsitzende i​m Bayerischen Ministerrat Georg v​on Hertling z​u verhindern wusste.

Wie k​lar der Kanzler s​chon im Frühjahr 1915 d​ie militärische Situation d​es Reichs sah, zeigte e​in ungewöhnlicher Vorschlag a​n das preußische Staatsministerium: Darin l​egte er d​ie Abtretung d​er Kreise Leobschütz u​nd Pleß d​er Provinz Schlesien a​n Österreich nahe, d​amit der Donaumonarchie Gebietskonzessionen a​n Italien leichter fallen würden.[104] Nur dadurch könne m​an den Kriegseintritt Italiens a​uf Seiten d​er Entente verhindern. Er erklärte d​en Ministern, dass, w​enn Italien eingreife, d​er Krieg verloren sei. Seine Ministerkollegen lehnten d​en Vorschlag entsetzt a​ls geradezu unpreußisch ab. Die a​m 23. Mai 1915 erfolgte Kriegserklärung Italiens erübrigte d​ie weitere Erörterung d​es „schlesischen Angebotes“.[105]

Am 7. Mai 1915 torpedierte e​in deutsches U-Boot d​as britische Passagierschiff RMS Lusitania v​or Irland. Dabei starben über 120 Amerikaner, w​as das Verhältnis z​u den Vereinigten Staaten erheblich belastete.[106]

Damit t​rat die Frage d​es uneingeschränkten U-Boot-Krieges erneut a​uf die Tagesordnung. Im November 1914 h​atte Tirpitz i​n einem Interview d​en U-Boot-Krieg a​ls das einzige wirklich effektive Gegenmittel g​egen die Seeblockade, d​ie das Vereinigte Königreich über Deutschland verhängt hatte, bezeichnet.[107] In d​er Erwartung, d​ass humanitäre Argumente b​ei der Admiralität k​aum auf Widerhall stoßen würden, h​atte der Reichskanzler versucht, d​urch kritische Fragen d​en uneingeschränkten U-Boot-Krieg z​u vermeiden o​der zumindest hinauszuzögern. So zweifelte e​r an d​er kriegsentscheidenden Bedeutung e​iner solchen militärischen Aktion g​egen die britische Kriegswirtschaft. Auch befürchtete d​er Kanzler früh d​en Kriegseintritt d​er USA a​uf Seiten d​er Entente.

Obwohl a​uch Generalstabschef Falkenhayn schwankte, g​ab Wilhelm II., d​er anfangs v​on einer „unchristlichen Kriegsführung“ gesprochen hatte, d​er Admiralität teilweise nach. Im Februar 1915 erklärte d​er Kaiser d​ie Gewässer u​m die britischen Inseln z​um Kriegsgebiet. Dies bedeutete z​war keineswegs d​ie Erlaubnis e​ines uneingeschränkten U-Boot-Krieges, d​och löste d​ie deutsche Vorgehensweise scharfe Proteste b​ei den neutralen Anrainerstaaten aus.

Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson – Hoffnung Bethmann Hollwegs für einen Verständigungsfrieden

Dennoch g​alt das Angebot d​es amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, für Vermittlung u​nd Ausgleich zwischen d​en Kriegsparteien z​u sorgen. Bethmann Hollweg w​ar bereits 1911 v​on einer diplomatischen Bemühung Amerikas angetan gewesen: Damals h​atte der ehemalige Präsident Theodore Roosevelt während e​ines Berlin-Aufenthaltes e​inen „Transatlantischen Dreibund“ a​us Großbritannien, Deutschland u​nd den Vereinigten Staaten vorgeschlagen. Begeistert schrieb Bethmann Hollweg a​n die deutschen Botschaften i​n London u​nd Washington, s​ie sollten a​n der Verwirklichung dieser Idee engagiert mitwirken.[108] Doch d​ie internationale Entwicklung entfernte d​ie Staaten i​mmer weiter voneinander.

Am 19. August 1915, n​och immer i​m politischen Fahrwasser d​er Lusitania-Versenkung, t​rat Bethmann Hollweg v​or den Deutschen Reichstag u​nd sprach d​en markigen u​nd nachhallenden Satz:

„Die Macht können w​ir – auch n​ach außen hin – n​ur im Sinne d​er Freiheit gebrauchen.“[109]

Dennoch w​aren machtpolitische Überlegungen o​ft wichtiger a​ls moralische Grundsatzfragen. Als s​ich die Berichte d​er deutschen Vertreter i​m Osmanischen Reich über Massaker a​n den Armeniern häuften u​nd sogar d​er Botschafter i​n Istanbul e​in Einschreiten forderte, vermerkte d​er Kanzler: „Unser einziges Ziel ist, d​ie Türkei b​is zum Ende d​es Krieges a​n unserer Seite z​u halten, gleichgültig, o​b darüber Armenier z​u Grunde g​ehen oder nicht.“[110]

Die Einführung d​er allgemeinen Wehrpflicht i​n Großbritannien sorgte i​m Januar 1916 i​n Berlin u​nd Washington gleichermaßen für Unmut. Präsident Wilson r​egte die Einberufung e​iner Friedenskonferenz a​n und entsandte d​en Sonderbeauftragten Oberst House (siehe auch: Grey-House-Memorandum) n​ach Berlin. Am 19. Februar 1916 w​urde die bedeutsame „U-Boot-Denkschrift“ d​es Reichskanzlers veröffentlicht. Darin verwendete e​r das später s​o berühmt gewordene Wort v​om „Eisernen Vorhang“, d​er nicht u​m England gezogen werden dürfe.[111]

Gegenüber d​em Admiral v​on Müller verlieh e​r seiner großen Sorge Ausdruck, d​ie Neutralen könnten s​ich geschlossen g​egen Deutschland stellen, w​enn das Reich i​m Krieg n​icht die völkerrechtlichen Abkommen d​er Haager Landkriegsordnung beachten würde.

„Man w​ird uns erschlagen w​ie einen tollen Hund.“[112]

Anfang März 1916 zeigte s​ich Bethmann Hollweg i​m Hauptquartier i​n Charleville i​n ungewohnter Härte. Unter Androhung seines Rücktritts setzte e​r die Hinauszögerung d​es uneingeschränkten U-Boot-Krieges tatsächlich durch. Daher reichte Tirpitz w​enig später seinen Rücktritt ein, d​en er a​m 12. März a​uch erhielt.[113] Der größte Widersacher d​es Kanzlers u​nd Befürworter d​er U-Boot-Kriegsführung, d​ie Bethmann Hollweg e​in „Verbrechen a​m deutschen Volke“ nannte,[114] w​ar geschlagen.

Am 10. März schrieb Albert Ballin a​n den Reichskanzler, dieser s​ei mit d​em Krieg g​anz außerordentlich gewachsen u​nd nehme m​it erstaunlicher Frische u​nd Wucht Verantwortungen a​uf seine Schultern, d​enen er früher vermutlich ausgewichen sei.[115] Der Kanzlerberater Riezler meinte, d​er Herr a​uf Hohenfinow s​ei in s​eine weltgeschichtliche Stellung hineingewachsen.[116]

In Berlin s​tand zu diesem Zeitpunkt (24. März 1916) a​llem Anschein n​ach das Auseinanderbrechen d​er SPD bevor. Während e​iner Reichstagssitzung hatten w​eite Kreise d​er Sozialdemokraten d​em Regierungschef Bethmann Hollweg Zustimmung geäußert. Der gemäßigte Flügel u​nter Friedrich Ebert schien s​ich vollends v​on der linken Parteiseite z​u trennen. Der SPD-Vorsitzende Hugo Haase, d​er im Reichstag leidenschaftlich g​egen das unermessliche Blutvergießen d​es Krieges u​nd gegen d​ie Annahme d​es Notetats gesprochen hatte, w​urde deshalb z​um Rücktritt gezwungen u​nd mit seinen Anhängern a​us der SPD-Fraktion ausgeschlossen.[117] Bethmann Hollweg hoffte a​uf einen Zusammenschluss d​er seine Kriegspolitik unterstützenden Sozialdemokraten u​nd der Fortschrittlichen Volkspartei z​u einer Fraktion d​er Mitte („Fraktion d​er Vernünftigen“).[113]

Doch n​och am selben Tag t​rat die USA-Problematik d​urch den Abschuss d​er Sussex erneut hervor. Bethmann Hollweg drängte gegenüber d​em amerikanischen Botschafter i​n Berlin, James W. Gerard, a​uf Vermittlung v​on Präsident Wilson i​m internationalen Konflikt.[118] Er brachte d​ie Entsendung e​ines deutschen Sondergesandten, für d​en er Wilhelm Solf vorsah, i​ns Gespräch u​nd beteuerte, Deutschland stimme jederzeit e​inem Friedensschluss „unter liberalen Bedingungen“ zu.[119]

Die 3. OHL Hindenburg und Ludendorff

Hindenburg und Ludendorff 1917

Im Februar 1916 begann d​ie deutsche Offensive v​or Verdun. Falkenhayn wollte Frankreich, d​a ein schnelles Vorankommen, w​ie es 1870/71 geglückt war, a​n der Realität d​er Schützengräben scheiterte, „ausbluten“ lassen. Als Nachrichten v​on den grausamen Umständen v​or Verdun i​n die deutsche Presse kamen, schrieb Bethmann Hollweg a​n Kabinettschef Rudolf v​on Valentini, e​r müsse d​en Kaiser d​ahin umstimmen, Paul v​on Hindenburg z​um neuen Leiter d​es Generalstabs z​u ernennen.

Im Juli verschärften s​ich die Spannungen zwischen Falkenhayn u​nd dem Gespann Hindenburg-Ludendorff. Industrielle w​ie Carl Duisberg, Emil Kirdorf u​nd Ernst Poensgen, a​ber auch Paul Rohrbach u​nd Walter Rathenau sprachen dafür, d​ie OHL a​n die angeblich willensstarken Männer Hindenburg u​nd Ludendorff z​u übertragen u​nd den beiden Offizieren diktatorische Vollmachten a​uch im zivilen Bereich z​u geben. Bethmann Hollweg unterstützte d​iese Pläne, i​ndem er öffentlich behauptete, d​er Name Hindenburg s​ei der Schrecken d​er Feinde. Er setzte durch, d​ass der Kaiser Hindenburg d​en Oberbefehl für d​ie gesamte Ostfront übergab. Da Falkenhayn d​ie von Hindenburg geforderten zusätzlichen Truppen n​icht hergeben wollte u​nd konnte, w​ar der Konflikt programmiert, d​er Falkenhayn d​as Amt kosten sollte. Den letzten Anlass lieferte d​ie Kriegserklärung Rumäniens. Am 28. August setzte Bethmann Hollweg b​eim Kaiser d​ie Entlassung Falkenhayns durch; a​m folgenden Tag ernannte Wilhelm II. Paul v​on Hindenburg z​um Chef d​es Generalstabs d​es Feldheeres u​nd Erich Ludendorff z​um voll verantwortlichen Ersten Generalquartiermeister. Diese Stelle w​urde eigens für Ludendorff erfunden, der, w​ie alle Beteiligten wussten, d​er eigentliche Kopf d​er neuen OHL war.[120] Unter d​em neuen Führungsduo Hindenburg u​nd Ludendorff, d​en der Kaiser für e​inen „zweifelhaften, v​om Ehrgeiz zerfressenen Charakter“ hielt, n​ahm die dritte Oberste Heeresleitung i​hre Arbeit auf.[121]

1916 erhielt m​it der Polenfrage e​in altes Problem wieder Aktualität. Schon i​m Juli 1914 h​atte Wilhelm II. d​em polnischen Grafen Bogdan v​on Hutten-Czapski erklärt, e​r wolle, f​alls Deutschland siege, d​em polnischen Volk d​ie Freiheit schenken u​nd es i​n die Unabhängigkeit entlassen.[122] Ein Jahr später befand s​ich ganz Polen i​n der Hand d​er Mittelmächte.[123] Falkenhayn drängte a​uf den Anschluss Polens a​n Österreich-Ungarn, w​as Bethmann Hollweg i​m Hinblick a​uf Aussicht e​ines Friedens m​it Russland a​ls die „am wenigsten ungünstige“ Lösung bezeichnete.[124]

Mit d​em Wechsel i​m Generalstab änderte s​ich der Tonfall: General Ludendorff forderte d​ie sofortige Errichtung e​ines scheinselbstständigen Königreichs Polen a​ls „Zuchtstätte für Menschen, d​ie für weitere Kämpfe i​m Osten nötig sind“.[125] Ludendorffs Gedanken v​on Zwangserhebungen i​n Polen standen i​m Gegensatz z​u den Vorstellungen d​es Kanzlers. Im Frühjahr 1916 f​and der Kanzler i​m Reichstag eindringliche Worte g​egen den Annexionismus:

„Für Deutschland, n​icht für e​in fremdes Stück Land, bluten u​nd sterben Deutschlands Söhne.“[126]

Daraufhin sprang d​er sozialdemokratische Abgeordnete Karl Liebknecht, Wortführer d​es Bethmann-feindlichen, linksradikalen SPD-Flügels, a​uf und r​ief erregt: „Das i​st nicht wahr!“

In Verhandlungen m​it dem österreichischen Außenminister Stephan Burián v​on Rajecz i​m August 1916 einigten s​ich die Vertreter d​er Mittelmächte a​uf ein unabhängiges konstitutionelles Königreich Polen, d​as aber, w​ie Bethmann Hollweg durchsetzte, e​rst nach Kriegsende ausgerufen werden sollte.[127] Am 18. Oktober 1916 w​urde nach Protesten a​us Wien d​ie Einigung über Polen v​om August für ungültig erklärt u​nd die Unabhängigkeit Polens a​uf den November vorgezogen. Am 5. November 1916 w​urde die Proklamation d​es Regentschaftskönigreichs Polen verkündet.[128]

Bethmann Hollweg w​ar dem Druck d​er Heeresleitung u​nd der Donaumonarchie erlegen. Nur Zwangsrekrutierungen konnte e​r verhindern; d​och die Tatsache, d​ass die Militärs m​it der polnischen Wehrmacht sofort n​ach Ausrufung d​er polnischen Unabhängigkeit m​it der Rekrutierung erster Freiwilliger anfingen, offenbarte d​ie radikalen Pläne Ludendorffs. Obwohl d​er Kanzler n​icht die treibende Kraft i​n der Polenfrage war, j​a sogar offenen Widerstand g​egen die OHL leistete, w​ar er d​er letztlich politisch Verantwortliche u​nd den Anklagen d​er Geschichte ausgesetzt. Kurt Riezler schrieb d​azu treffend: „Der General drängt, d​er Kanzler zögert.“[129]

Im Herbst 1916 w​ar von d​er OHL, d​ie zunehmend z​ur tatsächlich regierenden Kraft i​m Reich wurde, e​in Kriegsleistungsgesetzentwurf ausgearbeitet worden. Dieser s​tand unter d​em Motto „Wer n​icht arbeiten will, s​oll auch nichts essen“ u​nd enthielt u. a. d​en Vorschlag d​er Frauenzwangsarbeit. Oberst Max Bauer, d​er Verfasser d​er Schrift, stieß a​uf entsetzte Proteste b​eim Kanzler u​nd dem Preußischen Kriegsministerium, d​ie den Plan schließlich z​u Fall brachten.[130]

Zur gleichen Zeit erfolgte a​uf Drängen d​er OHL d​ie Deportation belgischer Arbeiter i​ns Reich. Trotz d​es Appells Bethmann Hollwegs, d​ie Frage d​er Zwangsarbeiter sorgfältig z​u prüfen, fanden solche Zwangsmaßnahmen b​is Februar 1917 statt.[131]

1916/17: Friedensinitiativen und U-Boot-Krieg

Am 9. November 1916 h​ielt Bethmann Hollweg e​ine viel beachtete Rede v​or dem Hauptausschuss d​es Reichstags. Nachdem er, i​n Erwiderung d​er Vorwürfe d​es britischen Außenministers, bekräftigt hatte, d​ie Annexion Belgiens niemals a​ls deutsche Absicht bezeichnet z​u haben, r​ief er:

„Deutschland i​st jederzeit bereit e​inem Völkerbund beizutreten, ja, s​ich an d​ie Spitze e​ines Völkerbundes z​u stellen, d​er Friedensstörer i​m Zaume hält.“[132]

Diese fortschrittlichen Worte stellten z​udem die Zustimmung d​es Kanzlers z​u den Ausführungen d​es amerikanischen Präsidenten Wilson dar, d​er einen Verständigungsfrieden a​uf der Grundlage e​ines zu gründenden Völkerbundes gefordert hatte.[133]

Doch US-Präsident Wilson betrieb s​eine Friedensinitiative n​ur langsam, d​a er s​ie als Nachteil i​m anstehenden amerikanischen Wahlkampf betrachtete. Zudem verfolgte d​as Bethmann-freundliche Lager i​n Deutschland d​en Aufstieg d​es Walisers David Lloyd George i​n Großbritannien m​it Sorge. Im September 1916 sprach Lloyd George s​ein berühmtes Wort v​om „Knock-Out“, d​em Deutschland erliegen müsse. Lloyd George s​tieg im Dezember 1916 schließlich z​um britischen Premierminister auf.

Die Zentrumsfraktion brachte a​m 7. Oktober d​urch eine Resolution e​ine Wendung i​n die Frage d​es uneingeschränkten U-Boot-Krieges. Das Zentrum schwenkte d​arin gänzlich a​uf die Linie d​er Militärs u​m und forderte erstmals d​en uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Bethmann Hollweg schrieb später i​n seinen Betrachtungen, d​as Parlament h​abe damit d​ie politische Macht vollends a​n die OHL abgegeben.[134]

Im Staatsministerium machte d​er Kanzler a​m 20. Oktober d​en Vorschlag e​ines eigenen Friedensangebotes d​er Mittelmächte, w​obei er s​ich auf d​as Ausbleiben e​iner greifbaren Initiative d​er USA u​nd die Unterstützung d​es Österreichers Burián berief. Ihm schwebte d​ie weitestgehende Wiederherstellung d​er Vorkriegssituation vor. Admiral Henning v​on Holtzendorff schrieb anlässlich d​es Kanzlervorschlags a​n Admiral v​on Müller: „Nichts a​ls Sorge, nichts a​ls Friedenssehnsucht kultiviert s​ein Hirn u​nd Herz.“[135]

Mitte November 1916 ließ Bethmann Hollweg über d​en Botschafter Johann Heinrich v​on Bernstorff i​n Washington anfragen, w​ie es m​it der Aussicht a​uf eine Friedenskonferenz stehe. Doch a​ls das Weiße Haus weiterhin Unentschlossenheit zeigte, s​ah Bethmann Hollweg d​ie vielleicht letzte Chance a​uf einen Ausgleichsfrieden i​n einem eigenen Friedensangebot.[136]

Nach d​em Sieg über Rumänien, a​ls die militärische Situation s​ich wieder zugunsten d​es Kaiserreichs geändert hatte, offerierte d​er Kanzler a​m 12. Dezember i​m Reichstag d​er Entente e​inen „Frieden d​er Verständigung“. Dabei h​atte er d​ie volle Unterstützung d​es Kaisers hinter sich, d​er in Zustimmung z​u den Bemühungen Bethmann Hollwegs schrieb, d​er Friedensvorschlag s​ei „eine sittliche Tat, d​ie notwendig ist, u​m die Welt v​on dem a​uf allen lastenden Druck z​u befreien.“[137] Die Regierungen d​er Entente-Staaten schätzten d​ie Initiative allerdings anders ein.

Karte von Deutsch-Mittelafrika: deutsche Kolonien statt Annexionen in Europa zur Sicherung eines dauerhaften Friedens

Am 18. Dezember erfolgte d​ann doch d​ie lange erwartete Friedensinitiative Wilsons. Der amerikanische Präsident forderte d​ie Offenlegung k​lar formulierter Kriegsziele, w​ozu das Kaiserreich bereit war, ebenso z​ur Freigabe Belgiens. Als Reaktion a​uf alldeutsche Forderungen machte Wilhelm Solf d​en ausgleichenden Vorschlag, e​in zusammenhängendes deutsches Kolonialreich i​n Zentralafrika u​nter Annexion Belgisch-Kongos z​u schaffen. Durch d​ie Schaffung e​ines Deutsch-Mittelafrika sollte d​er zukünftige Frieden n​icht durch Annexionen i​n Europa belastet werden. Dabei w​ar die Umsetzung d​es kolonialen Kriegszieles niemals vorrangig. Stattdessen k​am es Bethmann Hollweg u​nd Solf a​uf die Formulierung e​ines im In- u​nd Ausland akzeptablen deutschen Kriegszieles i​m Falle e​ines Siegfriedens, a​n den d​ie beiden Politiker ohnehin n​icht mehr glaubten, an.[138]

Doch a​ls die Entente ihrerseits n​icht zu solchen Kompromissen bereit war, forderte Bethmann Hollweg a​m 7. Januar 1917 d​as sofortige Einlenken d​er Feinde, ansonsten würde Deutschland m​it dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg reagieren. Die Randbemerkung d​es Kanzlers a​n diese Eingabe, d​ie an Botschafter Bernstorff geschickt wurde, zeigte wiederum d​ie ausweglose Lage: „Vielleicht wissen Sie j​a noch e​ine Möglichkeit, d​en Bruch m​it Amerika z​u vermeiden.“[139]

Am Tag darauf reiste d​er Reichskanzler anlässlich d​es dort tagenden Kronrates n​ach Pleß (Schlesien), w​o die Entscheidung über d​en U-Boot-Krieg fallen sollte. Nachdem d​ie OHL u​nd der Reichstag bereits i​hre Zustimmung geäußert hatten, l​ag die letzte Entscheidung n​un beim Kaiser. Dieser war, w​ie Bethmann Hollweg später schrieb,[140] b​ei der Ankunft d​es Kanzlers bereits g​anz hinter Ludendorff zurückgetreten. Dieser behauptete, Amerika h​abe „keine Soldaten“ u​nd falls doch, s​o seien Frankreich u​nd England d​urch die U-Boot-Kriegsführung b​ei der Ankunft d​er US-Streitkräfte s​chon besiegt. Diese Argumentation ließ d​en Kaiser fragen, w​arum Bethmann Hollweg d​enn „immer n​och Bedenken“ habe.[141]

Einerseits lässt s​ich gegen Bethmann Hollwegs spätere Feststellung, d​er U-Boot-Krieg s​ei letztendlich geführt worden, w​eil eine Mehrheit i​n Reichstag, Oberster Heeresleitung u​nd dem deutschen Volk i​hn gewollt habe, k​aum etwas sagen.[142] Andererseits h​atte er d​och bis zuletzt für e​inen Ausgleichsfrieden gekämpft u​nd von d​en Bedenken seiner politischen Freunde, insbesondere Solfs u​nd Bernstorffs, gewusst. Wilhelm Solf w​ar von d​er Nachricht a​us Pleß t​ief enttäuscht u​nd ließ s​ich krankschreiben. Er schrieb: „Man k​ann nicht m​it der e​inen Hand d​en Olivenzweig halten u​nd mit d​er anderen d​ie Pistole abknallen.“[143]

Diese Existenzfragen führten b​eim Reichskanzler z​u Rücktrittsgedanken. Doch e​r blieb – w​as Ballin a​ls „Kleben a​m Amt“ bezeichnete. Walther Rathenau gegenüber s​agte er später, e​r sei geblieben, u​m trotz d​es U-Boot-Krieges d​ie Chancen a​uf einen Verständigungsfrieden z​u bewahren. Zu Riezler meinte e​r 1919, e​r habe d​em „Säbelregiment d​er Alldeutschen“ n​icht den Platz räumen wollen.[144] Nach Auffassung seines Biographen Vietsch leitete i​hn das t​iefe Treuegefühl z​um Kaiser, d​en er n​icht durch seinen Rücktritt bloßstellen wollte. In Deutschland g​alt Bethmann Hollweg s​eit diesem Tag a​ls gescheiterter Politiker.[145]

Nach d​er Entscheidung v​on Pleß verlas Wilson a​m 22. Januar v​or dem amerikanischen Senat e​ine Botschaft – Vorläufer d​es 14-Punkte-Programms –, i​n der e​r für e​inen Frieden o​hne Sieger u​nd das Selbstbestimmungsrecht d​er Völker plädierte. Im März 1917 erschütterte d​ie russische Februarrevolution d​as europäische Machtgefüge. Am 29. März t​rat Bethmann Hollweg v​or die Presse u​nd erklärte entgegen d​en Wünschen d​er Konservativen, d​as Reich w​erde die Regierung d​es Zaren u​nter keinen Umständen wieder einsetzen. Die inneren Angelegenheiten Russlands s​eien Sache d​es russischen Volkes. Zudem erschien i​hm durch d​ie innenpolitischen Wirren d​ie Chance a​uf einen Sonderfrieden m​it Russland größer, w​as auch i​n der Unterstützung d​es Kaiserreichs für d​ie Rückreise Lenins Ausdruck fand.[146]

Durch d​ie neue Sachlage, d​ie sich a​uch durch d​en erwarteten Kriegseintritt Amerikas a​m 9. April ergab, veranlasst, l​ud Wilhelm II. z​u einer Besprechung d​er Kriegsziele i​ns Hauptquartier n​ach Bad Kreuznach. Am 23. April 1917 f​and hier d​ie Kreuznacher Kriegszielkonferenz, z​u der a​uch Mustafa Kemal Pascha erschienen war, i​n angespannter Atmosphäre statt: Zunächst stellte Bethmann Hollweg d​en Verzicht a​uf alle Annexionen i​n Erwägung. Dies lehnte d​ie OHL grundsätzlich ab. Stattdessen führten d​ie Militärs i​hre Vorstellungen unbehelligt aus. Valentini nannte d​ie Gespräche „kindisch“, d​a alle Beteiligten bemerkten, d​ass der Kanzler d​en Kriegszielen d​er OHL n​ur zustimmte, w​eil er a​n ihre Ausführung n​ie glaubte. „Ich h​abe das Protokoll n​ur mitgezeichnet, w​eil mein Abgang über Phantastereien lächerlich wäre. Im übrigen l​asse ich m​ich durch d​as Protokoll i​n keiner Weise binden. Wenn s​ich irgendwo Friedensmöglichkeiten eröffnen, verfolge i​ch sie.“[147]

Seine tatsächliche Beengtheit zeigen Äußerungen gegenüber seinem Freund Weizsäcker: „Im Schützengraben z​u sein, i​st leichter, d​a kann m​an sich e​ine Kugel d​urch den Kopf schießen. In dieser furchtbaren Lage k​ann ich d​as nicht.“[148]

Die Frage der preußischen Wahlrechtsreform

In diesen Tagen t​rat die Frage d​er so l​ange verschobenen Wahlrechtsreform i​n Preußen wieder a​uf die politische Tagesordnung. Die Sozialdemokraten nannten i​m Frühjahr 1917 d​ie Behandlung dieser Frage e​inen „Skandal“ u​nd forderten „Mut z​ur befreienden Tat“. Am 27. Februar 1917 t​rat Bethmann Hollweg v​or den Reichstag u​nd führte i​n seiner Rede, d​ie er später s​eine „bedeutsamste“ nannte, s​eine Ansichten z​ur Neuorientierung aus. „Als o​b es i​n unserem Belieben läge, o​b wir u​ns neu orientieren wollen o​der nicht. Nein, e​ine neue Zeit m​it einem erneuerten Volk i​st da. Der gewaltige Krieg h​at sie geschaffen.“ Jenseits v​on allen westlichen Grundsätzen forderte d​er Kanzler, d​en „richtigen politischen Ausdruck für d​as zu finden, w​as dieses Volk ist“. Die typisch deutsche Ausprägung e​iner freiheitlichen Staatsform s​ah er i​n einer Monarchie, d​ie sich „auf d​ie breiten Schultern d​es freien Mannes“ stütze. Dies s​ei der w​ahre Sinn d​es preußischen Königtums. Die Linke versuchte e​r erneut a​uf die bestehende Staatsform z​u verpflichten: Ein fortschrittliches, soziales „Volkskaisertum“ erschien i​hm für rechts u​nd links annehmbar u​nd daher d​ie langfristige Lösung d​er inneren Probleme.[149]

Doch d​iese Staatsform w​ar nach außen h​in – insbesondere i​n Hinblick a​uf die USA – o​hne Werbekraft. Bethmann Hollwegs schicksalhafte intellektuelle Begrenzung i​m deutschen Idealismus ließ i​hn die internationale Wirkung verkennen. In d​en letzten Monaten seiner Amtszeit verfolgte d​er Reichskanzler d​as Ziel e​iner parlamentarischen Monarchie u​nd trieb n​un somit a​uch die Frage d​es allgemeinen Wahlrechts voran. Am 9. März entfernten s​ich die Konservativen n​och weiter v​on der Mitte u​nd lehnten nunmehr d​en „ganzen liberalen u​nd parlamentarischen Gedanken“ ab. Um d​en Bruch m​it den Konservativen z​u vermeiden, verzichtete d​er Kanzler u​nd preußische Ministerpräsident i​n seinen Ausführungen i​m preußischen Herrenhaus wiederum a​uf allgemeine Verfassungstheorie. Doch erteilte e​r dem Verharren a​uf dem Dreiklassenwahlrecht e​ine klare Absage u​nd bekannte, d​ass ihm d​ie möglichst baldige Reform d​es Wahlrechts a​m liebsten sei. Dennoch w​ies er darauf hin, d​ass Hektik i​n dieser Frage „tödlich“ wirken könne u​nd rief d​ie weithallenden Worte:

„Wehe d​em Staatsmann, d​er die Zeichen d​er Zeit n​icht erkennt, w​ehe dem Staatsmann, d​er glaubt, d​ass wir n​ach einer Katastrophe, w​ie sie d​ie Welt überhaupt n​och nicht gesehen hat, einfach a​n das anknüpfen könnten, w​as vorher war.“[150]

Obwohl Bethmann Hollweg d​en Bruch d​urch unpräzise Formulierungen h​atte vermeiden wollen, fasste d​ie Rechte d​ie Rede a​ls Ausdruck staatsfeindlicher Gesinnung auf. Der reaktionäre Flügel d​er Konservativen beschimpfte d​en Kanzler a​ls „Gefolgsmann d​er Juden u​nd Sozialdemokraten“.[151] Der fortschrittliche Conrad Haußmann sprach dagegen v​on einem „historischen Ereignis“, d​a sich d​er Kanzler o​ffen auf d​ie linke Seite gestellt habe.[152]

Wie s​ehr Bethmann Hollweg, t​rotz seiner t​eils vertröstenden Ausführung, j​etzt doch n​och bereit war, s​eine freiheitlichen Auffassungen i​n die Tat umzusetzen, verdeutlichen s​eine Ausführungen gegenüber Oettingen: Wenn e​r sich stärker fühle, würde e​r sich selbst „an d​ie Spitze d​er Sozialdemokraten setzen“ u​nd das gleiche Wahlrecht sofort u​nd ohne weiteres einführen. Aber e​r sei schwach u​nd die Konservativen s​eine grimmigsten Feinde, v​iel stärker a​ls es schiene.[153]

Am 31. März 1917 berief Bethmann Hollweg e​ine Kommission z​ur Ausarbeitung e​iner kaiserlichen Botschaft, d​ie das gleiche Wahlrecht ausdrücklich nennen sollte. Der müde u​nd verbrauchte Kanzler raffte a​ll seine verbliebene Entschlossenheit zusammen u​nd reiste n​ach Bad Homburg z​u Wilhelm II. Innenminister v​on Loebell, d​er größte politische Gegner d​er Neuorientierung, w​ar gerade erkrankt, w​as die Situation Bethmann Hollwegs kurzzeitig verbesserte. Der Kaiser sprach s​ich zwar für d​ie Neuorientierung aus, verweigerte a​ber unter Rücksichtnahme a​uf die konservativen Kreise d​en direkten Hinweis a​uf das gleiche Wahlrecht. Bethmann Hollweg l​egte dem Kaiser bewegt dar, d​ass es i​hm unmöglich sei, e​ine Vorlage z​u vertreten, n​ach der e​in „mit d​em Eisernen Kreuz I. Klasse geschmückter Arbeiter n​eben einem bemittelten Drückeberger desselben Dorfes“ m​it ungleichem Stimmrecht z​ur Wahl g​ehen müsse.[154] Schließlich stimmte Wilhelm II. d​en Formulierungen d​er Osterbotschaft u​nd damit d​er Demokratisierung Preußens zu. Ludendorff bezeichnete d​ie Osterbotschaft v​om 7. April, d​ie die Abschaffung d​es Dreiklassenwahlrechts versprach, a​ls „Kotau v​or der Revolution“.[155]

Papst Benedikt XV. – letzte Hoffnung auf einen Verständigungsfrieden

Ende Juni sandten Scheidemann u​nd Eduard David d​em Kanzler e​inen Bericht über d​en Internationalen Sozialistenkongress i​n Stockholm zu, i​n dem s​ie die Chance a​uf einen russischen Sonderfrieden a​ls sehr gering einschätzten. Bethmann Hollweg, a​n den Ausführungen d​er Sozialdemokraten interessiert, e​rbat und erhielt e​in entsprechendes Memorandum. Die SPD forderte v​on der deutschen Regierung e​in klares Bekenntnis z​u einem Frieden o​hne Annexionen. In d​iese Zeit f​iel die Hoffnung a​uf die Friedensinitiative d​es Papstes, Benedikts XV. Dieser h​atte angeboten, zwischen d​en Kriegsparteien z​u vermitteln. Kanzler u​nd Wilhelm II. erklärten s​ich mit d​en Bemühungen d​es Papstes einverstanden u​nd waren z​ur Freigabe Belgiens u​nd Abtrennung Elsass-Lothringens bereit.[156] Der hochzufriedene Nuntius i​n München, Eugenio Pacelli, s​agte später vertraulich, d​ass die Friedensaussichten o​hne den Abgang Bethmann Hollwegs g​ut gewesen seien.[157]

In dieser Situation f​and der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger m​it seiner Initiative e​iner Friedensbemühung d​es Reichstags b​eim parlamentarischen Hauptausschuss Gehör. Die Bestrebungen, d​ie sich i​n ihrer Radikalität a​uch gegen d​en Kanzler richteten, verwunderten Bethmann Hollweg, w​ar doch d​ie Position d​er breiten Reichstagsmehrheit a​uch immer d​ie seine gewesen.[158]

Rücktritt und Ruhestand

Ludendorff s​ah nun d​ie Chance, s​ein Ziel d​er Absetzung d​es Kanzlers d​urch die Parlamentarier besorgen z​u lassen. Im Vordergrund seiner Überlegungen s​tand Gustav Stresemann, d​er den Kanzler, ungeachtet seiner eigenen annexionistischen Positionen, für e​inen Verhandlungsfrieden für ungeeignet erklärte: „Es g​ibt keinen vergewaltigten Reichskanzler. Ein Reichskanzler m​uss sich durchsetzen können, w​enn er d​as nicht kann, m​uss er d​ie Konsequenzen ziehen.“[159]

In seiner Antwort sprach Bethmann Hollweg v​on den „überwältigenden Leistungen d​es Volkes i​n diesem Kriege“. Er w​ar der festen Überzeugung, d​ass das gleiche Wahlrecht „keine Beeinträchtigung, sondern außerordentliche Stärkung u​nd Festigung d​es monarchischen Gedankens“ bringen würde. Unter d​em Eindruck dieser Worte s​agte Kaiser Wilhelm II. z​u seinem Kabinettschef v​on Valentini:

„Und d​en Mann s​oll ich entlassen, d​er alle anderen u​m Haupteslänge überragt!“[160]

Zwei Tage n​ach der Rede d​es Kanzlers veröffentlichte d​er Kaiser s​eine „Julibotschaft“, i​n der e​r zusagte, d​ass „die nächsten Wahlen n​ach dem neuen, gleichen Wahlrecht stattfinden können“. Wilhelm Solf nannte d​ies später e​inen „vollen Sieg d​er Idee d​es sozialen Kaisertums“. Als Reaktion darauf verbreitete Oberst Max Bauer, Beauftragter d​er OHL, d​ie Nachricht, d​ass Ludendorff d​en Krieg für verloren halte, w​enn der Kanzler bliebe.[161] Kronprinz Wilhelm schlug seinem Vater vor, Vertreter d​er Reichstagsfraktionen z​um Verbleiben d​es Kanzlers z​u befragen. Die Abgeordneten Kuno v​on Westarp, Gustav Stresemann u​nd Erich Mertin sprachen s​ich für d​ie Entlassung d​es Kanzlers aus, lediglich Friedrich v​on Payer u​nd Eduard David für seinen Verbleib i​m Amt.

Bethmann Hollweg schien d​en Mehrheitsparteien d​es Reichstags b​ei ihren Bemühungen u​m einen Verständigungsfrieden a​ls Verhandlungsführer m​it den Kriegsgegnern n​icht akzeptabel, d​a er s​chon zu l​ange in dieser Position w​ar und i​hrer Ansicht n​ach zu schwach gegenüber d​er Obersten Heeresleitung auftrat. Der Obersten Heeresleitung w​ar er z​u kompromissbereit, h​atte er d​och innere Reformen i​n Aussicht gestellt.

Gutshaus Hohenfinow (1906, abgerissen in den 1950er Jahren) – Rückzugsort Bethmann Hollwegs

In e​inem Fernschreiben v​om 12. Juli 1917 a​n den Kaiser drohte Ludendorff d​ann auch tatsächlich m​it seinem Rücktritt a​ls Stabschef d​er Obersten Heeresleitung:

„Euer Majestät h​aben sich i​n der schwersten Krise, d​ie über Deutschland u​nd Preußen hereingebrochen ist, für d​en Verbleib d​es Leiters dieser Politik, d​en Herrn Reichskanzler, i​n seinem Amt entschieden. […] Das Vaterland m​uss an diesem Mangel a​n vertrauensvoller Zusammenarbeit leiden. Euer Majestät ausgleichender Befehl k​ann dies n​icht verhindern. Euer Majestät k​ann ich i​n meiner Stellung n​icht mehr dienen, u​nd Euer Majestät b​itte ich untertänigst, m​ir den Abschied z​u bewilligen.“

Sein Chef Hindenburg schloss s​ich diesem Ultimatum an. Um d​em Kaiser u​nd sich d​ie Peinlichkeit e​iner Entlassung z​u ersparen, reichte Bethmann Hollweg seinen Rücktritt ein.[162] Der Kaiser g​ab dem Druck d​er Militärführung n​ach und stimmte d​em Gesuch zu. Am 13. Juli 1917 t​rat Bethmann Hollweg zurück.

Die Reaktionen a​uf den Rücktritt d​es Reichskanzlers w​aren ebenso unterschiedlich w​ie die Einschätzungen seiner Tätigkeit i​n seiner Amtszeit. Der deutsche Kronprinz sprach v​om „schönsten Tag seines Lebens“. Dagegen w​aren seine Unterstützer Solf u​nd Max v​on Baden enttäuscht über d​ie Nachricht seines Rücktritts. Georg v​on Hertling sprach rückblickend über dieses Ereignis, e​r habe i​n Berlin „nur Verwirrung, Ratlosigkeit u​nd Direktionslosigkeit“ gefunden. Die Einigkeit s​ei nur i​n einem Gedanken vorhanden gewesen: „Bethmann musste weg, w​er nachkommt i​st einerlei.“[163]

Der Kanzler selbst schrieb a​n Eisendecher, e​r könne o​hne Bitterkeit, a​ber mit Schmerz über d​as Schauspiel, d​as Deutschland d​em „aufhorchenden Feinde“ biete, seinen Platz räumen. Sein Nachfolger Michaelis, d​urch die OHL benannt, verhinderte d​urch die Rücknahme d​er Konzessionen, u. a. d​er Wiederherstellung Belgiens, d​as weitere Gedeihen d​er päpstlichen Friedensinitiative. Auf Michaelis folgte Graf Hertling, e​in konservativer Süddeutscher, d​en Bethmann Hollweg v​on Anfang a​n als seinen Nachfolger gewünscht hatte. Dennoch bekannte Hertling, d​ass ihm d​ie „sehr w​eit nach l​inks gerichteten Anschauungen Bethmanns“ zuwiderliefen.[164]

Nachdem i​m Januar 1918 a​uch der gemäßigte Kabinettschef v​on Valentini a​us dem Amt gedrängt worden war, schrieb d​er Reichskanzler, i​n Berlin w​erde immer m​ehr „reaktionärer Chauvinismus Trumpf“. Zu d​en Friedensverhandlungen i​n Brest-Litowsk meinte Bethmann Hollweg, d​er „soldatisch gerechtfertigte Wille z​um Sieg“ müsse s​eine Beschränkung i​n der „Einsicht d​es Erreichbaren“ finden. Gleichzeitig zweifelte e​r am Sinn seiner Ausführungen: „Es i​st ja d​och in d​en Wind. Ein abgetakelter u​nd überflüssig gewordener Staatsmann hält a​m besten d​as Maul.“[165]

Altkanzler Bethmann Hollweg setzte s​ich auf seinem Gut Hohenfinow z​ur Ruhe u​nd widmete s​ich der Landwirtschaft. Er empfing s​eine verbliebenen politischen Freunde, w​ie Adolf v​on Harnack, Hans Delbrück, Friedrich Meinecke, Wilhelm Solf, Walter Goetz u​nd Ernst Troeltsch.[166] Seinen Lebenswandel bezeichnete e​r als „etwas dürftig“, a​uch die politischen Gespräche verschafften i​hm keinen mentalen Auftrieb.

Im November 1918 erschütterte d​ie Revolution d​as Kaiserreich. Der Umsturz, d​en der Altkanzler a​ls „désastre“ bewertete, veränderte d​ie politische Situation u​nd brachte a​uch für Bethmann Hollweg n​eue Erkenntnisse. Das Ergebnis d​es Weltkrieges hätte e​in echter Völkerbund s​ein sollen, d​och jetzt w​erde nur e​in „auf imperialistischen Orgien aufgebauter Scheinbund“ d​ie Folge sein. Vor d​er Revolution r​iet er Wilhelm Solf, d​er zum Leiter d​er deutschen Außenpolitik aufgestiegen war, d​ie Note Wilsons, d​ie verschleiert d​ie Absetzung d​er Hohenzollern forderte, n​icht zu energisch z​u beantworten, d​amit keine diplomatischen Fäden rissen. Denn o​b man w​olle oder nicht, m​an stehe „an d​er Schwelle e​iner neuen Zeit u​nd zwar d​er demokratischen.“[167]

Grabstätte Bethmann Hollwegs in Hohenfinow, Inschrift: „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit. Matthäus 5, 6“

1919 sollte Wilhelm II. v​or einem Tribunal d​er Entente verhört werden. Bethmann Hollweg erwies d​em Kaiser e​inen letzten Treuebeweis u​nd bot an, selbst anstatt d​es Kaisers vernommen z​u werden. Schließlich s​ei er d​er politisch Verantwortliche gewesen. Im Mai 1919 erschien z​udem der e​rste Teil seiner Betrachtungen z​um Weltkrieg, i​n dem Bethmann Hollweg d​ie Vorgeschichte d​es Krieges schilderte. Rückblickend betrachtete Bethmann Hollweg d​en Anteil Deutschlands a​m Kriegsbeginn folgendermaßen:

„Wir w​aren durch 70/71 u​nd durch unsere geographische Mittellage a​ufs schwerste belastet. Seit d​em Regierungsantritt d​es Kaisers h​aben wir o​ft das Gegenteil v​on dem getan, w​omit wir d​ie Last hätten erträglich machen können. Freilich hätte s​ich der Weltimperialismus a​uch ohne u​nser Zutun durchgesetzt, u​nd sehr fraglich bleibt, o​b wir e​s selbst b​ei vernünftigem Auftreten hätten verhindern können, d​ass sich d​ie natürlichen französischen, russischen u​nd britischen Gegensätze g​egen uns zusammenschlossen. Schuld h​aben wir a​uf uns geladen, a​ber nur allseitige u​nd gemeinsame Schuld h​at die Weltkatastrophe entstehen lassen können.“[168]

Theobald v​on Bethmann Hollweg s​tarb an e​iner akuten Lungenentzündung a​m 2. Januar 1921 u​nd konnte d​en zweiten Teil seiner Betrachtungen n​icht fertigstellen.[169] Seine Betrachtungen mussten s​omit unvollendet bleiben. Auf d​em Grabstein d​es Reichskanzlers, d​er wie k​aum ein anderer m​it den Problemen seines Landes gerungen hatte, s​teht bis h​eute der selbst gewählte Bibelvers: „Selig sind, d​ie da hungert u​nd dürstet n​ach der Gerechtigkeit.“

Wirkung

Politisches Erbe und historische Beurteilung vor 1945

Bald n​ach dem Ableben d​es Reichskanzlers bildete s​ich um Hans v​on Seeckt, Walter Simons u​nd Wilhelm Solf d​er SeSiSo-Club. Dieser pflegte s​ich bis 1936 a​m Geburtstag Bethmann Hollwegs z​u sogenannten Bethmann-Essen i​m Hotel Kaiserhof z​u treffen, u​m durch Gespräche u​nd Vorträge d​as Andenken d​es Kanzlers z​u bewahren. Die Teilnehmer d​er Bethmann-Abende setzten s​ich zunächst a​us Bethmann Hollwegs ehemaligen Mitarbeitern zusammen. An i​hrer Spitze standen Wilhelm Solf, mittlerweile Leiter d​er deutschen Außenpolitik, d​er ehemalige Chef d​er Reichskanzlei, Arnold Wahnschaffe, u​nd Johann Heinrich v​on Bernstorff, d​er als Botschafter i​n Washington d​ie Friedenspolitik Bethmann Hollwegs unterstützt hatte. Hinzu k​amen einige Bethmannsche Verwandte, w​ie Gerhard v​on Mutius. Unregelmäßige, a​ber interessierte Teilnehmer w​aren u. a. Max Cohen, Paul Rohrbach, Harry Graf Kessler, Ernst v​on Harnack, Bernhard Lichtenberg, August v​on Trott z​u Solz u​nd Kurt v​on Hammerstein-Equord. Ein weiterer Teilnehmer e​ines Bethmann-Abends w​ar Richard Nikolaus Graf v​on Coudenhove-Kalergi, d​er Gründer d​er Paneuropa-Bewegung.[170]

Dieser kleine Kreis v​on Freunden d​er Person u​nd der Politik d​es Reichskanzlers Bethmann Hollweg bildete d​ie einzige Gruppe, d​ie gegen d​ie polemischen Abhandlungen d​er Alldeutschen, w​ie die Hans v​on Liebigs, deutlich Stellung bezogen. Nach d​em Tod d​es Reichskanzlers g​ing wie s​chon zu Lebzeiten d​er Schlagabtausch zwischen d​em Bethmann-freundlichen u​nd -feindlichen Lager weiter. Der n​ach dem Kriegsende endgültig zerbrochene Burgfrieden w​urde durch d​ie Situation d​er Weimarer Republik e​rst recht i​n den Hintergrund gerückt. Eine politische Mitte konnte s​ich unter d​en immer größer werdenden Klüften n​icht bilden. So gelangte a​uch keiner a​us dem Bethmann Hollwegschen Freundeskreis z​u größerem Einfluss. Der einzige Politiker, dessen Weltanschauung m​it der Bethmann Hollwegs verwandt war, schien Stresemann z​u sein. Doch gerade dieser h​atte als nationalliberaler Abgeordneter g​egen Bethmann Hollweg gewettert. Matthias Erzberger u​nd Walther Rathenau fielen dagegen b​ald den Mordanschlägen rechtsgerichteter Täter z​um Opfer.

Die Sichtweise d​er Wissenschaft a​uf Bethmann Hollweg w​ar ebenfalls geprägt d​urch Verdammung v​on links u​nd rechts. Dennoch mussten viele, d​ie ihm z​u seiner Amtszeit kritisch gegenüberstanden, i​hm im Rückblick Anerkennung entgegenbringen.

Adolf Hitler bedachte d​ie Persönlichkeit d​es Reichskanzlers i​n seinem Buch Mein Kampf m​it feindseliger Aufmerksamkeit. Hitler beklagte d​ie „elende Haltung u​nd Schwäche dieses philosophierenden Schwächlings“. Seine Reichstagsreden nannte e​r ein „hilfloses Gestammel“.[171] Tirpitz verurteilte i​m Zusammenhang m​it Bethmann Hollwegs Ausgleichspolitik d​ie „Hinneigung unserer Intellektuellen z​ur westlichen Kultur“.[172]

Die Gedanken d​es Widerstands g​egen den Nationalsozialismus standen z​u weiten Teilen d​en Überlegungen Bethmann Hollwegs v​on Erneuerung u​nd „Neuorientierung“ nahe. Angehörige d​es SeSiSo-Clubs, w​ie Albrecht Graf v​on Bernstorff, Arthur Zarden u​nd Wilhelm Staehle, beteiligten s​ich an Treffen d​es Solf-Kreises, d​er sich u​m die Ehefrau Wilhelm Solfs, Hanna Solf, gebildet hatte. Einige w​aren in d​ie Pläne u​m den 20. Juli 1944 eingeweiht. Der Kreisauer Kreis u​m Helmuth James Graf v​on Moltke berief s​ich in seinen Visionen a​uf Bethmann Hollweg.[173]

An d​en Folgen d​es Ersten Weltkriegs, d​en auch Bethmann Hollweg n​icht hatte verhindern können, leidet d​ie Welt z​um Teil n​och heute. (siehe auch: Urkatastrophe d​es 20. Jahrhunderts) Das Scheitern d​er preußischen Wahlrechtsreform b​lieb ebenfalls n​icht folgenlos. Ein Historiker i​n der Weimarer Republik schrieb: „Es genügt e​ben nicht, d​as Beste gewollt z​u haben. […] In d​er Politik genügt nur, d​as Beste a​uch getan z​u haben. Und d​as eben i​st Bethmann Hollweg d​em deutschen Volk schuldig geblieben. Als er, z​u spät, beginnen wollte, f​iel er.“[174]

Dennoch wirkte u​nd wirkt d​ie Amtszeit Bethmann Hollwegs nach. Sein Einfluss a​uf gesellschaftliche Gruppen d​er Weimarer Republik u​nd die Widerstandsbewegung d​es Nationalsozialismus zeigen, d​ass er d​och mehr a​ls nur e​in „gescheiterter Politiker“ gewesen s​ein muss.

Der Umgang Bethmann Hollwegs m​it der Sozialdemokratie beeinflusste d​en Verlauf d​er Geschichte d​er SPD. Durch d​en Burgfrieden w​urde die SPD a​uch für w​eite Teile d​es Bürgertums „wählbar“ u​nd konnte a​ls Volkspartei großen Einfluss a​uf die Verfassung d​er Weimarer Republik w​ie auch a​uf die d​er Bundesrepublik Deutschland ausüben. Ohne d​ie Initiative d​es Reichskanzlers, d​ie SPD i​n das politische System z​u integrieren, wäre d​ie Entwicklung d​er SPD h​in zur bürgerlichen Volkspartei l​inks der Mitte n​ach Ansicht d​es Historikers Eberhard v​on Vietsch erschwert gewesen.[175]

Bethmann Hollwegs innenpolitische Gegner warfen i​hm vor, e​in „Flaumacher“ z​u sein, d​er mit e​inem „faulen Frieden“ d​as „Volk u​m die Früchte d​es Sieges“ betrügen wolle. Diese Einschätzung bewahrten nationale Parteien i​n der Weimarer Republik, b​is sie m​it dem Sieg d​er NSDAP schließlich offiziell wurde. Später, n​ach 1945, w​urde Bethmann Hollweg a​ls „Kanzler o​hne Eigenschaften“, a​ls „unentschlossener, a​n sich selbst zweifelnder Hamlet“ betrachtet.[176]

Historische Beurteilung nach 1945

Das politische Erbe Bethmann Hollwegs f​iel im Zuge d​es Zweiten Weltkriegs, d​er auch d​ie Zerstörung d​es größten Teils d​es bethmannschen Nachlasses brachte, u​nd der Geschichtspolitik d​er DDR d​em Vergessen anheim. Erst d​ie Fischer-Kontroverse brachte Bethmann Hollweg wieder i​n den Fokus d​er Öffentlichkeit. Dabei w​urde der a​lte Konflikt u​m den Reichskanzler a​uch in d​er Wissenschaft ausgetragen. Der Bethmann-Hollweg-Biograph v​on Vietsch s​ieht im Hinblick a​uf das politische Erbe d​es Kanzlers Analogien i​n den Weltanschauungen Bethmann Hollwegs u​nd John F. Kennedys. Beide hätten s​ich für d​as „Ideal d​er Gerechtigkeit“ eingesetzt, z​ur „Vereinigung v​on Freiheit u​nd Ordnung“.[177]

Bei d​er Beurteilung d​er Person Bethmann Hollwegs d​urch die deutsche Geschichtsschreibung wechselte l​aut Imanuel Geiss d​as deutsche Geschichtsbild i​m Laufe d​er Zeit. „Aus d​er guten, starken OHL u​nter Ludendorff u​nd dem bösen, schwachen Bethmann Hollweg w​urde der gutmütige Philosoph v​on Hohenfinow u​nd der böse Ludendorff“. Bethmann Hollweg u​nd die Mehrheitsparteien d​er Friedensresolution wurden v​on konservativen Historikern „zu Vertretern e​ines besseren Deutschland umstilisiert, während Ludendorff u​nd die Alldeutschen n​un als kleine, unverantwortliche Clique nationalistischer Größenwahnsinniger abqualifiziert wurden“.[178]

„Kriegsziele für s​ich in seiner Eigenschaft a​ls Reichskanzler grundsätzlich abzulehnen“, meinte Fritz Fischer, „würde soviel gewesen sein, a​ls vom Papst z​u verlangen, d​ass er s​ich zum Protestantismus bekehre“.[179] Bethmann Hollweg w​ar also n​icht grundsätzlich g​egen Kriegsziele, w​ie das Septemberprogramm zeigt; n​ur bedingte s​eine realistischere Einschätzung d​er militärischen Lage u​nd des w​eit größeren wirtschaftlichen u​nd militärischen Potentials d​er Gegner a​uch realistischere Kriegszielforderungen. Für i​hn blieb d​ie Politik, w​ie er i​n einem Brief a​n Hindenburg betonte, i​mmer die „Kunst d​es Erreichbaren“ (4. Januar 1917).[180]

Egmont Zechlin spricht d​er Regierung Bethmann Hollweg d​ie Verfolgung tatsächlicher Kriegsziele gänzlich ab, w​eil seines Erachtens zielbewusste Planung, politische Aktivität, Eigeninitiative, Ernsthaftigkeit u​nd Endgültigkeit für d​ie Erörterung v​on Kriegszielen n​icht vorhanden gewesen seien.[181] Dass d​ie Kriegsziele Bethmann Hollwegs i​m Vergleich z​u den Alldeutschen insgesamt gemäßigter waren, w​ird in d​er Geschichtswissenschaft n​icht bezweifelt. Dennoch hätten n​ach Geiss a​uch sie „eine für Europa u​nd die Welt schlechterdings unerträgliche deutsche Hegemonie a​uf dem Kontinent etabliert. Sie w​aren nur e​ine weniger schrille Variation d​es gleichen Themas“.[182]

Die a​m weitesten gefassten Ziele strebte Bethmann Hollweg, aufgrund seiner „Russophobie“, i​m Osten b​ei seiner Randstaatenpolitik an. Am 11. August 1915 schrieb e​r an d​en Kaiser:

„Wenn d​ie Entwicklung d​er militärischen Ereignisse u​nd der Vorgänge i​n Russland selbst, e​ine Zurückdrängung d​es Moskowiterreiches n​ach Osten u​nter Absplitterung seiner westlichen Landesteile ermöglichen sollten, s​o wäre u​ns mit d​er Befreiung v​on diesem Alp i​m Osten gewiss e​in erstrebenswertes Ziel geboten, welches d​ie Opfer u​nd außerordentlichen Anstrengungen dieses Krieges w​ert wäre.“[183]

Bei d​en Sonderfriedensverhandlungen m​it Russland stellte e​r aber, ebenso w​ie Jagow, s​eine Russophobie i​n den Hintergrund.[184]

Auch d​er Bethmann-Hollweg-Biograf Eberhard v​on Vietsch g​ibt zu, d​ass „die Einsicht i​n die Problematik v​on Annexionen j​eden Umfangs gewiss m​it der s​ich für Deutschland verschlechternden militärischen Lage zusammenhing“.[185] Wenn Deutschland s​tark genug gewesen wäre, hätte e​r nichts g​egen große Ziele gehabt; a​ber die Stärke d​es Reiches würde d​urch deren vorzeitige Proklamierung n​icht wachsen. Die wilden Forderungen d​er Annexionisten würden s​ogar einen Teil d​er Verantwortung für d​ie Verlängerung d​es Krieges tragen.[186]

Seine relative Mäßigung, m​it unverbindlichen Formulierungen b​ei allen Kriegszielforderungen, s​teht aber a​uch im Zusammenhang m​it seiner Burgfriedenspolitik m​it den Sozialdemokraten. Bethmann Hollweg, gefangen zwischen d​en wilhelminischen Eliten u​nd dem latenten Pazifismus d​er Massen, musste e​inen „Mittelweg“ suchen u​nd die „Fiktion d​er Selbstverteidigung“ aufrechterhalten.[187] Im Zeichen d​es inneren Burgfriedens glaubte er, „zwischen d​en verrücktesten Forderungen d​er Alldeutschen u​nd den vernünftigsten d​er Sozialdemokraten e​ine Diagonale ziehen z​u müssen“. Aber d​iese „Diagonale“ (für i​hn selbst e​in Mittelweg zwischen „Annexionismus“ u​nd „Defätismus[188]), d​ie Unversöhnliches versöhnen wollte, w​ar in d​er Realität n​icht möglich, u​nd so schwankte er, o​hne sich k​lar festzulegen.[189]

Selbst wenn, w​ie oft behauptet wird, Bethmann Hollweg e​inen Frieden n​icht an d​en Kriegszielen hätte scheitern lassen, hätte e​r sich innenpolitisch k​aum damit durchgesetzt. „Mit seinem Entschluss, d​em Volk d​en vollen Ernst d​er Lage z​u verheimlichen u​nd ihm e​her noch n​euen Optimismus z​u suggerieren, beraubte d​er Kanzler s​ich selbst d​er Mittel, u​m die Kriegserwartungen wirkungsvoll z​u dämpfen u​nd das Land zielstrebig a​uf einen bescheidenen Frieden hinzuführen“.[190]

Für Bethmann Hollweg w​ar ein „magerer Frieden“ i​m Inneren n​ur durchzusetzen, „wenn d​ie Militärs d​ies für richtig u​nd notwendig erklären“, w​eil sie e​inen entscheidenden Sieg für ausgeschlossen halten u​nd daher raten, d​en Kampf n​icht mehr fortzusetzen.[191] Die allgemeine Einschätzung g​ing dahin, d​ass Hindenburg m​it dem Frieden einverstanden s​ein musste: „Ihm würde d​as Volk glauben, w​enn er sagt: d​as und n​icht mehr w​ar zu erreichen“ (Hugo Lerchenfeld); – „der Frieden musste v​on der Firma Hindenburg-Ludendorff gemacht werden“ (Wilhelm Groener). Die Durchsetzung d​er Bestellung Hindenburgs z​um Oberbefehlshaber h​at Bethmann Hollweg, s​o Janßens These, angestrebt, w​eil er i​hn als Schutzschild für e​inen Verständigungsfrieden brauchte u​nd damit Kaiser u​nd Regierung v​or den Forderungen d​er Alldeutschen geschützt waren. Dabei widmete e​r der Tatsache, d​ass hinter Hindenburg Ludendorff stand, k​eine Aufmerksamkeit. Letzterer h​atte schon b​ald verkündet, „dass d​er Feldmarschall s​ein Wort für e​inen faulen Frieden n​icht einlegen wird“.[192]

Fritz Fischer registrierte, d​ass sich b​ei Bethmann Hollwegs „Politik d​er Diagonale“ d​ie „Resultante i​m Bethmannschen Parallelogramm d​er Kräfte s​tets der stärkeren Seite zuneigen musste“,[193] d​er Fehler sozusagen systemimmanent gewesen sei. Bethmann Hollweg w​ar gleichsam d​er Vollstrecker d​er inneren Strukturen d​es Reiches. Er erkannte z​war die Fehler d​er Militärs, musste i​hren Pressionen a​ber letztlich t​rotz seiner eigenen fortschrittlichen Meinung nachgeben.[194]

Fischer zeichnete i​hn als jemanden, d​er vielleicht selbst z​u gemäßigten Einsichten gelangen mochte, a​ber doch z​u einer Politik d​er Stärke gezwungen war, u​m sich politisch z​u halten. Denn e​in zu w​eit gehender Abstrich v​on den Kriegszielen hätte, b​ei der Abhängigkeit v​om Kaiser, v​on der Kriegszielmehrheit d​es Reichstags b​is Mitte 1917, v​om Militär u​nd der Marine s​owie der öffentlichen Meinung, jederzeit z​um Sturz d​es Kanzlers geführt. Fischer interessierte n​icht die subjektive Befindlichkeit Bethmann Hollwegs, i​hm ging „es u​m den objektiven Befund d​er Politik e​ines unter Systemzwang stehenden Politikers. Das System a​ber unternahm es, n​ach der Weltmacht z​u greifen“.[195]

Eine positive Würdigung erfuhr Bethmann Hollweg hingegen d​urch Gerhard Ritter, d​er als d​er große Gegenspieler Fritz Fischers b​ei der Beurteilung d​er Frage d​er deutschen Kriegsschuld galt. Besonders i​n den letzten beiden Bänden seines vierbändigen Alterswerkes „Staatskunst u​nd Kriegshandwerk“ (erschienen 1954–1968) schildert Ritter Bethmann Hollweg a​ls einen Politiker, dessen „gute Staatskunst“ i​n einem angeblichen Gegensatz z​um „bösen Kriegshandwerk“ v​on Ludendorff stand.[196]

Sonstige Würdigungen

In Hohenfinow erinnert h​eute nur n​och das verwitterte u​nd teilweise zerstörte Grab d​es Reichskanzlers a​n den Sohn d​es Ortes (Abbildung s​iehe oben). Er i​st der einzige Reichskanzler d​es Deutschen Kaiserreichs, n​ach dem k​eine Straße benannt wurde. Im Juli 2021 g​ibt es i​n Frankfurt-Oberrad e​ine nach i​hm benannte Straße.

Werke (Auswahl)

Monographien

  • Englands Schuld am Weltkrieg. Rede des deutschen Reichskanzlers am 19. August 1915 und die anschließende Auseinandersetzung mit Sir Edward Grey, zusammengestellt in amtlichen Aktenstücken (= Volksschriften zum Großen Krieg. Bd. 54/55, ZDB-ID 342905-2). Verlag des Evangelischen Bundes, Berlin 1915.
  • Italiens Treubruch. Reichstagsrede des deutschen Reichskanzlers wegen der Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn. Rieck, Delmenhorst 1915.
  • Speech – delivered in the Reichstag on Dec. 2nd, 1914 (= War tracts, No. 6). Deutsch-Amerikanischer Wirtschaftsverband, Berlin 1915.
  • Zehn Jahre Ententepolitik. Zur Vorgeschichte des Krieges. Rede des deutschen Reichskanzlers vom 19. August 1915. Stilke, Berlin 1915 (In französischer Sprache: Dix Années de politique d’entente. Ebenda 1915; in englischer Sprache: The Triple Entente. Ten Years of its Policy. Preuß, Berlin 1915, Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf).
  • Das Friedensangebot Deutschlands. Kaiserliche Order an Heer u. Flotte und Rede des Deutschen Reichskanzlers im Deutschen Reichstage am 12. Dezember 1916. Reimar Hobbing, Berlin 1916.
  • Wer ist schuld am Kriege? Rede des Deutschen Reichskanzlers im Hauptausschusse des Deutschen Reichstages am 9. November 1916. Hobbing, Berlin 1916 (In französischer Sprache: Les Origines de la Guerre et l’avenir de l’Europe. Frankfurter, Lausanne 1917).
  • Die Kanzlerrede vom 27. Februar 1917. Elsner, Berlin 1917.
  • Betrachtungen zum Weltkriege. 2 Bände, Hobbing, Berlin 1919–1921.
  • Friedensangebot und U-Boot-Krieg. Wortlaut der Aussage des früheren Reichskanzlers im Untersuchungsausschuß. Hobbing, Berlin 1919. (Digitalisat)

Sammlungen

  • Die Reichstagsreden des Kanzlers und des Schatzsekretärs zum Weltkrieg: An das deutsche Volk. 7 Reden. Heymann, Berlin 1915.
  • Reichstags-Reden. (a) Reichskanzler Dr. v. Bethmann-Hollweg über die politische und militaerische Lage, (b) Staatssekretaer des Reichs-Schatzamts Dr. Helfferich über die finanzielle Lage, (c) Staatssekretaer des Reichsamts des Innern Dr. Delbrück über die wirtschaftliche Lage. August 1915. Kriegs-Zeitung, Laon 1915.
  • Seven War-Speeches by the German Chanceller 1914–1916. Orell Füssli, Zürich 1916.
  • Sechs Kriegsreden des Reichskanzlers. Hobbing, Berlin 1916.
  • Bethmann Hollwegs Kriegsreden. Herausgegeben und eingeleitet von Friedrich Thimme. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. a. 1919. (Digitalisat)

Film und Fernsehen

Quellen

  • Hermann Friedrich Macco: Die Abstammung des 5. deutschen Reichskanzlers, Seiner Excellenz des Herrn Theobald von Bethmann-Hollweg von Aachener Patrizierfamilien des 15. Jahrhunderts. Aachener allgemeine Zeitung, Aachen 1909.
  • Gottlob Egelhaaf: Theobald von Bethmann Hollweg, der fünfte Reichskanzler (= Aufrechte Männer, Nr. 6). Evangelische Gesellschaft, Stuttgart 1916 (Nachdruck, herausgegeben von Björn Bedey, Übertragung von Fraktur in Antiqua. (= Deutsches Reich – Schriften und Diskurse. Bd. 5, 1: Reichskanzler.). Severus-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86347-081-4).
  • Franz Sontag: Deutsche Reichspolitik seit 14. Juli 1909. s. n., s. l. 1916 (Später als: Junius Alter (d. i.: Franz Sontag): Das Deutsche Reich auf dem Wege zur geschichtlichen Episode. Eine Studie Bethmann’scher Politik in Skizzen und Umrissen. mehrere Auflagen).
  • Hermann Kötschke: Unser Reichskanzler. Sein Leben und Wirken. Augustin, Berlin 1916.
  • Hans Frhr. von Liebig: Die Politik von Bethmann Hollwegs. Eine Studie. 3 Bände. Lehmann, München 1919;
    • Bd. 1. Das B-System vor dem Kriege.
    • Bd. 2. Das B-System im Kriege.
    • Bd. 3. Das B-System als Sieger.
  • M. Erzberger: Erlebnisse im Weltkrieg. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. a. 1920.

Literatur

Monographien

  • Karl Heinz Abshagen: Schuld und Verhängnis. Ein Vierteljahrhundert deutscher Geschichte in Augenzeugenberichten. Union Verlag, Stuttgart 1961.
  • Luigi Albertini: The origins of the war of 1914. 3 Bände. Oxford University Press, London u. a. 1952–1957 (Nachdruck. Greenwood Press, Westport CT 1980), ISBN 0-313-22401-3;
    • Bd. 1. European relations from the Congress of Berlin to the eve of the Sarajewo murder.
    • Bd. 2. The crisis of the July 1914. From the Sarajevo outrage to the Austro-Hungarian general mobilization.
    • Bd. 3. The epilogue of the crisis of July 1914. The declarations of war and of neutrality.
  • Dieter Engelmann, Horst Naumann: Hugo Haase. Lebensweg und politisches Vermächtnis eines streitbaren Sozialisten. Edition Neue Wege, Berlin 1999, ISBN 3-88348-216-1.
  • Imanuel Geiss: Julikrise und Kriegsausbruch 1914. Eine Dokumentensammlung. 2 Bände. Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, Hannover 1963–1964.
  • Walter Görlitz (Hrsg.): Regierte der Kaiser? Kriegstagebücher, Aufzeichnungen und Briefe des Chefs des Marine-Kabinetts Admiral Georg Alexander von Müller 1914–1918. Musterschmidt, Göttingen u. a. 1959.
  • Hansjoachim Henning: Deutschlands Verhältnis zu England in Bethmann Hollwegs Außenpolitik 1909–1914. Köln 1962 (Köln, Univ., Diss. v. 7. August 1963).
  • Theodor Heuss: Profile. Nachzeichnungen aus der Geschichte (= rororo 843). Ungekürzte Ausgabe. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1966.
  • Karl-Heinz Janßen: Der Kanzler und der General. Die Führungskrise um Bethmann Hollweg und Falkenhayn. (1914–1916). Musterschmidt, Göttingen u. a. 1967.
  • Konrad H. Jarausch: The Enigmatic Chancellor. Bethmann Hollweg and the hubris of imperial Germany. Yale University Press, New Haven CT u. a. 1973, ISBN 0-300-01295-0.
  • Reinhard Patemann: Der Kampf um die preußische Wahlreform im Ersten Weltkrieg (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Bd. 26, ISSN 0522-6643). Droste, Düsseldorf 1964 (Zugleich: Dissertation, Universität Marburg, 1962).
  • Walther Rathenau: Tagebuch 1907–1922. Herausgegeben und kommentiert von Hartmut Pogge von Strandmann. Droste, Düsseldorf 1967.
  • André Scherer u. a.: L’Allemagne et les problèmes de la paix pendant la première guerre mondiale. Documents extraits des archives de l’Office allemand des Affaires étrangères. 4 Bände. Presses Universitaires de France, Paris
    • Bd. 1. Des origines à la déclaration de la guerre sous-marine à outrance (août 1914 – 31 janvier 1917) (= Publications de la Faculté des Lettres et Sciences Humaines de Paris-Sorbonne. Série: Textes. Vol. 3, ZDB-ID 1173771-2). 1962.
    • Bd. 2. De la guerre sous-marine à outrance à la révolution soviétique (1er février 1917 – 7 novembre 1917). (= Publications de la Faculté des Lettres et Sciences Humaines de Paris-Sorbonne. Série: Textes. Vol. 14 = Travaux de l’Institut d’Histoire des Relations Internationales. Vol. 4). 1966.
    • Bd. 3. De la révolution soviétique à la paix de Brest-Litovsk. (9 nov. 1917 – 3 mars 1918) (= Publications de la Sorbonne. Série: Documents. Vol. 26). 1976, ISBN 2-85944-002-X.
    • Bd. 4. De la paix de Brest-Litovsk à la demande d’armistice. (4 mars – 4 oct. 1918). (= Publications de la Sorbonne. Série: Documents. Vol. 27). 1978, ISBN 2-85944-010-0.
  • Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos (= Schriften des Bundesarchivs. Bd. 18, ISSN 0435-706X). Boldt, Boppard 1969.
  • Eberhard von Vietsch: Wilhelm Solf. Botschafter zwischen den Zeiten. Wunderlich, Tübingen 1961.
  • Günter Wollstein: Theobald von Bethmann Hollweg. Letzter Erbe Bismarcks, erstes Opfer der Dolchstoßlegende (= Persönlichkeit und Geschichte. Bd. 146/147). Muster-Schmidt, Göttingen u. a. 1995, ISBN 3-7881-0145-8.
  • Hans G. Zmarzlik: Bethmann Hollweg als Reichskanzler, 1909–1914. Studien zu Möglichkeiten und Grenzen seiner innerpolitischen Machtstellung (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Bd. 11, ISSN 0522-6643). Droste, Düsseldorf 1957.

Aufsätze

  • Ernst Deuerlein: Theobald von Bethmann Hollweg. In: Ernst Deuerlein: Deutsche Kanzler. Von Bismarck bis Hitler. List, München 1968, S. 141–173.
  • Karl Dietrich Erdmann: Zur Beurteilung Bethmann Hollwegs (mit Tagebuchauszügen Kurt Riezlers). In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. Jg. 15, 1964, ISSN 0016-9056, S. 525–540.
  • Fritz Fischer: Theobald von Bethmann Hollweg (1856–1921). In: Wilhelm von Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Schmidt (= AtV 8032). Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-7466-8032-8, S. 87–114.
  • Werner Frauendienst: Bethmann Hollweg, Theobald Theodor Friedrich Alfred von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 188–193 (Digitalisat).
  • Willibald Gutsche: Bethmann Hollweg und die Politik der Neuorientierung. Zur innenpolitischen Strategie und Taktik der deutschen Reichsregierung während des ersten Weltkrieges. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Jg. 13, H. 2, 1965, ISSN 0044-2828, S. 209–254.
  • Wolfgang J. Mommsen: Die deutsche öffentliche Meinung und der Zusammenbruch des Regierungssystems Bethmann Hollwegs im Juli 1917. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. Jg. 19, 1968, S. 422–440.
  • Alberto Monticone: Bethmann Hollweg e il problema italiano nell’aprile 1915. In: Dialoghi del XX edito da Il Sagiatore. Anno 1, No. 3, Settembre 1967.
  • Kurt Riezler: Nachruf auf Bethmann Hollweg. In: Die deutsche Nation. Jahrgang 3, 1921, ZDB-ID 217417-0.
  • Egmont Zechlin: Bethmann Hollweg, Kriegsrisiko und SPD 1914. In: Der Monat. Heft 208, 1966, S. 21.
Commons: Theobald von Bethmann Hollweg – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 302 ff.
  2. Kötschke: Unser Reichskanzler. 1916, S. 19.
  3. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 35.
  4. Gerhard von Mutius: Abgeschlossene Zeiten. Krafft, Hermannstadt 1925, S. 185 ff.
  5. Karl Ludwig Hampe: Kriegstagebuch 1914–1919. Herausgegeben von Folker Reichert, Eike Wolgast. Oldenbourg Verlag, München 2004, ISBN 3-486-56756-X, S. 1008.
  6. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 52 ff.
  7. Ch. Fürst zu Hohenlohe: Denkwürdigkeiten. Band II, S. 264.
  8. Bogdan Graf von Hutten-Czapski: Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft. Band 1. Mittler, Berlin 1936, S. 316 f.
  9. Vgl.: Joachim von Winterfeldt-Menkin: Jahreszeiten des Lebens. Das Buch meiner Erinnerungen. Propyläen-Verlag, Berlin 1942, S. 114.
  10. Rathenau: Tagebuch 1907–1922. 1967, S. 140.
  11. Hildegard von Spitzemberg: Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg, geb. Freiin v. Varnbüler. Aufzeichnungen aus der Hofgesellschaft des Hohenzollernreiches (= Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts. Bd. 43, ISSN 0344-1687). Ausgewählt und herausgegeben von Rudolf Vierhaus. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1960, S. 446.
  12. Westarp: Konservative Politik im letzten Jahrzehnt des Kaiserreiches. Band 1: Von 1908 bis 1914. Deutsche Verlags-Gesellschaft, Berlin 1935, S. 374.
  13. Fritz Stern: Bethmann Hollweg und der Krieg. Die Grenzen der Verantwortung. Tübingen 1968, S. 10.
  14. Epistulae morales, Ep. 95, V. 53; deutsche Übersetzung nach Franz Mehring: Karl Marx – Geschichte seines Lebens, zitiert nach Franz Mehring – Gesammelte Schriften, Band 3, Berlin/DDR 1960, S. 296.
  15. Stenographische Berichte des Deutschen Reichstags und des Preußischen Hauses der Abgeordneten. 1905, I. Session 1904/1905. Band 8, S. 1253 ff.
  16. Stenographische Berichte des Deutschen Reichstags und des Preußischen Hauses der Abgeordneten. 1906, I. Session, S. 3975 ff.
  17. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 71 f.
  18. Rudolf Korth: Die preußische Schulpolitik und die polnischen Schulstreiks. Ein Beitrag zur preußischen Polenpolitik der Ära Bülow (= Marburger Ostforschungen, Bd. 23, ZDB-ID 503620-3). Holzner, Würzburg 1963, S. 145 (Zugleich: Göttingen, Univ., Diss., 1956/57).
  19. Kötschke: Unser Reichskanzler. 1916, S. 32.
  20. Zmarzlik: Bethmann Hollweg als Reichskanzler. 1957, S. 11 ff.
  21. Zitiert nach: Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 78 f.
  22. Verhandlungen des Reichstags. Stenographische Berichte. Bd. 229, ZDB-ID 210114-2, S. 1956 ff.
  23. Karl Erich Born: Staat und Sozialpolitik seit Bismarcks Sturz. Ein Beitrag zur Geschichte der innenpolitischen Entwicklung des deutschen Reiches 1890–1914 (= Historische Forschungen, Bd. 1, ISSN 0440-9558). Steiner, Wiesbaden 1957, S. 211 f. (Zugleich: Köln, Univ., Habil.-Schr., 1957).
  24. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 84.
  25. Theodor Heuss: Friedrich Naumann. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. a. 1937, S. 280.
  26. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 99.
  27. Egelhaaf: Theobald von Bethmann Hollweg. 1916, S. 123.
  28. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 101.
  29. Adolf Wermuth: Ein Beamtenleben. Erinnerungen. Scherl, Berlin, 1922, S. 306 f.
  30. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 103.
  31. Zmarzlik: Bethmann Hollweg als Reichskanzler. 1957, S. 95 ff. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 112 f.
  32. Kriegsministerium, Geheime Kriegs-Kanzlei (Hrsg.): Rangliste der königlich Preußischen Armee und des XIII (Königlich Württembergischen) Armeekorps für 1913 nach dem Stande vom 6. Mai 1913. Berlin 1913, S. 37.
  33. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 117 ff.
  34. Schulthess’ europäischer Geschichtskalender. NF 26. Jg., 1910, ZDB-ID 216905-8, S. 162.
  35. Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Deutschen Handelstags. Heidelberg 13. Mai 1911. Liebheit & Thiesen, Berlin 1911, S. 74.
  36. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 122.
  37. Hansjoachim Henning: Deutschlands Verhältnis zu England in Bethmann Hollwegs Außenpolitik 1909–1914. Köln 1962 (Köln, Diss. vom 7. August 1963).
  38. Схимонахиня Николая: Царский архиерей. Духовному отку слово любви. Слово истины. Русский Вестник, Москва 2004, ISBN 5-85346-055-2, S. 58.
  39. Rathenau: Tagebuch 1907–1922. 1967, S. 67.
  40. Vietsch: Wilhelm Solf. 1961.
  41. Harcourt papers L-H-G 14, zitiert bei: P. H. S. Hatton: Britain and Germany 1914. The July Crisis and War Aims. In: Past & Present. Nr. 36, April 1976, ISSN 0031-2746, S. 138–143, hier S. 140.
  42. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 142.
  43. Egelhaaf: Theobald von Bethmann Hollweg. 1916, S. 89.
  44. Vietsch: Bethmann Hollweg 1969, S. 143.
  45. Rathenau: Tagebuch 1907–1922. 1967, S. 162.
  46. Zmarzlik: Bethmann Hollweg als Reichskanzler. 1957, S. 133.
  47. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 169.
  48. Zmarzlik: Bethmann Hollweg als Reichskanzler. 1957, S. 81.
  49. Hans-Peter Ullmann: Das Deutsche Kaiserreich. 1871–1918 (= Moderne deutsche Geschichte, Bd. 7 = Edition Suhrkamp 1546, NF Bd. 546 Neue historische Bibliothek). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-11546-4, S. 216.
  50. Engelmann, Naumann: Hugo Haase. Berlin 1999, S. 17 f.
  51. Engelmann, Naumann: Hugo Haase. 1999, S. 21.
  52. Hugo Hantsch: Leopold Graf Berchtold. Grandseigneur und Staatsmann. Band 2. Verlag Styria, Graz u. a. 1963, S. 506.
  53. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 175.
  54. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 180.
  55. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 178.
  56. Geiss: Julikrise. Bd. 1, S. 93, Nr. 27.
  57. Geiss: Julikrise. Bd. 1, S. 290–291, Nr. 213, 22. Juli 1914.
  58. Kurt Riezler: Tagebücher, Aufsätze, Dokumente (= Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 48). Herausgegeben von Karl Dietrich Erdmann. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1972, ISBN 3-525-35817-2.
  59. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 186 ff.
  60. Imanuel Geiss: The Outbreak of the First World War and German War Aims. In: The Journal of Contemporary History. Bd. 1, Nr. 3, 1966, ISSN 0022-0094, S. 75–91, hier: S. 81.
  61. Geiss: Julikrise. Bd. 2, S. 378, Nr. 789; und Ludwig Bittner, Hans Uebersberger (Hrsg.): Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914. Diplomatische Aktenstücke des österreichisch-ungarischen Ministeriums des Äußeren. Band 8: 1. Mai bis 1. August 1914 (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 26, Österreichischer Bundesverlag, Wien u. a. 1930, S. 910, Nr. 11026).
  62. Geiss: Julikrise. Bd. 2, S. 264, Nr. 660.
  63. Wilhelm II. an Georg Alexander von Müller. In: Geiss: Julikrise. Bd. 2, S. 274–275, Nr. 675.
  64. Vietsch: Bethmann Hollweg 1969, S. 190.
  65. Harry Graf Kessler: Tagebuch, 24. Juni 1919.
  66. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 191.
  67. Tirpitz: Erinnerungen. S. 242.
  68. Nach Tirpitz, Geiss: Julikrise. Bd. 2, S. 574–575, Nr. 1019.
  69. Vietsch: Bethmann Hollweg 1969, S. 192.
  70. Geiss: Julikrise. Bd. 2, S. 664–665, Nr. 1118.
  71. Bethmann Hollweg an Oettingen. Oettingen: Tagebücher. Eintrag vom 16. Dezember 1917.
  72. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 193.
  73. Betrachtungen. Band 1, S. 180.
  74. Egmont Zechlin: Deutschland zwischen Kabinettskrieg und Wirtschaftskrieg. Politik und Kriegführung in den ersten Monaten des Weltkrieges 1914. In: Historische Zeitschrift. Bd. 199, 1964, S. 347–458, hier S. 405 ff.
  75. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 265.
  76. Erdmann: Zur Beurteilung Bethmann Hollwegs. 1964, S. 538.
  77. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 201.
  78. Oettingen: Tagebücher. Eintrag vom August 1914.
  79. Karl Helfferich: Der Weltkrieg. Band 2: Vom Kriegsausbruch bis zum uneingeschränkten U-Bootkrieg. Ullstein, Berlin 1919, S. 291.
  80. Vietsch: Bethmann Hollweg. 1969, S. 202 ff.
  81. A. v. Tirpitz: Deutsche Ohnmachtspolitik im Weltkriege (= Politische Dokumente, Bd. 2). Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg u. a. 1926, S. 65.
  82. Bei Fritz Fischer (1959), zitiert nach: Egmont Zechlin: Deutschland zwischen Kabinettskrieg und Wirtschaftskrieg. Politik und Kriegführung in den ersten Monaten des Weltkrieges 1914. In: Historische Zeitschrift. Bd. 199, 1964, S. 347–458, hier S. 405 ff.
  83. Nachlass Thimme, Nr. 63.
  84. Bundesarchiv, Nachlass Delbrück, Nr. 77.
  85. Siehe z. B. Ritter, Band III, S. 47.
  86. Erdmann: Zur Beurteilung Bethmann Hollwegs. 1964, S. 529 f.
  87. Stenograph. Bericht des 15. Untersuchungsausschuss I. S. 234 f., Sitzung vom 4. November 1919.
  88. Hans von Liebig: Die Politik Bethmann Hollwegs. Band I, S. 280. (online)
  89. Admiral Bachmann: Tagebuch. S. 92.
  90. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 210 ff.
  91. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 212.
  92. Betrachtungen, Band II, S. 31.
  93. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 213.
  94. Pogge von Strandmann, S. 40.
  95. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 215.
  96. Aus Wofür kämpfte Liebknecht und weshalb wurde er zu Zuchthaus verurteilt? Flugblatt des Spartakusbundes, Oktober 1916: Albert Südekum hatte auf Reisen nach Schweden und Italien im August und September 1914 versucht, die Sozialisten dieser Länder für die Politik der deutschen Regierung zu gewinnen. Er war weiterhin im Auftrag der Regierung im September 1914 nach Wien sowie im Oktober 1914 und im Januar 1915 nach Rumänien gereist.
  97. R. Patemann: Der Kampf um die preußische Wahlreform. S. 19.
  98. Nachlass Weizsäcker, Vgl. Ritter, Band II, S. 32 ff.
  99. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 218.
  100. A. v. Thaer: Generalstabsdienst in Front und Heimat. S. 65.
  101. A. Wahnschaffe: Der Reichskanzler von Bethmann Hollweg und die preußische Wahlreform. S. 196.
  102. Philipp Scheidemann: Memoiren eines Sozialdemokraten. Band I, Dresden 1929. S. 279.
  103. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 221.
  104. Vgl. A. Monticone: Bethmann Hollweg e il problema italiano nell’aprite 1915
  105. E. Zechlin: Das schlesische Angebot und die italienische Kriegsgefahr 1915. S. 533 ff.
  106. K. E. Birnbaum: Peace moves and U-Boat warfare. S. 32 ff.
  107. Tirpitz, S. 151 ff.
  108. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 225.
  109. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 227.
  110. Gerhard Hirschfeld (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Verlag Schöningh, Paderborn 2003, ISBN 3-506-73913-1, S. 343.
  111. Betrachtungen, Band II, S. 260 ff.
  112. Von Müller: Regierte der Kaiser? S. 147.
  113. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 230.
  114. Am 15. März 1916, K. H. Janssen: Der Kanzler und der General. S. 190 ff.
  115. Huldermann: Albert Ballin. S. 345.
  116. Ritter, Band III, S. 286.
  117. Engelmann, Naumann: Hugo Haase. 1999, S. 36 f.
  118. James W. Gerard: My four years in Germany. 1917. Text beim Projekt Gutenberg verfügbar
  119. Ritter, Band III, S. 185 f.
  120. Willibald Gutsche, Fritz Klein, Kurt Pätzold: Der Erste Weltkrieg. Ursachen und Verlauf. Köln 1985, S. 154 ff. (Original: Berlin/DDR 1985)
  121. Vgl. H. Delbrück: Ludendorff, Tirpitz, Falkenhayn.
  122. W.Conze: Polnische Nation.
  123. Betrachtungen, Band II, S. 90.
  124. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 238.
  125. An Hans Delbrück, Dezember 1916, Bundesarchiv Nachlass Delbrück, zitiert bei Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 239.
  126. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 240.
  127. Betrachtungen, Band II, S. 91.
  128. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 241.
  129. In: Deutsche Nation. Januar 1922. S. 13.
  130. Ritter, Band III, S. 423 f.
  131. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 244.
  132. Kriegsreden, S. 163 ff.
  133. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 245.
  134. Betrachtungen. Band II, S. 128.
  135. v. Müller: Regierte der Kaiser? S. 2–4.
  136. Ritter, Band III, S. 346 ff.
  137. Wilhelm II. an Bethmann Hollweg, Betrachtungen, Band II, S. 152 f.
  138. Vgl. Vietsch: Wilhelm Solf und Fritz Fischer: Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 bis 1914. 1969.
  139. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 252.
  140. Friedrich von der Ropp: Zwischen Gestern und Morgen. S. 101 f.
  141. v. Müller: Regierte der Kaiser? S. 249.
  142. Betrachtungen, Band II, S. 36.
  143. Vietsch: Wilhelm Solf, S. 371.
  144. Riezler zu F. Meinecke, Vgl. Meinecke: Erlebtes. S. 309 f.
  145. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 255.
  146. W. Hahlweg: Lenins Rückkehr nach Russland 1917. S. 25.
  147. Westarp, Band II, S. 86 ff.
  148. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 260.
  149. Kriegsreden, S. 208 ff.
  150. Kriegsreden, S. 215 ff.
  151. Ritter, Band III, S. 496.
  152. Schlaglichter. S. 91.
  153. Oettingen: Tagebücher. Eintrag vom 30. März 1917.
  154. R. Patemann: Der Kampf um die preußische Wahlreform im Ersten Weltkrieg. S. 58 ff.
  155. Ritter, Band III, S. 547.
  156. W. Steglich: Die Friedenspolitik der Mittelmächte 1917/1918. Band I, S. 124 ff.
  157. Herzogin Viktoria Luise: Ein Leben als Tochter des Kaisers. S. 159.
  158. K. Epstein: Erzberger. S. 215.
  159. Ritter, Band III, S. 566.
  160. Valentini: Der Kaiser im Volksstaat. S. 161 f.
  161. Ritter, Band III, S. 576.
  162. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 275.
  163. G. von Hertling: Ein Jahr in der Reichskanzlei. S. 12.
  164. Hertling, S. 4.
  165. Oettingen, Eintrag vom 3. Januar 1918.
  166. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 281.
  167. Epstein, S. 303.
  168. Fritz Stern, S. 46.
  169. Bethmann Hollweg dies near Berlin. In: The New York Times. 3. Januar 1921
  170. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 295 ff.
  171. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 298.
  172. Tirpitz: Erinnerungen. S. 150.
  173. H. Mommsen, in: Deutscher Widerstand. S. 161.
  174. Joh. Fischart: Das alte und neue System. 1919.
  175. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 302 ff.
  176. Fritz Stern: Bethmann Hollweg und der Krieg. Die Grenzen der Verantwortung. Tübingen 1968, S. 5.
  177. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boldt-Verlag, Boppard 1969, S. 314.
  178. Imanuel Geiss: Kurt Riezler und der Erste Weltkrieg. In: Imanuel Geiss, Bernd Jürgen Wendt: Deutschland in der Weltpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts. Düsseldorf 1973, S. 398–418, hier: S. 414 und Imanuel Geiss: Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg. München/Wien 1978, S. 105, 117–118.
  179. Fritz Fischer: Weltmacht oder Niedergang. Deutschland im Ersten Weltkrieg. Frankfurt am Main 1965, S. 92.
  180. Herbert Michaelis, Ernst Schraepler (Hrsg.): Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte. Band 2: Die Wende des ersten Weltkrieges und der Beginn der innenpolitischen Wandlung 1916/1917. Berlin 1958, S. 370 (Nr. 196).
  181. Egmont Zechlin: Probleme des Kriegskalküls und der Kriegsbeendigung im Ersten Weltkrieg. In: Egmont Zechlin: Krieg und Kriegsrisiko. Zur deutschen Politik im Ersten Weltkrieg. Aufsätze, Düsseldorf 1979, S. 32–50, hier: S. 48.
  182. Imanuel Geiss: Zur Beurteilung der deutschen Reichspolitik im ersten Weltkrieg. Kritische Bemerkungen zur Interpretation des Riezler-Tagebuchs. In: Hartmut Pogge-v. Standmann, Imanuel Geiss: Die Erforderlichkeit des Unmöglichen. Deutschland am Vorabend des ersten Weltkrieges. Frankfurt am Main 1965, S. 46–82, hier: S. 73.
  183. Willibald Gutsche: Aufstieg und Fall eines kaiserlichen Reichskanzlers. Theobald von Bethmann Hollweg 1856–1921. Ein politisches Lebensbild. Berlin/DDR 1973, S. 176–177.
  184. Erwin Hölzle: Die Selbstentmachtung Europas. Das Experiment des Friedens vor und im Ersten Weltkrieg. Göttingen / Frankfurt am Main / Zürich 1975, ISBN 3-7881-1681-1, S. 437.
  185. Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boppard am Rhein 1969, S. 207.
  186. Konrad H. Jarausch: The Enigmatic Chancellor. Bethmann Hollweg and the Hubris of Imperial Germany. New Haven / London 1973, S. 217, 229.
  187. Fritz Fischer: Weltmacht oder Niedergang. Deutschland im Ersten Weltkrieg. Frankfurt am Main 1965, S. 92, 187.
  188. Theobald von Bethmann Hollweg: Betrachtungen zum Weltkriege. 2. Teil: Während des Krieges. Berlin 1921, S. 29, und Eberhard von Vietsch: Bethmann Hollweg. Staatsmann zwischen Macht und Ethos. Boppard am Rhein 1969, S. 209.
  189. Golo Mann: Der Griff nach der Weltmacht. In: Wilhelm Graf Lynar (Hrsg.): Deutsche Kriegsziele 1914–1918. Eine Diskussion. Frankfurt am Main / Berlin 1964, S. 183–193 (zuerst veröffentlicht in: Neue Zürcher Zeitung, 28. April 1962), hier: S. 190.
  190. Wilhelm Ernst Winterhager: Mission für den Frieden. Europäische Mächtepolitik und dänische Friedensvermittlung im Ersten Weltkrieg – vom August 1914 bis zum italienischen Kriegseintritt Mai 1915. Stuttgart 1984, ISBN 3-515-03835-3, S. 537.
  191. Karl-Heinz Janssen: Der Kanzler und der General. Die Führungskrise um Bethmann Hollweg und Falkenhayn (1914–1916). Göttingen 1967, S. 93.
  192. Karl-Heinz Janssen: Der Kanzler und der General. Die Führungskrise um Bethmann Hollweg und Falkenhayn (1914–1916). Göttingen 1967, S. 173, 235, 243.
  193. Klaus Hildebrand: Bethmann Hollweg. Der Kanzler ohne Eigenschaften? Urteile der Geschichtsschreibung. Eine kritische Bibliographie. Düsseldorf 1970, S. 52.
  194. Fritz T. Epstein: Neue Literatur zur Geschichte der Ostpolitik im Ersten Weltkrieg. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge Band 14, 1966, S. 63–94, S. 76.
  195. Klaus Hildebrand: Bethmann Hollweg. Der Kanzler ohne Eigenschaften? Urteile der Geschichtsschreibung. Eine kritische Bibliographie. Düsseldorf 1970, S. 52, und Fritz Fischer: Weltpolitik, Weltmachtstreben und deutsche Kriegsziele. In: Historische Zeitschrift (HZ). Band 199, 1964, S. 265–346, hier: S. 273–274.
  196. Cornelißen: Gerhard Ritter. Geschichtswissenschaft und Politik im 20. Jahrhundert. Düsseldorf 2001, insbesondere S. 598–618.

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