Hinterpommern
Hinterpommern, auch Ostpommern, ist der östlich der Oder gelegene größere Teil Pommerns. Seit den Grenzverschiebungen infolge des Zweiten Weltkriegs 1945 liegt dieser Teil restlos auf polnischem Gebiet. Hinterpommern bildete zusammen mit dem fast vollständig auf deutscher Seite liegenden Vorpommern die Provinz Pommern. Das Gebiet Hinterpommerns liegt heute überwiegend in der Woiwodschaft Westpommern. Der östliche Teil gehört mit zur Woiwodschaft Pommern.
Die Region Hinterpommern wurde bis 1945 nahezu vollständig von Deutschen bewohnt und gehörte als Teil der preußischen Provinz Pommern bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs zum Deutschen Reich. Seither wird diese Region fast ausschließlich von Polen bewohnt.
Geographie
Die dünn besiedelte Landschaft ist von eiszeitlich geformten Moränen, Seen, Flüssen, sanften Hügeln und dichten Nadelwäldern geprägt.[1] Der südwestliche Teil beinhaltet mit dem Pyritzer Weizacker ein ausgesprochen fruchtbares Landwirtschaftsgebiet.
Im Hinterland der Ostseeküste verlaufen die Verkehrsströme von Stettin nach Danzig.
Geschichte
Hinterpommern war Teil des Siedlungsgebietes der Pomoranen (Pomerani). Letzterer Name tauchte erstmals zur Zeit Karls des Großen auf. Nach Kriegszügen zur Unterwerfung und Christianisierung war ganz Pommern seit 995 unter die Herrschaft des polnischen Herzogs Bolesław III. Schiefmund geraten. Die polnische Oberhoheit entglitt seinen Nachfolgern jedoch wieder und endete um etwa 1135. Die ursprünglich slawischen Greifen (seit Wartislaw I.) waren Herzöge von Pommern bis 1637. Sie warben zur Kolonisierung ihrer Ländereien deutsche Siedler an, so dass im 13. Jahrhundert zunächst die westlich der Oder gelegenen Landesteile, später aber auch die östlichen zu einem Teil des deutschen Siedlungsgebietes wurden. Die verbliebene slawische Bevölkerung wurde dabei im Laufe der Zeit größtenteils eingedeutscht.
Viele hinterpommersche Adelsfamilien, die dort bis zu ihrer Vertreibung nach 1945 ansässig waren, haben slawische Wurzeln, z. B. die von Zitzewitz oder die von Borcke. Lediglich im östlichen Hinterpommern hielt sich mit den Kaschuben bis in die Neuzeit eine slawische Bevölkerungsgruppe. Ihre Assimilation seit dem 18. Jahrhundert führte je nach der Glaubensrichtung der Kirche, der sie sich angeschlossen hatten, entweder zur Germanisierung (evangelische Kirche) oder zur Polonisierung (katholische Kirche). Trotz „Germanisierungen“ bzw. „Polonisierungen“ überlebte die kaschubische Sprache bis heute.
Von 1295 bis 1464 gehörte das südwestliche Hinterpommern (die gesamte Region südwestlich des Flusses Ihna) zum Herzogtum Pommern-Stettin. Die anderen Gebiete gehörten in dieser Zeit zum Herzogtum Pommern-Wolgast, von dem sich seit Ende des 14. Jahrhunderts ein gesondertes Herzogtum Pommern-Wolgast-Stolp abteilte. Die Gebiete beiderseits des Unterlaufes der Persante mit den Städten Kolberg und Köslin bildeten seit dem Ende des 13. Jahrhunderts im Wesentlichen das Stift Cammin, also das weltliche Herrschaftsgebiet des Bischofs von Cammin.
Nach einer zeitweiligen Vereinigung der verschiedenen Landesteile unter Herzog Bogislaw X., reg. 1474–1523, teilten bereits seine Nachfolger das Land 1532 vorläufig und 1541 endgültig in ein Herzogtum Wolgast und ein Herzogtum Stettin, die erst unter dem letzten Herzog, Bogislaw XIV., ab 1625 wieder vereint werden konnten. Dabei umfasste das Stettiner Teilherzogtum diesmal in erster Linie die östlich der Oder gelegenen Gebiete, die seit 1466 noch um die Lande Lauenburg und Bütow im Osten erweitert worden waren. Letztere lagen aber außerhalb der Grenzen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und waren zunächst Pfandbesitz, seit Anfang des 16. Jahrhunderts ein Lehen der polnischen Krone. Das Stift Cammin wurde nach der Reformation ab 1556 eine Sekundogenitur der pommerschen Herzöge. 1648 kam Hinterpommern, zunächst mit Ausnahme eines Streifens am östlichen Ufer von Oder und Dievenow, infolge des Westfälischen Friedens an Brandenburg-Preußen und blieb von 1815 bis 1945 als Teil der Provinz Pommern innerhalb des preußischen Staates.
Im März 1945 hatte die Rote Armee Hinterpommern erobert und der Verwaltung der Volksrepublik Polen unterstellt.[2] Im August 1945 bestätigten im Potsdamer Abkommen die Westalliierten dies und stimmten der beginnenden Vertreibung der Bevölkerung zu. Hinterpommern wurde nach 1945 hauptsächlich mit Polen aus Zentralpolen oder aus dem Kresy besiedelt. Letztere waren im Zuge der Zwangsumsiedlung von Polen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten 1944–1946 vertrieben worden. Im Rahmen der Aktion Weichsel wurden auch Ukrainer aus Gebieten westlich der Curzon-Linie angesiedelt.
Die Zugehörigkeit Hinterpommerns zu Polen wurde von der DDR im Görlitzer Abkommen vom 6. Juli 1950, von der Bundesrepublik Deutschland unter Vorbehalt im Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970 und vom vereinten Deutschland 1990 im Zwei-plus-Vier-Vertrag sowie im deutsch-polnischen Grenzvertrag endgültig anerkannt.
Sprache
Die mittelniederdeutsche Sprache (plattdeutsch) wurde durch den Zuzug deutscher Siedler im Zeitraum vom 12. bis 14. Jahrhundert nach Hinterpommern gebracht. Sie setzte sich seit dem 13. Jahrhundert als Umgangs- und Gerichtssprache durch. Seit der Reformation breitete sich auch die frühneuhochdeutsche Sprache aus, in Hinterpommern schneller als in Vorpommern und auf Rügen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, insbesondere nach dem Übergang Hinterpommerns an Brandenburg, setzte sich die hochdeutsche Sprache als Amts- und Predigtsprache durch. Plattdeutsch blieb bis 1945 Umgangssprache insbesondere der Landbevölkerung.[3] In den Dörfern lernten die Kinder meist erst in der Schule hochdeutsch.
Östlich von Stolp war auch die kaschubische Sprache vertreten und seit dem 17. Jahrhundert infolge der Rekatholisierung in der Gegend um Leba und Lauenburg die polnische Sprache.
Aufgrund der Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Bevölkerung Hinterpommerns nunmehr ganz überwiegend polnischsprachig.
Begrifflichkeit
Der Begriff Hinterpommern in seiner heutigen Bedeutung ist erst in der Neuzeit entstanden. Im Mittelalter verstand man unter Pommern im engeren Sinne das Gebiet des Herzogtums Pommern-Wolgast zwischen Oder und Gollenberg (bei Köslin). Nur die östlich davon gelegenen Gebiete bezeichnete man manchmal als Hinterpommern, weil sie eben hinter Pommern lagen. Erst im 16. Jahrhundert bürgerte sich im Sprachgebrauch die Bezeichnung Hinterpommern auch für Gebiete östlich der Oder ein. Dies übertrug sich dann nach 1648 auf die von Kurbrandenburg übernommenen Gebiete, ohne dass je eine scharfe Abgrenzung nach Westen vorgenommen wurde.
Größere Städte
Großstädte:
- Kolberg/Kołobrzeg
- Köslin/Koszalin
- Stargard in Pommern/Stargard
- Stolp/Słupsk
Sonstige größere oder/und historisch bedeutsame Städte (Auswahl):
- Bad Polzin/Połczyn-Zdrój
- Belgard/Białogard
- Cammin/Kamień Pomorski
- Dramburg/Drawsko Pomorskie
- Falkenburg/Złocieniec
- Greifenberg/Gryfice
- Greifenhagen/Gryfino
- Körlin an der Persante/Karlino
- Labes/Łobez
- Naugard/Nowogard
- Neustettin/Szczecinek
- Pyritz/Pyrzyce
- Regenwalde/Resko
- Rummelsburg/Miastko
- Rügenwalde/Darłowo
- Schivelbein/Świdwin
- Schlawe/Sławno
- Stolpmünde/Ustka
- Treptow a. d. Rega/Trzebiatów
Siehe auch
Literatur
- chronologisch aufsteigend
- F. G. Leonhardi (Hrsg.): Erdbeschreibung der preußischen Monarchie. Band 3, Abtheilung 2. Hemmerde & Schwetschke, Halle 1794, S.706–723.
- G. Hassel: Vollständige und neueste Erdbeschreibung der Preußischen Monarchie und des Freistaates Krakau. Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1819, S. 174–210.
- Peter Friedrich Kanngießer: Geschichte von Pommern bis auf das Jahr 1129. Greifswald 1824 (Digitalisat).
- Johann Christian Aycke: Über das Hochland von Hinter-Pommern und Pommerellen. In: Neueste Schriften der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Band 4, Danzig 1843, S. 64–102.
- Gerhard Renn: Die Bedeutung des Namens „Pommern“ und die Bezeichnungen für das heutige Pommern in der Geschichte. Bamberg, Greifswald 1937 (Greifswalder Abhandlungen zur Geschichte des Mittelalters 8), (Zugleich: Greifswald, Univ., Diss., 1937).
- Peter Johanek, Franz-Joseph Post in Verbindung mit Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen (Hrsg.), Thomas Tippach (Bearbeitung), Roland Lesniak (Mitarbeit): Städtebuch Hinterpommern (= Peter Johanek, Franz-Joseph Post, Klaus Meyer-Schwickerath im Institut für vergleichende Städtegeschichte an Universität Münster [Hrsg.]: Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte. Band 3.2). Neubearbeitung, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart / Berlin / Köln 2003, ISBN 978-3-17-018152-6.
Weblinks
Einzelnachweise
- Vgl. zum Beispiel C. Wolff: Charakteristik der Oberflächengestalt von Hinterpommern, vom Gollenberg östlich. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde (Heinrich Berghaus, Hrsg.), 3. Reihe, 8. Band, 1. April – 30. September 1839, Berlin 1839, S. 213–220.
- Zur Einführung polnischer Verwaltungen vor der Potsdamer Konferenz siehe Manfred Zeidler: Kriegsende im Osten. Die Rote Armee und die Besetzung Deutschlands östlich von Oder und Neiße 1944/45. Oldenbourg, München 1996, ISBN 3-486-56187-1, S. 201.
- Waldemar Diedrich: Frag mich nach Pommern. Verlag Gerhard Rautenberg, Leer 1987, ISBN 3-7921-0352-4, S. 190.
- Jürgen Petersohn: Bistum Kammin. In: Erwin Gatz unter Mitwirkung von Clemens Brodkorb und Helmut Flachenecker (Hrsg.): Die Bistümer des Heiligen Römischen Reichs. Von ihren Anfängen bis zur Säkularisation. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2003, ISBN 3-451-28075-2, 2. Das Bistum im Spätmittelalter, S. 268–269.