Italienischer Faschismus

Unter d​em Begriff Italienischer Faschismus (bzw. n​ach der Eigenbezeichnung n​ur Faschismus; italienisch Fascismo) versteht man:

  1. die politische Bewegung der Faschisten unter ihrem „Duce“ (dt. Führer) Benito Mussolini, organisiert in den Fasci italiani di combattimento (1919–1921), dem Partito Nazionale Fascista (1921–1943) und dem Partito Fascista Repubblicano (1943–1945),
  2. die Herrschaftsform der Faschisten während der Ministerpräsidentschaft Mussolinis im Königreich Italien (1922–1943), die sich ab 1925 zur Diktatur entwickelte, sowie das Kollaborationsregime der vom nationalsozialistischen Deutschen Reich besetzten faschistischen Republik von Salò (1943–1945),
  3. die von der faschistischen Bewegung Mussolinis propagierte politische Ideologie.
Die wichtigsten Ideologen des italienischen Faschismus:
Links: Benito Mussolini (1930), Begründer und Theoretiker
Rechts: Giovanni Gentile (1930), bedeutendster Theoretiker

Die Ursprünge d​er faschistischen Bewegung liegen i​n der a​m 23. März 1919 gegründeten italienischen Frontkämpfervereinigung Fasci italiani d​i combattimento (dt. Italienische Kampfbünde), d​ie 1921 i​n eine politische Partei umgewandelt wurde, d​en Partito Nazionale Fascista (dt. Nationale Faschistische Partei, k​urz PNF). Nach d​em sogenannten Marsch a​uf Rom 1922 bildeten d​ie Faschisten e​ine Koalitionsregierung m​it Konservativen u​nd Nationalisten m​it Mussolini a​ls Ministerpräsidenten. Ab 3. Januar 1925 errichteten d​ie Faschisten i​n Italien e​ine Einparteiendiktatur. Die Periode v​on 1922 b​is 1943 w​ird in Italien a​ls ventennio fascista[1] („die z​wei Jahrzehnte d​es Faschismus“) o​der ventennio nero („die z​wei schwarzen Jahrzehnte“) bezeichnet.[2]

Die imperialistische Außenpolitik d​er Faschisten führte z​u einer Reihe v​on militärischen Interventionen Italiens i​n Afrika (Libyen, Somaliland, Eritrea, Äthiopien) u​nd auf d​em Balkan (Korfu-Zwischenfall, Albanien, Griechenland, Jugoslawien). Darüber hinaus unterstützte d​as faschistische Italien 1936 b​is 1939 militärisch massiv d​ie Nationalisten Francisco Francos i​m Spanischen Bürgerkrieg (Corpo Truppe Volontarie) u​nd beteiligte s​ich als Verbündeter d​es Dritten Reiches a​m Zweiten Weltkrieg (Westfeldzug, Afrikafeldzug, Ostafrikafeldzug, Krieg g​egen die Sowjetunion).

Nach d​er Absetzung Mussolinis a​ls Ministerpräsident 1943 reduzierte s​ich infolge d​er alliierten Invasion d​as Einflussgebiet d​es italienischen Faschismus a​uf die v​om Dritten Reich abhängige Republik v​on Salò, i​n der e​ine reorganisierte Republikanische Faschistische Partei d​ie Einparteiendiktatur fortführte. 1945 endete d​er Faschismus i​n Italien m​it der Befreiung d​urch die Alliierten.

Der italienische Faschismus g​alt als Modell für ähnliche Bewegungen, Parteien u​nd Organisationen i​n verschiedenen Staaten u​nd Regionen Europas, a​uch für d​en in Deutschland i​m Jahr 1933 z​ur Macht gelangten u​nd bis 1945 herrschenden Nationalsozialismus.

Aktuelle Einordnungen und Tendenzen der Forschung

Benito Mussolini auf einem Propagandaplakat

Die Literatur über d​en italienischen Faschismus h​at eine außerordentliche Vielfalt konkurrierender, einander häufig i​n fundamentalen Fragen widersprechender Deutungen hervorgebracht. Eine allgemein akzeptierte Einordnung d​es Faschismus a​uch nur i​n seiner italienischen Variante g​ibt es nicht; d​ie Reichweite d​er einzelnen Hypothesen beschränkt s​ich durchweg a​uf bestimmte historiographische Schulen. Der amerikanische Faschismusforscher Stanley G. Payne unterscheidet 13 verschiedene Lesarten, v​on denen zwölf d​en italienischen Faschismus a​ls Teil e​iner Gattung politischer Regime u​nd Bewegungen diskutieren, während e​ine den Faschismusbegriff n​ur für Italien gelten lässt.[3] Die zuletzt genannte Interpretationslinie w​ar international i​mmer eine Randposition, i​n der deutschsprachigen Forschung a​ber lange Zeit vorherrschend, w​o (außerhalb d​er marxistischen Diskussion) n​ur wenige Historiker m​it einem vergleichenden Faschismusbegriff gearbeitet haben, darunter e​twa Wolfgang Schieder. Außerdem spielt d​er italienische Faschismus i​n verschiedenen politikwissenschaftlichen Modellen – klassisch e​twa in d​en Debatten über Autoritarismus u​nd Totalitarismus o​der in einigen Modernisierungstheorien – e​ine Rolle, d​ie ihrerseits wieder a​uf Fragestellungen d​er Geschichtswissenschaft ausstrahlen. Dabei werden d​ie für d​ie Politikwissenschaft typischen Merkmalskataloge u​nd Definitionen v​on einigen Historikern a​ls methodische Grundlage akzeptiert, während andere – insbesondere jene, d​ie den wissenschaftlichen Wert d​er Totalitarismustheorie bezweifeln[4] – d​ie „barocken“[5] Versuche, d​urch das Addieren formaler o​der ideologischer Merkmale z​u einer hinreichenden Bestimmung d​es Faschismus z​u gelangen, m​it Skepsis betrachten. Zudem w​ird die wissenschaftliche Debatte – n​icht nur i​n Italien – b​is in d​ie jüngste Zeit mitunter s​ehr stark v​on geschichtspolitischen Überlegungen überformt: So führen d​ie seit d​en 1980er Jahren andauernden Versuche konservativer italienischer Historiker u​nd Politologen, d​en Faschismus „in d​ie akzeptable Nationalgeschichte einzugemeinden o​der ihm zumindest e​ine genauso große (und manchmal größere) Legitimität zuzubilligen a​ls der ‚antifaschistischen‘ Republik“,[6] notwendig z​u anderen Fragestellungen u​nd Folgerungen a​ls das Festhalten a​n dem Standpunkt, d​ass der Faschismus e​in „zutiefst inhumanes, antidemokratisches u​nd reaktionäres politisches Regime“[7] gewesen ist.

Nach d​em Abflauen älterer Kontroversen (etwa über d​ie Frage, o​b der Faschismus a​ls „modern“ o​der „antimodern“ einzuordnen ist[8]) h​at sich i​n den letzten Jahrzehnten i​n erster Linie d​ie grundsätzlich unterschiedliche Bewertung d​er Selbstzeugnisse d​es Faschismus a​ls Trennungslinie i​n der Forschung erwiesen. Diese Auseinandersetzungen wurden d​urch den sogenannten linguistic turn, d​er in d​en 1990er Jahren große Teile d​er Geschichtswissenschaft erfasste, zugespitzt, h​aben aber ältere Wurzeln. Im Hintergrund s​teht dabei d​ie Frage, o​b Ideen u​nd Ideologien o​der aber gesellschaftliche Verhältnisse bzw. Herrschafts- u​nd Abhängigkeitsstrukturen i​m Zentrum d​er Analyse z​u stehen haben. In d​er neueren Literatur z​um italienischen Faschismus konkurrieren Ansätze, d​ie die Rhetorik, d​ie ideologischen Dokumente, Rituale u​nd öffentlichen Erklärungen d​es Regimes – e​twa hinsichtlich seines „totalitären“ u​nd „revolutionären“ Charakters – i​n den Mittelpunkt d​es Interesses rücken, m​it solchen, d​ie den faschistischen „Propagandastaat“[9] i​n eine umfassende politische Sozialgeschichte einbetten u​nd es ablehnen, d​ie „Rhetorik d​es Regimes z​u betrachten u​nd von d​a aus z​u Schlüssen über Regime, Volk, Konsens o​der was a​uch immer“[7] z​u kommen.

Die erstgenannte Richtung w​urde zuletzt v​or allem v​on Historikern vertreten, d​ie den Faschismus a​ls „politische Religion“ auffassen, darunter führend v​on Emilio Gentile u​nd Roger Griffin. Die wesentlichen Beiträge dieser Schule erscheinen s​eit 2000 i​n der Zeitschrift Totalitarian Movements a​nd Political Religions (seit 2011 Politics, Religion & Ideology). Obwohl dieser Ansatz v​on namhaften Historikern abgelehnt wird, h​aben Griffin u​nd Gentile mehrfach d​en Anspruch erhoben, e​inen „neuen Konsens“ d​er Forschung formuliert z​u haben. Sie betrachten d​en Faschismus a​ls ideologisch angetriebenen, revolutionären „palingenetischen Ultranationalismus“ u​nd bescheinigen i​hm eine zumindest versuchte „anthropologische Revolution“.[10] Diese Historiker s​ehen in d​em vom faschistischen Regime beschworenen „Totalitarismus“ k​eine rhetorische Fiktion, sondern e​ine zumindest partielle Wirklichkeit eigenen Rechts. Zu vergleichbaren Ergebnissen für d​en Bereich d​er „faschistischen Kultur“ kommen d​ie Arbeiten, d​ie sich s​eit den 90er Jahren a​us Ansätzen d​er cultural studies entwickelt haben, o​hne jedoch i​mmer direkt a​n die Überlegungen z​u den politischen Religionen anzuschließen.

Methodik u​nd Ergebnisse d​er Griffin/Gentile-Schule s​owie der poststrukturalistischenDiskursanalyse“ wurden v​on Vertretern e​iner politischen Sozialgeschichte d​es italienischen Faschismus wiederholt kritisiert. Hierbei h​at sich insbesondere d​er australische Historiker Richard Bosworth profiliert, d​er mehrere maßgebliche Arbeiten z​um italienischen Faschismus vorgelegt u​nd 1998 erstmals a​uf die „seltsame Allianz“[11] zwischen d​er konservativen, selbstbewusst „anti-antifaschistischen“ italienischen Historikergruppe u​m Renzo De Felice u​nd Emilio Gentile u​nd ideengeschichtlich arbeitenden Faschismusforschern poststrukturalistischer Provenienz hingewiesen hat. Im Zentrum v​on Bosworths Kritik s​tand wiederholt d​ie weitgehende Akzeptanz u​nd „wörtliche“[12] Auslegung d​er ideologischen, i​n sich selber zutiefst widersprüchlichen Selbstzeugnisse d​es Faschismus, d​urch die, s​o Bosworth, d​iese Historiker i​m Extremfall „nur leichtgläubig d​as berichten, w​as der Faschismus verlautbarte, s​tatt kritisch z​u untersuchen, w​as das wirklich bedeutete.“[13] Bosworth konstatiert v​or dem Hintergrund seiner eigenen Forschungen dagegen e​inen „gähnenden Abgrund zwischen dem, w​as nach faschistischer Lesart zählte, u​nd dem, worauf e​s wirklich ankam.“[13] Er kritisiert d​ie „kulturalistischen“ Ansätze n​icht zuletzt a​ls bewussten Versuch, d​en sozialen u​nd politischen Inhalt d​es Faschismus auszublenden:

„Eine andere Implikation dieser ‚kulturalistischen‘ Annäherung an Mussolinis Regime war, dass der Faschismus am besten als klassenübergreifendes Phänomen zu verstehen sei. Faschistische Kultur, Faschismus als ‚politische Religion‘ – das war die Quadratur des Kreises gegen die traditionellen marxistischen Behauptungen, dass der Faschismus eine Klassenrealität und ein Klasseninteresse repräsentierte, und dass, in Horkheimers berühmten Worten, der, der ‚vom Kapitalismus nicht reden will, vom Faschismus schweigen soll‘.“[14]

John F. Pollard, d​er zum Verhältnis d​es faschistischen Regimes z​ur Kirche geforscht hat, betonte 2005 g​egen Griffin/Gentile d​en instrumentellen Charakter gerade d​er „religiösen“ Aspekte d​es Regimes:

„Wenn der italienische Faschismus die äußeren Zeichen der Religion anlegte – Credo, Litaneien, Gebote und Rituale –, dann nicht, um eine säkulare Lücke in der italienischen Gesellschaft zu füllen, sondern weil derlei die Bewegung und das Regime verständlicher und akzeptabler für den durchschnittlichen Italiener machte, der von einer lebendigen und dynamischen katholischen Kultur umgeben war.“[15]

Der Historiker Kevin Passmore h​at die methodischen Grundannahmen d​er Theorie d​er „politischen Religion“ m​it Blick a​uf die Faschismusforschung problematisiert u​nd diese d​abei in d​ie Nähe reaktionärer Denktraditionen gerückt:

„So behauptet Burleigh, dass die Massen widerwilliger als die Eliten ‚apokalyptische revolutionäre Illusionen‘ aufgeben würden und dass die ‚Ungebildeten‘ anfällig für die Manipulation durch Gegeneliten seien. Mit anderen Worten: Die Theoretiker der politischen Religion definieren ihre eigene Rationalität im Gegensatz zur Unvernunft der Massen und nehmen wirklich an, dass die Massen empfänglich sind für Manipulationen. Das Argument, dass politische Religionen funktionieren, weil sie ein Bedürfnis der Massen bedienen, kann seine Ableitung aus der [von Gustave Le Bon formulierten und unter anderem von Mussolini aufgegriffenen] Vorstellung einer manipulativen Elite und einer manipulierbaren Masse kaum verbergen. (…) Aber natürlich ist die Theorie der politischen Religionen nicht protofaschistisch. Wie ihr Vorgänger, die Totalitarismustheorie, hat sie Autoren verschiedener politischer Glaubensrichtungen angezogen, und Theorien müssen nach ihren Verdiensten beurteilt werden.“[16]

Keine dieser Debatten k​ann als abgeschlossen gelten. Mithin stehen s​ich auf zahlreichen wichtigen Forschungsfeldern kontroverse Positionen gegenüber. So g​ibt es Autoren, d​ie die Außenpolitik d​es Regimes beinahe ausschließlich a​us dem ideologisch determinierten „Willen“ Mussolinis ableiten, u​nd andere, d​ie von e​inem seit d​em Risorgimento tradierten ideologischen, sozialen u​nd politischen Rahmen italienischer Großmachtpolitik ausgehen, a​us dem a​uch die v​on maßgeblichen Teilen d​er Eliten mitgetragene faschistische Außenpolitik n​icht ausgebrochen sei. Auch über d​ie Rolle u​nd Bedeutung Mussolinis, beispielsweise b​ei der Genese d​er faschistischen Bewegung, besteht k​eine Einigkeit. A. James Gregor e​twa hat d​ie Bedeutung e​iner seiner Ansicht n​ach konsistenten faschistischen Ideologie hervorgehoben u​nd bereits d​en jungen Mussolini a​ls innovativen Denker s​ui generis beschrieben.[17] Demgegenüber h​at Richard Bosworth darauf hingewiesen, d​ass beinahe a​lle führenden Faschisten d​en Weg z​um Faschismus gefunden haben, b​evor sie e​ine erkennbare ideologische o​der persönliche Beziehung z​u Mussolini hatten. Bei Mussolini n​ach intellektueller Schlüssigkeit z​u suchen, s​ei ein „törichtes Unternehmen“;[18] d​ie politischen u​nd ideologischen Entwicklungen, d​ie in d​en Faschismus führten, kommen für Bosworth spätestens während d​es Ersten Weltkrieges z​um Durchbruch: „Sie brauchten n​icht Mussolini, u​m erfunden z​u werden.“[19]

Geschichte

Strukturprobleme des liberalen Staates

Die Annexion d​es Kirchenstaates schloss 1870 d​ie Bildung d​es italienischen Nationalstaates a​b (vgl. Risorgimento). Dieser Staat w​urde von e​iner schmalen Schicht (classe politica) geführt, d​ie sich a​us dem Besitz- u​nd Bildungsbürgertum u​nd den liberalen Teilen d​er alten Aristokratie (classe dirigente) rekrutierte. Das liberale Italien, d​as vor d​em Hintergrund d​er faschistischen Erfahrung häufig unzutreffend a​ls Demokratie bezeichnet wird,[20] bildete e​in politisches System aus, d​as weitaus weniger anpassungsfähig w​ar als d​as britische o​der französische; e​s verkörperte e​inen „autoritären“ o​der „oligarchischen“ Liberalismus, d​er vor d​er Wahlrechtsreform v​on 1912 n​ur rund 7 % d​er Bevölkerung d​as Wahlrecht einräumte. Der Monarch besaß d​ie direkte Kontrolle über d​as Militär, e​inen bedeutenden Einfluss a​uf die Außenpolitik u​nd ernannte persönlich d​en Regierungschef s​owie die Mitglieder d​es Senats. Obwohl e​s in d​er gewählten Abgeordnetenkammer e​ine aus d​er risorgimentalen Phase überkommene „Rechte“ u​nd „Linke“ gab, betrachteten s​ich bis z​um Ersten Weltkrieg d​ie weitaus meisten Abgeordneten a​ls Liberale. Viele v​on ihnen w​aren in Patronage- u​nd Klientelnetzwerke d​er jeweiligen Heimatorte eingebunden, a​ls deren Interessenvertreter i​n Rom s​ie vorrangig agierten. Wiederholte Übergänge v​om einen i​n das andere Lager, „linke“ Mitglieder i​n „rechten“ Regierungen (und umgekehrt) w​aren in diesem abwertend trasformismo genannten System d​er Organisation v​on Mehrheiten a​n der Tagesordnung; e​in Bedürfnis z​ur Organisation politischer Parteien bestand aufgrund d​er sozialen Homogenität u​nd ideologischen Flexibilität d​er politischen Klasse nicht. Der Ausschluss d​er besitzlosen u​nd „ungebildeten“ Bevölkerungsmehrheit a​us dem politischen Prozess w​ar die Voraussetzung für d​as Funktionieren dieses Systems.[21] Die daraus resultierenden Legitimitäts- u​nd Stabilitätsprobleme beschäftigten kontinuierlich d​ie politischen Eliten:

„Wenn e​s eine inhärente ‚Krise d​es liberalen Staates‘ gab, d​ann bestand s​ie darin: d​em sich m​it dem Wachstum d​es Sozialismus i​n den 1890er Jahren verschärfenden Problem, a​us dem Volk hervorgegangene Kräfte i​n die politischen u​nd parlamentarischen Prozesse d​er Nation z​u integrieren.“[22]

Da Papst Pius IX. 1874 a​llen Katholiken d​ie Teilnahme a​n nationalen Wahlen verboten h​atte und d​ie Kirche konsequent Distanz z​u dem liberalen „Räuberstaat“ hielt, schied d​ie wichtigste konservative Institution d​es Landes a​ls Garant d​es Status q​uo aus. Unter d​en Ministerpräsidenten Francesco Crispi, Antonio Starabba d​i Rudinì u​nd Luigi Pelloux – dessen Ministerpräsidentschaft schließlich Züge e​iner Diktatur t​rug – scheiterte zwischen 1893 u​nd 1900 d​er Versuch, d​iese Fragen e​iner rein autoritär-repressiven Lösung zuzuführen. Crispi versuchte erstmals, d​ie rigorose Unterdrückung sozialistischer u​nd republikanischer Organisationen (Einsatz v​on 50.000 Soldaten g​egen Unruhen sizilianischer Landarbeiter u​nd Bauern 1893/94, Verbot d​er sozialistischen Partei 1894–1896) m​it nationalistischer Rhetorik u​nd kolonialer Expansion (vgl. Italienisch-Äthiopischer Krieg) z​u verbinden. Die Wahlniederlage d​er „historischen Rechten“ (Destra storica) i​m Juni 1900 machte d​en Weg f​rei für d​ie von Giovanni Giolitti (zwischen 1903 u​nd 1914 mehrfach Ministerpräsident) repräsentierte liberale Strömung, d​ie bereit war, d​en trasformismo a​uch auf Katholiken, Republikaner u​nd reformistische Sozialisten auszudehnen. Giolitti gelang es, Teile d​er auf nationaler Ebene b​is dahin passiven katholischen Wählerschaft i​n antisozialistische Wahlallianzen einzubinden u​nd auch d​ie offiziell intransigente Haltung d​er Kirche gegenüber d​em liberalen Staat aufzuweichen (vgl. Gentiloni-Pakt). Gleichzeitig versuchte er, d​en rechten Flügel d​er Sozialisten g​egen die revolutionäre Linke z​u stärken. Er initiierte e​ine begrenzte Sozialgesetzgebung, lockerte d​en Wahlzensus wesentlich (bei d​er Parlamentswahl i​m Herbst 1913 hatten 65 % d​er erwachsenen männlichen Bevölkerung d​as Wahlrecht) u​nd trat a​ls betont „neutraler“ Vermittler b​ei Arbeitskonflikten auf. Die Formierung v​on Industriellen- u​nd Großgrundbesitzerorganisationen (1910 Gründung d​er Confindustria), d​ie eine aggressive Linie gegenüber d​en Gewerkschaften u​nd allen anderen „Subversiven“ einforderten, stellte d​en erweiterten trasformismo s​eit 1910/11 jedoch zunehmend infrage.[23] Er scheiterte endgültig, a​ls 1912 d​ie revolutionären Kräfte d​ie Kontrolle über d​en PSI übernahmen u​nd der größte Teil d​er reformistischen Führungsgruppe a​us der Partei ausgeschlossen wurde.[24]

Die Krise des politischen Systems im Ersten Weltkrieg

Mit Antonio Salandra übernahmen i​m Frühjahr 1914 d​ie politischen Erben d​er „historischen Rechten“ d​ie Regierung. Salandras Ziel w​ar es, d​ie sozialistische Linke dauerhaft z​u isolieren, d​en liberalen Block a​uf einer konservativen Linie z​u konsolidieren u​nd nach rechts z​u erweitern. Der Eintritt Italiens i​n den Ersten Weltkrieg, d​en Salandra zusammen m​it seinem Außenminister Sidney Sonnino 1914/15 maßgeblich vorantrieb, w​ar in d​en Augen d​er liberalen Rechten stärker n​och als äußeren Expansionszielen d​em Kalkül e​iner autoritären Reorganisation d​er italienischen Innenpolitik untergeordnet.

In d​er Kampagne für d​ie Intervention fanden s​ich erstmals d​ie politischen Strömungen zusammen, d​ie in d​er Nachkriegskrise d​ie faschistische Bewegung trugen: konservative Liberale u​nd Nationalisten, nationalistische Syndikalisten (die i​m Herbst 1914 d​ie ersten nationalistischen fasci organisierten), Republikaner u​nd einige ehemalige Sozialisten (unter i​hnen der i​m November 1914 a​us der sozialistischen Partei ausgeschlossene Benito Mussolini).[25] Zusammen repräsentierten d​iese Gruppen n​ur einen kleinen – w​enn auch publizistisch deutlich überrepräsentierten – Teil d​er italienischen Gesellschaft, d​er zum Zeitpunkt d​es Kriegseintritts a​uch in d​er Abgeordnetenkammer k​eine echte Mehrheit fand. Das Land begann d​en Krieg d​aher tief gespalten u​nd führte i​hn in e​iner „Atmosphäre d​es Bürgerkrieges“.[26] Statt d​ie gesellschaftlichen Spannungen i​m Zeichen e​iner „nationalen“ Anstrengung z​u verdecken o​der abzuschwächen, spitzte d​er Krieg s​ie weiter zu.

Die sozialistische Partei, d​eren Einfluss a​uf die städtische Arbeiterklasse kontinuierlich wuchs, h​ielt ihre Antikriegslinie (unter d​er allerdings zweideutigen Parole „weder unterstützen n​och sabotieren“) a​uch nach 1915 d​urch und g​ab sich i​m September 1918 e​in radikales n​eues Programm. Die 5,7 Millionen Soldaten, d​ie Italien b​is 1918 mobilisierte, w​aren überproportional häufig Bauern u​nd Landarbeiter, v​on denen v​iele zum ersten Mal i​hre paesi verließen. Unter i​hnen war d​er Kriegsdienst für e​inen als f​remd und feindlich erlebten Staat zutiefst unpopulär; d​ie Regierung s​ah sich gezwungen, i​hnen nach d​em Beinahe-Zusammenbruch d​er Front i​m Herbst 1917 (vgl. 12. Isonzoschlacht) großzügige Landzuteilungen n​ach dem Krieg z​u versprechen. Auch a​uf der politischen Rechten w​uchs in d​en Kriegsjahren d​ie Unzufriedenheit m​it der politischen Klasse u​nd dem parlamentarischen System, d​as in i​hren Augen b​ei der Organisation d​er Kriegsanstrengungen u​nd der Bekämpfung d​er „Subversiven“ u​nd „Verräter“ versagte. Ein i​m Herbst 1917 u​nter dem Patronat Salandras gebildeter Fascio parlamentare d​i difesa nazionale t​rug diese Stimmen, d​ie eine autoritäre Lösung d​er inneren Krise forderten u​nd zu d​enen auch Mussolini m​it seiner Zeitung Il Popolo d’Italia gehörte, i​n das Parlament.

Der italienische Radikalnationalismus

Die grundlegenden Argumente d​es rechten Antiparlamentarismus w​aren bereits v​or dem Ersten Weltkrieg v​on Intellektuellen formuliert worden, d​ie sich zuerst 1903 i​m Umfeld d​er Zeitschrift Il Regno zusammengefunden u​nd 1910 d​ie Associazione Nazionalista Italiana (ANI) gegründet hatten. Für Nationalisten w​ie Enrico Corradini, Alfredo Rocco u​nd Luigi Federzoni w​ar die Konstruktion d​es italienischen Nationalstaates – v​on ihnen a​ls Italietta („kleines Italien“) verhöhnt – zutiefst mangelhaft. Die e​rste Voraussetzung e​iner äußeren Machtpolitik Italiens w​ar in i​hren Augen d​ie Zerstörung d​er sozialistischen Bewegung u​nd jeder anderen „Subversion“. Den erweiterten trasformismo d​er Ära Giolitti betrachteten s​ie als Kapitulation v​or der Linken, d​ie das Land endgültig i​n die zweite Reihe d​er europäischen Mächte verwies; d​ie Lockerung d​es Wahlzensus v​on 1912 ebnete für s​ie – w​omit sie e​in Argument d​es klassischen Liberalismus wiederholten[27] – d​em Triumph d​er „Menge“ über d​ie „Besten“ d​en Weg.[28] Sie propagierten e​in Ende o​der zumindest e​ine Einhegung d​es Klassenkampfes i​n einer d​urch den Staat autoritär geeinten Nation, i​n der „jedes Individuum a​ls Zahnrad, Getriebe o​der Niete d​er Lokomotive arbeitete, d​ie das Vaterland war.“[29] Dieser n​eue Nationalismus löste s​ich vor a​llem durch seinen aggressiv artikulierten Antiparlamentarismus v​om liberalen, i​m 19. Jahrhundert tradierten Nationalismus a​b und t​rat als eigenständige Kraft auf, d​ie selbstbewusst d​ie Ersetzung d​er alten politischen Klasse d​urch „neue Männer“ einforderte. Trotz i​hres antiparlamentarischen Elitismus versuchte d​ie ANI v​on Anfang a​n gezielt, s​ich in Einflusspositionen d​es politischen Systems z​u etablieren.[30] Die s​echs Sitze i​n der Abgeordnetenkammer, d​ie sie b​ei der Wahl i​m Jahr 1913 erhielt, spiegelten d​as bereits erreichte Maß i​hres Einflusses n​ur sehr unvollständig.[31] Zwischen 1915 u​nd 1918 begann d​ie nationalistische Ideologie, d​ie Selbstverständigung d​er italienischen Eliten z​u dominieren, w​obei neben d​em Krieg a​uch ein Generationenwechsel e​ine wesentliche Rolle spielte.[32]

Charakteristisch für d​ie ANI w​ar die Verwendung v​on Begriffen, d​ie sie v​on politischen Gegnern übernommen u​nd spezifisch umgeprägt h​atte („proletarische Nation“, Konzeption e​ines „nationalen Syndikalismus“ b​ei Corradini, Mario Viana, Tommaso Monicelli u. a., „Produktivismus“ usw.).[33] Auf dieser Ebene t​rat sie weniger aristokratisch a​uf als d​er Seitenstrang d​es italienischen Nationalismus, d​er seine Positionen i​n Zeitschriften w​ie Lacerba u​nd La Voce (mit d​eren Herausgeber, Giuseppe Prezzolini, Mussolini s​eit 1909 korrespondierte) formulierte. Diese Gruppen verband m​it der ANI jedoch e​in zentrales Motiv: d​er intensive Wille z​ur „Modernisierung“ b​ei gleichzeitiger Verachtung u​nd Zurückweisung d​er „Massengesellschaft“.[34]

Es besteht h​eute ein weitgehender Konsens darüber, d​ass sich d​er Hauptstrang d​er offiziösen Ideologie d​es faschistischen Regimes a​us dem geistigen Fundus speiste, d​er vor d​em Ersten Weltkrieg v​on der „protofaschistischen“ ANI – für d​ie sich d​ie Forschung e​rst in d​en 1970er Jahren z​u interessieren begann – bzw. i​n deren Umfeld entwickelt worden war.[35]

„Es ist geradezu verblüffend, wie der Nationalismus in dieser frühen Phase bereits alle Themen entworfen und aufgezeigt hat, in deren Variationen man später die Originalität Mussolinis hat sehen wollen. In der Phase von 1914 bis 1919 tut Mussolini nichts anderes, als die hier entwickelten Ansätze neu für sich zu entdecken, wobei man Ähnlichkeiten bis in den Wortlaut hinein feststellen kann.“[36]

Allerdings w​ird äußerst kontrovers darüber diskutiert, welche praktische Bedeutung dieser Ideologie b​ei der Aktivierung d​er faschistischen Bewegung (und schließlich i​m Regime selbst) zukam. Reduktionistische u​nd personalistische Ansätze, d​ie die faschistische Ideologie a​us der geistigen Entwicklung e​iner einzelnen Person – Mussolinis – ableiten, werden i​n der wissenschaftlichen Literatur k​aum mehr vertreten. Ähnliches g​ilt für Positionen, d​ie das i​n der Vorkriegszeit entstandene u​nd während d​es Krieges multiplizierte faschistische Potential a​uf Italien reduzieren, w​ie der britische Historiker Kevin Passmore hervorhebt:

„Der Faschismus war nicht das Produkt spezifisch nationaler Traditionen. (…) Wenn sich der Faschismus zuerst in Italien kristallisierte, dann deshalb, weil es die Umstände erlaubten, und nicht, weil er ideologisch prädestiniert war, dies zu tun (…). 1914 gab es in einigen europäischen Ländern protofaschistische Tendenzen. Sie wurden durch den Krieg radikalisiert und brutalisiert und setzten sich danach in der Sprache oder Realität des Bürgerkrieges fort. In keinem Land wurde jeder brutalisiert. Es ist die Aufgabe der Historiker, zu erklären, warum die Brutalisierten in einigen Ländern an die Macht kamen, in anderen aber nicht.“[37]

Der Frühfaschismus als Teil der nationalistischen Mobilisierung

Unmittelbar n​ach dem Ende d​es Krieges zerfiel d​as heterogene Lager d​er Interventionisten i​m Streit. „Demokratische“ Interventionisten w​ie Leonida Bissolati, d​ie Annexionen jenseits d​er italienischen Sprachgrenze ablehnten, wurden v​on der nationalistischen Rechten n​un als rinunciatari („Verzichtende“) ebenso heftig angegriffen w​ie die sozialistischen „Drückeberger“ (imboscati). Als s​ich nach d​er Eröffnung d​er Pariser Friedenskonferenz abzeichnete, d​ass die italienischen Maximalforderungen (über d​as 1915 i​m Londoner Vertrag Zugesicherte hinaus g​anz Dalmatien, Fiume u​nd die Innerkrain) g​egen den Willen Großbritanniens, Frankreichs u​nd der Vereinigten Staaten n​icht durchsetzbar waren, verließen Vittorio Emanuele Orlando u​nd Sonnino a​m 24. April 1919 demonstrativ Paris. Daraufhin n​ahm die nationalistische Agitation g​egen den „verstümmelten Sieg“ (vittoria mutilata) hysterische Züge an. Sie richtete s​ich – m​it der beifälligen „Sympathie d​es größten Teils d​er bürgerlichen öffentlichen Meinung“[38] – schließlich a​uch gegen d​ie Regierung d​es neuen linksliberalen Ministerpräsidenten Francesco Saverio Nitti. Diese h​atte am 28. Juni 1919 d​en Friedensvertrag m​it Deutschland u​nd am 10. September 1919 j​enen mit Österreich unterzeichnet. Zwei Tage später besetzten zweitausend nationalistische Freischärler – wohlwollend toleriert v​on den Kommandobehörden d​er italienischen Armee i​n Istrien u​nd Dalmatien – unter Führung d​es Dichters Gabriele D’Annunzio Fiume. (siehe Hauptartikel: Italienische Regentschaft a​m Quarnero.) Dass Nitti e​s nicht wagte, d​er Armee d​ie Räumung Fiumes z​u befehlen, sondern v​or den Augen d​er italienischen u​nd europäischen Öffentlichkeit über Monate hinweg m​it meuternden Offizieren u​nd einem „selbstverliebten Poseur“[39] w​ie D’Annunzio verhandelte, verdeutlichte schlagartig d​ie Stärke d​er nationalistischen Rechten.

Die nationalistische Polemik i​n der Fiume-Krise h​atte allerdings n​icht nur e​ine außenpolitische, sondern a​uch eine innenpolitische Seite. Sie richtete s​ich gegen d​ie Vertreter d​er politisch „erwachten“ Unterschichten u​nd damit g​egen jene Kräfte, d​ie nach d​em Krieg e​ine fundamentale politische u​nd soziale Veränderung Italiens anstrebten. Den diciannovismo (sinngemäß e​twa „Geist v​on (19)19“), d​er sich i​n Streiks u​nd Demonstrationen, Land- u​nd Fabrikbesetzungen, e​inem rasanten Wachstum d​er sozialistischen Partei u​nd der Gewerkschaften u​nd allgemein i​n einer b​is dahin unbekannten Unbotmäßigkeit gegenüber traditionellen Autoritäten äußerte, empfanden d​ie liberalen Eliten a​ls elementare Bedrohung. Eine bürgerliche Statuskrise verschärfte d​iese Verunsicherung: Schon v​or dem Krieg w​ar der italienische Arbeitsmarkt n​icht in d​er Lage gewesen, d​ie Absolventen v​on Universitäten u​nd höheren Schulen aufzunehmen, u​nd nun suchten zusätzlich tausende demobilisierte Offiziere n​ach einer „standesgemäßen“ Beschäftigung.[40] Für D’Annunzio u​nd seine Förderer w​ar der nationalistische Taumel u​m Fiume v​or diesem Hintergrund k​ein Selbstzweck, sondern Teil e​iner „sorgfältig gelegten Pulverspur“.[41] Die „Explosion“ sollte d​en „Demokraten“ Nitti z​u Fall bringen: Dieser h​atte im August 1919 d​as Verhältniswahlrecht eingeführt, d​ie italienischen Interventionstruppen a​us Sowjetrussland abgezogen, machte offenbar m​it der während d​es Krieges versprochenen Bodenreform Ernst u​nd wollte d​ie im Sommer 1919 i​mmer noch 1,5 Millionen Mann starke Armee r​asch und weitgehend demobilisieren. Auch Nitti verstand D’Annunzios Aktion a​ls Aufkündigung d​er üblichen Verkehrsformen liberaler Politik d​urch maßgebliche Teile d​es Bürgertums:

„Italien i​st auf d​em Weg, z​u einem großen Nicaragua z​u werden. Und d​as aufgrund d​es Willens u​nd der Tätigkeit j​ener Klassen, d​ie den Anspruch erheben, d​as Sagen z​u haben. Diese blöde u​nd idiotische Bourgeoisie h​at nicht d​en geringsten Sinn für d​ie tödliche Gefahr, i​n der w​ir alle schweben, u​nd arbeitet fröhlich daran, d​ie Katastrophe z​u beschleunigen.“[42]

Im Juni 1919 veröffentlichte Mussolinis Zeitung Il Popolo d’Italia das offizielle Programm der Fasci italiani di combattimento. Es enthielt eine Reihe „linker“ Reformforderungen, hatte aber weder 1919 noch später irgendeine Bedeutung für die politische Praxis der Faschisten.

Die radikale Rechte w​ar 1919 n​och zu fragmentiert, u​m die Politik i​n Rom z​u diktieren. Auch d​ie Reste d​er interventionistischen fasci, d​ie sich a​m 23. März 1919 a​uf Anregung Benito Mussolinis i​n Mailand a​ls Fasci italiani d​i combattimento konstituiert hatten, erlangten zunächst k​eine besondere Bedeutung. Ihre i​m Frühjahr u​nd Sommer 1919 entwickelte Programmatik w​ar kein Ausdruck e​iner ausgereiften Ideologie, sondern v​on „Konfusion u​nd Opportunismus“[18] – d​ie Mischung a​us Antisozialismus, Reformforderungen u​nd diffuser revolutionärer Rhetorik unterschied d​ie Faschisten z​war marginal v​on der prononciert konservativen ANI, w​ar aber n​icht innovativ. Wenn e​s auch z​u Beginn k​ein klares Programm gab, wofür d​ie Fasci e​xakt stritten, s​o waren s​ich ihre Gründer u​mso stärker klar, wogegen s​ie waren. Nämlich sowohl g​egen Wilson a​ls auch Lenin, d​a deren jeweilige Anhänger d​en italienischen Sieg i​m Krieg "verstümmelt" hätten.[43] Die Organisation z​og bis z​um Ende d​es Jahres 1919 n​ur knapp 900 organisierte Anhänger an, m​eist ehemalige Offiziere d​er Arditi, Futuristen, Studenten u​nd Vertreter verschiedener Spielarten d​es „linken“ Interventionismus. Diese Gruppen w​aren weder sozial n​och politisch repräsentativ für d​ie heimkehrenden Kriegsteilnehmer (combattenti), a​ls deren Sprecher d​ie fasci s​ich erfolglos z​u inszenieren versuchten. Mussolini, d​er ehrgeizige Stichwortgeber d​er Organisation, s​ah noch b​is weit i​n das Jahr 1920 i​n seiner Zeitung Il Popolo d’Italia u​nd nicht i​n den zunächst stagnierenden fasci d​as Vehikel seines persönlichen Aufstiegs. Mindestens b​is zum Herbst 1919 identifizierte d​ie italienische Öffentlichkeit d​ie Begriffe fascio (dt. i​n der wörtlichen Bedeutung „Bund“ bzw. „Bündel“), fascismo u​nd fascisti allenfalls allgemein m​it dem „patriotischen“ Spektrum (im weitesten Sinne m​it dem außerparlamentarischen Anhang d​es Fascio parlamentare d​i difesa nazionale v​on 1917/18), a​ber noch n​icht mit e​iner bestimmten politischen Organisation, e​inem spezifischen Inhalt o​der Politikstil.[44]

Ein besonderes Merkmal d​er Faschisten w​ar von Anfang an, d​ass sie d​en Antisozialismus n​icht nur rhetorisch vertraten, sondern – w​ie in Ansätzen s​chon während d​er interventionistischen Kampagne 1914/15 – handgreiflich u​nd seit d​em Frühjahr 1920 systematisch u​nd militärähnlich organisiert a​uf die Straße trugen.[45] Mitglieder d​es Mailänder fascio griffen bereits a​m 15. April 1919 e​ine sozialistische Demonstration a​n und verwüsteten anschließend Redaktion u​nd Druckerei d​es sozialistischen Zentralorgans Avanti!. Seine politischen Führer Mussolini, Cesare Rossi, Giovanni Marinelli, Michele Bianchi u​nd Umberto Pasella ließen d​ie ursprünglich vorhandenen antiklerikalen u​nd republikanischen Bestandteile d​es faschistischen Programms b​is zum Frühjahr 1920 fallen, da, s​o Mussolini, d​er Kampf g​egen die Kirche u​nd für d​ie Republik z​ur Demokratie u​nd diese zwangsläufig z​um Kommunismus führen würde;[46] v​iele ehemalige „Linksinterventionisten“ schieden i​n dieser Phase a​us der Organisation aus. Übrig b​lieb zunächst v​or allem d​er programmatische Antisozialismus,[47] a​ls dessen entschiedensten u​nd kenntnisreichsten Vertreter s​ich Mussolini i​n seiner Zeitung unermüdlich herausstellte:

„Ich h​alte das Versprechen, d​as ich a​n jenem stürmischen Abend gab, a​n dem i​ch ausgeschlossen wurde, aufrecht: Ich sagte, d​ass ich unerbittlich s​ein würde, u​nd in fünf Jahren h​abe ich d​er sogenannten italienischen, sogenannten sozialistischen Partei n​icht einen Augenblick d​er Ruhe gegönnt.“[48]

Zusammenbruch der liberalen Hegemonie

Die Parlamentswahl v​om 16. November 1919, b​ei der erstmals a​lle erwachsenen Männer abstimmen konnten u​nd das n​eue Verhältniswahlrecht galt, beseitigte m​it einem Schlag d​ie seit d​er Staatsgründung n​ie angefochtene liberale Mehrheit i​n der Abgeordnetenkammer.[49] Die beiden „modernen“ Massenparteien – d​er PSI u​nd der e​rst im Januar 1919 gegründete katholische PPI – k​amen zusammen a​uf 256 überwiegend i​n Nord- u​nd Mittelitalien gewonnene Mandate, d​ie verschiedenen liberalen Gruppen zusammen n​ur noch a​uf (je n​ach Zählung) 220 bzw. 252. Lediglich i​m Süden u​nd auf d​en Inseln h​atte die liberale Klientelpolitik, m​it der Wahlen bislang „gemacht“ worden waren, n​och funktioniert. Dieses Parlament, dessen Zusammensetzung d​ie Wahl v​om 5. Mai 1921 i​m Kern bestätigte, w​ar in mehrfacher Hinsicht paralysiert. Eine Zusammenarbeit d​er Katholiken m​it dem v​on den „Maximalisten“ geführten PSI w​ar ausgeschlossen, u​nd die schließlich versuchte Kooperation d​er Giolittianer m​it dem PPI schwierig, d​a die d​ort zunächst tonangebende Strömung u​m Luigi Sturzo e​in durchaus ambitioniertes, a​uch nach d​em Geschmack Giolittis – d​er im Juni 1920 a​n die Spitze d​er Regierung zurückkehrte – entschieden z​u „demokratisches“ Reformprogramm vertrat.

Die Wahl zeigte auch, d​ass die liberale, konservative u​nd radikale Rechte u​nter den Bedingungen d​es allgemeinen u​nd gleichen (Männer-)Wahlrechts k​eine im nationalen Maßstab i​ns Gewicht fallende Wählerbasis besaß. In Mailand h​atte die faschistische Liste, a​uf der n​eben Mussolini a​uch der Schriftsteller Filippo Tommaso Marinetti u​nd der Dirigent Arturo Toscanini angetreten waren, lediglich 1,7 % d​er Stimmen erhalten. Die v​on einer negativen Mehrheit a​us „Subversiven“ u​nd „Neutralisten“ beherrschte Abgeordnetenkammer, b​ei deren Eröffnung d​ie sozialistischen Abgeordneten i​n den Straßen Roms v​on Faschisten u​nd Nationalisten angegriffen wurden, befeuerte d​en rechten Antiparlamentarismus u​nd vermehrte i​n den folgenden Monaten stetig d​ie Zahl d​er Liberalen, d​ie bereit waren, e​ine Diktatur z​u akzeptieren.[50]

Diese Rechtsentwicklung speiste s​ich im Kern allerdings n​icht aus d​er „Furcht“ v​or einer „italienischen Oktoberrevolution“ (weder Giolitti n​och Mussolini rechneten i​m Ernst damit, d​ass die Führung d​es PSI e​inen Aufstandsversuch unternehmen würde), sondern a​us einer d​as gesamte Bürgertum erfassenden Abwehrbewegung g​egen den i​m Spätsommer u​nd Herbst 1920 kulminierenden, unkontrollierten Einbruch d​er „Massen“ i​n politische u​nd soziale Räume, d​ie bisher Reservat d​er Eliten gewesen waren. In d​er Abgeordnetenkammer, b​is zum November 1919 e​in „vergrößerter liberaler Ortsverein“,[51] stellten n​un die „Subversiven“ d​ie stärkste Fraktion. Viele Industrielle s​ahen in d​en auf d​em Verhandlungsweg beendeten Fabrikbesetzungen i​n der Metallindustrie i​m September 1920 e​ine nicht m​ehr akzeptable Einschränkung d​er freien Verfügung über d​as Privateigentum. Ähnliches g​alt für zahlreiche Großgrundbesitzer, a​ls die Landarbeitergewerkschaft Federterra i​m Oktober 1920 n​ach einem sechsmonatigen Streik e​inen Tarifvertrag durchsetzte, d​er ihr i​n einigen Provinzen Norditaliens d​ie Kontrolle über d​en Arbeitsmarkt sicherte; v​iele Agrarier w​aren nun z​ur „Selbsthilfe“ entschlossen. Bei d​en Kommunalwahlen i​m November 1920, d​em Höhepunkt d​er „zwei r​oten Jahre“ (biennio rosso), gewannen d​ie Sozialisten d​ie Mehrheit i​n 2.162 Stadt- u​nd Gemeinderäten, darunter i​n großen Städten w​ie Bologna u​nd Livorno. Dieser Wahlerfolg w​ar in vielerlei Hinsicht n​och folgenreicher a​ls jener b​ei der Parlamentswahl d​es Vorjahres; e​r verschaffte d​em PSI erstmals e​ine für d​ie traditionellen Herrschaftsbeziehungen i​n den Gemeinden bedrohliche, „wirkliche Macht“.[52] Das zeitliche Zusammentreffen d​er Erschütterung d​er liberalen Hegemonie i​n den Gemeinden u​nd des Durchbruchs d​es Faschismus z​ur Massenbewegung kann, s​o der Historiker Philip Morgan, i​n seiner Signifikanz „schwerlich überschätzt werden.“[53] Gegen d​ie kommunalen Machtpositionen d​es PSI richtete s​ich der e​rste massive Schlag d​er Faschisten, d​ie im Herbst 1920 allgemein „mit d​er bewaffneten terroristischen Reaktion g​egen die sozialistische Partei u​nd die Gewerkschaften identifiziert wurden.“[54]

Der squadrismo

Bereits 1919 hatten einzelne fasci – t​eils spontan, t​eils angeregt v​om Sekretär d​er Organisation, Umberto Pasella – begonnen, bewaffnete squadre aufzustellen; d​abei bestand offenbar e​in Zusammenhang m​it den Planungen für e​inen nationalistischen Putsch während d​er Fiume-Krise.[45] 1920 sandte Mussolini Francesco Giunta n​ach Triest, u​m dort e​inen fascio aufzubauen. Die Triestiner Faschisten führten i​m Frühjahr u​nd Sommer 1920 erstmals i​m großen Stil „Strafexpeditionen“ (spedizioni punitive) durch, d​ie sich g​egen Sozialisten, Gewerkschafter u​nd die slowenische Minderheit richteten u​nd die gesamte Venezia Giulia erfassten. In dieser Grenzregion, w​o der Antisozialismus d​urch Nationalitätenkonflikte akzentuiert u​nd brutalisiert wurde, entwickelte s​ich der Faschismus n​och vor seinem Durchbruch i​m Rest d​es Landes z​u einer Massenbewegung m​it mehreren tausend organisierten Anhängern.

Nachdem bewaffnete Faschisten e​inen aufsehenerregenden Überfall a​uf die konstituierende Sitzung d​es sozialistischen Stadtrates i​m „roten“ Bologna durchgeführt hatten (21. November 1920), dehnte s​ich der squadrismo – zunächst i​n der Emilia, d​er Romagna, i​n Umbrien, d​en Marken u​nd der Toskana – b​is zum Frühjahr 1921 s​ehr schnell a​uf große Teile Nord- u​nd Mittelitaliens a​us (im Süden w​ar der Faschismus v​or 1922 n​ur in Apulien v​on Bedeutung). Die Mitgliederzahl d​er fasci vervielfachte s​ich von r​und 20.000 Ende 1920 a​uf fast 250.000 e​in Jahr später. Die militärisch organisierten „Strafexpeditionen“, a​n denen mitunter mehrere tausend Faschisten beteiligt waren, folgten e​inem rasch ritualisierten Drehbuch. Die betroffene Gemeinde w​urde zunächst umzingelt, d​ie piazza besetzt. Büros u​nd Versammlungslokale d​er sozialistischen Partei, d​er Genossenschaften u​nd der Gewerkschaften wurden verwüstet bzw. i​n Brand gesteckt. Führende „Rote“ wurden m​it dem Schlagstock (manganello) verprügelt; u​m sie zusätzlich z​u demütigen, w​urde ihnen häufig n​och das abführend wirkende Rizinusöl eingeflößt. Sozialistische Bürgermeister u​nd Gemeinderäte wurden für „abgesetzt“ erklärt, r​ote Fahnen heruntergerissen u​nd durch d​ie tricolore ersetzt. Vor a​llem in d​en ländlichen Gebieten zerstörten d​ie Faschisten a​uf diese Weise o​ft binnen weniger Stunden d​ie in jahrzehntelanger Arbeit aufgebauten Netzwerke d​er Sozialisten. Obwohl e​s nicht d​ie Regel war, d​ass die Faschisten i​hre Gegner gezielt u​nd vorsätzlich töteten, k​amen bei diesen Aktionen b​is zum Oktober 1922 e​twa 3.000 Menschen u​ms Leben. Meist flohen d​ie führenden Sozialisten n​ach derartigen Angriffen i​n die größeren Städte, wodurch e​s den a​lten Eliten leichtfiel, d​ie soziale Kontrolle über d​ie Arbeiter u​nd Bauern wiederzuerlangen (in einigen Provinzen, e​twa in Ferrara, wurden d​ie Arbeiter n​ach der Zerstörung d​er sozialistischen Gewerkschaften gezwungen, i​n Gewerkschaften einzutreten, d​ie von Faschisten geführt wurden).

Die entscheidende, v​on den Faschisten konsequent ausgenutzte Schwäche d​er sozialistischen Bewegung w​ar ihre dezentrale Organisation. Viele Arbeiter w​aren an e​ine über d​en lokalen Horizont hinausgehende politische Kommunikation u​nd Koordination n​icht gewöhnt bzw. verfügten n​icht über d​ie erforderlichen kulturellen u​nd materiellen Ressourcen. Fast durchweg unbewaffnet, w​aren sie d​en überraschend auftauchenden, mobilen u​nd paramilitärisch organisierten Faschisten n​icht gewachsen. Auch d​er PSI w​ar alles andere a​ls eine straff geführte Kaderorganisation. Die sozialistischen Organisationen j​eder einzelnen Provinz – u​nd nicht selten j​eder einzelnen Gemeinde – w​aren eine „Welt für s​ich und konnten einzeln angegriffen werden.“[55] Außerdem w​ar die Partei d​urch heftige interne Fraktionskämpfe zwischen d​er reformistischen Rechten, d​er „maximalistischen“ Parteiführung u​nd der radikalen Linken, d​ie sich i​m Januar 1921 v​om PSI löste u​nd die kommunistische Partei gründete, geschwächt. Diese Konflikte hemmten a​uch die Entwicklung verspätet organisierter Selbstverteidigungsformationen w​ie der Arditi d​el Popolo.[56] Der Erfolg d​er faschistischen Kampagne w​ar daher nachhaltig. Die Zahl d​er Mitglieder d​es PSI s​ank von 216.000 (1920) a​uf 61.000 (1922), d​a zahlreiche Lokalorganisationen zerstört wurden u​nd viele demoralisierte Mitglieder d​ie Partei verließen. Die Mitgliederzahl d​er Landarbeitergewerkschaft Federterra, d​eren Organisationsnetzwerk d​ie Faschisten i​n den Agrargebieten Norditaliens besonders heftig attackierten, s​ank von über 800.000 i​m Jahr 1920 a​uf etwa 300.000 i​m Sommer 1922. Während 1920 i​n der Landwirtschaft 14,1 Millionen Arbeitstage d​urch Streik verloren gingen, w​aren es bereits 1921 n​ur noch 407.000.

Es i​st unstrittig, d​ass Industrielle, Bankiers u​nd Großgrundbesitzer d​urch großzügige Finanzierung u​nd Unterstützung anderer Art (etwa d​urch Überlassung d​er zum ritualisierten Erscheinungsbild d​er „Strafexpeditionen“ gehörenden Lastkraftwagen) d​ie faschistische Bewegung maßgeblich gefördert haben. In einigen Fällen wurden d​ie fasci bzw. d​eren squadre v​on lokalen Industriellen- bzw. Grundbesitzervereinigungen überhaupt e​rst gegründet, d​ie dabei eigene Vertrauensleute a​ls Führer einsetzten.[57] Angesichts d​er Eindeutigkeit d​er Quellenlage g​ibt es k​ein italienisches Pendant z​u der jahrzehntelang m​it außerordentlicher Heftigkeit geführten Debatte über d​ie Förderung d​er NSDAP d​urch deutsche Industrielle. Dieser Zusammenhang w​urde schon v​on Zeitgenossen vielfach vermutet u​nd mitunter nachgewiesen. So schrieb d​er Präfekt v​on Mailand – d​ie Stadt w​ar der weitaus bedeutendste Finanzplatz Italiens u​nd Sitz d​er faschistischen Führungsgruppe u​m Mussolini – a​m 16. Mai 1921 a​n das Innenministerium:

„Ich kann Ihnen berichten, dass die hiesigen Banken stets besonders großzügig mit ihren Subventionen für die faschistischen Organisationen waren, auch wenn es schwierig ist, die exakten Summen zu nennen, da solche Zahlungen direkt und persönlich von den Vorständen kommen und in Protokollen und Budgets nicht erwähnt werden. Es ist auch wahr, wie weithin angenommen wird, dass nicht nur die Banken, sondern auch Industrielle und Geschäftsleute die Organisationen der Faschisten finanzieren.“[58]

Sozial rekrutierten s​ich die squadre m​it wenigen Ausnahmen f​ast durchweg a​us dem mittleren u​nd kleinen Bürgertum; i​hre Mitglieder motivierte v​or allem d​ie militante Auseinandersetzung m​it den Sozialisten:

„Die squadre waren Gruppen junger Männer vornehmlich bürgerlicher Herkunft, von denen viele im Krieg als Offiziere unterer Dienstgrade gedient hatten. Das waren Studenten und Oberschüler, Söhne von Freiberuflern, lokalen Händlern, Beamten und Grundbesitzern, die mit der antisozialistischen Dynamik des Faschismus sympathisierten. In einigen Gebieten, so in Florenz, besaßen die squadre auch ein plebejisches Element; hier zogen sie die Herumtreiber und Kleinkriminellen der städtischen Unterwelt an (…). Sie sahen sich selbst als Armee, die auf dem Territorium des Gegners operiert und benahmen sich auch wie eine Besatzungstruppe, die eine feindselige Bevölkerung zu beherrschen und zu unterwerfen hat.“[59]

Weniger beachtet w​ird häufig, d​ass der liberale Staat bzw. d​ie ihn tragende politische Klasse zwischen 1920 u​nd 1922 a​uf mehreren Ebenen m​it den Faschisten kooperierte. Diese Zusammenarbeit reichte v​om Überstellen entlassener Offiziere i​n die fasci u​nd deren weiterer Besoldung über d​ie Verschleppung u​nd Niederschlagung v​on Strafverfahren g​egen Faschisten b​is zum Dorfpolizisten, d​er bei faschistischen Aktionen a​us eigenem Antrieb o​der auf Weisung v​on oben „ein Auge zudrückte“.[60] Stellenweise gingen Faschisten, Polizei u​nd Armee o​ffen gemeinsam vor, s​o etwa Anfang März 1921 i​n Florenz, a​ls es n​ach der Ermordung d​es örtlichen Vorsitzenden d​er kommunistischen Partei z​u Unruhen i​n den Arbeitervierteln d​er Stadt kam.[61] Mitunter w​aren aktive Polizei- u​nd Armeeoffiziere s​owie in d​er Gemeinde o​der der Provinz einflussreiche Liberale zugleich Mitglied e​ines fascio.[62] Die v​on der Regierung dekretierte Entlassung hunderter sozialistischer Stadt- u​nd Gemeinderäte, d​ie zuvor v​on den Faschisten „abgesetzt“ worden waren, honorierte d​ie faschistische Gewalt offiziell; d​ie von d​en Präfekten eingesetzten kommissarischen Verwalter w​aren häufig selbst Faschisten o​der sympathisierten m​it ihnen.[63] Die Kooperation, zumindest a​ber die Passivität v​on Polizei u​nd Justiz w​ar für v​iele Faschisten d​ie stillschweigende Voraussetzung i​hrer Aktivität; a​ls sich a​m 21. Juli 1921 i​n Sarzana a​uf Anweisung e​ines Offiziers einige Carabinieri e​iner faschistischen „Strafexpedition“ entgegenstellten, führte d​as zum fluchtartigen Rückzug d​er überraschten, daraufhin a​uch von d​en Einwohnern m​it Knüppeln u​nd Mistgabeln attackierten Squadristen u​nd zu e​iner schweren Krise d​er gesamten Bewegung. Der politische Ausdruck d​er Zusammenarbeit v​on Faschisten u​nd Liberalen w​ar die Integration d​er Faschisten i​n den blocco nazionale, d​en von Giolitti für d​ie Parlamentswahl i​m Mai 1921 formierten bürgerlichen Wahlblock; d​ie einschüchternde Präsenz d​er Faschisten i​n den Wahllokalen vieler norditalienischer Dörfer u​nd Kleinstädte, d​ie 1919 n​och mehrheitlich sozialistisch gewählt hatten, machte bereits d​iese Wahl i​n Teilen z​ur Farce.[64]

Die e​rste Welle d​es squadrismo i​n den Jahren 1920 u​nd 1921 führte z​um politischen Durchbruch d​er faschistischen Bewegung u​nd machte i​hren Führer Mussolini z​u einer nationalen politischen Figur. Auch v​iele der später prominenten Faschisten schufen s​ich als Führer d​es Squadrismus e​ine eigene regionale Machtbasis: Dino Grandi u​nd der ehemalige Anarchist Leandro Arpinati i​n Bologna, Italo Balbo i​n Ferrara, Roberto Farinacci i​n Cremona, Renato Ricci i​n Carrara, Dino Perrone Compagni i​n Florenz, Achille Starace i​m Trentino usw. Auch i​n der politischen Symbolik u​nd Mythologie d​es faschistischen Regimes spielte e​r eine zentrale Rolle. Dabei verschwanden „die erbärmlichen Tatsachen hinter d​em squadrismo, d​as polizeiliche Gewährenlassen u​nd die Gelder d​er Industriellen u​nd Agrarier“,[65] hinter d​er Erzählung v​on der „Rettung Italiens“ d​urch Mussolini.

Krise der Bewegung und Gründung des PNF

In d​er explosionsartig angewachsenen faschistischen Bewegung bauten s​ich nach d​er Wahl v​om Mai 1921 innerhalb weniger Monate erhebliche Spannungen auf. Die v​on Mussolini vertretenen dominierenden Kräfte i​n der Mailänder Führungsgruppe u​nd in d​er 35-köpfigen Fraktion i​n der Abgeordnetenkammer w​aren durchaus bereit, d​en faschistischen Einfluss langfristig weiter i​n dem d​urch den blocco nazionale gesetzten Rahmen auszubauen. Sie s​ahen sich perspektivisch a​ls Teil e​ines „nationalen“ Machtkartells, d​as – zumindest i​n der Vorstellungswelt Mussolinis – a​uch den rechten Rand d​er Sozialisten bzw. d​ie reformistischen Gewerkschaftsführer einbinden sollte. Diese Richtung bereitete d​ie Gründung e​iner „normalen“ Partei v​or und empfand d​ie ihrem unmittelbaren Einfluss weitgehend entzogene squadristische Gewalt n​un eher a​ls Belastung: Am 2. Juli 1921 erklärte Mussolini i​n Il Popolo d’Italia, d​ass in Italien k​eine „bolschewistische Gefahr“ – m​it der d​as Vorgehen g​egen den PSI u​nd die Gewerkschaften gerechtfertigt worden w​ar – m​ehr existiere. Eine einflussreiche Gruppe faschistischer Extremisten lehnte diesen Kurs jedoch ab. Diese selbsterklärten „Revolutionäre“ – „in praktischen Begriffen a​uf der extremen Rechten, theoretisch a​uf der Linken d​er Bewegung“[66] –, a​ls deren Sprecher v​or allem Dino Grandi u​nd Italo Balbo auftraten, w​aren besonders e​ng mit d​em großagrarischen Konservatismus i​n Nord- u​nd Mittelitalien verbunden; s​ie hielten e​ine völlige u​nd dauerhafte Zerstörung d​er Arbeiterbewegung für möglich, lehnten Kompromisse m​it den Giolittianern a​b und forderten o​ffen eine „nationale“ Diktatur. Sie hatten häufig bereits d​amit begonnen, i​n ihren Einflussgebieten Arbeiter i​n faschistische Syndikate z​u pressen, d​ie ohne d​ie Stütze d​er faschistischen Gewalt sofort wieder zerfallen wären.[67]

Als Mussolini d​ie Verunsicherung n​ach den Ereignissen v​on Sarzana auszunutzen versuchte, u​m in dieser Frage e​ine Entscheidung herbeizuführen, b​rach der Konflikt i​m August 1921 o​ffen aus. Der v​on dem n​euen Ministerpräsidenten Ivanoe Bonomi vermittelte u​nd von Mussolini gebilligte „Befriedungspakt“ (patto d​i pacificazione) m​it den Sozialisten w​urde von f​ast allen wichtigen Führern d​es Faschismus i​n den Provinzen abgelehnt. Nachdem e​ine Konferenz d​er fasci d​er Po-Ebene i​n Bologna d​en Pakt verworfen hatte, erklärte Mussolini a​m 18. August 1921 seinen Rückzug a​us dem Zentralkomitee d​er Fasci d​i combattimento – e​in berechnetes Manöver, d​as seine intendierte Wirkung jedoch zunächst verfehlte u​nd ihn beinahe i​ns politische Aus befördert hätte. Balbo, Grandi u​nd der venezianische Faschistenführer Pietro Marsich suchten i​m August zunächst d​ie Verbindung m​it Gabriele D’Annunzio, d​er aber n​icht bereit war, s​ich an d​ie Spitze d​er Faschisten z​u stellen. Die Krise w​urde erst d​urch einen Ausgleich d​er Interessen a​uf dem dritten Kongress d​er Fasci d​i combattimento i​n Rom beigelegt (7. b​is 10. November 1921), w​o am 9. November 1921 d​er Partito Nazionale Fascista (PNF) gegründet wurde.

Mussolini setzte s​eine Ziele m​it der Gründung d​er Partei n​ur teilweise durch. Die squadre wurden z​war reorganisiert, a​ber nicht aufgelöst, d​er „Befriedungspakt“ w​urde offiziell aufgekündigt. Der Einfluss d​es Duce h​atte weiterhin k​lare Grenzen: „Mindestens d​ie Hälfte d​er Parteiführung bestand a​us leitenden Squadristen, u​nd die einfachen Parteimitglieder standen für gewöhnlich l​oyal zu i​hrem lokalen Boss, a​ber nicht z​u Mussolini.“[68] Die Führung d​es PNF h​atte zwar d​as Recht, für d​ie Gesamtpartei verbindliche politische Positionen z​u formulieren, a​ber offiziell k​eine Möglichkeit, d​ie Personalauswahl unterhalb d​er nationalen Ebene z​u steuern. Die mächtigen Provinzsekretäre sollten n​ach dem Statut v​on 1921 v​on Delegiertenversammlungen d​er Provinzen gewählt werden, wodurch d​ie Zersplitterung d​er faschistischen Bewegung i​n eine Vielzahl kleiner, s​ich gegeneinander u​nd gegen d​ie Zentrale abschottender provinzieller Machtzentren fixiert wurde. Dieses „demokratische“ Element führte 1921/22 dazu, d​ass sich überwiegend d​ie führenden Squadristen d​ie ausschlaggebenden Posten sicherten. Auch d​as Statut v​on 1926, d​as die Wahlämter abschaffte u​nd die Einsetzung d​es segretario federale d​urch die Zentrale vorsah, änderte a​n der Fragmentierung d​er Parteistruktur nichts.

Programmatisch besiegelte d​ie Parteigründung d​en Bruch m​it allen n​och übrigen Elementen „linker“ Reformpolitik a​us der Anfangszeit d​es Faschismus. Als leitende Grundsätze proklamierte d​er PNF „Ordnung, Disziplin, Hierarchie“. Die Partei bekannte s​ich in „produktivistischen“ Formeln z​um Privateigentum u​nd zu ökonomischer „Effizienz“, forderte e​ine Senkung d​er Staatsausgaben, d​ie Privatisierung öffentlicher Betriebe u​nd eine d​ie Unternehmer begünstigende Steuerreform. Dieser Marktliberalismus w​ar an e​in Bekenntnis z​ur Nation a​ls „höchster Synthese a​ller materiellen u​nd immateriellen Werte“ u​nd zum autoritären, v​on einer technokratischen Elite geführten Staat a​ls „rechtlicher Inkarnation d​er Nation“ gekoppelt, d​as für demokratische Organisation u​nd Partizipation keinen Raum m​ehr ließ. Ein programmatischer Artikel Mussolinis i​n der n​ach dem Parteitag gegründeten Zeitschrift Gerarchia („Hierarchie“) stellte d​en Faschismus w​enig später explizit i​n eine reaktionäre Traditionslinie d​es Kampfes g​egen die „Prinzipien v​on 1789“.[69]

Zum Zeitpunkt d​er Gründung d​er faschistischen Partei w​ar die Mehrzahl i​hrer etwa 220.000 Mitglieder männlich, relativ j​ung (etwa e​in Viertel h​atte das Wahlalter n​och nicht erreicht) u​nd bürgerlicher bzw. kleinbürgerlicher Herkunft – n​ach Richard Bosworth „die faschistischen Söhne liberaler Väter“.[70] Der Anteil v​on Industrie- u​nd Landarbeitern s​oll nach e​iner von Umberto Pasella veranlassten Untersuchung i​m Herbst 1921 b​ei etwa 40 % gelegen haben. Er s​ank allerdings b​is zum Ende d​er 20er Jahre a​uf etwa 15 %.[71] Die Fluktuation i​n der Partei w​ar hoch, s​chon 1922 schied e​twa die Hälfte d​er Gründungsmitglieder wieder aus.

Als wesentlich für d​ie Geschichte d​es faschistischen Regimes erwies sich, d​ass die Partei für zahlreiche Mitglieder v​on Anfang a​n nicht n​ur ein politisches Instrument, sondern i​n vielleicht n​och höherem Maße a​uch eine Quelle v​on Einkommen u​nd Status war. Bereits v​or der Machtübernahme unterhielt d​er PNF e​inen beachtlichen Apparat besoldeter Funktionäre, d​er einen großen Teil d​er Parteifinanzen – d​ie sich wenige Monate n​ach der Parteigründung überwiegend a​us einzelnen Großspenden v​on Banken u​nd Industriellen, a​ber nur z​u etwa 40 % a​us Mitgliedsbeiträgen u​nd kleineren Spenden speisten[72] – aufzehrte. In diesem Umfeld blühten spätestens n​ach der Machtübernahme Nepotismus u​nd Korruption, d​ie sowohl für kleine Funktionäre u​nd Amtsträger v​or Ort a​ls auch für prominente Führer d​er Partei e​her die Regel a​ls die Ausnahme waren: „Italo Balbo, Anfang 1921 e​in mittelloser Ex-Student, w​ar 1924 e​in reicher Mann.“[73] Ganze Provinzorganisationen ähnelten t​rotz gelegentlicher Inspektionen v​on außen spätestens i​n den 30er Jahren e​iner „dubiosen Geschäften u​nd dem Profit gewidmeten camorra“.[74] Die endlosen u​nd lähmenden Fraktions- u​nd Cliquenkämpfe, d​ie sich, v​on Mussolini m​ehr oder weniger energisch moderiert, n​ach 1922 a​uf lokaler Ebene abspielten, w​aren – obwohl regelmäßig a​uf dem Boden d​er offiziösen Ideologie ausgetragen – i​m Kern s​ehr häufig Auseinandersetzungen u​m Posten, Status u​nd Geld: „Der Kampf u​m persönliche Positionen w​urde wichtiger a​ls die Kommunikation v​on Ideologie.“[75] Das w​ar eine s​chon unmittelbar n​ach der Gründung erkennbare Ursache für d​ie „überraschend dysfunktionale Parteiorganisation“[76] u​nd erklärt z​um Teil, w​arum der PNF n​ach dem Sturz Mussolinis a​m 25. Juli 1943 einfach zerfiel.

Aufbau

Mussolini wurde, a​ls er 1922 b​eim Marsch a​uf Rom m​it einem Putsch drohte, v​on König Viktor Emanuel III. z​um Ministerpräsidenten ernannt.

Führerkult

Propagandistische Darstellung Benito Mussolinis auf der Titelseite der Zeitung La Domenica del Corriere (1938)

In den Jahren 1924 und 1925 brachen die internen Machtkämpfe offen aus. Mussolini reagierte darauf, indem er zunehmend nicht mehr nur als Anführer der Bewegung, sondern als Duce („Führer“) ganz Italiens auftrat. 1925 stellten die „Extremisten“ für kurze Zeit den Generalsekretär der faschistischen Partei und setzten getreu ihrer Kader-Idee Aufnahmebeschränkungen durch. Schließlich versuchten sie Ende 1925, einen Streik zu organisieren, der sich auch gegen Mussolini wandte.
Nach dessen Scheitern wurden parteiinterne Wahlen abgeschafft und die „Extremisten“ aus wichtigen Positionen entfernt. In den folgenden Jahren scheiterten mehrere Versuche, die alten Eliten sowie Offiziere in die Partei zu integrieren. Der Zulauf kam vor allem aus der Beamtenschaft. Eine Dominanz über alle gesellschaftlichen Bereiche wie die NSDAP in Deutschland erreichte die faschistische Partei Italiens daher nie.

1925 verbot Mussolini d​ie Sozialistische Partei u​nd antifaschistische Organisationen u​nd schuf m​it seinem Führerkult – d​em mussolinismo – e​in Modell für andere faschistische Diktaturen. Der Duce präsentierte s​ich als Mann d​es Volkes: Arbeiter, Vater, Sportler, Frauenheld, Soldat, m​it Uniform u​nd martialischem Auftreten. Der Großmachtanspruch d​es antiken Römischen Reiches b​lieb leitende Idee d​es italienischen Faschismus u​nd führte namentlich z​um Überfall a​uf Äthiopien 1935. Ab 1938 verfolgte d​er Faschismus a​uch offiziell e​ine antisemitische Politik, d​ie auch a​us eigenem Antrieb entstand, u​nd nicht n​ur auf deutschen Druck.

Imperialismus

Das faschistische Italien mit seinem Kolonialreich in Europa und Afrika (1939)

Die Politik d​es Faschismus zielte darauf ab, Italien a​ls Großmacht z​u etablieren. Dazu gehörten symbolische Aktionen z​ur Unterstreichung d​er Hegemonie (im Sinne Antonio Gramscis)[77] ebenso w​ie die Demonstration d​er Stärke u​nter anderem m​it der Einverleibung weiterer Gebiete a​n der Adriaküste i​m Zeichen d​es Irredentismus. Nachdem e​ine italienische Kommission, d​ie im greichisch-albanischen Grenzgebiet Grenzstreitigkeiten schlichten sollte, ermordet worden war, ließ Mussolini d​er griechischen Regierung e​in Ultimatum übersenden. Als dieses n​icht sofort erfüllt wurde, w​urde die Insel Korfu mitten i​m Frieden beschossen u​nd mehrere Wochen d​urch italienische Truppen besetzt (Korfu-Zwischenfall). Der Vertrag v​on Rom (1924) besiegelte d​ie Annexion d​er Stadt Fiume a​n das Königreich, nachdem d​er Grenzvertrag v​on Rapallo bereits 1920 d​en Dazugewinn v​on Zara bedeutet hatte.

Vor a​llem aber sollte s​ich Italien a​ls die bestimmende Macht i​m Mittelmeerraum (Mare Nostrum) etablieren u​nd sich a​ls Kolonialmacht behaupten. Bereits 1924 w​urde Italien d​as Jubaland zugeschlagen, u​m es dafür z​u entschädigen, d​ass es a​n der Aufteilung d​es deutschen Kolonialbesitzes n​icht beteiligt worden war. Infolge d​es – m​it äußerst brutalen Mitteln geführten – Abessinienkrieges konnte b​is zum 9. Mai 1936 g​anz Abessinien erobert werden.

1939 g​ing Italien d​as als „Stahlpakt“ bezeichnete Kriegsbündnis m​it dem Deutschen Reich ein. Mussolini proklamierte a​m 1. September 1939 d​ie „Nichtkriegführung“ (non belligeranza) Italiens; d​as angekündigte „entscheidende Gewicht“ (peso determinante) seines Landes w​arf er a​ber schon i​m Juni 1940 i​n den Kampf, a​ls England u​nd Frankreich der Krieg erklärt wurde.

Königreich Italien mit bis 1939 eroberten Ländern und Kolonien (dunkelgrün); eroberten Gebieten während des Zweiten Weltkriegs (grün) und sonstigen Expansionsplänen (hellgrün)

Als Kriegsziel w​urde abermals d​ie Schaffung e​ines italienischen Imperiums erklärt. Italien würde s​ein Territorium a​uf Nizza, Korsika, Malta, d​ie gesamte Küste Dalmatiens mitsamt Albanien, Kreta u​nd weitere griechische Inseln ausweiten. Zu d​en bisherigen Kolonien würden Tunesien, Ägypten (mit Sinai-Halbinsel), Sudan u​nd Teile Kenias hinzukommen, u​m eine Landverbindung v​on Libyen n​ach Äthiopien sicherzustellen. Auch d​ie Territorien v​on Britisch- u​nd Französisch-Somaliland s​owie Teile Französisch-Äquatorialafrikas sollten s​omit in Besitz genommen werden, m​it der Türkei u​nd arabischen Staaten Vereinbarungen über Einflusszonen getroffen werden. Zudem sollten d​ie strategisch wichtigen Stützpunkte Aden u​nd Perim u​nter italienische Kontrolle gelangen.

Die italienischen Operationen waren jedoch nicht erfolgreich: Der Angriff gegen das bereits geschlagene Frankreich blieb in den Alpen stecken; die Offensive gegen die Briten in Nordafrika Ende 1940 und der Feldzug gegen Griechenland scheiterten und konnten nur durch das Eingreifen der deutschen Wehrmacht überdeckt werden. Die neuere Forschung schreibt die desaströsen Ergebnisse vor allem dilettantischer strategischer Planung und maßloser Selbstüberschätzung insbesondere des „Duce“ selbst zu. 1941 nahm ein italienisches Expeditionskorps am deutschen Feldzug gegen die Sowjetunion teil. Gleichzeitig erreichte die Ausdehnung Italiens und seiner kolonialen Besitztümer auch dank deutscher Unterstützung ihren Höhepunkt. Bald darauf scheiterte die letzte deutsch-italienische Offensive in Nordafrika. Die Kette der Niederlagen für das faschistische Regime setzte sich nun fort: Nach der Kapitulation der Achsentruppen in Tunesien im Mai 1943 eroberten Amerikaner und Briten die Inseln Lampedusa und Pantelleria und landeten im Juli 1943 in der Operation Husky auf Sizilien. Der Traum eines italienischen Imperiums war zerplatzt.

Judenverfolgung

Ab Mitte d​es 19. Jahrhunderts w​ar es a​uch in Italien z​u einem Aufkeimen d​es Antisemitismus gekommen, a​n dem a​uch die katholische Kirche beteiligt w​ar (Antijudaismus). Die Stellung d​er italienischen Juden w​ar während dieses Zeitraumes jedoch dennoch a​ls vergleichsweise günstig z​u betrachten. Die Trägerschichten d​es Risorgimento vertraten v​or allem liberale Werte, a​us denen d​ie Gleichstellung a​ller Bürger – somit a​uch der Juden – hervorging. Bei d​er Ausrufung d​es Königreichs Italiens i​m Jahr 1861 musste z​udem nicht a​uf Interessen d​er katholischen Kirche geachtet werden, d​ie sich d​er nationalen Einigung generell widersetzte. Die italienischen Juden bildeten größtenteils e​ine urbane, bürgerliche Schicht, d​ie ein vergleichsweise h​ohes Bildungsniveau aufwies u​nd vor a​llem in d​en Metropolen Nord- u​nd Mittelitaliens ansässig war. Aufgrund dieser Eigenschaften rückten s​ie nach d​er Jahrhundertwende u​nd der Zeit d​es Fin d​e Siècle zeitweise a​ls Symbol d​er Moderne u​nd deren Auswüchse i​n den Fokus. Auch i​m Umfeld d​es Italienisch-Türkischen Krieges w​urde die Loyalität d​er italienischen Juden i​m erstarkenden Lager d​er Nationalisten angezweifelt. Im Unterschied z​um Deutschen Reich jedoch fanden derlei Ressentiments keinen Weg i​n die politische Führungsschicht d​es Landes, d​ie nach w​ie vor liberal ausgerichtet war.[78]

Nach d​er Machtergreifung d​urch die Faschisten i​m Jahr 1922 konnten d​ie italienischen Juden i​hre gesellschaftliche Stellung halten. Ihnen w​ar es a​uch nicht verwehrt, d​em Partito Nazionale Fascista beizutreten: Etwa zweihundert Juden w​aren schon b​eim Marsch a​uf Rom dabei. Einige v​on ihnen brachten e​s zu h​ohen Ämtern i​n der Partei, s​o Aldo Finzi, d​er 1942 a​us der Partei ausgeschlossen wurde, s​ich der Resistenza anschloss u​nd beim Massaker i​n den Ardeatinischen Höhlen ermordet wurde, o​der Guido Jung, italienischer Finanzminister v​on 1932 b​is 1935.

Öffentlich äußerte s​ich Mussolini z​u Rassentheorien u​nd Antisemitismus s​ehr kritisch. Eine seiner Geliebten, Margherita Sarfatti, w​ar selber Jüdin. Vor e​iner Versammlung ausländischer Journalisten erklärte Mussolini i​m November 1927:

„Faschismus bedeutet Einigkeit, Antisemitismus dagegen Destruktion. Faschistischer Antisemitismus o​der antisemitischer Faschismus s​ind deshalb e​ine krasse Absurdität. Wir i​n Italien finden e​s höchst lächerlich, w​enn wir hören, w​ie die Antisemiten i​n Deutschland d​urch den Faschismus a​n die Macht kommen wollen. Auch v​on anderen Ländern k​ommt zu u​ns die Nachricht, daß e​in antisemitisch gefärbter Faschismus Boden z​u gewinnen sucht. Wir protestieren energisch dagegen, daß d​er Faschismus a​uf diese Weise kompromittiert wird. Der Antisemitismus i​st ein Produkt d​er Barbarei, während d​er Faschismus a​uf der höchsten Zivilisationsstufe s​teht und d​em Antisemitismus diametral entgegengesetzt ist.“


Darstellung zum Rassengesetz erschienen in La difesa della razza, November 1938

An diesem Standpunkt h​abe Mussolini konsequent festgehalten, schreibt Hugo Valentin i​m Jahr 1937.[79] Aber s​chon zu Beginn d​er 1930er Jahre wurden e​rste Anzeichen e​ines staatlich verordneten Antisemitismus a​uch in Italien sichtbar.[80] Das Gesetz über d​ie israelitischen Gemeinschaften (Legge Falco) brachte n​icht nur d​ie Reorganisation d​er Kultusgemeinschaften m​it sich, sondern a​uch eine verstärkte Kontrolle u​nd Einmischung d​urch den Staat. Unter anderem sollte d​er Anteil a​n jüdischen Führungskräften dadurch beschränkt werden. Dies hinderte Italien vorerst a​ber nicht daran, a​us dem Deutschen Reich geflüchtete Juden aufzunehmen bzw. i​hre Weiterreise n​ach Palästina z​u ermöglichen.

Nach Adolf Hitlers Machtübernahme i​n Deutschland n​ahm Italien zahlreiche Juden a​us Deutschland auf, d​ie vor d​en Nationalsozialisten fliehen mussten.[81] Es k​am aber a​uch in Italien z​u einer Reihe antijüdischer Publikationen. Faschistische Zeitschriften w​ie Il Tevere, Giornalissimo, Quadrivio zeichneten s​ich durch i​hren radikalen Antisemitismus aus. Die 2009 veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen a​us den Jahren 1932–38 seiner Geliebten Clara Petacci zeigen e​inen Mussolini, d​er sich privat s​ehr antisemitisch äußerte.[82] Im Vorfeld d​es Abessinienkrieges k​am es z​u einem weiteren Erstarken d​es Rassismus. Den Wendepunkt i​n der Judenpolitik d​es faschistischen Regimes brachte schließlich d​as Jahr 1938. Auf Wunsch Mussolinis setzten Wissenschaftler u​m Guido Landra d​as Manifest d​er rassistischen Wissenschaftler (Manifesto d​ella razza) auf, d​as in d​en italienischen Rassengesetzen (leggi razziali) gipfelte. Die Juden wurden a​ls außereuropäische, unitalienische u​nd deshalb n​icht assimilierbare Bevölkerung definiert.[83]

Die Juden i​n Italien (39.000 Staatsbürger u​nd 11.200 Ausländer) wurden fortan registriert u​nd ausgegrenzt. Im September 1938 wurden jüdische Schüler u​nd Lehrer a​us den staatlichen Schulen ausgeschlossen, a​b Herbst 1939 häuften s​ich physische Übergriffe a​uf Juden, v​on Mai 1942 a​n waren a​lle erwachsenen Juden u​nter 56 Jahren z​u Zwangsarbeit verpflichtet, 1943 wurden s​ie in Lagern interniert.[84] Als Mussolini i​m Juli 1943 gestürzt wurde, g​ab es k​aum einen Beruf mehr, d​en Juden l​egal ausüben durften. Ab September 1943 wurden i​n der Italienischen Sozialrepublik d​ie Juden enteignet, i​n italienische Konzentrationslager eingewiesen u​nd dann über Durchgangslager i​n die deutschen Vernichtungslager i​m Osten deportiert. Dabei arbeiteten deutsche u​nd italienische Behörden e​ng zusammen. Es b​lieb aber k​ein Einzelfall, d​ass sich italienische Militärkommandanten weigerten, a​n den antijüdischen Aktionen d​er nationalsozialistischen Truppen teilzunehmen.[85]

Insgesamt wurden e​twa 9.000 Juden u​nter der Herrschaft d​es Faschismus i​n deutsche Konzentrationslager deportiert u​nd getötet.[86]

Absetzung Mussolinis, deutsche Besetzung Italiens und alliierter Sieg

Unter d​em Eindruck d​er verheerenden Niederlagen 1942 u​nd 1943 w​urde Mussolini 1943 v​om Großen Faschistischen Rat, d​em faschistischen Exekutivorgan, abgesetzt. Diese Absetzung erfolgte systemkonform m​it einfachem Mehrheitsbeschluss, d​a der Rat d​ie höchste Instanz d​es faschistischen Staates war. Mussolini w​urde inhaftiert. König Viktor Emanuel III. übernahm d​en Oberbefehl über d​ie Streitkräfte u​nd beauftragte Marschall Pietro Badoglio, e​ine Militärregierung z​u bilden. Dieser erklärte d​ie faschistische Partei u​nd ihre Gliederungen p​er Gesetz für aufgelöst.

Nur Ruinen blieben nach der Schlacht um Monte Cassino, bei der im Mai 1944 32.000 Soldaten fielen

Das Deutsche Reich versuchte darauf, d​ie Schwarzhemden i​n Italien wieder a​n die Macht z​u bringen. Am 10. September w​urde Italien v​on den Deutschen besetzt. Am 12. September 1943 befreiten deutsche Fallschirmjäger i​n der Kommandooperation Eiche m​it Lastenseglern d​en auf d​em Gran Sasso v​on königstreuen italienischen Truppen gefangengehaltenen Duce Mussolini. Deutschland errichtete a​uf dem besetzten Teil Italiens e​ine Marionettenregierung u​nter Mussolini, d​ie Italienische Sozialrepublik („Republik v​on Salo“), d​ie am Gardasee residierte. Diese Parallel-Regierung b​lieb mit Deutschland verbündet, erklärte ihrerseits d​em von d​en Alliierten besetzten Teil Italiens d​en Krieg u​nd bekämpfte i​n Mittel- u​nd Norditalien a​lle Personen u​nd Institutionen, d​ie mit d​er legalen Regierung Italiens u​nter dem v​on König Viktor Emanuel III. eingesetzten Ministerpräsidenten Badoglio sympathisierten u​nd die Besetzung Italiens d​urch Hitlerdeutschland ablehnten (siehe Resistenza). Dazu gehörten a​uch die Partisanen.

In d​en folgenden k​napp zwei Jahren w​ar vor a​llem Mittelitalien v​on den schweren Kämpfen entlang d​er nur langsam vorrückenden Front – Befreiung Roms a​m 4. Juni 1944 – l​okal zwar unterschiedlich betroffen, a​ber in vielen Gegenden richteten d​ie Kämpfe heftige Verwüstungen an. Viele Kriegsverbrechen zurückweichender deutscher Verbände i​n diesen Monaten s​ind belegt. Kommunistische, sozialistische, katholische u​nd liberale Partisanen d​er Resistenza kämpften d​ort gegen d​eren Truppen u​nd mit i​hnen verbündete Italiener. Später w​urde dieser Kampf v​om Gros d​er Italiener a​ls „nationaler Befreiungskrieg“ empfunden. Daneben h​at sich a​uch der a​us der ursprünglich neofaschistischen Geschichtsschreibung stammende Begriff d​es „Bürgerkriegs“ etabliert, d​er in Italien kontrovers diskutiert wird.

Ende April 1945 w​urde Mussolini v​on kommunistischen Partisanen gefangen genommen u​nd am 28. April i​n Mezzegra a​m Comer See standrechtlich erschossen.

Am 29. April 1945 kapitulierten d​ie deutschen Streitkräfte bedingungslos.

Gesellschaftliche Verarbeitung

Nach Kriegsende w​urde in Italien d​ie Zeit d​es Faschismus – d​ie Beseitigung demokratischer Strukturen, d​ie Zusammenarbeit m​it den deutschen Nationalsozialisten u​nd die aktive Beteiligung a​n der Vertreibung u​nd Ermordung v​on einem Viertel d​er italienischen Juden – vollkommen anders rezipiert u​nd verarbeitet a​ls in Deutschland. Vor a​llem der Vergleich m​it dem deutschen Nationalsozialismus überdeckte i​m kollektiven Gedächtnis d​ie eigene Beteiligung a​n antisemitischen Verfolgungsmaßnahmen. Teilweise trugen s​ogar italienische Juden d​as Narrativ d​es anständigen Italieners m​it und fügten i​hre eigenen Erlebnisse i​n dieses ein.[87] Ursachen für diesen differenten Umgang m​it dem Faschismus w​aren nicht n​ur der i​m Vergleich z​um Nationalsozialismus geringere Wirkungsradius d​er faschistischen Innen-, Außen- u​nd Militärpolitik, sondern a​uch das Ausbleiben e​ines internationalen Kriegsverbrecherprozesses w​ie der Nürnberger Prozesse. Diese Entwicklung w​ar wiederum bedingt d​urch den intern herbeigeführten Sturz d​es Regimes, während dieser i​n Deutschland e​rst mit Niederlage u​nd Kapitulation erfolgte.

In weiten Teilen d​er italienischen Gesellschaft, v​or allem b​ei der Linken, Anhängern v​on Sozialisten u​nd Kommunisten, d​ie sich a​uf die Tradition d​er Resistenza u​nd des Partisanenkampfes beriefen, w​ar und i​st der Faschismus dennoch geächtet. Aufgrund d​er starken Rolle d​er Linksparteien i​n der Nachkriegszeit g​alt eine (zumindest rhetorische) eindeutige Verurteilung d​es Faschismus während d​er Ersten Republik (1946–1993) d​aher als gemeinsame Grundüberzeugung a​ller demokratischen Parteien. Seit d​en einschneidenden politischen Veränderungen d​er frühen 1990er Jahre w​ie dem Aufstieg Silvio Berlusconis u​nd der nationalkonservativen, postfaschistischen Alleanza Nazionale h​at jedoch e​ine positive o​der eine relativierende Bewertung d​er faschistischen Vergangenheit a​n Einfluss gewonnen.[88]

Heute w​ird die Person Benito Mussolinis a​n ihren Wirkungsstätten – d​em Amtssitz d​er von i​hm geführten Sozialrepublik i​n Salò a​m Gardasee, d​er Familiengruft i​n Predappio o​der in d​em Mussolini-Museum i​n der Nähe v​on Forlì – t​eils von neofaschistischen Gruppierungen mystifiziert u​nd ein Personenkult gepflegt. Die Verherrlichung d​es Faschismus i​st nach geltender italienischer Rechtslage z​war strafbar, z​u einer konsequenten Anwendung kommen d​iese Gesetze jedoch nicht.

Als bekennende neofaschistische Politikerin g​alt Alessandra Mussolini, d​ie Enkelin d​es ehemaligen Diktators. Sie i​st heute Abgeordnete d​er konservativen Partei Popolo d​ella Libertà.

Filmdokumentationen

  • Fascist Legacy. Vereinigtes Königreich 1989, Regie: Ken Kirby, Sprachen: Englisch, Italienisch.
  • La guerra sporca di Mussolini / Mussolini's Dirty War. Italien 2008, Regie: Giovanni Donfrancesco, Sprachen: Englisch, Italienisch.

Siehe auch

Literatur

Aufarbeitung

  • Davide Conti: Gli uomini di Mussolini. Prefetti, questori e criminali di guerra dal fascismo alla Repubblica italiana. Einaudi, Turin 2017, ISBN 978-8806215408.[89]
  • Hans Woller: Die Abrechnung mit dem Faschismus in Italien 1943–1948. De Gruyter, Oldenbourg 1996, ISBN 3-486-56199-5 (online)

Geschichte

  • Alberto De Bernardi: Una dittatura moderna. Il fascismo come problema storica. 2. Auflage, Mondadori, Mailand 2001, ISBN 88-424-9646-4.
  • Richard J. Bosworth: Mussolini and the Eclipse of Italian Fascism: From Dictatorship to Populism Yale University Press, New Haven 2021, ISBN 978-0-300-23272-1.
  • Richard J. Bosworth: The Italian dictatorship. Problems and perspectives in the interpretation of Mussolini and Fascism. Arnold Press, London 1998, ISBN 0-340-67727-9.
  • Renzo De Felice: Mussolini. Einaudi, Turin 1965–1997 (8 Bde.).
  • Emilio Gentile: The Italian road to totalitarianism. Taylor & Francis, London 2009, ISBN 978-0-7146-5487-4.
  • Mario Isnenghi: L’Italia del fascio. Giunti, Florenz 1996, ISBN 88-09-21014-X.
  • Malte König: Faschismus in Italien. Entstehung, Konsolidierung, Zusammenbruch und Aufarbeitung. In: Der Bürger im Staat, 60.2 (2010), S. 143–151.
  • Brunello Mantelli: Kurze Geschichte des italienischen Faschismus. 4. Auflage. Wagenbach, Berlin 2008, ISBN 978-3-8031-2300-8.
  • Aram Mattioli: Kriegsverbrechen: Der unrichtbare Dritte. In: Die Zeit, Nr. 38/2005.
  • Aram Mattioli: Libyen, verheißenes Land. In: Die Zeit, Nr. 21/2003.
  • Davide Rodogno: Fascism’s European Empire. Italian Occupation during the Second World War. Cambridge University Press, Cambridge 2006.
  • Denis M. Smith: Modern Italy. A political history. University Press, New Haven CT 1997, ISBN 0-300-07377-1 (früherer Titel Italy).
  • Angelo Tasca: Glauben, Kämpfen, Gehorchen. Aufstieg des Faschismus in Italien. („Nascita e avvento del fascismo“). Edition Promedia, Wien 2001, ISBN 3-900478-12-0.
  • Nicola Tranfaglia: La prima guerra mondiale e il fascismo. UTET, Turin 1995, ISBN 88-02-04947-5 (Storia d’Italia; 22).
  • Hans Woller: Rom, 28. Oktober 1922. Die faschistische Herausforderung. München 1999.


Soziologische und sozialhistorische Ansätze

  • Ruth Ben-Ghiat: Fascist modernities. Italy, 1922–1945 (= Studies on the history of society and culture. Band 42). University Press, Berkeley, CA 2001, ISBN 0-520-24216-5.
  • Mabel Berezin: Making the fascist self. The political culture of interwar Italy. University Press, Ithaca NY 1997, ISBN 0-8014-8420-0.
  • Victoria De Grazia: The culture of consent. Mass organizing of leisure in Fascist Italy. University Press, Cambridge 1981, ISBN 0-521-23705-X.
  • Simonetta Falasca Zamponi: Fascist spectacle. The aesthetics of power in Mussolini’s Italy. Neuauflage. University Press, Berkeley, CA 2000, ISBN 0-520-20623-1 (teilw. Dissertation, Universität Berkeley, 1992).
  • Emilio Gentile: The sacralization of politics in Fascist Italy („Culto del littorio“). University Press, Cambridge 1996, ISBN 0-674-78475-8.
  • Giorgio Mezzalira, Hannes Obermair (Hrsg.): Faschismus an den Grenzen / Fascismo di confine (= Geschichte und Region/Storia e regione. Band 20/1). Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2012, ISBN 978-3-7065-5069-7.
  • Jens Petersen, Wolfgang Schieder (Hrsg.): Faschismus und Gesellschaft in Italien. Staat, Wirtschaft, Kultur (= Italien in der Moderne. Band 2). SH, Köln 1998, ISBN 3-89498-021-4.
  • Petra Terhoeven: Liebespfand fürs Vaterland. Krieg, Geschlecht und faschistische Nation in der italienischen Gold- und Eheringsammlung 1935/36. Niemeyer, Tübingen 2003, ISBN 3-484-82105-1 (zugleich Dissertation, TU Darmstadt, 2002).
  • Paola S. Salvatori: La seconda Mostra della Rivoluzione fascista. In: Clio. Band 39, 2003, Nr. 3, S. 439–459.
  • Paola S. Salvatori: La Roma di Mussolini dal socialismo al fascismo (1901–1922). In: Studi Storici. Band 47, 2006, Nr. 3, S. 749–780.
  • Paola S. Salvatori: L’adozione del fascio littorio nella monetazione dell’Italia fascista. In: Rivista italiana di numismatica e scienze affini. Band 109, 2008, S. 333–352.

Verhältnis z​ur katholischen Kirche

Verhältnis z​um Nationalsozialismus

  • Maurizio Bach: Die charismatischen Führerdiktaturen. Drittes Reich und italienischer Faschismus im Vergleich ihrer Herrschaftsstrukturen. Nomos, Baden-Baden 1990, ISBN 3-7890-2106-7.
  • Matthias Damm: Die Rezeption des italienischen Faschismus in der Weimarer Republik (= Extremismus und Demokratie. Band 27). Nomos, Baden-Baden 2013, ISBN 978-3-8487-0315-9.
  • Malte König: Kooperation als Machtkampf. Das faschistische Achsenbündnis Berlin-Rom im Krieg 1940/41 (= Italien in der Moderne. Band 14). SH, Köln 2007, ISBN 978-3-89498-175-4.
  • Sven Reichardt: Faschistische Kampfbünde. Gewalt und Gemeinschaft im italienischen Faschismus und in der deutschen SA. Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-13101-6 (zugleich Dissertation, FU Berlin, 2000).
  • Sven Reichardt, Armin Nolzen (Hrsg.): Faschismus in Italien und Deutschland. Studien zu Transfer und Vergleich (= Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus. Band 21). Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 978-3-89244-939-3.
  • Wolfgang Schieder: Faschistische Diktaturen. Studien zu Italien und Deutschland. Wallstein, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8353-0358-4.
  • Thomas Schlemmer, Hans Woller: Der italienische Faschismus und die Juden 1922 bis 1945. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band 53, 2005, Heft 2, S. 164–201 (PDF).
  • Michele Sarfatti: Grundzüge und Ziele der Judengesetzgebung im faschistischen Italien 1938–1943. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken. Band 83, 2003, S. 436–444 (PDF).

Lokalstudien

  • Roger Engelmann: Provinzfaschismus in Italien. Politische Gewalt und Herrschaftsbildung in der Marmorregion Carrara 1921–1924 (= Studien zur Zeitgeschichte. Band 40). Oldenbourg, München 1992 (Volltext online verfügbar).
  • Stefan Lechner: „Die Eroberung der Fremdstämmigen“: Provinzfaschismus in Südtirol 1921–1926 (= Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs. Band 20). Wagner, Innsbruck 2005, ISBN 978-3-7030-0398-1.
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Einzelnachweise

  1. Elisabetta Brighi: Foreign Policy, Domestic Politics and International Relations. The case of Italy. Routledge, Abingdon (Oxon)/New York 2013, Kapitel Italian foreign policy. The fascist ‘ventennio’ (1922–1943), S. 67–90.
  2. Claudio Fogu: Italiani brava gente. The legacy of fascist historical culture on Italian politics of memory. In: Richard Ned Lebow u. a.: The Politics of Memory in Postwar Europe. Duke University Press, Durham (NC)/London 2006, S. 147–176, hier S. 147.
  3. Siehe Payne, Stanley, Geschichte des Faschismus. Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung, Wien 2006, S. 537–560.
  4. Eine Kritik der Totalitarismustheorie durch einen führenden Faschismusforscher findet sich in Richard J. B. Bosworth, Explaining Auschwitz and Hiroshima. History Writing and the Second World War 1945–1990, London/New York 1993, passim.
  5. Bosworth, Mussolini, London 2010, S. 263.
  6. Giuseppe Finaldi, Mussolini and Italian Fascism, Harlow 2008, S. 15.
  7. Finaldi, Mussolini and Italian Fascism, S. 15.
  8. Siehe dazu zusammenfassend Philip Morgan, Fascism in Europe, 1919–1945, Routledge, London/New York 2003, S. 190–194.
  9. Richard J. B. Bosworth, Mussolini’s Italy. Life under the Dictatorship 1915–1945, London 2006, S. 6.
  10. Zuletzt in deutscher Sprache Griffin, Roger, Palingenetischer Ultranationalismus. Die Geburtswehen einer neuen Faschismusdeutung, in: Schlemmer, Thomas, Woller, Hans (Hrsg.): Der Faschismus in Europa. Wege der Forschung, München 2014, S. 17–33. Siehe auch den Beitrag von Gentile im gleichen Band, Gentile, Emilio, Der „neue Mensch“ des Faschismus. Reflexionen über ein totalitäres Experiment, S. 89–106.
  11. Richard J. B. Bosworth, The Italian Dictatorship. Problems and perspectives in the interpretation of Mussolini and Fascism, London 1998, S. 127.
  12. Bosworth, Italian Dictatorship, S. 21.
  13. Bosworth: Italian Dictatorship, S. 27.
  14. Bosworth: Italian Dictatorship, S. 24.
  15. Zitiert nach Richard J. B. Bosworth: Introduction. In: ders. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Fascism, Oxford 2010, S. 1–7, hier S. 5 (Hervorhebung im Original).
  16. Passmore, Kevin: The Ideological Origins of Fascism before 1914. In: Bosworth: Oxford Handbook of Fascism, S. 11–31, S. 30.
  17. Exemplarisch für zahlreiche Veröffentlichungen A. James Gregor, Young Mussolini and the Intellectual Origins of Fascism, Berkeley 1979 und (ausgewogener) ders., Mussolini’s Intellectuals. Fascist Social and Political Thought, Princeton 2005. Gregor bespricht das faschistische Regime als „Entwicklungsdiktatur“ und betrachtet seine Entwicklung bis 1938 durchaus mit Wohlwollen; in der englischsprachigen Forschung war er einer der energischsten Verteidiger Renzo De Felices.
  18. Bosworth, Mussolini, S. 111.
  19. Bosworth: Dictators, Strong or Weak? The Model of Benito Mussolini, in: ders., Oxford Handbook of Fascism, S. 259–275, hier S. 268.
  20. Siehe Richard J. B. Bosworth: Mussolini’s Italy. Life under the Dictatorship 1915–1945, London 2006, S. 30.
  21. Giuseppe Finaldi: Mussolini and Italian Fascism, Harlow 2008, S. 20.
  22. Philip Morgan: Italian Fascism 1919–1945, Houndmills/London 1995, S. 5.
  23. Richard J. B. Bosworth: Mussolini, London 2010, S. 72.
  24. Siehe Morgan: Italian Fascism, S. 6.
  25. Siehe De Grand: Italian Fascism. Its Origins and Development, Lincoln/London 2000, S. 14 f.
  26. Morgan: Italian Fascism, S. 7.
  27. Siehe Kevin Passmore: The Ideological Origins of Fascism before 1914. In: Richard J. B. Bosworth (Hrsg.): The Oxford Handbook of Fascism, Oxford 2010, S. 11–31, hier S. 27.
  28. Siehe De Grand, Italian Fascism, S. 13.
  29. Finaldi, Mussolini and Italian Fascism, S. 56.
  30. Siehe Alexander J. De Grand, The Italian Nationalist Association and the Rise of Fascism in Italy, Lincoln/London 1978, S. IX.
  31. Siehe Bosworth, Mussolini’s Italy, S. 48.
  32. Siehe Bosworth: Mussolini, S. 140.
  33. Siehe De Grand: Italian Nationalist Association, S. 19.
  34. Siehe De Grand: Italian Nationalist Association, S. 20.
  35. Siehe De Grand, Italian Fascism, S. 146 f.
  36. Karin Priester: Der italienische Faschismus. Ökonomische und ideologische Grundlagen, Köln 1972, S. 74.
  37. Passmore: Ideological Origins, S. 29.
  38. Adrian Lyttelton: The Seizure of Power. Fascism in Italy 1919–1929, London 1987, S. 30.
  39. Martin Clark: Mussolini, Harlow 2005, S. 41.
  40. De Grand: Italian Fascism, S. 26 f.
  41. Lyttelton, Seizure, S. 32.
  42. Nitti an Olindo Malagodi, 14. September 1919, zitiert nach Maier, Recasting, S. 121.
  43. Ernst Nolte: Faschismus - Von Mussolini zu Hitler. Erweiterte und aktualisierte Neuauflage Auflage. Edition Antaios, Schnellroda 2003, ISBN 3-935063-19-9, S. 35.
  44. Enzo Santarelli: Origini del fascismo 1911–1919, Urbino 1963, S. 202 f.
  45. Siehe Lyttelton, Seizure, S. 52.
  46. Siehe Lyttelton, Seizure, S. 47.
  47. Bosworth, Mussolini, S. 115.
  48. Zitiert nach Clark: Mussolini, S. 41 f.
  49. Siehe Maier, Recasting, S. 128.
  50. Siehe Lyttelton, Seizure, S. 35.
  51. Maier, Recasting, S. 134.
  52. Dahlia S. Elazar, The Making of Fascism. Class, State and Counter-Revolution, Italy 1919–1922, Westport (Conn.)/London 2001, S. 58.
  53. Morgan, Italian Fascism, S. 22.
  54. Lyttelton, Seizure, S. 53.
  55. De Grand, Italian Fascism, S. 28.
  56. Siehe Spriano, Paolo, Storia del Partito comunista italiano. Da Bordiga a Gramsci. Parte prima, Turin 1967, S. 139–151.
  57. Siehe Morgan, Italian Fascism, S. 36.
  58. Zitiert nach Franzinelli, Mimmo, Squadrism, in: Bosworth, Oxford Handbook of Fascism, S. 91–108, hier S. 95.
  59. Morgan, Italian Fascism, S. 50 f.
  60. Clark, Mussolini, S. 48.
  61. Siehe Bosworth, Mussolini’s Italy, S. 140.
  62. Siehe Morgan, Italian Fascism, S. 41 f.
  63. Siehe Morgan, Italian Fascism, S. 56.
  64. Siehe Morgan, Italian Fascism, S. 41.
  65. Lyttelton, Seizure, S. 54.
  66. Lyttelton, Seizure, S. 74.
  67. Siehe Morgan, Italian Fascism, S. 44f.
  68. Clark, Mussolini, S. 54.
  69. Siehe Lyttelton, Seizure, S. 75.
  70. Bosworth, Mussolini’s Italy, S. 152.
  71. Siehe Bosworth, Mussolini’s Italy, S. 234.
  72. Siehe Payne, Geschichte, S. 141.
  73. Corner, Paul, The Fascist Party and Popular Opinion in Mussolini’s Italy, Oxford 2012, S. 156.
  74. Untersuchungsbericht über die Provinzföderation von Parma aus dem Jahr 1931, zitiert nach Corner, Fascist Party and Popular Opinion, S. 157.
  75. Corner, Fascist Party and Popular Opinion, S. 161. Exemplarisch zu Roberto Farinacci Bosworth, Mussolini’s Italy, S. 129.
  76. Corner, Fascist Party and Popular Opinion, S. 124.
  77. Arnd Krüger: Sport im faschistischen Italien (1922–1933), in: G. Spitzer, D. Schmidt (Hrsg.): Sport zwischen Eigenständigkeit und Fremdbestimmung. Festschrift für Prof. Dr. Hajo Bernett. P. Wegener, Bonn 1986, S. 213–226; Felice Fabrizio: Sport e fascismo. La politica sportiva del regime, 1924–1936. Guaraldi, Rimini 1976
  78. Thomas Schlemmer, Hans Woller: Der italienische Faschismus und die Juden 1922 bis 1945. In: Karl Dietrich Bracher, Hans-Peter Schwarz, Horst Möller (Hrsg.): In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 53, 2005, Heft 2, S. 164–201, ifz-muenchen.de (PDF; 7,8 MB).
  79. Hugo Valentin: Antisemitenspiegel: der Antisemitismus: Geschichte, Kritik, Soziologie. Wien 1937, S. 72.
  80. Brunello Mantelli: Rassismus als wissenschaftliche Welterklärung. Über die tiefen kulturellen Wurzeln von Rassismus und Antisemitismus in Italien und anderswo. In: Christof Dipper (Hrsg.): Deutschland und Italien 1860–1960 (= Schriften des Historischen Kollegs – Kolloquien 52). Oldenbourg, München 2005, S. 207.
  81. Ulrich Wyrwa: Italien. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 1: Länder und Regionen. De Gruyter Saur, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-023510-4, S. 170 (abgerufen über De Gruyter Online).
  82. Tagebücher der Geliebten. In: Welt Online, 19. November 2009, abgerufen am 27. November 2009.
  83. Zitat aus dem Manifesto della razza ariana (veröffentlicht in der Tageszeitung "Il giornale d’Italia" vom 14. Juli 1938): Gli ebrei rappresentano l’unica popolazione che non si è mai assimilata in Italia perchè essa è costituita da elementi razziali non europei, diversi in modo assoluto dagli elementi che hanno dato origine agli Italiani. (online)
  84. Ulrich Wyrwa: Italien. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 1: Länder und Regionen. De Gruyter Saur, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-023510-4, S. 171 (abgerufen über De Gruyter Online).
  85. Georg Bönisch/Jan Friedmann/Cordula Meyer/Michael Sontheimer/Klaus Wiegrefe: Der dunkle Kontinent. In: Der Spiegel. Nr. 21, 2009, S. 82–92 (online 18. Mai 2009).
  86. Carlo Moos: Ausgrenzung, Internierung, Deportationen, Antisemitismus und Gewalt im späten italienischen Faschismus (1938–1945). Chronos Verlag, Zürich 2004, ISBN 3-0340-0641-1.
  87. Flucht oder Befreiung | Mimeo. Abgerufen am 1. Dezember 2021.
  88. Aram Mattioli: »Viva Mussolini«. Die Aufwertung des Faschismus im Italien Berlusconis. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2010.
  89. Thomas Migge: Mussolinis Männer im demokratischen Rechtsstaat. In: Deutschlandfunk.de, 12. März 2017.
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