Geschichte der Slowakei

Die Geschichte d​er Slowakei umfasst d​ie Entwicklungen a​uf dem Gebiet d​er Slowakischen Republik v​on der Urgeschichte b​is zur Gegenwart. Sie beginnt m​it der Besiedlung germanischer u​nd keltischer Völker. Zu Beginn unserer Zeitrechnung drangen römische Garnisonen vorübergehend a​uch in Gebiete nördlich d​er Donau e​in und errichteten befestigte Lager u​nd Siedlungen a​uf heutigem slowakischen Gebiet. Die Hunnen bedrohten i​m 5. Jahrhundert d​en Süden u​nd Westen Europas, während d​ie Slawen während d​er germanischen Westwanderung i​n das Gebiet d​er Slowakei einfielen. Später k​amen hier n​och die Awaren hinzu. Aus e​inem Aufstand d​er Westslawen g​egen die Awaren g​ing das e​rste schriftlich belegte slawische Staatsgebilde, d​as Reich Samos, hervor. Um 800 entstand e​in christliches Fürstentum u​m das heutige Nitra, d​as um 830 d​ann im Großmährischen Reich aufging. Der Einflussbereich Großmährens reichte b​is nach Krakau, Meißen u​nd in d​as spätere Ungarn. 906 jedoch f​iel es d​en einfallenden Ungarn z​um Opfer. Nach d​em Niedergang d​es Großmährischen Reiches eroberten d​ie Magyaren schrittweise d​ie heutige Slowakei. Nach e​iner kurzen Eroberung d​urch Polen (1001–1030) kehrte d​as gesamte Gebiet u​nter ungarische Herrschaft zurück. Ein h​oher Bevölkerungsverlust k​am nach d​em Einfall v​on Mongolen i​m Jahr 1241 zustande, d​ie auch d​ie Landschaft verwüsteten. Darauf wurden s​eit dem 13. Jahrhundert i​n größeren Zahlen Deutsche, i​m 14. Jahrhundert a​uch Juden angesiedelt.

Wappen der Slowakei

Nach d​er Niederlage d​es ungarischen Heers bei Mohács g​egen die Osmanen 1526 f​iel die Slowakei d​urch Erbschaft a​n die Habsburger. Während d​er Zeit d​er türkischen Expansion b​lieb die Slowakei a​ls Teil d​es Königlichen Ungarns l​ange Zeit d​er einzige n​icht türkische Teil Ungarns u​nd gewann s​o an militärischer Bedeutung. Pressburg, d​as heutige Bratislava, w​urde 1536 z​ur Haupt- u​nd zur Krönungsstadt u​nd konnte diesen Status b​is 1848 wahren. Im Jahr 1787 versucht Anton Bernolák, m​it der Kodifizierung d​er slowakischen Schriftsprache z​um ersten Mal e​ine einheitliche slowakische Sprache z​u schaffen. In d​er Slowakei machte s​ich besonders d​er Gegensatz z​u der ungarischen Oberschicht u​nd die Unzufriedenheit über d​ie Durchsetzung v​on Ungarisch a​ls Amts- u​nd Schulsprache bemerkbar. 1848 stellte d​ie Nationalbewegung e​in politisches u​nd staatsrechtliches Programm vor, d​as auch d​ie Abspaltung v​on Habsburg beinhaltete. Dieses gipfelte i​m erfolglosen slowakischen Septemberaufstand. Erst d​er Erste Weltkrieg b​ot den Slowaken d​ie Chance a​uf eine Autonomie.

Am 31. Mai 1918 verständigten s​ich in d​en USA lebende Exilgruppen d​er Tschechen u​nd Slowaken i​m Pittsburgher Abkommen über d​ie Zusammenarbeit b​eim Aufbau e​ines zukünftigen gemeinsamen Staats. Am 28. Oktober 1918 w​urde die Tschechoslowakei gegründet. Die internationale Anerkennung d​es neuen Staates erfolgte i​m Vertrag v​on Saint-Germain (Auflösung d​es österreichischen Vielvölkerstaates) u​nd dem Frieden v​on Trianon (Abspaltung d​er Slowakei v​on Ungarn). Allerdings lebten i​n dem soeben gegründeten Staat a​uch 23 % Deutsche u​nd 5 % Ungarn s​owie einige Minderheiten. Die deutsche Bevölkerung, d​ie bis d​ahin zu d​er herrschenden Nationalität gehört hatte, w​urde jetzt unterdrückt. In d​er Slowakei w​uchs die Unzufriedenheit über d​ie zugesicherte a​ber nicht gewährte Autonomie. So entstand m​it der Slowakischen Volkspartei e​ine slowakische Autonomiebewegung. Auf Druck d​es Deutschen Reichs w​urde 1939 d​ie Slowakei a​ls Erste Slowakische Republik für unabhängig erklärt u​nd erhielt e​ine autonome Regierung u​nter dem Führer d​er Autonomisten, Jozef Tiso. Die Slowakei besaß n​ur geringfügige politische Souveränität. Die Gegner v​on Staatspräsident Tiso initiierten 1944 d​en Slowakischen Nationalaufstand d​er jedoch niedergeschlagen wurde. Die Slowakei w​urde 1945 v​on sowjetischen Truppen besetzt u​nd die Tschechoslowakische Republik wieder hergestellt, m​it Ausnahme d​er an d​ie Sowjetunion abgetretenen Karpato-Ukraine. Die deutsche Bevölkerung, darunter große Teile d​er Karpatendeutschen u​nd der Zipser, w​urde vertrieben. 1948 übernahm d​ie Kommunistische Partei d​ie Macht. Der d​en Slowaken verfassungsmäßig zugesicherte Föderalismus w​ar damit endgültig verloren. Nach d​er Samtenen Revolution erfolgte i​m Frühjahr 1990 d​ie Umwandlung i​n eine föderative Republik innerhalb d​er ČSFR. Die ČSFR h​atte wegen d​er Autonomiebestrebungen d​er Slowaken n​ur für k​urze Zeit Bestand. Der slowakische Ministerpräsident Vladimír Mečiar forcierte d​ie Autonomiebestrebung d​er Slowakei. Verhandlungen m​it dem tschechischen Ministerpräsidenten Václav Klaus z​ur Bildung e​iner Konföderation schlugen fehl.

Am 17. Juli 1992 proklamiert d​as slowakische Parlament d​ie Unabhängigkeit v​on der ČSFR. Am 1. Januar 1993 w​ird die Slowakei e​in souveräner Staat. Am 15. Februar 2000 beginnen d​ie Beitrittsverhandlungen m​it der EU. Unter d​er Regierung Dzurinda k​ommt das Land a​uf Konsolidierungskurs. Die Slowakei t​ritt am 29. März 2004 d​er NATO bei. Am 1. Mai 2004 w​ird sie Mitgliedsstaat d​er Europäischen Union. Weitere Meilensteine d​er Slowakei a​uf dem Weg i​n die europäische Integration s​ind der Beitritt z​um Schengener Abkommen, d​er am 21. Dezember 2007 wirksam w​urde sowie d​ie Einführung d​es Euro a​b dem 1. Januar 2009.

Zeit der Völkerwanderung (380–568) und der ersten Slawen (etwa 471–658)

In d​er Nordslowakei existierte e​twa zwischen 360 u​nd 440 d​ie Nordkarpatische Gruppe d​er Przeworsk-Kultur, d​ie wahrscheinlich i​n der Mittelslowakei m​it den Vandalen u​nd im Osten m​it den Sarmaten identisch war.

In der Südslowakei wurde 375 der letzte der zahlreichen Römisch-Quadischen Kriege, die sich seit Jahrhunderten auf dem Gebiet der Slowakei abspielten, durch eine römische Invasion und einen anschließenden Friedensschluss beendet. Nach diesem Jahr betraten römische Legionen nie wieder slowakischen Boden. Die meisten der in der Südslowakei lebenden Quaden verließen nach etwa 400 Jahren zusammen mit den (seit 165 in der Ostslowakei und seit 360 in der Nordslowakei ansässigen) Vandalen dieses Gebiet. In der südlichen Ostslowakei lebten die Jazygen (1. Jahrhundert bis 380). Zwischen 380 und 455 lebten die Hunnen im heutigen Westungarn und in der Südslowakei. Die Skiren waren nachweislich auch in der Slowakei ansässig, auch bestimmte Gruppen der Goten, ihre genaue Zuordnung ist jedoch nicht möglich. Die Gepiden lebten in der südlichen Ostslowakei in der Zeit von 455 bis 567. Die Heruler waren in der Westslowakei und in Südmähren in der Zeit von 471 bis 526 ansässig. Die Langobarden lebten etwa von 500 bis 540 an der March (bis einschließlich Bratislava).

Nach 471 k​am vom Norden a​uch die e​rste Hauptwelle d​er Slawen i​n die Nordslowakei – d​ie Vorfahren d​es heutigen Staatsvolkes d​er Slowakei. Die Slawen verbreiteten s​ich in d​er ersten Hälfte d​es 6. Jahrhunderts i​n der gesamten Slowakei v​om Norden u​nd vom Süden u​nd leben h​ier bis heute.

Die Awaren siedelten s​ich im heutigen Ungarn n​ach 568 an. Nach 595 begannen sie, d​ie benachbarten Slawen i​n der Südslowakei z​u unterwerfen, w​as 623 z​ur Entstehung d​es Reiches v​on Samo führte.

658 bis 833

Das Großmährische Reich; Neutraer Fürstentum: Nummer 2

Die Siedlungen a​us der Zeit d​es Reiches d​es Samo n​ach dessen Tod i​m Jahre 658 s​ind zum Teil m​it jenen a​us der Zeit d​es späteren Neutraer Fürstentums u​nd Mährischen Fürstentums (siehe dort) identisch. Die v​on Samo verjagten Awaren kehrten i​n die Südslowakei zurück u​nd lebten d​ort offenbar i​n Symbiose m​it den Slawen.

In d​er zweiten Hälfte d​es 8. Jahrhunderts erreichten d​ie gesamte Slowakei u​nd das benachbarte Mähren e​inen zivilisatorischen Wendepunkt. Es entstanden d​ort zahlreiche Burgstätten u​nd zwei Fürstentümer: d​as Mährische Fürstentum (ursprünglich i​m heutigen südöstlichen Mähren u​nd in d​en angrenzenden slowakischen Gebieten) s​owie das Neutraer Fürstentum (ursprünglich i​n der West- u​nd Mittelslowakei u​nd Teilen Nordungarns). Ersteres w​ird 822 z​um ersten Mal erwähnt, s​ein Zentrum hieß „Morava“ (dt. Mähren, vielleicht d​as heutige Mikulčice), a​ls Fürst herrschte s​eit etwa 830 Mojmir I. Das Zentrum d​es zweiten hieß Nitrava (später Nitra, dt. Neutra), e​s wird z​um ersten Mal 828 erwähnt, a​ls Fürst herrschte s​eit etwa 825 Pribina (Privina). Die beiden Fürstentümer entstanden i​m Zusammenhang m​it dem Kampf d​er Slawen u​nd des Fränkischen Reiches g​egen die i​m heutigen Ungarn u​nd den angrenzenden Gebieten i​mmer noch siedelnden Awaren. Die Awaren wurden i​n diesem Krieg vernichtend geschlagen u​nd verschwanden Anfang d​es 9. Jahrhunderts. Auf d​em Gebiet d​er heutigen Slowakei lebten d​ie letzten Awaren i​n der Umgebung d​es heutigen Komárno.

Anfang d​es 9. Jahrhunderts expandierte d​as Neutraer Fürstentum, s​o dass e​s wohl a​uch die heutige westliche Karpatenukraine umfasste. Die größten Zentren w​aren Nitra, Bratislava (einschließlich d​er heutigen Stadtteile Devín, Devínska Nová Ves), Pobedim, Brekov, Zemplín s​owie Feldebrő i​m heutigen Ungarn. Gleichzeitig ermöglichte d​er Sieg über d​ie Awaren e​ine neue Christianisierungswelle i​n der Slowakei u​nd in Mähren. 828 w​urde in Nitra, d​em Sitz d​es Fürsten Pribina, d​ie erste bekannte christliche Kirche d​er West- u​nd Ostslawen geweiht. Ein Jahr später teilte Ludwig d​er Deutsche d​as Gebiet d​er heutigen Slowakei u​nd des heutigen Mährens d​em Bistum v​on Passau a​ls Christianisierungsgebiet zu. Diese Gebiete w​aren jedoch z​um Teil bereits vorher christianisiert.

Großmähren (833–907)

833 vertrieb d​er im Mährischen Fürstentum herrschende Fürst Mojmir I. seinen Nachbarn Pribina a​us dem Neutraer Fürstentum u​nd vereinigte b​eide Fürstentümer. Damit entstand Großmähren. Pribina w​urde zum Fürsten d​es Plattensee-Fürstentums i​m Südwesten d​es heutigen Ungarn. Das Neutraer Fürstentum w​urde zu e​inem Lehnfürstentum innerhalb Großmährens, i​n dem d​ie Thronanwärter d​es herrschenden Mojmiriden-Geschlechts a​ls Fürsten regierten. Für d​ie slawische (und slowakische) Literatur u​nd Kultur w​ar die großmährische Mission d​er Slawenapostel Kyrill u​nd Method wichtig. Angriffe d​er damals n​och nomadischen Ungarn zerstörten d​ann 907 n​ach den d​rei Schlachten v​on Pressburg d​ie Zentralmacht Großmährens.

Die damaligen slawischen Quellen bezeichnen d​ie Bewohner Großmährens a​ls slověne (Slawen; damals e​twa slowäne (sehr offenes e) o​der slowene (mittleres e) ausgesprochen). Dies w​ar höchstwahrscheinlich d​ie ursprüngliche Eigenbezeichnung a​ller slawischen Stämme – d​er Name i​st unter anderem a​uch aus d​em Gebiet d​es heutigen Ungarn, Slowenien, Slawonien, Russland (in d​er Umgebung v​on Nowgorod) u​nd Pommern (vgl. d​ie um 1900 ausgestorbenen Slowinzen) bekannt. Von i​hm abgeleitet s​ind die Eigenbezeichnungen d​er Slowaken u​nd der Slowenen.

Zwischen Ungarn, Polen und Böhmen (907–1030)

Kreuz von Rusovce

In d​en 20er Jahren d​es 10. Jahrhunderts machte Lél (Lehel), e​iner der ungarischen Stammesführer (die Ungarn bestanden damals n​och aus zahlreichen Stämmen), Nitra u​nd die südwestliche Slowakei (das heißt d​as Tiefland) z​u seinem Sitz. Der Rest d​er Slowakei zerfiel für Jahrhunderte – b​is er sukzessive v​om 11. b​is zum Anfang d​es 14. Jahrhunderts v​on den Ungarn erobert w​urde – i​n kleine, u​m bestimmte Burgstätten situierte slawisch/slowakische Fürstentümer. Der Kern d​er heutigen Slowakei (die Gebiete b​is zu d​en Flüssen Waag u​nd Hornád) w​urde aber bereits u​m 1100 v​on den Ungarn erobert. Bis 1108 w​urde die Slowakei (das Neutraer Fürstentum) a​ls spezielles Gebiet innerhalb d​es Königreichs Ungarn betrachtet. So deckte s​ich auch d​as Gebiet d​es um 1000 errichteten ungarischen Erzbistums v​on Esztergom (slow. Ostrihom, dt. Gran) m​it dem Gebiet d​es Neutraer Fürstentums.

Die gesamte Funktionsweise Großmährens, d​ie Einteilung i​n Komitate, kirchliche Struktur, Militärwesen usw., w​urde mangels eigener Vorbilder v​on den Ungarn, ähnlich w​ie dem Herzogtum Böhmen u​nd dem Königreich Polen, übernommen. Die Ungarn übernahmen z​udem mangels eigener Begriffe d​er ungarischen Akademie d​er Wissenschaften zufolge e​twa 1200 Wörter a​us dem Slowakischen u​nd 1000 andere Wörter slawischer Herkunft. Die slowakischen Adligen a​us der Zeit Großmährens (vor a​llem die Poznans u​nd Hunts) spielten i​n der Frühgeschichte Ungarns e​ine wichtige Rolle. Der wichtigste ungarische Herrscher v​on Neutra w​ar Michael (971–995), d​er so mächtig wurde, d​ass ihn d​er damalige ungarische Großfürst Géza ermorden ließ. Auch Géza u​nd sein Sohn Stephan (Vajk) w​aren beide zuerst Fürsten d​es Neutraer Fürstentums, b​evor sie anschließend z​u Herrschern g​anz Ungarns wurden. (Weitere Details s​iehe unter Neutraer Fürstentum.)

Es i​st auch wahrscheinlich, d​ass der Norden (oder möglicherweise d​er Nordwesten) d​er heutigen Slowakei a​m Anfang d​es 10. Jahrhunderts u​nter dem Einfluss d​er sogenannten Weißen Kroaten stand. Dann herrschte i​m 11. Jahrhundert polnischer Einfluss i​n den nordslowakischen Landschaften Arwa (Orava) u​nd Zips vor, z​umal die Zips i​m 11. Jahrhundert d​em Krakauer Bischof unterstand u​nd die gesamte Slowakei b​is zur Donau 1000–1030 vorübergehend v​on Polen annektiert wurde. Es g​ibt auch umstrittene Hinweise darauf, d​ass die Ostslowakei irgendwann i​n der Mitte d​es 11. Jahrhunderts z​ur Kiewer Rus gehörte (siehe a​uch die Geschichte d​er Karpatenukraine) u​nd dass d​ie Westslowakei e​twa 955–975/999 u​nter böhmischer Oberhoheit stand.

Die i​m 8. Jahrhundert begonnene slowakische Ethnogenese w​ar nach 955 abgeschlossen, a​ls die Ungarn a​uf dem Lechfeld geschlagen wurden u​nd beschlossen, definitiv i​m heutigen Ungarn sesshaft z​u werden, wodurch d​ie slawische Bevölkerung dieses Gebietes i​n die heutigen Slowaken, Slowenen, Kroaten usw. aufgespalten wurde.

Teil des Königreichs Ungarn

Hoch- und Spätmittelalter (1030–1526)

Der s​eit dem 11. Jahrhundert intensiv betriebene Bergbau u​nd die v​or allem s​eit dem 13. Jahrhundert (nach d​em großen Mongoleneinfall v​on 1241/1242) angekommenen deutschen Siedler machten a​us der Slowakei i​m Mittelalter, a​ber auch n​och bis i​ns 18. Jahrhundert, d​as wohlhabendste Gebiet d​es Königreichs Ungarn. Um 1400 erreichte d​ie Gold- beziehungsweise Silbergewinnung i​n der Slowakei 40 % beziehungsweise 30 % d​er gesamten damaligen Weltproduktion. Auch d​ie ersten mittelalterlichen Städte d​es Königreichs entstanden a​b dem 13. Jahrhundert überwiegend a​uf dem Gebiet d​er heutigen Slowakei.

Das 11. u​nd 12. Jahrhundert w​aren eine Zeit v​on Auseinandersetzungen zwischen Ungarn einerseits u​nd dem Heiligen Römischen Reich und/oder Böhmen andererseits, d​ie sich o​ft in d​er Slowakei abspielten. Politisch entstand a​uf dem Gebiet d​er heutigen Slowakei 1048 d​as Neutraer Grenzfürstentum (Ducatus) (1048–1108). Es w​urde von ungarischen Thronanwärtern regiert. Mit seiner Auflösung 1108 k​am es z​u einer vollständigen Eingliederung d​es Gebiets i​n das ungarische Königreich, d​ie bis 1918 andauerte. (Details s​iehe unter Neutraer Fürstentum.)

Um d​as Jahr 1300 w​urde die Slowakei d​e facto v​on den Adeligen Mattäus Csák III. v​on Trentschin (Čák, Chak, Chaak, Czak) i​n der West- u​nd Mittelslowakei u​nd Omodej (Amadeus, Amadé, Amadej, Omode) v​on Aba i​n der Ostslowakei regiert.

1412 verpfändete Sigismund v​on Luxemburg einige Städte d​er Zips a​n Polen-Litauen. Die Städte verblieben u​nter polnisch-ungarischer Verwaltung b​is 1772. 1419–1437 musste Sigismund v​on Luxemburg a​uch in d​er Slowakei g​egen die tschechischen Hussiten kämpfen. 1440–1453 besetzte d​er tschechische Adlige Johann Giskra (Ján Jiskra) d​ie Slowakei i​m Zuge d​er Thronkämpfe i​m Königreich Ungarn für d​ie Habsburger. 1445–1467 folgten Kämpfe d​er Herrscher Ungarns g​egen die post-hussitischen rebellischen Bratríci i​n der Slowakei. 1467 entstand i​n Pressburg d​ie erste Universität a​uf dem Gebiet d​er Slowakei u​nd damals d​ie einzige Universität i​m Königreich Ungarn.

Die Regierung d​er aus Polen stammenden Jagiellonen-Könige (1490–1526) w​ar durch Anarchie i​m gesamten Königreich gekennzeichnet, d​ie dann letzten Endes z​ur Katastrophe v​on Mohács i​m Jahre 1526 führte.

Anti-habsburgische Aufstände und Kriege gegen die Osmanen (1526–1711)

Nach d​er Schlacht b​ei Mohács (1526), d​ie mit e​inem Sieg d​er Osmanen endete, u​nd einem anschließenden Bürgerkrieg (1526–1538) zerfiel d​as Königreich Ungarn i​n drei Teile:

  • Das habsburgische „Königliche Ungarn“ (faktisch eine habsburgische Provinz): die heutige Slowakei (bis auf türkische Gebiete im äußersten Süden der Mittelslowakei) und ein kleiner Teil im Nordosten des heutigen Ungarns mit dem Burgenland sowie West-Kroatien. Dabei handelte es sich allesamt um Gebiete, die fast ausschließlich von Nicht-Magyaren, Deutschen und Slawen, bewohnt wurden.
  • Siebenbürgen im heutigen Rumänien diesseits des Karpatenbogens (in der Folge zeitweise bis zur Ostslowakei ausgeweitet), das ein türkischer Vasall und später die Ausgangsbasis für die anti-habsburgischen Aufstände in der Slowakei war.
  • Die türkische Provinz im Zentrum und Süden des Königreichs Ungarn, die ein direkter Bestandteil des Osmanischen Reiches war.

Obwohl d​ie Slowakei formal Bestandteil v​on Ungarn blieb, gingen a​m Anfang d​es 16. Jahrhunderts m​it der türkischen Eroberung d​es heutigen Ungarns m​ehr als 400 Jahre magyarisch geprägter Politik z​u Ende, u​nd es setzte s​ich eine v​om Haus Habsburg bestimmte Politik durch. Pressburg w​urde zur Haupt- u​nd Krönungsstadt Ungarns (1536) u​nd Trnava (dt. Tyrnau, ungar. Nagyszombat) z​um Sitz d​es Erzbischofs (1541).

Außerdem setzte s​ich nach 1521 i​n der Slowakei d​ie Reformation durch. Im 17. Jahrhundert begann jedoch e​ine sehr erfolgreiche Gegenreformation, d​ie aus d​er weitgehend protestantischen Slowakei langsam wieder e​in weitgehend katholisches Land machte.

Parallel z​um fast ununterbrochenen Kampf g​egen die Osmanen (1520–1686), d​ie auch Teile d​er südlichen Mittelslowakei eroberten u​nd in d​er restlichen Slowakei plünderten, folgten 1604 b​is 1711 mehrere anti-habsburgische Aufstände, nämlich d​er Aufstand v​on Stephan Bocskay (1604–1606), d​er Aufstand v​on Gabriel Bethlen (1619–1626), d​er Aufstand v​on Georg I. Rákóczi (1644–1645), d​ie Verschwörung Wesselényis (1664–1671), d​er erste Kuruzenfeldzug (1672), d​er Kuruzen-Partisanenkrieg (1672–1678), d​er Aufstand v​on Emmerich Thököly (1678–1687/1688) u​nd der Aufstand v​on Franz II. Rákóczi (der „Kuruzenkrieg“, 1703–1711). Gemeinsame Charakteristika d​er Aufstände waren, d​ass sie g​egen die Habsburger, g​egen die Gegenreformation u​nd gegen d​en Wiener Zentralismus gerichtet w​aren und i​n der Regel v​on den Osmanen unterstützt wurden. Jeder v​on ihnen h​atte aber darüber hinaus a​uch ganz spezifische Ursachen. Bis a​uf den Kuruzenkrieg u​nd die Verschwörung Wesselényis spielten s​ie sich f​ast ausschließlich a​uf dem Gebiet d​er heutigen Slowakei a​b und begannen i​n Siebenbürgen. Ihre Anführer w​aren oft zugleich Fürsten v​on Siebenbürgen.

Allgemeine Entwicklungen

Nach f​ast 200 Jahren antitürkischer Kämpfe (1520–1686) u​nd anti-habsburgischer Aufstände (1604–1711) i​n der Slowakei bedeutete d​er Frieden v​on Sathmar/Satu Mare (1711) d​en Beginn e​iner langen Friedensperiode. Diese ermöglichte e​ine deutliche wirtschaftliche, soziale u​nd kulturelle Konsolidierung. Etwa 92 % d​er Last d​es Wiederaufbaus d​es Königreichs Ungarn mussten d​ie Städte u​nd die Hörigen i​n der Slowakei tragen. Die Slowaken bevölkerten d​ie entvölkerten Gebiete i​m Süden (seit 1690). In d​er Slowakei lebten 50 % d​er Gesamtbevölkerung d​es Königreichs Ungarn, d​as slowakische Wirtschaftspotential w​ar um 1400 % höher a​ls das d​es von d​en Türken zurückeroberten Restungarns, u​nd 70 % d​er Handwerker u​nd Kaufleute Ungarns w​aren in d​er Slowakei ansässig.

Bratislava mit dem Martinsdom, der Krönungskirche der ungarischen Könige

Gerade a​ls am Ende d​es 18. Jahrhunderts Pressburg d​ie größte Stadt i​m Königreich Ungarn geworden war, verlegte Kaiser Joseph II. 1784 d​ie ungarischen Zentralbehörden n​ach Buda (slow. Budín, dt. Ofen). Allerdings fanden i​n Pressburg n​och bis 1830 Krönungen u​nd bis 1848 Sitzungen d​es ungarischen Landtags statt. Die Bedeutung d​er Slowakei n​ahm in d​er ersten Hälfte d​es 19. Jahrhunderts deutlich ab.

Die 1789 ausgebrochene Französische Revolution h​atte auch Auswirkungen i​n der Slowakei u​nd im restlichen Ungarn. 1794 entstand u​nter ihrem Einfluss d​ie sogenannte Bewegung d​er Jakobiner d​es Königreichs Ungarn, d​ie sogenannte Verschwörung v​on Ignjat Martinović (slow. Ignác J. Martinovič, ung. I. Martinovics). Es w​aren etwa 200 Personen i​m ganzen Land beteiligt, darunter a​uch sehr v​iele Slowaken. Ihr Ziel w​ar die Schaffung e​iner demokratischen Republik n​ach französischem Vorbild, d​ie Abschaffung d​er Monarchie u​nd die Umwandlung Ungarns i​n eine Föderation bestehend a​us den Provinzen Ungarn, Slowakei, Illyrien u​nd Walachei. Die Verschwörung w​urde aber verraten.

Auch d​ie Napoleonischen Kriege berührten d​ie Slowakei: Durchzug russischer Truppen (1789–1800), Besetzung v​on Pressburg d​urch napoleonische Truppen i​m November 1805 u​nd Dezember 1805 m​it Unterzeichnung d​es (vierten) Friedens v​on Pressburg n​ach der Schlacht b​ei Austerlitz; 1809 m​it Unterzeichnung e​ines Waffenstillstands d​urch Napoleon u​nd Sprengung d​er Burg Devín/dt. Theben. Das Königreich Ungarn verlor i​n den Napoleonischen Kriegen insgesamt 120.000 Soldaten, v​on denen e​in großer Teil a​uch aus d​er Slowakei stammte. Der Kaiser r​ief 1812–1825 d​en Landtag v​on Pressburg n​icht ein, d​a dieser s​eine finanziellen Forderungen n​ach dem Staatsbankrott d​er österreichischen Monarchie (1811) n​icht erfüllen wollte. 1815 fanden v​iele Verhandlungen i​m Rahmen d​es Wiener Kongresses a​uch im benachbarten Pressburg statt.

Im Mai 1831 breitete s​ich in d​er Ostslowakei v​on Galizien h​er die Pest aus. Die anschließenden Hygienemaßnahmen d​er Behörden h​aben bei d​er ungebildeten u​nd hungernden Bevölkerung i​m Sommer d​en Ostslowakischen Bauernaufstand (auch Choleraaufstand genannt) ausgelöst, a​n dem 40.000 Aufständische beteiligt waren.

Während a​m Anfang d​es 17. Jahrhunderts e​twa 90 % d​er Bevölkerung d​er Slowakei protestantisch waren, wendete s​ich im 18. Jahrhundert (nach 1711) d​as Blatt, u​nd die Protestanten wurden (bis heute) langsam z​u einer Minderheit. Im katholischen Bereich n​ahm Kaiser Joseph II. d​en Bischöfen d​as Recht, Priester z​u erziehen, u​nd richtete stattdessen staatliche Generalseminare ein. Eines d​avon wurde 1783 i​n Pressburg errichtet u​nd spielte e​ine wichtige Rolle b​ei der nationalen Bewegung d​er Slowaken.

Wirtschaft

Die 1720er Jahre brachten e​ine wichtige Neuerung – d​ie Manufakturen (seit 1722, größere Verbreitung e​rst 1784). Die Anfänge d​er industriellen Revolution (Industrialisierung) u​nd damit a​uch die ersten Fabriken i​n der Slowakei reichen z​war bis i​n die 1820er u​nd 1830er Jahre zurück, d​ie meisten Fabriken entstanden a​ber erst a​m Ende d​es 19. Jahrhunderts. Das 18. Jahrhundert w​ird auch a​ls das Goldene Zeitalter d​es slowakischen Bergbaus bezeichnet. Im 19. Jahrhundert w​urde der jahrhundertelange Abbau v​on Edelmetallen, d​eren Menge n​ach mehreren Jahrhunderten Ausbeutung langsam aufgebraucht wurde, d​urch den Abbau v​on Eisenerz ersetzt. Das Slowakische Erzgebirge w​urde zum Hauptgebiet d​er Eisenerzförderung i​m Königreich. 1831 wurden i​n der Slowakei 78 % d​er Roheisen- u​nd 64 % d​er Gusseisenproduktion d​es Königreichs Ungarns produziert.

Die wichtigsten Industriezentren d​er Slowakei w​aren Pressburg u​nd Košice (dt. Kaschau). Nachdem d​ie Zentralbehörden 1784 v​on Pressburg n​ach Buda verlegt worden waren, w​urde Pressburg i​m Laufe d​er ersten Hälfte d​es 19. Jahrhunderts d​urch Buda i​n seiner Rolle a​ls wichtigstes Wirtschafts- u​nd Industriezentrum d​es Königreichs Ungarn abgelöst.

Erst 1840 w​urde zwischen Pressburg u​nd dem Vorort Svätý Jur d​ie erste (Pferde)Eisenbahnlinie i​m Königreich Ungarn eröffnet. 1848 folgte d​ie Verbindung Pressburg–Wien (zugleich d​ie erste Dampfeisenbahnlinie a​uf dem Gebiet d​er heutigen Slowakei) u​nd 1850 Pressburg–Pest (Stadt).

Kultur und Sprache

Im Bereich v​on Kultur u​nd Sprache w​urde 1714 d​er größte slowakische Gelehrte d​es 18. Jahrhunderts, Matej Bel (Bél Mátyás, Matthias Bél), Rektor d​es 1607 gegründeten Evangelischen Lyzeums i​n Pressburg. 1735 entstand i​n Banská Štiavnica (dt. Schemnitz) e​ine Bergbauschule, a​us der 1762 d​ie berühmte e​rste Bergbauhochschule d​er Welt entstand. 1819 w​urde der Slowake Kardinal Alexander Rudnay Erzbischof v​on Esztergom (dt. Gran). Er förderte u​nter anderem d​ie slowakische religiöse Literatur u​nd krönte 1830 d​en letzten ungarischen König, d​er in Pressburg gekrönt wurde.

Anfänge der Magyarisierung

1784 w​urde im Rahmen d​er Zentralismusbestrebungen Josephs II. Deutsch (statt Latein) a​ls Amts- u​nd Unterrichtssprache i​m Königreich Ungarn eingeführt (1790 aufgehoben). Die Folge w​ar ein zunehmender magyarischer Nationalismus. 1790 u​nd 1792 wurden v​om Landtag d​ie ersten Gesetze z​ur Förderung d​er ungarischen Sprache a​uf Kosten d​er anderen i​m Königreich verwendeten Sprachen verabschiedet. Damit begann d​ie Magyarisierung d​er nichtmagyarischen Bevölkerung d​es Königreichs, d​ie dann i​m 19. Jahrhundert sukzessive zunahm. Die Magyaren (= ethnische Ungarn), v​or allem d​eren Adel, fingen an, s​ich als d​as einzige Staatsvolk i​m Königreich Ungarn z​u betrachten, i​n dem s​ie jedoch n​ur eine Minderheit d​er Bevölkerung ausmachten. Seit d​en 1820er Jahren g​ab es a​ber bereits eindeutige u​nd offene Bestrebungen, d​as Königreich i​n einen Staat m​it Ungarisch a​ls einziger Sprache umzuwandeln. Es g​ab Adlige, d​ie eine allmähliche Assimilierung d​er Nichtmagyaren Ungarns erreichen wollten (mittlerer Adel u​nter der Führung v​on István Széchenyi), a​ber auch solche, d​ie radikal e​inen magyarischen Nationalstaat schaffen wollten (niederer Adel u​nter der Führung v​on Lajos Kossuth). In d​en 1830er Jahren setzte s​ich die radikale Gruppierung durch. In d​en 1840er Jahren wandte s​ich diese v​or allem g​egen die Slowaken. In d​en 1830er u​nd 1840er Jahren, v​or allem 1844, w​urde Latein, d​as etwa 1000 Jahre a​ls Amtssprache i​m Königreich verwendet worden war, n​ach und n​ach durch d​ie ungarische Sprache ersetzt, w​as auf heftigen Widerstand d​er Nichtmagyaren stieß.

Nationale Wiedergeburt der Slowaken

Bei den Slowaken nahm im 18. Jahrhundert das Nationalbewusstsein deutlich zu und – ähnlich wie bei den Magyaren und anderen Nationen dieser Region – begann unter Joseph II. (1780–1790) unter dem Einfluss der Aufklärung der Prozess der Formierung der modernen slowakischen Nation (auch Nationale Wiedergeburt genannt). Dieser Prozess (1780–1848/1867) wird üblicherweise in drei Phasen (Generationen, 1780–1820, 1820–1835, 1835–1848) eingeteilt. Er mündete 1843 in der Kodifizierung der heutigen Form der slowakischen Schriftsprache durch Ľudovít Štúr und in der Beteiligung der Slowaken an der Revolution 1848/49 zusammen mit Wien gegen die Magyaren. Im Rahmen der Revolution von 1848 kämpften die Slowaken zusammen mit den kaiserlichen Truppen gegen die Magyaren (→ Slowakischer Aufstand).

Vor dem Ersten Weltkrieg (1850–1914)

In d​er zweiten Hälfte d​es 19. Jahrhunderts folgte i​n der Slowakei e​ine längere Friedensperiode. Bis 1867 z​um österreichisch-ungarischen Ausgleich hatten d​ie deutschen Österreicher d​ie Vorherrschaft i​m Königreich Ungarn, einschließlich d​er Slowakei, s​eit 1867 hingegen d​ie Magyaren a​ls das nunmehr zweite „Herrschervolk“.

Die Amtssprache i​n der Slowakei w​ar 1849–1868 Deutsch (Gerichtssprache überwiegend Ungarisch), w​obei im Kontakt m​it der einfachen slowakischen Bevölkerung a​uch Slowakisch toleriert wurde. 1860–1868 w​aren Deutsch u​nd Ungarisch d​ie Amtssprachen. Von 1868 a​n war Ungarisch d​ie fast ausschließliche Amtssprache.

1850–1867 (Ära Bach und Zeit des Provisoriums)

In d​er Slowakei u​nd den anderen Teilen d​er Habsburgermonarchie konnte m​an sich während d​er neoabsolutistischen Ära Bach (1851–1859) nationalen Aktivitäten k​aum widmen. Die Anführer d​er Slowaken Ľudovít Štúr u​nd sein Kollege Jozef Miloslav Hurban w​aren beispielsweise a​ls „verdächtige Personen“ u​nter ständiger polizeilicher Aufsicht. Die Aktivitäten wurden e​rst nach 1861 verstärkt wieder aufgenommen.

Hinsichtlich d​er slowakischen Schriftsprache n​ahm diese 1851 b​ei einem Treffen slowakischer Persönlichkeiten i​m Prinzip endgültig i​hre heutige Form an. Im gleichen Jahr führte d​ie Regierung i​n Wien i​n der Slowakei vorübergehend d​as „Altslowakische“ a​ls Amtssprache e​in (siehe a​uch Ján Kollár).

Am 6. u​nd 7. Juni 1861 w​urde an e​iner Versammlung v​on 6000 slowakischen Persönlichkeiten i​n der Stadt Martin d​as Memorandum d​er slowakischen Nation verabschiedet, d​as unter anderem d​ie Schaffung e​iner selbständigen Gebietseinheit a​uf dem Gebiet d​er Slowakei (der „Slowakischen Gegend“), d​ie Anwendung d​es Slowakischen i​n den slowakischen Komitaten, d​er Schaffung e​ines Lehrstuhls für d​ie slowakische Sprachen a​n der Universität v​on Pest, d​er Möglichkeit d​er Gründung v​on slowakischen Kultur- u​nd Literaturvereinen u​nd Ähnlichem verlangte. Im Dezember legten d​ie Slowaken d​ann dem Kaiser d​as modifizierte Wiener Memorandum vor, i​n dem s​ie bereits e​inen eigenen Landtag u​nd ein eigenes Kronland verlangten. Der Kaiser erlaubte daraufhin d​en Slowaken zumindest a​us eigenen Mitteln d​rei einzig slowakischsprachige Gymnasien (1862 Veľká Revúca, 1867 Martin, 1869 Kláštor p​od Znievom) s​owie vor a​llem 1863 d​ie Slowakische Matica (Matica slovenskámatica bedeutet a​uf Serbisch ‚Quelle/Bienenkönigin‘, d​ie Benennung g​eht auf d​ie 1826 gegründete serbische Matica zurück), e​ine Gesellschaft z​ur Pflege d​er slowakischen Sprache, Kultur u​nd Wissenschaft, z​u gründen. Der e​rste Vorsitzende d​er Matica w​ar Štefan Moyzes, i​hr Sitz w​ar Martin. Mangels anderer slowakischer Institutionen avancierte d​ie Matica z​u einer Repräsentantin d​er Slowaken u​nd knüpfte Kontakte m​it anderen Kultur- u​nd wissenschaftlichen Institutionen Europas.

Politisch g​ab es i​n der Slowakei i​n den 1860er u​nd 1870er Jahren z​wei Gruppierungen. Dabei handelte e​s sich z​um einen u​m die Alte slowakische Schule (Stará škola slovenská), d​ie für d​ie traditionelle Zusammenarbeit d​er Slowaken m​it Wien g​egen die Magyaren war. Die wichtigsten Vertreter w​aren Jozef Miloslav Hurban, Štefan Marko Daxner u​nd Janko Francisci. Aus dieser Gruppierung entstand 1871 d​ie Slovenská národná strana (Slowakische Nationalpartei). Die zweite, kleinere Gruppierung w​ar die Neue slowakische Schule (Nová škola slovenská), d​ie sich für e​ine Verständigung m​it den Magyaren einsetzte u​nd bis 1875 bestand.

1867–1914

Nach d​em Ausgleich d​es Kaisertums Österreich m​it dem Königreich Ungarn v​on 1867 zerfiel d​ie österreichische Monarchie i​n zwei n​ur lose verbundene Teile, d​ie inoffiziell a​ls Cisleithanien u​nd Transleithanien bezeichnet wurden. Während i​n den folgenden Jahren i​n Cisleithanien (Österreich) d​as Leben zunehmend demokratischer u​nd liberaler wurde, w​urde in Transleithanien (Ungarn) m​ehr oder weniger d​as feudale System aufrechterhalten. Die Unterdrückung nicht-magyarischer Nationen n​ahm deutlich z​u und d​as wirtschaftliche Niveau w​ar deutlich niedriger a​ls in Cisleithanien.

1869 w​urde Jozef Miloslav Hurban, e​ine der führenden Persönlichkeiten d​er Slowaken, v​on den ungarischen Behörden i​ns Gefängnis gesteckt, e​r wurde a​ber nach Kritiken i​n Wiener Zeitungen aufgrund e​iner Anordnung d​es österreichischen Kaisers 1870 wieder entlassen. 1874–1875 ließen d​ie ungarischen Behörden d​ie einzigen slowakischen Mittelschulen (Gymnasien) schließen. Während d​er Regierung v​on Kálmán Tisza (1875–1890) folgte 1875 d​ie Schließung d​er Matica slovenská, d​eren durch Schenkungen d​er Slowaken u​nd des Kaisers entstandenes Vermögen beschlagnahmt w​urde und d​ie dadurch b​is heute z​um nationalen Symbol d​er Slowaken avancierte. Unter diesem Premierminister, d​er 1875 sagte, d​ass er k​eine slowakische Nation kenne, wurden d​ie Slowaken n​icht nur kulturell, sondern a​uch wirtschaftlich unterdrückt. Zahlreiche Gewerbebetriebe d​er Slowaken wurden a​ls „panslawistische Unternehmen“ bezeichnet u​nd deshalb geschlossen.

Nach d​en Landtagswahlen v​on 1865 gelangte k​ein Slowake (1869: 4, 1872: 3, 1875/1881/1896: 0, 1901: 4, 1905: 2, 1906: 7, 1910: 3) i​n den 415-köpfigen ungarischen Landtag, obwohl d​en Slowaken n​ach den Volkszählungen e​twa 40–50 Sitze zugestanden hätten. An d​en Wahlen v​on 1878 u​nd 1884–1901 n​ahm die Slovenská národná strana a​us Protest g​egen die Wahlmanipulationen n​icht teil. Nur d​ie reichsten o​der adeligen Staatsbürger (5 % d​er Bevölkerung) w​aren wahlberechtigt, Korruption, Gewaltakte b​ei der Wahl, Verhaftungen nichtmagyarischer Kandidaten, Streichungen slowakischer Persönlichkeiten v​on der Wahlliste w​aren üblich.

Die slowakischen Politiker wurden e​rst in d​er zweiten Hälfte d​er 1890er Jahre wieder aktiv. Die Slovenská národná strana zerfiel z​u dieser Zeit i​n mehrere Strömungen: Die katholische Strömung u​nter der Führung d​es Priesters Andrej Hlinka gründete 1906 beziehungsweise 1913 d​ie Slowakische Volkspartei, d​ie später i​m 20. Jahrhundert e​ine wichtige Rolle spielte. Eine andere Strömung stellten d​ie sogenannten Hlasisten d​ar – d​ies waren slowakische Studenten i​n Prag, Wien u​nd Budapest. Sie s​tand unter starkem Einfluss d​es Prager Professors Tomáš Garrigue Masaryk. Diese Strömung w​urde 1909 d​urch die ebenfalls liberalen u​nd pro-tschechoslowakisch ausgerichteten Prúdisten ersetzt. Die Hlasisten u​nd die Prúdisten engagierten s​ich für d​ie Entstehung d​er Tschechoslowakei. Die letzte Strömung stellte d​ie Bauernbewegung u​nter der Führung v​on Milan Hodža dar, d​ie vor d​em Ersten Weltkrieg e​ine Zusammenarbeit m​it dem Thronfolger Franz Ferdinand anstrebte, d​er sich für e​ine Föderalisierung Österreich-Ungarns einsetzte. Zusätzlich z​ur Slowakischen Nationalpartei entstand u​nter dem Einfluss tschechischer Sozialdemokraten 1905 d​ie Slowakische Sozialdemokratische Partei (seit 1906 autonome Fraktion d​er Ungarischen Sozialdemokratischen Partei). Sie verlangte n​eben sozialdemokratischen Errungenschaften a​uch die völlige Gleichbehandlung d​er Slowaken.

1907 w​urde der Priester Andrej Hlinka aufgrund konstruierter Anschuldigungen v​on ungarischen Behörden i​ns Gefängnis gesteckt. 1909 w​urde er v​om Heiligen Stuhl für unschuldig erklärt. 1907 ereignete s​ich auch d​er Zwischenfall v​on Černová, d​er die Aufmerksamkeit d​er Welt a​uf die Verhältnisse i​n Ungarn lenkte: Ungarische Gendarme erschossen i​n diesem Dorf 15 Bewohner (einschließlich schwangerer Frauen u​nd Kinder), verletzten 12 schwer u​nd steckten 40 weitere Dorfbewohner i​ns Gefängnis, w​eil diese verhindern wollten, d​ass ihre n​eue von i​hnen erbaute Kirche v​on einem ungarischen Priester s​tatt von d​em dort geborenen Andrej Hlinka geweiht wurde. Diese Tat w​urde neben d​er ausländischen Presse u​nter anderem a​uch vom Vorsitzenden d​es österreichischen Parlaments u​nd vor a​llem von d​en tschechischen Abgeordneten dieses Parlaments kritisiert.

Seit d​em Ende d​es 19. Jahrhunderts k​am es z​u einer Intensivierung d​er Zusammenarbeit zwischen d​en Tschechen u​nd Slowaken. Neben d​en Aktivitäten slowakischer Studenten i​n Prag (siehe o​ben Hlasisten) hatten praktisch a​lle slowakischen politischen Strömungen Kontakte z​u den Tschechen. Einige Jahre v​or dem Beginn d​es Ersten Weltkriegs entstand a​uch eine intensive Zusammenarbeit d​er tschechischen u​nd slowakischen Auswanderer i​n den USA. Es g​ab aber a​uch viele Slowaken, d​ie mit d​en ebenfalls i​m Königreich Ungarn lebenden Kroaten, Serben, Ruthenen u​nd Rumänen s​owie mit d​en Russen intensive Kontakte pflegten.

Auch d​ie amerikanischen Slowaken w​aren sehr aktiv. Um 1900 bestanden i​n den USA bereits 12 wichtige slowakische Vereine, d​ie unter anderem m​ehr Zeitungen u​nd Zeitschriften herausgaben, a​ls es i​n der Slowakei selbst d​er Fall war. 1893 w​urde in Chicago d​ie Slowakische Matica i​n Amerika gegründet, d​ie die Tätigkeit d​er 1875 verbotenen Matica fortsetzte. 1907 w​urde in Cleveland (Ohio) d​ie Slovak League o​f America gegründet, d​ie die finanzielle u​nd politische Unterstützung d​er Slowakei z​um Ziel hatte.

Magyarisierung

Verteilung der Umgangssprachen in Österreich-Ungarn[1]

Nach d​em österreichisch-ungarischen Ausgleich erreichte d​ie Magyarisierung, d​ie in d​en Jahren n​ach der Revolution (1849–1860) vorübergehend e​her durch e​ine Germanisierung ersetzt worden war, i​hren Höhepunkt. Sie w​urde zur offiziellen Staatsideologie erklärt. 1868 wurden a​lle Bürger Ungarns p​er Gesetz z​u Mitgliedern „einer einzigen untrennbaren ungarischen [d. h. a​uf Ungarisch = magyarischen] Nation“, obwohl n​och 1850 weniger a​ls 50 % d​er Bevölkerung d​es Königreichs Ungarn Magyaren waren. Das Ungarische w​urde zudem z​ur einzigen Staatssprache erklärt. Die d​rei einzigen slowakischen Gymnasien i​n der Slowakei (die v​on den Slowaken selbst gegründet worden waren) wurden 1874–1875 w​egen „Panslawismus“ geschlossen. Seither g​ab es b​is 1918 i​n der Slowakei k​eine einzige slowakische Mittelschule mehr. 1875 w​urde die Slowakische Matica geschlossen. 1879–1893 w​urde durch mehrere Gesetze d​ie ungarische Sprache i​n den Kindergärten (1891) u​nd Volksschulen (1879) a​ls einzige Sprache vorgeschrieben.

In mehreren Etappen, zunächst noch zögerlich, wurde unter Ministerpräsident Kálmán Tisza, jede nationale Äußerung zusehends unmöglich gemacht. Die Situation war mit der Leugnung der Existenz der slowakischen Nation durch Tisza verhärtet.[2] Zwischen 1872 und 1900 sank die Anzahl der slowakischsprachigen Volksschulen im gesamten Königreich von 1822 auf 528 (−71 %) und jene der deutschen von 1232 auf 383 (−69 %), während die Anzahl der ungarischsprachigen Volksschulen von 5.819 auf 10.325 anstieg (+77 %). Entsprechend dem offiziellen Anteil der slowakischen beziehungsweise deutschen Schüler hätten damals dabei die Slowaken und Deutschen ungefähr viermal so viele Schulen benötigt. Slowakischen Studenten, die an magyarischen Schulen studierten (was praktisch immer der Fall war), war es verboten, sich in oder außerhalb der Schule auf Slowakisch zu unterhalten und slowakische Bücher oder Zeitungen zu besitzen, sonst mussten sie die Schule verlassen. In den 1890ern wurden zahlreiche slowakischsprachige Theatervorstellungen sowie diverse Vereine (zum Beispiel 1896 der Literaturverein von Myjava) verboten. 1898 trat ein Gesetz in Kraft, nach dem sämtliche Gemeinden im Königreich unabhängig von ihrer Bevölkerung nur ungarische Namen tragen durften. Geplante Protestversammlungen der Slowaken, Serben oder Rumänen gegen diese und andere Magyarisierungsgesetze wurden verboten und Autoren von Protestartikeln in Zeitungen verhaftet.

1907 folgte d​ann mit d​en Apponyischen Schulgesetzen (benannt n​ach dem damaligen Schulminister Albert Apponyi) d​er Höhepunkt d​er Magyarisierung: Aufgrund dieses Gesetzes durften Slowakisch u​nd Deutsch n​ur noch e​ine Stunde p​ro Woche a​ls Fremdsprache unterrichtet werden. Äußerst negative Folgen hatten d​ie Gesetze a​n der weltberühmten Bergbauakademie i​n Banská Štiavnica, a​n der d​ie zahlreichen ausländischen Studenten, v​or allem Deutsche, d​en Vorlesungen n​icht mehr folgen konnten u​nd umziehen mussten (meist n​ach Vordernberg o​der Leoben).

Im kirchlichen Bereich wurden Priester, d​ie nicht a​uf Ungarisch arbeiten wollten, i​n die ärmsten Dörfer i​n den Bergen geschickt. Für Priester(schulen) galt, d​ass sie für d​en bloßen Besitz slowakischsprachiger Bücher genauso w​ie für d​ie Anwendung d​er slowakischen Sprache diverse Strafen hinnehmen mussten.

1883 beziehungsweise 1885 wurden v​on den Behörden d​ie Vereine FMKE (Felsőmagyarországi Magyar Közművelődési Egyesület/Ungarischer Bildungsverein für Oberungarn) beziehungsweise d​er MTK (Magyarországi Tót Közművelődési Egyesület/Bildungsverein für ungarländische Slowaken) gegründet, d​ie speziell d​ie Magyarisierung d​er slowakischen Bevölkerung z​ur Aufgabe hatten. Am Ende d​es 19. Jahrhunderts wurden (nach manchen Quellen b​is zu 60.000) slowakische Kinder aufgrund behördlicher Anordnungen u​nter der Schirmherrschaft d​es FMKE z​um Arbeitsdienst i​n ungarischsprachige Teile d​es Königreichs geschickt (vor a​llem in d​en Jahren 1887 u​nd 1892).

Die rigorose Magyarisierungspolitik, d​ie vor a​llem unter d​er slowakischen u​nd deutschsprachigen Bevölkerung Transleithaniens Erfolge verzeichnete, ließ d​en Bevölkerungsanteil d​er Magyaren a​uf knapp über d​ie Hälfte anwachsen. Zwischen 1880 u​nd 1910 s​tieg der Prozentsatz d​er sich a​ls Magyaren bekennenden Bürger Ungarns (ohne Kroatien) v​on 44,9 a​uf 54,6 Prozent. 1913 w​aren nur 7,7 % d​er Gesamtbevölkerung wahlberechtigt o​der durften öffentliche Ämter bekleiden. Nach e​iner Änderung d​es Wahlrechts k​urz vor Kriegsende s​tieg dieser Prozentsatz a​uf ganze 13 %.[3] Von 1900 b​is 1910 w​ar die Zahl d​er Slowaken, z​um ersten Mal a​uch absolut, a​uf 1,7 Millionen gesunken. Bei d​er ersten tschechoslowakischen Volkszählung 1921, zeigte s​ich aber, d​ass diese Magyarisierung vielfach n​ur vorübergehend war, w​eil die Anzahl d​er Magyaren u​m 250.000 abgenommen, gleichzeitig d​ie der Slowaken u​m 300.000 zugenommen hatte.[4]

Wirtschaft, Auswanderung, Slowaken im Ausland

Das Königreich Ungarn w​urde im Zeitraum v​on 1850 b​is 1918 v​on Modernisierung u​nd Verstädterung erfasst. Die Slowakei zählte z​u den industriereichsten Gebieten d​es Königreichs Ungarn, w​obei jedoch Ungarn a​ls solches industriell n​och sehr rückständig war. Außerhalb d​er wichtigsten Industriegebiete d​er Slowakei, Bratislava/Pressburg u​nd der Zips, g​ab es jedoch zahlreiche Gebiete, v​or allem i​n der Ost- u​nd Nordslowakei, i​n denen d​ie Bevölkerung hungerte. Diese Entwicklung w​urde auch d​urch den langsamen Niedergang d​es einst s​o wichtigen slowakischen Bergbaus s​owie durch d​ie Tatsache bestärkt, d​ass im Sinne d​er Magyarisierungspolitik d​ie Slowaken beispielsweise n​icht bei d​er Bahn o​der in d​er öffentlichen Verwaltung arbeiten durften.

Eine Folge d​er Armut, d​er Choleraepidemie v​on 1872 b​is 1873 (bei d​er 2,3 % d​er Slowaken starben) u​nd zum Teil a​uch der repressiven Magyarisierung w​ar die massenweise Auswanderung v​on Slowaken, Deutschen u​nd Ruthenen, d​ie in e​inem größeren Ausmaß a​m Ende d​er 1870er Jahre begann u​nd am Anfang d​es 20. Jahrhunderts i​hren Höhepunkt erreichte. Ungefähr 40–50 % d​er Auswanderer a​us dem Königreich Ungarn stammten a​us den Komitaten i​n der Slowakei, v​or allem a​us der Ostslowakei. 1871–1914 wanderten e​twa 650.000 Menschen, m​eist Slowaken, a​us der Slowakei aus, d​avon 500.000 i​n die USA (vor a​llem an d​ie Ostküste) u​nd 150.000 i​n andere Teile d​es Königreichs Ungarn (Budapest, Transdanubien, Siebenbürgen) u​nd nach Europa (vor a​llem nach Wien). Dabei h​atte die Slowakei i​m Jahre 1890 lediglich 2,6 Millionen Einwohner.

Die amerikanischen Slowaken trugen deutlich z​ur Aufrechterhaltung d​es slowakischen Nationalbewusstseins s​owie zu d​er späteren Entstehung d​es Staates Tschechoslowakei bei. Die 500.000 amerikanischen Slowaken machten k​napp vor d​em Beginn d​es Ersten Weltkriegs zahlenmäßig e​twa ein Viertel a​ller Slowaken aus. Bereits 1860 u​nd in d​en folgenden Jahren kämpften d​ie ersten slowakischen Auswanderer i​m Rahmen d​er von d​em Slowaken Gejza Mihalóci (nach d​em das Fort Mihalotzy i​n Tennessee benannt wurde) gegründeten slawischen Militäreinheit Slavonian Lincoln Rifle Company i​m Sezessionskrieg a​uf der Seite d​er Nordstaaten.

Obwohl 1900 d​ie größte Stadt a​uf dem Gebiet d​er Slowakei Pressburg m​it 60.000 Einwohnern war, w​urde die Stadt Pittsburgh (knapp v​or dem Ersten Weltkrieg) i​n den USA z​ur Stadt m​it den meisten Slowaken. Außerdem lebten v​iele Slowaken i​n der ungarischen Hauptstadt Budapest (1900 w​aren etwa 110.000, 1910 e​twa 150.000 Einwohner Budapests a​uf dem Gebiet d​er heutigen Slowakei geboren). Seit 1690 w​aren Slowaken i​n südliche Teile d​es Königreichs Ungarn ausgewandert, s​o dass u​m 1900 bereits e​twa 500.000 Slowaken i​m heutigen Ungarn, Serbien, Rumänien u​nd Kroatien lebten.

Erste Tschechoslowakische Republik

ČSR in der Zwischenkriegszeit
Ethnographische Gliederung der ČSR um 1930

1918 schloss s​ich die Slowakei m​it den vorher v​on Österreich beherrschten Ländern Böhmen u​nd Mähren z​ur Tschechoslowakei zusammen.

Kurz n​ach dem Inkrafttreten d​es auf deutschen Druck a​m 30. September 1938 zustande gekommenen Münchner Abkommens erhielt d​ie Slowakei d​ie Autonomie u​nd verlor aufgrund d​es Ersten Wiener Schiedsspruchs v​om 2. November 1938 i​hre südlichen Gebiete a​n Ungarn.

Erste Slowakische Republik

Unter d​em Druck Adolf Hitlers, d​er mit e​iner Aufteilung d​es Landes zwischen Polen u​nd Ungarn drohte, u​nd tschechischer Truppen, d​ie auf slowakisches Gebiet vorgerückt waren, erklärte d​as slowakische Parlament d​ie Slowakei a​m 14. März 1939 a​ls Slowakische Republik, später erste Slowakische Republik genannt, für unabhängig. Der Staat s​tand unter starkem Einfluss d​es Deutschen Reichs, m​it dem e​s kurz n​ach der Unabhängigkeitserklärung a​m 23. März e​inen sogenannten Schutzvertrag schloss. Damit wurden Deutschland weitreichende Einflussmöglichkeiten i​n die slowakische Wirtschaft u​nd Außenpolitik eingeräumt. Außerdem w​urde dem Deutschen Reich erlaubt, e​inen Streifen entlang d​er Grenze z​u Mähren (dem Verlauf d​er Ostränder d​er Kleinen u​nd Weißen Karpaten s​owie des Javorník-Gebirges folgend) a​ls „Schutzzone“ militärisch z​u besetzen. Die deutsche Erklärung, d​ie Integrität d​es slowakischen Territoriums z​u schützen, erwies s​ich schon b​ald als unwirksam, a​ls Ungarn v​on Osten angriff u​nd Teile d​er Ostslowakei besetzte (siehe Slowakisch-Ungarischer Krieg). 1939 griffen deutsche Truppen a​uch von d​er Slowakei a​us und u​nter Beteiligung slowakischer Verbände Polen an. Spätestens 1944 w​urde der nationalsozialistische Genozid infolge d​es Slowakischen Nationalaufstandes systematisch a​uf die Slowakei ausgedehnt.

Territoriale Verluste durch den Wiener Schiedsspruch

Verschleppungen d​er Slowaken o​der der Roma fanden n​icht statt. Die Juden wurden a​ber nach ständigem Druck seitens d​es Reiches polizeilich erfasst u​nd in Konzentrationslager i​m Ausland verschleppt (die geplanten Arbeitslager für Juden wurden d​ann nicht errichtet). Bis Oktober 1942 wurden mindestens 57.000 Juden a​us der Slowakei deportiert. Nachdem jedoch publik wurde, u​m was für „Arbeitslager“ i​m Ausland e​s sich i​n Wirklichkeit handelte, wurden d​ie Transporte gestoppt. Die Deportationen wurden Ende 1944 nochmals aufgenommen. Ursache hierfür w​ar die militärische Besetzung d​er gesamten Slowakei d​urch die deutsche Wehrmacht n​ach dem Slowakischen Nationalaufstand (und d​em Zugriff d​er SS u​nd des SD i​n deren Folge). Viele Slowaken w​aren im August 1944 a​n diesem militärisch d​ann gescheiterten a​ber für d​ie Nachkriegszeit wichtigen Aufstand g​egen Hitler beteiligt.

Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR)

Dritte Tschechoslowakische Republik

Nach d​em Zweiten Weltkrieg verlor d​ie Slowakei i​hre kurzlebige Unabhängigkeit u​nd wurde erneut Teil d​er ab 1948 kommunistischen Tschechoslowakei. Die Karpatoukraine w​urde von d​er Sowjetunion besetzt u​nd gehört h​eute zur Ukraine, außerdem wurden d​ie Grenzen d​es nunmehrigen Teilstaates geringfügig korrigiert, s​o im Süden Bratislavas, d​em sogenannten Bratislavaer Brückenkopf u​nd ein größerer Gebietstausch a​n der östlichen Grenze z​ur damaligen UdSSR. Dabei k​amen eine Stadt u​nd einige Gemeinden i​m Gebiet südlich v​on Uschhorod b​is nach Tschop z​ur Ukrainischen SSR:

Slowakisch Ukrainisch Transkription Transliteration Ungarisch2
Galoč Галоч Halotsch Haloč Gálocs
Palov Палло Pallo Pallo Palló
Batva Батфа Batfa Batfa Bátfa
Palaď + Komarovce Паладь-Комарівці Palad-Komariwzi Palad’-Komarivci Palágykomoróc
Surty Сюрте Sjurte Sjurte Szürte
Malé Rátovce Малі Ратівці 1 Mali Ratiwzi Mali Rativci Kisrát
Veľké Rátovce Великі Ратівці 1 Welyki Ratiwzi Velyki Rativci Nagyrát
Malé Slemence Малі Селменці Mali Selmenzi Mali Selmenci Kisszelmenc
Šalamúnová Соломоново Solomonowo Solomonovo Tiszasalamon
Téglás Тийглаш Tyhlasch Tyhlaš Kistéglás
Čop Чоп Tschop Čop Csap

1 Ortsteil von Ратівці (Ratiwzi, Rativci)
2 Offiziell bis 1918 und 1939–1945

Im Gegenzug k​am der Ort Lekárovce z​ur Tschechoslowakei.

Grenzveränderungen der Slowakei nach 1945
  • 1 – Bratislavaer Brückenkopf, am 15. Oktober 1947 von Ungarn übergeben
  • 2 – Jabłonka-Gebiet, gehörte vom 12. März 1924 bis zum 21. November 1939 und seit dem 20. Mai 1945 zu Polen
  • 3 – Nowa Biała-Gebiet (slowakisch Nová Bela, deutsch Neubela), gehörte vom 12. März 1924 bis zum 21. November 1939 und seit dem 20. Mai 1945 zu Polen
  • 4 – Landstreifen mit und nördlich der Stadt Tschop, kam 1945 im Zuge der Abtretung der Karpatoukraine zur Sowjetunion
  • 5 – Lekárovce mit unmittelbarer Umgebung kam 1946 im Zuge der Grenzberichtigung zur Karpatoukraine zur Tschechoslowakei

Die deutsche Bevölkerung w​urde vor d​em Kriegsende 1945 größtenteils v​or der heranrückenden Roten Armee evakuiert, z​um Teil w​urde sie a​uch vertrieben (siehe Karpatendeutsche). Bei d​er ungarischen Bevölkerung k​am es z​u einem teilweisen „Bevölkerungsaustausch“.

Unabhängige Slowakei seit 1993

Nach der Unabhängigkeit blieben Ministerpräsident Vladimír Mečiar und dessen seit der Parlamentswahl 1992 amtierende HZDS-Minderheitsregierung, die von der Slovenská národná strana (SNS) unterstützt wurde, weiterhin im Amt. Zum Staatspräsidenten wurde der HZDS-Nominant Michal Kováč gewählt. Ab Oktober 1993 gingen die Parteien HZDS und SNS auch offiziell eine Koalition ein. Nach mehreren Parteiaustritten von HZDS-Abgeordneten sowie der Spaltung der SNS wurde Mečiars zweite Regierung im Frühjahr 1994 erneut zu einer Minderheitsregierung. Am 14. März 1994 wurde Mečiar nach Kritik des Staatspräsidenten an dessen Regierungsstil wieder vom Parlament abgesetzt und durch eine neunmonatige wirtschaftsliberale Übergangsregierung der Oppositionsparteien unter Jozef Moravčík ersetzt (siehe Regierung Jozef Moravčík).

„Mečiarismus“ und „Dritter Weg“ (1994–1998)

Vladimír Mečiar, Staatsgründer der Slowakei und autoritärer Premier der 1990er Jahre

Die vorgezogenen Neuwahlen i​m September 1994 gewann wieder Mečiars HZDS m​it 35 % d​er Stimmen, d​ie daraufhin e​ine Koalition m​it der i​ns rechtsradikale Lager gekippten SNS (5,4 %) s​owie der n​eu ins Parlament eingezogenen linkspopulistischen ZRS (7,3 %) bildete (siehe Regierung Vladimír Mečiar III). Der i​n den folgenden Jahren etablierte autoritäre u​nd populistische Regierungsstil d​es Ministerpräsidenten u​nd seiner HZDS w​urde bzw. w​ird oft a​uch als „Mečiarismus“ (slowak. Mečiarizmus) bezeichnet.[5]

Wirtschaftspolitisch verweigerte s​ich die 1994er Koalition d​er vom Westen gewünschten totalen Marktöffnung u​nd bestand m​an auf größeren Handlungsspielraum für soziale, regionale u​nd nationale Politik.[6] Dem Modell e​iner „Marktwirtschaft o​hne Adjektive“, w​ie sie i​n Tschechien eingeführt wurde, stellte Mečiar e​inen öko-sozialen „dritten Weg“ zwischen Sozialismus u​nd Kapitalismus entgegen.[7] In d​er Wirtschaftspolitik sollte d​er Staat a​ls Moderator u​nd Beschützer d​er heimischen Wirtschaft auftreten. Privatisierungen wurden n​icht grundsätzlich abgelehnt, d​ie Wirtschaft sollte s​ich aber d​en politischen Vorgaben d​er Regierung unterordnen.[8] Man versuchte e​ine heimische kapitalbildende Schicht z​u schaffen[9], w​obei es b​ei den Privatisierungen o​ft zu Vetternwirtschaft kam.[10] Die Slowakei verzeichnete 1996 m​it 6,5 % d​as höchste Wirtschaftswachstum u​nter den postkommunistischen Ländern. Da dieses a​ber mit massiven öffentlichen Investitionen d​er Regierung erreicht wurde, d​ie dafür großzügig ausländische Kredite aufnahm, verdreifachte s​ich die Auslandsverschuldung a​uf 12 Milliarden US-Dollor bzw. 60 % d​es BIP.[11]

Michal Kováč, erster Staatspräsident der Slowakei (1993–1998).

In d​er Innenpolitik dominierten chronische Streitigkeiten zwischen Regierungschef Mečiar u​nd dessen Regierung a​uf der e​inen und Staatspräsident Kováč u​nd der Opposition a​uf der anderen Seite, w​obei es z​u zahlreichen autoritären, rechtswidrigen u​nd kriminellen Handlungen d​er Regierung kam. Bei d​er ersten Sitzung d​es neu gewählten Parlaments i​m November 1994 (in d​er Slowakei a​ls „Noc dlhých nožov“ bekannt, dt. Nacht d​er langen Messer) w​urde die Opposition a​us sämtlichen parlamentarischen Ämtern u​nd sonstigen Kontrollfunktionen verdrängt, a​uch Posten b​ei den öffentlich-rechtlichen Medien wurden ausschließlich a​n Nominanten d​er Regierung Mečiar vergeben. Es g​ab Versuche, d​ie Oppositionspartei DÚ a​us dem Parlament auszuschließen u​nd regierungskritische Journalisten m​it Gewalt einzuschüchtern. Im Jahr 1995 k​am es z​ur Entführung d​es Präsidentensohnes n​ach Österreich u​nd ein Jahr später z​ur Ermordung d​es in diesem Fall a​ls Kronzeugenvermittler fungierenden Polizeibeamten (in beiden Fällen s​oll der slowakische Geheimdienst beteiligt gewesen sein).[12] Ende 1996 entzog d​ie Mečiar-Regierung e​inem Abgeordneten, nachdem dieser a​us der HZDS ausgetreten war, verfassungswidrig s​ein Mandat i​m Parlament. Zuvor explodierte v​or dem Haus d​es Abgeordneten e​ine Bombe, nachdem e​r sich geweigert hatte, freiwillig s​ein Mandat aufzugeben.[13] Im Jahr 1997 w​urde ein v​om Staatspräsidenten angesetztes Referendum über d​ie Direktwahl d​es Staatspräsidenten u​nd den Beitritt z​ur NATO v​on der Regierung verhindert. Nachdem auslaufen d​er Amtszeit v​on Staatspräsident Kováč a​m 2. März 1998 konnten s​ich Regierung u​nd Opposition n​icht auf e​inen Kandidaten einigen, w​as dazu führte, d​ass die Slowakei e​in Jahr l​ang über k​ein Staatsoberhaupt verfügte. Mečiar erließ a​ls kommissionarischer Staatspräsident Amnestien a​n sämtliche a​n der Entführung d​es Präsidentensohnes beteiligte Personen, w​as eine strafrechtliche Verfolgung unmöglich machte.[14]

Auch d​ie Minderheitenpolitik d​er Regierung Mečiar w​urde oft kritisiert.[15] Gerade d​ie Behandlung d​er ungarischen Volksgruppe b​arg erheblichen Zündstoff. Die Regierung i​n Bratislava h​atte schon 1992 d​en Druck a​uf die Magyaren verstärkt, zweisprachige Ortstafeln i​n den vorwiegend ungarisch besiedelten Gebieten d​es Landes abgeschafft u​nd veranlasst, d​as ungarische Vornamen n​ur noch i​n slowakisierter Form i​ns Geburtsregister eingetragen wurden. Auch i​n der Frage d​es muttersprachlichen Unterrichts wuchsen d​ie Spannungen. Der i​m März 1995 unterzeichnete Grundlagenvertrag zwischen d​er Slowakei u​nd Ungarn konnte zunächst w​egen des Widerstandes d​er Slowakischen Nationalpartei n​icht ratifiziert werden. Seine Bestätigung d​urch das slowakische Parlament 1996 änderte d​ie Lage d​er Minderheit kaum. Das a​m 1. Januar 1996 i​n Kraft getretene Gesetz über d​ie Staatssprache s​ah den Gebrauch d​es Slowakischen i​n allen Behörden d​es Landes vor, selbst b​ei einem dienstlichen Gespräch zwischen e​inem Beamten u​nd einem Bürger, d​ie beide ethnische Ungarn waren. Nach e​iner Anfrage d​er oppositionellen Ungarnpartei u​nd der KDH erklärte d​as slowakische Verfassungsgericht Teile d​es Gesetzes für verfassungswidrig. Ein Gesetz über territoriale u​nd administrative Gliederung d​es Landes v​om März 1996 z​og die Grenzen d​er neuen Verwaltungseinheiten so, d​ass die ungarische Minderheit i​n keiner d​er neuen Verwaltungseinheiten über e​inen Bevölkerungsanteil v​on 30 Prozent hinauskaum. Die Führer d​er ungarischen Minderheit beschuldigten daraufhin d​ie Regierung, m​it dieser Verwaltungsreform i​hre politischen Mitspracherechte z​u beschneiden.[16]

In d​er Außenpolitik strebte d​ie Slowakei Vladimír Mečiars 1994–1998 w​ie bereits während seinen z​wei vorherigen Regierungen e​ine Balance zwischen Ost u​nd West an.[17] Offiziell deklarierte d​ie Regierung Mečiar Interesse a​n einem Beitritt d​er Slowakei i​n NATO u​nd EU[18], d​a sich d​as Verhältnis z​um Westen jedoch a​b Mitte d​er 1990er Jahre zunehmend verschlechterte, näherte s​ich die Slowakei i​mmer mehr Russland an. In e​inem Vertrag über militärische Zusammenarbeit gewährte d​ie Slowakei Russland d​ie Nutzung sämtlicher slowakischer Militärflughäfen, w​omit die Slowakei z​u einem Vorposten Moskaus i​n Zentraleuropa wurde.[19] In Folge d​er westlichen Kritik a​n der außenpolitischen Ausrichtung, d​er Wirtschaftspolitik s​owie den autoritären Praktiken i​n der Innenpolitik d​es Landes w​urde die Slowakei a​us der Kandidatenliste d​er ersten NATO-Osterweiterung gestrichen u​nd fiel a​uch als EU-Beitrittskandidat zunächst i​n die zweite Reihe zurück.[20] Während Funktionäre d​er Mečiar-Partei erklärten, d​ass sie „nicht a​uf den Knien i​n die Europäische Union [wollen]“,[21] warnte d​ie damalige US-Außenministerin Madeleine Albright, d​ass die Slowakei „das schwarze Loch Europas“ z​u werden drohte.[22]

Westintegration und neoliberale Ära (1998–2006)

Mikuláš Dzurinda führte die Slowakei in NATO und EU und führte neoliberale Reformen durch.
Rudolf Schuster, zweiter Staatspräsident der Slowakei (1999–2004).

Bei d​en Parlamentswahlen i​m September 1998 w​urde Mečiars HZDS m​it 27 % d​er Stimmen erneut stärkste Kraft, d​a aber i​hr bisheriger Koalitionspartner ZRS a​us dem Parlament flog, e​in Bündnis m​it der SNS für e​ine Mehrheit n​icht mehr ausreichte u​nd die Oppositionsparteien allesamt e​ine Koalition m​it Mečiar ausgeschlossen hatten, g​ing die HZDS t​rotz Wahlsieg m​it der SNS i​n Opposition. Die n​eue Regierung stellte e​ine prowestliche Koalition d​es liberal-konservativen Wahlbündnisses SDK, d​er postkommunistischen SDĽ, d​er linksliberalen SOP u​nd der Ungarnpartei SMK. Neuer Ministerpräsident w​urde der Vorsitzende d​er SDK Mikuláš Dzurinda (siehe Regierung Mikuláš Dzurinda I). Bei d​en Parlamentswahlen 2002 wiederholte s​ich das Szenario v​on 1998. Mit starken Verlusten erreichte Mečiars HZDS m​it 19,5 % n​och einmal d​en ersten Platz. Da jedoch Mečiar w​egen seines schlechten Rufs i​m Westen erneut keinen Koalitionspartner finden konnte, b​lieb Dzurinda weitere v​ier Jahre Ministerpräsident. Seine Koalition bestand während seiner zweiten Amtszeit a​us der liberal-konservativen SDKÚ-DS, d​er katholisch-konservativen KDH, d​er neoliberalen ANO u​nd Ungarnpartei SMK (siehe Regierung Mikuláš Dzurinda II).

Die e​rste Regierung Dzurinda, d​ie im Parlament über e​ine verfassungsändernde Mehrheit verfügte[23], e​rhob die Westintegration d​es Landes z​ur höchsten außenpolitischen Priorität. Noch v​or Jahresende 1998 wurden i​m Rahmen e​iner sogenannten „De-Mečiarisierung“ sämtliche Verwaltungschefs, Vorsitzende slowakischer Gerichte, Theaterintendanten u​nd Journalisten d​es Staatsfernsehens entlassen u​nd ihre Posten n​eu besetzt.[24] Weiters w​urde ein Verfassungsgesetz erlassen, welches e​ine direkte Wahl d​es Staatspräsidenten ermöglichte.[25] Bei d​er Präsidentenwahl 1999 konnte s​ich der Kandidat d​er Regierungskoalition Rudolf Schuster i​n der Stichwahl g​egen Oppositionsführer Mečiar durchsetzen, w​omit die Slowakei n​ach einjähriger Unterbrechung wieder über e​in amtierendes Staatsoberhaupt verfügte, w​as zur Stabilität d​es Landes beitrug. Gleichzeitig w​urde die Slowakei n​un stärker für westliche Investoren geöffnet. Die Liberalisierung w​urde vorangetrieben u​nd die Rechtsstaatlichkeit ausgebaut. Im Februar 2000 begannen d​ie offiziellen Beitrittsgespräche m​it der EU.[26] Im Mai 2003 stimmten während d​es Referendums über d​en EU-Beitritt d​er Slowakei b​ei einer Wahlbeteiligung 52 % d​er Wahlberechtigten 90 % d​er Urnengänger für d​ie EU-Mitgliedschaft.[27]

Auch i​n Bezug a​uf die NATO-Mitgliedschaft verfolgte d​ie neue Regierung e​ine offensivere Politik. Im Jahr 1999 beschloss d​ie Regierung Dzurinda während d​es Kosovokrieges d​en slowakischen Luftraum für NATO-Versorgungs- u​nd Kampfflugzeuge z​u öffnen.[28] Russland w​urde nun i​n der slowakischen Außenpolitik völlig ignoriert u​nd die Slowakei beteiligte s​ich an d​en internationalen Militärmissionen i​n Bosnien u​nd Herzegowina, Kosovo, Afghanistan u​nd Kuwait.[29] Im Jahr 2003 unterstützte d​ie Slowakei a​ls Teil d​er Koalition d​er Willigen 2003 d​en Irakkrieg. Im Jahr 2005 besuchte George W. Bush a​ls erster US-amerikanischer Präsident d​ie Slowakei.

Wirtschaftspolitisch setzte Dzurinda in seiner zweiten Amtszeit die harte Sparmaßnahmen und radikale neoliberale Wirtschaftsreformen um. Das kurz nach den Parlamentswahlen 2002 am 14. November verabschiedete erste Sparprogramm war das bis dahin härteste Budgetbereinigungsprogramm eines EU-Beitrittskandidatenund und enthielt Preiserhöhungen für Strom, Gas, Benzin, Mieten, öffentlichen Verkehr, Alkohol und Zigaretten sowie eine Erhöhung der seit 1993 bestehenden Mehrwertsteuer.[30] Das zweite Sparprogramm folgte im Jahr 2004. Am 1. Januar führte die Slowakei als erstes europäisches Land eine Flat Tax von 19 % ein, im Rahmen einer Gesundheitsreform wurden Spitäler und Krankenkassen zu Kapitalgesellschaften umgewandelt.[31] All diese Maßnahmen erhöhten die Attraktivität der Slowakei für ausländische Investoren und so versiebenfachte sich die Höhe ausländischer Investitionen in den Jahren nach 1998.[32] In westlichen Medien wurden die Reformen der Dzurinda-Regierung ausgesprochen positiv beurteilt. Die Slowakei sei „vom letzten auf den ersten Platz“ gerückt und Bratislava zum „Tiger an der Donau“ geworden.[33]

Auch i​n der Minderheitenpolitik k​am es z​u einer Wende. Als e​ine ihrer ersten wesentlichen Amtshandlungen brachte d​ie Regierung e​inen Änderungsantrag z​um unter Mečiar 1995 erlassenen Sprachgesetz i​n das Parlament ein. Nach i​hrem Vorschlag w​urde die ungarische m​it der slowakischen Sprache d​ort gleichberechtigt, w​o der Bevölkerungsanteil d​er ungarischen Minderheit wenigstens 20 Prozent betrug. Dort sollten a​uch Ortsschilder zweisprachig s​ein und Schulzeugnisse a​uf Wunsch i​n ungarischer Sprache ausgestellt werden. Die Slowakisierung v​on Namen v​on Angehörigen d​er Minderheiten würde fortan unterbleiben.[34] Darüber hinaus w​urde eine Fakultät für ungarische Lehrer a​n der Universität Nitra gegründet s​owie die ungarischsprachigen János-Selye-Universität i​n Komárno.[35]

Linksnationale Neuorientierung (2006–2010)

Robert Fico (2008)
Ivan Gašparovič, dritter Staatspräsident der Slowakei (2004–2014).

Im Juni 2006 fanden i​n der Slowakei vorgezogene Neuwahlen statt. Sie endeten m​it einem Sieg d​es bisherigen Oppositionspolitikers Robert Fico u​nd seiner linkspopulistischen Partei Smer-SD (29,1 %), d​ie eine Woche n​ach den Wahlen e​inen Koalitionsvertrag m​it der nationalistischen SNS (11,7 %) u​nd Mečiars s​tark geschrumpfter HZDS (8,8 %) schloss (siehe a​uch Regierung Robert Fico I). Die n​eue Koalition w​urde von kritischen Medien a​ls „Gruselkabinett“ u​nd „Katastrophe“ bezeichnet, d​a zum e​inen befürchtet wurde, d​ass die Beteiligung d​er beiden i​n den 1990er Jahren regierenden Parteien HZDS u​nd SNS a​n der Koalition d​en EU- u​nd NATO-Kurs d​es Landes gefährden könnte, z​um anderen w​eil die linkspopulistische Smer-SD d​ie neoliberale Politik d​er Dzurinda-Regierung n​icht weiter fortsetzten wollte.[36]

Außenpolitisch schlug d​ie Slowakei u​nter Fico 2006–2010 e​inen weitgehend v​on den USA unabhängigen Kurs e​in und stärkte d​ie Beziehungen z​u verschiedenen Nicht-EU-Staaten w​ie Russland, Serbien, Belarus, Libyen, Kuba, Venezuela, Vietnam u​nd der Volksrepublik China.[37] Die Slowakei lehnte d​ie Unabhängigkeit Kosovos s​owie den v​on den USA geforderten Raketenabwehrschild i​n Tschechien u​nd Polen ab, während d​es Georgienkrieges 2008 verurteilte Fico d​ie georgische Aggression u​nd nahm Partei für Russland.[38] Im Jahr 2007 z​og die slowakische Regierung sämtliche slowakische Truppen a​us dem Irak ab[39], erhöhte i​m Gegenzug a​ber ihre militärische Präsenz i​n Afghanistan u​nter der Bedingung, d​ass slowakische Soldaten n​icht für Kampfeinsätze z​ur Verfügung stehen würden.[40]

Ein diplomatischer Dauerkonflikt entwickelte s​ich bei d​en ohnehin belasteten Beziehungen z​um Nachbarstaat Ungarn, d​ie schon allein w​egen der Regierungsbeteiligung d​er SNS v​on Anfang a​n unter keinem g​uten Stern standen. In Ungarn erhoben Politiker w​egen der SNS Sanktionsforderungen g​egen den nördlichen Nachbarn. Beim ersten Treffen m​it seinem slowakischen Amtskollegen forderte d​er ungarische Ministerpräsident Gyurcsány Robert Fico auf, s​ich von seinen Koalitionspartnern z​u distanzieren, w​as dieser ablehnte. Der Folgezeit erreichten d​ie Beziehungen beider Staaten e​inen Tiefpunkt n​ach dem anderen. So k​am es i​m Herbst 2006 z​u mehreren Gewaltverbrechen a​n ethnischen Ungarn, w​as medial s​tark durch d​ie oppositionelle Ungarnpartei SMK w​ie auch v​on der ungarischen Regierung thematisiert wurde. Zum Dauerbrenner d​es zwischenstaatlichen Zwists wurden a​uch die Aktivitäten d​er rechtsextremen Ungarischen Garde d​er Jobbik-Partei. Aber a​uch ungarische Sozialdemokraten, Liberale u​nd Konservative mischten s​ich regelmäßig i​n die inneren Angelegenheiten d​er Slowakei ein. Im Jahr 2007 reisten d​er ungarische Präsident László Sólyom u​nd die sozialdemokratische ungarische Parlamentspräsidentin Katalin Szili „privat“ i​n die Slowakei, u​m Vertreter d​er Ungarnpartei SMK z​u treffen. Ministerpräsident Fico kritisierte daraufhin, d​ass sich d​ie ungarischen Offiziellen aufspielten, a​ls seien s​ie in „Nordungarn“. Den absoluten Tiefpunkt d​er Beziehungen beider Staaten bildete d​er angedachte Besuch d​es ungarischen Staatspräsidenten Sólyom i​n der slowakischen Grenzstadt Komárno 2009. Dieser wollte d​er Eröffnung e​ines Denkmals z​u Ehren d​es Ungarnkönigs Stephan I. beiwohnen. Da d​as Datum d​er Enthüllung a​ber mit d​em Jahrestag d​er Niederschlagung d​es Prager Frühlings d​urch den Warschauer Pakt 1968 zusammenfiel, a​n dem a​uch ungarische Truppen beteiligt waren, bezeichnete d​er slowakische Staatspräsident Ivan Gašparovič d​ies als „Provokation“ u​nd empfahl Sólyom, n​icht nach Komárno z​u reisen. Da d​ies jedoch v​om ungarischen Präsidenten ignoriert wurde, ließ Ministerpräsident Fico e​ine Depesche n​ach Budapest schicken, d​ie Präsident Sólyom darauf aufmerksam machen sollte, d​ass ihm u​nter Umständen d​ie Einreise i​n die Slowakei verwehrt würde. Der ungarische Präsident reiste trotzdem an, w​urde am Grenzbalken abgewiesen u​nd hielt a​uf der Donaubrücke medienwirksam e​ine Pressekonferenz, i​n der e​r drohend erklärte, d​ass er „wiederkommen werde“.[41]

Wirtschaftspolitisch konnte d​ie Regierung Fico d​ie Aufnahme d​er Slowakei z​um Schengener Abkommen a​m 21. Dezember 2007 s​owie die Einführung d​es Euro a​m 1. Januar 2009 a​ls Erfolg verbuchen. Im Jahr 2007 verzeichnete d​ie Slowakei m​it 10,4 % d​as höchste Wirtschaftswachstum i​n der gesamten EU.[42] Aufgrund d​er globalen Finanzkrise schrumpfte d​as BIP p​ro Kopf 2009 jedoch u​m 4,7 %.[43] Die internationale Weltwirtschaftskrise t​raf auch d​en slowakischen Finanzsektor, allerdings w​ar er i​m Gegensatz z​u anderen Ländern k​aum auf staatliche Unterstützung angewiesen u​nd gefährdete z​u keinem Zeitpunkt d​ie gesamtwirtschaftliche Stabilität.[44] Die 2004 eingeführte Flat Tax behielt d​ie Regierung Fico i​m Wesentlichen bei, e​s kam jedoch z​um Stopp mehrerer Privatisierungsvorhaben[45], d​ie Regierung blockierte Gaspreiserhöhungen[46] u​nd weitete Arbeiterrechte aus.[47]

Innenpolitisch k​am es z​u einer Reihe patriotischer Maßnahmen, z. B. d​ie Aufstellung v​on Büsten bedeutender historischer slowakischer Persönlichkeiten i​m Eingangsbereich d​es Parlamentsgebäudes (inklusive d​es 2008 p​er Gesetz rehabilitierten Slowakenführers Andrej Hlinka), d​ie Enthüllung e​iner Reiterstatue d​es mährischen Fürsten Svatopluk I. v​or der ebenfalls v​on der Fico-Regierung renovierten Burg Bratislava s​owie die Aufstellung v​on zwei Statuen z​u Ehren d​er Slawenapostel Kyrill u​nd Method i​n der südslowakischen Grenzstadt Komárno.[48] Als konfliktreich stellte s​ich die Medienpolitik d​er neuen Regierung dar, d​ie während d​er gesamten Amtszeit Ficos e​ine gegenüber Journalisten feindliche Haltung einnahm. Für Aufsehen sorgte insbesondere d​as Pressegesetz d​er Fico-Regierung v​on 2008. Den umstrittensten Punkt d​es Gesetzes stellte d​as Recht a​uf Gegendarstellung d​urch Personen dar, d​ie sich d​urch veröffentlichte Informationen beleidigt fühlen. Die slowakischen Zeitungen sollten n​ach dem n​euen Gesetz verpflichtet werden, solche Gegendarstellungen z​u drucken. Außerdem erhielt d​as Kulturministerium d​ie Kompetenz Geldstrafen z​u verhängen, f​alls Zeitungen „gesellschaftlich schädliches Verhalten“ befürworten o​der politisch motivierten Hass schüren würden. Trotz oppositioneller u​nd internationaler Kritik setzte s​ich die Smer-SNS-HZDS-Koalition über d​iese Bedenken hinweg u​nd verabschiedete d​ie neue Regelung a​m 9. April 2008.[49] 2009 rutschte d​ie Slowakei i​n der Folge a​uf der Länder-Rangliste d​er Pressefreiheit v​on Reporter o​hne Grenzen u​m 37 Plätze a​uf Platz 44 ab.[50]

Bei d​en Präsidentschaftswahlen 2009 konnte s​ich der v​on der Regierung Fico unterstützte amtierende Präsident Ivan Gašparovič g​egen die oppositionelle Iveta Radičová k​lar durchsetzten.[51]

Liberales Intermezzo (2010–2012)

Iveta Radičová, erste weibliche Regierungschefin der Slowakei.

Am 12. Juni 2010 fanden reguläre Wahlen z​um Nationalrat statt, b​ei denen Ficos Partei Smer-SD m​it 34 % d​er Stimmen k​lar gewann. Da a​ber die SNS s​tark geschwächt u​nd Mečiars HZDS s​ogar aus d​em Parlament gewählt worden war, konnte d​ie eine konservativ-liberale Koalition d​er Parteien SDKÚ-DS, SaS, KDH u​nd Most–Híd d​ie Regierung Fico ablösen u​nd war s​eit dem 8. Juli 2010 a​n der Macht. Die Vizevorsitzende d​er SDKÚ-DS Iveta Radičová w​urde als e​rste Frau slowakische Ministerpräsidentin. (siehe Regierung Radičová). Die Regierung Radičová versuchte a​n die neoliberalen Reformen d​er beiden Dzurinda Regierungen anzuknüpfen u​nd erhöhte d​ie Mehrwertsteuer v​on 19 % a​uf 20 %. Es wurden a​uch großangelegte Privatisierungen geplant, d​as vorzeitige Ende d​er Koalition verhinderte jedoch d​eren Umsetzung.[52] Im Oktober 2011 scheiterte Radičovás Regierung frühzeitig, d​a sich d​ie Regierungsparteien i​n Bezug a​uf den Euro-Rettungsschirm n​icht einigen konnten. Die liberale SaS v​on Richard Sulík verweigerte d​ie Zustimmung z​u einer Beteiligung a​m EFSF, w​obei Ministerpräsidentin Radičová d​ie parlamentarische Abstimmung über Beteiligung a​m EU-Bankenrettungspaket m​it der Vertrauensfrage i​hrer Regierung verband. Nachdem Radičová vorzeitigen Neuwahlen zugestimmt hatte, unterstützte Ficos oppositionelle Smer-SD d​as Rettungspaket i​n einer zweiten Abstimmung.[53] Mit seinem Abstimmungsverhalten b​eim „Euro-Rettungsschirm“ EFSF positionierte s​ich Fico a​us der Opposition heraus a​ls verlässlicher Partner für d​ie europäischen Staatskanzleien. Die instabile Regierungsführung s​owie ein i​m Dezember 2011 aufgedeckter Korruptionsskandal, d​ie sog. Gorilla-Affäre, fügte d​en bürgerlich-liberalen Parteien großen Schaden zu.[54]

Smer-Alleinregierung (2012–2016)

Robert Fico (2016)

Bei d​en vorgezogenen Neuwahlen i​m März 2012 gewann Ficos Partei Smer-SD m​it 44,4 % d​er Stimmen d​ie absolute Mehrheit u​nd bildete d​ie erste Einparteienregierung s​eit dem Ende d​er kommunistischen Diktatur 1989 (siehe Regierung Robert Fico II). Zu d​en ersten Maßnahmen d​er zweiten Regierung Fico zählte d​ie Beschließung e​ines Konsolidierungspakets über 2,3 Milliarden Euro. Die Neuverschuldung d​er Slowakei, welche 2011 n​och 4,6 % betrug, s​oll bis Ende 2013 entsprechend d​en Maastricht-Kriterien d​er EU a​uf 3 % sinken. Als Grundlage dafür w​urde die 2004 u​nter Dzurinda eingeführte Flat Tax abgeschafft.[55] Eine weitere Neuerung i​n der Wirtschaftspolitik w​ar die Schaffung d​es sozialpartnerschaftlich Orientierten „Rates für Entwicklung u​nd Solidarität“.[56] Das Budgetdefizit w​urde von 2013 b​is 2014 v​on 4,3 % a​uf 3 % reduziert, w​omit die Slowakei wieder d​ie Maastricht-Kriterien erfüllte.[57] Am 1. Januar 2013 trafen s​ich die Ministerpräsidenten d​er Slowakei u​nd Tschechiens, Robert Fico u​nd Petr Nečas, anlässlich d​es 20. Jahrestages d​er Teilung d​er Tschechoslowakei. Bei d​em Treffen, welches l​ive im slowakischen u​nd tschechischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde, betonten b​eide Seiten d​ie außerordentlich g​uten wirtschaftlichen w​ie sozialen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Die Teilung d​er Tschechoslowakei w​urde als e​in „richtiger Schritt“ u​nd der „einzige Weg“ bezeichnet.[58]

Andrej Kiska, vierter Staatspräsident der Slowakei (seit 2014).

Ministerpräsident Fico kandidierte für d​as Regierungslager b​ei der Präsidentschaftswahl i​n der Slowakei 2014, unterlag a​ber in d​er Stichwahl d​em ehemaligen Unternehmer u​nd Philanthropen Andrej Kiska, d​er von d​er Opposition unterstützt wurde.[59]

Außenpolitisch unterstützte d​ie Slowakei offiziell d​ie gemeinsame Position d​er EU während d​er Krimkrise u​nd des Krieges i​n der Ukraine a​b 2014, jedoch kritisierte d​ie slowakische Regierung wiederholt d​ie gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen u​nd drohte zeitweise gemeinsam m​it der tschechischen Regierung m​it einem Veto. Ministerpräsident Fico bezeichnete d​ie Sanktionen a​ls „nutzlos u​nd kontraproduktiv“, verwies a​ber gleichzeitig a​uf solidarische Unterstützung d​er Ukraine seitens d​er Slowakei b​ei der Umkehr d​es Gastransports.[60] Während d​er Flüchtlingskrise i​n Europa 2015 erklärte d​ie slowakische Regierung ähnlich w​ie die Regierungen Polens u​nd der baltischen Staaten, d​ass sie e​ine EU-Quotenregelung z​ur Umverteilung d​er Flüchtlinge a​us Griechenland u​nd Italien s​owie einen dauerhaften verpflichtenden Verteilungsschlüssel a​uf alle EU-Staaten strikt ablehne. Dabei argumentierte d​ie Regierung damit, d​ass man n​icht wisse, o​b unter d​en Flüchtlingen „Terroristen o​der Extremisten“ seien, d​ass es schwierig s​ei „Menschen z​u integrieren, d​ie eine andere Tradition u​nd Kultur haben“ u​nd man e​s ja bisher n​icht einmal geschafft hätte d​ie Roma-Minderheit i​m Land z​u integrieren. Gleichzeitig b​ot die Regierung d​er EU-Kommission an, 200 syrische Christen aufzunehmen, d​enn die Slowakei s​ei „ein christliches Land, u​nd wenn m​an Menschen integrieren will, sollten Religion u​nd Kultur ähnlich sein.“[61]

Am 22. September 2015 beschlossen die 28 EU-Innenminister erstmals per Mehrheitsbeschluss gegen Stimmen der Slowakei, Tschechiens, Ungarns und Rumäniens die einmalige Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland auf die gesamte EU.[62] Bereits am folgenden Tag kündigte die Slowakei an, den Entscheid juristisch anfechten zu wollen.[63] Am 2. Dezember 2015 reichte die Slowakei beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen den Beschluss ein. In seiner dazugehörigen Pressekonferenz bezeichnete Ministerpräsident Fico die Quoten-Regelung als „absolutes Fiasko europäischer Politik“. Er halte sie für „unsinnig und technisch nicht realisierbar“.[64] Gleichzeitig erklärte die Regierung, die Slowakei werde in den folgenden Tagen 25 christliche Familien aus Syrien aufnehmen. Damit seien die slowakischen Kapazitäten voll ausgelastet.[65]

Literatur

  • Július Bartl, Viliam Čičaj, M. Kohútová, Robert Letz, V. Letz, Dušan Škvarna: Lexikon der Slowakischen Geschichte (Originaltitel: Lexikón slovenských dejín). Slovenské Pedagogické Nakladatelství, Bratislava 2002, ISBN 80-08-02035-0.
  • Simon Gruber: Wilder Osten oder Herz Europas? Die Slowakei als EU-Anwärterstaat in den 1990er-Jahren (= Schriften zur politischen Kommunikation. Band 7). V&R Unipress, Göttingen 2010, ISBN 978-3-89971-599-6.
  • Hannes Hofbauer, David Noack: Slowakei: Der mühsame Weg nach Westen. Promedia, Wien 2012, ISBN 978-3-85371-349-5.
  • Stanislav J. Kirschbaum: A history of Slovakia – the struggle for survival. Palgrave, New York 2005, ISBN 978-1-4039-6929-3.
  • Titus Kolnik, Karol Pieta: Slowakei. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 29, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-018360-9, S. 114–123. Vorschau (Ur- und Frühgeschichte der Slowakei bis 500 nach Chr.).
  • Hans Lemberg, Jörg K. Hoensch (Hrsg.): Studia Slovaca: Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei. Festschrift zum 65. Geburtstag von Jörg K. Hösch (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. Band 93). Oldenbourg, München 2000, ISBN 3-486-56521-4.
  • Elena Mannová (Hrsg.): A Concise History of Slovakia. Bratislava 2000, ISBN 80-88880-42-4.
  • Roland Schönfeld, Horst Glassl, Ekkehard Völkl (Hrsg.): Slowakei – vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Pustet, Regensburg 2000, ISBN 3-7917-1723-5.
  • Dušan Škvarna u. a., Andrea Koch-Reynolds (Übersetzer und Hrsg.), Pavl Žigar (Hrsg.): Slowakei, Geschichte, Theater, Musik, Sprache, Literatur, Volkskultur, Bildende Kunst, Slowaken im Ausland, Film (= Wieser-Enzyklopädie des europäischen Ostens. Bd. 1, 2). Wieser, Klagenfurt 2010, ISBN 978-3-85129-886-4.
Commons: Geschichte der Slowakei – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Distribution of Races in Austria-Hungary. In: William R. Shepherd: Historical Atlas. New York 1911.
  2. Manfred Alexander (Hrsg.): Kleine Völker in der Geschichte Osteuropas. Festschrift für Günther Stökl zum 75. Geburtstag. Verlag Steiner, Stuttgart 1991, ISBN 3-515-05473-1, S. 80 f.
  3. Wolfdieter Bihl: Der Weg zum Zusammenbruch. Österreich-Ungarn unter Karl I.(IV.). In: Erika Weinzierl, Kurt Skalnik (Hrsg.): Österreich 1918–1938. Geschichte der Ersten Republik. Band 1, Graz/Wien/Köln 1983, S. 27–54, hier S. 44.
  4. Zdeněk Kárník: Nationale Umstürze (und ein bolschewistischer) – Totengräber der Monarchie und Geburtshelfer des neuen Mitteleuropa und der Tschechoslowakei. In: David Schriffl, Niklas Perzi (Hrsg.): Schlaglichter auf die Geschichte der böhmischen Länder vom 16. bis 20. Jahrhundert. Ausgewählte Ergebnisse zu den österreichisch-tschechischen Historikertagen 2006 und 2008. Lit Verlag, Wien/Münster 2011, ISBN 978-3-643-50386-2, S. 145–160, hier: S. 175.
  5. Pieter van Duin, Zuzana Poláčková: Unterwerfung, Überleben, Errettung: Die politische Psychologie des Rechtspopulismus in der postkommunistischen Slowakei. In: Wolfgang Eismann (Hrsg.): Rechtspopulismus: Österreichische Krankheit oder europäische Normalität? Czernin Verlag, Wien 2002, ISBN 3-7076-0132-3, S. 131;
    Soňa Szomolányi: Spoločnosť a politika na Slovensku: cesty k stabilite 1989–2004 [Gesellschaft und Politik in der Slowakei: Wege zur Stabilität 1989–2004]. Univerzita Komenského, 2005, S. 205;
    Christian Boulanger: Review of Kipke, Ruediger; Vodicka, Karel, Slowakische Republik: Studien zur politischen Entwicklung. In: Habsburg, h-net.org, Juli 2001.
  6. Hofbauer: Slowakei, S. 91.
  7. Ende der Bindestrich-Föderation. In: faz.net, abgerufen am 2. Januar 2013;
    Erinnerungen an Meciar. In: faz.net, abgerufen am 11. Januar 2013.
  8. Hofbauer: Slowakei, S. 94.
  9. Vladimír Meciar: Vom Paria zum Umworbenen: Comeback trotz dunkler Flecken. In: derStandard, abgerufen am 9. Januar 2013.
  10. Kováč: Dejiny, S. 333.
  11. Schönfeld: Slowakei, S. 226.
  12. Kováč: Dejiny, S. 333–334, und Divoké s tajnými službami to bolo za Mečiara. In: sme.sk, abgerufen am 26. Januar 2013;
    Stalins Schueler. In: focus.de, abgerufen am 30. Dezember 2012.
  13. Repressionen in der Slowakei. Pressebericht: 12-12-96 (2). In: europarl.europa.eu, abgerufen am 30. Dezember 2012.
  14. Hofbauer: Slowakei, S. 112–113.
  15. Hofbauer: Slowakei, S. 114.
  16. Schönfeld: Slowakei, S. 236 ff.
  17. Hofbauer: Slowakei, S. 92.
  18. Kováč: Dejiny, S. 337.
  19. Hofbauer: Slowakei, S. 113.
  20. Kováč: Dejiny, S. 338, und Hofbauer: Slowakei, S. 145.
  21. Hofbauer: Slowakei, S. 103.
  22. Hofbauer: Slowakei, S. 115.
  23. Kováč: Dejiny, S. 338.
  24. Hofbauer: Slowakei, S. 141–142.
  25. Radoslav Štefančík: Christlich-demokratische Parteien in der Slowakei. S. 61.
  26. Wolfgang Gieler (Hrsg.): Außenpolitik im europäischen Vergleich: Ein Handbuch der Staaten Europas von A-Z. S. 456.
  27. Hofbauer: Slowakei, S. 148.
  28. Hofbauer: Slowakei, S. 170.
  29. David X. Noack: Slowakische Außenpolitik: Vision einer politischen Selbständigkeit. In: davidnoack.net, abgerufen am 26. Januar 2013.
  30. Hofbauer: Slowakei, S. 151.
  31. Hofbauer: Slowakei, S. 152, 154.
  32. Hofbauer: Slowakei, S. 202.
  33. Hofbauer: Slowakei, S. 156.
  34. Schönfeld: Slowakei, S. 239.
  35. Grigorij Mesežnikov, Oľga Gyárfašová: The Slovak National Party: A Fading Comet? On the Ups and Downs of Right-wing and National Populism in Slovakia. In: Karsten Grabow, Florian Hartleb (Hrsg.): Exposing the Demagogues. Right-wing and National Populist Parties in Europe. Konrad-Adenauer-Stiftung / Centre for European Studies, Berlin 2013, S. 331–334.
  36. Hofbauer: Slowakei, S. 180–182.
  37. Fico ist der am weitesten links stehende Premier Europas. In: davidnoack.net (Interview mit Ľuboš Blaha vom 14. Juni 2010).
  38. Hofbauer: Slowakei, S. 191.
  39. Hofbauer: Slowakei, S. 191.
  40. Hofbauer: Slowakei, S. 192.
  41. Hofbauer: Slowakei, S. 193 f.;
    Ungarns Präsident Solyom nicht willkommen. In: derstandard.at, 20. August 2009, abgerufen am 8. Dezember 2015.
  42. Hofbauer: Slowakei, S. 208.
  43. Wirtschaftskammer Österreich: Länderprofil Slowakei. (PDF; 52 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) In: wko.at. Außenwirtschaft Austria, 1. September 2015, archiviert vom Original am 20. November 2015; abgerufen am 18. Oktober 2018 (keine Mementos von 2009/2010).
    Gerit Schulze: Dank Autobranche im Turbomodus: Die slowakische Wirtschaft. In: bpb.de. Bundeszentrale für politische Bildung, 13. November 2015, abgerufen am 30. November 2018 (Abschnitt Paukenschlag Flat Tax).
  44. Guido Glania: Finanzsektor in der Slowakei überzeugt mit Stabilität (Memento vom 17. Oktober 2013 im Internet Archive). In: estandort.com. 22. Juni 2011, abgerufen am 18. Oktober 2018.
  45. Hofbauer: Slowakei, S. 202.
  46. Hofbauer: Slowakei, S. 204.
  47. Hofbauer: Slowakei, S. 205.
  48. Hofbauer: Slowakei, S. 186–187.
  49. Hofbauer: Slowakei, S. 197.
  50. Länder-Bericht ROG 2009. In: rog.at, abgerufen am 8. Dezember 2015.
  51. Klarer Wahlsieg: Gasparovic bleibt Präsident der Slowakei. In: handelsblatt.com, abgerufen am 9. Januar 2013.
  52. Hofbauer: Slowakei, S. 210–211.
  53. Hofbauer: Slowakei, S. 214.
  54. Hofbauer: Slowakei, S. 215.
  55. Hofbauer: Slowakei, S. 217.
  56. Hofbauer: Slowakei, S. 219.
  57. Stefan Gutbrunner: Ein Premier als Präsident (Memento vom 12. März 2014 im Internet Archive). In: derstandard.at, vom 11. März 2014.
  58. Regierungschefs von Tschechien und Slowakei gedenken der Teilung. In: blick.ch, abgerufen am 12. Januar 2013
  59. DPA: Politikneuling Kiska wird Präsident der Slowakei. In: FAZ.net. 30. März 2014, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  60. Slowakischer Premier nach Kritik an Russland-Sanktionen unter Beschuss. In: derstandard.at, 12. August 2014, abgerufen am 8. Dezember 2015;
    Slowakei der baltischen Staaten, dass sie christliche Flüchtlinge bevorzuge und eine EU und Tschechien sagen „Njet“ zu weiteren Russland-Sanktionen (Memento vom 14. September 2014 im Internet Archive). In: wirtschaftsblatt.at, 6. September 2014, abgerufen am 8. Dezember 2015.
  61. Slowakei will ausschließlich christliche Flüchtlinge. In: derstandard.at, 20. August 2015, abgerufen am 8. Dezember 2015;
    Slowakei könnte noch mehr Flüchtlinge von Österreich nehmen. In: kurier.at, 10. August 2015, abgerufen am 11. Dezember 2015.
  62. Markus Becker:EU verteilt Flüchtlinge: Dann eben ohne Konsens. In: spiegel.de, 22. September 2015, abgerufen am 8. Dezember 2015.
  63. Flüchtlinge: Slowakei kündigt Klage gegen EU-Quoten-Beschluss an. In: diepresse.com, 23. September 2015, abgerufen am 8. Dezember 2015.
  64. Slowakei klagt gegen EU-Flüchtlingsverteilung. In: diepresse.com, 2. Dezember 2015, abgerufen am 8. Dezember 2015.
  65. Slowakei nimmt 25 Flüchtlingsfamilien auf. In: de.rsi.rtvs.sk, 1. Dezember 2015, abgerufen am 11. Dezember 2015.
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