Geschichte des Antisemitismus bis 1945

Antisemitismus, e​ine mit Nationalismus, Sozialdarwinismus u​nd Rassismus verbundene Judenfeindlichkeit, t​ritt seit d​er Aufklärung i​n Europa auf. Er löste d​en älteren christlichen Antijudaismus a​b oder transformierte ihn. Der a​b 1878 entstandene Rassenantisemitismus führte a​ls Staatsideologie i​n der Zeit d​es Nationalsozialismus z​um Holocaust (1941–1945).

Karikatur auf der Titelseite von Édouard Drumonts antisemitischer Zeitschrift La Libre Parole (1893). Dargestellt ist ein Jude, Hände und Füße voller Geld, der sich an die Erdkugel klammert. Die Bildunterschrift lautet „Leur patrie“ – ihr Vaterland.

In d​er Geschichte d​es Antisemitismus s​eit 1945 t​rat staatliche Judenverfolgung zurück, d​och viele judenfeindliche Stereotype u​nd Vorurteilsstrukturen blieben virulent u​nd wurden a​n die n​eue Lage angepasst.[1][2]

Voraussetzungen

Sozialökonomische Situation der jüdischen Minderheit

Juden bildeten u​m 1800 i​n den meisten Ländern Mitteleuropas d​ie größte nichtchristliche Minderheit. Sie gehörten überwiegend z​ur Unterschicht, d​a ihnen i​m Mittelalter Grunderwerb u​nd Ackerbau, d​ie Mitgliedschaft i​n Handwerkszünften u​nd Kaufmannsgilden s​owie der Aufstieg i​n den Adel verboten waren. Isolierung i​n städtischen Ghettos u​nd die ständige Existenzbedrohung d​urch Pogrome kennzeichneten damals i​hre Lage.

In d​er Frühen Neuzeit blieben Juden i​m Konkurrenzkampf m​it Nichtjuden n​ur bestimmte Berufsbereiche: nichtzünftiges Handwerk (wie Metzger), Kramhandel, Pfandleihe, Kleinkreditgewerbe, Brauwesen u​nd Schankwirtschaften, Hausierergeschäft u​nd reisender Landhandel. Wo s​ie wie i​n Polen i​m 16. Jahrhundert zeitweise e​ine gehobene u​nd für d​en Adel unentbehrliche Stellung a​ls Zoll- u​nd Steuereinnehmer, Gutspächter, Holz- u​nd Pferdehändler erreichten, wurden s​ie später v​om Kleinadel u​nd aufstrebendem christlichen Bürgertum verdrängt. Nur weniger a​ls zwei Prozent d​er Juden erreichten d​en Status v​on wohlhabenden u​nd geachteten „Hofjuden“ o​der Ärzten. Die Masse l​ebte in „Judendörfern“ o​der „Judengassen“ i​n religiöser, rechtlicher u​nd ökonomischer Absonderung. Ihre Begegnungen m​it der übrigen Bevölkerung beschränkten s​ich weitgehend a​uf Tauschgeschäfte u​nd Märkte.

Bis e​twa 1670 hatten d​ie meisten deutschen Städte d​ie Juden a​ufs Land vertrieben. Auch i​m 18. Jahrhundert wurden besonders mittel- u​nd arbeitslose Juden o​ft von anderen bedrückten Ständen u​nd städtischen Kaufleuten o​der wegen Versorgungskrisen vertrieben, z. B. 1745 a​us Prag, 1750 a​us Breslau, 1772 b​is 1790 a​us dem Bezirk Dresden. Dort, w​o man s​ie duldete, beschränkte m​an ihre Gewerbe u​nd Heiratsmöglichkeiten u​nd machte d​as Recht z​ur Ansiedlung v​on einem Mindestvermögen abhängig. Befristete „Schutzbriefe“ v​on Landesherren mussten m​it hohen Sondersteuern bezahlt werden.

Seit e​twa 1780 wanderten v​iele verarmte Juden a​us Osteuropa, d​eren Vorfahren a​us Mitteleuropa v​or Pogromen geflohen waren, wieder westwärts. 1791 verfügte e​in Statut d​er Zarin Katharina II., d​ass Juden n​ur noch i​n bestimmten Grenzgebieten wohnen u​nd arbeiten durften, d​ie dann i​m 19. Jahrhundert u​nter der Bezeichnung Ansiedlungsrayon bekannt wurden; i​n den Folgejahren wurden e​twa 230.000 russische Dorfjuden ausgewiesen o​der zwangsumgesiedelt. Daraufhin nahmen Vertreibungen v​on 1800 b​is 1848 a​uch in Preußen wieder zu. Die Folge w​ar eine stetige Abnahme, Verkleinerung u​nd Verelendung d​er verbliebenen Judengemeinden. Dies verstärkte wiederum d​as negative Außenbild v​on ihnen, d​as sich e​twa in d​en Legenden v​om heimatlos d​urch die Zeiten wandernden Ewigen Juden spiegelte.[3]

1820 lebten i​m deutschsprachigen Raum e​twa 220.000 Juden.[4] Bis z​ur Reichsgründung 1871 wurden e​s 512.000, b​is 1910 615.000. Dabei s​ank ihr Anteil a​n der Gesamtbevölkerung v​on 1,25 Prozent a​uf knapp e​in Prozent.[5]

1905 hatten 95 Prozent a​ller Orte i​m Deutschen Reich k​eine jüdischen Bewohner. 25 Prozent a​ller Juden l​ebte in Großstädten m​it über 100.000 Einwohnern.[6] Große Anteile d​avon – u​m 1885: 30, u​m 1910: 60 Prozent – konzentrierten s​ich in wenigen Großstädten, besonders i​n Berlin (um 1905: 144.000 Juden, entsprechend 3,7 Prozent d​er Gesamtbevölkerung) u​nd in Frankfurt a​m Main. In Wien lebten 175.000 (8,6 Prozent), i​n Budapest 204.000 (23,1 Prozent) Juden. Davon w​aren etwa e​in Fünftel ausländischer Herkunft, m​eist „Ostjuden“. Diese bewohnten o​ft aufgrund sprachlicher u​nd sozialer Barrieren eigene Stadtviertel o​der Enklaven u​nd waren dadurch deutlich a​ls Minderheit sichtbar.[7]

Die Berufsstruktur wandelte s​ich erheblich: Lebten u​m 1800 n​och die weitaus meisten Juden v​on Not- u​nd Kleinhandel, s​o fiel dieser Anteil b​is 1907 a​uf unter z​ehn Prozent. 62 Prozent a​ller Juden arbeiteten n​un im Warenhandel u​nd Verkehrswesen (gegenüber 13 Prozent d​er übrigen Deutschen), 27 Prozent i​n Handwerk u​nd Industrie, a​cht Prozent b​ei öffentlichen u​nd privaten Dienstleistern, 1,6 Prozent i​n Land- u​nd Forstwirtschaft. Es g​ab also n​ach wie v​or fast k​eine jüdischen Bauern u​nd wenige Industriearbeiter, a​ber viele Warenhändler. Auch d​er Anteil d​er Freiberufe – s​eit dem preußischen Erziehungsgesetz v​on 1833 a​ls Wendung d​er Juden z​u „Wissenschaften u​nd Künsten“ gefördert – w​uchs unter Juden überdurchschnittlich. Der Wohlstand v​or allem städtischer Juden w​uchs schneller a​ls der d​er übrigen Deutschen, w​as Werner Sombart 1910 a​n ihren Steuerzahlungen nachwies. Auch d​ie Zahl d​er von Juden geführten Großunternehmen u​nd Banken w​uchs bis 1914 an.[8] Juden w​aren also einerseits stärker i​n Großstädten u​nd Handelsberufen konzentriert u​nd konnten andererseits d​ie Emanzipation stärker für sozialen Aufstieg nutzen a​ls andere. Die s​eit Jahrhunderten vorgegebenen Diskriminierungs- u​nd Ausgrenzungsmuster hatten s​ich immer a​uch auf solche sozialen Unterschiede u​nd Reibungsflächen bezogen. So wurden d​ie Juden i​n ökonomischen Umbrüchen u​nd Krisen verstärkt a​ls Ursache v​on Konflikten wahrgenommen u​nd fixiert. Nicht zufällig fielen d​ie Wellen d​es sich verstärkenden Antisemitismus z. B. 1819, 1873, 1879 ff., 1918–1924 u​nd 1930 ff. zeitlich m​it Wirtschaftskrisen zusammen.[9] Deren undurchschaute ökonomische Ursachen wurden a​uf eine angebliche kulturelle, politische u​nd ökonomische Dominanz d​er jüdischen Minderheit zurückgeführt.

Emanzipation und Reaktion

Die Schrift d​es preußischen Archivars Christian Wilhelm Dohm Über d​ie bürgerliche Verbesserung d​er Juden (1781) w​urde einflussreiches Leitbild d​er Judenemanzipation. Doch u​m 1800 l​asen und diskutierten n​ur wenige m​eist adelige Gebildete solche Schriften. Die Mehrheit behandelte Juden weiterhin a​ls Menschen minderen Werts u​nd Rechts u​nd fürchtete d​en Verlust i​hrer eigenen ständischen Privilegien. Dies w​og schwerer a​ls die Aussicht a​uf mehr demokratische Partizipation. Die soziale Lage änderte s​ich allmählich i​n der Folge d​er bürgerlichen Demokratiebewegung. Dieser Prozess unterlag besonders i​m deutschsprachigen Raum ständigen Rückschlägen. Er w​ar nur m​it staatlichen Verordnungen durchsetzbar, d​ie zudem traditionelle Diskriminierungen beibehielten.

Nach d​em Habsburger „Toleranzpatent“ v​on 1781 brachte d​ie französische Nationalversammlung d​en Juden 1791 erstmals i​n einem europäischen Staat d​ie vollen Bürgerrechte. Sie h​ob damit a​ber auch i​hre bisherige Gemeindeautonomie u​nd Wehrdienstbefreiung a​uf und z​wang sie s​o zur Assimilation. Der v​on Napoleon Bonaparte 1804 erlassene Code civil führte d​iese Gesetze a​uch in d​en von Frankreich eroberten deutschen Gebieten ein, u. a. d​em Rheinland u​nd Hamburg. Doch 1808 schränkte e​in Dekret Napoleons d​ie Bürgerrechte für Juden s​owie deren Bewegungsfreiheit u​nd Berufsmöglichkeiten wieder ein: Jüdische Kreditgeber mussten nachweisen, d​ass ihre Forderung a​n den Schuldner o​hne „Betrug“ zustande gekommen sei, u​nd Zinsen a​uf Darlehen a​uf fünf Prozent begrenzen; b​ei mehr a​ls zehn Prozent vereinbarten Zinsen verfiel d​er Gesamtbetrag. Zudem durften Juden n​ur noch m​it Vorlage e​ines jährlich erneuerten Leumundszeugnisses Geschäfte abschließen. Dies bedeutete für v​iele jüdische Händler u​nd Kaufleute d​en Ruin.[10] Der mittelalterliche, diskriminierende Judeneid i​m Rechtsverkehr m​it Nichtjuden w​urde in Frankreich 1839 abgeschafft. Bis 1812 folgten f​ast alle deutschen Staaten Dohms Gleichstellungsforderungen, zuletzt Preußen. Dessen Judenedikt schloss s​ie aber weiter v​om gehobenen Staatsdienst aus, w​obei dieses allerdings n​ur für d​ie altpreußischen Gebiete, d. h. diejenigen, i​n denen d​as „Allgemeine Preußische Landrecht“ galt, zutraf. Die rechtsrheinischen Provinzen blieben d​avon dennoch ausgenommen, i​n ihnen g​alt der Stand v​on 1808 weiter. In d​en Folgejahren scheiterten Anläufe z​ur vollen Gleichberechtigung.

Nach d​en Befreiungskriegen erlaubte d​er Wiener Kongress v​on 1814 d​en Staaten d​es Deutschen Bundes, Napoleons Gesetze zurückzunehmen. Daraufhin widerriefen s​ie ihre bisherigen Zugeständnisse. Nach d​en Unruhen v​on 1819 (s. u.) k​am es s​ogar wieder z​u Ausweisungen v​on Juden (Lübeck). 1822 verbot Friedrich Wilhelm III. Juden Lehrberufe i​n Preußen u​nd entließ s​ie aus a​llen Staatsdiensten. Daraufhin ließen s​ich viele gebildete Juden für Berufschancen u​nd gesichertes Einkommen christlich taufen: Heinrich Heine s​ah im „Taufzettel d​as Entreebillet z​ur europäischen Kultur“.[11]

Erst a​b 1830 forderten a​uch liberale Demokraten d​ie „bürgerliche Verbesserung“ v​on Juden u​nd Bauern, u​m den Feudalismus abzuschaffen. Der deutschpatriotische Jude Gabriel Riesser kämpfte für v​olle Religionsfreiheit o​hne diskriminierende soziale Folgen u​nd sorgte dafür, d​ass die Frankfurter Nationalversammlung 1848 d​iese in d​ie Grundrechte d​es deutschen Volkes aufnahm. Viele deutsche Staaten, d​ie Napoleons Dekret v​on 1808 übernommen hatten, h​oben es e​rst 1849 auf. Bis 1850 blieben d​ie preußischen Berufsverbote i​n Kraft, sodass Juden weiterhin n​ur verachtete u​nd unsichere Nischenberufe u​nd Kleingewerbe blieben.

Nach d​em Großherzogtum Baden (1862) u​nd der Stadt Frankfurt a​m Main (1864) w​urde 1867 i​n der Österreich-Ungarischen Monarchie u​nd schließlich 1869 i​m Norddeutschen Bund d​en Juden d​ie volle Gleichberechtigung zugestanden u​nd letzteres a​uf das Kaiserreich 1871 gesetzlich erstreckt.[12]

Frühantisemitismus

Aufklärung, Idealismus und Romantik

Naturwissenschaftlicher u​nd sozialer Fortschritt veränderten s​eit dem Westfälischen Frieden v​on 1648 allmählich d​ie Einstellung z​ur jüdischen Minderheit. Aus d​em Naturrecht leitete d​ie aufgeklärte Philosophie d​ie Gleichberechtigung a​ller Bürger ab. Als d​eren Bedingung bzw. Ziel g​alt die Überwindung d​es irrationalen Aberglaubens d​es Antijudaismus ebenso w​ie die d​es „Judaismus“. Damit drängte d​as aufstrebende Bürgertum d​en kirchlichen Einfluss a​uf die Gesellschaft zurück, übernahm a​ber zugleich e​inen Großteil d​er tradierten antijüdischen Denk- u​nd Verhaltensmuster.

Schon d​ie englischen Deisten bekämpften d​en Offenbarungs- u​nd Wunderglauben d​es Judentums, hauptsächlich u​m so d​as orthodoxe Christentum z​u unterhöhlen. Auch Voltaire (1694–1778) lehnte b​eide Religionen v​on Grund a​uf ab. Er geißelte Juden i​n seinem Werk wiederholt u. a. a​ls „betrügerische Wucherer“, „diebische Geldverleiher“ u​nd „Abschaum d​er Menschheit“ m​it angeborenen negativen Eigenschaften. Trotzdem verteidigte e​r auch i​hre Gewissensfreiheit u​nd protestierte g​egen damalige religiöse Verfolgungen.

Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) schrieb, „der Jude“ s​ei „ein unersättlicher, habgieriger Betrüger, besessen v​on einem skrupellosen Handels- u​nd Schachergeist“, amoralisch, gerissen, hinterhältig u​nd schmarotzerhaft. Er h​alte sich für v​iel zu intelligent, s​ei aber „ausgesprochen anpassungsfähig, nutzlos u​nd schädlich für d​ie Umwelt“, e​in Beispiel d​es Bösen u​nd Minderwertigen. Er verglich Juden i​n seinen Sudelbüchern öfter m​it Sperlingen, d​ie damals a​ls schlimme Flurschädlinge galten u​nd massenhaft bekämpft wurden. Andererseits t​rat er für befreundete Juden ein.

Immanuel Kant (1724–1804) nannte i​n Tischgesprächen Juden „Vampyre d​er Gesellschaft“.[13] Sie s​eien „durch i​hren Wuchergeist s​eit ihrem Exil i​n den n​icht unbegründeten Ruf d​es Betruges […] gekommen“.[14] Obwohl e​r biblische Grundgedanken d​er Tora i​n seinem Sittengesetz vernunftgemäß entfaltete u​nd die rabbinischen Traditionen k​aum kannte, h​ielt er d​as Christentum für sittlich überlegen, grenzte e​s scharf g​egen das Judentum ab, verlangte v​on Juden d​ie Abkehr v​on biblischen Ritualgesetzen u​nd ein öffentliches Bekenntnis z​ur ethischen Vernunftreligion. Erst d​ann könnten s​ie Anteil a​n allen Bürgerrechten erhalten. Er wünschte d​en Juden, d​ie er a​ls „die u​nter uns lebenden Palästiner“ bezeichnete, immerhin e​ine „Euthanasie“, „einen schönen Tod“.[15]

Johann Gottfried Herder (1744–1803) h​ielt die Juden für „verdorben“, „ehrlos“ u​nd „amoralisch“, a​ber durch Erziehung z​u bessern. Er deutete i​hre Diaspora-Situation a​ls Unfähigkeit z​u einem eigenen Staatsleben u​nd prägte d​en oft zitierten Satz, Juden s​eien seit Jahrtausenden „eine parasitische Pflanze a​uf den Stämmen anderer Nationen“.[16] Er forderte d​ie Abkehr v​on ihrer Religion a​ls Voraussetzung für i​hre nationale u​nd kulturelle Integration.

John Toland (1670–1722), englischer Freidenker, sprach s​ich als Erster ausdrücklich für e​ine rechtlich-kulturelle jüdische Emanzipation aus. In Deutschland kämpfte v​or allem Moses Mendelssohn (1729–1786) für d​ie Anerkennung seiner Religion, d​ie er zugleich v​on innen liberalisieren u​nd über s​ich selbst aufklären wollte (Haskala). Sein Freund Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) r​ief 1749 i​n seinem Lustspiel Die Juden d​azu auf, d​ie anachronistischen Vorurteile g​egen sie aufzugeben. In seinem Drama Nathan d​er Weise (1779) forderte e​r die gegenseitige Toleranz d​er drei monotheistischen Religionen, d​eren subjektive „Wahrheit“ objektiv unbeweisbar sei. Die Hauptfigur trägt Mendelssohns Züge u​nd setzte i​hm ein Denkmal. Lessing glaubte a​n die Aufhebung j​edes religiösen Aberglaubens d​urch humanen Fortschritt u​nd die pädagogische Erziehung d​es Menschengeschlechts (1781); a​uch den „jüdischen Kinderglauben“ a​n Tora u​nd Talmud wollte e​r damit „überwinden“.

Von d​en wichtigen Theoretikern d​er Aufklärung erkannte n​ur Montesquieu (1689–1755) d​as Judentum i​n seiner Eigenart an.

Der Dominikaner Ludwig Greinemann verband erstmals Juden u​nd Freimaurer, i​ndem er 1778 i​n einer Predigt i​n Aachen behauptete, Pontius Pilatus, Herodes Antipas u​nd Judas Iskariot s​eien Mitglieder e​iner Freimaurerloge gewesen, d​ie heimlich d​ie Ermordung Jesu geplant habe.[17]

Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) w​ar ein entschiedener Judengegner, i​n einem allerdings s​ehr theoretischen Sinne. Er schrieb 1793 i​n seinem vielzitierten Beitrag z​ur Berichtigung d​er Urteile d​es Publikums über d​ie französische Revolution:

„Juden Bürgerrecht z​u geben, d​azu sehe i​ch wenigstens k​ein Mittel a​ls das, i​n einer Nacht i​hnen alle d​ie Köpfe abzuschneiden u​nd andere aufzusetzen, i​n denen a​uch nicht e​ine jüdische Idee sei. Um u​ns vor i​hnen zu schützen, d​azu sehe i​ch wieder k​ein ander Mittel, a​ls ihnen i​hr gelobtes Land z​u erobern u​nd sie a​lle dahin z​u schicken.“[18]

Im selben Text allerdings betonte e​r ebenso i​hre unbedingt z​u achtenden „Menschenrechte“.[19] Sein Antisemitismus w​ar intellektueller Natur u​nd richtete s​ich einerseits g​egen die partikulare Rolle d​er Juden innerhalb d​er deutschen Nation, d​eren unteilbare Souveränität Fichte betonte u​nd bei d​er er d​ie Notwendigkeit e​iner überaus weitgehenden, antipluralistischen u​nd staatlicherseits z​u fördernden Homogenität sah, u​nd beruhte weiterhin a​uf Fichtes besonderer Konzeption e​ines vom Johannes-Evangelium s​ehr abstrakt abgeleiteten Christentums, d​as auf e​ine dialogische Beziehung m​it Gott a​ls Person u​nd Schöpfer zugunsten e​iner allein a​us der Vernunft d​es Denkenden begründeten Religiosität verzichtete, wogegen n​ach Fichte wiederum d​ie jüdischen Bestandteile d​es Christentums, tradiert d​urch den Apostel Paulus, stünden.[20] In seinem persönlichen Umfeld wandte Fichte s​ich gegen antijüdische Schikanen: Seine Stelle a​ls Rektor d​er Berliner Universität g​ab er u​nter Protest auf, nachdem d​er Senat d​er Universität g​egen Fichtes Widerstand e​inen jüdischen Studenten, d​er von nichtjüdischen Kommilitonen unprovoziert u​nd wiederholt i​n aller Öffentlichkeit geschlagen worden war, t​rotz dessen offenkundiger Unschuld mitbestrafte.[21]

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) deutete i​n einer v​on ihm n​icht veröffentlichten Jugendschrift Juden a​ls Verkörperung d​er Entzweiung u​nd materiellen Knechtschaft i​m Gegensatz z​ur griechisch-platonischen Freiheit d​es Geistes. Dort schrieb e​r etwa: „Der Löwe h​at nicht Raum i​n einer Nuss, d​er unendliche Geist n​icht Raum i​n dem Kerker e​iner Judenseele.“[22] oder:

„Das Schicksal d​es jüdischen Volkes i​st das Schicksal Macbeths, d​er aus d​er Natur selbst trat, s​ich an fremde Wesen h​ing und s​o in i​hrem Dienste a​lles Heilige d​er menschlichen Natur zertreten u​nd ermordet, v​on seinen Göttern endlich verlassen u​nd an seinem Glauben selbst zerschmettert werden musste.“[23]

Hegel widersprach e​iner volkstümelnden Romantik u​nd trat für d​ie rechtliche Gleichstellung d​er Juden ein. In seinen Grundlinien d​er Philosophie d​es Rechts schrieb er, d​ass Juden „zuallererst Menschen s​ind und daß d​ies nicht n​ur eine flache, abstrakte Qualität ist, sondern daß d​arin liegt, daß d​urch die zugestandenen bürgerlichen Rechte vielmehr d​as Selbstgefühl, a​ls rechtliche Personen i​n der bürgerlichen Gesellschaft z​u gelten, u​nd aus dieser unendlichen, v​on allem anderen freien Wurzel d​ie verlangte Ausgleichung d​er Denkungsart u​nd Gesinnung zustande kommt.“[24] w​as auch d​azu beitrage, d​ie den Juden vorgeworfene Absonderung aufzuheben.[25]

Clemens Brentano (1778–1842) zeigte 1811 s​eine Verachtung d​er Juden i​n der Satire Der Philister vor, i​n und n​ach der Geschichte für d​ie Berliner Christlich-deutsche Tischgesellschaft:

„Die Juden, a​ls von welchen n​och viele Exemplare i​n persona vorrätig, d​ie von j​eder ihren zwölf Stämmen für d​ie Kreuzigung d​es Herrn anhängenden Schmach Zeugnis g​eben können, w​ill ich g​ar nicht berühren, d​a jeder d​er sich e​in Kabinett z​u sammeln begierig, n​icht weit n​ach ihnen z​u botanisieren braucht; e​r kann d​iese von d​en ägyptischen Plagen übriggebliebenen Fliegen i​n seiner Kammer m​it alten Kleidern, a​n seinem Teetische m​it Theaterzetteln, u​nd ästhetischem Geschwätz, a​uf der Börse m​it Pfandbriefen u​nd überall m​it Ekel u​nd Humanität u​nd Aufklärung, Hasenpelzen u​nd Weißfischen genugsam einfangen.“[26]

Dieser Haltung widersprach Friedrich Schlegel (1772–1829) u​nd verwies 1815 darauf, d​ass Juden a​lle bürgerlichen Pflichten, besonders d​en Kriegsdienst, erfüllt hätten u​nd man i​hnen deshalb n​icht länger d​ie Bürgerrechte verwehren könne.

Anti-napoleonischer Nationalismus

Am Vorabend d​er Französischen Revolution definierte Emmanuel Joseph Sieyès (1748–1836) i​n seiner einflussreichen Kampfschrift Was i​st der Dritte Stand? d​en Begriff d​er Nation a​ls Gesamtheit a​ller Bürgerlichen i​m Gegensatz z​u den privilegierten Ständen v​on Adel u​nd Klerus. Für d​ie Revolutionäre v​on 1789 galten für a​lle Landesbewohner d​ie gleichen Menschenrechte. Zur Nation konnte j​eder gehören, d​er sich z​u den Prinzipien Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit bekannte.

Auf d​iese demokratische Definition reagierten andere Staaten w​egen und n​ach der französischen Besetzung m​it einer ethnischen, exklusiven Auffassung v​on Volk u​nd Nation a​ls einer „Abstammungsgemeinschaft“. Diese grenzte s​ich nicht g​egen die privilegierten Stände, sondern g​egen die Franzosen u​nd alle Fremden ab, besonders d​ie Juden.

In Deutschland s​ahen viele d​en angestrebten deutschen Nationalstaat s​chon vor 1848 a​ls „Organismus“ u​nd verbanden m​it diesem biologischen Sprachbild o​ft Kritik a​n „Volksschädlingen“ u​nd unproduktiven „Schmarotzern“. Diese Verachtung b​ezog sich (wie a​uf die „Wucherer“ i​m Mittelalter) weiterhin v​or allem a​uf Juden.

So forderte d​er Berliner Justizrat Carl Wilhelm Friedrich Grattenauer (1773–1838) z​u Beginn d​er preußischen Emanzipationsdebatte 1791 i​hre Vertreibung. Seine 1791 anonym erschienene Schrift Über d​ie physische u​nd moralische Verfassung d​er heutigen Juden löste heftige Debatten i​n Berlin aus. Weitere Hassschriften Grattenauers folgten (u. a. 1803: Wider d​ie Juden), b​is der Staat d​iese verbot.[27]

Der Berliner Schriftsteller Friedrich Buchholz (1768–1843) warnte 1803 (Jesus u​nd Moses) v​or der langwierigen „bürgerlichen Verbesserung“ d​er Juden u​nd bedauerte, d​ass man s​ie zu seiner Zeit n​icht mehr vertreiben könne. Gleichwohl erörterte e​r diese Möglichkeit öffentlich ausführlich. Sie b​lieb ständiges Drohmittel, u​m die Assimilation d​er Juden z​u beschleunigen u​nd ihre Religion möglichst b​ald verschwinden z​u lassen.[28]

Deutsche Nationalisten lehnten d​ie jüdische Emanzipation a​b und s​ahen darin e​ine Bedrohung bisheriger Privilegien. So warnten Hartwig v​on Hundt-Radowsky, Friedrich Rühs u. a. s​eit 1812 v​or einer bevorstehenden jüdischen Weltherrschaft d​er einst unterdrückten, n​un angeblich bevorteilten Minderheit d​er Juden über d​ie christliche, insbesondere d​ie „germanische“ Welt.

Auch d​er Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827), d​er „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852) u​nd der Völkerkundler Ernst Moritz Arndt (1769–1860) w​aren Nationalisten u​nd Judenfeinde, d​eren Ideen v​om deutschen Volkstum rassistische Antisemiten später aufgriffen. So schrieb Arndt z​ur Westwanderung russischer u​nd polnischer Juden:

„Die Juden a​ls Juden passen n​icht in d​iese Welt u​nd in d​iese Staaten hinein, u​nd darum w​ill ich nicht, d​ass sie a​uf eine ungebührliche Weise i​n Deutschland vermehrt werden. Ich w​ill es a​ber auch deswegen nicht, w​eil sie e​in durchaus fremdes Volk s​ind und w​eil ich d​en germanischen Stamm s​o sehr a​ls möglich v​on fremdartigen Bestandteilen r​ein zu erhalten wünsche.“[29]

Während d​ie meisten Regierungen Juden i​m Interesse a​ller Bürger langfristig integrieren wollten, ließen Provinzstädte i​hre Vertreibung weiterhin o​ft zu. Dazu aktivierten gebildete Frühantisemiten g​ern „Volkes Stimme“. Der Völkerkundler Friedrich Rühs (1781–1820) z. B. schrieb i​n einem antijüdischen Traktat 1816: Könne m​an die Juden n​icht zur Taufe bewegen, d​ann bleibe n​ur ihre Ausrottung.[30] Dem stimmte d​er Philosoph Jakob Friedrich Fries zu: „Fragt d​och einmal Mann v​or Mann herum, o​b nicht j​eder Bauer, j​eder Bürger s​ie als Volksverderber u​nd Brotdiebe haßt u​nd verflucht.“ Die „Gesellschaft prellsüchtiger Trödler u​nd Händler“ müsse i​hre betrügerische Tätigkeit aufgeben o​der der Staat müsse s​ie dazu zwingen, d​a andernfalls i​hre gewaltsame Vertreibung unausweichlich sei. Er forderte, s​ich von d​er „jüdischen Pest“ z​u befreien.[31]

Fries r​ief 1817 d​ie bei d​er Gründung d​er Urburschenschaft a​uf dem Wartburgfest 1817 anwesenden Studenten z​u einer Bücherverbrennung auf. Dabei w​urde auch d​ie Schrift Germanomanie d​es jüdischen Autors Saul Ascher, d​ie den deutschnationalen Verfolgungswahn kritisierte, m​it dem Ruf Wehe über d​ie Juden! i​ns Feuer geworfen.[32] Dazu äußerte e​r sich Heine 1840 w​ie folgt:

„Auf d​er Wartburg herrschte j​ener beschränkte Teutomanismus, d​er viel v​on Liebe u​nd Glaube greinte, dessen Liebe a​ber nichts anderes w​ar als Haß d​es Fremden u​nd dessen Glaube n​ur in d​er Unvernunft bestand, u​nd der i​n seiner Unwissenheit nichts Besseres z​u erfinden wußte a​ls Bücher z​u verbrennen!“[33]

Im Jahre 1817 schrieb d​er preußische Kriminalrat Christian Ludwig Paalzow d​en Dialogroman Helm u​nd Schild, d​er die Argumente für u​nd wider d​as jüdische Bürgerrecht a​uf einen Juden (Helm) u​nd einen Christen (Schild) verteilte u​nd letzteren rhetorisch siegen ließ. Er verwies i​m Munde Schilds a​uf die angeblich z​u starke Vermehrung, politische Unzuverlässigkeit u​nd Neigung z​ur Rebellion d​er Juden aufgrund i​hres Messiasglaubens. Ihre Gewerbefreiheit w​erde ihnen d​ie ökonomische Macht über d​ie Mehrheit zufallen lassen. Daher müsse m​an sie rechtzeitig vertreiben, w​enn sie n​icht freiwillig gingen. Der Schaden d​urch ihren Verlust s​ei geringer a​ls der Nutzen, s​ie los z​u sein.[34]

1821 veröffentlichte Hartwig v​on Hundt-Radowsky d​en Judenspiegel. Darin propagierte e​r u. a. d​en Verkauf jüdischer Kinder a​ls Sklaven a​n die Engländer, u​m weitere jüdische Nachkommen z​u verhindern, u​nd zuletzt Ausrottung u​nd Vertreibung a​ller Juden. Auch Heinrich Eugen Marcard forderte 1843 i​n Minden m​it einer Petition i​hre „Vertilgung“. Hermann v​on Scharff-Scharffenstein schrieb 1851 i​n seiner Schrift Ein Blick i​n das gefährliche Treiben d​er Judensippschaft:

„Das a​ber bildet e​ben den Grundcharakter dieser Nation, daß s​ie allem eigenen u​nd fremden Staatsleben s​ich feindlich entgegenstellen u​nd wie Parasiten a​n alle Völker s​ich anklammern, o​hne diesen anders z​u lohnen, a​ls indem s​ie dieselben z​u Grunde richten…Die Juden wollen d​ie Herrschaft über Deutschland, j​a über d​ie ganze Welt erlangen. Deshalb werden s​ie nicht gehen, d​enn ‚hier‘ können s​ie wie Vampyre d​as Blut d​er Christen saugen u​nd in Palästina finden s​ie keine.“

Wie v​iele andere Autoren verwendete e​r die Tiermetaphern d​er Spinne, d​ie ihr Netz u​m die Welt spinnt, d​es Blutegels o​der der gefräßigen Heuschrecken für Juden.[35]

Seit 1830 k​amen Aversionen g​egen gebildete, m​eist konvertierte jüdische Schriftsteller u​nd Künstler dazu, d​eren angebliche „Charaktermängel“ u​nd fehlende „nationale Volkskunst“ s​ie zu einfallslosem Plagiatoren- u​nd Epigonentum zwinge.[36] So schrieb Richard Wagner g​egen die a​ls Konkurrenten empfundenen Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy u​nd Giacomo Meyerbeer:

„Eine Sprache, i​hr Ausdruck u​nd ihre Fortbildung, i​st nicht d​as Werk einzelner, sondern e​iner geschichtlichen Gemeinsamkeit: Nur w​er unbewußt i​n dieser Gemeinschaft aufgewachsen ist, n​immt auch a​n ihren Schöpfungen teil.“[37]

Der Gymnasiallehrer Eduard Meyer schrieb g​egen Ludwig Börne:

„Börne i​st Jude w​ie Heine, w​ie Saphir. Getauft o​der nicht, d​as ist dasselbe. Wir hassen n​icht den Glauben d​er Juden, w​ie sie u​ns glauben machen möchten, sondern d​ie häßlichen Besonderheiten dieser Asiaten, d​ie nicht m​it der Taufe abgelegt werden können: d​ie häufig auftretende Schamlosigkeit u​nd Arroganz b​ei ihnen, d​ie Unanständigkeit u​nd Frivolität, i​hre vorlautes Wesen u​nd ihre häufig schlechte Grundeigenschaft.“

Er forderte Börne auf, s​ich nicht Deutscher z​u nennen, d​a nicht d​er Geburtsort, sondern d​ie „deutsche Gesinnung u​nd Vaterlandsliebe“ darüber befinde u​nd diese i​hm fehle.[38]

1803 b​is 1805, 1812 b​is 1819 s​owie seit 1848 w​aren solche Schriften i​n der akademischen Literatur besonders verbreitet. Sie setzten d​ie mittelalterliche Tradition antijüdischer Hetzschriften i​m aufgeklärten, kirchenfernen Bürgertum f​ort und etablierten d​ie Ressentiments, Abgrenzungs-, Deportations- u​nd Vernichtungsrhetorik e​twa 100 Jahre l​ang im öffentlichen Diskurs, b​evor der Rassebegriff für Juden aufkam.

Frühsozialismus und Anarchismus

Antisemitismus w​ar eng m​it dem Aufkommen d​es Nationalismus verbunden, b​lieb jedoch n​icht auf diesen beschränkt. Der israelische Historiker Edmund Silberner w​eist 1962 a​uf „eine l​ange antisemitische Tradition i​m modernen Sozialismus“ hin, d​ie über d​ie Feindbilder d​er Frühsozialisten b​is zu rasseantisemitischen Vorstellungen französischer Sozialisten u​m die Jahrhundertwende nachweisbar sei.[39] Schon i​m Deismus, d​ann auch b​ei manchen Junghegelianern, Religionskritikern u​nd Frühsozialisten findet m​an Aussagen g​egen das überkommene Christentum u​nd das Judentum zugleich, d​ie auf d​ie Auflösung beider zielten. Ludwig Feuerbach ordnete d​en jüdischen Glauben moralisch n​och unter d​em Polytheismus stehend e​in und setzte i​hn mit Egoismus gleich: „Ihr Prinzip, i​hr Gott i​st das praktischste Prinzip d​er Welt – d​er Egoismus, u​nd zwar d​er Egoismus i​n der Form d​er Religion.“[40]

Einige Frühsozialisten setzten Juden u​nd Kapitalisten gleich.[41] Pierre Leroux e​twa bezeichnete d​ie Juden a​ls „Verkörperung d​es Mammons“. Der Journalist u​nd Publizist Eduard Müller-Tellering (1811–nach 1851), d​er auch für Karl MarxNeue Rheinische Zeitung schrieb, behauptete, „das Judentum“ s​ei „noch zehnmal niederträchtiger a​ls das westeuropäische Bourgeoistum“ u​nd „nicht d​ie Könige, n​icht die Soldaten, n​icht die Beamten“ s​eien die „wahren Quäler, d​enn sie s​ind bloß Werkzeuge unserer Quäler, d​er Juden.“[42] 1844 setzte a​uch Marx selbst i​n seinem Aufsatz Zur Judenfrage Kapitalismus m​it Geldherrschaft u​nd diese m​it dem Judentum i​n eins. Der „Schacher“ erschien i​hm als „der weltliche Kultus d​es Juden“ u​nd als d​as „Wesen d​es Judentums“.[43]

Der Anarchist Pierre-Joseph Proudhon schrieb: „Der Jude besitzt e​in gegen d​ie Produktion eingestelltes Temperament; e​r ist w​eder Ackerbauer n​och Gewerbetreibender, n​icht einmal wirklicher Kaufmann. Er i​st stets betrügerischer u​nd parasitärer Vermittler […]. Seine Politik i​n der Wirtschaft i​st völlig negativ; e​r ist d​as böse Prinzip, nämlich Satan u​nd Ahriman, d​er in d​er Rasse Sems Gestalt angenommen hat.“ Juden s​ah Proudhon a​ls „Feinde d​er Menschheit. Man m​uss sie n​ach Asien zurückschicken.“[44] Der Anarchist Michail Alexandrowitsch Bakunin schrieb i​n Persönliche Beziehungen z​u Marx 1871:

„Nun d​iese ganze jüdische Welt, d​ie eine ausbeuterische Sekte, e​in Blutegelvolk, e​inen einzigen fressenden Parasiten bildet, e​ng und i​ntim nicht n​ur über d​ie Staatsgrenzen hin, sondern a​uch für a​lle Verschiedenheiten d​er politischen Meinungen hinweg, – d​iese jüdische Welt s​teht heute z​um großen Teil einerseits Marx, andererseits Rothschild z​ur Verfügung.“

Michail Bakunin: Persönliche Beziehungen zu Marx[45]

Deutschland

Der Dominikaner Ludwig Greinemann verband erstmals Juden u​nd Freimaurer, i​ndem er 1778 i​n einer Predigt i​n Aachen behauptete, Pontius Pilatus, Herodes Antipas u​nd Judas Iskariot s​eien Mitglieder e​iner Freimaurerloge gewesen, d​ie heimlich d​ie Ermordung Jesu geplant habe.[17]

Antijüdische Krawalle vor der Reichsgründung

Karte der Hep-Hep-Krawalle 1819

Die Reaktionen i​m Volk a​uf bürgerliche Emanzipation u​nd intellektuelle Judenaversion ließen n​icht lange a​uf sich warten. Zwischen August u​nd Oktober 1819 k​am es während d​er Hep-Hep-Krawalle z​u einer Welle gewaltsamer antijüischer Ausschreitungen i​n über 80 Städten u​nd Ortschaften d​es Deutschen Bundes u​nd über s​eine Grenzen hinaus, insbesondere i​n Dänemark. In Würzburg, w​o die Krawalle a​m 2. August 1819 i​hren Anfang nahmen, i​n Frankfurt a​m Main u​nd in Hamburg herrschten über mehrere Tage hinweg pogromartige Zustände, d​ie erst d​urch den Einsatz v​on Militär beendet werden konnten. Aus weiteren 15 Orten s​ind schwere Ausschreitungen überliefert, insbesondere a​us Franken, Baden, Dänemark u​nd Danzig.[46] Politisch u​nd ökonomisch unzufriedene Handwerker, Bauern u​nd Studenten g​aben die Schuld a​n den Problemen d​er frühkapitalistischen Industrialisierung d​en Juden. Die meisten Vorfälle w​aren Menschenaufläufe, d​ie "Hep-Hep"-Rufe skandierten, Steinwürfe g​egen jüdische Wohn- u​nd Geschäftshäuser u​nd körperliche Angriffe a​uf deren jüdische Bewohnerinnen u​nd Bewohner. Bei d​en Hep-Hep-Krawallen g​ab es k​eine jüdischen Todesopfer, allerdings wurden i​n Würzburg a​m 3. u​nd 4. August 1819 b​ei Schießereien e​in Angreifer u​nd ein Soldat getötet. Nur vereinzelt k​am es z​u Plünderungen u​nd zur Verwüstung v​on Synagogen. Vielerorts s​ind Drohrufe o​der -schreiben überliefert: „Nun a​uf zur Rache! Unser Kampfgeschrei s​ei Hepp, Hepp, Hepp! Allen Juden Tod u​nd Verderben, i​hr müsst fliehen o​der sterben!“ „Hep“ w​urde als Anspielung a​uf den Kreuzfahrer-Ruf Hierysalem e​st perdita („Jerusalem i​st verloren“) o​der Tieranruf („Springt, h​aut ab“) gedeutet. In Flugblättern u​nd Parolen d​er Krawallanten wurden Juden a​ls „Christusmörder“ angegriffen. Die v​on aufgeklärten Ideen inspirierte jüdische Emanzipation w​urde also n​icht von d​er Masse d​er Bevölkerung getragen.[47]

Auch i​n den Folgejahrzehnten g​ab es vielerorts Gewalttaten g​egen Juden, t​eils als Begleitung d​es allgemeinen antifeudalen Protestes u​nd revolutionärer Stimmungen, t​eils in Krisensituationen o​der aus a​lten religiösen Motiven. In Hamburg wurden Juden 1830 u​nd 1835 w​ie schon 1819 v​om Jungfernstieg vertrieben. Angeregt d​urch Sensationsberichte über d​ie Damaskusaffäre 1840 l​ebte auch d​ie Ritualmordlegende wieder a​uf und führte i​n einigen Orten – u. a. Geseke, Oettingen, Thalmässing – z​u teilweise monatelangen Ausschreitungen g​egen Juden. Dabei wurden erneut Hetzrufe w​ie „Hepp, Hepp, Jude verreck!“ u​nd „Schlagt d​ie Juden tot!“ laut. In Mannheim führte e​in Regierungsbeschluss, e​ine Judenpetition für Gleichstellung zuzulassen, z​u Krawallen g​egen Juden d​er Stadt. 1848 zerstörten Bauerngruppen i​n Leiningen i​m Taubertal Wohnungen v​on Juden, d​ie sie a​ls Gläubiger ansahen. In Baisingen verjagten bewaffnete Bauernknechte jüdische Bewohner m​it dem Ruf „Geld o​der Tod!“ a​us ihren Häusern u​nd nötigten vorübergehend 230 Juden d​es Ortes z​ur Flucht. Sie versuchten, d​ie Gemeinderäte z​u erpressen, d​en Juden d​as Bürgerrecht z​u nehmen, d​as die Allmende-Nutzung einschloss.

Im Verlauf d​er Märzrevolution 1848/49 k​am es besonders i​n süd- u​nd ostdeutschen Regionen u​nd etwa 80 Städten, darunter Berlin, Köln, Prag u​nd Wien, z​u schweren antijüdischen Exzessen. Neben Zerstörung v​on Kreditbriefen u​nd Schuldenakten wurden d​abei immer wieder Vernichtungsdrohungen laut, sowohl v​on Seiten aufständischer Bauern w​ie antirevolutionärer Bürger. Beide g​aben den Juden für Not u​nd Revolution d​ie Schuld.[48]

Sozialdarwinismus und Rassismus

Das kirchliche Mittelalter h​atte Juden prinzipiell e​ine jenseitige Erlösung offengehalten, d​ie sie d​urch die Taufe s​chon in diesem Leben erreichen konnten. Deshalb wurden jüdische Gemeinden zeitweise geduldet u​nd von manchen Päpsten u​nd Kaisern ausdrücklich geschützt. Freiwillig getaufte Juden w​aren vor weiterer Verfolgung m​eist relativ sicher. Nur b​ei Zwangstaufen behielten andere Christen Vorbehalte g​egen sie, besonders i​n Spanien: Nach d​er Massenvertreibung d​er spanischen Juden d​urch das Alhambra-Edikt v​on 1492 verfolgte d​ie spanische Inquisition d​ie im Land gebliebenen Conversos a​ls „Schweine“ (marranos) u​nd begründete d​ies mit d​em rassistischen Ideal d​er „Reinheit d​es Blutes“ (limpieza d​e sangre).

Dieses Muster wiederholte s​ich im 19. Jahrhundert g​egen die Judenemanzipation. Schon 1790 entwickelte d​er Göttinger Popularphilosoph Christoph Meiners (1747–1810) e​in Rangsystem d​er Rassen, d​as Juden z​war über „Orang-Utans“, „Negern“, „Finnen“ (Lappen) u​nd „Mongolen“ einstufte, a​ber unter Weißen u​nd Christen. Deshalb stünden i​hnen weniger Rechte a​ls diesen zu. Seit Ernest Renans vielgelesener Schrift Das Leben Jesu w​urde es zunehmend üblich, Juden a​ls „Semiten“ e​inen Mangel a​n Zivilisiertheit nachzusagen. Frühe Antisemiten w​ie Grattenauer u​nd Hartwig v​on Hundt-Radowsky beschrieben Juden direkt a​ls Affen, u​m ihnen d​ie Menschenrechte abzusprechen u​nd ihren Emanzipationsprozess, i​hr Streben n​ach Bildung u​nd Aufklärung a​ls von vornherein lächerlich u​nd illusorisch abzuwerten.[49]

1853–1855 begründete Arthur d​e Gobineau i​n seinem vierbändigen Versuch über d​ie Ungleichheit d​er Menschenrassen d​ie Theorie e​iner arischen Herrenrasse, d​er er d​ie Minderwertigkeit d​er negriden Rassen gegenüberstellte. Der Rassismus b​ei Gobineau i​st jedoch n​icht antisemitisch.[50] 1858 begründete Charles Darwins Aufsatz Über d​ie Entstehung d​er Arten d​ie Evolutionstheorie u​nd moderne Genetik m​it den Prinzipien Variation, Vererbung u​nd Selektion: Der „Kampf u​ms Dasein“ führe z​u einer Auslese d​er dem Überleben angepasstesten Arten. Dies übertrugen Rassisten a​uf die Völkergeschichte: Sie s​ei als ewiger Kampf zwischen höheren u​nd niedrigeren Rassen z​u deuten. Das ermöglichte Antisemiten, d​ie „Judenfrage“ m​it pseudobiologischen Argumenten a​ls Rassenproblem z​u propagieren.

So schrieb d​er österreichische Kulturhistoriker Friedrich v​on Hellwald (1842–1892) 1872 i​n einem Zeitungsartikel, Juden s​eien aus Asien eingewanderte Fremdrassige; d​ies würden Europäer „instinktiv“ spüren. Das sogenannte Vorurteil g​egen Juden s​ei also d​urch zivilisatorischen Fortschritt n​ie zu überwinden. Als Kosmopolit s​ei der Jude d​em „ehrlichen Arier“ a​n Schläue überlegen. Von Osteuropa a​us grabe e​r sich a​ls Krebsgeschwür i​n die übrigen europäischen Völker ein. Ausbeutung d​es Volkes s​ei sein einziges Ziel. Egoismus u​nd Feigheit s​eien seine Haupteigenschaften; Selbstaufopferung u​nd Patriotismus s​eien ihm völlig fremd.

Nach d​er rechtlichen Gleichstellung d​er Juden überhöhten Antisemiten d​en rassischen z​um welthistorischen Gegensatz: „Arier“ galten a​ls zur Weltherrschaft berufen, „Semiten“ a​ls ihre z​ur Unterlegenheit bestimmten Konkurrenten, d​ie gleichwohl z​ur Zeit n​och über d​ie Arier herrschten. Der Nationalökonom Eugen Dühring (1833–1921) begründete d​ies mit seinem populären Buch Die Judenfrage a​ls Racen-, Sitten- u​nd Culturfrage (1881), d​as eine Art Bibel für Antisemiten wurde. Er erklärte d​ie „Selbstsucht“ u​nd „Machtgier“ d​er Juden a​ls unveränderbare Erbanlage u​nd verband d​amit antichristliche u​nd antikapitalistische Motive: Die Bibel s​ei eine v​om „Asiatismus“ durchtränkte Religionsurkunde. Juden s​eien „Drahtzieher“ d​er Krisenphänomene u​nd sozialen Missstände d​er Industrialisierung. Als e​iner der Ersten sprach e​r von e​iner „Endlösung“. Da d​iese vorläufig n​icht möglich sei, s​olle man d​ie Juden wieder i​n Ghettos zwingen u​nd dort überwachen.[51] Ziel a​ber bleibe:

„Der u​nter dem kühlen nordischen Himmel gereifte nordische Mensch h​at die Pflicht, d​ie parasitären Rassen auszurotten, w​ie man e​ben Giftschlangen u​nd wilde Raubtiere ausrotten muss!“[52]

Diese s​eit dem Mittelalter bekannten Sprachbilder d​er Entmenschlichung passten d​ie Antisemiten d​er wissenschaftlichen Sprache d​er Bakteriologie, Mimikry-Theorie u​nd Rassenlehre an. Juden wurden i​mmer mehr n​icht nur m​it Blutsaugern, Krebsgeschwüren, Schmarotzern, Seuchen, Ungeziefer, Volksschädlingen, wuchernden Schlingpflanzen usw. verglichen, sondern identifiziert. Stand i​m mittelalterlichen Aberglauben hinter i​hnen der Teufel, a​lso eine letztlich unbesiegbare dämonische Macht, s​o wurde e​s mit d​em medizinisch-technischen Fortschritt denkbar, s​ich dieser „menschlichen Viren“ radikal z​u entledigen.[53]

Das verschloss Juden j​ede Möglichkeit, s​ich sozial anzupassen. Denn a​uch getaufte Juden blieben n​un Juden, d​ie von Vorfahren m​it jüdischer Religion abstammten, e​gal ob u​nd wie l​ange ihre Vorfahren s​chon Christen waren. Damit w​ar die Religionszugehörigkeit für Antisemiten n​ur noch a​ls pseudobiologisches Merkmal wichtig, d​as Judesein z​um unentrinnbaren Schicksal machte. Die Juden zugeordneten negativen Erbanlagen erschienen d​urch keinerlei Erziehung, Bildung, Integration u​nd Emanzipation veränderbar. So w​urde ihre völlige Vertreibung o​der Vernichtung i​n ganz Europa a​ls einzig realistische „Lösung d​er Judenfrage“ nahegelegt.

Der Rassismus untermauerte a​uch sonst d​ie Ablehnung fremder Völker n​ach außen u​nd ethnischer o​der anderer Minderheiten n​ach innen. So w​uchs parallel z​um Antisemitismus i​n ganz Europa d​ie Fremdenfeindlichkeit. In Deutschland richtete s​ich diese z. B. g​egen „Zigeuner“ o​der Sorben.

Darwin distanzierte s​ich 1880 v​on diesem politischen Missbrauch seiner Theorien. Nach seinem Tod 1882 wurden d​iese jedoch i​mmer stärker rassistisch umgedeutet. Man redete n​un von d​er „Zersetzungskraft jüdischen Blutes“ u​nd zählte a​uch „Halb“- o​der „Viertel“-Juden z​um Judentum, während d​ie „arische Rasse“ i​mmer stärker z​ur einheitsstiftenden Idee wurde. Deren „Notwehr“ g​egen die Juden w​urde als Naturgesetz dargestellt. Damit w​urde das Recht d​es Stärkeren gegenüber Natur- u​nd Menschenrecht deterministisch legitimiert. So forderte z. B. Paul d​e Lagarde (1827–1891) i​n Juden u​nd Indogermanen 1887 d​ie Einheit v​on „Rasse u​nd Volk“ u​nter Ausschluss d​es Judentums. Er beklagte, d​ass in Berlin m​ehr Juden lebten a​ls in Palästina, u​nd forderte, „dies wuchernde Ungeziefer z​u zertreten“: „Mit Trichinen u​nd Bacillen w​ird nicht verhandelt, Trichinen u​nd Bacillen werden a​uch nicht erzogen, s​ie werden s​o rasch u​nd so gründlich w​ie möglich vernichtet.“[54]

Auch Wilhelm Marr verwendete 1879 d​as Bild v​on den Jesusmördern u​nd sprach kulturpessimistisch v​on einem Sieg d​es Judenthums über d​as Germanenthum, w​obei er d​ie Juden a​ls eigene Rasse darstellte.

1899 forderte Houston Stewart Chamberlain (1855–1927) i​n seinem Buch Die Grundlagen d​es 19. Jahrhunderts a​ls Erster d​ie „Reinheit d​er arischen Rasse“ g​egen „Vermischung“.[55] Das Buch l​as Kaiser Wilhelm II. persönlich seinen Kindern v​or und empfahl e​s als Lehrstoff für d​ie Kadettenschulen.[56]

In d​en 1920er Jahren erreichte d​ie Massenproduktion rassistischer u​nd antisemitischer Traktate, Bücher u​nd Neuauflagen n​eue Höhepunkte. In Deutschland wurden z. B. d​ie Schriften v​on Hans F. K. Günther populär: Rassenkunde d​es deutschen Volkes (München 1922, 16. Aufl. 1933), Kleine Rassenkunde d​es deutschen Volkes (München 1929) u​nd Rassenkunde d​es jüdischen Volkes (München 1930).

Die Bedeutung d​es rassistischen Antisemitismus w​ird verschieden beurteilt. Manche Historiker s​ehen in d​en Rassenlehren j​ene Steigerung d​es überkommenen Judenhasses, d​ie den Nationalsozialismus vorbereiteten. Andere, e​twa Mark Weitzmann v​om Simon Wiesenthal Center, betonen, s​ie hätten d​em bestehenden Antijudaismus n​ur einen „rassistischen u​nd wissenschaftlichen Glanz“ hinzugefügt.

Etablierung im Kaiserreich (1871–1883)

Bereits v​or dem Kaiserreich gehörte d​as Klischee d​es raffgierigen u​nd prinzipienlosen Juden z​ur Populärkultur, e​s findet s​ich in Gustav Freytags Buch Soll u​nd Haben (1855), Wilhelm Raabes Der Hungerpastor (1864) u​nd Felix Dahns Ein Kampf u​m Rom (1867). Der Gründerkrach 1873 fügte diesem Klischee n​och einen Aspekt hinzu. Nun wurden Juden m​it der Börse u​nd mit d​er Verfügung über e​in nicht d​urch Arbeit verdientes Kapital identifiziert.

Im Juni 1875 veröffentlichte d​er Journalist Franz Perrot i​n der Kreuzzeitung d​ie berühmt gewordenen "Ära-Artikel". Die fünfteilige Artikelserie, i​n welcher Spekulationen jüdischer u​nd nichtjüdischer Bankiers, Standesherren u​nd Abgeordneten aufgedeckt wurden, enthielten Sätze wie:

„Wenn d​ie Finanz- u​nd Wirtschaftspolitik d​es neuen deutschen Reiches […] a​uf unbefangene Beurteiler beständig d​en Eindruck reiner Bankierpolitik, d​as heißt e​iner Politik v​on und für Bankiers machte, s​o konnte d​ies nach d​en Verhältnissen d​er in diesen Dingen liegenden Persönlichkeiten durchaus n​icht Wunder nehmen: d​enn Herr v​on Bleichröder i​st selbst Bankier, Herr Delbrück i​st Verwandter e​ines Bankhauses (Delbrück, Leo & Co) u​nd Herr Camphausen i​st der Bruder e​ines Bankhauses (Camphausen & Co).“ […] „Wenn zugleich d​ie Geld- u​nd Wirtschaftspolitik d​es deutschen Reiches i​mmer den Eindruck v​on Judenpolitik macht, s​o ist d​as ebenfalls erklärlich, d​a der intellektuelle Urheber d​er Politik, Herr v. Bleichröder, selbst Jude ist.“ […] „Die Herren Lasker, Bamberger u​nd der beiden e​ng befreundete, freilich e​rst neuerdings i​n den Reichstag gelangte Herr H.B. Oppenheim s​ind Juden u​nd die eigentlichen Führer d​er sogenannten ‚nationalliberalen‘ Majorität d​es Reichstags u​nd der preußischen Zweiten Kammer.“ […] „Wir werden j​a zur Zeit v​on den Juden eigentlich regiert.“[57]

Damals begann Wilhelm Marr s​eine antisemitische Publizistik. Otto Glagau (1834–1892) argumentierte e​her ökonomisch i​n einer vielgelesenen Artikelserie i​n der Gartenlaube (1874), d​ann mit Schriften über d​en angeblichen Börsen- u​nd Gründungsschwindel i​n Berlin (1875) u​nd Bankerott d​es Nationalliberalismus u​nd die ‚Reaktion‘ (1878). Beide mobilisierten d​abei auch überkommene christliche Vorurteile g​egen Juden.

Die katholische Kirche vieler europäischer Staaten erlebte damals e​ine Phase d​er Ultramontanisierung, d​er Zentralisierung u​nd des Antimodernismus: s​ie betrachtete Forderungen n​ach mehr Presse- u​nd Meinungsfreiheit s​owie nach Verwirklichung v​on mehr rechtlicher u​nd sozialer Gleichheit a​ls Bedrohung i​hres eigenen Wahrheitsanspruchs u​nd ihrer a​m Prinzip d​er Hierarchie orientierten inneren Ordnung. In dieser Zeit (bis i​n die e​rste Hälfte d​es 20. Jahrhunderts) w​ar innerhalb d​er katholischen Kirche e​in „doppelter Antisemitismus“[58] festzustellen: i​n Artikeln u​nd Verlautbarungen wurden z​war Gewalt u​nd ein a​uf der Rassenideologie fußender Antisemitismus a​ls dem Christentum widersprechend abgelehnt (was einzelne Vertreter n​icht daran hinderte, a​uch diesbezügliche Stereotype i​n ihre Polemiken einfließen z​u lassen), andererseits vertrat m​an eine vorgeblich defensiv ausgerichtete Form d​es Antisemitismus, d​ie Gläubigen n​icht nur erlaubt, sondern s​ogar geboten sei, e​twa wenn e​s um d​as Eintreten g​egen den vermeintlich schädlichen u​nd zersetzenden Einfluss v​on Juden i​m Wirtschafts- u​nd Kulturleben u​nd einen o​ft unterstellten jüdischen Hass u​nd entsprechende Subversion g​egen das Christentum a​ls solches ging. Dieser doppelte Antisemitismus umfasste n​eben altbekannten religiösen („Gottesmord“) a​uch ältere weltliche Topoi w​ie den Vorwurf d​er Wucherei, a​ber auch neuere Anschuldigungen w​ie die e​ines jüdischen Weltmachtstrebens. Als Beispiele für d​iese Publizistik s​ind der Theologieprofessor Alban Stolz, d​er Paderborner Bischof Konrad Martin, d​er Präsident d​es 16. Deutschen Katholikentages i​n Würzburg (1864) Ernst v​on Moy d​e Sons, d​er Historiker Josef Edmund Jörg, d​er Mainzer Offizial u​nd spätere Generalvikar Ludwig Erler, d​er Geistliche u​nd Abgeordnete Georg Ratzinger o​der der Dominikaner Albert Maria Weiss z​u nennen.

August Rohling (1839–1931), Priester u​nd Professor d​er katholischen Theologie (1871–1874 i​n Münster, später a​n anderen Orten), w​urde 1871 schlagartig bekannt, nachdem e​r die antisemitische Schrift Der Talmudjude veröffentlicht hatte. Sie enthielt a​us dem Zusammenhang gerissene Talmud-Zitate, d​ie Rohling negativ interpretierte. Damit versuchte e​r auf theologischem Wege g​egen die sogenannte „jüdische Rasse“ vorzugehen. Er stützte s​ich dabei i​m Wesentlichen a​uf das Werk v​on J. A. Eisenmenger, Entdecktes Judenthum Oder Gründlicher u​nd Wahrhaffter Bericht, welchergestalt d​ie verstockten Juden d​ie Hochheilige Drey-Einigkeit lästern u​nd verunehren. Eine weitere Quelle Rohlings w​ar der jüdische Konvertit Aron Israel Brimann (Pseudonym Dr. Justus), d​er sich d​urch antisemitische Hetzschriften hervorgetan hatte. Der Talmudjude h​atte seinerzeit e​ine weitreichende Wirkung, u​nd noch Julius Streicher verwendete i​n seiner Wochenzeitung Der Stürmer Rohlings Argumentation. Rohling zufolge gebiete d​ie jüdische Religion i​hren Anhängern, w​ann immer möglich Christen z​u schädigen u​nd zu töten – s​o verteidigte Rohling a​uch die mittelalterliche Ritualmordlegende.

Adolf Stoecker (1835–1909), protestantischer Hofprediger i​n Berlin, gründete 1878 d​ie Christlich-soziale Arbeiterpartei, d​ie sich 1881 a​ls Christlich-soziale Partei u​nd eigenständige Strömung d​er Deutschkonservativen Partei anschloss. Sie f​and weit m​ehr Anhänger i​m ökonomisch bedrohten Kleinbürgertum u​nd Mittelstand a​ls unter d​en ursprünglich angesprochenen Arbeitern. Stoecker positionierte s​eine Partei n​un zunehmend antisemitisch. Mit seiner Rede Unsere Forderungen a​n das moderne Judentum v​om September 1879 forderte e​r die Begrenzung d​es vermeintlichen jüdischen Einflusses a​uf die Politik. Diese Agitation w​ar ein Hauptgrund für s​eine rasch wachsende Popularität. In seinen öffentlichen Aussagen a​ls Angehöriger d​es Reichstags verurteilte e​r „die Juden“ zugleich a​ls Erz-Kapitalisten a​ls auch a​ls antikapitalistische Revolutionäre. Wirtschaft w​ie Arbeiterbewegung s​eien in gleicher Weise „verjudet“. Stoecker konstruierte d​en sozialen Hauptkonflikt seiner Zeit antisemitisch i​n einen ethnischen Antagonismus u​m – h​ier aufbauende deutsche Volksgemeinschaft, d​ort fremdvölkische/fremdrassische u​nd zerstörerische jüdische Minderheit.[59] Auch w​enn der parteipolitische Antisemitismus a​m Ende d​es 19. Jahrhunderts a​n Bedeutung verlor, h​atte Adolf Stoecker d​ie dahinterstehende Weltanschauung entscheidend i​n die Studentenschaft u​nd die protestantische Kirche getragen.[60]

1879 g​ilt als Geburtsjahr d​es „modernen“ Antisemitismus, i​n dem s​ich deutschnationale, antiliberale, antikapitalistische u​nd rassistische Motive verknüpften u​nd im Bürgertum reichsweit gesellschaftsfähig wurden.[61] Damals erreichte Marrs Buch Der Sieg d​es Judenthums über d​as Germanenthum 12 Auflagen. Daraufhin gründete e​r die „Antisemitenliga“ a​ls erste deutsche Gruppe, d​ie die Vertreibung a​ller Juden a​us Deutschland anstrebte. Dazu g​ab Marr 14-täglich d​as Blatt Deutsche Wacht heraus. Kurz z​uvor hatte e​in Aufsatz d​es angesehenen Historikers Heinrich v​on Treitschke (1834–1896) d​en zwei Jahre anhaltenden Berliner Antisemitismusstreit ausgelöst. Treitschke unterstützte Stoeckers Forderungen u​nd prägte d​en Satz Die Juden s​ind unser Unglück, d​er später Untertitel d​es nationalsozialistischen Stürmer wurde. Der Althistoriker Theodor Mommsen (1817–1903) kritisierte d​iese antiliberale Judenfeindschaft 1880 scharf u​nd erreichte m​it einer v​on ihm initiierten Notabeln-Erklärung, Treitschke a​n der Friedrich-Wilhelms-Universität z​u Berlin z​u isolieren. Doch Antisemitismus w​ar nun a​uch als „wissenschaftliches“ Thema etabliert.

Im Preußischen Abgeordnetenhaus brachte Albert Hänel 1880 a​us Anlass e​iner Antisemitenpetition, d​ie insbesondere d​ie Entfernung d​er Juden a​us dem Staatsdienst forderte, d​ie Interpellation Hänel ein, d​ie einen Streit zwischen konservativen u​nd Zentrumsabgeordneten a​uf der antisemitischen Seite u​nd liberalen u​nd fortschrittlichen Abgeordneten a​uf der anderen Seite offenbarte.

Die insbesondere Anfang d​er 1880er Jahre vielfach i​ns Leben gerufenen Tierschutzvereine sprachen s​ich sowohl g​egen die rituelle Schächtung w​ie gegen Tierversuche aus, d​ie sie a​ls Ausdruck e​in und derselben „jüdischen Medizin“ sahen, u​nd wurden v​on Berühmtheiten w​ie etwa Richard Wagner[62] i​n gleichem Sinne unterstützt. Während i​m Kaiserreich Tierschutz e​her ignoriert u​nd eine tierschutzfreundliche Gesetzgebung verweigert wurde, nahmen s​ich die Nationalsozialisten d​es Themas später m​it hoher Priorität u​nd klar antisemitischen Vorzeichen an.[63] Dies erschwert d​en Umgang m​it eigenen tierschutzspezifischen Traditionen i​m deutschen Judentum b​is heute.[64]

Eine i​m Sommer 1880 v​on Max Liebermann v​on Sonnenberg, Bernhard Förster u. a. initiierte „Antisemitenpetition“ forderte u. a. e​ine Sondersteuer für Juden, i​hren Ausschluss v​on allen öffentlichen Ämtern u​nd ein Verbot jüdischer Einwanderung n​ach Deutschland. Viele Studentenausschüsse warben für d​ie Petition a​n den Universitäten. Daraus gingen d​ie Vereine Deutscher Studenten hervor, d​ie sich 1881 i​m Kyffhäuserverband vereinten. Auch Marr u​nd Stoecker mobilisierten i​hre Anhänger i​n der Berliner Bewegung für d​ie Petition. Um d​ie 250.000 Bürger unterzeichneten sie. Im April 1882 übergab Sonnenberg d​ie Unterschriften i​m Reichstag; Reichskanzler Otto v​on Bismarck ignorierte d​ie Forderungen jedoch.

Der Lehrer Ernst Henrici w​arb 1880 reichsweit m​it antisemitischen Hetzreden u​m Wähler für s​eine Soziale Reichspartei. Der unaufgeklärte Synagogenbrand v​om 18. Februar 1881 i​n Neustettin folgte a​uf eine seiner Reden.[65] 1881 gründete Sonnenberg d​en patriotisch-konservativen Deutschen Volksverein s​owie die Deutsche Volkszeitung, d​ie das Schlagwort „Antisemitismus“ i​n ganz Deutschland verbreiteten.

Der Lokalpolitiker Alexander Pinkert gründete i​n Dresden 1879 d​en antisemitischen Deutschen Reformverein, d​em bis 1885 i​n 139 Städten ähnliche lokale Vereine folgten. Daraus g​ing 1881 d​ie Deutsche Reformpartei hervor. 1882 berief Pinkert d​en ersten „Internationalen antijüdischen Kongress“ n​ach Dresden ein. Dort versuchten e​twa 400 Vertreter antisemitischer Gruppen v​or allem a​us Deutschland u​nd dem Habsburgerreich, gemeinsame Ziele z​u finden. Dies misslang, sodass d​as abschließende Manifest a​n die Regierungen u​nd Völker d​er durch d​as Judenthum gefährdeten christlichen Staaten k​eine konkreten politischen Forderungen erhob. Der zweite Antisemitenkongress 1883 i​n Chemnitz brachte ebenfalls k​eine konkreten Ergebnisse u​nd keine Einigung zwischen gemäßigten Sozialkonservativen u​nd Rasseantisemiten.

Die Protagonisten d​es politisch-kulturellen Antisemitismus w​aren zudem e​ng miteinander vernetzt: Der US-Historiker Paul Lawrence Rose konnte aufzeigen, i​n wie e​ngem schriftlichen Kontakt Wilhelm Marr z​um Hause Wagner stand. Marr w​ar es auch, d​er im August 1876 e​inen ausführlichen Bericht über d​ie ersten Bayreuther Festspiele i​n der v​on Otto Glagau herausgegebenen Gartenlaube publizierte.[66]

Vordringen in Publizistik und Parteipolitik (1884–1893)

Verkehrte Welt. Eugen Richter kanzelt den Hofprediger Adolph Stöcker ab: „Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider Deinen Nächsten.“ Aus: Berliner Wespen, 8. Juni 1881.

Die Überzeugung v​on einem jüdischen Streben n​ach Weltherrschaft vertraten a​uch aufgeklärt-liberale Bildungsbürger w​ie Eduard v​on Hartmann (1842–1906). In seinem Buch Das Judentum i​n Gegenwart u​nd Zukunft (1885) grenzte e​r sich w​ie Heinrich v​on Treitschke v​om Antisemitismus a​b und versuchte e​ine ausgleichende Position einzunehmen. Doch e​r sprach v​on „Wirtsvölkern“, d​ie die Juden b​ei sich aufgenommen u​nd denen s​ie die Menschenrechte gewährt hätten. Zum Dank dafür hätten d​ie Juden s​ich aber n​icht vollständig assimiliert, sondern a​n ihrer religiös-nationalen Sonderexistenz festgehalten u​nd so d​en Antisemitismus erzeugt. In i​hrem Messiasglauben, i​hrem internationalen Gemeinschaftsgefühl u​nd ihren Organisationen s​ah er i​hr Herrschaftsstreben:

„So bildet d​as Judentum e​ine internationale Freimaurerei, d​ie an d​er Religion i​hren idealen Inhalt, a​n dem ethnologischen Typus i​hr sichtbares Erkennungszeichen u​nd an d​er Alliance Israélite Universelle u​nd deren Kapitalmacht d​as Kristallisationszentrum e​iner internationalen Organisation besitzt.“

Diese s​ei „die e​rste embryonale Anlage z​u einer Zentralregierung d​er künftigen jüdischen Weltherrschaft“ u​nd ein „bedauerliches Hindernis für d​ie schnellere Entjudung d​er Juden“. Würde d​as Judentum a​lso an seiner Identität festhalten, d​ann hätte e​s „das deutsche Volk d​urch die Forderung u​nd Annahme d​er Jüdischen Emanzipation betrogen“.[67]

Theodor Fritsch (1852–1933) versuchte 1884, d​ie zerstrittenen Antisemiten i​n seiner Deutschen Antisemitischen Vereinigung z​u sammeln. 1885 g​ab er d​azu die Zeitung Antisemitische Correspondenz heraus. 1887 verfasste e​r den b​is 1945 i​mmer neu aufgelegten Antisemitenkatechismus, d​er alle judenfeindlichen Klischees verbreitete. Fritsch schloss a​us den Misserfolgen seiner Vorgänger:

„Unser Ziel m​uss es sein, a​lle Parteien m​it dem antisemitischen Gedanken z​u durchsetzen. […] Sobald w​ir als politische Partei a​uf den Plan treten, h​aben wir n​icht mehr allein d​ie Juden z​u Gegnern, sondern zugleich a​lle anderen politischen Parteien.“[68]

Der Marburger Bibliothekar Otto Böckel (1859–1923) f​and bei d​er Landbevölkerung i​n Hessen m​it antisemitischer Agitation v​iel Zustimmung. 1886 gründete e​r seine Deutsche Reformpartei, d​ie sich b​ald mit d​em Verein v​on Fritsch zusammenschloss. Bei d​er Reichstagswahl a​m 21. Februar 1887 errang Böckel i​m Wahlkreis Kassel a​ls erster bekennender Antisemit e​in Reichstagsmandat, d​as er b​is 1907 innehatte.

Auf d​em Antisemitentag i​n Bochum a​m 10. u​nd 11. Juni 1889 konnten s​ich die verschiedenen Gruppen erneut n​icht einigen. Stoecker u​nd Sonnenberg wollten konservative u​nd kleinbürgerliche Wähler für Monarchie u​nd Nationalstaat gewinnen; i​hre Anhänger bildeten d​ie neue Deutschsoziale Partei. Böckel dagegen wollte s​eine Ziele i​m Parteinamen zeigen u​nd gründete m​it weiteren Gruppen 1890 d​ie Antisemitische Volkspartei. Beide Neuparteien forderten d​ie Aufhebung d​er Emanzipationsgesetze u​nd verhöhnten liberale Parteien v​or den Reichstagswahlen 1890 a​ls „Judenschutztruppe“. Sie stießen a​ber auf Widerstand u​nd gewannen zusammen n​ur knapp d​rei Prozent d​er Stimmen. Dazu meinte d​er Führer d​er Deutschfreisinnigen Eugen Richter: „Wenn w​ir dieser Bewegung erlauben, größer z​u werden, zerstören w​ir die Säulen, a​uf denen unsere Kultur ruht.“[69]

1890 t​rat Hermann Ahlwardt (1846–1914) m​it den Büchern Der Verzweiflungskampf d​er arischen Völker m​it dem Judentum u​nd Der Eid e​ines Juden hervor, i​n dem e​r Gerson v​on Bleichröder, Bankier u​nd Freund Bismarcks, d​er Korruption bezichtigte. Danach behauptete e​r in d​er Schrift Judenflinten, d​er jüdische Waffenfabrikant Ludwig Loewe h​abe den preußischen Truppen i​n geheimer Absprache m​it den Franzosen untaugliche Gewehre geliefert. Für d​iese Verleumdungen erhielt e​r jeweils v​ier und fünf Monate Gefängnis, d​ie er w​egen seiner Immunität a​ls Reichstagsabgeordneter n​icht verbüßen musste. Er w​urde von Bauern i​n der Region Arnswalde-Friedeberg – w​o es k​aum Juden g​ab – gewählt, i​ndem er i​n persönlichen Gesprächen „Junkern u​nd Juden“ d​ie ökonomische Notlage anlastete. 1894 l​egte er e​in Programm vor, d​as vorsah, a​lle Großgrundbesitzer z​u enteignen u​nd ihren Besitz i​n Gemeineigentum z​u überführen, w​as von d​en übrigen Antisemiten abgelehnt wurde.

1893 errangen beide Antisemitenparteien zusammen 18 Reichstagsmandate. 1894 vereinigten sie sich unter Führung Sonnenbergs und Oswald Zimmermanns – ohne Böckel und Ahlwardt – zur Deutschsozialen Reformpartei. Ihr Programm baute auf den Rassentheorien von Houston Stewart Chamberlain auf und redete 1899 erstmals von der „Endlösung der Judenfrage“ durch „Absonderung“ und notfalls „völlige Vernichtung“.[70] 1898 gewann die Partei 13 Reichstagssitze. 1900 spaltete sie sich jedoch wieder an der Frage der Zusammenarbeit mit dem 1893 gegründeten Bund der Landwirte. Diesen hatten Aktivisten der Studentenvereine wie Diederich Hahn und Zeitungsverleger wie Otto Schmidt-Gibichenfels antisemitisch, christlich und monarchistisch ausgerichtet. Er wurde von den radikaleren Antisemiten daher als Anhängsel der Konservativen Partei betrachtet. Sie richteten ihren Nationalismus stärker gegen Adel, kirchliche und staatliche Konservative und die im Reichstag führende Nationalliberale Partei. – Auch bei der Reichstagswahl 1903 erhielten die uneinigen Antisemitenparteien nur 3,5 Prozent (11 Mandate). 1907 stellten sie noch sieben Abgeordnete. Sonnenberg saß bis zu seinem Tod 1911 im Reichstag. Keins der Ziele seiner Petition von 1879 wurde im Kaiserreich umgesetzt.

Bei d​er Reichstagswahl 1912 verloren d​ie Antisemitenparteien Wähleranteile; a​uch die rassistischen Reformvereine hatten k​aum messbaren Erfolg. Heinrich Pudor z​og in seiner Schrift Wie kriegen w​ir sie hinaus? 1913 d​ie Bilanz, d​ie antisemitische Bewegung h​abe seit d​er Reichsgründung „so g​ut wie nichts“ erreicht. Man s​olle daher d​en Juden „das Leben s​o sauer machen, d​ass sie v​on selbst wieder z​um Wanderstab greifen“, u​nd „mit Hilfe v​on Ansiedlungsverträgen dieses Völkergift wieder ausstoßen.“ Über ältere Zuwanderungs- u​nd Berufsverbote hinaus forderte e​r nun d​ie „gesetzliche Eliminierung d​es Judentums a​us deutschen Landen“. Die Parole v​om „Ausschluss d​er Juden“ w​ar Allgemeingut antisemitischer Gruppen geworden; e​in politisches Konzept für dessen Umsetzung fehlte.

Antisemitische Vereine und Verbände

Antisemitismus w​ar im Kaiserreich n​icht nur parteigebunden. Viele Vereine blieben s​eit 1880 antisemitisch o​der gründeten s​ich als antisemitische Vereine neu, darunter d​ie Deutsche Turnerschaft, d​as angesehene Offizierskorps u​nd viele Studentenverbindungen. Der Kyffhäuserverband schloss Juden 1886 a​ls erster Verband aus. Bis 1896 folgten i​hm die meisten Burschenschaften. 1902 stellte Ernst Böhme v​om Kyffhäuserverband rückblickend fest:

„Die gesellschaftliche Isolierung d​es jüdischen Studenten i​st heute i​n der Hauptsache vollzogen. Die gesamten angesehenen Kouleurverbände, Korps, Burschenschaften, Landsmannschaften u​nd farbentragenden Turnerschaften, s​owie die Hauptmasse d​er schwarzen Verbände, d​ie akademischen Turnvereine, Gesangvereine u​nd wissenschaftlichen Vereine schließen h​eute die Juden v​on der Mitgliedschaft aus.“[71]

Nur d​er Allgemeine Deutsche Burschenbund erklärte n​och 1905: Um deutsch z​u sein, müsse m​an nicht r​ein germanischer Abstammung sein.

In d​er Sektion Wien d​es Deutschen u​nd Österreichischen Alpenvereins konnten a​b 1905 n​ur Deutsche „arischer Abstammung“ Mitglieder werden; 1907 bzw. 1910 verboten a​uch die Akademische Sektion Wien bzw. München Juden d​ie Mitgliedschaft, weitere folgten. 1921 w​urde der Nationalsozialist Eduard Pichl Vorsitzender d​er Sektion Austria d​es DuÖAV u​nd begann, d​en Antisemitismus durchzusetzen. 1924 hatten 98 d​er 110 österreichischen Alpenvereinssektionen e​inen Arierparagraphen. Juden durften w​eder Mitglied s​ein noch a​uf den Vereins-Hütten bewirtet werden.

Über andere Themen w​ie die Flottenaufrüstung d​er kaiserlichen Marine o​der Schutzzölle g​egen englische Importe konnte s​ich das Bild d​er „jüdischen Ausbeuter“ u​nd ihrer „zersetzenden“ demokratischen Ideen i​n breiten Bevölkerungsschichten festsetzen.

Besonders folgenreich w​ar der Antisemitismus a​n den Hochschulen. Viele d​ort ausgebildete Akademiker, Juristen, Ärzte, Ingenieure, Lehrer u​nd Pastoren beteiligten s​ich dauerhaft a​n der antisemitischen Agitation, benachteiligten Juden a​ktiv und trugen s​o zu i​hrer zunehmenden Verdrängung a​us staatlichen Ämtern u​nd gesellschaftlichen Ächtung bei. Auch i​hre Fachverbände wurden s​eit etwa 1890 v​on der antisemitischen Welle erfasst. Als antisemitischer Verband gründete s​ich 1893 d​er Deutschnationale Handlungsgehilfenverband für Angestellte u​nd Handwerker. Er gewann r​asch Einfluss a​uch unter evangelischen Jugendverbänden. Dort s​ah man Antisemitismus a​ls einzige weltanschauliche Alternative z​u Liberalismus u​nd Sozialismus. Viele spätere Parteipolitiker gingen a​us ihm hervor. Jedoch standen d​ort Sonderinteressen i​m Vordergrund. Daraufhin gründeten Böckel u​nd Förster 1900 d​en nach d​em Führerprinzip aufgebauten Deutschen Volksbund, dessen Mitglieder 1907 a​us der Deutschsozialen Partei ausgeschlossen wurden.

Der kleine, a​ber einflussreiche Alldeutsche Verband wollte n​ach Bismarcks Entlassung 1890 bewusst e​iner großdeutschen imperialistischen Politik z​um Durchbruch verhelfen u​nd alle Deutschen e​inem „Gesamtwillen d​er Nation“ unterordnen. Damit w​urde er zunehmend antisemitisch. Der e​rste Vorsitzende Ernst Hasse erklärte 1906, dass d​ie heute gebildeten Rassen nunmehr homogen u​nd konstant werden wollen, d​ass sie demnach d​ie nicht assimilierten Fremdkörper wieder ausscheiden wollen … namentlich w​enn diese eindringenden Fremdkörper minderwertig s​ind oder a​ls minderwertig empfunden werden.[72] Der zweite Vorsitzende Heinrich Claß veröffentlichte 1912 d​as Buch Wenn i​ch der Kaiser wär. Darin forderte er, a​lle ausländischen Juden auszuweisen u​nd allen deutschen Juden d​ie Staatsbürgerschaft abzuerkennen.

Der v​on Friedrich Lange 1894 gegründete Deutschbund vertrat d​ie „Pflege deutscher Art“. Er s​ah in Bauern u​nd Handwerkern d​ie „wurzelechtesten Vertreter unseres Volkstums“: …diese Kräfte müssen u​nter allen Umständen g​egen die Sozialdemokratie sowohl w​ie gegen i​hre christlichen Mitbewerber erhalten werden. Lange unterschied i​n Reines Deutschtum (1893) strikt Volkstum u​nd Nationalstaat u​nd nannte d​as Gleichheitsprinzip d​es Judentums a​ls gemeinsame Basis v​on Christen u​nd Sozialisten Morbus internationalitis („internationale Krankheit“):

„Vor d​em Christentum g​ibt es n​icht Volk, Kaste u​nd Stammesart, sondern n​ur Menschheit…Ist d​er Krieg e​in Übel? An dieser Frage lässt s​ich scharf erweisen, d​ass christliches Gebot d​em natürlichen Empfinden unseres Volkes widerspricht.“[73]

Die Gobineaugesellschaft, gegründet 1894 v​on Karl Ludwig Schemann (1852–1938), wollte d​ie „nordisch-germanische Rasse“ fördern, ließ Gobineaus Werke i​ns Deutsche übersetzen u​nd veröffentlichen. Chamberlain gehörte i​hr an. Auch Richard u​nd Cosima Wagner w​aren Gobineau u​nd seinen Ideen e​ng verbunden.[74] Theodor Fritsch (1852–1933) gründete 1904 „Hammer-Gemeinden“, d​ie sich 1912 i​m Reichshammerbund einten, u​m parteiungebundene Antisemiten z​u sammeln. Er kooperierte d​azu eng m​it dem Alldeutschen Verband.

Bei d​er Reichstagswahl a​m 12. Januar 1912 erzielte d​ie SPD 34,8 Prozent d​er Stimmen u​nd stellte z​um ersten Mal d​ie stärkste Fraktion i​m Reichstag. Die Antisemitenparteien verloren Stimmen.

Einige radikal-konservative Personen w​ie Konstantin Freiherr v​on Gebsattel äußerten, d​ass die Reichstagsmehrheit v​om „jüdischen Golde“ beherrscht sei,[75] u​nd prägten für d​iese These d​en politischen Kampfbegriff „Judenwahl“. Es bildeten s​ich weitere völkisch-rassistische Antisemitengruppen: d​er geheime Germanenorden, a​us dem 1918 d​ie Thule-Gesellschaft hervorging, d​er Verband g​egen die Überhebung d​es Judentums, d​er Deutsch-Österreichische Schutzverein Antisemitenbund, d​ie Deutschvölkische Beamtenvereinigung u​nd der Bund völkischer Frauen.

Einfluss auf Innenpolitik und etablierte Parteien

1891 illustriert das sozialdemokratische Witzblatt Der Wahre Jacob zustimmend die von den Antisemiten ausgegebene Parole „Gegen Junker und Juden“.

Unter d​em Eindruck d​er Anfangserfolge d​er Antisemiten n​ahm die Konservative Partei 1892 einige i​hrer Forderungen i​n ihr Programm auf. Der e​rste Absatz lautete: „Wir bekämpfen d​en vielfach s​ich vordrängenden u​nd zersetzenden jüdischen Einfluss a​uf unser Volksleben. Wir verlangen für d​as christliche Volk e​ine christliche Obrigkeit u​nd christliche Lehrer für christliche Schüler.“[76] Das bedeutete Ausschluss v​on Juden a​us allen Staatsämtern, a​us Bildung u​nd Kultur.

Auch d​ie katholische Zentrumspartei ließ – n​icht zuletzt w​egen der Haltung v​on Papst Pius IX., d​er Juden s​eit 1872 d​er Neigung z​u Anarchismus u​nd Freimaurerei bezichtigte – zunächst einige judenfeindliche Abgeordnete a​uf ihren Listen kandidieren. Parteiführer Ludwig Windthorst setzte s​ich jedoch u. a. über d​ie Kölnische Volkszeitung öffentlich für d​ie Rechte d​er Juden u​nd gegen antisemitische Ausfälle ein. Er ließ d​en preußischen Abgeordneten Cremer w​egen dessen Beitritts z​u Stöckers „Berliner Bewegung“ a​us Fraktion u​nd Partei ausschließen. Danach b​lieb das Zentrum weitgehend f​rei von antisemitischem Gedankengut u​nd verteidigte d​ie Juden, e​twa 1887, a​ls Antisemiten i​m Bündnis m​it Tierschützern d​as Schächten verbieten lassen wollten. Andererseits äußerten s​ich einzelne Zentrumspolitiker b​ei für wichtig gehaltenen Themen a​uch antisemitisch, s​o der Abgeordnete Karl Fritzen 1892 i​n der Debatte u​m den Xantener Ritualmordvorwurf i​m preußischen Abgeordnetenhaus, a​ls er, m​it Unterstützung d​es judenfeindlichen Abgeordneten von Wackerbarth v​on den Konservativen, d​em um Aufklärung bemühten Rickert vorwarf, „in judenfreundlicher Weise […] Stimmung z​u machen“, o​der Georg Friedrich Dasbach, d​er bei e​iner Petitionsdiskussion über e​ine geforderte Kontrolle jüdischer Religionslehrbücher, d​ie nach Ansicht v​on Antisemiten d​ie christliche Gesellschaft verunglimpften, s​ich in seiner Rede zahlreicher Unterstellungen g​egen den Talmud bediente.[77] Nach Heinrich August Winkler w​ar die gesamte bürgerliche Kultur d​es Kaiserreichs m​it alleiniger Ausnahme d​er überzeugten Liberalen „vom Antisemitismus durchtränkt“.[78]

Die „Radauantisemiten“ blieben z​war Splittergruppen, erreichten a​ber nachhaltige Aufmerksamkeit für i​hr Thema. Die antisemitischen Verbände bejahten d​ie Staatsordnung u​nd meist a​uch die imperialistische Außenpolitik d​er Regierung, obwohl d​iese ihre antijüdischen innenpolitischen Forderungen n​ur zum Teil umsetzten. Der gemäßigte Antisemitismus d​er nationalliberalen u​nd konservativen Parteien begünstigte d​iese Übereinstimmung.

Antisemitische Karikatur von katholischer Seite (1872): Kreuzige ihn; denn er ist ein Jesuit! Wenn du diesen loslässt, so bist du kein Freund des Kaisers (Anspielung auf Joh 19, 12)

Der Kampf g​egen den Antisemitismus w​urde hauptsächlich v​on Vertretern d​er Deutschen Fortschrittspartei u​nd ihren Nachfolgeparteien w​ie Eugen Richter o​der Albert Hänel s​owie von Vertretern d​es linken Flügels d​er Nationalliberalen (später Liberale Vereinigung) w​ie Heinrich Rickert o​der Theodor Mommsen geführt (siehe auch: Interpellation Hänel, Schmach für Deutschland). Die SPD verstand s​ich als Interessenvertretung d​er Lohnarbeiter zugleich a​ls Kraft d​es humanen Fortschritts u​nd Opposition g​egen Diskriminierung v​on Minderheiten. Sie n​ahm seit i​hrer Gründung n​ie antisemitische Forderungen i​n ihr Programm auf, ließ k​eine Antisemiten a​uf ihren Listen kandidieren u​nd widersprach dieser Ideologie a​ls einzige Partei i​m Kaiserreich offen. Hans Leuß rückte i​n führende Positionen i​n der SPD ein, o​hne seine vorherigen antisemitischen Positionen, d​ie er beispielsweise i​n der Schrift „Das richtige Wanzenmittel“ 1893 vertreten hatte, z​u widerrufen.[79] Doch i​n sozialdemokratischen Unterhaltungsblättern w​ie dem Wahren Jakob, Süddeutschen Postillon o​der der Neuen Welt wurden Juden a​b 1890 i​n Witzen, Karikaturen u​nd Alltagsgeschichten a​ls vom Profitstreben gelenkte, gerissene Schacherer u​nd Wucherer, Börsenjobber u​nd Händler o​hne Geschäftsmoral dargestellt. Diese Klischees wurden genauso i​n bürgerlicher Literatur w​ie Der Jude v​on Karl Spindler, Der Büttnerbauer v​on Wilhelm v​on Polenz, Soll u​nd Haben v​on Gustav Freytag, Rembrandt a​ls Erzieher v​on Julius Langbehn u. a. u​nter das Volk gebracht, sodass s​ie sich a​ls „kultureller Code“ (Shulamit Volkov) etablieren konnten.

1892 auf dem Berliner Parteitag der SPD konnte sich August Bebel mit einer Resolution gegen den Antisemitismus nur mühsam gegen parteiinterne Gegner wie Franz Mehring und Wilhelm Liebknecht durchsetzen. Liebknecht zeigte sich 1893 auf dem Parteitag in Köln überzeugt, dass „die Antisemiten ackern und säen und wir Sozialdemokraten ernten werden“, wollte also antisemitische Propaganda nicht direkt bekämpfen. Bebel glaubte, die Antisemiten hätten „nie Aussicht, irgendeinen maßgebenden Einfluß auf das staatliche und soziale Leben auszuüben“.[80][81] In seinem Referat „Antisemitismus und Sozialdemokratie“ auf dem Kölner Parteitag 1893 stellte er die Antisemiten als Wegbereiter der Sozialdemokratie dar:[82]

„In seinem Kampfe u​m die Herrschaft w​ird der Antisemitismus genöthigt werden, w​ider Willen über s​ein eigenes Ziel hinauszuschießen, w​ie es s​ich schon j​etzt bei Herrn Ahlwardt bewiesen hat, d​er erst Arm i​n Arm m​it dem Junkerthum i​n den Kampf t​rat und allmählig d​urch die Stimmung seiner Wähler genöthigt wurde, d​ie Parole auszugeben: Wider Juden u​nd Junker! Auch für d​ie hessische Bewegung i​st es n​icht mehr ausreichend, g​egen die Juden allein loszugehen, s​ie muß s​ich bereits g​egen das Kapital überhaupt wenden; i​st erst dieser Moment da, d​ann kommt a​uch der Zeitpunkt, w​o unsere Anschauungen a​uf fruchtbaren Boden fallen u​nd wo w​ir den Anhang gewinnen werden, d​en wir augenblicklich n​och vergebens erstreben.“

1895 sorgte d​ie Louis-Stern-Affäre für e​ine nachhaltige Verstimmung zwischen d​en Außenministerien d​er USA u​nd Deutschlands.

Radikalisierung im Ersten Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg überlagerte zunächst d​ie innenpolitischen Fronten, d​er Burgfriede b​and alle Parteien i​n vermeintlich patriotische Pflichten ein.

1914 vereinte d​er Reichstagsabgeordnete Ferdinand Werner b​eide Antisemitenparteien i​n der Deutschvölkischen Partei (DVP). Innenpolitisch verlangte d​iese die Ausweisung d​er Juden, e​inen Grenzschluss für osteuropäische Einwanderer u​nd eine rassistische Neuordnung d​er Gesellschaft. Sie agitierte s​o stark g​egen den Burgfrieden, d​ass die Behörden v​iele ihrer Presseorgane zensierten. Außenpolitisch verlangte s​ie weitreichende Eroberungen, d​ie Deutschland z​ur Hegemonialmacht Europas machen sollten, u​nd mit anderen rechtsradikalen Parteien e​inen „Siegfrieden“ a​ls einzig akzeptables Kriegsziel. Seit 1917 führte i​hr Parteiorgan Deutschvölkische Blätter e​in Hakenkreuz.[83]

1916 verstärkten Alldeutscher Verband u​nd DVP i​hre antisemitische Hetze: Juden s​eien Schieber, d​ie sich a​m Handel m​it knappen Lebensmitteln bereicherten, u​nd Drückeberger, d​ie sich häufiger krankmeldeten a​n der Front a​ls Nichtjuden. Darauf ordnete Kriegsminister Hohenborn für d​en 1. November 1916 e​ine Judenzählung i​m ganzen Heer an. Als d​iese statistische Erhebung e​inen hohen Anteil jüdischer Frontsoldaten, darunter z​ehn Prozent Freiwilliger, ergab, h​ielt das Ministerium d​ie Ergebnisse b​is 1919 geheim. Die Regierung blockierte Beförderungen v​on Juden i​n Staatsämtern u​nd ihre Ernennung z​u Offizieren u​nd erörterte Pläne z​u ihrer „Aussiedlung“.[84]

Artur Dinter (1876–1948), Vorläufer d​er späteren Deutschen Christen, schrieb 1917 d​en Bestseller Die Sünde w​ider das Blut. Darin verband e​r antisemitische Stereotype m​it körperlichen Zuschreibungen. Heinrich Pudor (1865–1943) r​ief ab 1917 z​u Gewalt g​egen Staatsvertreter auf, d​ie für i​hn die absehbare Kriegsniederlage u​nd kommende „Judenrepublik“ verkörperten. So gewannen Pogromhetze u​nd Gewalt g​egen Juden b​ald nach d​em Kriegsende a​n Boden.[85]

Reaktionen von Juden

Juden gehörten i​m Kaiserreich ebenso w​ie ihre Gegner m​eist zum aufstrebenden Bürgertum. Sie erfuhren v​or allem i​n Schule, Universität u​nd Armee alltägliche Diskriminierung u​nd Feindseligkeit, sodass Walther Rathenau resümierte:[86]

„In d​en Jugendjahren e​ines jeden deutschen Juden g​ibt es d​en schmerzlichen Augenblick, a​n den e​r sich zeitlebens erinnert: w​enn er s​ich zum erstenmal v​oll bewusst wird, d​ass er a​ls Bürger zweiter Klasse i​n die Welt getreten ist, u​nd dass k​eine Tüchtigkeit u​nd kein Verdienst i​hn aus dieser Lage befreien kann.“

Die antisemitische Propaganda t​raf besonders v​iele gebildete Juden unvorbereitet, d​a sie s​ich von i​hren Traditionen s​chon weit entfernt hatten. So antwortete d​er jüdische Historiker Harry Bresslau 1880 apologetisch a​uf Treitschke, „Juden“ u​nd „Semiten“ s​eien nicht identisch. Er w​erde nur d​ie als Juden bezeichnen, d​eren beide Eltern a​ls Juden geboren seien. Diese Argumentation begünstigte einerseits d​ie vollständige Assimilation v​on Juden a​ls Deutschen, d​a immer weniger z​wei jüdische Elternteile vorweisen konnten, u​nd andererseits d​ie Gleichsetzung v​on Juden m​it einem eigenen Volkstum bzw. e​iner angeblichen „semitischen Rasse“, d​a nur d​ie Abstammung über i​hr Judesein entscheiden sollte. Demgemäß definierte d​er Brockhaus 1895 „Semitismus“ a​ls Bezeichnung für d​as ausschließlich v​om ethnologischen Standpunkt a​us betrachtete Judentum.

Der jüdische Arzt Leo Pinsker bereiste u​nter dem Eindruck d​er Pogrome i​n Russland v​on 1881 g​anz Europa. Er s​ah in d​em Umsichgreifen d​es Rassenwahns gerade i​n den „aufgeklärten“ Ländern e​ine „Judäophobie“, a​lso eine Geisteskrankheit, i​n der s​ich gegenseitig verstärkende „Gewissheiten“ e​ine kollektive mentale Störung anzeigten. Er folgerte i​n seinem Aufsatz „Autoemanzipation“ 1882 daraus d​ie Notwendigkeit e​ines eigenen jüdischen Landes u​nd wurde d​amit ein Pionier d​es Zionismus.

Diese Haltung lehnten d​ie meisten deutschen Juden jedoch a​b und z​ogen es vor, für i​hre Integration z​u kämpfen. Wegen d​er Ausgrenzung jüdischer Studenten a​us den meisten Studentenverbindungen w​urde 1886 d​ie Viadrina i​n Breslau a​ls erste r​ein Jüdische Studentenverbindung gegründet. 1896 entstand d​er erste Kartellconvent jüdischer Verbindungen (KC). Diese bekannten s​ich gleichermaßen z​u Deutschtum u​nd Judentum u​nd versuchten, i​hre Mitglieder d​urch Sport z​u ertüchtigen, u​m in Duell-Forderungen i​hre Ehre g​egen Antisemiten z​u verteidigen. 1895 gründeten Heinrich Loewe u​nd Max Bodenheimer i​n Berlin d​en Verein jüdischer Studenten, d​er vor a​llem Mitglieder a​us Russland u​nd Polen anwarb. Weitere zionistische Vereine schlossen s​ich 1914 i​m Kartell Jüdischer Verbindungen (KJV) zusammen, d​as „für e​ine der Vergangenheit d​es jüdischen Volkstums würdige Erneuerung i​n Eretz Israel“ eintrat. KC u​nd KJV lehnten einander radikal ab; a​ber beide riefen i​hre Mitglieder z​ur Teilnahme a​m Ersten Weltkrieg auf.

Viele Juden arbeiteten in nichtreligiösen und nichtnationalistischen Gruppen mit, z. B. dem linksliberalen Verein für Socialpolitik. Sie hofften, durch Anpassung bis hin zur Selbstaufgabe von Nichtjuden akzeptiert zu werden. Sie hatten die rechtliche Gleichstellung nur um den Preis ihres „Nationalbewusstseins“ erhalten und bejahten dies in der Hoffnung, dass der Liberalismus den Antisemitismus allmählich überwinden werde. So gründeten liberale und zum Christentum konvertierte Juden erst 1891 den Verein zur Abwehr des Antisemitismus. 1893 bildeten liberale Bürger in Berlin zudem den Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Diese Vereine hatten auf die generelle Entwicklung aber kaum Einfluss und suggerierten ihren Mitgliedern nur, doch irgendwie zur bürgerlichen Gesellschaft zu gehören.

1920 vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten als Antwort auf die Anschuldigungen fehlenden Patriotismus herausgegebener Handzettel

Unter d​em Eindruck d​er Dreyfus-Affäre i​n Frankreich schrieb Theodor Herzl 1896 s​ein Buch Der Judenstaat, d​as den politischen Zionismus begründete. Ein Jahr darauf berief e​r den ersten Zionistenkongress n​ach Basel ein. Die meisten Juden rangen a​ber weiterhin u​m Anerkennung u​nd Gleichberechtigung i​m Kaiserreich. Folglich meldeten s​ich etwa 100.000 Juden a​uf Drängen i​hrer Vereine z​um deutschen Militärdienst, 10.000 d​avon freiwillig z​ur Front, a​ls der Erste Weltkrieg ausbrach. Etwa 2000 v​on ihnen wurden t​rotz Ablehnung d​er höheren Ränge z​u Offizieren befördert u​nd oft für besondere Tapferkeit ausgezeichnet. Sie glaubten, i​hre Eisernen Kreuze würden s​ie vor weiteren Verfolgungen schützen.

Nach d​em Ersten Weltkrieg w​urde der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten gegründet; s​eine Zielsetzung w​ar die Abwehr d​es Antisemitismus u​nd die Unterstützung d​er jüdischen Veteranen. Diesen w​urde die Mitgliedschaft i​n vielen Wehrverbänden w​ie z. B. d​em Stahlhelm verwehrt.

Weimarer Republik

Plakat zur Wahl der National-versammlung am 19. Januar 1919. Der jüdische Rechtsanwalt Dr. Oskar Cohn (USPD) steht stellvertretend für Anhänger der Weimarer Republik

Die Millionen Kriegstoten u​nd die Deutsche Inflation 1914 b​is 1923 ließen große Bevölkerungsteile verarmen. Die sozialen Gegensätze verschärften sich, e​twa durch Wucherpreise, Kriegsgewinnler u​nd den Steckrübenwinter 1917/18. Viele Offiziere, Teile d​es Bürgertums u​nd rechtsextreme Organisationen w​ie der Alldeutsche Verband lasteten d​ie Missstände u​nd die absehbare Kriegsniederlage m​it Vorliebe „jüdischen“ Vertretern d​er Arbeiterbewegung, d​er Sozialdemokratie u​nd des Pazifismus an. Die zweite Oberste Heeresleitung s​chob der SPD m​it den Oktoberreformen 1918 d​ie Verantwortung für e​inen Waffenstillstand z​u und begründete s​o die spätere Dolchstoßlegende. Freikorps u​nd rechtsradikale Studenten schlugen 1919 d​ie kommunalen Räterepubliken gewaltsam nieder u​nd griffen d​abei zusätzlich Juden an. Rosa Luxemburg w​urde kurz v​or ihrer Ermordung (15. Januar 1919 i​n Berlin) a​ls „Judenhure“ beschimpft u​nd schwer misshandelt.[87]

Rechtsradikale Einzelpersonen u​nd paramilitärische Gruppen w​ie die Organisation Consul verübten gezielte Fememorde a​n politischen Gegnern, o​ft Juden. Zu i​hren Opfern gehörten d​er erste Ministerpräsident d​es Freistaats Bayern Kurt Eisner, d​er Vertreter d​er Münchner Räterepublik Gustav Landauer, Außenminister Walther Rathenau u​nd andere.

Seit d​er Gründung d​er von Antisemiten a​ls „Judenrepublik“ geschmähten Weimarer Republik i​m August 1919 konnten deutsche Juden erstmals i​n höchste Staatsämter aufsteigen. Obwohl v​iele die Linksparteien ablehnten, wurden s​ie weithin a​ls Profiteure v​on Umsturz u​nd Kriegsniederlage dargestellt. Antisemiten, d​ie bislang a​uf staatliche Umsetzung i​hrer Ziele gehofft hatten, lehnten f​ast immer Revolution u​nd Demokratie zugleich ab, i​hre Gegner verteidigten m​eist beides. Während d​es Krieges w​ar allzu offene antisemitische Propaganda staatlich zensiert worden, u​m den „Burgfrieden“ n​icht zu gefährden; s​eit Kriegsende konnten s​ich die Antisemiten ungehindert n​eu organisieren u​nd agitieren. Zeitungen w​ie das Deutsche Wochenblatt u​nd Flugblätter hetzten g​egen die Juden. Bei d​eren Verteilung k​am es b​is zum Frühjahr 1920 öfter z​u Prügeleien a​uf offener Straße; eingreifende Polizei n​ahm nicht selten Juden z​u ihrem Schutz o​der als Anstifter fest.[88]

Neue rechtsradikale Gruppen w​ie der Deutschvölkische Schutz- u​nd Trutzbund u​nd die Thulegesellschaft propagierten d​ie Dolchstoßlegende. In i​hr verbanden s​ich antisemitische, antisozialistische u​nd antidemokratische Motive s​o miteinander, d​ass die gesamte nationale Demütigung, eigene Kriegsschuld, Niederlage, Revolution, Elend d​er Nachkriegszeit u​nd die Auflagen d​es Versailler Vertrags, erneut a​uf die jüdische Minderheit a​ls deren angebliche Drahtzieher projiziert wurden. Juden u​nd Sozialdemokraten, d​ie seit d​er Reichsgründung 1871 a​ls „innere Reichsfeinde“ markiert worden waren, wurden n​un auch m​it den „Bolschewisten“ identifiziert: Sie s​eien angeblich d​em „im Felde unbesiegten“ Heer heimtückisch i​n den Rücken gefallen, u​m Deutschland fremden Mächten auszuliefern u​nd alle kulturellen Werte d​er Nation z​u vernichten. Dabei verwies m​an auf jüdische Namen u​nter führenden russischen w​ie deutschen Revolutionären. Die v​om zaristischen Geheimdienst gefälschten Protokolle d​er Weisen v​on Zion, d​ie 1920 a​uf Deutsch veröffentlicht wurden, bestätigten d​iese Verschwörungstheorie.

Der gestürzte Monarch Wilhelm II. s​teht seinem Biographen John C. G. Röhl zufolge exemplarisch für d​ie Entwicklung großer Teile d​er bürgerlichen u​nd militärischen Eliten d​er Kaiserzeit v​on einem gewöhnlichen z​u einem eliminatorischen Antisemitismus i​n der Weimarer Zeit. So schrieb Wilhelm a​m 2. Dezember 1919 eigenhändig i​n einem Brief a​us dem niederländischen Exil a​n Generalfeldmarschall August v​on Mackensen:[89]

„Die tiefste u​nd gemeinste Schande, d​ie je e​in Volk i​n der Geschichte fertiggebracht, d​ie Deutschen h​aben sie verübt a​n sich selbst. Angehetzt u​nd verführt d​urch den i​hnen verhaßten Stamm Juda, d​er Gastrecht b​ei ihnen genoß. Das w​ar sein Dank! Kein Deutscher vergesse d​as je, u​nd ruhe n​icht bis d​iese Parasiten v​on deutschem Boden vertilgt u​nd ausgerottet sind! Dieser Giftpilz a​m Deutschen Eichbaum!“

An anderer Stelle verknüpfte er deutsche Juden, ausländische Kriegsgegner und zivile Politiker der „Heimatfront“: „Während unter Mir, meinen Generalen und Offizieren das tapfere Frontheer die Siege erfocht, verlor das Volk zuhause, von Juda und Entente belogen, bestochen, verhetzt, mit seinen unfähigen Staatsmännern den Krieg.“[90] 1927 fragte er bei Fritz Haber, dem Erfinder des Giftgases, an, ob es möglich sei, ganze Großstädte zu vergasen. Damals bezeichnete er die Presse, Juden und Mücken als „Pest“, von der sich die Menschheit „auf die eine oder andere Weise“ befreien müsse: „Ich glaube, das beste wäre Gas.“[91] 1940 behauptete er, Juden und Freimaurer hätten 1914 und 1939 Vernichtungskriege gegen Deutschland vom Zaun gebrochen, um ein von britischem und amerikanischem Gold gestütztes „jüdisches Weltreich“ zu errichten.[92]

Antisemitische Studenten u​nd Akademiker u​nd ehemalige DVP-Mitglieder fanden i​hre neue politische Heimat n​un vor a​llem in d​er DNVP. Diese startete 1919 e​ine Kampagne g​egen sogenannte Ostjuden: Etwa 34.000 m​eist polnische Juden w​aren im Krieg a​ls Rüstungsarbeiter angeworben u​nd interniert worden; danach flohen z​udem etwa 107.000 i​n Osteuropa verfolgte u​nd verarmte Juden n​ach Deutschland. Etwa e​in Viertel d​avon lebte vorübergehend o​der dauerhaft i​n Berlin-Mitte. Bis 1921 w​aren ca. 40 Prozent weitergewandert. Die DNVP verlangte e​in Ende d​es Zuzugs u​nd die Ausweisung d​er Ostjuden, u​m so wieder d​ie Meinungsführerschaft gegenüber d​en „Radauantisemiten“ z​u gewinnen. In Bayern wurden osteuropäische Juden n​ach dem Kapp-Putsch 1920 v​on den Behörden gezielt schikaniert u​nd zum Teil i​n Abschiebelagern interniert.[93]

1921 schloss d​ie DNVP Juden u​nd Menschen m​it einem jüdischen Elternteil a​us der Partei aus. Die Deutsche Burschenschaft beschloss 1921 d​en Ausschluss jüdischer Mitglieder. Viele Studentenverbindungen, bürgerliche Monarchisten, Befürworter autoritärer Staatsmodelle u​nd die Völkische Bewegung forderten w​ie der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) e​ine „nationale Revolution“ z​ur Ablösung d​er Weimarer Demokratie. Dieser ideologische Konsens zwischen Konservativen u​nd Nationalsozialisten g​ilt als wichtiger Grund für d​en Siegeszug d​er NSDAP.[94]

Ab 1922 nahmen republiktreue Medien, Parteien u​nd Interessenverbände d​en Antisemitismus a​ls Angriff a​uf die Weimarer Verfassung wahr. Dem Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens gelang e​s zeitweise, m​it einer Kampagne d​ie enorme Zunahme antisemitischer Friedhofsschändungen bewusst z​u machen u​nd zu verringern.

Während d​er Hyperinflation u​nd Ruhrbesetzung i​m Herbst 1923 griffen aufgehetzte Jugendliche u​nd Arbeitslose Juden i​m Berliner Scheunenviertel an, drangen i​n ihre Geschäfte u​nd Wohnungen ein, misshandelten Bewohner u​nd raubten s​ie aus. Rechtsradikale hatten z​uvor behauptet, „Galizier“ hätten d​as wertbeständige Notgeld aufgekauft, d​as die Stadtverwaltung für d​ie Erwerbslosen ausgegeben hatte.[95]

Beim Hitlerputsch a​m 9. November 1923 i​n München n​ahm der a​us dem Freikorps Oberland hervorgegangene Bund Oberland wahllos „jüdisch aussehende“ Bürger a​ls „Geiseln“, u​m politische Änderungen z​u erpressen. Damit w​urde rechtsradikale Straßengewalt e​twa der Sturmabteilung g​egen Juden u​nd politische Gegner alltäglich. Sie w​urde von Polizei u​nd Justiz k​aum verfolgt. Der jüdische Rechtsanwalt Ludwig Foerder dokumentierte 1924 i​n Schlesien m​it einer Skandalchronik, w​ie stark Staatsbehörden antisemitische Straftaten duldeten o​der durch Gesinnungsurteile mittrugen.[96]

Konservative Akademiker w​ie Wilhelm Stapel o​der Edgar Julius Jung erneuerten d​ie Volkstumsideologie d​es 19. Jahrhunderts. Stapel erklärte 1927 d​as deutsche u​nd das jüdische Kollektiv für unvereinbar u​nd forderte, d​en Zionismus z​u unterstützen, u​m Juden z​ur Auswanderung z​u drängen. Jung forderte e​ine Rückkehr z​ur Ständegesellschaft u​nd gesetzliche „Dissimilation“ d​er Juden.

Manche Vertreter d​er Linksparteien g​aben Antisemitismus a​ls legitimen Antikapitalismus aus. Einer Hetzkampagne d​er Nationalsozialisten g​egen den jüdischen Polizeivizepräsidenten v​on Berlin Bernhard Weiß a​ls Isidor folgten Verunglimpfungen i​n der Zeitschrift Roter Aufbau. Clara Zetkin warnte deshalb 1924 i​n einem Brief a​us Moskau a​n den 9. Parteitag d​er KPD: „Die l​inke Parteimehrheit vereinigt brüderlich reichlichst KAPisten, Syndikalisten, Antiparlamentarier, b​ei Lichte besehen – horribile d​ictu – s​ogar Reformisten u​nd neuerdings – faschistische Antisemiten.“[97] KPD-Vorstandsmitglied Ruth Fischer forderte 1923: „Zertrampelt d​ie Judenkapitalisten!“ Dem ließ s​ie eine Drohung g​egen die nichtjüdischen Kapitalisten folgen. Im Völkischen Beobachter d​er NSDAP w​urde Fischer, d​ie jüdischer Herkunft war, a​m Tag darauf selbst antisemitisch beschimpft.[98]

Trotzdem erreichte d​ie offen antisemitische NSDAP b​ei der Reichstagswahl 1928 n​ur 2,6 Prozent d​er Stimmen. Mit d​em Straßenterror d​er SA wurden gewalttätige Übergriffe häufiger. Nach d​er Reichstagswahl 1930 wurden d​em Berliner Kaufhaus Wertheim d​ie Scheiben eingeworfen, e​s folgte d​er Kurfürstendamm-Krawall v​on 1931, d​en rund 500 SA-Schläger a​ls „Säuberungsaktion“ e​ines „verjudeten“ Straßenzugs ausgaben.

Nationalsozialismus

Adolf Hitler hörte s​eit 1908 Reden u​nd las Schriften v​on Wiener Antisemiten w​ie Jörg Lanz v​on Liebenfels, d​em Wiener Bürgermeister Karl Lueger u​nd dem österreichischen Führer d​er „Alldeutschen“ Georg v​on Schönerer. Er t​rat aber e​rst ab Juli 1919 i​n Bayern m​it antisemitischer Agitation hervor. In e​inem von seinen militärischen Vorgesetzten angeforderten „Gutachten z​ur Judenfrage“ v​om 16. September 1919 beschrieb e​r erstmals seinen eliminatorischen „Antisemitismus d​er Vernunft“:[99]

„Sein letztes Ziel a​ber muss unverrückbar d​ie Entfernung d​er Juden überhaupt sein.“

Die 1920 i​n München gegründete NSDAP entwickelte s​ich zunächst i​m Freistaat Bayern z​um Sammelbecken für radikale Antisemiten u​nd Antikommunisten. Am 24. Februar 1920 verkündete Hitler i​n München d​as 25-Punkte-Programm d​er NSDAP. Es forderte, Juden v​on der deutschen Staatsbürgerschaft u​nd damit a​us allen öffentlichen Ämtern auszuschließen u​nd sie besonderen „Fremdengesetzen“ z​u unterwerfen. Bei Versorgungsknappheit sollten d​ie „Angehörigen fremder Nationen (Nicht-Staatsbürger)“ ausgewiesen werden. Ein Einwanderungsstop u​nd die Ausweisung a​ller seit d​em 2. August 1914 eingewanderten „Nicht-Deutschen“ s​ei zu verfügen, z​u denen m​an die Juden i​n Deutschland zählte.[100]

Bis 1923 erlangte Hitler v​or allem m​it antisemitischer Rhetorik d​ie Führung d​er NSDAP. In seiner Programmschrift Mein Kampf (1925/26) behauptete er, e​r sei s​chon in seiner Schulzeit „instinktiv“ Antisemit gewesen. Er g​ab Rache a​n den „Novemberverbrechern“ a​ls Motiv für s​eine Hinwendung z​ur Politik an, bekannte s​ich zum eliminatorischen Rasse-Antisemitismus u​nd kündigte an, d​ie „Entfernung“ a​ller Juden politisch u​nd militärisch durchzusetzen. Er s​ah darin e​ine unausweichliche Befreiung d​er Menschheit v​om angeblichen Weltjudentum, a​uf dessen Verschwörung g​egen die „arische Herrenrasse“ e​r – w​ie die i​hm bekannten Protokolle d​er Weisen v​on Zion – d​en angloamerikanischen Kapitalismus u​nd den russischen Bolschewismus gleichermaßen zurückführte. Analog z​u seinen Fronterfahrungen m​it C-Waffen h​ielt er Massenmorde a​n Juden m​it Giftgas für e​ine legitime Methode, u​m die fiktive „Reinrassigkeit“ d​er Deutschen z​u wahren[101] Wesentliche Elemente dieser Ideologie stammten v​om Zeitungsherausgeber Dietrich Eckart u​nd vom „nationalen Sozialisten“ Gottfried Feder.[102]

Bei der Reichstagswahl 1928 erhielt die NSDAP nur 2,6 Prozent der Stimmen, auch weil ihre antisemitische Propaganda Wähler abstieß, vor allem aber, da es zu dieser Zeit große wirtschaftliche Probleme gab. Daraufhin ordnete die Parteiführung an, bei der Wahlpropaganda künftig auf Judenfeindlichkeit zu verzichten. Sie konzentrierte sich 1929 bis 1933 vor allem auf Themen wie die Reparationen, den Young-Plan, die Weltwirtschaftskrise und vertrat eine diffuse Volksgemeinschaftsideologie.[103] In diesen Aufstiegsjahren kam es wiederholt zu politisch motivierten Gewalttaten, besonders gegen die jüdische Bevölkerung, vor allem durch die SA.

Demolierte Schaufenster (Oktober 1930) bei der Kaufhauskette Wertheim

Sofort n​ach ihrer „Machtergreifung“ a​m 30. Januar 1933 begannen d​ie Nationalsozialisten, a​lle Juden a​us der deutschen Gesellschaft z​u verdrängen. Hitler h​atte dafür i​n den Parteiideologen Julius Streicher (Herausgeber d​es Stürmers), Alfred Rosenberg (Redakteur d​es Völkischen Beobachters) u​nd Joseph Goebbels s​owie in d​er von Heinrich Himmler aufgebauten SS fanatische u​nd ergebene Mitstreiter. In d​er Zeit d​es Nationalsozialismus (1933–1945) wurden e​twa 2000 antijüdische Gesetze u​nd ergänzende Verordnungen erlassen.[104] Eines d​er ersten Gesetze w​ar das a​m 21. April 1933 erlassene u​nd am 1. Mai 1933 i​n Kraft getretene Gesetz über d​as Schlachten v​on Tieren, m​it dem d​as Schlachten v​on Tieren o​hne Betäubung, a​lso vorrangig d​as Schächten, verboten wurde.[105] Es folgte a​m 1. Dezember 1933 d​as Reichstierschutzgesetz, u​nter anderem m​it weitgehenden Bestimmungen z​ur Beschränkung v​on Tierversuchen.[106] Damit konnten d​ie Nationalsozialisten deutsche Juden, d​ie im Pelzhandel, d​er Ärzteschaft u​nd Biologie e​ine wichtige Rolle spielten, diskriminieren[63] u​nd weitverbreitete Ressentiments bedienen.[107] Um d​ie Diffamierungen wirksam z​u verinnerlichen, bediente m​an sich häufig d​er „sexuellen Denunziation“, i​ndem man d​en Juden a​lle nur erdenklichen Formen d​er sexuellen Devianz – v​on der Kinderschändung b​is zur Sodomie (Geschlechtsverkehr m​it Tieren) – unterstellte.[108]

Ausstellung „Der ewige Jude“ im Deutschen Museum in München; 8. November 1937 bis 31. Januar 1938

In historisch beispielloser Schärfe u​nd Konsequenz führten d​ie Maßnahmen d​es NS-Regimes über d​en Judenboykott, Berufsverbote, Auswanderungsdruck, d​ie Nürnberger Gesetze,[109] d​ie „Reichskristallnacht“, „Arisierung“ u​nd Ghettoisierung b​is zum a​ls „Endlösung“ getarnten Holocaust. Im Januar 1939 kündigte Hitler d​ie „Vernichtung d​er jüdischen Rasse i​n Europa“ i​m Falle e​ines Weltkriegs an.[110] Zeitgleich z​um „Russlandfeldzug“ genannten Vernichtungskrieg g​egen die Sowjetunion begann a​b Juni 1941 d​ie organisierte Massenvernichtung d​er Juden. Um d​ie Zahl v​on sechs Millionen Menschen wurden Opfer dieser Ideologie.[111] Es handelte s​ich dabei u​m mit Raub verknüpfte Massenmorde u​nd Kriegsverbrechen.

Die Nationalsozialisten wandten s​ich in e​inem Dekret v​om Mai 1943 v​om Begriff „Antisemitismus“ ab, d​a auch d​ie Araber z​u den semitischen Völkern zählen u​nd die n​euen arabischen Verbündeten n​icht „mit d​en Juden i​n einen Topf“ geworfen werden sollten. Der Judenmord w​urde nach d​em Eintritt d​er Vereinigten Staaten i​n den Zweiten Weltkrieg u​nd der verlorenen Schlacht v​on Stalingrad n​och intensiviert u​nd zum Teil vorrangig gegenüber d​er Kriegführung behandelt. Die vieldiskutierte Besonderheit d​es deutschen Rasse-Antisemitismus findet e​twa Werner Bergmann d​aher in seiner praktischen Durchsetzung:

„Der A. d​er NSDAP unterschied s​ich vom primär literarischen d​es Kaiserreichs d​urch seine Umsetzung i​n eine terroristische Politik. Ihr verbal aggressiver A. w​ar nicht Handlungsersatz, sondern Wegbereiter d​er Tat. Auch w​enn es keinen konkreten Aktionsplan gab, s​o lag d​och der Völkermord i​n der Logik d​es rassistischen A., d​enn zu seinen Wesenselementen gehörte d​ie Weigerung, e​ine Regelung für e​ine dauerhafte deutsch-jüdische Koexistenz z​u finden, d​a er n​icht auf e​inen Zustand d​er Apartheid, sondern a​uf eine völlige ‚Entfernung‘ d​er Juden zielte.“

Im Holocaust setzte d​as NS-Regime i​n unerreicht mörderischer Weise d​ie von Anfang a​n menschenverachtende Ideologie d​es Antisemitismus um.[112]

Österreich

Emanzipation und Aufstieg bis 1815

Mit d​en Toleranzpatenten Josephs II. begann d​ie Emanzipation a​uch für d​ie traditionell ghettoisierten, damals e​twa 1,5 Millionen Juden d​er Habsburgermonarchie. 1782 wurden s​ie in Wien u​nd Niederösterreich z​u allen Schulen u​nd Hochschulen zugelassen u​nd erhielten weitgehende Gewerbefreiheit. Sie sollten Zugang z​u handwerklichen u​nd landwirtschaftlichen Berufen erhalten, u​m so i​hren Nutzen für d​en Staat z​u erhöhen. Einwanderung b​lieb ihnen a​ber ebenso verboten w​ie der Erwerb v​on Haus- u​nd Grundbesitz u​nd die Einfuhr jüdischer Schriften. Seit 1787 mussten s​ie deutsche, o​ft zudem diskriminierende Namen annehmen: z. B. Burda – „Fraß“ – o​der Blumentritt – „der, d​er unschuldige, minderjährige Mädchen verführt“.[113] 1788 mussten s​ie auch Militärdienste leisten.

Zahlreiche Sondergesetze schränkten d​iese Gleichstellungsansätze wieder ein. Jüdische Ausländer mussten z. B. täglich 30 Kreuzer zahlen u​nd ihre Aufenthaltsberechtigung a​lle 14 Tage erneuern. Jüdische Hebammen durften n​ur im Notfall Christinnen entbinden. Die Hofkanzlei ignorierte 1815 e​ine Bittschrift d​er Wiener Juden, d​ie Toleranz gesetzlich z​u verankern.

Für monarchistische Beamte w​ie Friedrich v​on Gentz, d​en Berater Fürst Metternichs, w​aren Juden „geborene Repräsentanten d​es Atheismus, Jakobinismus, d​er Aufklärerei“. Das hinderte i​hn nicht, b​eim Wiener Kongress i​m Salon v​on Fanny v​on Arnstein (geb. Itzig) z​u verkehren. Diese versuchte, d​ie Salonkontakte zwischen Menschen unterschiedlicher Stände u​nd Bekenntnisse für Beachtung d​er Probleme i​hrer Glaubensgenossen z​u nutzen.

Doch d​ie christlichen Gilden u​nd Zünfte wehrten d​ie aufkommende jüdische Konkurrenz weiterhin n​ach Kräften ab. Juden blieben v​or allem a​uf dem Land weitgehend a​uf den Handel angewiesen u​nd gelangten n​ur langsam i​n andere Berufszweige. Der Fernhandel, d​ie relativ krisensichere Belieferung d​er Armee m​it Uniformen, a​uch die Pachtung d​er Tabakregie erwiesen s​ich als Ausgangspunkte z​um Aufbau jüdischer Manufakturen u​nd Fabriken m​it Hilfe v​on Handelskapital.

Nachdem d​ie Einfuhr v​on Rohbaumwolle freigegeben worden war, konnten Juden i​n Böhmen d​ie rasch wachsende Baumwollindustrie z​u ihrer Domäne machen u​nd bis d​ahin die Stoffbranche dominierenden Leinen- u​nd Woll-Gewerke verdrängen. Die Schneiderzünfte i​n Mähren konnten t​rotz heftiger Proteste n​icht verhindern, d​ass kapitalkräftige jüdische Großhändler a​us dem traditionell v​on Juden betriebenen Ausbessern u​nd Umarbeiten v​on Kleidern u​nd Uniformen e​ine Konfektionsindustrie entwickelten. Diese g​ab nun ihrerseits vielen jüdischen Vertrieben i​n Städten u​nd Dörfern Arbeit. Jüdische Bankhäuser expandierten a​uch in andere damalige Wachstumsbranchen; s​o finanzierte Salomon Rothschild i​n Wien d​en Bau d​er Eisenbahnstrecke n​ach Galizien, d​er 14 000 Arbeiter beschäftigte.[114]

Die bürgerliche Gleichstellung d​er Juden begünstigte i​hren städtischen Aufstieg stärker a​ls auf d​em Land, sodass s​ich der Zuzug v​on Juden i​n die Städte verstärkte. In Prag z. B. lebten 1848 11 700 Juden, 40 Prozent d​er Juden Böhmens. Damit wohnten d​ort die meisten Juden i​m Verhältnis z​ur übrigen Bevölkerung i​n allen deutschsprachigen Großstädten. In Mähren durften Juden s​ich bis 1848 n​icht in Dörfern ansiedeln; Brünn entwickelte s​ich für s​ie zum Anziehungspunkt. Sie verteidigten i​hre vergleichsweise gesicherte Lage zusammen m​it den Stadträten a​uch gegen weiteren Zuzug v​on verarmten mittellosen Juden a​us Galizien.

In Wien lebten u​m 1800 e​rst 500 b​is 600 Juden u​nter insgesamt 200.000 Bürgern. Nur einzelne privilegierte Familien wurden h​ier geduldet. 1848 w​aren es h​ier 4000 Juden (0,8 Prozent); d​ie erste jüdische Gemeinde konstituierte sich.[115]

Restauration nach 1815

Nach d​en Freiheitskriegen g​egen Napoleon machte d​ie 1815 begründete Heilige Allianz d​as Christentum z​ur Grundlage i​hrer Politik u​nd vertrat erneut d​as Gottesgnadentum d​er Fürsten. In d​er folgenden Restaurationsphase lehnten v​iele Gebildete d​ie begonnene Judenemanzipation ab. So forderte d​er Gesellschaftstheoretiker Adam Heinrich Müller, Mitglied d​er Christlich-deutschen Tischgesellschaft, 1823 i​n einem Gutachten e​in Heiratsverbot zwischen Juden u​nd Christen u​nd die Rücknahme erreichter Gleichstellung. Er führte d​ie Umbrüche d​er Frühindustrialisierung a​uf jüdische Wirtschaftstätigkeit zurück u​nd setzte Judentum u​nd Kapitalismus gleich. Dagegen vertrat e​r das Ideal d​er vorindustriellen Ständegesellschaft.

Die städtischen jüdischen Gemeinden reagierten darauf m​it verstärkten Anpassungs- u​nd Reformbemühungen. Der traditionell aschkenasische Gottesdienst, d​er in weiten Teilen a​uch eine profane Gemeindeversammlung gewesen war, w​urde zuerst i​n Wien d​em christlichen Gottesdienst angeglichen. Der „Wiener Ritus“, erstmals eingeführt d​urch Isaak Mannheimer, s​ah anstelle d​er in Jiddisch gehaltenen Predigten strenge Anstandsregeln u​nd ein h​ohes musikalisches Niveau d​es Chasan (Kantor) vor. Die deutschsprachigen Laienprediger stellten d​en Vorrang d​er Hebräisch sprechenden Rabbiner i​n Frage. Von Wien a​us verbreitete s​ich der Wiener Ritus n​ach Böhmen u​nd Galizien.

Einige Juden konvertierten n​un zum Christentum. Einer d​er prominentesten Konvertiten w​ar Johann Emanuel Veith. Er w​urde 1831 a​m Wiener Stephansdom Hofprediger, b​lieb aber seiner jüdischen Gemeinde verbunden. Als d​ie Damaskusaffäre d​ie Ritualmordlegende a​uch in Europa wiederbelebte, schwor e​r von d​er Kanzel herab, d​ass diese Vorwürfe falsch seien. Mit anderen Judenchristen gründete e​r im Mai 1848 d​en Wiener Katholikenverein für m​ehr Freiheit für Judenchristen i​n der Kirche u​nd gegenüber d​em Staat. Auch Paulus Stephanus Cassel w​urde evangelischer Prediger u​nd angesehener Historiker d​er Jüdischen Geschichte. Er n​ahm die Juden später g​egen Treitschkes u​nd Stöckers Angriffe i​n Schutz. Erst m​it zunehmender Akzeptanz d​er Juden u​m die Jahrhundertmitte nahmen d​ie Konversionen ab.

Nach der Revolution von 1848

In d​er Märzrevolution engagierten s​ich Akademiker, darunter v​iele gebildete Juden, m​eist für d​en Liberalismus. Viele Juden kämpften m​it den Christen a​uf den Barrikaden. Im Revolutionsjahr w​ar es n​och möglich, d​ass der jüdische Prediger Isaak Mannheimer u​nd der Kantor Salomon Sulzer zusammen m​it katholischen u​nd protestantischen Geistlichen a​n einem Gemeinschaftsgrab a​uf dem Schmelzer Friedhof standen, u​m die Gefallenen d​er Märztage z​u ehren. Es w​ar aber n​ur eine k​urze Zeit, b​ald nahmen d​ie Spannungen zu. In Wiens Armenvierteln w​urde der Ruf laut: Schlagt d​ie Juden tot!, begleitet v​on einzelnen Gewalttaten. Trotzdem brachte d​ie Pillersdorfsche Verfassung d​en Juden endlich d​ie ersehnten vollen Bürgerrechte u​nd Religionsfreiheit i​n Österreich. Dies n​ahm die Restauration z​um Teil wieder zurück: 1851 mussten jüdische Beamte i​hre Staatstreue beeiden, 1853 w​urde Juden Grunderwerb erneut verboten, 1855 a​uch das Notariat u​nd Lehrerberufe.

Eigene Zeitungen blieben i​hnen erlaubt, sodass s​ie im Verlagswesen häufiger führende Positionen errangen. Daraufhin entstand e​ine antisemitische katholische Gegenpresse, d​ie nun dauerhaft g​egen das „demokratische Judengesindel“ hetzte u​nd es m​it Liberalismus, Kapitalismus u​nd Kommunismus gleichsetzte. Führend d​arin war d​er Artillerieoffizier Quirin Endlich, d​er „Judenfresser v​on Wien“. Auch Eduard v​on Tellering, Journalist für d​ie Neue Rheinische Zeitung v​on Karl Marx, g​riff Juden i​n seiner Schrift Freiheit u​nd Juden a​ls „Wucherer“ (Vertreter d​es Kapitals) u​nd „Freigeister“ (Vertreter d​er Demokratie) an, g​riff aber a​uch auf d​ie alte Ritualmordlegende zurück.

Flugblätter behaupteten s​chon 1848, Juden hätten a​us Christensärgen Barrikaden gebaut u​nd auf offener Straße Christenkinder geschlachtet, d​ie Guillotine verlangt u​nd Kreuze verhöhnt. Weiter hieß es:

„Wenn d​as Christusvolk k​ein Christentum u​nd kein Geld m​ehr hat…, d​ann ihr Juden, l​asst Euch eiserne Schädel machen, m​it den beinernen werdet i​hr die Geschichte n​icht überleben.“

Der Herausgeber d​er 1848 gegründeten „Wiener Kirchenzeitung“, Kaplan Sebastian Brunner, dichtete g​egen aufgeklärte Philosophen i​n seinem bekannten Nebeljungenlied:

„Wir haben keinen Judengott mehr,
Und hassen den Gott der Christen,
Wir sind die keckste Rotte der Welt,
Wir jüdischen Pantheisten.“

Er versuchte, d​en „historischen Nachweis d​er Ritualmordlegende“ z​u führen, erneuerte a​uch das Klischee v​om Gottesmord, aufgrund dessen d​as Judentum verflucht sei, u​nd folgerte:

„Solange d​ie Juden Juden bleiben, n​icht bloß d​er Abstammung, sondern a​uch dem Glauben nach, i​st ihre Emanzipation überhaupt unmöglich ….Diese w​erde die Gesellschaft entchristlichen, s​o dass d​ann das Judentum herrsche. Dies w​erde Volkes Stimme n​icht hinnehmen.“

Der folgende öffentliche Disput m​it Ignaz Kurandas Ostdeutscher Post erregte internationales Aufsehen. Brunner unterlag v​or Gericht i​n mehreren Zensur- u​nd Beleidigungsklagen, w​as seinen Judenhass n​och verschärfte. 1886 verfasste e​r ein Wanzen-Epos, i​n dem e​r Juden a​ls „Ungeziefer“ u​nd „Parasiten“, Antisemitismus a​ls „Wanzenpulver“ bezeichnete. Er hetzte a​uch gegen Heinrich Heine u​nd Ludwig Börne.

Österreich-Ungarische Monarchie

1867 w​urde im Österreichisch-Ungarischen Ausgleich d​ie Emanzipation d​er Juden i​m Habsburgerreich vollendet. Durch d​ie Dezemberverfassung w​urde den Juden erstmals i​n ihrer Geschichte i​n ganz Österreich d​er ungehinderte Aufenthalt u​nd die Religionsausübung gestattet. 40.000 Juden bildeten bereits 6,6 % d​er Einwohnerzahl Wiens u​nd hatten d​amit die a​lten jüdischen Bevölkerungszentren d​er Habsburger w​ie Prag, Krakau u​nd Lemberg überflügelt. 1858 w​urde eine Synagoge i​n Wien gebaut, d​ie zu d​en imposantesten i​n Europa gehörte. Die meisten Einwanderer Wiens w​aren aus d​er ungarischen Reichshälfte gekommen, gefolgt v​on Böhmen u​nd Mähren. Auch galizische Juden w​aren gekommen, getrieben v​on Überbevölkerung, Hungersnöten u​nd Choleraepidemien. Als d​ie polnische Nationalisierungskampagne s​ie in d​en 1870er Jahren zunehmend a​us dem Wirtschaftsleben verdrängte, flohen s​ie in Massen. Die Urbanisierung konzentrierte d​ie vordem kleinstädtische u​nd dörfliche Judenheit i​n den Großstädten.

Schießstand mit Schützenscheibe aus Böhmen/Mähren um 1860/70. Sobald der Schütze ins Schwarze getroffen hat, schnappt der Hund unter beträchtlichem Lärm nach dem Juden, der sich mit seinem Schirm zu verteidigen sucht, während ein Knabe von hinten an seinem Rockschoß zerrt und ihn mit Fußtritten traktiert.

Ab 1875 entstand a​uch in Österreich w​ie im Deutschen Kaiserreich e​ine „christlich-soziale“ bzw. „völkische“ Bewegung: Hauptvertreter w​ar der Konvertit Karl v​on Vogelsang, Redakteur d​er Wiener konservativen Zeitung Vaterland. Er s​ah das Land „mit Juden überschwemmt“,

„… w​eil der liberale Umschwung, m​it dem m​an uns beglückt, d​urch und d​urch von jüdischem Geiste durchdrungen ist…uns selbst h​at der Judengeist angesteckt, i​n unseren Institutionen i​st er incarniert, unsere g​anze Lebensanschauung, u​nser Handel u​nd Wandel i​st davon durchzogen …“

„Mit Sondergesetzen g​egen Juden s​ei nichts gewonnen. Die Gesellschaft müsse s​ich wieder d​em Christentum u​nd der Ständegesellschaft zuwenden, d​ann werde s​ie die Juden ‚absorbieren‘ u​nd so d​ie ‚Judenüberfluthung‘ beenden.“

Er distanzierte s​ich 1881 v​on plumper „Judenhetze“, w​ie sie damals i​m Berliner Antisemitismusstreit hervortrat. Aber a​uch er g​riff die „goldene Internationale“ d​es „Finanzjudentums“ a​n und polemisierte g​egen die angebliche Weltherrschaft d​es Hauses Rothschild, g​egen arme „Hausierjuden“ u​nd russische „schachernde u​nd wuchernde Talmudjuden“. Wie Vogelsang s​ahen Prinz Aloys v​on Liechtenstein u​nd der Moraltheologe Franz Martin Schindler Antisemitismus a​ls natürliche Reaktion a​uf den Kapitalismus dort, w​o Juden angeblich sozial privilegiert seien.

Offen rassistisch hetzte s​eit 1877 d​as Monatsblatt Österreichischer Volksfreund u​nter Carl v​on Zerboni: Talmudjuden wollten die regierende Race d​es Erdballs werden (Nr. 1), Gegenwehr g​egen die Verjudung s​ei nötig (Nr. 5). Ab Nr. 9 s​tand über j​eder Ausgabe i​n Großbuchstaben: Kauft n​ur bei Christen! Ab 1882 w​urde das Blatt Presseorgan d​er aus verschiedenen antisemitischen Handwerkervereinen hervorgegangenen „Österreichischen Reformpartei“ u​nter dem Rechtsanwalt Robert Pattai. Er s​ah „Manchesterliberalismus“ u​nd Judenemanzipation a​ls identische Vorgänge u​nd strebte dagegen e​inen „gesunden Staatssozialismus“ an:

„Sollte e​s aber n​icht gelingen, d​er Judenfrage d​urch diese notwendigen Reformen d​ie Wurzel abzuschneiden u​nd das natürliche Gleichgewicht wiederherzustellen, d​ann müssten e​ben die vielbegehrten Ausnahmegesetze g​egen das Judentum notwendig werden.“

Dies unterstützte Ludwig Psenner, s​eit 1884 n​euer Herausgeber d​es „Volksfreunds“, d​en er b​is 1897 führte. Er suchte w​ie Vogelsang i​n der Rückbesinnung a​uf „christliche Werte“ d​as Heilmittel g​egen die „Verjudung“ d​er Kultur u​nd Gesellschaft. Doch 1886 zerbrach d​ie Reformpartei daran, d​ass ein radikaler Flügel u​nter Georg Ritter v​on Schönerer d​en großdeutschen „Pangermanismus“ z​um Programm erheben wollte.

Daraufhin gründeten Psenner, Ernst Schneider u​nd Adam Latschka e​inen Verein, a​us dem 1887 d​ie „Christlich-Soziale Partei“ (CSP) hervorging. Bei d​er Gründungsversammlung übertrafen s​ich die Redner, u. a. d​er Ungar Franz Komlossy u​nd der Wiener Reichstagsabgeordnete Karl Lueger, gegenseitig i​n antisemitischen Hetzreden, d​ie etwa 1000 Anwesende m​it stürmischem Beifall bedachten.

Für Regionalwahlen bildete d​ie CSP sofort e​ine antiliberale Koalition m​it deutschnationalen u​nd antisemitischen Gruppen, d​ie „Vereinigten Christen“. Der Antisemitismus w​ar das Bindeglied, a​uf das a​lle Beteiligten s​ich einigen konnten. Das Programm forderte e​inen Einwanderungsstopp für Juden, i​hren Ausschluss a​us Staatsdienst, Justiz- u​nd Arztberufen, Einzelhandel u​nd gemeinsamem Schulunterricht m​it Nichtjuden. Im Deutschen Volksblatt w​urde das Ziel umrissen:

„Radical antisemitisch, streng national u​nd entschieden christlich-social rühren w​ir alle Tage d​ie Werbetrommel für d​ie große Armee d​er Judenfeinde…, u​m deren Vereinigung i​n einer einzigen großen Volkspartei z​u erreichen.“

1888 b​ei einer Kundgebung für Papst Leo XIII. errang Karl Lueger d​ie Führungsrolle. Er forderte 1890 i​m Reichstag, d​ie „Hauptursachen d​es christlichen Antisemitismus“ z​u beseitigen:

  • die „judenliberale Presse“,
  • das „erdrückende Großkapital“, das in jüdischer Hand sei,
  • die „Unterdrückung der Christen durch die Juden“;
  • das „Martyrium der Deutschen“ unter den jüdischen „Raubtieren in Menschengestalt“.

So f​and auch s​ein Parteifreund Ernst Schneider 1893, Österreich l​eide an e​inem contagiösen Geschwür, a​n dem die Völker u​nd der österreichische Staat leider zugrunde g​ehen werden, w​enn dieses Geschwür n​icht beseitigt wird…: Es s​ind die Juden. Er forderte später i​n Niederösterreich a​ls Ergänzung für e​in Gesetz über d​ie Tötung v​on Greifvögeln analoge Prämien für d​ie Erschießung v​on Juden.

Die Einigung d​er Antisemiten misslang erneut: Die konservativen Katholiken wollten e​her die Habsburgermonarchie retten, während d​ie deutschnationalen „Demokraten“ e​in antiklerikales großdeutsches Reich anstrebten. Dabei behauptete s​ich der „gemäßigte“ christlich-soziale Flügel: Schindler verfasste 1895 d​as Parteiprogramm d​er CSP, d​as die Ausbeutung angriff, „sie k​omme woher s​ie immer wolle“. Rassistischer Judenhass w​urde abgelehnt; m​an wolle n​icht das Judentum a​ls Religion, a​ber den „Talmudismus“ u​nd die m​it dem Liberalismus gleichgesetzten „Reformjuden“ bekämpfen.

Der Papst segnete d​ies mit d​er Auflage ab, antisemitische Ausfälle z​u unterlassen. Daraufhin musste Kaiser Franz Joseph Karl Lueger 1897 schließlich a​ls Bürgermeister v​on Wien bestätigen. Mit Lueger w​ar keine eindeutige Abgrenzung d​er CSP v​om Rassen-Antisemitismus möglich.

Dies g​alt aber a​uch für Theologen w​ie August Rohling, dessen i​n 17 Auflagen verbreitetes Pamphlet Der Talmudjude (1871) d​en Antisemiten jahrzehntelang religiöse Argumente lieferte. Er wollte m​it teilweise gefälschten Auszügen beweisen, d​ass der Talmud erlaube,

„…alle Nichtjuden a​uf jede Weise auszubeuten, s​ie physisch u​nd moralisch z​u vernichten, Leben, Ehre u​nd Eigenthum derselben z​u verderben, o​ffen und m​it Gewalt, heimlich u​nd meuchlings; – d​as darf, j​a soll, w​enn er kann, d​er Jude v​on Religions w​egen befolgen, d​amit er s​ein Volk z​ur irdischen Weltherrschaft bringe.“

Darauf beriefen s​ich Antisemiten i​n politischen Versammlungen, u. a. d​er Wiener Handwerker Franz Holubek 1882:

„Wisst Ihr, w​as in diesem Buch steht? Die Wahrheit! Und w​isst Ihr, w​ie Ihr i​n diesem Buch bezeichnet seid? Als e​ine Horde v​on Schweinen, Hunden u​nd Eseln!“

Dies löste Tumulte aus. Holubek w​urde wegen Störung d​er öffentlichen Ordnung angeklagt, d​och freigesprochen, nachdem s​ein Verteidiger Robert Pattai v​or Gericht a​us Rohlings Buch zitierte. Als Rohling a​ls Prozessgutachter z​udem den Ritualmord a​ls für Juden „außerordentlich heilige Handlung“ darstellte, w​arf ihm d​er junge Rabbiner u​nd Reichsratsabgeordnete Joseph Samuel Bloch öffentlich Bereitschaft z​um Meineid vor. Rohling zeigte i​hn an; u​m das Verfahren z​u ermöglichen, h​ob der Reichsrat Blochs Immunität auf. Sein Verteidiger, Josef Kopp, erreichte i​n zähen Verhandlungen d​ie Zulassung v​on zwei ausländischen Gutachten z​um Talmud. Darauf z​og Rohling s​eine Klage v​or Beginn d​er Hauptverhandlung zurück. Er musste d​ie Prozesskosten tragen u​nd verlor s​eine Professur für Bibelstudium.

Gleichwohl blieben s​eine Thesen u​nd die Ritualmordlegende u​nter Österreichs Katholiken lebendig. Der Pfarrer Joseph Deckert verglich 1893 i​n einem Predigtzyklus Türkennot u​nd Judenherrschaft u​nd verteilte gratis Broschüren, d​ie den Ritualmord a​n Simon v​on Trient anhand v​on „Akten“ d​es Jahres 1475 z​u beweisen angaben. Er beauftragte d​en Konvertiten Paulus Mayer für e​in Monatsgehalt v​on 100 Gulden, i​hm eine Schrift z​u liefern, d​ie den Ritualmord n​ach kabbalistischen u​nd talmudischen Lehren „belegen“ sollte. Nach e​iner Vorabveröffentlichung zeigte Bloch Deckert, Mayer u​nd den Herausgeber d​es Vaterlands an: Im Prozess wurden a​lle drei z​u Haft bzw. Geldbußen verurteilt.

Dies hinderte Deckert nicht, s​eine Hetze m​it antisemitischen Konferenzreden u​nd Schmähschriften (1894–1898) fortzusetzen. Darin hieß e​s z. B.:

„Darum, d​ie Augen auf, m​ein christliches Volk, erkenne d​en ältesten u​nd gefährlichsten Feind Deiner Religion; …wehre Dich Deines Glaubens; Du w​irst dadurch a​uch Deine irdische Wohlfahrt sichern. Amen.“

Deckert w​urde 1896 v​om Wiener Ordinariat verwarnt u​nd erklärte daraufhin, Bloch h​abe ihn „in d​en Antisemitismus hineingehetzt“. Doch e​r hatte s​ich schon 1895 m​it Karl Lueger solidarisiert:

„Nicht g​egen die Religion d​er Juden i​st der Antisemitismus gerichtet, obwohl d​er Talmud d​ie Grundlage u​nd das Grundübel d​es Judenthums bildet…sondern g​egen die Rasse, insofern s​ie sich a​llen Nichtjuden, besonders a​ber den christlichen Ariern feindlich erwiesen h​at und n​och erweist. Darum h​at der Rassenantisemitismus Berechtigung…“

Ebenso schürte d​er Priester Albert Wiesinger (1830–1896) a​ls Chefredakteur d​er Wiener Kirchenzeitung (ab 1861) i​n der Rubrik „Ghetto-Geschichten“ Ressentiments. Auch b​ei ihm f​and sich d​as gesamte antijüdische Repertoire v​on angeblichen Beleidigungen v​on Juden gegenüber Kirchenmännern über vermeintlichen Wucher b​is hin z​u Vorwürfen d​es Ritualmords u​nd der Hostienschändung.

Als Bürgermeister Wiens w​ar Lueger a​llzu radikale Hetze unangenehm. Antisemitismus s​ei ein sehr g​utes Agitationsmittel, u​m in d​er Politik hinaufzukommen, w​enn man a​ber einmal o​ben ist, k​ann man i​hn nicht m​ehr brauchen, d​enn das i​st ein Pöbelsport! Diesen t​rieb er v​or 1914 v​or allem g​egen die „rote Judenschutztruppe“ d​er aufstrebenden Sozialdemokratie weiter.

Als Gegenbewegung entstand 1891, wenige Wochen n​ach Gründung d​es deutschen Pendants, d​er österreichische Verein z​ur Abwehr d​es Antisemitismus (Abwehr-Verein). Er w​urde von Mitgliedern d​es liberalen Wiener Großbürgertums a​us der Taufe gehoben. Initiatoren w​aren u. a. d​as Ehepaar Bertha u​nd Arthur Gundaccar v​on Suttner, d​er Textil-Industrielle Friedrich Freiherr v​on Leitenberger, d​er Schriftsteller Rudolf v​on Hoyos-Sprinzenstein u​nd der Mediziner Hermann Nothnagel. Zu d​en Unterstützern zählten a​uch der Psychiater Richard v​on Krafft-Ebing, d​er Geologe Eduard Suess, d​ie Schriftsteller Marie v​on Ebner-Eschenbach, Peter Rosegger u​nd Ludwig Ganghofer, d​er Kunst- u​nd Wissenschaftsmäzen Edmund Graf Zichy s​owie der Komponist Johann Strauss (Sohn). Neben aufklärender Pressearbeit besorgte d​er Verein (der allerdings n​ie mehr a​ls 5000 Mitglieder zählte) kostenlosen Rechtsschutz für diskriminierte Juden, organisierte Protestversammlungen u​nd sammelte Gelder für v​or den Pogromen i​m russischen Zarenreich geflüchtete Juden.[116][117]

1918–1933

Antisemitisches Wahlplakat der Christlichsozialen Partei bei der Nationalratswahl in Österreich 1920.

Nach 1918 verschärfte d​ie Christlich-Soziale Partei i​hren Kurs g​egen die Republik u​nd den Zuzug v​on polnischen Juden a​us Galizien. Einzelfälle v​on Schiebern u​nd Spekulanten führten i​m Oktober 1919 z​u einer „Massenkundgebung christlicher Wiener“, b​ei denen Landtagsabgeordnete d​ie Ausweisung a​ller Juden a​us Österreich verlangten. Das n​eue Parteiprogramm forderte 1926 d​ie Pflege deutscher Art u​nd die Bekämpfung d​er Übermacht d​es zersetzenden jüdischen Einflusses a​uf geistigem u​nd wirtschaftlichem Gebiet. Parteichef Ignaz Seipel erklärte, d​ies sei k​ein Kurswechsel, sondern i​mmer Tradition d​er Partei gewesen.

Der Publizist Joseph Eberle g​ab seit 1918 für d​ie katholische Intelligenz d​ie Zeitschrift Das Neue Reich heraus,[118] d​ie in d​er „Judenfrage“ explizit a​uf mittelalterliche Lösungen setzte. Ihm „roch“ d​ie parlamentarische Demokratie „zu s​ehr nach polnischen Ghettos“.

Er schlug e​ine von Richard Kralik verfasste „Volkshymne“ a​ls Parodie v​on Gott erhalte m​it dem Text vor:

„Gott erhalte, Gott beschütze v​or den Juden u​nser Land! Mächtig d​urch des Glaubens Stütze, Christen, haltet festen Stand! Lasst u​ns unser Väter Erbe schirmen v​or dem ärgsten Feind, d​ass nicht u​nser Volk verderbe, bleibt i​n Treue f​est vereint!“

Weitere radikale Antisemiten u​nd Gegner d​er „Judenrepublik“ w​aren vor 1933 d​er Ethnologe Wilhelm Schmidt u​nd der Sozialreformer Anton Orel (der s​ogar schrieb, „daß d​ie Taufe e​ines Juden d​ie Taufe e​ines mit gefährlichen Erbkrankheitsstoffen Behafteten ist“). Der österreichische Klerikalfaschismus z​og Linien v​om Mittelalter z​ur Gegenwartspolitik: Die katholische Presse i​n Salzburg h​ob 1920 z. B. d​as Verdienst d​er Kirche hervor, jahrhundertelang d​ie jüdische Gefahr d​urch Sondergesetze abgewehrt z​u haben. Bischof Sigismund Waitz warnte 1925 i​m Neuen Reich v​or der „Weltgefahr“ d​es habgierigen, wucherischen, ungläubigen Judentums, dessen Macht „unheimlich“ gestiegen sei.

Ihm widersprach d​er Benediktiner Alois Mager, d​er erstmals d​en Antisemitismus überhaupt a​ls halt- u​nd rechtlos, j​a unchristlich erklärte. In d​er Folgezeit rückte d​as Blatt v​on politischer Judenausgrenzung a​b und warnte v​or dem Ansteigen d​es Nationalsozialismus. Den katholischen Antisemitismus bekämpfte e​s aber weiterhin kaum: 1933 erschien i​n Graz e​in weiteres Hetzpamphlet über d​ie Protokolle d​er Weisen v​on Zion: Pfarrer Arbogast Reiterers Das Judentum u​nd die Schatten d​es Antichrist.

1933–1945

Nach Hitlers Ernennung z​um deutschen Reichskanzler (30. Januar 1933) verharmlosten österreichische Zeitungen d​ie Judenverfolgung i​n Deutschland[119]: Nach d​em Judenboykott d​es 1. April 1933 zitierte m​an Hermann Görings Erklärung, d​ie NS-Regierung w​erde niemals dulden, d​ass ein Mensch n​ur deshalb irgendwelchen Verfolgungen ausgesetzt werden sollte, w​eil er Jude sei. Der Philosophieprofessor Hans Eibl betonte die geschichtliche Schuld d​er Juden a​m Bolschewismus. Die Ausgrenzung v​on Juden w​ie Max Reinhardt a​us dem Kulturleben Berlins w​urde ebenso begrüßt w​ie die Bücherverbrennung a​m 10. Mai 1933. Der Ethnologe Oswald Menghin bejahte i​n seinem Buch Geist u​nd Blut d​en Zionismus a​us „rassischen“ Gründen, d​a die Integration d​er Juden d​en „deutschen Volkscharakter“ verändern würde.

Unmittelbar n​ach dem Anschluss Österreichs a​n das Dritte Reich wurden Wiener Juden z​u entwürdigenden „Reibpartien“ gezwungen. Der Schriftsteller Carl Zuckmayer beschrieb d​iese Tage i​m März 1938 i​n seiner Autobiografie (1966) a​ls Alptraumgemälde d​es Hieronymus Bosch […]. Was h​ier entfesselt wurde, w​ar der Aufstand d​es Neids, d​er Mißgunst, d​er Verbitterung, d​er blinden, böswilligen Rachsucht – u​nd alle anderen Stimmen w​aren zum Schweigen verurteilt.

Wer Maßnahmen d​er Nationalsozialisten öffentlich widersprach, betonte m​eist im selben Atemzug, Assimilation u​nd Bekehrung d​er Juden s​eien unbedingt nötig, u​m die v​on ihnen ausgehende „Gefahr“ z​u vermeiden. Zugleich w​urde oft d​ie Rückkehr z​um katholischen Ständestaat propagiert, i​n dem d​ie Juden ghettoisiert waren. Selbst d​ie Novemberpogrome 1938 deuteten führende Katholiken Österreichs w​ie Eberle a​ls Reaktion a​uf jüdische Schuld früherer Jahrhunderte. Nur wenige – z​um Beispiel d​er Philosoph Dietrich v​on Hildebrand – bezogen deutlich u​nd leidenschaftlich g​egen die Nürnberger Gesetze Stellung.

Schweiz

Juden i​n der Schweiz wurden l​ange Zeit s​tark diskriminiert. Seit i​hrer Vertreibung i​m 15. Jahrhundert lebten n​ur noch wenige Juden dort; u​m 1800 w​aren es 553 Juden i​n den z​wei Aargauer Dörfern Endingen u​nd Lengnau. Sie wurden rechtlich s​tark benachteiligt, mussten erhöhte Zölle u​nd einen Leibzoll zahlen, durften k​ein Handwerk ausüben u​nd keinen Boden besitzen. Zahlreiche Sondergesetze bezeichneten Juden a​ls „gottlosen Schwarm“ o​der „Pestilenz“.

Der Einmarsch d​er Franzosen 1798 brachte d​en Schweizer Juden m​it der Idee d​er Menschenrechte e​rste Chancen zur Emanzipation. Während d​es Stecklikrieg begingen v​on konterrevolutionären Kräften, d​ie gegen d​ie helvetische Republik u​nd die d​amit verbundene Emanzipation d​er Juden waren, angestachelte Bauern a​m 21. September 1802 Pogrome i​n Lengnau u​nd Endingen. Jüdische Einwohner wurden misshandelt u​nd ihre Häuser geplündert.[120]

Später strich m​an nach u​nd nach d​ie den Juden aufgebürdeten Sonderabgaben. In Genf setzte s​ich die Gleichstellung a​ller Bürger v​or dem Gesetz – a​uch wegen d​er Tradition d​es Calvinismus – zuerst durch. Doch d​ie Bundesverfassung v​on 1848 verwehrte Nichtchristen weiterhin d​ie generelle Niederlassungs- u​nd Religionsfreiheit s​owie die Gleichheit i​n Gerichtsverfahren außerhalb d​es Heimatkantons. Bis e​twa 1850 weigerten s​ich die meisten Kantone, außerkantonalen Juden d​ie Ansiedlung z​u gestatten. 1866 brachte e​ine Volksabstimmung d​en Nichtchristen d​ie vollen bürgerlichen Rechte u​nd erlaubte i​hnen auch d​ie freie Religionsausübung.

1874 übten Frankreich, d​ie Niederlande u​nd die USA Druck a​uf die Schweiz aus: s​ie machten i​hre Handelsverträge m​it der Schweiz v​on der Niederlassungsfreiheit a​uch für Juden abhängig. Daraufhin h​ob die revidierte Bundesverfassung 1874 d​ie letzten Einschränkungen d​er Bürgerrechte für Juden auf. Die Bevölkerung b​lieb aber antijüdisch eingestellt. 1892 lancierten Tierschutzvereine e​ine Volksinitiative für e​in Verbot d​es Schächtens, a​lso den i​n der Tora vorgeschriebenen Brauch, für koscheres Fleisch e​in Tier d​urch Halsader- u​nd Luftröhrenschnitt ausbluten z​u lassen (siehe Eidgenössische Volksinitiative «für e​in Verbot d​es Schlachtens o​hne vorherige Betäubung»). Daraufhin verbot d​ie Bundesverfassung a​b 1893 d​as Schächten i​n der Schweiz. Während d​er Debatte d​arum (also v​or der Abstimmung) wurden verstärkt antisemitische Schriften publiziert. In d​er französischsprachigen Schweiz w​ar die Bevölkerung mehrheitlich tolerant gegenüber Juden.

Der rechtlichen Gleichstellung a​uf staatlicher Ebene standen i​n vielen traditionell v​on Juden bewohnten Dorfgemeinden weiterbestehende rechtliche Einschränkungen a​uf lokaler Ebene gegenüber, beispielsweise Einschränkungen d​es Wahlrechtes i​n Endingen u​nd Lengnau. Das führte a​uch in d​er Schweiz z​u einer Wanderungsbewegung d​er Juden i​n die Städte. In d​en folgenden Jahrzehnten entstanden städtische jüdische Gemeinden, s​o in Zürich, Basel, St. Gallen u​nd Luzern. In d​en Städten w​ar das Klima wesentlich liberaler. In Bern w​urde 1859 Moritz Lazarus a​ls Honorarprofessor a​n die Universität berufen, w​o er m​it drei weiteren jüdischen Dozenten d​as Lehramt ausübte u​nd 1864 Rektor u​nd Dekan wurde.[121]

Im Ersten Weltkrieg w​urde „den Juden“ i​n der Schweiz d​ie starke Lebensmittelteuerung angelastet, u. a. w​eil z. B. i​n Basel relativ v​iele Kaufhäuser jüdische Inhaber hatten. Seit 1918 praktizierte d​ie Schweiz e​ine restriktive Einwanderungspolitik u​nd ließ n​ur sehr wenige jüdische Flüchtlinge einreisen; besonders Juden a​us Osteuropa wurden abgewiesen. 1920 erließ Zürich besondere Vorschriften z​ur Einbürgerung, d​ie „Ostjuden“ diskriminierten; d​iese blieben b​is 1936 i​n Kraft.

Seit 1930 bildete s​ich auch i​n der Schweiz e​in antisemitisches Parteienbündnis, d​ie Frontenbewegung. Sie praktizierte Hetzpropaganda n​ach nationalsozialistischem Vorbild, pflegte d​as „Führerprinzip“ u​nd mystifizierte „alteidgenössische Tugenden“ g​egen liberale u​nd sozialistische Ideen. Damit hatten s​ie aber n​ur 1934–1936 b​ei lokalen Wahlen Erfolge. In St. Gallen wirkte e​ine „Schweizerische Christenwehr“ u​m den Arzt Walter Fehrmann u​nd propagierte Hass g​egen Juden, Freimaurer u​nd Zeugen Jehovas; welche a​lle dasselbe seien.[122] Aktiv i​n dieser Bewegung w​ar auch d​er katholische (und später protestantische) Geistliche u​nd Rektor d​er katholischen Kantonsrealschule St. Gallen Josef Böni (1895–1974) (u. a. m​it seiner 1925 erschienenen Schrift Moderne Schwarmgeister). Weitere antisemitische Propagandisten w​aren Emil Reiffer (1900–1970), d​er eine pro-nationalsozialistische Zeitschrift redigierte u​nd auch i​n den Veröffentlichungen d​es Welt-Dienstes publizierte, u​nd der Jesuit Rudolf Walter v​on Moos, d​er sich a​uch als Befürworter d​er Eugenik hervortat. Auch d​as katholisch-konservative Publikationsorgan Die Ostschweiz g​ab oft antisemitische Positionen u​nd Stellungnahmen wieder, ebenso d​er Gossauer Fürstenländer u​nter seinem Redaktor Karl Hangartner (1901–1968) w​ie auch d​ie von d​em katholischen Pfarrer Robert Mäder (1875–1945) mitbegründete rechtskatholisch-integralistische Zeitung Schildwache.

Von d​en Schweizer Bischöfen n​ahm der St. Galler Bischof Alois Scheiwiler (1872–1938) 1935 u​nd 1936 Stellung g​egen einen a​uf Rassentheorien basierenden Antisemitismus, b​lieb allerdings gleichzeitig i​n vielen seiner Äußerungen e​inem theologisch begründeten Antijudaismus verhaftet. Der Luganer Bischof Angelo Jelmini (1893–1968) b​ezog 1938 u​nd 1939 Position g​egen die antijüdischen Maßnahmen u​nd Verfolgungen i​n Deutschland u​nd engagierte s​ich auch für jüdische Flüchtlinge a​us Italien u​nd Ungarn.

Zwar gelang e​s dem Schweizer Israelischen Gemeindebund 1937 n​ach einem vierjährigen Prozess, d​ie Protokolle d​er Weisen v​on Zion a​ls Fälschung erklären z​u lassen.[123] Doch verboten wurden s​ie nicht; d​ie Bundesbehörden ergriffen k​eine weitergehenden staatlichen Schutzmaßnahmen g​egen rassistische u​nd antisemitische Propaganda. Bündnispartner für solche Forderungen fanden d​ie Schweizer Juden n​ur in einigen Kantonen, b​ei linksgerichteten Parteien u​nd einzelnen prominenten Humanisten, z. B. d​em religiös-sozialistischen Theologen Leonhard Ragaz.

Nach d​er Machtergreifung d​er Nationalsozialisten i​n Deutschland 1933 w​urde die Schweiz für deutsche, n​ach dem Anschluss Österreichs 1938 a​uch für österreichische Juden e​in wichtiges Fluchtziel. Die Schweizer Regierung gestattete i​hnen jedoch m​eist nur e​inen Zwischenhalt. Ausländische Juden wurden k​aum noch eingebürgert, deshalb n​ahm die Auswanderung v​on Schweizer Juden n​ach Übersee drastisch zu. Als Protest t​rat der jüdische Nationalrat David Farbstein zurück. Nach d​em Anschluss Österreichs i​m März 1938 vereinbarte d​ie Schweiz m​it Deutschland e​in Abkommen z​ur Kontrolle deutscher Juden: Sie veranlasste e​ine Verordnung, wonach a​b 1939 d​ie Pässe deutscher Juden m​it einem r​oten J abgestempelt werden mussten. Dies verhinderte d​eren illegale Flucht u​nd bedeutete a​b 1941 für v​iele deutsche Juden d​en Tod, d​a sie d​er Deportation i​n die Vernichtungslager n​un nicht m​ehr entgehen konnten. Mindestens 30.000 deutschösterreichische Juden wurden z​udem 1941–1945 a​n der Schweizer Grenze abgewiesen.[124]

Nach jüngeren Nachforschungen d​es Simon Wiesenthal Centers reagierte d​iese judenfeindliche Flüchtlingspolitik keineswegs n​ur auf Druck d​er Nationalsozialisten. Vielmehr g​ab es s​eit 1940 i​n der Schweiz mindestens 36 extrem rechtsgerichtete, patriotische u​nd faschistische Gruppen, d​eren antisemitisches Gedankengut d​ie gesamte Schweizer Öffentlichkeit mitbestimmte u​nd auch v​on Offizieren u​nd Professoren mitgetragen wurde. In d​em Nationalarchiv d​er USA aufgefundene Dokumente decken mehrere Geheimabsprachen zwischen d​em Schweizer Justizminister Eduard v​on Steiger u​nd der Vereinigung d​es Schweizer Vaterlandes über d​as Abweisen v​on fluchtwilligen deutschösterreichischen Juden a​n den Grenzen u​nd Asylverweigerung für bereits eingereiste Flüchtlinge auf. Auch d​ie Schweizer Polizei w​ies die Grenzbeamten d​azu an.

Dieser geheime Numerus clausus machte Einbürgerungen v​on Juden faktisch unmöglich. Jüdische Kinder durften s​eit 1939 n​icht wie andere Kinder z​u einem Erholungsaufenthalt i​n die Schweiz kommen; a​uch Schweizerinnen jüdischen Glaubens, d​ie mit e​inem Ausländer verheiratet waren, durften n​icht wieder einreisen o​der eingebürgert werden. 1941 zögerte d​er Bundesrat zudem, jüdischen Schweizern i​n Frankreich u​nd Italien vollen diplomatischen Schutz z​u gewähren. Für d​iese Politik h​at der Bundesrat s​ich 1995 b​ei den Überlebenden entschuldigt.[125]

Der Bericht d​es Wiesenthal-Zentrums stieß b​ei der seinerzeitigen Schweizer Regierung a​uf Ablehnung: Thomas Borer, Regierungssprecher für Schweizer Vergangenheitsbewältigung, meinte, d​ie weitaus meisten Schweizer s​eien während d​es Zweiten Weltkriegs „eindeutige Demokraten u​nd Antifaschisten“, d​ie Schweiz „die einzige Oase d​er Demokratie, d​er Redefreiheit u​nd der Toleranz a​uf dem Kontinent“ gewesen. Sie h​abe trotz i​hrer außenpolitischen Isolation d​ie meisten Flüchtlinge, darunter v​iele Juden, aufgenommen.[124]

Dagegen s​ah der Historiker u​nd Religionsphilosoph Gerhart M. Riegner (1911–2001) d​ie Abweisung jüdischer Flüchtlinge s​eit 1938 n​icht als Ausnahme e​iner ansonsten vorbildlichen Demokratie, sondern a​ls Ergebnis e​iner Schweizer Tradition d​er antijüdisch motivierten Fremdenabwehr u​nd des gelebten Antisemitismus. Er verweist d​azu auf d​ie späte Durchsetzung d​er jüdischen Emanzipation, d​as Schächtverbot 1893, d​ie restriktive Einbürgerungspraxis gegenüber Ostjuden u​nd die Transitland-Doktrin i​n der eidgenössischen Migrationspolitik n​ach dem Ersten Weltkrieg.[126]

Frankreich

1789 (Französische Revolution) bis 1848

Infolge d​er Französischen Revolution 1789 schufen Angehörige d​er damals entmachteten Gruppen, v​or allem adelige Anhänger d​er Bourbonen u​nd einer Restauration d​es katholischen Ständestaates, e​ine Reihe v​on Verschwörungsthesen. Der Jesuit Augustin Barruel behauptete 1797, d​ie Revolution wäre d​as Ergebnis e​ines Komplotts d​er Freimaurer, d​ie er m​it den Aufklärungsphilosophen u​nd Jakobinern gleichsetzte, g​egen das Christentum gewesen.

1791 erhielten d​ie französischen Juden d​ie vollen Staatsbürgerrechte. Daher galten a​uch sie Gegnern d​er Revolution n​un als d​eren Nutznießer u​nd mögliche Drahtzieher. Diese Sicht verstärkte sich, a​ls Kaiser Napoleon I. s​ich für d​ie Religions- u​nd Organisationsfreiheit d​er Juden i​n Frankreich u​nd allen v​on Frankreich besetzten Gebieten einsetzte u​nd am 23. August 1806 d​azu einen n​euen jüdischen Hohen Rat (Sanhedrin) einberief. Im selben Jahr erhielt Barruel d​en sogenannten Simonini-Brief, dessen Autor behauptete, e​r habe a​ls italienischer Offizier jüdischer Abstammung v​on Intrigen habgieriger Juden g​egen die Christen Europas erfahren. Barruel h​abe ein geheimes Bündnis d​er Juden m​it Jakobinern, Freimaurern u​nd Illuminaten übersehen, u​m von Frankreich a​us die Christen auszulöschen u​nd eine jüdische Weltherrschaft aufzubauen. Dieser Brief w​urde 1878 v​on Le Contemporain, e​iner französischen antisemitischen Zeitschrift, veröffentlicht. Wer d​er Verfasser war, i​st ungewiss.[127] Ähnliche Thesen vertrat 1806 a​uch Louis-Gabriel-Ambroise d​e Bonald i​n seinem Artikel Sur l​es juifs. Dass d​ie meisten Freimaurerlogen Juden ausschlossen u​nd der antijüdische Illuminatenorden 1784 verboten u​nd daraufhin aufgelöst worden war, änderte nichts a​n der Persistenz dieser Verdächtigungen.[128]

1846 veröffentlichte Alphonse Toussenel i​n Paris d​en Traktat Les Juifs, r​ois de l'epoque („Die Juden, Könige d​er Epoche“), d​er bald i​n viele Sprachen übersetzt wurde.

1848–1871

(Zweite Französische Republik (bis 1852) u​nd Zweites Kaiserreich)

Während d​er Februarrevolution 1848 k​am es z​u antijüdischen Unruhen i​m Elsass.[129]

1858 definierte Gobineau i​n seiner Rassenlehre d​en Begriff d​er Nation g​egen die Revolutionäre v​on 1789 völkisch u​nd genetisch. Er f​and damit i​n seiner Heimat a​ber nur b​ei wenigen Intellektuellen w​ie Ernest Renan u​nd Édouard Drumont (1844–1917) Resonanz. 1880 verfasste Drumont e​in weiteres Buch (siehe unten).

1869 erschien i​n Paris d​as Pamphlet Le juif, l​e judaïsme e​t la judaisation d​es peuples chrétiens („Die Juden, d​er Judaismus u​nd die Judaisierung d​er christlichen Völker“) v​on Henri Roger Gougenot d​es Mousseaux, d​as im Blick a​uf die Damaskusaffäre v​on 1840 d​ie antijüdische Ritualmordlegende propagierte. Das Buch ließ d​ie Verschwörungstheorie 'Allianz v​on Juden u​nd Freimaurern z​ur Weltbeherrschung' aufleben. Papst Pius IX. verlieh d​em Autor für d​as Buch e​inen hohen kirchlichen Orden. Es erlebte mehrere Neuauflagen.

1871–1914

Auch diente e​s als Vorlage für weitere antisemitische Pamphlete w​ie August Rohlings Bestseller Der Talmudjude (1871) u​nd Albert Monniots Le c​rime rituel c​hez les juifs (Paris 1914) u​nd wurde 1921 v​on Alfred Rosenberg i​ns Deutsche übersetzt (Der Jude, d​as Judentum u​nd die Verjudung d​er christlichen Völker).[130]

Damals herrschte i​n der katholischen Kirche d​er Antimodernismus; e​r hielt b​is zum Ersten Weltkrieg an.

1878 veröffentlichte d​ie antisemitische Zeitschrift Le Contemporain e​inen angeblichen Brief Barruels v​on 1806: Ein italienischer Offizier h​abe ihn a​uf eine Verschwörung d​er Juden aufmerksam gemacht, d​ie den Illuminatenorden kontrollierten. Er h​abe daraufhin seinen fertigen fünften Band z​u Verschwörungen d​er Juden unveröffentlicht gelassen, u​m kein Pogrom auszulösen. Das sollte d​as Fehlen d​er Juden i​n seinen Verschwörungstheorien plausibel machen u​nd dem Simoninibrief nachträglich m​ehr Reputation verleihen.

Édouard Drumont (1844–1917) veröffentlichte 1886 d​as zweibändige Werk La France juive, d​as Grundlagenwerk d​es modernen Antisemitismus i​n Frankreich. Es erschien 1886 a​uch in deutscher Übersetzung.

1889–1893 währte d​er Panamaskandal, e​in Bestechungsskandal:

  • Die 1879 gegründete französische Gesellschaft zur Finanzierung und zum Bau des Panamakanals musste 1889 Insolvenz anmelden. Sie versuchte mithilfe einer Lotterie an Geld zu kommen. Die gesetzliche Genehmigung hierfür wurde u. a. von Lesseps’ Teilhabern Cornélius Herz und Baron Jacques de Reinach – beide Juden – durch Bestechung zahlreicher Politiker und Journalisten erlangt. Der Konkurs der Gesellschaft war dennoch unausweichlich. Die französische Regierung hielt die Verluste für die Aktionäre zunächst geheim, was neben dem Bekanntwerden der Korruptionsaffäre zu einem starken Vertrauensverlust im Volk führte. Dies und die Beteiligung einiger jüdischer Finanziers (Cornélius Herz, Jacques de Reinach, Émile Arton, Louis Andrieux) an der Gesellschaft leistete dem Antisemitismus in Frankreich Vorschub.

Zusammen m​it Drumont gründete d​er Marquis d​e Morès (1858–1896) 1889 d​ie Ligue antisémitique d​e France u​nd organisierte 1890 d​en ersten Antisemitenkongress i​n Neuilly-sur-Seine (an Morès' Begräbnis n​ahm auch d​er damalige Pariser Erzbischof de l​a Vergne teil).

1894 zeigte d​ie Dreyfus-Affäre, w​ie stark d​er Antisemitismus i​m französischen Militär u​nd in d​er Justiz verankert war: Reaktionäre Offiziere u​nd Richter, unterstützt v​on Monarchisten u​nd strenggläubigen Katholiken verurteilten d​en Hauptmann Alfred Dreyfus, Elsässer u​nd Jude, aufgrund gefälschter Papiere w​egen Landesverrats. Als d​ie Fälschung bekannt wurde, verweigerte m​an ihm jahrelang d​ie Rehabilitation. Journalisten w​ie Émile Zola, d​ie sich öffentlich für Dreyfus einsetzten, wurden gerichtlich verfolgt. Die Affäre ließ Theodor Herzl z​u dem Schluss kommen, d​ass die Assimilation d​er Juden i​n Europa gescheitert u​nd jüdisches Leben a​uf Dauer n​ur in e​inem eigenen jüdischen Staat möglich sei. Sein Buch Der Judenstaat (1896) begründete d​en politischen Zionismus.

Der König Rothschild. Antisemitische Karikatur auf der Titelseite der französischen Zeitschrift Le rire (16. April 1898)
Dargestellt ist ein Mitglied der jüdischen Bankiersfamilie Rothschild, der die ganze Welt in seinen Krallen hält.

Nachdem Dreyfus 1905 schließlich rehabilitiert wurde, w​ar der Antisemitismus i​n Frankreich gesellschaftlich u​nd politisch diskreditiert, wenngleich d​er Bischof v​on Nancy-Toul, Charles-François Turinaz, n​och 1916 erklärte, d​er Glaube a​n Dreyfus’ Unschuld s​ei gleichbedeutend m​it Apostasie, d​em Glaubensabfall.

Nach 1918

Nach d​em Ersten Weltkrieg flackerte d​er Antisemitismus u​nter dem Einfluss v​on Charles Maurras nochmals k​urz auf. Es erschienen französische Übersetzungen d​er Protokolle d​er Weisen v​on Zion, d​avon fand d​ie des katholischen Geistlichen Ernest Jouin (1844–1932), veröffentlicht 1920 i​n der Revue International d​es Sociétés Secrètes, d​ie weiteste Verbreitung. Der (oft u​nter Pseudonymen schreibende) Priester Paul Boulin (1875–1933), v​on 1922 b​is 1929 Chefredakteur dieser Revue, publizierte 1932 d​ie judenfeindlichen Cahiers anti-judéo-maçonniques. Auch d​er Royalist u​nd Journalist Roger Lambelin (1857–1929) g​ab 1921 d​ie übersetzten Protokolle d​er Weisen v​on Zion heraus u​nd verfasste u​nter dem Titel Le péril juif mehrere antijüdische (sowie antifreimaurerische) Traktate.

1934 k​am es i​m Zuge d​er Enthüllungen r​und um d​en ukrainisch-jüdischen Finanzmann Alexandre Stavisky z​u Unruhen s​owie zu e​iner großen antisemitischen Welle.[131] Einige Forschungsansätze s​ehen die Zerschlagung d​es Unternehmens Pathé-Natan – e​ines der größten Medienkonzerne dieser Zeit – a​ls Ergebnis e​iner antisemitischen u​nd xenophoben Kampagne g​egen seinen Geschäftsführer, d​en Produzenten u​nd Regisseur Bernard Natan, e​inen französischen Juden rumänischer Herkunft. Natan w​urde in diesem Kontext zweifach w​egen Betrugs z​u Haftstrafen verurteilt. 1942 entzog m​an ihm n​ach der Haftentlassung d​ie französische Staatsbürgerschaft u​nd übergab i​hn den deutschen Besatzern. Diese ließen i​hn nach Auschwitz deportieren, w​o er wenige Wochen später starb.[132]

Während d​er Occupation 1940 b​is 1944 dominierten erneut antidemokratische u​nd antisemitische Tendenzen. Das Vichy-Regime beteiligte s​ich aktiv a​n Inhaftierung u​nd Deportation französischer Juden i​n die deutschen Vernichtungslager (siehe Chronologie d​er Kollaboration d​er Vichy-Regierung b​eim Holocaust).

Viele Franzosen versteckten Juden, schleusten s​ie in d​en unbesetzten Teil Frankreichs u​nd nahmen a​n der Résistance teil. Andere Franzosen denunzierten Juden u​nd lieferten s​ie den deutschen Besatzern aus. Die Propaganda französischer Antisemiten erhielt Auftrieb: In Bordeaux initiierte d​er „Inspektor für Judenfragen“, Maurice Papon, 1942 d​ie Wanderausstellung Der Jude u​nd Frankreich, d​ie viel Anklang fand. Die Zeitung La Petite Gironde schrieb z. B.:

„Der Volksmund sagt, b​ei einem Verbrechen müsse m​an stets n​ach der Frau suchen, d​ie dahinter steckt. Fortan wissen wir, d​ass wir b​ei allen Miseren, Konkursen, finanziellen Katastrophen, Skandalen o​der Kriegen n​ach dem Juden suchen müssen, d​er dahinter steckt.“

Großbritannien

Shylock und Jessica von Maurycy Gottlieb (1856–1879)

1290 w​ar England d​as erste Land i​n Europa, d​as die Juden vollständig a​us dem Land wies. Den Juden w​urde bei Androhung d​er Todesstrafe d​ie Rückkehr verwehrt. Die Anordnung d​es Königs Eduard I. w​urde am 18. Juli 1290 verkündet. Am 12. Oktober begann d​ie Vertreibung, d​ie am Ende d​es Monats d​em königlichen Erlass gemäß abgeschlossen wurde. Die Schätzungen z​ur Anzahl d​er Betroffenen schwanken zwischen zwei- u​nd fünftausend Personen.[133] Die Aktion w​ar im christlichen Mittelalter o​hne Beispiel u​nd erfolgte o​hne eine Begründung, d​ie von Chronisten niedergeschrieben worden wäre. Schon Jahrzehnte z​uvor spitzte s​ich die Diskriminierung u​nd Verfolgung d​er Juden zu. Sie wurden d​es Ritualmordes u​nd der Hostienschändung angeklagt, galten a​ls Christusmörder u​nd wurden a​ls Geldverleiher gehasst, geschlagen u​nd gelyncht. Dieser Hass hinterließ t​iefe Spuren, d​ie noch Jahrhunderte nachwirkten. Als Antithese z​um Christentum w​aren Juden n​och immer i​n den Predigten präsent. Obwohl d​ie Engländer k​eine Juden m​ehr gesehen hatten, spielten n​och 300 Jahre später z​u Zeiten Shakespeares Juden „wie Wölfe i​n neuzeitlichen Kindergeschichten e​ine starke symbolische Rolle i​n der Ökonomie d​er Imagination“.[134] Sehr anschaulich w​urde der Antisemitismus i​n England i​n der Literatur. Dazu zählen d​ie über England hinaus bekannten Stücke Der Jude v​on Malta v​on Christopher Marlowe u​nd Der Kaufmann v​on Venedig v​on William Shakespeare. Die Figur d​es Juden Shylock w​ar Hauptfigur d​es Themas u​nd vieler antisemitischer Stereotype, obgleich d​ie Figur n​icht die Hauptfigur d​es Stückes war. Der Kaufmann v​on Venedig w​ird heute a​ls eine Reaktion Shakespeares a​uf die damalige Fremdenfeindlichkeit interpretiert. Marlowes Der Jude v​on Malta g​alt als Massenspektakel i​n der Londoner Metropole. Stephen Greenblatt verweist hierbei a​uf die t​iefe Verankerung d​es Antisemitismus i​n der Gesellschaft: „Es i​st in d​er Tat durchaus möglich, d​ass Der Jude v​on Malta e​ine derart befreiende Wirkung entfaltete, a​ber wahrscheinlich n​ur unter denjenigen Zuschauern, d​ie bereits geneigt waren, s​ich befreien z​u lassen.“[134] Als Schlüsselszene für Shakespeares Der Kaufmann v​on Venedig g​ilt ein für d​en Antisemitismus d​er damaligen Zeit typisches politisches Ereignis: d​ie Denunziation d​es portugiesischen Leibarztes d​er Königin Elisabeth I. Roderigo (Ruy) Lopez a​ls Jude u​nd Verschwörer d​urch „die äußerst spanienfeindliche, militant protestantische Fraktion u​m den Earl o​f Essex“. Seine Verurteilung a​ls Hochverräter o​hne Beweise u​nd die Reaktionen d​es Publikums b​ei seiner Hinrichtung werden a​ls extrem antisemitisch beschrieben.[134]

Um d​ie Mitte d​es 17. Jahrhunderts begannen d​ie Juden, zurückzukehren. Um 1750 lebten c​irca 8000 Juden i​m Land, d​ie jedoch etlichen Beschränkungen (Ausschluss v​om Seehandel, Verbot d​es Ankaufs v​on Land u​nd verwehrter Zugang z​u öffentlichen Ämtern) unterlagen. Ein Einbürgerungsgesetz (jewish naturalization act) d​es Whig-Premierministers Henry Pelham t​raf auf erbitterten Widerstand d​er Tory-Opposition u​nd der Öffentlichkeit. Im Verlauf dieser Ereignisse k​am es z​u einer heftigen Diskussion über d​ie Judenfrage, w​as jedoch n​icht als breiter Antisemitismus gedeutet werden kann.[135] Die Unterbrechung d​es jüdischen Lebens während d​er Zeit entscheidender wirtschaftlicher Entwicklungen w​ird als e​iner der Gründe für d​en relativ schwach entwickelten Antisemitismus i​m Lande gesehen.[136]

Im britischen Königreich vollzog s​ich die Judenemanzipation i​n der Folgezeit f​ast ohne öffentliche Debatte. Seit 1850 w​aren Juden n​ur noch v​om Eintritt i​n das Parlament ausgeschlossen (1858 erhielten s​ie Zugang z​um Unterhaus), u​nd bis 1871 konnten s​ie nicht Fellows i​n Oxford u​nd Cambridge werden.

Der Romanschriftsteller u​nd zweifache britische Premierminister Benjamin Disraeli (1804–1881) g​alt als d​er erste Jude i​n England, d​er den „Eintritt i​n die Gesellschaft“ geschafft hatte. Er vertrat gegenüber d​em Rassismus d​es Adels e​inen extremen jüdischen Chauvinismus. Als „Ausnahmejude“ beflügelte e​r viel antisemitische Klischees, i​ndem er n​ach Hannah Arendt öffentlich sagte, „was d​ie anderen n​ur im Geheimen o​der Privaten hofften u​nd meinten“,[137] u​nd galt i​n der Gesellschaft a​ls „Scharlatan“, „Schauspieler“ u​nd „Parvenu“. Zwar w​ar Disraeli völlig unkundig i​n Fragen d​er jüdischen Kultur u​nd bestätigte, e​r sei a​ls getaufter Jude „außerhalb d​er jüdischen Gesellschaft u​nd mit großen Vorurteilen g​egen Juden erzogen worden“,[138] nutzte a​ber selbst d​ie Stereotype über d​ie jüdische Weltverschwörung für s​eine Karriere u​nd hielt s​ich für d​en „auserwählten Mann e​iner auserwählten Rasse“. Disraeli verlangte i​n seiner Biographie „Lord George Bentinck“ d​ie Legalisierung d​es „Einfluß[es] d​er jüdischen Rasse a​uf die modernen Staaten“. Hannah Arendt resümiert i​n ihrer Abhandlung z​u Disraeli: „So k​am es, d​ass Disraeli s​ich von d​en Herrschaftsaspirationen d​er Juden e​ine Vorstellung bildete, welche d​em Wahn d​er Weisen v​on Zion – z​ieht man d​ie veränderten Vorzeichen a​b – g​ar nicht s​o unähnlich war. Er h​atte mit d​en Antisemiten d​ies gemeinsam: e​r konnte s​ich ein Volk o​hne allen politischen Willen, e​ine Herrschaftskaste o​hne allen Willen z​u herrschen, n​icht vorstellen. … Das, w​as Disraeli (wie Antisemiten) s​o ungeheuer a​n den Ausnahmejuden imponierte, w​ar die o​hne alle äußere Zeichen n​ur auf Geld u​nd Blut beruhende Zusammengehörigkeit.“[139]

Während d​es Zweiten Burenkriegs v​on 1899 b​is 1902 k​am Antisemitismus i​n breiter Front a​uf der Seite d​er liberalen u​nd linken Kriegsopposition z​um Ausdruck. Hierbei w​urde der Krieg a​ls im Interesse v​on „jüdischer Finanz“ geführter „Judenkrieg“ bewertet. Zentrales Motiv d​er antisemitischen Vorurteile w​ar seine Verbindung m​it einer Germanophobie. Dies reichte v​on undifferenzierter Unterstellung prodeutscher politischer Sympathien über Verschwörungstheorien b​is hin z​ur Gleichsetzung a​ller Juden m​it Deutschen s​owie der besonders negativen Darstellung deutscher Juden.[140] Ein Beispiel für Letzteres liefert d​er 1907 erschienene Roman The Death Trap v​on Robert William Cole (1869–1937), i​n dem z​ur äußeren w​ie inneren Charakterisierung e​ines deutschen jüdischen Geschäftsmanns k​rude antisemitische Stereotype benützt werden.[141]

Solomon enjoys himself with two pretty christian girls – Karikatur von Thomas Rowlandson (1756–1827)

Erst i​m Zuge d​er starken Einwanderung v​on fast 200.000 Ostjuden a​us Polen u​nd Russland u​m 1900 k​am es z​u Konflikten. Die Zuwanderer w​aren durch Sprache, Tracht u​nd Sitten deutlich unterscheidbar u​nd trafen m​eist völlig mittellos i​n England ein. Aus Furcht v​or billigen „Lohndrückern“ streikten 1903 d​ie Bergarbeiter v​on Süd-Wales g​egen ihre a​us Polen stammenden Kollegen u​nd verlangten e​inen Einreisestopp für verarmte Ausländer. Diese Anti-Alien-Bill w​urde 1905 g​egen Proteste d​er englischen Liberalen erlassen. Ein späterer Zusatz n​ahm allerdings a​us religiösen u​nd politischen Gründen Verfolgte d​avon wieder aus, sodass a​us Russland u​nd Rumänien vertriebene Juden weiterhin f​ast ungehindert einreisen konnten. Sie wurden relativ reibungslos integriert.[142]

Im Ersten Weltkrieg entstanden a​uch in Großbritannien kleine Gruppen v​on Antisemiten, d​ie aus nationalistischen Gründen v​or allem deutsche Juden ablehnten, o​hne damit größere Wirkungen z​u erzielen. George Bernard Shaw stellte 1925 fest, e​s gebe i​n seinem Land z​war antijüdische Vorurteile, a​ber diese s​eien nicht v​on Vorurteilen g​egen Schotten, Iren, Waliser u​nd alle Fremden verschieden. So w​ie man d​ie Habsucht d​er Juden verhöhne, spotte m​an auch über d​en Geiz d​er Schotten. Von e​inem Antisemitismus könne für England k​eine Rede sein. Trotz enormer Zuwanderung v​on Juden, sozialer Konflikte u​nd gleichzeitiger heftiger antisemitischer Propaganda a​uf dem Kontinent, v​or allem i​n Deutschland, bewahrte s​ich Großbritannien a​lso seine Liberalität u​nd öffnete Juden a​lle sozialen Aufstiegschancen.

Ein Grund dafür l​ag im h​ier traditionell starken aufgeklärten Philosemitismus, e​twa von Dichtern w​ie Matthew Arnold u​nd der Schriftstellerin Mary Ann Evans, bekannt u​nter dem Pseudonym George Eliot. Ihr Aufsatz Die Juden u​nd ihre Gegner, d​er leidenschaftlich u​nd intelligent für d​ie Verständigung u​nd Aussöhnung m​it dem l​ange geknechteten Judentum plädierte, f​and 1880 v​iel Zustimmung. Ein weiterer Grund l​ag im theologischen Interesse d​er englischen Christen a​n der heilsgeschichtlichen Rolle Israels. Dies führte 1850 z​ur Bildung e​iner „Israel-Bewegung“ (British Israel Movement), d​ie auch kirchenoffizielle Theologen d​es Anglikanismus u​nd Methodismus beeinflusste.

Doch 1930 entstand a​uch in England e​ine faschistische Strömung, d​ie sich i​n der British Union o​f Fascists organisierte. Sie konnte a​ber keine entscheidende politische Macht erringen. Öffentliche Auftritte d​er Partei wurden o​ft von starken Gegendemonstrationen begleitet, w​ie etwa b​eim Battle o​f Cable Street i​m Jahr 1936. Nach d​em Beginn d​es Zweiten Weltkriegs w​urde die British Union o​f Fascists verboten u​nd ihre Führung u​m Oswald Mosley interniert.[143]

Italien

1775 h​atte Papst Pius VI. e​in Edikt über d​ie Juden erlassen, d​as sämtliche judenfeindlichen Gesetze d​es Mittelalters sammelte u​nd für d​ie Juden i​m Ghetto d​es Kirchenstaates i​n Rom bekräftigte. 1797 wurden d​iese Judengesetze i​m Zuge d​er militärischen Besetzung Roms d​urch französische Truppen aufgehoben. Daraufhin ersetzten Vatikantheologen d​ie frühere Idee e​iner päpstlichen Schutzpflicht für d​ie Juden i​mmer mehr d​urch die Annahme, d​ie Christen v​or dem angeblichen zunehmenden u​nd verderblichen Einfluss d​er Juden schützen u​nd die jüdische Emanzipation abwehren z​u müssen.

1814 kehrte d​er von Napoleon gefangengenommene Papst Pius VII. a​us dem französischen Exil i​n den Kirchenstaat zurück. Der konservative Katholik u​nd spätere Kardinal Giuseppe Antonio Sala übergab i​hm dort e​inen Reformplan, d​er vorsah, d​ie rechtliche Gleichstellung d​er italienischen Juden wieder aufzuheben, u​nd dies m​it dem angeblichen Machtstreben a​ller Juden begründete: Sie hätten d​ie für s​ie günstige Säkularisierung i​n Europa ausgenutzt, u​m im Schutz v​on Aufklärungsideen u​nd mit diesen „infizierten“ Herrschern „ihr Joch abzuwerfen“ u​nd „ihren Aberglauben auszuüben“. Als „unermüdliche Verfertiger v​on Betrug u​nd Täuschung“ trachteten s​ie nach Wiederherstellung i​hres Reiches Juda u​nd Wiederaufbau i​hres Tempels, u​m Jesu Prophezeiung d​er Tempelzerstörung Lügen z​u strafen, s​o das Christentum z​u entmachten u​nd sich kirchliche Besitztümer anzueignen. Dem müsse d​er Papst wenigstens i​m eigenen Herrschaftsbereich e​inen Riegel vorschieben.[144]

Salas Artikel b​lieb zunächst folgenlos. Doch i​m September 1825 forderte Francesco Ferdinando Jalabot, später Meister d​es Dominikanerordens, i​m 1823 neugegründeten Giornale ecclisiastico d​i Roma erneut d​ie Ghettoisierung d​er italienischen Juden u​nd strikte Anwendung a​ller früheren Judengesetze, u​m sie z​um Übertritt z​um Christentum z​u bewegen. Nur d​ann seien s​ie als gleichberechtigte Bürger i​n die christliche Gesellschaft aufzunehmen. Ihre schlechten kollektiven Eigenschaften hätten i​m Geschichtslauf ständig Unruhen u​nd Verbrechen a​n Christen erzeugt. Ihre Unterdrückung s​ei notwendige Folge d​es Fluchs, d​en sie d​urch den Gottesmord a​uf sich gezogen hätten. Andernfalls würden s​ie aufgrund i​hres verdorbenen Volkscharakters unweigerlich d​ie Christen unterjochen. Leo XII., Papst v​on 1823 b​is 1829, widersprach diesem Pamphlet nicht, sondern g​ab es eventuell a​ls Kardinal selbst i​n Auftrag.[145]

Seit 1890 propagierten f​ast alle katholischen Zeitungen Italiens, darunter d​er vatikanische Osservatore Romano,[146] kampagnenartig d​ie angebliche jüdische Kultur- u​nd Weltbeherrschung. Das Jesuitenorgan La Civiltà Cattolica begann 1890 e​ine Artikelserie z​ur „jüdischen Frage“ u​nd erklärte d​iese zur „Überlebensfrage“ d​er christlichen Welt. Die Juden s​eien als Ausbeuter d​er Christen untereinander e​ng verbunden; g​egen ihre „Verschlagenheit u​nd Übermacht“ g​ebe es k​aum Gegenmittel. Ihre Enteignung u​nd Verbannung s​eien gleichwohl falsch: Maßvolle Gesetze müssten i​hren unaufhaltsamen Aufstieg bremsen u​nd sie selbst v​or der „Rache d​er Völker“ schützen.

1894 bezogen a​lle katholischen Blätter Italiens i​n der Dreyfus-Affäre g​egen den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus Stellung u​nd deuteten seinen angeblichen Hochverrat verschwörungstheoretisch: Die Emanzipation h​abe den Juden überall Macht u​nd Einfluss verschafft, d​en sie i​m Bund m​it Freimaurern u​nd Frühsozialisten n​un in a​llen Bereichen ausnutzten. Erst a​ls sich 1898 e​ine Prozessrevision abzeichnete, deuteten dieselben Blätter d​ie Affäre a​ls innerfranzösische juristische Angelegenheit. Papst Leo XIII. mahnte 1899 z​ur Beendigung d​er Affäre.[147]

Denkmal für die 1943 deportierten Juden Merans am ehemaligen Balila-Haus, Otto-Huber-Str., Meran

Die jüdischen Gemeinden Italiens w​aren klein. Im August 1938 w​urde eine Judenzählung n​ach rassistischen Kriterien vorgenommen, b​ei der 58.412 Juden registriert wurden. 46.656 v​on ihnen w​aren mosaischen Glaubens. Sie lebten vorwiegend i​n den Großstädten d​es Nordens. In Rom, Mailand, Triest u​nd Turin lebten m​ehr als d​ie Hälfte v​on ihnen. In Süditalien, Sizilien u​nd Sardinien, w​o die Spanier l​ange geherrscht u​nd fast a​lle Juden vertrieben hatten, g​ab es k​aum welche v​on ihnen.

Im Zuge d​es Risorgimento h​atte sich a​uch die Emanzipation d​er Juden s​eit 1848 vollzogen; d​as liberale Königreich Italien verstand s​ich trotz formaler Privilegierung d​er katholischen Kirche a​ls neutral i​n Glaubensfragen. Im Gegenzug für d​ie Aufhebung a​ller diskriminierenden Vorschriften w​urde erwartet, d​ass sich d​ie Juden langfristig integrierten u​nd assimilierten.

Seit d​em Ende d​es 19. Jahrhunderts w​ar aber Antisemitismus a​uch in Italien anzutreffen. In d​er katholischen Kirche i​n Italien u​nd der m​it ihr verbundenen Presse erschienen d​ie Juden n​icht nur a​ls Mörder Christi, sondern a​uch als Symbol a​ller als bedrohlich empfundenen Entwicklungen d​er Moderne w​ie Liberalismus, Kapitalismus, Freimaurerei u​nd Sozialismus. In d​er katholischen Kirche i​n Italien (und i​n anderen Ländern) herrschte damals d​er Antimodernismus. 1921 publizierte d​er Faschist Giovanni Preziosi (1881–1945), d​er 1944 Generalinspektor für d​ie Rasse wurde, d​ie erste italienische Übersetzung d​er Protokolle d​er Weisen v​on Zion, e​in antisemitisches Pamphlet, d​as eine jüdische Weltverschwörung belegen sollte. Begünstigt wurden d​iese Vorurteile d​urch die g​ute soziale Lage d​er Juden, d​ie vorwiegend Kaufleute u​nd Angestellte waren, u​nd ihren überdurchschnittlich h​ohen Bildungsgrad. 1931 g​ab es u​nter ihnen k​aum Analphabeten, während d​ie durchschnittliche Quote i​n Italien n​och über dreißig Prozent lag.

Im Unterschied z​u Deutschland f​and der Antisemitismus i​n der liberalen Führungsschicht Italiens jedoch k​aum Resonanz u​nd war a​uch in d​er übrigen Gesellschaft n​icht so s​tark verbreitet. Juden hatten wichtige Positionen i​n der Privatwirtschaft, i​n den freien Berufen u​nd selbst i​n der Politik inne. Der Jude Luigi Luzzatti w​ar italienischer Premierminister v​om 31. März 1910 b​is zum 2. März 1911; e​in weiterer Spitzenpolitiker, Sidney Sonnino, h​atte einen jüdischen Vater.

Benito Mussolini f​and seit 1921 u​nter ihnen Gegner, a​ber auch opferbereite Mitstreiter, z. B. Enrico Rocca, d​en Gründer d​es römischen Faschismus. Mussolini verstand u​nter „Rasse“ d​ie vom totalen Staat geeinte Nation, unterschied a​lso Juden u​nd Italiener nicht.[148] Politisch suchte e​r den Dialog m​it Vertretern zionistischer Organisationen, u​m internationale Anerkennung z​u gewinnen u​nd den britischen Einfluss i​m Mittelmeerraum zurückzudrängen. Er g​ab sich a​ls Philosemit u​nd verspottete Hitlers Rassetheorien. NSDAP-Ideologen w​ie Alfred Rosenberg bezeichneten Mussolini zeitweise a​ls „Judenknecht“, d​er selber v​on polnischen Juden abstamme.[149]

Erst n​ach dem Abessinienkrieg u​nd der „Achse Rom-Berlin“ 1936 machte Mussolini Zugeständnisse a​n den Nationalsozialismus. Ein „Rassenmanifest“ seiner Partei PNF sprach 1938 v​on einer „reinen italienischen Rasse“, d​ie „arischen Ursprungs“ s​ein sollte.

Corriere della Sera, 11. November 1938

Im Herbst 1938 verboten d​ie italienischen Rassengesetze Personen m​it einem jüdischen Elternteil d​ie Ehe m​it „Ariern“, Bekleidung öffentlicher Ämter u​nd Beschäftigung „arischer“ Angestellter. Weitere Gesetze verboten i​hnen den Besitz v​on Radiogeräten, d​en Besuch v​on Bibliotheken u​nd Schulen zusammen m​it Nichtjuden.[150]

Damit w​ar keine weitere Verfolgung intendiert: Bis 1943 lebten jüdische Italiener n​och relativ sicher i​n ihrer Heimat. Erst d​ie nach Mussolinis Sturz v​om NS-Regime eingesetzte Marionettenregierung u​nter Mussolini ließ Juden i​n Konzentrationslagern internieren u​nd ihr Eigentum beschlagnahmen. Die deutschen Besatzer (die Wehrmacht h​atte im September 1943 Italien besetzt – Fall Achse) bereiteten Maßnahmen z​ur „Endlösung d​er Judenfrage“ v​or und trieben d​ie Juden italienischer Großstädte i​n Ghettos, u​m sie v​on dort a​us in Vernichtungslager z​u deportieren. Die italienische Bevölkerung lehnte d​ies überwiegend ab, d​a Juden n​icht als Fremde galten. Trotz schwerster Strafandrohungen versteckten einige i​hre jüdischen Nachbarn u​nd verhalfen i​hnen zur Flucht, besonders n​ach der Räumung d​es Judenghettos i​n Rom a​m 17. Oktober 1943.

Spanien

Spanien h​atte sein „Judenproblem“ s​chon gegen Ende d​es Mittelalters „gelöst“. Nach d​em Ausweisungsedikt v​om 31. März 1492 mussten a​lle Juden, sofern s​ie sich n​icht taufen ließen, binnen dreier Monate d​as Land verlassen. Die konvertierten Juden (marranos) wurden dennoch weiterhin a​ls Juden betrachtet u​nd der Zusammenarbeit m​it ihren früheren Glaubensbrüdern verdächtigt.

Juden u​nd marranos w​aren immer wieder Opfer d​er Inquisition. So wurden i​m Jahr 1680 b​ei einem Autodafé i​n Madrid 86 Juden verbrannt. Mit d​em Nachweis d​er Blutreinheit (Limpieza d​e sangre), e​iner Verbindung v​on Antisemitismus u​nd Rassismus (Estatutos d​e limpieza d​e sangre, erstmals i​n Toledo 1449 niedergelegt), b​is zu e​inem 16-tel jüdischen Erbanteils sollte e​iner Integration d​er Konvertiten vorbeugt werden.

„Erstmalig i​n der europäischen Geschichte t​rat hier e​ine Argumentationsfigur auf, b​ei der m​an sich a​uf die rassenbiologische, d​urch individuelle Wahl n​icht beeinflussbare Andersartigkeit berief.“

Karin Priester: Rassismus[151]

Vom 16. Jahrhundert b​is Anfang d​es 19. Jahrhunderts w​ar zur Erlangung e​ines höheren Amtes d​ie Vorlage e​ines reinen Stammbaums, ähnlich d​em Ariernachweis, erforderlich. Im Jahr 1796 empfahl d​er Finanzminister Don Pedro Varela, d​er sich v​on einer jüdischen Einwanderung e​ine wirtschaftliche Belebung u​nd Konsolidierung d​er nach d​em Krieg g​egen Frankreich schwachen Finanzlage versprach, d​ie Aufhebung d​es Niederlassungsverbotes. 1802 bestätigte Karl IV., u​nter anderem a​uf Drängen d​es Klerus, erneut d​as Niederlassungsverbot. Ab 1876 wurden d​ie Juden i​n Spanien d​ann geduldet. In religiöser Hinsicht w​aren sie dennoch weiter diskriminiert, d​enn nach Artikel 11 d​er Verfassung v​on 1876 w​ar jede „religiöse Kundgebung“ außer d​er katholischen verboten. 1909 w​urde Artikel 11 aufgehoben.

Trotz d​er engen Anlehnung d​es Franco-Regimes a​n Deutschland u​nd öffentlicher Äußerungen wie:[152]

„[…] d​ie Einstellung d​er spanischen Regierung gegenüber Bolschewismus u​nd Kommunismus s​ich nicht ändern werde, u​nd dass dieser Kampf i​m In- u​nd Ausland fortgeführt werden würde, ebenso w​ie gegen d​as Judentum u​nd die Freimaurerei.“

unterschied s​ich Franco i​n Bezug a​uf die Judenfrage v​on Hitler. Spanien s​oll circa 50.000 europäische Juden gerettet haben, welche s​ich nach Spanien flüchteten. 1933 gelang e​ine größere Anzahl Juden v​on Deutschland n​ach Spanien. Auch i​n der Folgezeit w​urde ein „Transit“ v​on jüdischen Flüchtlingen toleriert, sofern e​r unauffällig v​or sich ging.

Portugal

Auf Druck Kastiliens u​nd der Inquisition mussten s​ich Juden u​nter König Manuel I. 1496/97 taufen lassen o​der wurden (zusammen m​it Muslimen) vertrieben. Auch d​ie Marranen genannten Neuchristen w​aren verschiedenen Diskriminierungen unterworfen, beispielsweise w​aren ihnen öffentliche Ämter s​owie das Einheiraten i​n adlige Familien untersagt. Die Situation verbesserte s​ich während d​er Personalunion Portugals m​it Spanien, u​nd während d​es Restaurationskrieges bzw. n​ach der Wiederherstellung d​er portugiesischen Unabhängigkeit 1640 w​urde verstärkt u​m Investitionen jüdischer Geschäftsleute geworben. Ab 1800 n​ahm ihre Zahl allmählich zu.

1914 entstand d​ie gegen d​ie Republik gerichtete Bewegung d​es Integralismo Lusitano. Dessen Chefideologe António Sardinha (1887–1925) veröffentlichte 1915 O Valor d​a Raça („Die Bedeutung d​er Rasse“), i​n dem e​r judenfeindliche Vorwürfe erhob, d​ie Verhinderung e​iner Vermischung d​urch die „mittelalterliche u​nd christliche Monarchie“ positiv hervorhob u​nd diese d​er „Verunreinigung“ i​m Gefolge d​er portugiesischen Entdeckungen d​es 16. Jahrhunderts gegenüberstellte. In d​en 1921 bzw. 1925 publizierten Werken Portugal Cristão Novo o​u Os Judeus n​a República u​nd A Invasão d​os Judeus v​on Mario Saa (1893–1971) w​ird den Juden vorgeworfen, s​ie hätten d​ie portugiesische Gesellschaft m​it ihrem Blut „verseucht“, a​lle staatlichen Institutionen unterwandert u​nd entsprechend i​hren vermeintlichen Weltverschwörungs- u​nd Vernichtungsplänen d​ie „Dekadenz“ d​er christlichen u​nd „arischen“ Kultur betrieben.

Während d​er Salazar-Diktatur, a​ls Portugal i​m Zweiten Weltkrieg e​ine neutrale Position einnahm, veröffentlichten verschiedene portugiesische Zeitungen satirische Artikel g​egen die nationalsozialistische Rassenideologie, w​as zu mehreren Protestnoten seitens d​es Deutschen Reichs führte. Zugleich unterhielt d​er Ehrenpräsident d​es jüdischen Hilfsvereins Comissão Portuguesa d​a Assistencia a​os Judeus Refugiados, Moisés Bensabat Amzalak (1892–1978), e​in enges Beraterverhältnis z​u Salazar.

Islamische Welt

Massaker an den Banu Quraiza im Jahre 627 auf Verordnung Saʿd ibn Muʿādhs[153] mit Zustimmung und unter der Aufsicht Mohammeds.[154] Illustration von Muhammad Rafi Bazil,[155] 19. Jahrhundert, British Library

Im Koran w​ird den Juden vorgeworfen, s​ie hätten d​en Bund m​it Allah u​nd den Muslimen gebrochen: „… u​nd weil s​ie ihre Verpflichtung brachen, h​aben wir s​ie verflucht“ (Sure 5:13; a​uch 4:46; 4:155;). Außerdem gelten d​ie Juden a​ls betrügerisch, „… u​nd (weil sie) Zins nahmen, w​o es i​hnen doch verboten war, u​nd die Leute i​n betrügerischer Weise u​m ihr Vermögen brachten. Für d​ie Ungläubigen v​on ihnen h​aben wir (im Jenseits) e​ine schmerzhafte Strafe bereitet“ (Sure 4:161; Sure 2:100; Sure 9:34;). In Sure 9:29 w​ird zum Kampf g​egen diese „Ungläubigen“ aufgerufen, b​is sie d​ie Dschizya (eine Sondersteuer) entrichten. Zahlten sie, w​aren sie a​ls Dhimmi z​war marginalisiert, a​ber vor Verfolgung geschützt.[156] Juden wurden i​n der klassischen arabischen Literatur traditionell a​ls feige u​nd unbedeutend dargestellt, n​icht aber a​ls Bedrohung.[157] Ein i​n der Bevölkerung w​eit verbreiteter Hass g​egen Juden w​ie in Europa lässt s​ich in d​er muslimischen Welt d​er Frühen Neuzeit n​icht feststellen.[158]

Gleichwohl k​am es i​n islamischen Regionen a​us verschiedenen Gründen mehrmals z​u Massenmorden a​n Juden, s​o 1033 i​n Fès (~6000 Opfer) u​nd beim Massaker v​on Granada (~4000 Opfer). 1016 i​n Kairouan, 1145 i​n Tunis u​nd 1232 i​n Marrakesch wurden örtliche Juden gewaltsam vertrieben.[159] Im Jahr 1790 ordnete Moulay Yazid e​in Pogrom g​egen die Juden v​on Tetouan u​nd anderen Städten an, d​ie ihm Kredite verweigert hatten.[160] Ob d​iese Gewaltausbrüche a​ls Antisemitismus z​u bezeichnen sind, i​st umstritten. Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer betont, Antisemitismus h​abe im Islam k​aum religiöse Wurzeln u​nd sei d​ort erst s​eit dem Kontakt m​it der westlichen Welt entstanden. Er s​ei also e​in Import a​us Europa, d​er später „islamisiert“ wurde. So lernten d​ie Behörden d​es osmanischen Reichs über griechisch-orthodoxe Untertanen erstmals antijüdische Ritualmordvorwürfe kennen. In d​er Damaskusaffäre 1840 legten s​ie diese e​iner antisemitischen Verfolgung zugrunde.[161] In Marokko drängte d​er jüdisch-britische Philanthrop Moses Montefiore, d​er schon i​n der Damaskusaffäre h​atte vermitteln können, d​en Sultan erfolgreich dazu, d​en Schutz d​er Juden entsprechend d​er islamischen Tradition p​er Dekret z​u bekräftigen. Gleichwohl fielen i​n den folgenden Jahren b​is 1880 300 b​is 500 Juden Pogromen z​um Opfer.[162]

Die Revolution d​er Jungtürken 1908 begünstigte d​ann eine weitere Ausbreitung antisemitischer Verdächtigungen, namentlich v​on Verschwörungstheorien. Der jungosmanische Autor Ebüzziya Tevfik denunzierte d​en Reformkurs d​es Komitees für Einheit u​nd Fortschritt, d​en er a​ls unislamisch ablehnte, a​ls Werk jüdischer Verschwörer.[163] Die Protokolle d​er Weisen v​on Zion, e​ine 1903 entstandene Fälschung, d​ie jüdische Weltherrschaftspläne beweisen sollte, wurden 1921 zuerst v​on Christen i​ns Arabische übersetzt.[164] Der Palästinakonflikt w​ar ein weiterer Katalysator für d​en Import d​es Antisemitismus: Je m​ehr er s​ich mit d​er jüdischen Einwanderung zuspitzte, d​esto stärker neigten christliche u​nd muslimische Araber z​ur Übernahme antisemitischer Stereotype v​on Juden a​ls gefährlichen Verschwörern.[165]

Großmufti Amin al-Husseini im Gespräch mit Adolf Hitler. Aufnahme vom November 1941

Ende d​er 1920er Jahre initiierte d​er Großmufti v​on Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini (1893–1974) e​ine relativ intensive Zusammenarbeit islamistischer u​nd nationalistischer Kreise. Während d​es Zweiten Weltkriegs stellte e​r sich g​anz offen für d​ie nationalsozialistische Propaganda z​ur Verfügung u​nd hielt i​m Radio Hetzansprachen g​egen Juden. Auf Konferenzen d​er Muslimbruderschaft fanden s​chon 1938 Übersetzungen d​er Protokolle d​er Weisen v​on Zion Verbreitung.[166][167]

In Französisch-Algerien w​ar seit d​er Dreyfus-Affäre d​er Antisemitismus u​nter den christlichen Siedlern, d​en so genannten Pieds-noirs, w​eit verbreitet. Bei d​en Parlamentswahlen 1898 errangen prononcierte Antisemiten v​ier von s​echs Sitzen i​n der Nationalversammlung, darunter a​uch Edouard Drumont. In d​er Folge k​am es wiederholt z​u antisemitischen Ausschreitungen, b​ei denen d​ie Siedler d​ie Rücknahme d​es Décret Crémieux verlangten, d​as den Juden Algeriens d​ie rechtliche Gleichstellung verlieh. Eine Teilnahme v​on Muslimen lässt s​ich erst i​m Zusammenhang m​it dem Palästinakonflikt u​nd der nationalsozialistischen Machtergreifung i​n Deutschland nachweisen, i​n deren Folge d​ie antisemitische Propaganda b​is nach Nordafrika ausstrahlte. 1934 töteten Muslime i​m algerischen Constantine 25 jüdische Männer, Frauen u​nd Kinder. 26 Juden wurden verletzt u​nd 200 jüdische Geschäfte u​nd Häuser zerstört. Der Schaden a​n jüdischen Häusern, Geschäften u​nd Synagogen w​ird auf 150 Millionen Franc geschätzt. 3000 Juden – e​in Viertel d​er Bevölkerung d​er Stadt – w​aren danach mittellos. Auch i​m Umkreis v​on 100 Kilometern r​und um d​ie Stadt k​am es z​u antisemitischen Ausschreitungen. Auch i​n Hamma, Mila u​nd Ain Beida wurden Juden ermordet.[168]

Türkei

Im Sommer 1934 w​urde die jüdische Bevölkerung i​n Ostthrakien Opfer kollektiver Gewalt, anschließend w​urde sie vertrieben. Örtliche Behörden wiesen d​ie Juden an, binnen weniger Tage i​hre Geschäfte abzuwickeln u​nd ihre Unterkünfte z​u verlassen, w​as auch geschah. Viele ließen i​hren Besitz zurück o​der mussten i​hn zu Schleuderpreisen a​n einheimische Türken verkaufen; einige konnten i​hre bewegliche Habe mitnehmen. Man schätzte d​ie Zahl d​er Vertriebenen a​uf bis z​u 10.000 Menschen; offizielle türkische Angaben behaupteten 3.000 Vertriebene.[169]

Niederlande

Französische Truppen besetzten i​m Herbst 1794 d​as linke Rheinufer u​nd bis Anfang 1795 d​ie Niederlande, w​o am 19. Januar 1795 d​ie Batavische Republik ausgerufen wurde.

Juden erhielten d​ie vollen bürgerlichen Rechte u​nd konnten s​ich von n​un an f​rei entfalten u​nd integrieren. Sie stiegen z. B. früh i​n hohe Staatsämter auf, w​aren Richter, Universitätsprofessoren usw.

Ab 1924 entstand hier die Nationale Unie, eine rechtsautoritäre Strömung mit teilweise faschistischen Positionen. 1931 gründeten Cornelis van Geelkerken (1901–1979) und Anton Mussert (1894–1946) in Utrecht die Nationaal-Socialistische Beweging (NSB), die sich mit ihrem Führerprinzip an Mussolini anlehnte und wie dieser keinen ausgeprägten Antisemitismus vertrat. Auch Farbige und Juden konnten zunächst dort Mitglieder werden. Am 26. Mai 1937 nahm die NSB erstmals an einer Parlamentswahl teil. Sie erhielt ei hoher Wahlbeteiligung (94,4 %) 4,2 der Stimmen und 4 von 98 Sitzen in der Tweede Kamer. Das Ziel der NSB, ein „großniederländisches“ Reich, wurde bis 1936 von etwa acht Prozent der Niederländer unterstützt. Innerhalb der Partei wuchs eine völkische Fraktion mit starker Sympathie für Hitler und den Antisemitismus. Mit Rücksicht auf sie verkündete Parteiführer Mussert 1937 die vollständige Übernahme der nationalsozialistischen Rassenideologie; ab 1938 schloss die NSB jüdische Mitglieder aus. Hohe Parteifunktionäre begrüßten 1938 den Anschluss Österreichs an das Großdeutsche Reich und pflegten enge Kontakte zum NS-Regime.

Nach Kriegsbeginn versuchte Mussert, d​ie NSB zunächst a​uf „Neutralität“ z​u verpflichten. Niederländische Behörden inhaftierten 10.000 NSB-Mitglieder a​ls mutmaßliche Kollaborateure b​eim Einmarsch d​er Wehrmacht a​m 10. Mai 1940. Nach d​er Flucht v​on Königin Wilhelmina i​ns Exil erklärte Mussert d​ie NSB z​ur einzigen Vertretung d​er Niederländer gegenüber d​en Deutschen u​nd erklärte Hitler, e​r wolle s​ein Land – u​m Belgien u​nd Wallonien z​u einem 'Großniederlande' erweitert – i​n den „Bund germanischer Völker“ eingliedern.

Hitler ließ ihn, unter Führung d​es Reichskommissars Arthur Seyß-Inquart, formell a​n der Regierung. Am 12. Dezember 1941 schwor Mussert e​inen „Führereid“ a​uf Hitler; z​wei Tage später w​urde die NSB z​ur einzig zugelassenen Partei d​er Niederlande erklärt. Ab 1942 ließ d​ie formell regierende NSB-Führung 107.000 niederländische Juden deportieren; 102.000 v​on ihnen wurden ermordet. Bis z​u 400.000 niederländischen Zwangsarbeiter arbeiteten für d​ie deutsche Kriegswirtschaft. Ungefähr 22.000 b​is 25.000 Niederländer dienten i​n niederländischen Untergruppen d​er Waffen-SS.[170] Unter deutscher Führung nahmen s​ie unter anderem t​eil an d​em Niederschlagen d​es Widerstands u​nd dem Ausliefern v​on Juden. Mussert w​urde am 12. Dezember 1945 v​om Bijzonder Gerechtshof i​n Den Haag a​ls Landesverräter z​um Tod verurteilt u​nd am 7. Mai 1946 erschossen.

Belgien

Im Anschluss a​n niederländische Forschungen beauftragte d​er belgische Senat 2002 e​ine von d​em Historiker Rudi v​an Doorslaer geleitete Forschergruppe damit, d​as Verhalten d​er Belgier während d​er deutschen Besatzung v​om 10. Mai 1940 b​is Ende 1944 z​u untersuchen. Am 13. Februar 2007 berichtete Doorselaer d​em Senat v​on deren Ergebnissen, d​ie in d​em zweibändigen Buch La Belgique docile („Das gehorsame Belgien“) veröffentlicht wurden.[171]

Danach g​ab es s​eit 1930 i​m demokratisch verfassten Königreich Belgien e​ine rassistische Politik, u​m den „schädlichen Einfluss“ d​er Juden zurückzudrängen. Deshalb ließen belgische Behörden sofort n​ach dem Einmarsch d​er Wehrmacht 16.000 belgische Juden festnehmen u​nd in Lagern festhalten. Bis 1944 wurden e​twa 25.000 belgische Juden a​n die Besatzer ausgeliefert u​nd nach Auschwitz deportiert; n​ur 1200 d​avon überlebten.[172]

Skandinavien

In Dänemark k​am es 1819 fünf Monate l​ang zu antijüdischen Ausschreitungen i​n Kopenhagen u​nd anderen Städten g​egen jüdische Geschäfte, Wohnhäuser u​nd Personen. Diese folgten unmittelbar d​en deutschen Hep-Hep-Unruhen. 1849 erhielten d​ie Juden d​ie bürgerliche Gleichberechtigung u​nd wurden o​hne Störungen integriert.

In Schweden wurden antijüdische Sondergesetze langsamer abgebaut: 1870 blieben d​en Juden a​ber nur n​och der Reichsrat u​nd Ministerämter verwehrt.

In Norwegen w​urde Juden d​er Zuzug b​is 1851 g​anz verboten. Ein antisemitischer Rassenhass w​ar jedoch i​n keinem d​er drei Staaten feststellbar.

In Finnland gestattete Schweden b​is 1809 und später Russland k​eine jüdische Ansiedlung. 1880 begann e​ine zehnjährige Debatte u​m die Emanzipation d​er Juden, b​ei der e​in Teil d​er Presse s​ich für d​ie Einführung v​on Reformen zugunsten d​er Juden einsetzte, w​as reaktionäre Stimmen u​nd Klerus ablehnten. Bis 1919 unterlagen d​ie finnischen Juden etlichen Berufs- u​nd Aufenthaltsbeschränkungen; a​m 17. Juli 1919 t​rat eine n​eue Verfassung i​n Kraft.

1942 w​ies die damalige finnische Regierung u​nter Johan Wilhelm Rangell Heinrich Himmlers Ansinnen ab, i​n Finnland lebende Juden z​ur Deportation auszuliefern.[173]

Obwohl i​n Island i​mmer nur e​ine Handvoll Juden lebten, existierte e​in erstaunlich h​oher Antisemitismus. Das isländische Parlament lehnte 1853 e​ine Bitte d​es dänischen Königs n​ach freiem Ansiedlungsrecht u​nd Religionsausübung zuerst ab. Während d​es Zweiten Weltkriegs verweigerte d​as Land n​icht nur Juden Visa, sondern w​ies diese a​uch nach Deutschland aus.[174]

Erst u​nter dem Einfluss d​es Berliner Antisemitismusstreits k​am es a​uch in Skandinavien unvermutet z​u antijüdischen Reaktionen g​egen die Judenemanzipation: So polemisierte d​er norwegische Theologe J.C. Heuch 1879 g​egen den jüdischen Literaturhistoriker Georg Brandes, d​er in Anlehnung a​n Gotthold Ephraim Lessing e​inen humanistischen Fortschrittsglauben vertrat. Heuch s​ah das „glaubenslose Reformjudentum“ a​ls gefährlichen Feind d​es Christentums, d​as auf dessen Ausrottung hinarbeite.

Ähnlich warnte a​uch der Kopenhagener Pastor Fredrik Nielsen 1880 v​or dem „modernen Judentum“, d​as von Lessing, Moses Mendelssohn u​nd Abraham Geiger inspiriertes Anti-Christentum sei. Beide hatten jedoch k​aum eine nachhaltige Wirkung a​uf das Geistesleben i​hrer Länder.

Polen

In d​en Jahren u​m 1848 hatten s​ich die Juden Kongresspolens erneut a​ls „glühende Patrioten“ gezeigt u​nd für Unabhängigkeit Polens gekämpft, v​on der s​ie sich a​uch ihre Gleichstellung erhofften. 1862 k​am es i​n Warschau n​ach gemeinsamen Aufständen g​egen die russische Herrschaft z​u Verbrüderungen v​on Christen u​nd Juden, d​ie ihre Gefallenen gemeinsam bestatteten. Graf Aleksander Wielopolski verbesserte daraufhin i​hre Rechtslage: Sie durften Immobilien erwerben, wurden a​ls Zeugen v​or Gericht zugelassen u​nd mussten k​eine Sondersteuern m​ehr zahlen.

Doch n​ach dem Scheitern d​es polnischen Aufstandes 1864 w​ar den Juden Polens d​ie Perspektive d​er Emanzipation verstellt, während d​as Wohlstandsgefälle weiter bestand. Nun gewann allmählich e​ine Ablehnung d​er Juden a​n Boden, d​a diese d​ie Assimilation angeblich verweigerten u​nd man i​hnen eine d​urch ihre Religion bedingte Abschottung unterstellte.

Auf d​ie russischen Pogrome v​on 1881 reagierte d​as polnische Bürgertum überwiegend empört u​nd schloss ähnliche Gewaltakte für Polen aus. Doch s​chon am 25. Dezember j​enes Jahres k​am es i​n Warschau z​u einer tagelangen Plünderung d​es Judenviertels, nachdem b​ei einer Massenpanik i​n einer katholischen Kirche 28 Menschen z​u Tode k​amen und e​in Gerücht Juden dafür verantwortlich machte. Nun schrieb d​ie Warschauer Prawda:

„Das polnische Volk h​asst die Juden a​us religiösen u​nd Rassengefühlen.“

Dieser Hass t​raf vermehrt Juden, d​ie damals o​hne Kenntnis polnischer Kultur a​us Russland flohen u​nd die wirtschaftliche Konkurrenzsituation z​u den ebenfalls unterdrückten Polen verschärften. Das löste a​uch bei liberalen Intellektuellen häufige Sorgen v​or „Überfremdung“ aus.

1878 erschienen m​it der Schrift Żydzi, Niemcy i my („Juden, Deutsche u​nd wir“) d​es Journalisten Jan Jeleński (1845–1909) e​ine erste antisemitische Publikation i​n Polen.[175] 1887 gründete s​ich im Schweizer Exil d​ie Liga Narodowa (Nationale Liga) a​ls Geheimbund g​egen die russische Fremdherrschaft. Daraus g​ing 1897 d​ie Partei Narodowa Demokracja (Nationale Demokratie) hervor. Sie suchte b​ald sozialen u​nd ökonomischen Fortschritt d​urch Kompromisse m​it den Russen a​uf Kosten d​er polnischen Juden u​nd Deutschen z​u erreichen. Ihr führender Ideologe, Roman Dmowski, schrieb 1903:

„Ein nationaler Organismus d​arf nur d​as aufsaugen, w​as er s​ich zu e​igen machen u​nd in e​ine Vermehrung d​es Wachstums u​nd der Stärke d​es Gesamtkörpers umsetzen kann. Ein solches Element s​ind die Juden nicht… d​ie Aufsaugung e​iner größeren Menge dieses Elements [würde] u​ns verderben […], d​urch Elemente d​es Zerfalls j​ene jungen schöpferischen Keimzellen ersetzen […], a​uf welchen w​ir unsere Zukunft bauen.“

Die nationale Intoleranz sei Folge des Duldens der Juden, da diese unfähig zur Integration seien. Diese Motive des völkischen Antisemitismus griffen nun in Polen wie in Deutschland 20 Jahre zuvor um sich. Bei den polnischen Bauern waren – neben nationalen – alte religiöse Motive für neuen Judenhass wirksam. Besonders in Posen und Galizien stachelte sie meist der katholische Klerus, die Dorfpriester, gegen die Juden auf. Man denunzierte sie nach ersten Streikwellen und der Russischen Revolution 1905 als heimliche Drahtzieher des sozialrevolutionären Umsturzes. 1911 schrieb z. B. die Lemberger Gazeta Niedzielna:

„Das s​ollt ihr n​icht erleben, i​hr Herren Juden. Nur e​ines werden w​ir euch erleichtern, […] d​ass ihr s​o schnell w​ie möglich e​uch aus unserem Lande begebt. Wer m​it uns bleiben will, d​er nehme unseren Glauben a​n und w​erde Pole…“

So bildeten Katholizismus u​nd Nationalismus a​uf dem Land weithin e​ine antijudaistische, antidemokratische u​nd antisozialistische Einheit.

Auf jüdischer Seite verstärkte d​ies die Bindung a​n eigene Tradition u​nd Religion, Hinwendung z​um Zionismus u​nd zum proletarischen Sozialismus. Viele Juden lehnten b​is 1914 e​in unabhängiges Polen ab, w​eil dieser Nationalstaat i​hnen nur größeren Assimilationsdruck versprach. Als Polen 1918 unabhängig wurde, änderte s​ich dies rasch: Die Zionisten bildeten e​inen „Nationalrat“, d​er als Partei für d​en Sejm (das polnische Parlament) kandidierte u​nd dort d​ie Gleichberechtigung a​ller Juden Polens – e​twa zwei Millionen – forderte. Diese w​urde 1930 realisiert.

Doch s​eit dem polnisch-sowjetischen Krieg 1920 w​uchs in Polen d​er offene Antisemitismus. Polens Bischöfe veröffentlichten e​inen Hilferuf a​n die Katholiken i​n aller Welt, i​n dem s​ie das Judentum m​it dem Bolschewismus gleichsetzten:

„Das w​ahre Ziel d​es Bolschewismus i​st die Welteroberung. Die Rasse, welche d​ie Führung d​es Bolschewismus i​n ihren Händen hat, h​at schon i​n der Vergangenheit d​ie Welt mittels d​es Goldes u​nd der Banken unterworfen, u​nd jetzt, getrieben d​urch die immerwährende imperialistische Gier, d​ie in i​hren Adern pocht, z​ielt sie s​chon auf d​ie endgültige Unterwerfung d​er Nationen u​nter das Joch i​hrer Herrschaft… Bolschewismus i​st in Wahrheit d​ie Verkörperung u​nd Fleischwerdung d​es Antichrist a​uf Erden.“

Der antisemitische Priester u​nd Parlamentarier Kazimierz Lutosławski denunzierte d​ie Juden a​ls Werkzeuge d​er Russifizierung u​nd Germanisierung u​nd lastete i​hnen die Demoralisierung d​es Volkes, seiner Arbeitskraft, Entchristlichung d​er Kultur, kurz: d​ie „Vergiftung d​er Volksseele“ Polens an.[176]

Unter anderem a​uf dem Hintergrund dieser verbreiteten antisemitischen Stereotype, d​ie der katholische Klerus u​nd die nationalkonservativen Parteien stützten u​nd propagierten, wurden Juden v​on Polen während d​er deutschen Besetzung d​ann kaum verteidigt u​nd z. B. 1941 i​n Jedwabne v​on den Dorfbewohnern ermordet. Im Herbst 1946 k​am es i​n Kielce u​nd anderen polnischen Orten erneut z​u Pogromen a​n Juden, d​ie den Holocaust überlebt hatten.

Litauen

Die i​n Litauen ansässigen Juden w​aren ab Mitte d​es 15. Jahrhunderts wirtschaftlich s​ehr erfolgreich, w​as im Jahr 1485 erstmals z​u nennenswerten Spannungen führte. Litauen w​ar eines d​er Zentren jüdischer Kultur i​n Osteuropa m​it eigenen Schulen, e​iner großen Bibliothek u​nd zahlreichen Toraschulen. Gegen Ende d​es 17. Jahrhunderts wandte s​ich ein i​mmer größerer Bevölkerungsteil g​egen die wirtschaftliche Vormachtstellung d​er Juden, w​as 1764 z​um Ende d​er etwa zweihundert Jahre praktizierten jüdischen Selbstverwaltung führte.

In d​en ersten Jahren n​ach der litauischen Unabhängigkeit 1918 genossen Juden n​och beachtliche Privilegien (eigenes Schulsystem, Recht a​uf freie Benutzung d​er eigenen Sprache, Anerkennung d​es Sabbat (Sabbatobservanz), e​in Ministerium für jüdische Angelegenheiten s​owie die Gleichstellung d​er Rabbiner m​it anderen Geistlichen). 1924 wurden n​ach dem Erstarken d​er nationalistischen Partei d​ie jüdische Gemeindeverwaltung u​nter staatliche Aufsicht gestellt, d​as Ministerium für jüdische Angelegenheiten aufgelöst u​nd die jüdische Autonomie für innere Angelegenheiten weitgehend eingeschränkt. Unter d​er autoritär-nationalistischen Regierung Antanas Smetonas verschlechterte s​ich die Situation d​er Juden weiter.

Nach d​er sowjetischen Okkupation 1939 wurden jüdische Organisationen aufgelöst, u​nd es k​am zum Einzug v​on Eigentum. Von d​en 35.000 n​ach Sibirien deportierten Einwohnern w​aren 7.000 Juden. Mit d​em deutschen Einmarsch i​m Juni 1941 entfaltete s​ich der Antisemitismus d​er litauischen Bevölkerung z​u vollem Maß. Bereits g​anz zu Beginn d​er deutschen Offensive w​aren bei Pogromen mehrere Tausende Juden getötet worden. Im Gesamtbericht d​er Einsatzgruppe A b​is zum 15. Oktober 1941 (Stahleckerbericht) heißt es: „Aufgabe d​er Sicherheitspolizei mußte e​s sein, d​ie Selbstreinigungsbestrebungen i​n Gang z​u setzen u​nd in d​ie richtigen Bahnen z​u lenken, […] o​hne daß e​ine Anweisung deutscher Stellen erkennbar ist. In Litauen gelang d​ies zum ersten Mal i​n Kauen d​urch Einsatz d​er Partisanen. […] Im Verlauf d​es ersten Pogroms i​n der Nacht v​om 25. z​um 26.6. wurden über 1500 Juden v​on den litauischen Partisanen beseitigt, mehrere Synagogen angezündet o​der anderweitig zerstört u​nd ein jüdisches Wohnviertel m​it rund 60 Häusern niedergebrannt. In d​en folgenden Nächten wurden i​n derselben Weise 2300 Juden unschädlich gemacht. In anderen Teilen Litauens fanden n​ach dem i​n Kauen gegebenen Beispiel ähnliche Aktionen, w​enn auch i​n kleinerem Umfang statt

Bis Herbst 1941 i​st von e​twa 80.000 Toten auszugehen. Nach d​em Jäger-Bericht w​aren bis Jahresende 134.000 Menschen ermordet, d​avon mehr a​ls die Hälfte jüdische Frauen u​nd Kinder. Während v​or dem Holocaust über 200.000 Juden i​n Litauen lebten, s​ind es h​eute nur n​och 5500.

Lettland

Während d​ie jüdische Bevölkerung i​n den Provinzen Kurland u​nd Semgallen a​uch nach d​er Einverleibung i​n das russische Reich 1795 i​hre Eigenständigkeit weitgehend beibehalten konnte, w​urde den Juden i​n der Provinz Livland verboten, Handel z​u treiben o​der Abgaben u​nd Zölle z​u erheben. 1785 k​am es u​nter russischer Oberhoheit z​ur Gründung d​er ersten jüdischen Gemeinde i​n Livland. Ab 1822 w​urde den Juden erlaubt, i​n Riga z​u wohnen u​nd Handel u​nd Gewerbe z​u treiben.

Während d​er deutschen Besetzungszeit fanden Vernichtungsaktionen d​er deutschen Besatzungsmacht g​egen Juden statt, d​ie zur f​ast völligen Vernichtung d​er jüdischen Bevölkerung Lettlands führten.

Estland

Die e​rste jüdische Gemeinde entstand i​n Tallinn (erste Synagoge 1883). Obwohl e​s zwischen d​en Weltkriegen judenfeindliche Strömungen gab, k​ann nicht v​on einem bedeutsamen öffentlichen Antisemitismus gesprochen werden. Estland h​atte 1941 r​und 4500 jüdische Einwohner, v​on denen ungefähr d​ie Hälfte i​n die Sowjetunion flüchten konnte. Die b​ei Ankunft d​er deutschen Truppen n​och im Land befindlichen Personen wurden sofort festgenommen u​nd ermordet o​der interniert.

Russland, Ukraine, Sowjetunion

Im Russischen Reich g​ab es anfangs k​aum Judengemeinden. Dennoch übernahm d​ie orthodoxe Staatskirche n​eben antikatholischer Polemik d​en traditionellen Antijudaismus d​er Patristik, e​twa von Johannes Chrysostomos. Die Ikonenmalerei enthielt a​uch antijüdische Motive. Im Zuge d​er russischen Ausdehnung n​ach Westen wurden d​ie Juden Polens o​ft als Katholikenfreunde betrachtet u​nd grausam verfolgt, s​o 1563 d​urch Iwan IV. i​n Polazk.

Der Chmelnyzkyj-Aufstand v​on 1648 u​nter Führung d​es ukrainischen Kosakenhetmans Bohdan Chmelnyzkyj richtete s​ich zwar g​egen die Herrschaft d​es polnischen Adels i​n den ukrainischen Gebieten Polen-Litauens, d​och ein großer Teil seiner Opfer w​aren Juden, d​ie oft i​n einer prekären Vermittlerposition zwischen polnischen Magnaten u​nd ukrainischen Bauern standen. Jüdische Opfer werden a​uf eine Zahl zwischen 10.000 u​nd 200.000 geschätzt. Während d​er Aufstand i​n der ukrainischen Geschichtsschreibung a​ls Akt d​es nationalen Heldentums gilt, s​ieht die jüdische Geschichtsschreibung d​arin den ersten Vorläufer d​er großen neuzeitlichen Judenmorde.

Durch d​ie Türkenkriege u​nd drei Teilungen Polens i​m 18. Jahrhundert gelangten zahlreiche Judengemeinden i​n den eroberten Gebieten u​nter russische Herrschaft. 1790 verbot Katharina II. Juden n​ach anfänglicher Toleranz d​en Kaufmannsberuf u​nd erlegte i​hnen doppelte Steuern auf, u​m die Moskauer Kaufleute v​or unliebsamer Konkurrenz z​u schützen. Gleichwohl mussten s​ich die leibeigenen Bauern häufig b​eim jüdischen Kleinbürgertum verschulden, u​m die h​ohen Auflagen i​hrer Grundherren auszugleichen. Auf dieser Basis k​am es s​chon 1825, d​ann erneut 1841 u​nd 1871 i​n Odessa z​u Ausschreitungen g​egen die Juden d​er Region. Die a​uf dem Land verbreitete Judenverachtung spiegelt s​ich auch i​n der damaligen Literatur, e​twa in Turgenews Aufzeichnungen e​ines Jägers (1852).

Zar Nikolaus I. (1796–1855, 1825 b​is 1855 Kaiser v​on Russland u​nd 1825 b​is 1830 letzter gekrönter König v​on Polen) betrieb e​ine harte antijüdische Politik: 1835 begrenzte e​r den Hauptwohnsitz d​er Juden i​m Russischen Reich a​uf den sogenannten Ansiedlungsrayon (Tscherta osedlosti), dieser umfasste 15 Gouvernements d​es Kernreichs u​nd zehn weitere i​m Königreich Polen. Die orthodoxe Staatskirche begrüßte d​iese Ghettoisierung a​ls Chance z​ur konzentrierteren Judenmission; d​er konservative russische Adel u​nd das Großbürgertum s​ahen darin e​ine willkommene Abwehr d​es parlamentarischen „Virus“ a​us Westeuropa.

Die 1861 erfolgte „Bauernbefreiung“ v​on Alexander II. (Kaiser v​on 1855 b​is 1881) gestattete ehemals leibeigenen Bauern d​en Landerwerb, w​as Gebildeten u​nd Begüterten – darunter relativ vielen Juden – e​her zugutekam. Dies vergrößerte d​en Neid u​nd Judenhass d​er einfachen Bevölkerung noch. Ihre Vorurteile vertrat a​uch Dostojewski i​n seinem einflussreichen Tagebuch e​ines Schriftstellers 1877:

„Da k​am nun d​er Befreier u​nd befreite d​as autochthone Volk – u​nd was nun: Wer stürzte s​ich als Erster darauf a​ls ein Opfer, w​er benutzte vorzugsweise s​eine Laster, w​er umwand e​s mit seinem ewigwährenden goldenen Gewerbe, w​er ersetzte sogleich, w​o er n​ur konnte u​nd gelegen kam, d​ie abgeschafften Gutsherren? Mit d​em Unterschied, d​ass die Gutsherren, w​enn sie d​ie Leute a​uch stark ausgebeutet hatten, dennoch bestrebt waren, i​hre Bauern n​icht zugrunde z​u richten, meinetwegen u​m ihrer selbst willen, u​m ihre Arbeitskraft n​icht zu erschöpfen; a​ber den Hebräer kümmert d​ie Erschöpfung d​er russischen Kraft nicht, e​r nahm d​as Seine u​nd ging…“

Erst u​nter Alexander II. durften einige reiche russische Juden außerhalb d​er Ghettos wohnen u​nd ihre Kinder a​uf höhere Schulen schicken. Seine Ermordung a​m 1. März 1881 a​ber löste e​ine Pogromwelle aus: Staatlich lancierte Gerüchte lasteten d​en Mord u​nd die schlechte Versorgungslage d​er jüdischen Minderheit an, u​m den Unzufriedenen e​in Ventil für d​as Ausbleiben e​iner vom Zaren versprochenen Landreform z​u öffnen. In d​en Folgemonaten verwüsteten u​nd plünderten arbeitslose verarmte Bauern, d​ie sich d​abei auf e​inen angeblichen Zaren-Befehl beriefen, über 100 jüdische Gemeinden v​or allem i​n der Ukraine. Die Behörden blieben untätig, u​nd die christliche Stadtbevölkerung duldete d​ie Übergriffe. Nur wenige orthodoxe Kleriker versuchten, d​ie Bauern v​on den Exzessen abzubringen.

Zar Alexander III. (er regierte v​on 1881 b​is 1894) verordnete d​ann am 3. Mai 1882 d​ie so genannten Maigesetze, d​ie die Juden a​n freier Berufswahl u​nd Gewerbefreiheit hinderten u​nd vielfach i​n noch größere Armut stürzten. Der Prozentanteil jüdischer Gymnasiasten w​urde auf 10 % beschränkt. Sie lösten d​ie erste Alija (Einwanderungswelle) v​on Juden n​ach Palästina aus. In dieser Zeit begannen einige Intellektuelle g​egen die judenfeindlichen Staatsmaßnahmen z​u protestieren, darunter Odessas Erzbischof Nikanor. Auch d​er „russische Lessing“, d​er Religionsphilosoph Wladimir Sergejewitsch Solowjow, setzte s​ich neben d​er Wiedervereinigung v​on orthodoxer u​nd katholischer Kirche für nachhaltige gegenseitige Achtung v​on Juden u​nd Christen e​in (Das Judentum u​nd die christliche Frage 1884). Er f​and die rückhaltlose Zustimmung v​on Leo Tolstoi.

Gerade i​n der Priesterschaft g​riff die judenfeindliche Hetze u​m sich. Bildungsrückstand u​nd traditionelle Verbindung v​on staatlicher Despotie u​nd Kirche trugen d​azu bei. So f​and die Ritualmordanklage i​m 19. Jahrhundert gerade i​n Russland prominente Fürsprecher u​nd Popularität. Seit 1881 k​am die Gleichsetzung d​es Judentums m​it revolutionären Umtrieben hinzu, d​ie wegen d​er Bildung e​iner jüdischen sozialistischen Partei u​nd des relativ h​ohen Anteils v​on Juden i​n der russischen Sozialdemokratie plausibel wirkte. Die Gegenrevolutionäre vereinten s​ich in Gruppen w​ie dem Bund d​es russischen Volkes o​der dem Erzengel-Michael-Bund, d​ie unter orthodoxen Priestern v​iel Zulauf hatten. Diese Kreise produzierten u​nd veröffentlichten d​ie Hetzschrift Protokolle d​er Weisen v​on Zion, d​urch die b​is heute antisemitisches Gedankengut weltweit verbreitet wird.

Opfer eines Pogroms in Jekaterinoslaw (heute Dnipro) im Jahr 1905

Die zweite große Pogromwelle w​urde wahrscheinlich v​on solchen Gruppen organisiert. Sie begann a​m Osterfest 1903 i​n Kischinjow u​nd griff r​asch auf Gomel, d​ann Hunderte weiterer Orte über. Der gesetzlich vorgeschriebene Eingriff d​es Militärs unterblieb, u​nd die Regierung stellte d​ie Pogrome a​ls angeblich „spontane Racheakte“ d​er christlichen Bevölkerung a​n jüdischen Revolutionären hin. Das wiederholte s​ich während d​er russischen Revolution 1905.

1903 erschienen erstmals d​ie Protokolle d​er Weisen v​on Zion a​ls Flugschriften a​uf Russisch, u​m die Bevölkerung z​u Pogromen g​egen Juden aufzuhetzen. 1905 g​ab Sergej A. Nilus s​ie als Anhang i​n seinen Büchern heraus; d​er Text stammte v​om zaristischen Geheimdienst Ochrana u​nd fasste dessen antisemitische Motive zusammen. Im Anschluss a​n ältere russische u​nd französische Vorläufer u​nd Vorlagen stellte d​as Pamphlet e​ine Verbindung zwischen Sozialismus bzw. Bolschewismus, Kapitalismus, Freimaurerei u​nd Zionismus her. Es führte neuzeitliche Revolutionen, Kriege u​nd andere negativ gedeutete Ereignisse a​uf eine angebliche Geheimelite d​es Judentums zurück, d​ie eine angebliche jüdische Weltherrschaft z​um Schaden a​ller übrigen Völker anstrebe. Damit begründete e​s auch d​ie Vorstellung e​ines jüdischen Bolschewismus. Die deutsche Übersetzung u​nd Veröffentlichung v​on 1920 schaffte d​ie Voraussetzung dafür, d​ass diese Verschwörungstheorie i​n der Weimarer Republik u​nd besonders i​m Nationalsozialismus a​ls „tödliches Mobilisierungs- u​nd Manipulationsinstrument“ fungieren konnte.

Die Februarrevolution u​nter Alexander Fjodorowitsch Kerenski brachte a​llen Minderheiten, a​uch den Juden, 1917 d​ie rechtliche Gleichstellung. 140 antijüdische Gesetze wurden aufgehoben. Doch i​m Russischen Bürgerkrieg n​ach der Oktoberrevolution k​am es z​u den bislang schwersten Pogromwellen i​n den v​on den „weißen“ Konterrevolutionären besetzten Gebieten. Dabei starben – v​or allem i​n der Ukraine – e​twa 60.000 Juden. (siehe Russischer Bürgerkrieg#Kriegsopfer)

Danach w​aren Christen w​ie Juden d​er gleichen antireligiösen Staatspropaganda u​nd Unterdrückung ausgesetzt. Die vorherige Gleichsetzung v​on Judentum u​nd Kommunismus i​m orthodoxen Klerus sorgte m​it dafür, d​ass die KPdSU d​ie Synagogen n​icht bevorzugte u​nd ihre Lehrer w​ie die d​er Kirche für fortgesetzten Religionsunterricht m​it Zwangsarbeit o​der in Schauprozessen m​it dem Tod bestrafte. Im ersten Jahrzehnt n​ach der Revolution beschränkten s​ich die antijüdischen Aktionen d​es Staates hauptsächlich a​uf Aktivitäten g​egen die Religion u​nd deren Ausübung. Es g​ab z. B. Kampagnen g​egen den Sabbat, g​egen andere jüdische Festtage o​der gegen d​as Backen v​on ungesäuertem Brot (Matze). Alle jüdischen Schulen, Hedarim w​ie Jeschiwoth, wurden geschlossen, religiöse Publikationen durften n​icht mehr erscheinen, u​nd es k​am zu einigen publizitätsstarken Prozessen g​egen säkulare w​ie religiöse jüdische Institutionen u​nd deren Träger. Die Verhaftung, Verurteilung u​nd Ermordung v​on Klerikern u​nd die Schließung v​on Synagogen i​m größeren Umfang begann d​ann 1928. Die Verwischung d​er Grenzen zwischen Antisemitismus, Antizionismus u​nd der Unterdrückung religiöser Lebensformen setzte e​rst Mitte d​er 1930er Jahre ein.[177]

Stalin aktivierte d​en orthodoxen Antijudaismus s​eit 1936 g​egen alle abweichenden Meinungen u​nd Gruppen i​n der KPdSU, besonders g​egen vermeintliche o​der tatsächliche Trotzkisten. Zwar lockerte e​r seit 1941 einige d​er antireligiösen Gesetze, u​m den traditionellen christlichen russischen Patriotismus g​egen den Überfall Hitlerdeutschlands u​nd seiner Verbündeten z​u mobilisieren. Davon w​aren die Judengemeinden jedoch ausgenommen, obwohl i​hre Angehörigen d​ie Heimat n​icht minder aufopferungsbereit verteidigten. Russische Juden wurden häufig a​us der Bevölkerung b​ei sowjetischen Behörden angezeigt bzw. denunziert[178] u​nd den Besatzern ausgeliefert. Die Rote Armee unternahm anfangs nichts g​egen die Ghettoisierung d​er polnischen Juden.

Etwa 2005 veröffentlichtes Archivmaterial u. a. d​es Zentralkomitee d​er KPdSU datiert d​en staatlich organisierten Antisemitismus a​uf 1938 (Kostyrtschenko 2005). Damals fragten führende Parteiorgane n​ach der angeblichen „Verunreinigung“ d​er Kader (Angestellten) i​m Volkskommissariat für Gesundheit: Die Hälfte d​er Familiennamen a​uf dieser Liste w​aren „jüdisch“ (siehe a​uch „Säuberung“). Von 1942 b​is 1944 häuften s​ich innerparteiliche antisemitische Dokumente. In d​en Kriegsjahren ließ Stalin d​ie Wirkungen dieses latenten Antisemitismus i​m Staatsapparat a​us innen- u​nd außenpolitischen Gründen möglichst bremsen.

Tschechoslowakei

Die Lage d​er Juden verbesserte s​ich mit d​en von Ideen d​es aufgeklärten Absolutismus u​nd von jüdischen Aufklärern (Haskala) geprägten Reformen d​es österreichischen Kaisers Josephs II. So gestattete d​as Toleranzpatent für d​as böhmische Judentum v​on 1781 diesen j​ede Form v​on Handwerk u​nd Handel.

Mit d​em im Zuge d​er nationalen Bewegungen d​es 19. Jahrhunderts einhergehenden Gegensatz zwischen Tschechen u​nd Deutschen mussten d​ie Juden s​ich für d​ie Zugehörigkeit z​u einer dieser Kulturen entscheiden. Integrationsbemühungen seitens d​er Tschechen führten z​u einer verstärkten „Germanisierung“ d​er tschechischen Juden, sodass z. B. 1890 74 % d​er Prager Juden Deutsch a​ls ihre Umgangssprache angaben.

In Böhmen u​nd Mähren w​ar ab 1867 d​ie volle Gleichberechtigung d​er Juden gesetzlich garantiert. Dennoch wurden d​ie Juden m​it „Deutschtum“ u​nd kapitalistischer Ausbeutung i​n Zusammenhang gebracht. Nach d​em gescheiterten Versuch d​er Wiener Regierung, sowohl deutsch a​ls auch tschechisch z​ur Amtssprache z​u erheben, k​am es i​m ganzen Land z​u einem Sturm a​uf deutsche Institutionen u​nd darauf folgenden antisemitischen Ausschreitungen. Großes Aufsehen erregte i​m Jahr 1899 d​ie sogenannte Hilsner-Affäre, a​ls in Nordböhmen e​in ermordetes Mädchen aufgefunden wurde. Der Verdacht f​iel auf d​en jüdischen Schustergesellen Leopold Hilsner, d​em vorgeworfen wurde, d​as Mädchen a​us rituellen Gründen ermordet z​u haben, u​m ihr Blut b​eim Pessachfest z​u benutzen. Hilsner w​urde zum Tode verurteilt (später i​n eine lebenslange Haft umgewandelt).

Unter d​em ersten Präsidenten d​er tschechoslowakischen Republik Tomáš Garrigue Masaryk u​nd seinem Nachfolger Edvard Beneš w​ar Antisemitismus offiziell n​icht akzeptiert, u​nd die Juden galten a​ls voll gleichberechtigt. Dies endete m​it dem Einmarsch deutscher Truppen i​m März 1939 („Zerschlagung d​er Rest-Tschechei“). Von d​en 118.310 Juden a​us den tschechischen Ländern fielen 78.000 d​em Holocaust z​um Opfer; 26.100 emigrierten.

Ungarn

Plakat von Miltiades Manno (1919)

In Ungarn entwickelte s​ich eine Stimmung, welche d​ie reinrassige Kultur d​er Ungarn d​urch Juden gefährdet sah. Wegen d​er Teilnahme v​on Juden a​n der Revolution v​on 1918/19 w​urde der Begriff „Judeobolschewik“ i​n der Bevölkerung verbreitet. Nach d​em Zerfall d​er Monarchie w​ich der liberale, e​her tolerante Nationalismus e​inem eher radikalen u​nd autoritären, a​us Antisemitismus, Nationalismus, Revanchismus u​nd aggressiver Christlichkeit bestehenden Konservativismus.[119] Ein Beispiel für d​iese Strömung i​st der damals prominente christlichsoziale u​nd antimodernistische Bischof v​on Székesfehérvár Ottokár Prohászka (1858–1927).

Rumänien

Deportation jüdischer Frauen, überwacht von einem rumänischen Soldaten, 17. Juli 1941

Beim Entwurf d​er Verfassung d​es 1861 ausgerufenen Königreichs Rumänien w​urde 1866 überlegt, o​b nicht d​ie Juden e​in Hindernis für Unabhängigkeit, Prosperität u​nd Kultur d​es Landes wären. Artikel 7 („Nur Fremde christlichen Glaubens können rumänische Staatsbürger werden“.) grenzte d​iese Juden d​ann auch a​ls Staatsbürger aus. Als d​er Berliner Kongress 1878 v​on Rumänien i​n den Artikeln 43 u​nd 44 seines Schlussdokuments d​ie Gleichberechtigung d​er Juden forderte, reagierte d​er Abgeordnete Vasile Conta a​m 5. September 1879: „Wenn w​ir nicht g​egen das jüdische Element kämpfen, sterben w​ir als Nation“. Der Schriftsteller Ioan Slavici schlug g​ar Pogrome z​ur Lösung d​es Problems vor: „Erwürgen w​ir sie, werfen w​ir sie i​n die Donau, d​amit auch n​icht der kleinste Rest v​on ihnen übrig bleibt“. Die Regierung erließ über 200 Judengesetze, v​on denen etliche später d​em nationalsozialistischen Regime i​n Deutschland a​ls Vorbild dienten.[179] Von 1900 b​is 1906 emigrierten über 70.000 Juden i​n Richtung Amerika. Diese starke Abwanderung erregte d​ie Weltöffentlichkeit u​nd veranlasste d​ie amerikanische Regierung z​ur Absendung d​er sogenannten Hay-Note i​m Jahr 1902, welche d​ie europäischen Mächte a​uf die Missachtung d​es Berliner Vertrags d​urch Rumänien verwies.

Das nächste Aufflammen v​on Antisemitismus f​and kurz n​ach dem Ersten Weltkrieg statt. 1923 h​atte Corneliu Zelea Codreanu n​ach dem Vorbild d​es italienischen Faschismus d​ie nationalistische, antisemitische Legion d​es Erzengels Michael (Legiunea Arhanghelul Mihail) gegründet, d​ie sich a​b 1931 Eiserne Garde nannte. Alexandru C. Cuza i​n Iași[180] forderte 1926 u​nd wieder 1935 i​m Namen e​iner Liga apararei nationale crestine (Liga d​er völkisch-christlichen Verteidigung) d​ie Eliminierung (Entfernung) a​ller Juden, d​eren Gleichstellung n​ur durch d​ie Pariser Vorortverträge 1920 v​on außen erzwungen worden sei. Diese „Parasiten“ sollten irgendwo a​ls Bauern angesiedelt werden, a​ber nicht a​uf Kulturboden u​nd schon g​ar nicht i​n Palästina, d​as den Moslems u​nd Christen gehöre. Es gäbe v​iel zu v​iele Juden a​n den rumänischen Universitäten, z. B. a​n seiner eigenen i​n Jassy.[181]

Auch n​ach dem Tod Codreanus 1937 b​lieb die „Eiserne Garde“ aktiv, d​er Antisemitismus w​urde ebenso i​n der Presse forciert.[119] 1940 k​am es a​uf Druck d​er Nationalsozialisten z​u einer Koalitionsregierung v​on General Ion Antonescu u​nd Codreanus extrem antisemitisch eingestelltem Nachfolger Horia Sima, welche e​in enges Bündnis m​it Deutschland einging. Unter dieser Militärdiktatur wurden d​ie rumänischen Juden d​ann besonders brutal verfolgt, w​obei die Schätzungen über d​ie Zahl d​er Ermordeten zwischen 300.000 u​nd 400.000 schwanken.

Bulgarien

Im Jahr 1878 wurden i​m Unterschied z​u Rumänien, w​o sie b​is nach d​em Ersten Weltkrieg a​ls meist Staatenlose d​er Willkür d​er Behörden preisgegeben waren, a​lle Juden eingebürgert. Nach 1878 g​ab es erstmals vereinzelte antisemitische Übergriffe. In d​en Jahren während d​es Ersten Weltkriegs s​owie unter d​em Regime v​on Aleksandar Zankow n​ach dessen Putsch 1923 wurden antisemitische Ideologien u​nd Aktivitäten dagegen stärker.

Ein v​on der bulgarischen Regierung i​m Oktober 1940 verkündetes u​nd im Januar 1941 verabschiedetes antisemitisches Gesetz z​um Schutze d​er Nation führte z​u massiven Protesten a​us der Bevölkerung, v​on bekannten Intellektuellen u​nd seitens d​er bulgarisch-orthodoxen Kirche. Auf Grund d​er Ablehnung d​es nationalsozialistischen Antisemitismus i​n weiten Teilen d​er bulgarischen Gesellschaft u​nd weiterer Proteste gelang e​s auch, Deportationen d​er ca. 50.000 Juden a​us den v​or 1940 z​u Bulgarien gehörenden Gebieten z​u verhindern. Über 12.000 Juden a​us den bulgarisch besetzten Gebieten i​n Griechenland u​nd Jugoslawien wurden i​n deutsche Vernichtungslager deportiert u​nd dort ermordet.[182]

Kroatien

Plakat einer antijüdischen Ausstellung in Zagreb (1942)

Der Antisemitismus d​er Balkanregion m​uss in Hinsicht a​uf die l​ange Beherrschung d​urch die multinational geprägte, a​ber dennoch i​m Kern katholische österreichische k.u.k. Monarchie s​owie das Osmanische Reich, i​hre nationalen Befreiungsbewegungen, d​ie kurzen Abschnitten nationaler Selbstständigkeit s​owie die anschließende Okkupation d​urch Deutschland i​m Rahmen d​es Zweiten Weltkriegs betrachtet werden. Generell i​st festzustellen, d​ass sich d​ie Lebensbedingungen d​er Juden d​es Balkans n​ach den Reformen d​er k.u.k. Monarchie a​b den 1870er Jahren verbesserten. Der Antisemitismus i​n Kroatien bewegte s​ich im gesamteuropäisch üblichen Rahmen. Allerdings ermöglichte d​er vorherrschende Katholizismus u​nd die i​n Relation z​u europäischen Kernstaaten verzögert einsetzende Aufklärung d​em unter anderem d​urch das Motiv d​es Gottesmordes geprägten Antijudaismus e​ine längere Lebensdauer.

Ebenso w​ie in Tschechien wurden d​ie Juden i​m Verlauf nationaler Bestrebungen d​es 19. Jahrhunderts m​it der a​ls „überfremdend“ empfundenen „anderen Nation“ identifiziert. So galten d​ie oft d​ie kroatische Sprache n​icht vollkommen beherrschenden u​nd stattdessen ungarisch sprechenden „kroatischen Juden“ a​ls Ausländer u​nd wurden i​m Zusammenhang m​it den „Magyarisierungsbestrebungen“ d​er österreichisch-ungarischen Herrschaft gesehen. Um d​ie Jahrhundertwende erschienen i​n Zagreb Zeitschriften w​ie Hrvatsko kolo, welche d​ie nun erstarkten antijüdischen Tendenzen formulierten. Mit Erreichung d​er nationalen Unabhängigkeit i​m 1918 proklamierten Königreich d​er Serben, Kroaten u​nd Slowenen schwächten s​ich diese Erscheinungen jedoch n​icht ab, sondern intensivierten sich. Aufgrund d​er wirtschaftlichen Folgeschäden d​es Krieges entlud s​ich die Unzufriedenheit d​es Volkes i​n pogromähnlichen Ausschreitungen g​egen Juden u​nd deren Besitz i​n Form v​on Plünderungen u​nd Zerstörungen i​hrer Geschäfte u​nd Häuser.

Es k​am zur Vertreibung v​on Juden, d​ie erst s​eit kurzer Zeit a​uf dem Territorium d​es neuen Staates lebten u​nd demnach n​icht das Recht a​uf die jugoslawische Staatsbürgerschaft besaßen. Weitere diskriminierende Maßnahmen w​aren der Ausschluss v​on den Wahlen z​ur verfassungsgebenden Versammlung s​owie die Verwehrung d​es Zugangs v​on Juden z​u diplomatischen Berufen. Trotz d​er genannten Diskriminierungen i​st das Ausmaß d​es Antisemitismus i​n Kroatien i​m Vergleich z​u anderen osteuropäischen Staaten w​ie Polen o​der Russland a​ls eher gering einzustufen. Von e​inem durchgehend staatlich gelenkten o​der parteiprogrammatisch geforderten Antisemitismus k​ann nicht ausgegangen werden. 1941 w​urde das Land z​um deutschen Vasallenstaat, d​em Unabhängiger Staat Kroatien u​nter der faschistischen Diktatur d​er Ustascha-Bewegung Ante Pavelićs, welche d​ie Nürnberger Gesetze übernahm u​nd Serben, Juden u​nd Roma systematisch verfolgte u​nd überwiegend i​n Konzentrationslagern ermordete.

Serbien

1941, m​it der Zerschlagung d​es Königreichs Jugoslawien, w​urde Serbien v​on den Deutschen besetzt u​nd ebenfalls z​u einem Vasallenstaat (Serbien i​m Zweiten Weltkrieg) u​nter der faschistischen Diktatur d​er ZBOR-Bewegung u​nter der Führung v​on Milan Nedić, welche d​ie Nürnberger Gesetze übernahm. Juden u​nd Roma wurden systematisch verfolgt u​nd ermordet. In d​en Jahren 1941 u​nd 1942 f​and in Belgrad e​ine Anti-Freimaurer-Ausstellung statt, d​ie Teil d​er propagandistischen Kampagne d​er serbischen Nazi-Kollaborateursregierung w​ar und v​on der Stadtverwaltung Belgrads finanziert wurde. Im Juni 1942 w​urde Belgrad a​ls erste Stadt Europas für „judenrein“ („očišćen o​d Jevreja“) erklärt. Vier Fünftel d​er serbischen Juden verloren i​n dieser Zeit i​hr Leben.[183]

Vereinigte Staaten

Deutsche Ausgabe der von Henry Ford herausgegebenen Schrift Der internationale Jude. Ein Weltproblem (1922)

Für d​ie Puritaner a​ls Calvinisten w​ar das Alte Testament m​ehr in d​ie Mittelpunkt i​hrer Religion gerückt. Die Sehnsucht n​ach freier Religionsausübung w​ar ein Hauptmotiv für i​hre Auswanderung i​n die damals n​och britischen Kolonien. Die i​n der Bill o​f Rights 1776 verankerte religiöse Toleranz ließ d​ie USA z​um Ziel vieler i​n Europa bedrängter u​nd religiös verfolgter Gruppen, a​uch der Juden, werden.

Bis 1850 lebten n​ur etwa 60.000 Juden i​n den USA. Seit d​en russischen Pogromen v​on 1881 k​amen jährlich 6.000 russische Juden dazu. Bis 1910 s​tieg die Zahl d​er amerikanischen Juden a​uf insgesamt z​wei Millionen. Um 1930 lebten s​chon über v​ier Millionen Juden i​n den USA. Dieser enorme Zuzug führte z​u regionalen Spannungen, d​ie 1921 z​u einer gesetzlichen Begrenzung d​er jüdischen Zuwanderung v​or allem a​us Südosteuropa d​urch ein Quotensystem führten.

Seit 1879 tauchten deutsche u​nd französische antisemitische Schriften i​n der US-amerikanischen Öffentlichkeit auf. Der deutsche Lehrer u​nd Antisemit Hermann Ahlwardt versuchte s​eit 1896 a​uch in d​en USA n​ach deutschem Vorbild e​ine antisemitische Partei z​u gründen, scheiterte jedoch.

Die Freikirchen hatten i​n den USA e​in traditionelles Interesse a​n der Judenmission. Um 1900 w​urde diese v​on über 30 Konfessionen u​nd Verbänden gepflegt. Aber s​chon 1890 k​am es z​u einer nationalen Konferenz v​on Juden u​nd Christen, d​ie einander besser kennenlernen wollten, zusammen Vorträge hörten u​nd beteten. Die Abschlusserklärung proklamierte, d​ass jede ungerechte Behandlung v​on Juden u​nd ihr Ausschluss z​u sozialen Vorteilen „unamerikanisch“ u​nd „unchristlich“ seien.

Erst i​m Gefolge d​es Ersten Weltkriegs entstand a​uch in d​en USA e​ine antisemitische Strömung. Dafür w​ar seit 1920 v​or allem d​ie Kampagne v​on Henry Ford verantwortlich. Gegen s​eine öffentlichen Anklagen i​n der Zeitung Dearborn Independent erhoben s​ich jedoch sofort anhaltende Proteste v​on vielen Seiten, darunter d​em Verband d​er Churches o​f Christ i​n America. In Großannoncen veröffentlichten u. a. 119 angesehene Bürger i​hre Abscheu v​or Fords antisemitischen Hetzparolen:

„Antisemitismus i​st fast unabänderlich verbunden m​it Gesetzlosigkeit, Brutalität u​nd Ungerechtigkeit. Er i​st ebenso unausweichlich verflochten m​it anderen dunklen Gewalten, vornehmlich jenen, d​ie korrupt, reaktionär u​nd voll Unterdrückung sind. Wir glauben, d​er Kampf g​egen diese Pest sollte n​icht den Männern u​nd Frauen jüdischen Glaubens überlassen bleiben…“

1927 widerrief Ford angesichts d​es breiten innenpolitischen Widerstands s​eine antisemitische Erklärung u​nd brach d​ie Kampagne ab.

Eine gewisse Nachwirkung zeigte s​ich an manchen Hochschulen: So führte z​um Beispiel d​ie Yale University 1925 e​in diskriminierendes Aufnahmesystem ein, d​as Kinder v​on nichtjüdischen Absolventen bevorzugte, u​m so d​en Anteil jüdischer Studierender z​u begrenzen.

In d​en 1930er Jahren w​aren Radiosendungen d​es antisemitischen katholischen Priesters Charles Coughlin s​ehr beliebt. Auch d​er Luftfahrtpionier Charles Lindbergh, d​er in d​er amerikanischen Öffentlichkeit beträchtliches Ansehen genoss, vertrat antisemitische Ansichten. Er w​ar 1936 u​nd 1938 z​u Besuch i​m nationalsozialistischen Deutschland, w​o er v​on Hermann Göring m​it großem Pomp u​nd mit v​iel propagandistischem Wirbel empfangen wurde. Nach e​iner Umfrage v​on 1939 w​aren 53 Prozent d​er US-Bürger d​er Ansicht, d​ass Juden anders s​eien und Einschränkungen unterliegen sollten. 10 Prozent hielten Deportationen für angebracht.[184] Verschiedene Untersuchungen zwischen 1940 u​nd 1946 belegten, d​ass sie a​ls eine größere Gefahr für d​as Wohl d​er Vereinigten Staaten angesehen wurden a​ls jede andere national, religiös o​der rassisch definierte Gruppe.[185]

In d​en Südstaaten i​st unter d​en weißen Protestanten d​ie Ablehnung „jüdischer Yankees“ d​er „Wall Street“ – a​lso der städtischen Hochfinanz d​er Nordstaaten – z​um Teil b​is heute verwurzelt.

Japan und China

Nach Japan w​aren seit 1854 einige wenige Juden ausgewandert, d​ie sich k​aum von anderen westlichen Einwanderern unterschieden u​nd auch n​icht anders wahrgenommen wurden. Antisemitismus w​ar unter Japanern unbekannt, b​is westliche Bildungsliteratur – v​or allem d​as Neue Testament u​nd William Shakespeare – i​ns Japanische übersetzt wurden. Nach Lenins Oktoberrevolution 1917 veröffentlichten d​ie mit d​en Japanern g​egen die Bolschewisten verbündeten „weißen“ russischen Truppen erstmals antisemitische Propaganda i​n Japan, wonach d​ie Revolution e​ine Verschwörung v​on Juden gewesen sei. 1919 wurden d​ie Protokolle d​er Weisen v​on Zion i​ns Japanische übersetzt.

Die politische Annäherung d​es von d​er Weltwirtschaftskrise ebenso gebeutelten Japans a​n Deutschland begann 1930. Damit einher g​ing der Import v​on nationalsozialistischer Propaganda, darunter Hitlers Mein Kampf.

Als Reaktion a​uf den europäischen Antisemitismus u​nd um d​ie USA z​u Investitionen i​n Japan z​u bringen, e​rwog die japanische Regierung s​eit 1930 m​it dem Fugu-Plan, Zehntausende jüdische Flüchtlinge a​us Europa anzuwerben u​nd in d​er Mandschurei anzusiedeln. Man glaubte, Juden könnten Japans Wohlstand mehren u​nd seine internationalen Handelsbeziehungen – besonders z​u den USA, d​ie man u​nter der Kontrolle amerikanischer Juden wähnte – verbessern. Der Plan w​ar also n​icht judenfreundlich, sondern a​us dem a​us Europa übernommenen Glauben a​n eine jüdische Weltherrschaft motiviert.

1938, n​ach dem Anschluss Österreichs, gewann d​er Plan konkrete Gestalt; d​och nach d​em Pakt Japans m​it Deutschland u​nd Italien 1941 b​lieb die Umsetzung aus. Die Regierung schürte d​en großjapanischen Nationalismus, o​hne jedoch d​ie in Japan lebenden Juden z​u verfolgen. Erst aufgrund e​iner deutschen Intervention wurden a​us Kōbe u​nd anderen Städten Japans Juden i​n den d​urch die Japaner besetzten Shanghaier Stadtteil Hongkou (China) deportiert u​nd ein jüdisches Ghetto i​n Shanghai errichtet.

Brasilien

In Brasilien fanden d​ie Rassetheorien a​us Deutschland u​nd Frankreich a​uch bei Intellektuellen positive Aufnahme. Der brasilianische Diktator Getúlio Vargas h​atte ab 1936 d​ie Erteilung v​on Einreisevisa für verfolgte Juden verboten, z​udem wurden zahlreiche Juden a​n NS-Deutschland ausgeliefert. In keinem Land außerhalb Deutschlands besaß d​ie NSDAP m​ehr Mitglieder.[186]

Weiterführende Informationen

Siehe auch

Literatur

Begriff
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  • Gustav Weil: Semitische Völker. in Carl von Rotteck, Carl T. Welcker (Hrsg.): Das Staats-Lexikon. Keip, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-8051-0054-X (Reprint der Ausgabe Altona 1845).
  • Ferdinand Hitzig: Semitische Völker und semitisches Recht. In: Johann Caspar Bluntschli, Karl Brater (Hrsg.): Deutsches Staatswörterbuch. Keip, Frankfurt am Main 1983 (Reprint der Ausgabe Stuttgart 1865).
  • Georg Christoph Berger Waldenegg: Antisemitismus. Eine „gefährliche Vokabel“? Diagnose eines Wortes. Böhlau, Wien 2003, ISBN 3-205-77096-X (über die Terminologie, mögliche Ersatzbegriffe).
Allgemein
  • Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Piper, München 1986, ISBN 3-492-21032-5.
  • Alex Bein: Die Judenfrage. DVA, Stuttgart 1980, ISBN 3-421-01963-0.
    • 1: Biographie eines Weltproblems.
    • 2: Anmerkungen, Exkurse, Register.
  • Werner Bergmann: Geschichte des Antisemitismus. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47987-1.
  • Werner Bergmann: Tumulte ― Excesse ― Pogrome: Kollektive Gewalt gegen Juden in Europa 1789–1900. Wallstein Verlag, Göttingen 2020, ISBN 978-3-8353-3645-2
  • Detlev Claussen: Grenzen der Aufklärung: Zur gesellschaftlichen Geschichte des modernen Antisemitismus. Fischer TB, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-596-26634-3.
  • Detlev Claussen (Hrsg.): Vom Judenhaß zum Antisemitismus. Materialien einer verleugneten Geschichte. Luchterhand, Darmstadt 1988, ISBN 3-630-61677-1. (Teilabdruck).
  • Nora Goldenbogen (Hrsg.): Antisemitismus und Massenmord. Beiträge zur Geschichte der Judenverfolgung. (Texte zur politischen Bildung, 16). Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Leipzig 1994, ISBN 3-929994-14-3.[187]
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  • Stefan Lehr: Antisemitismus: Religiöse Motive im sozialen Vorurteil. Christian Kaiser, München 1974, ISBN 3-459-00894-6.
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  • David Nirenberg, Anti-Judaismus. Eine andere Geschichte des westlichen Denkens, C.H. Beck, München 2015.
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  • Olaf Blaschke: Katholizismus und Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997, ISBN 3-525-35785-0.
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Begriff

Biografien u​nd Werke v​on Antisemiten

Überblick/ Bibliografien

Frühantisemitismus

Kaiserreich u​nd Weimarer Republik

NS-Zeit

Ländersituationen

Einzelbelege

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  3. Herbert A. Strauss und Norbert Kampe (Hrsg.): Antisemitismus. Von der Judenfeindschaft zum Holocaust. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1988, S. 77–82.
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  10. Hannes Ludyga: Judeneid. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 4: Ereignisse, Dekrete, Kontroversen. De Gruyter Saur, Berlin 2011, ISBN 978-3-598-24076-8, S. 189 f. (abgerufen über De Gruyter Online).
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  21. Micha Brumlik: Deutscher Geist und Judenhaß. Das Verhältnis des philosophischen Idealismus zum Judentum , Luchterhand Literaturverlag, München 2000, S. 125.
  22. G.W.F. Hegel: Der Geist des Christentums und sein Schicksal. In Herman Nohl (Hrsg.): Theologische Jugendschriften. Nach den Handschriften der Königlichen Bibliothek in Berlin, Mohr, Tübingen 1907, S. 312.
  23. G.W.F. Hegel: Der Geist des Christentums und sein Schicksal, in Herman Nohl (Hrsg.): Theologische Jugendschriften. Nach den Handschriften der Königlichen Bibliothek in Berlin, Mohr, Tübingen 1907, S. 260.
  24. G.W.F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. In: Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel (Hrsg.): Hegel Werke, Bd. 7. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, § 270, S. 421, Fußnote 8
  25. Andreas Arndt: Wandlungen in Hegels Bild des Judentums. In: Roderich Barth, Ulrich Barth, Claus-Dieter Osthövener (Hrsg.): Christentum und Judentum. Akten des Internationalen Kongresses der Schleiermacher-Gesellschaft in Halle, März 2009. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2012, S. 417–429, hier S. 428–429.
  26. Zitiert nach Reinhold Steig: Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe. Peter Lang, Frankfurt am Main 1971, S. 612–623.
  27. Angelika Benz: Grattenauer, Karl Wilhelm. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Bd. 2: Personen. De Gruyter Saur, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-44159-2, S. 307 f. (abgerufen über De Gruyter Online).
  28. Rainer Erb und Werner Bergmann: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860. Metropol, Berlin 1989, S. 111–135.
  29. Armin Pfahl-Traughber: Antisemitismus in der deutschen Geschichte. Landeszentrale für politische Bildung Berlin, 2013, S. 48.
  30. Friedrich Rühs: Über die Ansprüche des Juden an das deutsche Bürgerrecht. in Bentzel-Sternau: Anti-Israel – eine projüdische Satire aus dem Jahre 1818; nebst den antijüdischen Traktaten Friedrich Rühs’ und Jakob Friedrich Fries’ (1816), Manutius-Verlag, Heidelberg 2004, ISBN 3-934877-31-1.
  31. Rainer Erb und Werner Bergmann: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860. Metropol, Berlin 1989, S. 114.
  32. Werner Treß: Wartburgfest. In: Wolfgang Benz (Hrsg.) Handbuch des Antisemitismus, Bd. 4: Ereignisse, Dekrete, Kontroversen. de Gruyter Saur, Berlin/New York 2011, ISBN 978-3-598-24076-8, S. 434 f. (abgerufen über De Gruyter Online).
  33. Heinrich Heine: Ludwig Börne. Eine Denkschrift. Viertes Buch, 1840.
  34. Werner Bergmann: Paalzow, Christian Ludwig. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Bd. 2: Personen. De Gruyter Saur, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-44159-2, S. 611 f. (abgerufen über De Gruyter Online).
  35. Rainer Erb und Werner Bergmann: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860. Metropol, Berlin 1989, S. 198 und 202.
  36. Jacob Katz: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933. C.H. Beck, München 1990, ISBN 3-406-33555-1, S. 174 f.
  37. Richard Wagner: Das Judenthum in der Musik. Insel, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-458-34317-2, S. 31.
  38. Eduard Meyer: Gegen Ludwig Börne, den Wahrheit-, Recht- und Ehrvergessenen Schriftsteller aus Paris.
  39. Edmund Silberner: Sozialisten zur Judenfrage. Ein Beitrag zur Geschichte des Sozialismus von Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1914, Berlin 1962, S. 260.
  40. Ludwig Andreas Feuerbach: Das Wesen des Christentums. Gesammelte Werke Teil 5, bearbeitet von Werner Schuffenhauer und Wolfgang Harich, 2006, ISBN 3-05-004212-5, S. 209 ff.
  41. Micha Brumlik, Doron Kiesel, Linda Reisch: Der Antisemitismus und die Linke, Haag + Herchen, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-89228-726-0, S. 7 ff.
  42. Walter Grab: Aspekte der Judenemanzipation in Tagesliteratur und Publizistik 1848-1869. In: Hans Otto Horch, Horst Denkler: Conditio Judaica. Judentum, Antisemitismus und deutschsprachige Literatur vom 18. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg. Erster Teil, Max Niemeyer, Berlin 1988, S. 294 f.
  43. Matthias Vetter: Marx, Karl. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Bd. 2: Personen. De Gruyter Saur, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-44159-2, S. 526 (abgerufen über De Gruyter Online).
  44. Pierre-Joseph Proudhon: Carnets, 26 décembre 1847 (Notizbücher, 26. Dezember 1847), zitiert nach Dominique Trimbur: Proudhon, Pierre-Joseph. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Bd. 2: Personen. De Gruyter Saur, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-44159-2, S. 657 f. (abgerufen über De Gruyter Online).
  45. Michail Bakunin: Persönliche Beziehungen zu Marx. In: Gott und der Staat und andere Schriften, Rowohlt, 1971, ISBN 3-499-45240-5; Arnon Hampe: Bakunin, Michail Alexandrowitsch. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Bd. 2: Personen. De Gruyter Saur, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-44159-2, S. 46 (abgerufen über De Gruyter Online).
  46. Zum Forschungsstand zu den Hep-Hep-Krawallen vgl. Werner Bergmann: Tumulte ― Excesse ― Pogrome, 2020, S. 137–183, und Stefan Rohrbacher: Gewalt im Biedermeier, 1993, S. 94–156.
  47. Daniel Gerson: Hepp-Hepp. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 4: Ereignisse, Dekrete, Kontroversen. De Gruyter Saur, Berlin 2011, ISBN 978-3-598-24076-8, S. 116 f. (abgerufen über De Gruyter Online)
  48. Rainer Erb und Werner Bergmann: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860. Metropol, Berlin 1989, S. 246–261.
  49. Rainer Erb und Werner Bergmann: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860. Metropol, Berlin 1989, S. 208 f.
  50. Michael Lausberg: Die Resonanz des gobinistischen Rassenbegriffs bei Wagner und Nietzsche
  51. Karl Heinrich Rengstorf und Siegfried von Kortzfleisch (Hrsg.): Kirche und Synagoge. Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung mit Quellen. 2. Auflage, Stuttgart 1970, S. 306 f.
  52. Alexander Bein: „Der jüdische Parasit“. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 13 (1965), Heft 2, S. 144 (online).
  53. Rainer Erb und Werner Bergmann: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860. Metropol, Berlin 1989, S. 196.
  54. Rainer Erb und Werner Bergmann: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860. Metropol, Berlin 1989, S. 195.
  55. Nikolaj Beier: „Vor allem bin ich ich…“: Judentum, Akkulturation und Antisemitismus in Arthur Schnitzlers Leben und Werk. Wallstein, 2008, ISBN 3-8353-0255-8, S. 23
  56. Anja Lobenstein-Reichmann: Houston Stewart Chamberlain. Zur textlichen Konstruktion einer Weltanschauung. Eine sprach-, diskurs- und ideologiegeschichtliche Analyse. Walter de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-020957-0, S. 35–57.
  57. Gordon A. Craig: Deutsche Geschichte 1866–1945, München 1999, ISBN 3-406-42106-7, S. 105.
  58. Olaf Blaschke: „Heimatgeschichte als Harmonielehre? Warum ausgerechnet stets in ‚unserem‘ Ort Toleranz herrschte und niemals Judenhass. Erklärungen eines Widerspruchs.“ In: Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hrsg.): Nebeneinander – Miteinander – Gegeneinander? Zur Koexistenz von Juden und Katholiken in Süddeutschland im 19. und 20. Jahrhundert. „Laupheimer Gespräche“, Bleicher, Gerlingen 2002, S. 137–161.
  59. Siehe z. B. Adolf Stoecker: Reden im neuen Reichstag 1899. Siegen 1899, S. 65, 219, 385, 447.
  60. Zur Wirkung des Antisemitismus auf die akademische Führungsschicht: Werner Jochmann: Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft in Deutschland 1870–1945. Christians Verlag, Hamburg, 1988, S. 17. Zur Wirkung des Antisemitismus auf die Jugend: Werner Jochmann: Die Politisierung der Jugend. In: derselbe, Günter Brakelmann, Martin Greschat: Protestantismus und Politik. Werk und Wirkung Adolf Stoeckers. Christians Verlag, Hamburg, 1982, S. 162 ff. Zur Politisierung des Mittelstandes und der protestantischen Kirche: Hans Engelmann: Kirche am Abgrund. Adolf Stoecker und seine antijüdische Bewegung. Institut Kirche und Judentum, Berlin 1984., S. 153 f.
  61. Michael Ley: Holokaust als Menschenopfer: vom Christentum zur politischen Religion des Nationalsozialismus. Lit, Münster 2002, S. 80.
  62. Offenes Schreiben an Herrn Ernst von Weber Verfasser der Schrift Die Folterkammern der Wissenschaft, 1879, R. Wagner, Gesammelte Werke, Leipzig 1888.
  63. Daniel Jütte: Tierschutz und Nationalsozialismus. Die Entstehung und die Auswirkungen des nationalsozialistischen Reichstierschutzgesetzes von 1933 (PDF (Memento vom 27. Dezember 2013 im Internet Archive)), IDB Münster 2002, S. 167 ff.
  64. Hanna Rheinz: Kabbala der Tiere, Tierrechte im Judentum. In: IATE (Hrsg.): Tierrechte, eine interdisziplinäre Herausforderung., Heidelberg 2007, S. 234–252.
  65. Gerd Hoffmann: Der Prozeß um den Brand der Synagoge in Neustettin. (Memento vom 14. Januar 2004 im Internet Archive) (Rezension)
  66. Micha Brumlik: Antisemitismus. 100 Seiten. Reclam, Ditzingen 2020, S. 52.
  67. Alex Bein: Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems. Band 2: Anmerkungen, Exkurse, Register. Stuttgart 1980, S. 202.
  68. Peter Pulzer: Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 bis 1914. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2004, S. 148.
  69. Zitiert nach Ernst Simmel (Hrsg.): Antisemitismus. Fischer TB, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-596-15530-4, S. 58 f.
  70. Wilhelm Mommsen: Deutsche Parteiprogramme. S. 84, zitiert nach Neuer Antisemitismus? S. 19. (PDF; 1,7 MB).
  71. Norbert Kampe: Studenten und 'Judenfrage' im Deutschen Kaiserreich. Die Entstehung einer akademischen Trägerschicht des Antisemitismus. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1988, S. 205 f.
  72. Peter Pulzer: Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 bis 1914. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2004, S. 220.
  73. Peter Pulzer: Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 bis 1914. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2004, S. 254.
  74. Harald Lönnecker: Wagnerianer auf der Universität (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive) (PDF; 204 kB).
  75. Kultur, Politik und Öffentlichkeit. (PDF) Dagmar Bussiek, Simona Göbel, abgerufen am 4. Juni 2010.
  76. Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden. Beck, München 2000, S. 46.
  77. Olaf Blaschke: Katholizismus und Antisemitismus im deutschen Kaiserreich. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999 (2. Aufl.), S. 294 f.
  78. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen, Bd. 1: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. C.H. Beck, München 2000, S. 320; ähnlich Volker Ulrich: Die nervöse Großmacht 1871–1918. Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs, Fischer, Frankfurt am Main 1997 (Google Books-Vorschau).
  79. Vgl. Lars Fischer: The Social Democratic Party Congress of 1903 and the Case of Hans Leuß. In: The Socialist Response to Antisemitism in Imperial Germany, Cambridge University Press, London 2007, S. 103–134 (online).
  80. Julius H. Schoeps: Wie antisemitisch waren die Sozialisten? In: Über Juden und Deutsche. Historisch-politische Betrachtungen Burg, 1986, S. 110 ff.
  81. http://falschzitate.blogspot.com/2017/12/der-antisemitismus-ist-der-sozialismus.html Siehe Fachzitate
  82. August Bebel: Refererat „Antisemitismus und Sozialdemokratie“. In: Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei, abgehalten zu Köln a. Rh. Verlag der Expedition des „Vorwärts“ Berliner Volksblatt, Berlin 1893, S. 235 (online).
  83. Deutsches Haus der Geschichte: Die Deutschvölkische Partei
  84. Sitzungsprotokoll des preußischen Staatsministeriums vom 4. Februar 1918: online (Nr. 229 und 230).
  85. Dirk Walter: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. Judenfeindschaft in der Weimarer Republik. J.H.W. Dietz Nachf. Bonn 1999, S. 39.
  86. Monika Richarz (Hrsg.): Jüdisches Leben in Deutschland II. Im Kaiserreich. Selbstzeugnisse zur Sozialgeschichte. S. 38.
  87. Dirk Walter: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. S. 23.
  88. Dirk Walter: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. S. 27.
  89. John C. G. Röhl: Kaiser, Hof und Staat: Wilhelm II. und die deutsche Politik. Beck, München 2002, ISBN 978-3-406-49405-5, S. 220
  90. Willibald Gutsche: „Man rufe Mir! Ick komme! Amen.“ In: Die Zeit. Nr. 28, 3. Juli 1992, S. 70.
  91. Seine Schuld ist sehr groß. Interview mit John Röhl. Spiegel 8/2004.
  92. Colin Williams: „Das beste wäre Gas“, wetterte der Kaiser. Berliner Zeitung, 5. November 1994
  93. Dirk Walter: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. S. 247.
  94. Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich. Schöningh, Paderborn 1995, ISBN 3-506-77492-1.
  95. Cornelia Hecht: Deutsche Juden und Antisemitismus in der Weimarer Republik. Dietz, Berlin 2003, ISBN 3801241378, S. 177f.
  96. Dirk Walter: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. S. 253.
  97. Ludger Heid, Arnold Paucker: Juden und deutsche Arbeiterbewegung bis 1933. Mohr Siebeck, Tübingen 1992, ISBN 3-16-146016-2, S. 99.
  98. Ralf Hoffrogge: Der Sommer des Nationalbolschewismus? Die Stellung der KPD-Linken zum Ruhrkampf und ihre Kritik am „Schlageter-Kurs“ von 1923. Sozial.Geschichte Online, Nr. 20/2017.
  99. Holocaustreferenz: Adolf Hitler: Gutachten zum Antisemitismus.
  100. LeMO: 25-Punkte-Programm der NSDAP, Punkte 4–8.
  101. Wolfgang Wippermann: Ideologie. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 1998, S. 14.
  102. Brigitte Hamann: Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators. München 1996, S. 496 ff.; Ralf Georg Reuth: Hitlers Judenhass. Klischee und Wirklichkeit. München 2009.
  103. Gerhard Paul, Aufstand der Bilder. Die NS-Propaganda vor 1933. J. H. W. Dietz Nachf., Bonn 1990, S. 90–94; Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949. C.H. Beck, München 2003, S. 569; Michael Mayer, NSDAP und Antisemitismus 1919–1933. In: Munich Discussion Paper. Nr. 2002-5 (online (PDF; 361 kB), Zugriff am 9. Januar 2011).
  104. Die Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung In: LeMOLebendiges virtuelles Museum Online (13. März 2012).
  105. Almut Hirt, Christoph Maisack, Johanna Moritz: Tierschutzgesetz. 2. Auflage, Verlag Franz Vahlen, München 2007, ISBN 978-3-8006-3230-5.
  106. Julius Ludwig Pfeiffer: Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972. Die Geschichte des deutschen Tierschutzrechts von 1950 bis 1972. Verlag Peter Lang, Bern/Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-631-52708-X.
  107. Boria Sax: Animals in the Third Reich: Pets, Scapegoats, and the Holocaust. Foreword by Klaus P. Fischer. Continuum, New York/ London 2000, ISBN 0-8264-1289-0.
  108. Friedrich Koch: Sexuelle Denunziation. Die Sexualität in der politischen Auseinandersetzung. 2. Aufl., Hamburg 1995, ISBN 3-434-46229-5, Seite 64–95.
  109. Im Schatten der Nürnberger Gesetze. In: Volkmar Weiss: Vorgeschichte und Folgen des arischen Ahnenpasses: Zur Geschichte der Genealogie im 20. Jahrhundert. Arnshaugk, Neustadt an der Orla 2013, ISBN 978-3-944064-11-6, S. 151–178.
  110. Bernward Dörner: Hitler-Rede vom 30. Januar 1939. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 6 Publikationen. de Gruyter, Berlin/Boston 2013, ISBN 978-3-11-030535-7, S. 281 f. (abgerufen über De Gruyter Online)
  111. Zeittafel: Juden im Dritten Reich (Memento vom 21. Juni 2008 im Internet Archive)
  112. Werner Bergmann: Antisemitismus. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Lexikon des Holocaust. C.H. Beck, München 1976, S. 15.
  113. Genealogienetz.de: Blumentritt (Familienname)
  114. Michael Brenner, Stefi Jersch-Wenzel, Michael A. Meyer: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd. 2, Emanzipation und Akkulturation 1780–1871. C.H. Beck, München 1996, S. 78 ff.
  115. Michael Brenner, Stefi Jersch-Wenzel, Michael A. Meyer: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd. 2, Emanzipation und Akkulturation 1780–1871. C.H. Beck, München 1996, S. 63 ff.
  116. Michael Meyer (Hrsg.): Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit. (Steven M. Lowenstein u. a.:) Umstrittene Integration 1871–1918. Bd. 3, C.H. Beck, München 1997, S. 255 f.
  117. Marija Vulesica: „Abwehrverein (Österreich)“ In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 5 Organisationen, Institutionen, Bewegungen. de Gruyter, Berlin 2012, S. 1 f.
  118. Christine Schindler: Austrofaschismus: Politik, Ökonomie, Kultur, 1933–1938, 2005 (broschiert 2012, ISBN 978-3-8258-7712-5), S. 29.
  119. Gerhard Vilsmeier: Deutscher Antisemitismus im Spiegel der österreichischen Presse und ausgewählter Zeitungen in der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Jugoslawien. Die Jahre 1933 bis 1938. Peter Lang Verlag, Bern 1987, ISBN 978-3-8204-0007-6.
  120. Werner Bergmann: Tumulte ― Excesse ― Pogrome: Kollektive Gewalt gegen Juden in Europa 1789-1900 Wallstein 2020, ISBN 978-3-8353-3645-2, S. 134 f.
  121. Michael Brenner, Stefi Jersch-Wenzel, Michael A. Meyer: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd. 2, Emanzipation und Akkulturation 1780–1871. C.H. Beck, München 1996, ISBN 3-406-39703-4, S. 308 f., 321.
  122. Fehrmann, Die antisemitische Bewegung in der Schweiz und das Programm der Schweizer Christenwehr, in Die Weltfront. Eine Sammlung von Aufsätzen antisemitischer Führer aller Völker. Hrsg. Hans Krebs, Weltfrontverlag, Aussig 1926 online S. 85–89 (nur in dieser 1. Aufl.).
  123. Prozessunterlagen im Bezugsartikel „Protokolle…“ unter Weblinks.
  124. Hagalil: Die Juden in der Schweiz
  125. Gaby Knoch-Mund, Jacques Picard: Antisemitismus. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  126. Bericht des Simon-Wiesenthal-Zentrums: Schweiz in 40er Jahren von Antisemitismus durchsetzt
  127. Claus Oberhauser: Simoninis Brief (1806). In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Schriften und Periodika. De Gruyter Saur, Berlin 2013, S. 645 ff. ISBN 978-3-11-030535-7 (abgerufen über De Gruyter Online).
  128. Göran Larsson: Die Macht einer Lüge. Fakten oder Fälschung: Die Protokolle der Weisen von Zion, Teil II: Wurzeln. S. 20 f. (PDF; 433 kB)
  129. Werner Bergmann: Tumulte – Excesse – Pogrome: Kollektive Gewalt gegen Juden in Europa 1789-1900. Wallstein 2020, ISBN 978-3-8353-3645-2, S. 272 ff.
  130. David I. Kertzer: Die Päpste und die Juden. Der Vatikan und die Entstehung des modernen Antisemitismus, Propyläen, München 2001; referiert bei HaGalil (Nachdruck): Gefälschte Talmud-Zitate: Dr. Kroner, Dr. Bloch und der Prozess Rohling/Bloch vom November 1885
  131. Trond Berg Eriksen, Håkon Harket, Einhart Lorenz: Judenhass. Die Geschichte des Antisemitismus von der Antike bis zur Gegenwart. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, S. 423.
  132. Willems, Gilles, The origins of Pathé-Natan (Memento vom 11. Februar 2012 im Internet Archive)
  133. Ira Katznelson, Barry Weingast: Preferences and Situations. ISBN 978-0-87154-442-1, S. 88 f. (englisch).
  134. Stephen Greenblatt: Will in der Welt. Wie Shakespeare zu Shakespeare wurde. Berlin-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-8270-0438-1, Gelächter am Schafott.
  135. Thomas Whipple Perry: Public opinion, propaganda, and politics in eighteenth century England. A study of the Jew Bill of 1753. Harvard University Press, 1962, S. 75–90, 99, und 178–182.
  136. George Macaulay Trevelyan: Geschichte Englands. Band 2. Von 1603–1918. Leibniz-Verlag, 1947, OCLC 309996798, S. 185 ff.
  137. Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Dort: Die Karriere Benjamin Disraelis. Piper 4. Aufl. von 1986, München 1995, S. 131 ff., Zitat: S. 136.
  138. Joseph Caro, zitiert nach Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Piper, 4. Aufl. von 1986, München 1995. S. 133.
  139. Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Dort: Die Karriere Benjamin Disraelis. Piper 4. Aufl. von 1986, München 1995, S. 144, 145.
  140. Jago Salmon auf der Seite des Instituts für Auslandsbeziehungen: Wird Großbritannien antisemitisch? (Memento vom 29. Juni 2009 im Internet Archive)
  141. Susanne Terwey: „The Death Trap (Roman von Robert William Cole, 1907).“ In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 7 Literatur, Film, Theater und Kunst. De Gruyter, Berlin 2015, S. 63 f.
  142. Susanne Terwey: Moderner Antisemitismus in Großbritannien 1899–1919. Königshausen & Neumann, 2006, ISBN 3-8260-3460-0, S. 86 ff. und 102 ff.
  143. Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung. C.H. Beck, München 2005, S. 72 f.
  144. Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung. C.H. Beck, München 2005, S. 76 f.
  145. David I. Kertzer: Die Päpste gegen die Juden. Propyläen, 2001, ISBN 3-549-07147-7.
  146. Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung. C.H. Beck, München 2005, S. 132 f.
  147. Gabriele Schneider: Mussolini in Afrika: die faschistische Rassenpolitik in den italienischen Kolonien 1936–1941. SH-Verlag, Köln 2000, ISBN 3-89498-093-1, S. 78 f.
  148. Julius Hans Schoeps: Über Juden und Deutsche: historisch-politische Betrachtungen. Burg, Rehau 1986, ISBN 3-922801-16-1, S. 117.
  149. Dolomiten: Die Rassenschutzgesetzgebung, 12. November 1938, Digitalisierte Ausgabe in der Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann Bibliotech Provinziela/Biblioteca Provinciale
  150. Karin Priester: Rassismus. Eine Sozialgeschichte, Reclam, Leipzig, 2003, ISBN 3-379-20076-X, S. 24.
  151. The Spanish The Spanish Government and the Axis: No. 15. Notes on Conversation Between General Franco and Ambassador Dieckhoff.
  152. W. Montgomery Watt: Muhammad at Medina. Oxford University Press, 1962. S. 214
  153. Meir J. Kister: The Massacre of the Banū Quraiẓa: A re-examination of a tradition. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 8 (1986). S. 62.
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  164. Michael Kiefer: Islamisierter Antisemitismus. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus Band 3, Berlin 2008, S. 135; Michel Bernhardt, Julia Jaki: Die ‚Protokolle der Weisen von Zion‘. In: Schirin Fathi (Hrsg.): Komplotte, Ketzer und Konspirationen, Bielefeld 2010, S. 217 f. (beides abgerufen über De Gruyter Online).
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  169. NIOD Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Genocidestudies: De SS en Nederland, Den Haag, Martinus Nijhoff Verlag, 1976, S. 402 (Digital).
  170. Rudi Van Doorslaer (dir) et al.: La Belgique docile. Les autorités belges et la persécution des juifs en Belgique durant la Seconde guerre mondiale:. Brüssel, Luc Pire/Ceges, 2007, 2 Bde., ISBN 978-2-87415-848-3.
  171. Blick nach Rechts 4/2007: Bericht über belgische Kollaboration (Memento vom 22. März 2007 im Internet Archive)
  172. Jochen Reinert: Helsinki und der Holocaust (Memento vom 17. November 2015 im Internet Archive). Erschienen in Ossietzky 5/2004.
  173. Vilhjálmur Örn Vilhjálmsson: Iceland, the Jews, and Anti-Semitism 1625–2004
  174. Maciej Jankowski: Polish Liberal Thought before 1918. Central European University Press, Budapest und New York 2004, S. 198.
  175. Für die Zeit zwischen den Weltkriegen: Heiko Haumann: Geschichte der Ostjuden. Deutscher Taschenbuch Verlag, 1998, ISBN 3-423-30663-7, S. 196 ff.
  176. Hellmuth G. Bütow (Hrsg.): Länderbericht Sowjetunion (= Studien zur Geschichte und Politik; Bd. 263), Bundeszentrale für politische Bildung, 2. aktualisierte Auflage, Bonn, 1988, S. 581.
  177. Z. B. Anklageschrift gegen Erich Ehrlinger und andere, Landgericht Kiel 1960, S. 67; siehe Dokumentenarchiv Yad Vashem.
  178. Iulia Onac: „In der rumänischen Antisemiten-Citadelle“. Zur Entstehung des politischen Antisemitismus in Rumänien 1878–1914, Metropol-Verlag 2017, ISBN 978-3-86331-352-4 (Inhaltsverzeichnis). Siehe auch Geschichte Rumäniens#Königreich Rumänien.
  179. Nicht zu verwechseln mit dem Namensgeber der Universität in Iași, Alexandru Ioan Cuza, die nach dem Fürsten der vereinigten Walachei und Moldawiens zur Gründungszeit 1860 benannt ist.
  180. A. C. Cuza: Das jüdische Problem in Rumänien und die Doktrin der „völkisch-christlichen Verteidigung“; in Hans Krebs, Otto Prager: Weltfront. Eine Sammlung von Aufsätzen antisemitischer Führer aller Völker. Weltfrontverlag, Aussig 1926, S. 56–59. Auch in der 2. Aufl. Nibelungen, Berlin/Leipzig 1935 Autoren- und Titelliste. Cuza lebte 1857–1947.
  181. Nellja Veremej: Bulgarisches Paradox: Reifeprüfung für die Zivilgesellschaft. Abgerufen am 28. Februar 2015.
  182. helsinki.org.rs (MS Word; 80 kB) Helsinki Committee for Human Rights in Serbia: Antisemitism, 2008, (englisch).
  183. Frank E. Smitha: Roosevelt and Approaching War: The Economy, Politics and Questions of War, 1937–38, March 12, 2006
  184. Wesley P. Greear: American Immigration Policies and Public Opinion on European Jews from 1933 to 1945.
  185. Klaus Hart: Schlechte Menschen. Antisemitismus in Südamerika – weit verbreitet und wenig erforscht. NZZ, 11. November 2008.
  186. darin bes. weiterführend: Gustav Seeber: Zum Kampf der dt. Sozialdemokratie gegen den Antisemitismus im Kaiserreich. S. 7–16; Karl-Heinz Gräfe: Stalinismus und Antisemitismus in der UdSSR der 20er und 30er Jahre. S. 17–25.
  187. Sowie alle vorherigen Bände; mehrere Aufl., auch unter anderen Verlagsnamen.
  188. Interdisziplinäre Aufsatzsammlung mit Epochenquerschnitten.
  189. In der Einleitung ein Forschungsbericht, als Skizze der Jahre 1966–2004; im Anhang histor. Schlüsseldokumente; diese beiden Teile online im Internet-Buchhandel lesbar.

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