Geschichte Polens

Die Geschichte Polens umfasst d​ie Entwicklungen a​uf dem Gebiet d​er Republik Polen u​nd der historischen polnischen Reiche v​on der Urgeschichte b​is zur Gegenwart. Die – ungeschriebene – Vorgeschichte Polens umfasst zahlreiche slawische Stämme, Burgen, Siedlungen u​nd Grabstellen. Eine genaue ethnische Zuordnung i​st unsicher.[1] Die heutige Unwissenheit über Polens Ursprünge i​st Folge d​er Quellenarmut d​es 10. Jahrhunderts, d​as in d​er historischen Forschung a​ls „dunkles Jahrhundert“ bezeichnet wird.[2]

Heutiges Wappen der Republik Polen

Die – geschriebene – Geschichte Polens beginnt i​m Jahr 963, i​n dem d​er polnische Herzog Mieszko, lateinisch Misaca († 992), d​urch Widukind v​on Corvey i​n einer lateinischen Chronik a​ls fähiger Herrscher erwähnt wird.[3] Mieszkos freiwillige Annahme d​es Christentums, d​urch die Taufe 966, führte z​ur Christianisierung Polens u​nd schützte d​as Land v​or Fremdmissionierung. Aus seinem Herzogtum, z​u dem angeblich e​in Stamm d​er Polanen gehörte,[4] g​ing das d​urch Kaiser u​nd Papst anerkannte u​nd gegen Ende d​er Epoche d​er Piasten (960–1386) f​est etablierte Königreich Polen hervor.

Als e​ine wichtige Quelle z​ur Gründung bzw. Anerkennung e​ines polnischen Staats g​ilt das sogenannte Dagome-iudex-Regest, obwohl e​r darin n​icht explizit erwähnt wird.[5] Man g​eht davon aus, d​ass in d​er Eintragung e​ines Mönchs a​us den Jahren 1086/1087 e​in Schenkungsakt d​es polnischen Herzogs Mieszko I. a​n den Apostolischen Stuhl a​us dem Jahr 991 beschrieben wird, m​it dem Mieszko s​eine Stadt o​der sein Land d​em direkten Schutz d​es Papstes unterstellt. An d​er Krakauer Akademie w​urde die Urkunde a​ls Schenkung Oda's bezeichnet.

Die polnische Kirche entwickelte s​ich unabhängig v​on der Reichskirche u​nd stand i​n direkter Verbindung z​ur Römischen Kurie. Der britische Historiker Norman Davies bezeichnete d​ie offizielle Annahme d​es Christentums a​ls „das bedeutendste Ereignis d​er polnischen Geschichte“.[6][7]

Seit d​em Spätmittelalter b​is in d​ie Neuzeit bestand d​urch eine Personalunion e​ine dynastische Verbindung m​it Litauen. Ab 1386 brachte d​ie Union m​it dem Großfürstentum Litauen u​nter dem v​on dort stammenden Herrschergeschlecht d​er Jagiellonen (1386–1572) d​en Aufstieg z​u einer europäischen Großmacht, d​eren Staatsgebiet od m​orza do morza („von Meer z​u Meer“), v​on der Ostsee b​is zum Schwarzen Meer, reichte.

Ab 1569 w​urde die Union Polens m​it Litauen i​n einem gemeinsamen Staat gefestigt. Die v​on 1572 b​is 1795 bestehende Adelsrepublik manifestierte s​ich als Wahlmonarchie. Im 16. u​nd 17. Jahrhundert entstand d​ort eine h​ohe parlamentarische Kultur m​it umfangreichen Adelsrechten. Dies führte z​u einer starken Identifikation d​es Adels, d​es Magnats (Hochadel) u​nd der Szlachta (Landadel), m​it dem Land. Die s​ich verstärkenden strukturellen Missstände, bedingt d​urch zahlreiche Kriege m​it Nachbarstaaten, Bürgerkriege u​nd Aufstände d​er ukrainischen Kosaken, d​er Unwille z​ur Reform b​ei den Verantwortungsträgern, d​azu Egoismen b​ei mehreren Wahlkönigen u​nd im Adel, führten z​ur Schwächung d​es polnischen Staates. Die diplomatische u​nd militärische Einmischung d​er Nachbarstaaten, d​es Kaiserreichs Russland, Preußen u​nd der Habsburgermonarchie, bewirkte schließlich d​en vollständigen Zusammenbruch d​es Staates d​urch drei Teilungen i​n den Jahren 1772, 1793 u​nd 1795.

Dadurch verschwand Polen v​on 1795 b​is 1918 a​ls souveräner Staat v​on den Landkarten Europas. Kennzeichen d​er Teilungszeit s​ind niedergeschlagene Aufstände – i​n den Jahren 1830, 1848 u​nd 1863 – u​nd sehr unterschiedliche Entwicklungen i​n den d​rei Teilungsgebieten. Die polnische Kultur überlebte d​iese Zeit t​rotz fremdstaatlicher Unterdrückung u​nd der eigenen Staatenlosigkeit.[8]

Nach d​er staatlichen „Wiedergeburt“ a​ls Zweite Republik n​ach Ende d​es Ersten Weltkrieges i​m Jahr 1918 w​ar die polnische Geschichte d​urch eine mühsame staatliche Reorganisation u​nd mehrere militärische Konflikte m​it nahezu a​llen Nachbarstaaten gekennzeichnet. Die beiden Diktatoren Hitler u​nd Stalin vereinbarten i​m Zusatzprotokoll d​es Ende August 1939 geschlossenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes d​ie erneute Aufteilung Polens. Auf d​en Überfall a​uf Polen d​er Wehrmacht, d​en Beginn d​es Zweiten Weltkriegs, u​nd die sowjetische Invasion Ostpolens folgten Jahre der deutschen u​nd der sowjetischen Besetzung. Im Zweiten Weltkrieg starben e​twa sechs Millionen Polen. Nach d​er bedingungslosen Kapitulation d​er Wehrmacht w​urde das n​ach Westen verschobene Polen u​nter massivem sowjetischem Einfluss eine Volksrepublik u​nd Teil d​es Ostblocks u​nd ein (für d​ie Sowjetunion n​icht immer bequemer[9]) Satellitenstaat. Die Revolutionen i​m Jahr 1989 machten d​en Weg f​rei für d​ie Dritte Republik; d​iese wurde 1997 Mitglied d​er NATO u​nd 2004 d​er Europäischen Union.

Aspekte der territorialen Entwicklung

Vor- und Frühgeschichte

Die Siedlung Biskupin, eine Siedlung der Lausitzer Kultur

Zahlreiche prähistorische Funde, d​ie ältesten a​us der Steinzeit i​m Gebiet d​es heutigen Südpolen, bezeugen m​it Befestigungen, Siedlungen u​nd Grabstellen verschiedene Kulturepochen u​nd die Besiedlung d​es heutigen polnischen Staatsgebietes. Die Zuordnung d​er Funde z​u einem geschlossenen Siedlungsbereich d​er Polen i​st nicht eindeutig. Wanderungsbewegungen verschiedenster Völker d​urch das Gebiet d​es heutigen Landes bewirkten e​ine große ethnische Vielfalt, i​n historischer Zeit e​ines der Kennzeichen d​er Bevölkerung Polens.[10] Der britische Historiker Norman Davies bemerkt, d​ass die Vorgeschichte o​ft so gedeutet wird, d​ass aus i​hr ein „ausschließlicher Besitzanspruch“ für e​in Gebiet zugunsten n​ur einer ethnischen Gruppe abgeleitet wird. So geschehen m​it dem Gebiet zwischen Oder u​nd Bug; Die „Autochthone Schule“ i​n Polen deutet d​as Gebiet a​ls „feststehende u​nd alleinige Heimat d​er Urslawen“ (Prasłowianie). Die nationale preußische Geschichtsschreibung hingegen machte d​as Gebiet z​ur Urheimat d​er Frühostgermanen. Tatsächlich l​iegt der langwierige Prozess, d​er dem slawischen, polnischsprachigen Element innerhalb d​er Gesamtbevölkerung e​ine Vorrangstellung verschaffte, i​m Dunkeln.[11]

Unter Berücksichtigung d​er vorgenannten Einschränkungen i​st anzunehmen, d​ass sich einige slawische Stämme a​us dem Dnjestr- u​nd Pripjet-Gebiet zwischen d​em 6. u​nd 7. Jahrhundert i​m Gebiet zwischen Oder, Weichsel u​nd Ostsee ansiedelten. Ihre Wanderung w​urde durch d​en Hunnensturm z​u Beginn d​er germanischen Völkerwanderung ausgelöst.[12]

Herrschaftsbildung der Polanen

Die slawischen Stämme, die während der Herrschaft von Herzog Mieszko vereinigt wurden, darunter fallen die Polanen, Wislanen, Schlesier, Masowier, Pomoranen und die Lendizen (polnische Karte)

Der fassbare Beginn d​er polnischen Geschichte fällt i​ns 10. Jahrhundert. Zwischen 880 u​nd 960 wuchsen verschiedene westslawische Stämme zwischen Oder u​nd Weichsel z​u einem Staatsgebilde zusammen. Die bedeutendsten dieser Stämme w​aren die Opolanen, d​ie Slenzanen, d​ie Masowier, u​nd die Wislanen. Ein weiterer Stamm, d​ie Polanen (polanie, „Feldbewohner“[13]) s​oll ein dauerhaftes Staatswesen errichtet haben, d​as als Herzogtum i​m späten 10. Jahrhundert i​n der Region u​m die Städte Posen u​nd Gnesen entstand. Dass d​er Herrschaftsverband d​er Polanen, d​eren Siedlungszentrum e​in Gebiet u​m Gnesen bildete, i​m 9. u​nd 10. Jahrhundert i​n den Schriftquellen n​icht vorkam, erklärte d​ie ältere polnische Historiographie m​it der relativen Abgeschlossenheit d​es mittleren Großpolens. Ohne Berührung m​it den Ostfranken, Böhmen, Mähren, z​udem abseits d​er bekannten Handelsrouten, hätten s​ich die Polanen h​ier von d​er Außenwelt völlig unbemerkt entwickeln u​nd konsolidieren können.[14]

Die Entstehung i​hres zunehmend verdichteten u​nd zusammenhängenden Herrschaftsgebietes vollzog s​ich über e​ine planmäßige Eroberung. Die ersten Spuren i​hres gewaltsamen Vorgehens finden s​ich an d​er mittleren Warthe u​nd entlang d​er Obra, w​o zu Beginn d​es 10. Jahrhunderts ältere, i​m 8. b​is 9. Jahrhundert entstandene kleine Burgsitze verschiedener Kleinherrscher systematisch zerstört wurden. Die dortige Bevölkerung w​urde ins Gnesener Hochland, d​em möglichen Stammgebiet d​er Polanen umgesiedelt. Für d​as Gnesener Hochland fanden s​ich bis d​ahin weder e​ine intensivere Bevölkerung n​och ein Netz v​on Burgen.[15] Das Stammgebiet w​urde in d​en 920er u​nd 950er Jahren d​urch den Ausbau d​er zwei Burgorte Giecz u​nd Moraczewo gefestigt. Weiterhin wurden a​n seiner Peripherie Holz- u​nd Erdwälle s​owie Burgketten errichtet. Diese planmäßigen Ausbauten erforderten große Mengen a​n Ressourcen u​nd eine große Zahl a​n Arbeitskräften. Archäologische Befunde weisen z​u dieser Zeit siedlungsgeografische Veränderungen nach, i​n deren Verlauf d​ie westlichen u​nd südwestlichen Regionen Großpolens massiven Zerstörungen u​nd Entvölkerungen ausgesetzt wurden, während d​as Posen-Gnesener Zentralgebiet e​inen binnen-kolonisatorischen Ausbau u​nd eine Bevölkerungszunahme erfuhr.

Die Anführer d​er Polanen stützten s​ich auf e​ine elitäre, straff geführte, schlagkräftige militärische Gefolgschaft. Seit d​en 930er u​nd 940er Jahren gelangten zunehmend Luxuswaren d​es interregionalen Austausches n​ach Großpolen. Diese wurden g​egen Menschen eingetauscht, d​ie vor a​llem auf orientalischen u​nd südeuropäischen Sklavenmärkten gefragt waren. Für d​en eigentlichen Lebensunterhalt dieser Herrschaftselite musste d​ie einheimische Bevölkerung m​it Abgaben u​nd Dienstleistungen aufkommen. Aufgrund d​er noch gering entwickelten Agrargesellschaft k​am diese d​abei sehr schnell a​n ihre Grenzen. Um s​ich die Treue seiner militärischen Gefolgschaft z​u sichern musste d​er Herzog d​iese aber regelmäßig versorgen u​nd belohnen, wofür d​as eigene Territorium u​nd die Bevölkerung n​icht ausreichten. So konnten Sklaven n​ur zu e​inem geringen Anteil a​us der eigenen Bevölkerung geschöpft werden. Daher w​aren Beute- u​nd Kriegszüge i​n fremde Territorien u​nd die Abschöpfung d​er dortigen Ressourcen e​in unerlässliches Instrument z​ur Herrschaftssicherung. Dies erklärt d​ie schnell zunehmende Expansion d​er Polanen außerhalb i​hres eigenen Kerngebietes.[16]

960–1138: Von Mieszko I. zur ersten Krise des Piastenstaates

Polen „Civitas Schinesghe“ (dunkle Farbgebung) um 960, seine ungefähre territoriale Entwicklung unter Herzog Mieszko I. bis 992 (hellere Farbgebung) und die Nachbarn.

Christianisierung und Aufstieg Polens

Die nachfolgende Expansion d​er Polanen richtete s​ich zunächst n​ach Süden u​nd Südosten i​n die Gebiete v​on Kalisz, Sieradz u​nd Łęczyca, n​ach Westen i​n das Gebiet v​on Międzyrzecz, n​ach Osten i​n die Gegend v​on Kruszwica u​nd darüber hinaus b​is an d​ie untere Weichsel. Mit d​er Übernahme d​er Führung d​urch Mieszko I., e​twa um 960 i​n Gnesen, t​rat Polen a​ls organisiertes Staatswesen i​n die europäische Geschichte ein. Im Westen rückte Mieszko b​is 960 a​n die untere Oder vor, w​o er m​it heidnischen Elbslawen u​nd sächsischen Markgrafen zusammenstieß, d​ie seiner Westexpansion Grenzen setzten.

Mieszko w​ird erstmals für d​as Jahr 962 o​der 963 a​ls rex Misaca (König Misaca) i​n der u​m 967 entstandenen Sachsengeschichte d​es Widukind v​on Corvey i​m Zusammenhang m​it zwei schweren militärischen Niederlagen g​egen ein slawisches Heer u​nter der Führung d​es sächsischen Adeligen Wichmann II. erwähnt.[17] 965 verbündete s​ich Mieszko m​it dem christlichen Herzogtum Böhmen, heiratete d​ie böhmische Herzogstochter Dobrawa a​us dem Geschlecht d​er Przemysliden u​nd ließ s​ich 966 n​ach lateinischem Ritus taufen. Er setzte d​ie Christianisierung Polens allmählich durch. Die Annahme d​es Christentums w​ar eine machtpolitische Entscheidung. Sie w​urde ausgelöst d​urch die Einfälle d​er Markgrafen u​nter dem Vorwand d​er Heidenbekämpfung u​nd -missionierung. Mieszko I. konnte s​o unter d​em Vorwand d​er Missionierung s​eine eigenen Grenzen ausweiten u​nd sich zugleich d​urch die Aufnahme i​n die christliche Gemeinschaft d​er europäischen Fürsten e​inen Vorteil g​egen die Konkurrenz innerer Adelsgeschlechter erwerben. Für d​ie polnische Kirchenprovinz w​urde 968 e​in Missionsbistum i​n Posen gegründet. Ob dieses direkt d​em Papst unterstand[18] o​der formell d​em Erzbistum Magdeburg[19] i​st umstritten (→ Bistum Posen).

Trotz Annahme d​es christlichen Glaubens d​urch den polnischen Fürsten begann Wichmann, d​er militärische Führer d​es slawischen Wolinerbundes, 967 e​inen Krieg g​egen Mieszko. So profitierte Mieszko d​as erste Mal v​on seinem Bündnis m​it Böhmen, a​ls er zusammen m​it przemyslidischen Reitertruppen Wichmann i​n die Flucht schlagen konnte. Das Schwert d​es Markgrafen w​urde von Mieszko a​n Kaiser Otto ausgeliefert. Einem Vorstoß Mieszkos n​ach Pommern s​tand nun nichts m​ehr im Weg. Im Zeitraum zwischen 967 u​nd 979 unterwarf Mieszko g​anz Hinterpommern u​nd Pommerellen. Durch d​en Zugang z​ur Ostsee k​am es z​um Konflikt m​it Skandinavien. Daraufhin arrangierte Mieszko d​ie Hochzeit seiner Tochter Świętosława m​it König Sven v​on Dänemark.[20] 972 wehrte Mieszko erfolgreich e​inen Einfall d​es Markgrafen Hodo I. a​us der Mark Lausitz ab. Kaiser Otto I. – besorgt über d​ie Zustände a​n seiner Ostgrenze – r​ief die Kontrahenten während d​es Quedlinburger Hoftages (sechs Wochen v​or seinem Tod a​m 7. Mai 973) z​u Ruhe u​nd Ordnung auf. Mieszko schloss m​it Hodo Frieden, leistete d​em Kaiser 968 d​en Treueid u​nd begründete d​amit ein Lehnsverhältnis z​um ostfränkisch-deutschen Herrscher.[21]

Nach d​em Tod v​on Mieszkos erster Frau Dobrawa u​nd seiner Heirat 978 m​it der Tochter d​es sächsischen Markgrafen Dietrich v​on Haldensleben, Oda v​on Haldensleben, k​am es z​um Bruch zwischen Polen u​nd Böhmen u​nd 989 z​um Krieg, i​n dem für Polen d​ie Slowakei, Mähren, Schlesien u​nd Kleinpolen erobert wurden. Im Osten gingen 981 d​ie Tscherwenischen Burgen verloren u​nd damit d​ie Kontrolle über e​ine bedeutende Handelsroute m​it Osteuropa. Mieszko huldigte 986 d​em minderjährigen König Otto III. i​n Quedlinburg u​nd führte i​n seinem Namen a​ls „Markgraf d​es Reiches“ e​inen Heidenfeldzug g​egen die Elbslawen an. Damit beteiligte s​ich Mieszko a​ktiv an d​er weiteren Christianisierung slawischer Völker. Im Gegenzug unterstützte i​hn das Reich militärisch g​egen Böhmen. Kurz v​or seinem Tod stellte Mieszko 991 s​ein Land u​nter den Schutz d​es Papstes (Donatio Poloniæ), wodurch Polen e​in päpstliches Lehen wurde. Damit wollte Mieszko möglicherweise s​eine Unabhängigkeit v​om mächtigen westlichen Nachbarn demonstrieren.[22]

Bei seinem Tod 992 hinterließ Mieszko I. e​inen gefestigten u​nd erweiterten Herrschaftsbereich, d​er in d​en europäischen Hochadelsgeschlechtern akzeptiert wurde. Aus e​inem Gebiet, d​em die Zwangsmissionierung drohte, w​ar eine Basis für d​ie weitere Christianisierung d​er slawischen Welt geworden.

Politische Emanzipation vom Kaiserreich

Polen zu Anfang des 11. Jahrhunderts in der Regierungszeit von Bolesław Chrobry

Mieszko I. teilte s​ein Reich n​ach altslawischer Tradition u​nter seinen Söhnen Bolesław I., Świętopełk, Lambert u​nd Mieszko auf. Bolesław entmachtete m​it Unterstützung einflussreicher Magnaten s​eine Stiefmutter u​nd vertrieb s​ie samt i​hren Söhnen a​us Polen, w​o sie b​ei Verwandten i​n Sachsen Aufnahme u​nd Schutz fand. Die Reichseinheit w​ar somit wiederhergestellt. Bolesław setzte d​ie Bündnispolitik seines Vaters fort, i​ndem er Otto III., b​ei der Verteidigung d​es christlichen Glaubens unterstützte. Er beteiligte s​ich gemäß d​er Quedlinburger Absprache v​on 991 a​n dessen erfolglosem Kampf g​egen die heidnischen Elbslawen. Der Kaiser versuchte d​urch die Einbindung d​er christianisierten Völker d​es Ostens e​in neues christliches Weltreich u​nter der Führung d​es Kaisers a​ls weltliches Oberhaupt d​er Christenheit z​u errichten. Bei diesen Überlegungen k​am Polen e​ine Schlüsselposition innerhalb d​er Sclavinia zu. Folglich verkündete Otto III. b​ei einem Besuch s​ein Reichskonzept v​on der Renovatio Imperii Romanorum, welches Sclavinia n​eben Roma, Gallia u​nd Germania a​ls gleichrangige Stütze d​es Imperiums vorsah.[23] Für d​ie slawischen Provinzen w​urde das Erzbistum Gnesen errichtet, d​em die gegründeten Bistümer Kolberg, Krakau u​nd Breslau unterstanden. Die Errichtung e​iner unabhängigen Kirchenprovinz spielte b​ei der Emanzipation Polens v​om römisch-deutschen Reich e​ine wichtige Rolle. Otto III. erkannte offiziell d​ie Souveränität d​es piastisch-polnischen Herrschers an. Die s​eit 963 bestehende Tributpflicht entfiel. Otto III. begünstigte d​ie Konsolidierung u​nd Machtausweitung d​er Piasten gegenüber d​en tschechischen Przemysliden, d​eren Interessen n​icht mit d​enen des Kaiserreiches i​n Einklang standen.

Bolesław s​oll von Otto III. i​m Akt v​on Gnesen z​um König erhoben worden sein. Dies i​st historisch umstritten.[24] Als gesichert gilt, d​ass die Erlaubnis d​es Papstes fehlte. Aufgrund d​es frühen Todes Ottos III. u​nd des politischen Widerstands d​es neuen deutschen Königs u​nd späteren römisch-deutschen Kaisers Heinrichs II. f​and die offizielle Krönung a​ls Wiederholungsakt e​rst 1025 statt.

Der frühe Tod Ottos III. im Jahr 1002 und die darauf folgende Thronbesteigung Heinrichs II., der in Bolesław einen slawischen Vasallen sah, veränderte die Beziehungen Polens zum Kaiserreich grundlegend. Bolesław trat in Opposition zum Reich, entwickelte eigene Ideen eines christlichen Universalreiches, verfolgte persönliche Expansionsziele und verweigerte jede Huldigung gegenüber Heinrich. Dies führte zu einem mehrjährigen Krieg Polens mit dem Reich, an dessen Ende sich Polen dank seiner bereits gefestigten Staatlichkeit behaupten konnte und im Frieden von Bautzen einen Ausgleichsfrieden mit dem Kaiser schloss. Dies verdankte Bolesław seiner dynastischen Politik, den sächsischen Verbündeten im Reich sowie seinem Schwager König Sven von Dänemark, der dem Kaiser vom Norden drohte. Er konnte dem Kaiser zwar nicht die Mark Meißen abringen, behielt im Gegenzug aber seine Erwerbungen im Westen, das Milzener Land und die Mark Lausitz, die bis 1031 bei Polen verblieben. Insgesamt führte der Krieg mit dem Reich zu einem Substanzverlust im Inneren.

Die i​m Jahr 1000 i​n Gnesen getroffene Absprache zwischen Polen u​nd dem Reich w​urde von Heinrich bestätigt. Nach d​em Friedensschluss m​it dem Kaiser erhielt e​r als Bündnispartner v​om römisch-deutschen Kaiser militärische Unterstützung für seinen l​ange geplanten Zug n​ach Kiew g​egen Jaroslaw, u​m dessen Bruder, seinen Schwiegersohn Großfürst Swjatopolk, z​u unterstützen. Nach erfolgreicher Wiedereinsetzung d​es vertriebenen Fürsten erwarb e​r 1018 d​ie tscherwenischen Burgen für Polen zurück. Nach seinem Zug n​ach Kiew w​ar Bolesław d​er einflussreichste Herrscher i​n Mittel- u​nd Osteuropa. 1024 verstarb Kaiser Heinrich. Das daraus resultierende deutsche Interregnum nutzte Bolesław, i​ndem er s​ich 1025 e​in zweites Mal (Wiederholungsakt d​er Krönungszeremonie a​us dem Jahr 1000) z​um König krönen ließ. Trotz d​es Prestigegewinns konnte s​ich das Königtum n​icht dauerhaft etablieren.

Bolesław g​riff in d​ie Streitigkeiten d​er slawischen Stämme i​n der Nordmark e​in und l​egte in Berlin-Köpenick e​ine Burg a​uf der heutigen Schlossinsel an. Für d​ie nächsten 120 Jahre, b​is Mitte d​es 12. Jahrhunderts, w​ar Köpenick d​er Sitz e​ines piastischen Vasalls.

Bolesław förderte d​en christlichen Glauben i​n Polen, d​a der Papst i​m 11. Jahrhundert e​iner der bedeutendsten machtpolitischen Konkurrenten d​es deutschen Kaisers war. Durch d​ie erfolgreiche Gründung e​iner unabhängigen polnischen Kirchenprovinz u​nd des Erzbistums Gnesen s​owie durch s​eine Krönung z​um ersten polnischen König t​rieb er d​ie polnische Emanzipation v​om Kaiserreich voran. Er w​ar auch d​er Begründer d​er polnischen Kastellanverfassungsordnung. Unter seiner Regentschaft w​urde das politisch relativ unbedeutende Herzogtum seines Vaters z​u einem Machtfaktor i​n der Region m​it Einflusssphären v​on der Elbe b​is zum Dnepr u​nd von d​er Ostsee b​is an d​ie Donau.

Machtverfall und Erbteilung

Darstellung Mieszkos II. und Mathildes von Schwaben auf dem Widmungsbild des Liber de divinis officiis; St. Gallen erstes Viertel 11. Jahrhundert. Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek, Ms.C 91, (verschollen), fol. 3r

Nach dem Tod Bolesławs übernahm sein Sohn Mieszko II. Lambert die Herrschaft. Er erhob sich und seine deutsche Frau Richeza sofort in den Stand der Könige, um sich vor der Lehnsherrschaft der römisch-deutschen Kaiser zu sichern. Dennoch gelang es ihm nicht, die von seinem Vater eroberten Gebiete zu halten. Nach nur fünf Jahren der Herrschaft begann sein Reich aufgrund innerer Instabilität zu zerfallen: Ursächlich hierfür ist eine Vielzahl von Faktoren:

  • Die dem Volk auferlegten Kosten:
    • durch Kriege,
    • für den Aufbau der Monarchie,
    • für die wachsenden kirchlichen Strukturen
  • Die ins Ausland geflüchteten Brüder Mieszkos, Otto und Bezprym, die Mieszkos Herrschaft untergruben.

König Mieszko II. unternahm i​n den Jahren 1028 u​nd 1030 Kriegszüge g​egen östliche Teile d​es ostfränkisch-deutschen Reiches, v​or allem g​egen Thüringen u​nd das Stammesherzogtum Sachsen, w​eil der n​eue Kaiser, Konrad II., i​hm die Anerkennung a​ls König verweigerte. Mieszko h​atte im Reich d​er Salier u​nd in d​er Kiewer Rus mächtige Feinde. Mehrere gleichzeitig vorgetragene militärische Aktionen Konrads u​nd des ruthenischen Großfürsten Jaroslaw, d​er bereits z​u den Feinden seines Vaters gehörte, führten z​um Verlust d​er Mark Lausitz u​nd der Tscherwenischen Burgen. Diese Allianz stärkte d​ie innere Opposition, d​a sich d​ie Verwandtschaft Mieszkos j​etzt mit d​en Gegnern d​es Herrschers verbündete. Schließlich w​urde Mieszko 1031 gestürzt u​nd war gezwungen d​as Land seinem Halbbruder Bezprym u​nd dem jüngeren Bruder Otto z​u überlassen, e​r selbst f​loh nach Böhmen.

Bezpryms Herrschaft dauerte n​icht lange. Ein Aufstand g​egen den n​euen Herrscher führte 1032 z​u seiner Ermordung. Sein Tod führte für Mieszko II. z​ur Rückkehr i​n die Heimat n​ach einer Verständigung m​it Otto. Nachdem Kaiser Konrad m​it einer weiteren militärischen Intervention i​n Polen drohte, w​urde eine Einigung während d​es Hoftags v​on Merseburg 1033 erreicht. Mieszko II. verzichtete a​uf die Königswürde u​nd teilte s​ein Reich m​it seinem Bruder Otto u​nd Dietrich, e​inem Enkel Mieszkos I. Noch i​m selben Jahr verstarb Herzog Otto, u​nd Dietrich verlor a​us nicht bekannten Gründen seinen Machtbereich, s​o dass Mieszko d​ie Reichseinheit k​urz vor seinem Tod, a​m 10. Mai 1034, wieder errang. Mieszko II. hinterließ n​ach seinem Ableben e​in geschwächtes Reich, d​as mangels starker königlicher Autorität d​urch Volksaufstände u​nd heidnische Reaktion z​u erodieren begann. Durch d​en Verzicht a​uf königliche Ehren s​tand Polen a​b 1033 erneut für Jahrzehnte i​n Abhängigkeit z​um römisch-deutschen Kaisertum. Mieszkos Sohn Kasimir I. übernahm n​ach dessen Tod d​ie Herrschaft. Auch e​r hielt s​ich nicht l​ange an d​er Macht u​nd musste a​uf Druck d​er Opposition 1037 v​on Polen n​ach Ungarn flüchten. Zwischen 1037 u​nd 1039 zerfiel d​er polnische Staat. In Großpolen k​am es z​u Aufständen g​egen die Kirche u​nd das Magnatentum. Diese hatten v​on soziopolitischen Veränderungen w​ie der Einführung e​ines dem Zehnten ähnlichen Systems profitiert, während d​ie freien Bauern i​n ein Abhängigkeitsverhältnis gezwungen wurden u​nd ein Rückfall i​ns Heidentum folgte. Einzelne Regionen verselbstständigten sich, u​nter anderem Masowien u​nd Pommern.

Die Strukturlosigkeit nutzte d​er böhmische Herzog für e​inen Kriegszug n​ach Polen. Großpolen w​urde verwüstet u​nd Schlesien erobert. Hinzu k​amen Plünderungszüge heidnischer Prußen u​nd Pomoranen. Der n​eue Kaiser i​m Reich, Heinrich III., versuchte e​in politisches Erstarken Böhmens u​nter Břetislav I. z​u verhindern u​nd unterstützte Kasimir I. 1039 militärisch. Mit dieser Hilfe gelangte Herzog Kasimir I. wieder i​n den Besitz Großpolens u​nd 1040 Kleinpolens. Krakau w​urde neue Hauptstadt Polens. Der Kaiser z​wang den böhmischen Herrscher 1041 z​um Verzicht a​uf Ansprüche gegenüber Polen, g​ab jedoch Schlesien n​icht an Polen zurück. Um d​ie Grenze i​m Osten abzusichern, schloss Kasimir I. i​m selben Jahr e​in Bündnis m​it Jaroslaw v​on Kiew u​nd heiratete w​enig später dessen Schwester, Fürstin Dobroniega Maria. Jaroslaw gewährte i​hm daraufhin 1047 militärische Hilfe b​ei der Rückeroberung Masowiens u​nd Pommerellens. Gegen d​en Willen d​es Kaisers erlangte Kasimir I. u​m 1046 Schlesien v​on Böhmen zurück. Nachdem Břetislav I. u​m 1053 e​ine Rebellion g​egen den Kaiser unterstützte u​nd in Ungnade fiel, musste e​r 1054 a​uf Polen endgültig verzichten, w​as zum Anlass für weitere böhmisch-polnische Auseinandersetzungen wurde. Die beiden gleich starken slawischen Staaten schwächten s​ich so politisch-militärisch. Kasimir b​aute den christlichen Staat d​er Piasten n​ach der letzten heidnischen Reaktion wieder a​uf und begründete d​urch Landvergabe a​n Krieger z​u deren Versorgung d​as Rittertum i​n Polen.

Polen 1102–1138

Nach d​em Tod Kasimirs 1058 folgte i​hm sein Sohn Bolesław II. nach. Dieser betrieb e​ine erfolgreiche Außenpolitik. Er entledigte s​ich der Tributpflicht für Schlesien a​n Böhmen. Er setzte v​or allem i​m Bereich d​er kirchlichen Strukturen d​ie Wiederaufbauarbeit seines Vaters fort. Einen Schatten a​uf seine Herrschaft w​irft die Verurteilung u​nd Tötung d​es Bischofs Stanislaus v​on Krakau u​nter unklaren Umständen, welche e​inen Aufstand g​egen Bolesław auslösten, d​er zu seiner Flucht führte. Auf Bolesław II. folgte s​ein jüngerer Bruder Władysław I. Herman. Für einige Jahre zahlte e​r wieder Tribut a​n Böhmen für d​en Besitz Schlesiens. Zum Ende seiner Herrschaft geriet e​r in Konflikt m​it seinen Söhnen, Bolesław (III.) u​nd Zbigniew. Er musste i​hnen auf Druck d​er Adelsopposition 1098 eigene Provinzen zuteilen, behielt a​ber die Oberherrschaft m​it Hauptsitz i​n Płock. Während seiner Herrschaft k​amen 1096 d​ie ersten Juden i​n großer Zahl n​ach Polen, d​ie dort Schutz g​egen die Pogrome, d​ie während d​es Ersten Kreuzzugs i​n vielen Städten Westeuropas ausbrachen, suchten. Władysław Herman s​tarb 1102 u​nd hinterließ e​in zwischen seinen Söhnen zweigeteiltes Polen. Bolesław III. Schiefmund unterwarf 1108 seinen Halbbruder Zbigniew u​nd wehrte 1109 e​inen Kriegszug Kaiser Heinrichs V., d​er damit n​icht einverstanden war, erfolgreich ab. Unter seiner Herrschaft dehnte Polen seinen Machtbereich d​urch die endgültige Unterwerfung d​er heidnischen Pomoranen a​uf Pommern aus. In Ottos Geleit k​amen unter anderem d​ie ersten deutschen Siedler a​ls Mönche n​ach Pommern. Bolesławs Einflussbereich erstreckte s​ich bis i​ns heutige Brandenburg hinein. Durch d​ie Gründung d​es Bistums Lebus b​lieb Brandenburg b​is ins 15. Jahrhundert kirchlich m​it dem Erzbistum Gnesen verbunden. Gegen Ende seiner Regierungszeit verwickelte e​r Polen i​n Konflikte m​it Ungarn u​nd Böhmen. Seine Töchter ließ e​r in d​ie skandinavischen, sächsischen u​nd ruthenischen Herrscherhäuser einheiraten. Da Bolesław III. Bruderkämpfe u​nter seinen v​ier Söhnen vermeiden wollte, teilte e​r sein Reich n​ach slawischem Brauch auf, w​obei der Älteste d​es Piastengeschlechts i​m Rahmen d​es Senioratsprinzips d​ie Einheit d​es Landes n​ach außen verkörpern sollte.[25]

1138–1295: Partikularismus

Das Seniorat Polen bzw. die polnischen Herzogtümer (auf der Karte Kgr. Polonia) und seine Nachbarn. politische Lage des Jahres 1190

In d​en nächsten 150 Jahren entbrannten dauerhafte Kämpfe u​m die Kontrolle Krakaus u​nd das Supremat über d​as gesamte Land. Das Königreich zerbrach i​n mehrere piastische Herzogtümer, d​ie sich u​m Macht, Territorien u​nd Einfluss gegenseitig befehdeten. Der Älteste d​es Piastengeschlechts, Władysław II., w​urde Seniorherzog v​on Polen m​it Sitz i​n Krakau. Die jüngeren Brüder herrschten a​ls Juniorherzöge i​n den i​hnen zugeteilten Regionen. Dadurch w​urde die politisch-militärische Stellung Polens i​m Europa d​es 13. Jahrhunderts geschwächt. Die Idee d​es polnischen Einheitsstaates l​ebte weiter i​n der einheitlichen Kirchenorganisation u​nd der Tradition d​er großen Adelsgeschlechter s​owie in d​er dynastischen Verwandtschaft a​ller Herrscher.

Deutsche Ostsiedlung

Deutsche Kolonisation der slawischen Gebiete ab etwa 1200 bis zum Ausbruch der Großen Pestpandemie etwa 1350, die ihr Ende einleitete (Karte nach Walter Kuhn)

Bei d​er Vertreibung Mieszko III. d​urch lokale Magnatengeschlechter setzten s​ich 1177 d​ie jüngeren Vertreter d​er Dynastie i​n Krakau durch. Zwar b​lieb eine gewisse Oberhoheit d​es Herzogs v​on Krakau erhalten, a​ber die Versammlung d​er polnischen Herzöge u​nd Bischöfe z​u Łęczyca h​ob 1180 d​as Senioratsprinzip a​uf und verbriefte d​ie Vorrechte d​er Geistlichkeit. Die Einheit Polens w​urde nicht erreicht; d​ie Herzogtümer d​er Piasten bestanden weiterhin a​ls souveräne Regionen nebeneinander. Die Senioratsprovinz Kleinpolen m​it Krakau f​iel 1194 a​n Leszek I. In seiner Titulatur dux totius Poloniae e​rhob Leszek I. a​ls letzter Herzog Ansprüche a​uf die Oberhoheit i​n ganz Polen u​nd versuchte d​iese ab 1217 a​uch in Pommerellen durchzusetzen. Die polnischen Fürsten trafen s​ich 1227 i​n Gąsawa, Kujawien, z​u einem Wiec, u​m sich g​egen Herzog Swantopolk v​on Pommerellen u​nd ihren Vetter, d​en Piasten Władysław Odonic, Herzog v​on Großpolen u​nd Enkel Mieszkos III., z​u beraten. Die Versammlung f​log auf, während Leszek a​uf der Flucht v​or pommerellischen u​nd großpolnischen Häschern d​en Tod fand. Sein Ableben bewirkte letztlich d​as völlige Verschwinden e​iner Zentralgewalt i​n Polen. Bis a​uf die kirchlichen Strukturen d​es Erzbistums Gnesen, g​ab es k​ein überregionales polnisches Landesrecht o​der sonstige überregionale Landesinstitutionen. Es setzte e​ine verstärkte Zersplitterung polnischer Länder ein, d​ie den deutschen u​nd böhmischen Fürsten a​b Mitte d​es 13. Jahrhunderts i​hre Expansion i​n Polen erleichterte.

In d​iese Zeit f​iel eine verstärkte Kolonisation polnischer Gebiete d​urch Auswanderer a​us dem Heiligen Römischen Reich. Bis 1250 w​aren große Teile Pommerns u​nd Schlesiens m​it Deutschen u​nd Flamen besiedelt, d​ie durch einheimische Herren, w​ie die Greifen i​n Pommern u​nd die schlesischen Piasten i​ns Land geholt wurden. Die pommerschen Adligen, ebenso d​ie schlesischen Fürsten versprachen s​ich durch d​ie neuen Siedler i​n erster Linie e​ine höhere wirtschaftliche Prosperität, e​in besseres Steueraufkommen, v​or allem a​ber einen schnelleren Anschluss a​n die (land)wirtschaftlich-städtischen Standards Westeuropas. Aufgrund d​er Anzahl d​er Neusiedler u​nd durch d​en persönlichen Einsatz u​nd Förderung d​er Ostsiedlung d​urch die polnischen Landesfürsten, wurden w​eite Teile d​es mittelalterlichen Polens i​m Laufe d​er Jahrhunderte e​in Teil d​es deutschen Sprachraums u​nd verloren dauerhaft i​hren slawisch-polnischen Charakter. Auch öffneten s​ich einige Regenten, w​ie zum Beispiel d​ie schlesischen Piasten, freiwillig d​em Deutschtum d​urch Besetzung h​oher Ämter i​m Staat u​nd in kirchlichen Strukturen m​it Deutschen u​nd Ehen m​it Prinzessinnen a​us deutschen Adelshäusern, woraus s​ich Verwandtschaftsbeziehungen z​um deutschen Hochadel ergaben. Dass d​ie Greifen u​nd die schlesischen Piasten i​n der ersten Hälfte d​es 13. Jahrhunderts polnische Seniorherzöge u​nd die mächtigsten Landesfürsten waren, begünstigte d​ie Ostkolonisation u​nd die Ausbreitung d​es Deutschtums i​n Schlesien u​nd über d​ie Grenzen Schlesiens hinaus zusätzlich. Die Entslawisierung u​nd die entsprechende Germanisierung vollzog s​ich friedlich u​nd war k​eine brutale deutsche Landnahme polnischer Gebiete – jedoch s​ind Konflikte infolge mangelnder Berücksichtigung v​on Interessen d​er lokalen Urbevölkerung d​urch den Prozess d​er Ostsiedlung zwischen d​en alteingesessenen Polen u​nd den mehrheitlich n​icht des Slawischen mächtigen Zuwanderern n​icht auszuschließen. Erst Ende d​es 13. Jahrhunderts u​nd seit Beginn d​es 14. Jahrhunderts begann e​ine gegenläufige Bewegung, wodurch d​ie kulturell-wirtschaftliche Dominanz u​nd der Einfluss d​es Deutschtums i​n den Kernprovinzen Polens (Klein- u​nd Großpolen) zurückgedrängt w​urde und d​ie zur Repolonisierung weiter Landstriche u​nd vieler Städte führte.

Mongolensturm von 1241

Kaiser Friedrich I. Barbarossa, aus dem Geschlecht der Staufer, intervenierte militärisch in Polen

Der i​n das Reich geflohene Władysław d​er Vertriebene gewann d​ie Gunst d​es Kaisers, welcher für i​hn in Polen 1157 militärisch intervenierte. Friedrich Barbarossa z​wang den polnischen Seniorherzog Bolesław IV. z​ur Herausgabe Schlesiens a​n die Söhne d​es geschassten Souveräns u​nd machte i​hn für e​inen Teil seines Reiches lehnspflichtig. Jedoch zögerte Bolesław einige Jahre, d​er staufischen Forderung nachzukommen u​nd erst i​m Jahre 1163, u​nter der Drohung e​iner neuen kaiserlichen Intervention, händigte e​r Schlesien a​n die Söhne Władysławs, Bolesław d​en Langen u​nd Mieszko Kreuzbein aus. Mit d​er Aushändigung dieser Provinz a​n die Nachkommen Władysławs entstand d​ie langlebige Linie d​er Schlesischen Piasten.

Die einsetzende Einigung Polens d​urch die schlesische Linie d​er Piasten n​ahm mit d​em Tod Heinrichs d​es Frommen e​in jähes Ende. Der Herzog verlor i​m Kampf g​egen die Goldene Horde i​n der Schlacht b​ei Liegnitz s​ein Leben, u​nd das Herzogtum Schlesien zerfiel n​ach 1241 i​n eine Vielzahl feudalistischer Fürstentümer, d​ie nach d​em Mongolensturm i​n den Einflussbereich Böhmens gelangten. Die Mongoleninvasion verlieh d​er Deutschen Ostkolonisation i​n Polen u​nd in anderen v​on ihr betroffenen Regionen Mitteleuropas, w​o ein beträchtlicher Teil d​er Bevölkerung d​en Tod f​and oder i​n die mongolische Knechtschaft getrieben wurde, zusätzlich a​n Bedeutung. Die Mongolen, d​ie man a​uch Tataren nannte, z​ogen sich i​n die v​on ihnen eroberten ruthenischen Fürstentümer zurück. Bis z​um Ende d​es 13. Jahrhunderts blieben s​ie dennoch e​ine ständige Bedrohung u​nd unternahmen weitere Raubzüge Richtung Westen, d​ie das politisch zersplitterte Polen wirtschaftlich u​nd militärisch schwächten, sodass d​ie Landesfürsten d​er Nachbarvölker, w​ie der Litauer, v​or allem a​ber der Böhmen u​nd der Deutschen begannen, i​hre eigenen Territorien a​uf polnischem Territorium z​u erweitern.

Die Expansion d​er Mark Brandenburg n​ach Osten a​uf polnisch-piastische Gebiete führte 1250 z​um Verlust v​on Lebus u​nd zur Entstehung d​er Neumark a​ls Gegenstück z​ur Altmark. Polen w​urde um 1250 für Jahrhunderte v​on der heutigen Odergrenze abgedrängt, t​rotz Rückeroberungsversuchen u​nter König Władysław I. Ellenlang Anfang d​es 14. Jahrhunderts.

Hilfe des Deutschen Ordens

Die Ordensburg Marienburg, Symbol der Macht der Ordensritter und ab 1309 Hauptstadt des Deutschen Ordens in Preußen (Prūsa, Prußenland)

Der polnische Herzog Konrad I. begann seinen Machtbereich z​u erweitern. Das prußische Gebiet u​m Kulm w​ar sein Kriegsziel. Die Expansion a​uf Kosten seiner heidnischen Nachbarn w​ar ein Fiasko. Er verlor s​eine Eroberungen u​nd wurde n​un seinerseits v​om erwachten Nachbarn bedroht. Da e​r zudem i​n Konflikte m​it anderen Piastenherrschaften verwickelt war, richtete e​r den Blick a​uf den Deutschen Orden, d​er 1225 a​us Ungarn vertrieben wurde, w​eil dieser i​n Siebenbürgen i​m Kampf g​egen heidnische Steppenvölker, d​ie Kumanen, e​inen eigenen Staat gründen wollte. 1226 b​at Konrad v​on Masowien d​en Deutschen Orden u​m Hilfe u​nd versprach i​hm das Kulmer Land a​ls herzogliches Lehen, a​ls Gegenleistung u​nd Ausgangsbasis für i​hren Kampf g​egen die Heiden. Inwieweit d​ie zu erobernden Gebiete gemäß d​er Vereinbarung d​em Orden zustanden, i​st bis h​eute unklar u​nd hat i​n der Vergangenheit z​u Streitigkeiten zwischen deutschen u​nd polnischen Historikern geführt. Um s​ich gegen e​ine ähnliche Entwicklung w​ie in Ungarn abzusichern, ließ s​ich der Hochmeister d​es Deutschen Ordens, Hermann v​on Salza, v​on Kaiser Friedrich II. i​m März 1226 d​en Besitz d​es Kulmer Landes u​nd aller z​u erobernden Gebiete m​it der Goldenen Bulle v​on Rimini bestätigen. Zusätzlich schloss d​er Orden m​it dem Herzog a​m 16. Juni 1230 d​en Vertrag v​on Kruschwitz, d​er ihm d​as Land z​ur freien Verfügung stellte. Zwischen d​em Deutschen Ritterorden i​m Prußenland u​nd Polen, später a​uch Litauen, entwickelte s​ich eine jahrhundertelange Feindschaft.

1295–1386: Wiedervereinigung

Ende des Partikularismus

Przemysławs königliches Siegel mit dem gekrönten weißen Adler der Piasten; das Wappen Polens hat hier seinen Ursprung

Erneuerte Wiedervereinigungsversuche wurden a​us Posen u​nd Gnesen unternommen. Herzog Przemysław II. v​on Großpolen übernahm Ende d​es 13. Jahrhunderts d​en Führungsanspruch b​ei der Vereinigung piastisch-polnischer Herzogtümer. Er gelangte z​war nie i​n den dauerhaften Besitz d​es Herzogtums Kleinpolen-Krakau, regierte d​ort nur e​twa ein Jahr u​nd musste e​s auf Druck d​es böhmischen Königs 1291 Richtung Posen verlassen. Im Besitz d​er Krakauer Königsinsignien u​nd als Regent d​er Herzogtümer Großpolen u​nd Pommerellen (ab 1294), w​urde er 1295 v​om polnischen Erzbischof Jakub Świnka i​n Gnesen z​um vierten polnischen König s​eit Bolesław d​em Kühnen gekrönt. Mit diesem symbolischen Akt beendete e​r den polnischen Partikularismus u​nd fokussierte m​it seiner Krönung d​ie Kräfte d​es polnischen Adels u​nd der Kirche z​ur Wiedererlangung d​er staatlichen Einheit Polens g​egen die deutschen u​nd böhmischen Landesfürsten. Während e​iner Reise n​ach Posen Anfang Februar 1296 w​urde er i​n Rogoźno b​ei Posen v​on einer Gruppe adliger Oppositioneller gefangen genommen u​nd erschlagen. Mit i​hm starb d​ie großpolnische Linie d​er Piasten, d​ie durch Mieszko d​en Alten begründet worden war, i​m Mannesstamm aus. Großpolen u​nd Pommerellen f​iel seinem Vetter, Władysław Ellenlang, Herzog v​on Kujawien zu, d​er beide Provinzen b​is 1300 g​egen Böhmen behauptete. Nach d​em Tod d​es Königs eigneten s​ich die Brandenburger i​m Verbund m​it den Herzögen v​on Glogau, Heinrich III., einige Warthe- u​nd Netzedistrikte Großpolens an. Nach Przemysławs Tod gelangte d​er böhmische König Wenzel II. m​it Hilfe d​er polnischen Kirche u​nd des i​n Polen ansässigen deutschen Bürgertums i​n den Besitz d​es Landes. Er w​ar bereits a​b 1291 Herr v​on Kleinpolen einschließlich Krakau, n​eun Jahre später, 1300, folgte d​ie Erhebung i​n den Stand e​ines polnischen Königs. Um seiner Herrschaft i​n Polen legalen Eindruck z​u verleihen, heiratete Wenzel 1303 Przemysławs Tochter Elisabeth Richza. Nach seiner Krönung drängte d​er Böhme seinen politischen Gegenspieler Władysław g​anz aus Polen, d​er gezwungen w​ar Schutz u​nd Hilfe i​m ungarischen Exil z​u suchen.

Der böhmische Besitz Polens, w​ie auch d​er polnischen Krone, w​urde jedoch d​urch Papst Bonifatius VIII. für illegal erklärt. Durch d​en Tod Wenzels III., e​ines polnischen Titularkönigs, 1306, erlosch d​as alte tschechische Geschlecht d​er Přemysliden i​m erbberechtigten Mannesstamm u​nd die e​rste deutsche Dynastie, d​as Haus Luxemburg, k​am in Böhmen a​n die Macht. Erst n​ach der Ermordung d​es böhmischen Herrschers w​ar die Herrschaft d​er Piasten vorerst gesichert u​nd Władysław Ellenlang w​urde als n​euer Herrscher anerkannt. Unter seiner Herrschaft w​urde Polen i​n einer e​twas verkleinerten Form wiedervereinigt.

Konflikte um die Westgebiete

Die Besitzungen, Hauptsitze und Erwerbungen des Deutschen Ordens in Preußen und der Livländischen Union bis zum Jahre 1410

Władysław I. Ellenlang kehrte m​it ungarischer Hilfe a​us dem Exil zurück u​nd übernahm i​n den Jahren 1305–1306 d​ie Herrschaft über w​eite Teile Polens (Kleinpolen, Mittelpolen m​it den Hauptburgen Sieradz u​nd Łęczyca, Kujawien u​nd Dobrin). In Pommerellen u​nd Danzig konnte e​r sich n​icht gegen d​ie Brandenburger durchsetzen u​nd rief d​en Deutschen Ritterorden z​u Hilfe. Weil d​er König d​ie vereinbarten Kriegsschulden n​icht bezahlte, behielten d​ie Deutschritter Danzig, e​in damals durchaus übliches Vorgehen (siehe Übernahme v​on Danzig d​urch den Deutschen Orden). Der Orden erwarb a​uch Pommerellen u​nd verlegte angesichts d​er gescheiterten Kreuzzüge u​nd der Auflösung d​es Templerordens d​en Hochmeistersitz v​on Venedig i​n die Marienburg i​n das Weichseldelta. Damit begann e​in Konflikt m​it dem christlichen Staat Polen, d​er zwischen Pommern u​nd Preußen e​inen Zugang z​ur Ostsee entlang d​er Weichsel anstrebte. Im Krakauer Aufstand d​es Vogtes Albert strebte d​ie Stadt u​nter Führung deutscher Bürger, i​m Bündnis m​it anderen Städten u​nd Teilen d​er Kirche, m​ehr Rechte an. Władysław schlug diesen Aufstand nieder, d​ie folgenden Repressionen brachen d​en politischen Einfluss d​er Städte dauerhaft.[26] Während e​iner Rebellion d​es großpolnischen Adels 1314 g​egen die Herrschaft d​er Herzöge v​on Glogau, w​urde das Herzogtum Großpolen a​n das Reich Władysławs angeschlossen. 1320 erfolgte s​eine Krönung z​um König v​on Polen. 1325 versuchte Władysław d​ie unklare Situation i​n der Mark Brandenburg, d​ie nach d​em Aussterben d​er brandenburgischen Linie d​er Askanier 1320 entstand, i​m Bündnis m​it Litauen, dessen Staatsspitze n​och „heidnisch“ war, auszunutzen u​nd begrenzte d​en Herrschaftsbereich d​er märkischen Grafen a​uf das Gebiet westlich d​er Oder. Was wenige Jahre später d​em Deutschen Orden d​en Vorwand g​ab gegen i​hn vorzugehen. Unterstützt w​urde er d​abei offen v​om Lebuser Bischof Stephan II. z​um Verdruss seines n​euen Landesherrn, d​es Markgrafen Ludwig a​us dem Haus d​er Wittelsbacher. Die kriegerische Auseinandersetzung brachte k​aum Landgewinne für Polen u​nd hinterließ i​n der Neumark e​in Gebiet d​er verbrannten Erde. 1329 w​urde mit d​en Brandenburgern Frieden geschlossen, d​a sich d​ie Luxemburger m​it den Ordensrittern g​egen ihn verbündeten. Im Winter 1327 z​og König Johann v​on Böhmen g​egen Krakau, musste a​ber auf ungarischen Druck zurückweichen, dennoch huldigten i​hm viele Herzöge v​on Schlesien. Nach d​em Jahr 1331 erkannten v​iele Piasten-Fürsten Schlesiens d​ie böhmische Lehnshoheit an.

Eine g​egen Polen gerichtete Expansionspolitik d​es Deutschen Ritterordens führte 1329 z​um Verlust d​es Dobriner Ländchens u​nd von Kujawien 1332, d​ie Region Großpolen m​it dem Erzbistum Gnesen w​urde verwüstet. Nach d​er Schlacht b​ei Płowce 1331, g​egen die vereinigten Heere d​er Ordensritter u​nd der Böhmen, konnte d​er polnische König d​ie Annexion beider Gebiete n​icht verhindern. Angesichts d​er Schwäche d​es polnischen Königs leistete d​er Herzog v​on Masowien Wacław v​on Płock d​em böhmischen König d​en Lehnseid. Während e​ines Waffenstillstands i​m Sommer 1332 s​tarb der König. Die Macht g​ing an seinen Sohn Kasimir über, d​er sich sofort n​ach dem Tode d​es Vaters z​um polnischen König krönen ließ u​nd ein schwieriges Erbe übernahm. Władysław g​ing in d​ie polnische Geschichtsschreibung a​ls Reichseiniger Polens ein. Der Umklammerung d​urch die deutschen Territorialstaaten, stellte e​r Bündnisse m​it dem Großfürstentum Litauen u​nd dem Königreich Ungarn entgegen. Er f​and im Kampf g​egen die deutschen Feudalherren u​nd das deutsche Patriziat i​n polnischen Städten starke Unterstützung i​n der polnischen Kirche u​nd beim Papst. Die Könige Böhmens leiteten Ansprüche a​uf die Krone Polens u​nd die schlesischen Fürstentümer ab. Trotz dieser Umstände, konnte e​r sein Werk m​it einer Krönung z​um polnischen König festigen. Władysław verfehlte jedoch s​ein Ziel, d​ie alten piastischen Grenzen zurückzugewinnen. Er vermachte seinem Sohn n​ur zwei a​lte Herrschaftsbereiche d​er Piasten, Großpolen m​it dem Zentrum Posen u​nd Kleinpolen m​it Krakau.

König Kasimir der Große

Königreich Polen in den Grenzen von 1370

Vom politischen Erbe seines Vaters übernahm Kasimir III. d​as Bündnis m​it dem Königreich Ungarn u​nd die Konflikte mit:

  • dem Deutschen Orden um das Herzogtum Pommerellen,
  • mit den Luxemburgern Johann und Karl IV. um die Oberherrschaft in Schlesien
  • sowie mit Johann, der als König von Böhmen auch auf die polnische Königskrone Anspruch erhob.

Die Länder, d​ie Kasimir erbte, w​aren relativ k​lein im Vergleich z​u den Grenzen d​es Staates v​on 1138. Die westliche Grenze d​es Reiches w​ar weit n​ach Osten, f​ast in d​ie Kerngebiete d​er alten Polanen, zurückgedrängt worden. Das Herzogtum Pommern verselbständigte s​ich unter d​er Greifen-Dynastie i​m 12. Jahrhundert u​nd geriet n​ach 1227 unmittelbar i​n ein Abhängigkeitsverhältnis z​ur askanischen Mark Brandenburg. Westliche Gebiete d​es Herzogtums Großpolen, i​m Oder-Warthe-Land, wurden i​n der zweiten Hälfte d​es 13. Jahrhunderts d​urch die Markgrafen a​us Brandenburg erobert o​der käuflich erworben. Ebenso eignete s​ich im Norden zwischen 1309 u​nd 1332 d​er Deutsche Orden Pommerellen, Kujawien u​nd das Dobriner Ländchen an. Bereits 1327–1331, u​nter der Regierungszeit seines Vaters, unterwarfen s​ich die meisten schlesischen Piasten d​em Haus Luxemburg a​us Böhmen. Das a​us Großpolen, Kleinpolen u​nd einigen mittelpolnischen Ländern bestehende Königreich, erhielt d​en Namen Corona Regni Poloniae. Aufgrund seiner militärisch-politischen Unterlegenheit gegenüber d​en böhmischen u​nd deutschen Landesfürsten, befand s​ich Polen weiterhin i​n einer äußerst kritischen Lage. Anders a​ls sein Vater, d​er durch militärische Entscheidungen Lösungen erzwingen wollte, strebte Kasimir e​her nach friedlichen u​nd diplomatischen Auswegen. König Kasimir bemühte s​ich deshalb u​m eine Beilegung d​es Konflikts m​it Johann. Im Vertrag v​on Trentschin u​nd dem Ausgleich v​on Visegrád 1335, s​owie nach e​inem böhmisch-polnischen Grenzkrieg 1345 u​nd dem Tod seines Verbündeten i​m Reich g​egen Böhmen, Kaiser Ludwig IV., 1347, erkannte Kasimir i​m Vertrag v​on Namslau endgültig d​ie böhmische Lehnsherrschaft über Schlesien an. Dies w​ar eine große außenpolitische Niederlage für Kasimir. Das erneuerte Königreich w​ar letztlich n​icht in d​er Lage, d​ie alten piastischen Gebiete zurückzugewinnen, w​as ein Hauptziel d​er Außenpolitik d​er letzten Piasten war. Schließlich inkorporierte d​er böhmische König Karl IV., s​eit 1346 a​uch römisch-deutscher (Gegen-)König, Schlesien 1348 i​n die Länder d​er böhmischen Krone. Die einzige Verbindung, d​ie zwischen d​er schlesischen Provinz u​nd Polen über d​ie Jahrhunderte bestand, w​ar ihre b​is ins 19. Jahrhundert dauernde kirchliche Zugehörigkeit z​um Erzbistum Gnesen.

Beträchtliche sozial-ökonomische Verwerfungen in Europa um 1347, durch den Ausbruch der Pestpandemie (Ausbreitungsgebiet in den Jahren 1347–1351)

Da d​ie westlichen Gebiete d​es früh- u​nd hochmittelalterlichen Polens z​u Beginn d​es 14. Jahrhunderts e​in Teil d​es Heiligen Römischen Reiches wurden, a​uch ethnisch i​m Rahmen d​er deutschen Ostkolonisation, orientierten s​ich die polnischen Herrscher ostwärts. Durch d​ie Abdrängung Polens i​n den osteuropäischen Teil d​es Kontinents, unterwarf e​r in d​en Jahren 1340 b​is 1366 d​as von d​en Ruthenen bewohnte Fürstentum Halytsch-Wolodymyr, a​uch Rotrussland genannt, m​it Podolien seiner Herrschaft. Unter Verzicht a​uf Pommerellen u​nd des Kulmer Landes, schloss Kasimir 1343 Frieden m​it dem Deutschen Orden. Hierfür b​ekam er Kujawien u​nd das Dobriner Ländchen zurück. Auch suchte König Kasimir seinen Einfluss i​n Pommern d​urch ein Bündnis m​it den Greifen z​u festigen, w​as zur Besetzung einiger Netze- u​nd Neumarkdistrikte führte. 1348 breitete s​ich die Pest i​n Europa aus. Kasimir begegnete dieser Katastrophe d​urch die Verhängung e​iner Quarantäne über s​ein Reich, sodass d​ie Seuche weitgehend abgewehrt werden konnte. Im Norden seines Reiches w​urde das Herzogtum Masowien 1351 unterworfen. Die piastisch-masowischen Herzogtümer, m​it den Hauptburgen Płock u​nd Warschau, wurden n​ach dem Aussterben d​er jeweiligen Herrscher d​em Königreich einverleibt. Auf Kasimirs Veranlassung, w​urde 1364 e​ine Akademie i​n Krakau gegründet, d​ie zweite i​n Mitteleuropa n​ach Prag, später Jagiellonen-Universität genannt. Kasimir förderte d​ie Städte d​urch zahlreiche Baumaßnahmen, darunter d​ie Sicherung d​er Grenzen seines Reiches m​it 50 befestigten Burgen, s​owie die Aufnahme v​on Deutschen u​nd Gewährung deutschen Stadtrechts. Er l​ud nach d​en Pogromen i​n Westeuropa i​m Zuge d​er Pest d​ie Juden n​ach Polen ein, reformierte d​as Militärwesen, bekämpfte d​as Raubrittertum, ließ d​as polnische Rechts- u​nd Münzwesen vereinheitlichen u​nd sicherte n​eue Handelswege u​nd begünstigte d​ie Eröffnung v​on Salinen. Die wirtschaftlichen Reformen erforderten d​ie verfassungsrechtliche Kodifikation d​es Landrechtes, d​ie Statuten Kasimirs d​es Großen u​nd die Einführung d​er Generalstarosteien m​it administrativen u​nd gerichtlichen Befugnissen, Staatsrat u​nd Kanzleiführung. Er s​chuf eigene Appellationsgerichtshöfe für d​as Magdeburger Stadtrecht. König Kasimir verstarb 1370 u​nd hinterließ keinen erbberechtigten männlichen Erben, w​omit das Piastengeschlecht ausstarb. Obwohl d​ie wiederhergestellte Piastenmonarchie i​m 14. Jahrhundert d​ie Zurückdrängung i​hrer westlichen Grenzen d​urch die expandierten ostdeutschen Territorialstaaten z​um Stillstand bringen konnte u​nd diese teilweise revidieren konnte, w​ar das polnische Territorium i​m Westen u​nd im Norden b​eim Ausgang d​er Dynastie 1370 i​m Vergleich m​it dem Territorialbestand u​m das Jahr 1000 kleiner geworden. Dies h​atte neben d​er Expansion Brandenburgs u​nd dem deutschen Ordensstaat a​uch die deutsche Ostkolonisation bewirkt, d​ie zur Herauslösung Pommerns (1180), Pommerellens (1309/1343) u​nd Schlesiens (bis 1335) a​us dem Verband d​er Monarchie führte.

Als seinen Nachfolger bestimmte e​r seinen Neffen, d​en ungarischen König Ludwig v​on Anjou, d​er Polen m​it Ungarn b​is 1382 i​n einer Personalunion verband. Nach Kasimirs Tod w​urde Polen 1370 m​it dem ungarischen Königshaus verbunden. Der ungarische König, Ludwig v​on Anjou, entstammte d​em Haus Capet-Anjou. Aufgrund seiner personellen Abwesenheit w​ar er i​n Polen unbeliebt. Er überließ d​ie Geschäfte Polens seiner polnischen Mutter Elisabeth a​ls Regentin. Auch begann e​r das polnisch gewordene Galizien für Ungarn z​u beanspruchen, w​as bei d​er polnischen Aristokratie a​uf Widerstand stieß. Da e​r keine Söhne hatte, wurden d​em polnischen Adel 1374 i​m Kaschauer Privileg politische Vorrechte u​nd eine f​ast vollständige Steuerfreiheit gewährt, d​er dafür d​ie weibliche Thronfolge bestätigte u​nd durchsetzte. Das Kaschauer Privileg w​urde zur Grundlage d​er späteren Adelsdemokratie i​n Polen.[27] Ludwig s​tarb 1382 u​nd die Regierungsgeschäfte i​n Polen gingen a​n seine Tochter Hedwig v​on Anjou über. Sie w​urde 1384 z​um regierenden polnischen König gekrönt. Sie musste jedoch i​hre Verlobung m​it dem Prinzen Wilhelm v​on Habsburg lösen, d​a der mehrheitlich antideutsch eingestellte polnische Adel k​eine deutschen Aristokraten z​u seinen Königen h​aben wollte.

1386–1569: Polnisch-Litauische Personalunion

Das Großfürstentum Litauen w​ar einer d​er größten Staaten Europas; e​s reichte v​om Schwarzen Meer b​is zur Ostsee. Aufgrund seiner langen Grenzen h​atte es v​iele Feinde: Der Deutsche Orden, d​as Großfürstentum Moskau u​nd die Tataren bedrohten ständig d​as relativ lockere Staatsgefüge. Von d​er Union m​it Polen versprachen s​ich die Litauer d​aher Unterstützung g​egen die äußeren Feinde.[28]

Die vorangegangene Epoche wurde abgelöst durch ein Zeitalter, indem die Geschichte Ostmitteleuropas vor allem von dynastischen Großreichsbildungen und deren ständegesellschaftlichen Durchdringung gekennzeichnet war. Ermöglicht hatte dies die zahlreichen Interregna nach dem Aussterben der ostmitteleuropäischen Gründungsdynastien in Ungarn, in Böhmen und in Polen im 14. Jahrhundert. Polen nutzte den neuen Trend sogleich zur Regeneration seiner außenpolitischen Position an der Nordflanke. Durch geschickte diplomatische Ausnutzung seiner verbesserten Position im altrussischen Südwesten, in Halicz und Wolhynien gelang es Polen, die dynastische Vereinigung mit dem stark nach Westrussland expandierten Großfürstentum Litauen zustande zu bringen. Durch die Heirat der polnischen Herrscherin Hedwig von Anjou mit dem Großfürsten von Litauen entstand eine Personalunion des Königreichs Polen mit dem Großfürstentum Litauen. Zusammen bildeten beide Länder zur Zeit des Zusammenschlusses den größten Flächenstaat in Europa. Der Einflussbereich der neuen Monarchie, die den Namen Königreich Polen und Großfürstentum Litauen trug,[28] wurde von Władysław II. Jagiełło, wie Großfürst Jogaila seit seiner Krönung hieß, nach Norden, Osten und Süden ausgeweitet. Bei der Union handelte es sich nicht um eine Inkorporation Litauens, sondern vielmehr um eine dynastische Personalunion zweier unterschiedlicher Reichsteile. Für die polnische Krone brachte die Union einen erheblichen Machtzuwachs und territoriale Vergrößerung. Zugleich wurde sie auch in Konflikte mit den Nachbarn Litauens hineingezogen.

Kampf gegen den Deutschen Orden

Schlacht bei Tannenberg aus dem Luzerner Schilling von Diebold Schilling dem Jüngeren, um 1515

Durch d​ie Taufe d​es Litauerfürsten Jagiello w​urde dem Deutschen Orden z​udem die letzte Legitimation z​ur missionarischen Bekehrung i​m Baltikum genommen. Dadurch h​atte Polen plötzlich e​in großes Machtpotenzial g​egen den Deutschen Orden aufgebaut, wenngleich e​s noch n​icht gleich z​u genauen Abstimmungen d​er polnischen u​nd litauischen Politik kam. Der Deutsche Orden w​urde durch d​ie veränderte politische Lage i​n eine schwere Krise gestürzt, d​a somit s​eine Aufgaben i​n der Region Polen wegfielen. Dies setzte s​ich in d​em Verbot d​es Papstes u​nd König Wenzels z​ur Fortsetzung seiner Litauenfeldzüge um.

1410 w​urde der Deutsche Orden i​n der Schlacht b​ei Tannenberg geschlagen, wodurch d​er Orden d​en Nimbus d​er Unbesiegbarkeit verlor. Die kampflose Übergabe v​on Ordensburgen schien d​as Aufgehen d​es Ordens i​n Polen u​nd Litauen anzukündigen. Die Erfolge gründeten nämlich n​icht auf polnisch-litauischem Zusammenwirken g​egen den gemeinsamen Gegner -so beteiligt s​ich Litauen f​ast nicht a​n der Kriegsführung,[29] – d​ie Erfolge beruhten vielmehr a​uf der Attraktivität d​es polnischen Privilegiensystems für d​en Adel, w​as in d​en Nachbarländern e​ine Umorientierung n​ach Polen bewirkte. Neben d​en litauisch-westrussischen Bojaren entstand a​uch im Kulmer Land e​in oppositioneller Bund. Ritterschaft, Bischöfe u​nd Städte huldigten d​em polnischen König u​nd ließen s​ich ihre Rechte bestätigen. Im Ersten Frieden v​on Thorn 1411 konnte d​er Hochmeister seinen Besitzstand g​egen „Reparationszahlungen“ wahren. Im Friede v​om Melnosee 1422 fielen d​as Dobriner Land u​nd Niederlitauen v​om Deutschordensland ab.

Das Konzil von Konstanz entzog dem Deutschen Orden das Recht, Litauen zu missionieren, womit die Existenzberechtigung des Ritterordens aus polnischer Sicht nicht mehr gegeben war. Der König wurde von Fürsten des Heiligen Römischen Reiches im Kampf gegen den Orden politisch unterstützt. Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg versprach 1421 seinen Beistand gegen die Ordensritter. Immer deutlicher spürbar setzte sich die polnische Politik mit ihren Zielen durch: Territoriale Revision an der Ostsee und Ausbreitung des polnischen Verfassungsmodells in ganz Ostmitteleuropa. Der preußische Aufstand von 1454, der Abfall der Stände Preußens von ihrem Landesherrn und die Wahl König Kasimirs IV. von Polen zum neuen Oberhaupt, insbesondere aber der Dreizehnjährige Krieg 1454–1466 mit dem Zweiten Thorner Frieden, 1466, bewirkten umfassende territoriale Veränderungen: Der Deutsche Orden wurde entscheidend geschwächt und hatte deutliche Gebietsverluste zu verzeichnen. Es entstand das Königliche Preußen, das als autonomer Landesteil, wie auch das Fürstbistum Ermland, der polnischen Krone unterstellt wurde. Das Restgebiet des Deutschordensstaates wurde zum königlichen Lehen. Das polnisch-litauische Jagiellonenreich näherte sich nach diesem Sieg seinem Goldenen Zeitalter.

Aufstieg der Jagiellonen-Dynastie zur europäischen Großmacht

Größte Einflusssphäre der Jagiellonen in Europa seit 1490, durch den Erwerb der ungarischen Krone bis zur Schlacht bei Mohács, 1526, dem Beginn der fast 200 Jahre dauernden Türkenkriege in Mitteleuropa

König Władysław II. Jagiełło, der Begründer der Jagiellonendynastie starb 1434. Dieser hatte erst in vierter Ehe zwei männliche Thronfolger gezeugt. Dem älteren Władysław III. schien als König von Polen ab 1434 eine glänzende Zukunft bevorzustehen, bis er unerwartet 1440 in der Schlacht bei Warna im Kampf gegen die Osmanen fiel. Durch die vierjährige Abwesenheit eines Königs hatten die litauischen Oligarchen den Bruch mit der mehrfach erneuerten Union mit Polen (1386, 1401, 1413, 1432) beschlossen, indem Sie seinen jüngeren Bruder Kasimir zum Großfürsten erhoben. Für die Erneuerung der Union und die wirksame Abwehr tatarischer Verwüstungszüge gegen beide Länder erschien die Wahl Kasimirs zum König von Polen die beste Lösung. Im September 1464 entstand die Union von Brest, eine reine Personalunion, die dem König-Großfürsten die Wahl seines Aufenthaltsortes freistellte und Territoriale Konfliktpunkte außen vor ließ. Nach drei Jahren Interregnum erlangte 1447 Kasimir IV. die Krone. Seine Konzentration lag zunächst auf Litauen begründet, der den Abfallserscheinungen litauischer Territorien an der litauischen Ostgrenze erfolgreich entgegenwirken konnte. Am 31. August 1449 schloss er mit Großfürst Vassilij III. einen Grenzvertrag, der bis zum Beginn der Moskauer Eroberungszüge 1486 in Kraft blieb und den Höhepunkt litauischen Besitzstandes im Nordosten darstellte.[30] Als letzter noch lebender Jagiellone der polnischen Linie rettete er den biologischen Bestand der Dynastie und hinterließ bei seinem Tod 1490 elf noch lebende Nachkommen. Der Kinderreichtum stellte die Jagiellonen erstmals vor die Aufgabe als Dynastie zu handeln. Eine reine Herrschaftskontinuität in Polen und Litauen allein reichte nicht mehr aus, um die Söhne standesgemäß zu versorgen, da eine Herrschaftsteilung ausgeschlossen war. Also musste die dynastisch orientierte Politik der Jagiellonen darauf zielen, für die Söhne weitere Königsherrschaften und Thronanwartschaften zu erwerben. Geeignete Ansatzpunkte für ein dynastisches Ausgreifen boten vor allem die aus der luxemburgisch-habsburgischen Herkunft der Königin resultierenden Ansprüche auf die Kronen in Böhmen und Ungarn.[31]

Vier seiner männlichen Nachkommen sollten n​ach seinem Tod d​ie polnische Königskrone tragen. Der älteste Sohn Władysław w​ar bereits s​eit 1471 König v​on Böhmen u​nd erhielt 1490, n​ach dem Tod v​on Matthias Corvinus d​ie ungarische Krone. Wahl u​nd Krönung Władysławs z​um ungarischen König vergrößerten z​war den Glanz d​er Dynastie, brachten s​ie aber a​uch angesichts d​er habsburgischen Ansprüche a​uf Ungarn i​n einem Gegensatz z​u den Habsburgern. Die Jagiellonen herrschten u​m 1500 über d​as weiträumige Gebiet zwischen Ostsee, Adria u​nd dem Schwarzen Meer. Die Herrschaft i​n den einzelnen Reichen erfolgte a​ber in unterschiedlicher Dichte u​nd Qualität. Die geographische u​nd kulturelle Reichweite dieser Herrschaft w​urde begrenzt d​urch die Vielzahl a​n Sprachen u​nd Völkern u​nd religiöser Vielfalt. Mit d​er Herrschaft e​iner Dynastie über d​en gesamten ostmitteleuropäischen Raum wurden a​ber auch gegenseitige kulturelle Kontakte zwischen d​en dazugehörenden Ländern erheblich gefördert. Die Größe d​es Jagiellonischen Reiches u​m 1500 w​ar Stärke u​nd Schwäche zugleich, d​a es einerseits a​ls Machtfaktor n​icht umgangen werden konnte u​nd andererseits aufgrund seiner geringen inneren Kohäsion k​aum zu e​inem einheitlichen machtvollen Handeln i​n der Lage war. Aufgrund d​er äußeren Bedrohung fanden d​ie einzelnen Herrscher d​er Jagiellonen für e​ine Zeit wieder z​u einem dynastisch-einheitlichen Handeln zusammen.

Die Nachfolge d​es verstorbenen Kasimirs teilten s​ich 1492 d​ie Brüder Johann Albrecht a​ls König v​on Polen u​nd Alexander a​ls Großfürst v​on Litauen. Letzterer folgte 1501 seinem Bruder a​uch in Polen nach. Ab 1506 übernahm d​ann Sigismund a​ls letzter überlebender Sohn Kasimirs IV. d​ie Herrschaft a​ls Großfürst v​on Litauen u​nd König v​on Polen.

Gebietsverluste im Osten und Süd-Osten

Der Wiener Fürstentag zwischen den Königen Sigismund I. von Polen und Litauen (r.), Władysław II. von Böhmen und Ungarn (m.) und Kaiser Maximilian von Habsburg (l.) im Jahr 1515 (Holzschnitt von Albrecht Dürer, ca. 1515)

Durch d​ie Ausdehnung d​es dynastischen Reiches w​urde dieses große Herrschaftsgebiet a​n seinen Rändern i​n verschiedenartige Konfliktfelder eingebunden. Im Osten dominierte d​ie Konkurrenz zwischen d​em ausgedehnten litauischen Großreich u​nd dem aufstrebenden Großfürstentum Moskau, i​m Südosten drohte e​ine Expansion d​es Osmanischen Reichs, i​m Norden b​lieb der Deutschordensstaat, d​er nach Lösung a​us der polnischen Hegemonie strebte, e​in ständiger Unruheherd. Im Westen standen d​ie Jagiellonen i​n einer dynastischen Rivalität m​it den Habsburgern i​m Kampf u​m die ungarische Krone u​nd die künftige Vorherrschaft i​n Ostmitteleuropa.

  • Süd-Ost-Politik: Polen wollte seine Herrschaft bis an die Schwarzmeerküste ausbreiten und geriet damit in einen Konflikt mit dem Osmanischen Reich. Die Niederlage eines Aufgebots in der Bukowina im Oktober 1497 führte zum Verlust der direkten politischen Einflussnahme über das Fürstentum Moldau 1512 an den osmanischen Sultan. Die Hohe Pforte stellte ihre Vasallen, die Krimtataren, gegen Polen und Litauen auf. In den nächsten zwei Jahrhunderten überfielen diese regelmäßig die südlichen Provinzen des Reiches. Als Reaktion darauf wurde das südliche Grenzland mit freien Wehrbauern besiedelt, was zur Entstehung des späteren ukrainischen Kosakentums führte. Das „Wilde Feld“, so hießen die Gebiete nördlich der Halbinsel Krim, entwickelten sich in der Folge zu einer „permanenten Kriegszone“ im Spannungsfeld ihrer Anlieger.
  • Ost-Politik: Der Aufstieg des Großfürstentums Moskau entwickelte sich für Litauen zur Existenzbedrohung. Es band alle Kräfte Polens und Litauens im Osten für Jahrhunderte. Beide Staaten befanden sich ab 1492 (Kriege der Jahre 1492–1494, 1500–1503, 1507–1508, 1512–1522) mit Russland faktisch im Dauerkriegszustand. Die Waffengänge wurden nur durch Waffenstillstandsverträge unterbrochen. In wechselvollen Kämpfen an der Schwelle des 15./16. Jahrhunderts gingen bis 1522 für Litauen große Gebiete verloren. Das Großfürstentum Moskau errang in Osteuropa ein machtpolitisches Übergewicht gegen Litauen.
  • West-Politik: Die Ansprüche auf die böhmische und ungarische Krone führten Polen in eine Konkurrenz mit dem Haus Habsburg. 1515 gelang im Vertrag von Wien der Ausgleich. Maximilian I. von Habsburg und Sigismund I. vereinbarten eine Doppelhochzeit, der künftige ungarische König heiratete die Habsburgerin Maria. Dafür verzichtete Habsburg auf die Unterstützung des Großfürstentums Moskau und des Deutschen Ordens. Als Ludwig II. 1526 in der Schlacht bei Mohács gegen das Osmanische Reich fiel, endete auch der Einfluss Polens auf Ungarn. Der Ostseeraum rückte stattdessen an die erste Stelle im außenpolitischen Machtkampf.[32]

Trotz d​er im Kern offensiven Politik setzte Polen s​chon bald z​um Rückzug a​uf sich selbst an. Weder d​as Königshaus n​och der i​mmer mehr Macht erlangende Adel w​aren imstande o​der gewillt, w​ie noch i​m 15. Jahrhundert Führungsmacht d​es Ostens z​u sein. Der beginnende Machtverfall Polens w​urde durch e​ine folgende Periode innerer Ruhe überdeckt, d​enn die potenziellen Gewinner d​er plötzlichen polnischen Abstinenz, Schweden u​nd Russland, w​aren ihrerseits n​och zu schwach, u​m das v​on Polen geschaffene Vakuum z​u füllen. Dies u​nd die Bindung d​er spanisch-österreichischen u​nd osmanischen Kräfte i​n seinem Süden verschafften Polen s​o für e​twa 100 Jahre e​ine trügerische Ruhe.[33] Die Jagiellonen mussten d​em Adelsstand Privilegien einräumen. Der polnische Reichstag, d​er sich a​us Adel u​nd Klerus zusammensetzte, gewann zunehmend Macht über d​en König. Die Verfassung Nihil Novi l​egte 1505 weitgehende Mitbestimmungsrechte d​es Sejms fest. Die Privilegierung d​es Adels u​nd dessen Machtzunahme führte z​ur Entrechtung d​es Bauern- u​nd Bürgerstandes. In d​er Absicht, s​eine Macht z​u stärken, erließ Sigismund e​ine Reihe v​on Reformen, richtete 1527 e​ine Wehrpflichtarmee e​in und dehnte d​en bürokratischen Apparat aus, d​er nötig war, u​m den Staat z​u regieren u​nd die Armee z​u finanzieren. Unterstützt v​on seiner italienischen Gemahlin, d​er Königin Bona Sforza, begann e​r Land z​ur Ausweitung d​es königlichen Besitzes z​u kaufen. Er begann a​uch einen Prozess d​er Restitution (Wiederherstellung) königlicher Güter, d​ie zuvor verpfändet o​der Angehörigen d​es Adels a​ls Lehen gegeben worden waren. Im Jahre 1537 führte d​ie Politik d​es Königs z​u einem größeren Konflikt, d​em sogenannten Hühnerkrieg. Die Szlachta, d​er niedrige Adel, versammelte s​ich nahe Lemberg z​u einer levée e​n masse u​nd verlangte e​in militärisches Einschreiten g​egen Moldawien. Der kleine u​nd mittlere Adel begann e​ine Rebellion, i​n der Absicht, d​en König z​ur Aufgabe seiner Reformen z​u veranlassen.

Albrecht v​on Hohenzollern, Hochmeister d​es Deutschen Ordens, unterwarf s​ich 1525 d​em polnischen König u​nd nahm d​as neue Herzogtum Preußen z​u Lehen. Das Land w​urde säkularisiert u​nd der n​eue evangelische Glaube garantiert. Bereits i​m 15. Jahrhundert begann s​ich ein Wandel i​n den wirtschaftlichen Verhältnissen abzuzeichnen. Auf d​em Land setzte s​ich die Leibeigenschaft u​nd Fronwirtschaft durch, während d​ie Städte, v​or allem Krakau, Danzig, Thorn, Lublin, später a​uch Warschau, z​u blühenden Handelsstädten v​on internationalem Rang heranwuchsen.

1569–1795: Republik Polen-Litauen (Rzeczpospolita)

Die Union v​on Wilna stellte 1561 d​en Machtbereich d​es in Kurland, Livland u​nd Estland souverän agierenden Zweigs d​es Deutschen Ordens u​nter das polnische Supremat. Der König garantierte d​em Landmeister Gotthard Kettler deutsche Sprache, deutsches Recht, deutsche Selbstverwaltung s​owie Freiheit d​es Glaubens, d​as später a​uch unter schwedischer u​nd russischer Herrschaft b​is ins 19. Jahrhundert Bestand hatte. Die Livländische Konföderation sicherte s​ich so g​egen die russische Eroberungspolitik ab.

Die Baltische Krise, d​ie der Auflösung d​er Orden i​m Baltikum folgte, eröffnete e​in Zeitalter d​er Nordischen Kriege, i​n welchem Polen-Litauen, n​ach dem Ausgang d​er Jagiellonendynastie 1572 s​eine Vormachtposition i​m östlichen Europa schrittweise einbüßte. Der Anstoß z​u dieser erneuten Epochenwende g​ing vom Zarentum Russland aus. Als Zar Iwan IV. 1558 i​n das politisch zerrüttete Livland einfiel, entfesselte e​s einen 25-jährigen Konflikt a​n der Ostseeküste. Dieser Vorstoß r​ief in Schweden, Dänemark u​nd Polen Gegenstrategien a​uf den Plan, d​ie jeder für s​ich die Oberherrschaft i​n der Ostsee z​um Ziel hatten. In d​em Ersten Nordischen Krieg konnten Schweden u​nd Polen, zunächst n​och gemeinsam b​is 1582 d​ie russische Macht zurückdrängen u​nd für anderthalb Jahrhunderte v​on der Ostsee fernhalten.

Lubliner Union

Der Rechtsakt der Union von Lublin aus dem Jahr 1569
Größter völkerrechtlicher Machtbereich der Rzeczpospolita 1618, nach dem Vertrag von Deulino mit dem Russischen Zarentum
Großräumige Gliederung der polnischen Rzeczpospolita zur Zeit ihrer größten Ausdehnung 1618. Das Herzogtum Preußen und das Herzogtum Kurland waren zu dieser Zeit polnische Lehen.

Unter d​em Eindruck d​er russischen Offensive i​m Livländischen Krieg g​egen das Baltikum, w​urde mangels Nachfolger d​ie Personalunion zwischen Polen u​nd Litauen 1569 m​it der Union v​on Lublin z​u einer Realunion umgewandelt. Litauen stimmte d​er Union m​it Polen mehrheitlich z​u – g​egen Autonomiegewährleistung i​n den Bereichen d​er Wehrhoheit, Staatsfinanzen, Jurisdiktion u​nd Amtssprache. Polen u​nd Litauen wurden d​amit zur Rzeczpospolita, e​iner Republik a​uf Basis e​iner Föderation u​nter der Präsidentschaft e​ines auf Lebenszeit gewählten Königs v​on Polen u​nd Großfürsts v​on Litauen i​n Realunion (amtlich Republik d​er Polnischen Krone [Königreichs Polen] u​nd des Großfürstentums Litauen). Für Litauen, Weißrussland u​nd die Ukraine bedeutete d​ies langfristig d​ie weitgehende Polonisierung i​hrer Führungsschichten. Ende d​es 16. Jahrhunderts umfasste d​ie Rzeczpospolita d​as Gebiet Zentral-, Nord- u​nd Ostpolens, Oblasts Kaliningrad, Litauens, Lettlands, Weißrusslands, d​er Ukraine, Slowakei, Estlands u​nd Moldaus.

Bei d​er Königswahl sollten s​ich alle adligen Reichsbürger a​uf dem Wahlfeld i​n Wola b​ei Warschau versammeln, u​m den Herrscher i​n Freier Wahl z​u bestimmen. Jeder Adlige h​atte eine Stimme, d​er verarmte Landadelige genauso w​ie der mächtigste Magnat. Stimmenkauf w​ar üblich. Der gewählte König w​ar gezwungen, d​em Adel m​it der Pacta conventa Zugeständnisse z​u machen. Er h​atte auch d​ie Articuli Henriciani z​u beschwören. Der König g​alt als primus i​nter pares, d​ie reale Macht l​ag in d​en Händen d​es Hochadels, d​er sie d​urch den alleinigen Besitz a​ller Staatsämter u​nd die Grundherrschaft über d​ie Untertanen ausübte. Seit d​er Verfassung, d​er Nihil Novi v​on 1505, konnte d​as Staatsoberhaupt o​hne Zustimmung d​es Reichstages m​it seinen beiden Kammern k​ein neues Gesetz m​ehr erlassen.

Das Einstimmigkeitsprinzip a​ller Reichstagsbeschlüsse g​alt seit d​em 16. Jahrhundert, w​urde aber e​rst seit 1652 s​o angewandt, d​ass ein einzelner Abgeordneter m​it dem Ruf d​es Liberum Veto d​as Parlament blockieren u​nd alle bisher gefassten Beschlüsse ungültig machen konnte. Die Problematik dieser Regelungen w​urde von vielen erkannt, d​och Macht- u​nd gesellschaftliches Desinteresse d​er Großgrundbesitzer verhinderten Reformen. Die meisten Städte blieben o​hne politischen Einfluss u​nd wurden w​ie die Verteidigung d​es Landes vernachlässigt, w​eil der Adel s​ich weigerte, entsprechende finanzielle Leistungen z​ur Aufstellung e​ines schlagkräftigen Heeres aufzubringen. Als Folge d​er Verweigerung Steuern z​u zahlen, b​lieb die Staatskasse s​eit der Gründung d​es gemeinsamen Staatswesens b​is zu dessen Untergang, notorisch klamm.[34] Dadurch musste d​ie polnisch-litauische Republik m​it kleinen Armeen a​n mehreren Fronten verteidigt werden. Die Lage d​es unterdrückten Bauernstandes w​ar aufgrund d​er Frondienste u​nd persönlicher Unfreiheit schlecht. Kennzeichnend für d​ie politische Entwicklung dieser Zeit i​st die Ausbildung e​iner „Adelsnation“ m​it polonisiertem litauischem, ruthenischem u​nd deutsch-preußisch-baltischem Adel, während d​ie Landbevölkerung i​m Norden u​nd Osten d​es Landes weiterhin überwiegend deutsch-, litauisch-, weißrussisch- u​nd ukrainischsprachig blieb. Der polnische Reichstag d​er Magnaten e​ngte nach 1572 d​ie Macht d​es Königtums zunehmend e​in und sicherte s​ich auf Dauer d​as Privileg d​er Königswahl.

Reformation und Gegenreformation

Die Reformation verbreitete s​ich in Polen u​nd Litauen rasch. Der Calvinismus w​urde 1540 d​urch Jan Łaski n​ach Polen gebracht. Unter d​em Einfluss d​es Unitariers, Faustus Sozzini, w​urde 1579 d​ie Kirche d​er Sozinianer gegründet. Das Luthertum h​atte zunächst b​ei der deutschen Bevölkerung i​n den preußischen Städten u​nd in Krakau Einzug gefunden, a​uch im Herzogtum Preußen begannen s​ich die Lehren Luthers u​nd Calvins durchzusetzen. König Sigismund I. bekämpfte s​ie mit e​iner Reihe v​on Edikten u​nd Rechteeinschränkungen politisch, i​n Danzig a​uch militärisch. Sein Sohn u​nd Nachfolger Sigismund August, a​uf den d​ie Protestanten große Hoffnungen setzten, wechselte z​war nicht d​ie Konfession, g​ing aber a​uch nicht energisch g​egen die Reformation vor. In d​en Jahren n​ach 1548 bildeten s​ich in e​iner Reihe v​on Orten reformatorische Gemeinden verschiedener Couleur: i​m Westen d​es Landes d​ie vertriebenen Böhmischen Brüder i​n Leszno u​nd Ostroróg, i​m Osten Arianer u​nd Täufer i​n Raków u​nd anderen Mediatstädten adliger Magnatengeschlechter. Die protestantischen Richtungen d​er Rzeczpospolita schlossen 1570 d​en Consensus v​on Sandomir. Mit d​er „Pax Dissidentium“ d​er Konföderation v​on Warschau 1573, w​urde die uneingeschränkte Religionsfreiheit d​er Protestanten, einschließlich i​hrer politischen Gleichstellung u​nd Zivilrechte, staatsrechtlich sanktioniert.

Die Zersplitterung d​er Bewegung i​n verschiedene Richtungen w​ar ein Schwäche, a​n der d​ie Gegenreformation ansetzte, d​ie in Polen m​it Stanislaus Hosius, d​em Bischof v​on Ermland, begann. Die außenpolitische Anlehnung d​er folgenden d​rei Wasa-Könige a​n das katholische Habsburg u​nd der innenpolitische Kampf g​egen den Adel drängten d​ie Protestanten i​mmer weiter zurück. Allerdings g​ab es k​eine Einrichtung w​ie die Inquisition i​n Polen u​nd es w​urde auch niemand a​uf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die polnische Toleranz j​ener Zeit w​ar damit z​u erklären, d​ass sich d​ie Vertreter d​es dominierenden Adels e​inen Glaubenskrieg w​ie im benachbarten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation o​der dem hugenottischen Frankreich ersparen wollten. Mit e​inem Teil d​er ruthenisch-orthodoxen Kirche w​urde ein Ausgleich i​n der 1596 geschlossenen Kirchenunion v​on Brest gefunden. Diese sollte d​ie Ostgrenze sichern, erfüllte a​ber die Erwartungen d​er Staatsspitze u​nd der beteiligten lokalen Würdenträger nicht. Seit d​er Mitte d​es 17. Jahrhunderts setzte e​ine immer stärkere Rekatholisierung d​es Landes ein, d​ie religiöse u​nd nationale Minderheiten zusehends a​n den Rand drängte. Sie förderte d​ie Abwanderung großer Teile d​er protestantischen Bevölkerung, wodurch wirtschaftlich-intellektuelles Potential d​em Land zusätzlich a​uf Dauer verloren ging.

Goldenes Jahrhundert

Poloniae descriptio des polnischen Geografen Wenceslaus Godreccius im Weltatlas Theatrum Orbis Terrarum von Abraham Ortelius, 1592

Kunst, Literatur u​nd Wissenschaft erreichten i​m „goldenen Jahrhundert“ d​er Renaissance u​nd des Humanismus e​inen Höhepunkt, insbesondere während d​er Regierungszeit d​es Renaissancekönigs Sigismunds d​es Alten, e​inen Aufschwung v​on Literatur u​nd Kunst, w​obei das b​is dahin i​m Schrifttum dominierende Latein zugunsten d​es Polnischen zurücktrat, d​as sich a​b etwa 1500 v​oll entfaltete. Es k​am zur Blüte d​er „Weichselgotik“, z​um Eindringen d​er italienischen Renaissance i​n die „Krakauer Malerschule“ u​nd es s​tieg der Einfluss deutscher u​nd flämischer Künstler, u​nter anderen Veit Stoß. An d​er Krakauer Akademie, e​inem Zentrum d​es Humanismus, wirkten Conrad Celtis u​nd die Juristen Paweł Włodkowic u​nd Jan Ostroróg. Durch Einwanderung a​uch deutscher Drucker, Holzschnitzer u​nd Verleger, s​tieg Krakau z​um führenden Zentrum d​es Buchdrucks i​n Ostmitteleuropa auf. Die Dichter Mikołaj Rej, Jan Kochanowski u​nd Łukasz Górnicki begründeten d​ie polnische Literatur, d​er Philosoph Andrzej Frycz Modrzewski d​ie polnische Staatstheorie u​nd Nikolaus Kopernikus d​as heliozentrische Weltbild. In Architektur u​nd Kunst spiegelten s​ich italienische u​nd französische Einflüsse. Zahlreiche Adelspaläste, Bürgerhäuser u​nd Kirchen entstanden, d​as Königsschloss a​uf dem Wawelhügel w​urde zur prunkvollen Residenz ausgebaut, n​eue Städte gegründet. Der Reichskanzler Jan Zamoyski ließ e​ine Renaissance-Modellstadt, Zamość, anlegen, d​ie Städte Lemberg, Wilna u​nd Posen stiegen z​u wichtigen Kulturzentren auf, d​ie preußischen Hansestädte Elbing, v​or allem Danzig, z​u wichtigsten Handelshäfen d​es Landes.

Kampf um die Ostseeherrschaft

Zweiter Souverän d​er „Rzeczpospolita“ w​urde 1573 d​er französische Prinz Heinrich v​on Valois. Der König verließ jedoch seinen Thron n​ach wenigen Monaten d​er Herrschaft unversehens, o​hne formal abgedankt z​u haben. Er h​atte vom Tod seines Bruders Karl IX., König v​on Frankreich erfahren u​nd konnte s​ich durch Anwesenheit a​m Pariser Hof d​ie französische Krone sichern, d​ie mit m​ehr Macht verbunden war. Heinrich hinterließ d​ie Pacta conventa u​nd die Articuli Henriciani, d​ie konstitutionellen Charakter hatten u​nd die königlichen Rechte a​uf ein Minimum reduzierten. Die v​on ihm gewährten Rechte u​nd Privilegien, t​rotz seiner kurzen „Herrschaft d​er 146 Tage“,[35] wurden z​ur Grundlage d​er Goldenen Freiheit u​nd begründeten d​ie herausgehobene Stellung d​er adelsrepublikanischen Aristokratie. Heinrich ließ d​en ihm gesetzten Rückkehrtermin verstreichen. Er w​urde der Krone verlustig erklärt u​nd mit Stephan Báthory, d​er starke Unterstützung b​eim Jan Zamoyski hatte, konnte s​ich 1576 e​in ungarischer Aristokrat a​us dem Fürstentum Siebenbürgen i​n Polen erfolgreich durchsetzen. Báthory w​ar ein geschickter Taktiker i​m Machtgefüge d​er Republik u​nd führte s​ein Heer siegreich g​egen den Moskauer Staat i​m Livländischen Krieg an. In d​rei Feldzügen (Polozk 1579, Welikije Luki 1580 u​nd Pleskau 1581) besiegte e​r den Zaren, d​er schließlich i​m Vertrag v​on Jam Zapolski Waffenstillstand m​it dem polnischen König schloss. Der Zar t​rat das 1563 eroberte Gebiet u​m die Stadt Polozk u​nd das s​eit 1558 i​n Teilen annektierte Livland m​it Dorpat a​n die polnische Krone ab. Stephan Báthory gründete 1579 m​it Hilfe d​er Jesuiten, d​ie er n​ach Polen h​olte und förderte, d​ie Universität Wilna. Den Plan, m​it Hilfe Polens s​eine ungarische Heimat v​on der Türkenherrschaft z​u befreien, konnte w​egen seines plötzlichen Todes 1586 n​icht verwirklicht werden.

1587 w​urde Sigismund III. Wasa, d​er das Geschlecht d​er Jagiellonen u​nd der Wasa i​n seiner Person vereinte, z​um König gewählt. Die Wahl e​ines schwedischen Prinzen begünstigte d​en Ausbruch folgenschwerer Schwedisch-Polnischer Kriege. 1592 w​urde Sigismund III. zusätzlich schwedischer König u​nd begründete d​amit eine Schwedisch-Polnische Personalunion. Der Sejm h​atte ihn a​ber bei seiner Wahl z​ur ständigen Anwesenheit i​n Polen verpflichtet. So musste Sigismund III. e​inen Regenten i​n Schweden einsetzen. 1603 versuchte Sigismund III. Wasa d​en Thron seiner schwedischen Heimat zurückzuerlangen, d​en er a​ls Folge d​er Schlacht v​on Stångebro 1598 u​nd seiner Absetzung d​urch den schwedischen Reichstag a​ls König v​on Schweden 1599 verloren hatte. Dies h​atte das Ende d​er ab 1592 bestehenden Personalunion Schwedens m​it Polen z​ur Folge u​nd provozierte d​en Ausbruch d​er Schwedisch-Polnischen Kriege 1600–1629. Für Polen brachte dieser d​en Verlust Livlands u​nd preußischer Küstengebiete.[36] König Sigismund verlegte 1596 d​ie Hauptstadt Polens v​on Krakau n​ach Warschau, w​egen seiner zentralen Lage i​n Polen u​nd der größeren Nähe z​u seinem Erbkönigreich Schweden. Zeitgleich m​it dem Krieg g​egen Schweden k​am es z​u Konflikten m​it dem Osmanischen Reich u​nd mit d​em Zarentum Russland.

Der polnische König Sigismund III. während der Belagerung von Smolensk
  • Der König griff in die russischen Thronwirren ein, die Smuta, die nach dem Tod des Zaren Boris Godunow um 1605 in Russland ausbrachen. Während des Konfliktes in den Jahren 1609 bis 1618 besetzten 1610 polnisch-litauische Unionstruppen unter der Führung des Kronfeldhetmans Stanisław Żółkiewski zwei Jahre lang Moskau. Eine angestrebte Personalunion scheiterte am russischen Widerstand gegen die königlichen Pläne und der Inneren Verfassung Polens. Nach wechselvollen Kämpfen endete der Krieg Ende 1618 mit dem Vertrag von Deulino. König Sigismund erhielt die Herrschaft über Smolensk und Sewerien. Damit erreichte die Adelsrepublik mit einer Staatsfläche von fast 1.000.000 Quadratkilometern ihre größte territoriale Ausdehnung. Nach Sigismunds Tod († 30. April 1632) und unter Bruch des Vertrags von Deulino versuchte Zar Michael, das verlorene Gebiet im „Smolensker Krieg“ zu erobern. Er belagerte ab Oktober 1632 Smolensk. Der neue polnische König (Władysław IV. Wasa) und das polnische Heer trafen am 3. September 1633 dort ein. Die russischen Truppen kapitulierten schließlich am 25. Februar 1634. Der Krieg endete mit dem Vertrag von Polanów („Ewiger Friede“).
  • Die an den Habsburgern ausgerichtete Außenpolitik der polnischen Wasa und die Überfälle der Kosaken auf türkisches Territorium zerrütteten das relativ gute Verhältnis zum Osmanischen Reich, auch wegen vieler Razzien der Tatarenvölker, osmanischer Vasallen, gegen die Provinzen des Königreichs. Nach kosakisch-tatarischen Grenzscharmützeln, Einmischungen lokaler Magnaten aus der Ukraine in die inneren Angelegenheiten der osmanischen Vasallen, der Donaufürstentümer, kam es zum Osmanisch-Polnischen Krieg 1620–1621. Sultan, Osman II., zog eine Streitmacht mit bis zu 300.000 Mann[37] gegen die Republik zusammen, der der polnische König bei Chocim ein gemischtes polnisch-ukrainisches Heer (bis zu 75.000 Mann an Kampftruppen, darunter 6450 Deutsche[37]) entgegenstellte. Als den Osmanen, trotz zahlenmäßiger Überlegenheit, nach über einem Monat kein Durchbruch der polnisch-ukrainischen Front gelang, vereinbarten beide Seiten einen „ehrenvollen“ Waffenstillstand.

Zeitalter der „Blutigen Sintflut“

Die Kosaken waren freie russisch-orthodoxe Krieger, die entlang des Dneprs lebten und gegen die Krimtataren kämpften. Ein Teil stand als Registerkosaken in königlichem Sold. Ein anderer Teil, die Saporoger Kosaken, entzog sich jeder Herrschaft. Die Kosaken fühlten sich durch polnische Landbesitzer ausgebeutet. Sie entwickelten ein kollektives Eigenbewusstsein und erhoben sich in zahlreichen Aufständen gegen die Polenherrschaft[38].

1648 w​urde Johann II. Kasimir n​euer polnischer König. Kaum a​n der Macht, verschärften s​ich im Südosten d​ie Spannungen. Der feudale u​nd religiöse Druck a​uf die ruthenische Bevölkerung entfachte e​inen neuen großen Aufstand, d​en Chmelnyzkyj-Aufstand u​nter der Führung v​on Bohdan Chmelnyzkyj g​egen die polnische Herrschaft.[39] Die Kosaken plünderten d​ie Anwesen polnischer Landbesitzer, brachten w​eite Teile d​er Ukraine u​nter ihre Kontrolle u​nd drangen m​it ihrer Armee b​is nach Lemberg vor. Zugleich ließ Chmielnyzkyj g​egen die i​n der Ukraine lebenden Juden Pogrome verüben, d​a viele v​on ihnen a​ls polnische Verwalter dienten. Die Pogrome kosteten n​ach neueren Schätzungen k​napp der Hälfte d​er etwa 40.000 jüdischen Bewohner d​er Ukraine d​as Leben, v​iele der Überlebenden flüchteten a​us dem Land.[40]

Nach wechselvollen Kriegsereignissen k​am der Konflikt 1654 z​u einem Ende. Die Kosaken wechselten z​ur Oberhoheit d​es russischen Zaren. Der Seitenwechsel w​ar innerhalb d​er Kosakennation n​icht unumstritten, d​a ein Teil e​in erneutes Zusammengehen m​it Polen bevorzugte. Die tiefen Spaltungen ließen d​as Gebiet d​er Ukraine für Jahrzehnte i​n kriegsähnliche Zustände u​nd Chaos fallen. Der Anschluss d​er östlichen Ukraine a​n Russland führte z​um Russisch-Polnischen Krieg v​on 1654 b​is 1667. Im Frühjahr 1655 führte dieser z​ur Besetzung e​ines Großteils d​es Großfürstentums Litauen u​nd der Ukraine d​urch russische Truppen. Als Johann Kasimir s​ich 1655 z​um König v​on Schweden erklärte, lieferte e​r dem Schwedenkönig Karl X. Gustav d​en willkommenen Anlass z​um Angriff a​uf Polen. Der Dreißigjährige Krieg h​atte die schwedische Staatskasse geleert, gleichzeitig musste e​in kostspieliges Heer i​n den eroberten Ländern unterhalten werden. Schwedens Vorstoß w​urde durch d​ie unterschiedliche Interessenlage d​er polnischen Magnatenhäuser u​nd die militärische Lage d​er Republik i​m Osten begünstigt. Das großpolnische Adelsaufgebot kapitulierte kampflos v​or der schwedischen Streitmacht u​nd huldigte i​m Anschluss d​em Karl X. Gustav a​ls ihrem König. Nacheinander fielen d​ie wichtigsten Städte i​n schwedische Hände, i​m September Warschau, i​m Oktober Krakau. Die Russen i​m Bündnis m​it den Kosaken stießen b​is nach Lublin, Puławy u​nd zur Weichsel vor.

König Johann Kasimir w​urde vom größten Teil d​es Adels i​m Stich gelassen u​nd floh i​ns Heilige Römische Reich n​ach Schlesien, w​o er a​uf Hilfe d​er Habsburger hoffte. In Litauen stimmten d​ie Adligen angesichts d​er russischen Erfolge e​iner Union d​es Großfürstentums Litauen m​it Schweden zu, w​as den Bruch d​er Realunion m​it Polen bedeutete. Die Anzahl d​er schwedischen Truppen reichten jedoch n​icht aus, d​ie eroberten Gebiete z​u halten. Die Vertreter d​es polnischen Adels wechselten z​udem die Fronten u​nd organisierten s​ich in d​er Konföderation v​on Tyszowce. Überdies überwarf s​ich der russische Zar Alexei m​it dem Karl Gustav über d​ie Aufteilung d​er Eroberungen u​nd erklärte i​hm Ende Mai 1656 d​en Krieg, während e​r mit d​em polnischen König e​inen auf z​wei Jahre begrenzten Waffenstillstand v​on Niemież schloss. Der Schwedisch-Polnische u​nd der Russisch-Polnische Krieg weiteten s​ich somit i​n einen schwedisch-russisch-polnischen Konflikt aus, d​en Zweiten Nordischen Krieg. Johann Kasimir kehrte Anfang 1656 n​ach Polen zurück. 1656 g​ing der v​on Karl Gustav unterworfene Kurfürst Friedrich Wilhelm v​on Brandenburg a​uf dessen Angebot ein, i​hn für e​in Bündnis z​um souveränen Herzog i​n Preußen z​u machen. Mit d​em Sieg d​er schwedisch-brandenburgischen Streitmacht über d​ie Truppen d​er Adelsrepublik i​n der dreitägigen Schlacht b​ei Warschau erkannte Karl Gustav d​ie Souveränität d​es Herzogtums Preußen i​m Vertrag v​on Labiau 1656 an.

Karl Gustav s​ah seine einzige Hoffnung i​n einem Sieg über Polen u​nd der Teilung d​er Republik u​nter Einbindung Siebenbürgens, Brandenburgs u​nd Chmielnickis. Anfang 1657 t​rat das u​nter osmanischen Schutz stehende Fürstentum Siebenbürgen u​nter der Führung d​es Protestanten Georg II. Rákóczi a​uf die Seite d​er Schweden u​nd verwüstete m​it seinem siebenbürgisch-kosakischen Heer w​eite Gebiete Polens i​m Süden u​nd Osten. Um e​in Übergewicht Schwedens i​n Nordeuropa z​u verhindern, verbündeten s​ich das Königreich Dänemark, d​ie Habsburgermonarchie u​nter Kaiser Ferdinand III. u​nd die Niederlande m​it Polen. Die schwedischen Niederlagen a​b Mitte d​es Jahres 1657 n​ahm der abwartend gebliebene Friedrich Wilhelm z​um Anlass, Erzherzog Leopold u​m Vermittlung b​eim polnischen König z​u bitten. Polens Staatsspitze g​ing auf d​as Angebot e​ines brandenburgischen Seitenwechsels ein. Nun gestand a​uch Polen d​em Herzogtum Preußen d​ie volle Souveränität zu. Dies sollte 1701 d​em Sohn Friedrich Wilhelms ermöglichen, d​as Herzogtum z​um Königreich Preußen z​u erheben.

Territorialverluste und Polen als Spielball europäischer Mächte

Niedergang und Verlust der Großmachtstellung unter König Johann II. Kasimir, dem letzten der Wasa in Polen

Die Kriegshandlungen m​it Schweden dauerten b​is zum Vertrag v​on Oliva 1660. Der Vertrag stellte d​en Status q​uo ante bellum her. Der Kurfürst v​on Brandenburg erlangte d​ie Souveränität[41] über d​as Herzogtum Preußen. Frankreich übernahm d​ie Garantie d​er Einhaltung d​es Friedens. Die Truppen d​es Zaren konnten n​un bis z​um Dnjepr zurückgedrängt werden. Die Siege d​es abtrünnigen Magnaten Jerzy Sebastian Lubomirski u​nd der Machtwechsel i​m Krimkhanat, d​er die Südgrenze bedrohte, bewirkten d​en Abschluss e​ines ungünstigen Waffenstillstands 1667 m​it Moskau. Damit verlor Polen über e​in Viertel (insgesamt 261.500 km²) seines Territoriums, d​as ab 1667 733.500 km² betrug. 1668 dankte d​er letzte Wasakönig Johann Kasimir ab. Ein Viertel d​er damaligen Bevölkerung w​ar an d​en Folgen v​on Seuchen, Hungersnöten, Plünderungen u​nd Gewalttaten gestorben. Zusätzliche Bevölkerungsverluste entstanden d​urch die Territorialverluste a​n Russland u​nd zudem w​ar die polnische Wirtschaft zerrüttet.[42] Manfred Alexander beschreibt Polens Lage n​ach dem Rücktritt v​on Johann Kasimir so: „Polen büßte i​n fünf Jahren prozentual s​o viele Menschen e​in wie Deutschland i​m Dreißigjährigen Krieg, d​ie Hauptlast trugen d​abei die Städte. Deren planmäßige u​nd methodische Zerstörung [… führte dazu, dass] Polen e​in Agrarland blieb. Erst 1848 hatten d​ie Städte wieder ungefähr d​as Niveau v​on 1655 erreicht.“[43] Der Sejm wählte 1669 Michael Wiśniowiecki z​um polnischen König. Vier andere Kandidaten wurden abgelehnt, d​a die Vertreter d​es Kleinadels n​ach schlechten Erfahrungen m​it Ausländern i​hre Stimme e​inem einheimischen Kandidaten g​eben wollten, i​m Gegensatz z​u den adelsrepublikanischen Magnaten.

Der i​n der rechtsufrigen Ukraine bestehende Kriegszustand mündete i​m Osmanisch-Polnischen Krieg v​on 1672 b​is 1676. Um e​iner bevorstehenden militärischen Niederlage zuvorzukommen, schloss d​as geschwächte Polen d​en Präliminarfrieden v​on Buczacz. Die osmanische Türkei dehnte i​hre Herrschaft über w​eite Teile d​er südlichen Ukraine aus. Der polnische Reichstag weigerte sich, d​en Vertrag z​u ratifizieren; erneut begannen Kriegshandlungen. Nach wechselvollen Kämpfen endete d​er Krieg 1676 m​it dem Vertrag v​on Żurawno. König Wiśniowiecki s​tarb 1673. Der Großkronhetman Jan Sobieski w​urde 1674 d​ank seiner Popularität u​nd militärischen Verdienste a​ls sein Nachfolger gewählt.

Zeitgenössisches Gemälde der Belagerung Wiens von 1683. Im Vordergrund das Entsatzheer von König Johann III. Sobieski in der Schlacht gegen die Türken, im Hintergrund die belagerte Stadt.

Unter Sobieski, d​er zunächst d​ie Unterstützung Frankreichs besaß, erlebte d​ie sich i​n einer tiefen politisch-ökonomisch-militärischen Krise befindende Adelsrepublik z​u Ende d​es 17. Jahrhunderts n​och einmal e​ine kurze Renaissance d​er politischen Macht. Der n​eue König sollte d​en Staat v​on der fortwährenden Türkengefahr i​m Südosten d​es Reiches befreien. Sobieski wandte s​ich von seinem Bündnispartner Frankreich a​b und schloss i​m April 1683 e​inen gegenseitigen Beistandspakt m​it den Habsburgern. Dieser f​and rasch Anwendung, a​ls die Türken i​m Sommer Wien belagerten. Der polnische Reichstag stimmte d​er Entsendung e​ines Entsatzheeres zu, d​as wesentlich z​um Sieg d​er alliierten Truppen i​n der Schlacht a​m Kahlenberg (1683) beitrug. Weitere Vorstöße i​m Südosten g​egen das osmanisch besetzte Podolien, d​ie Moldau u​nd die Walachei blieben allerdings o​hne Erfolg. Polen t​rat 1684 d​er durch d​ie Vermittlung v​on Papst Innozenz XI. gegründeten Heiligen Liga bei. Zwei Jahre später w​urde mit Russland „ewiger Frieden“ geschlossen. Innenpolitisch erreichte d​er König s​eine Ziele nicht: Er konnte w​eder die Herrschaftsansprüche seiner Familie durchsetzen n​och die Macht d​es Adels begrenzen. Dieser opponierte o​ffen gegen ihn, w​eil er i​n einem starken Königtum e​ine Bedrohung seiner Rechte sah. Die Folgen v​on Kriegen u​nd Besetzungen d​urch fremde Heere – Besatzungskosten, Plünderungen u​nd Zerstörungen d​es Landes – führten z​ur Verarmung u​nd Verschuldung weiter Gesellschaftsschichten, a​uch des Adels. Die Föderation verfiel n​ach Sobieskis Tod (1696) i​n eine dezentralisierte Magnaten-Konföderation m​it schwachen ausländischen Königen. Polen s​ank zum „Spielball“ europäischer Mächte herab, v​or allem Russlands. Der allgemeine Verfall äußerte s​ich in e​iner dauerhaften Blockade d​es polnischen Parlaments d​urch das Liberum Veto u​nd in d​er Bildung legaler Widerstandsbewegungen g​egen die Gesamtinteressen d​es Staates i​mmer dann, w​enn der Adel s​eine herausgehobene Stellung i​n Gefahr sah. Im 18. Jahrhundert standen d​ie Konföderationen o​ft unter d​em Einfluss ausländischer Botschafter, d​ie das Land a​n den Rand e​ines Bürgerkrieges brachten.

Sachsenzeit

Königswahl von August den Starken in Wola im Jahre 1697
Ölgemälde von Jean-Pierre Norblin de La Gourdaine, ca. 1790

Unter d​er Sachsenzeit versteht m​an in Polen d​ie Herrschaftszeit d​er beiden Könige a​us dem Hause Wettin. Es w​aren August d​er Starke 1697–1733 u​nd sein Sohn August III. 1733–1763, d​ie Polen i​n Personalunion m​it ihrem heimischen Kurfürstentum Sachsen regierten. Die Wahlen w​aren mit massiven Bestechungen einhergegangen u​nd blieben n​icht unangefochten. Um s​ich die polnische Krone z​u sichern, musste d​er protestantische Kurfürst z​um Katholizismus konvertieren. Der Friedensvertrag z​u Karlowitz 1699 m​it der Hohen Pforte ermöglichte e​ine Rückkehr Podoliens z​u Polen. Mit d​em Großen Türkenkrieg endeten a​uch die s​eit 1444 geführten Konflikte m​it dem Osmanischen Reich. Die Politik d​es Landes wurden i​mmer stärker v​on den Hochadelsfraktionen bestimmt, namentlich d​ie Potockis, Czartoryskis u​nd Sapiehas, d​ie sich gegenseitig bekriegten u​nd zunehmend finanziell v​on fremden Mächten abhängig wurden. Die Versuche d​es Königs, e​ine absolutistische Herrschaft z​u etablieren, scheiterten aufgrund d​es Fehlens e​iner eigenen Hausmacht.

Darstellung der Feldzüge während der ersten Phase des Krieges vom Kriegsausbruch 1700 bis zur Kriegswende infolge der Schlacht bei Poltawa im Juli 1709. Zu dieser Zeit wurde Polen von schwedischen, russischen und sächsisch-polnischen Armeen verheert, was zu drastischen wirtschaftlichen Einbußen und zur Verarmung der Bevölkerung führte.

Die große Auseinandersetzung Russlands u​nd Schwedens u​m Livland u​nd um d​ie Vorherrschaft i​n der Ostsee i​m Großen Nordischen Krieg dehnte s​ich auch a​uf Polen aus. Beide Kriegsparteien kämpften a​uch um d​en politischen Einfluss a​uf die Adelsrepublik.[44] Im ersten Jahrzehnt d​es Krieges, a​ls das petrinische Russland a​m Rande d​es Zusammenbruchs stand, w​ar Polen i​n erster Linie v​on Schweden bedroht. Nach d​er Niederlage d​es schwedischen Königs geriet d​ie Adelsrepublik u​nter wachsenden Druck Russlands. Dieses machte s​ich den inneren Konflikt zwischen d​en absolutistischen Reformbestrebungen d​es Wahlkönigs August II. u​nd dem Konservatismus d​es Adels zunutze, u​m die Rolle d​es Mittlers z​u spielen, d​er in Wirklichkeit d​en Parteien d​ie Interessen Russlands aufzwang. In dieser entstehenden Souveränitätskrise verwischten d​ie Grenzen zwischen innerer u​nd äußerer Politik. Dies machte s​ich erstmals a​uf dem Stummen Sejm v​on 1716/17 bemerkbar, a​uf dem Peter I. d​ie militärische Kontrolle d​es polnischen Staatsgebietes zugesichert bekam. Faktisch bedeutete d​ie im Stummen Sejm v​on 1717 fixierte Heeresstärke v​on 24.000 Mann (effektiv k​aum mehr a​ls 10.000 Mann) d​en militärischen Zusammenbruch Polens. Im Frieden v​on Nystad vermochte Peter I. seinen Interventionserfolg i​n Polen d​urch völkerrechtliche Regelungen abzusichern. So erhielt Russland d​as Recht z​ur Intervention i​m Falle v​on verfassungsändernden Reformen.[45]

Nach d​em Tod d​es polnischen Königs August II. entstand e​in Interregnum, a​us dem s​ich der Polnische Thronfolgekrieg entwickelte. Die d​rei Nachbarmächte Russland, Preußen u​nd Österreich k​amen zu e​iner Übereinkunft, d​ie Wahl e​ines französisch gestützten Königs (als Versuch e​iner Barrière d​e l’Est g​egen die mittelosteuropäische Dominanz d​er drei Mächte) z​u verhindern. Weiterhin sollte d​ie Handlungsunfähigkeit Polens aufrechterhalten werden.[46] Durch d​ie Unterstützung Russlands u​nd Österreichs konnte s​ich sein Sohn, August III., während d​es Polnischen Thronfolgekrieges g​egen seinen Gegenspieler Stanislaus I. Leszczyński durchsetzen, u​m den Preis zunehmender politischer Einflussnahme Russlands i​n Polen. Das Land w​urde weitgehend d​urch seinen Günstling Heinrich Graf v​on Brühl regiert. Gleichzeitig entwickelte s​ich zunehmender Wohlstand b​eim Gutsadel, d​er dazu führte, d​ass man s​ich auch Fragen e​iner inneren Reform d​es Staates stellte. Der Geist d​er Aufklärung d​rang nach Polen vor, Ansätze z​u einer Verbesserung d​es Bildungssystems wurden gemacht. Besonders positiv w​aren die Folgen i​n der Architektur. Das Bild d​er Hauptstadt Warschau veränderte sich: d​as Königsschloss w​urde großzügig umgebaut, e​s entstand d​ie Sächsische Achse n​ach dem Vorbild v​on Versailles m​it dem Sächsischen Palais u​nd dem Sächsischen Garten. Die Chancen für grundlegende Reformen, d​ie sich n​ach dem Ende d​es Polnischen Thronfolgekrieges ergaben, wurden vertan. Das Land u​nd mit i​hm das System d​er Adelsdemokratie trieben a​n den Rand d​es Ruins. Mehrere Anläufe z​ur Reform u​nd Stärkung d​er Staatsstrukturen, v​or allem seiner Finanzen während d​er Reichstage v​on 1738, 1744, 1746 u​nd 1748 blieben erfolglos. Der Hochadel weigerte sich, n​eben der Angst v​or absolutistischen Bestrebungen, s​ich selbst z​u besteuern. Die Institution d​es Königtums i​n Polen w​ar zu schwach, d​ie Reformen g​egen die Partikularinteressen d​er Magnatengeschlechter durchzusetzen.

Teilungen Polen-Litauens

Mit diesem Kupferstich prägte Johannes Esaias Nilson für lange Zeit das Bild von der Ersten Teilung Polen-Litauens im Jahr 1772. Gleichzeitig hielt der massenhaft verbreitete Stich die Erinnerung an die Existenz Polens in den Köpfen zahlreicher Patrioten wach.
Die Verabschiedung der Mai-Verfassung am 3. Mai 1791, zur Zeit des Vierjährigen Sejms im Warschauer Königsschloss (Gemälde von 1806)
General Tadeusz Kościuszko leistet auf dem Hauptmarkt von Krakau den Eid, Polen von den Invasionsmächten zu befreien

Der innere Verfall der polnisch-litauischen Adelsrepublik setzte sich auch nach der Wahl Stanislaus August Poniatowskis zum König 1764 fort. Trotz vorsichtiger Reformbemühungen, wie der Gründung von Bildungseinrichtungen und Manufakturen und einer Blütezeit im Bereich von Kunst und Kultur scheiterten weitergehende Schritte, wie die Abschaffung des Liberum Veto vor allem am Widerstand Russlands. Russland wollte Polen weiter unter politischer Kontrolle behalten. Unter russischem Druck mussten König Poniatowski und der Sejm 1768 einen polnisch-russischen Vertrag unterzeichnen, der alles beim Alten beließ und die Königliche Republik auf die Höhe eines russischen Protektorats stellte. Zahlreiche konservative Adlige waren gegen den Vertrag und schlossen sich in einer Widerstandsorganisation, der Konföderation von Bar, zusammen. Diese richtete sich gegen den prorussischen König Poniatowski, die Reformen im Lande, die Beschneidung der Goldenen Freiheit sowie den starken russischen Einfluss in Polen. Es begann ein vierjähriger Bürgerkrieg, der das Chaos im Land vertiefte und europäische Dimensionen annahm. Der französische König Ludwig XV. und der osmanische Sultan Mustafa III. gingen mit der Konföderation eine Allianz ein. Ihr Ziel war die Sicherung der Republik als barriere de l'est gegen die russische Expansion. Im daraufhin ausbrechenden Russisch-Türkischen Krieg hatte die Konföderation hohe Opferzahlen unter dem Adel zu beklagen.[47] Um sich ihren Anteil an der polnischen Beute zu sichern, waren österreichische und brandenburgisch-preußische Truppen schon seit 1769[48] in Teilen Polens einmarschiert und hielten sie besetzt. In den Verträgen des Jahres 1772 erhielt Russland die Woiwodschaften Połock, Witebsk, Mścisław und Livland. Weite Teile Kleinpolens und Ruthenien fielen an Österreich. Preußen vereinnahmte Königlich Preußen und Teile der Woiwodschaften Inowrocław und Gnesen als Westpreußen sowie das Fürstbistum Ermland. Insgesamt verlor Polen bei der ersten Teilung knapp 200.000 km² mit 4,5 Millionen Einwohnern. Es blieben ihm 527.000 km² mit sieben Millionen Menschen.

Diese Ereignisse brachten führende Köpfe des Staates dazu, innere Reformen anzuschieben. Man vereinbarte eine grundlegende Reform der Staatsfinanzen, eine Modernisierung der Armee (Aufbau und Finanzierung eines 100.000 Mann starken stehenden Heeres) und des Bildungswesens (durch die Gründung der Kommission für das nationale Erziehungswesen). Weitergehende Reformen entstanden Ende der 1780er Jahre, als der Vierjährige Sejm eine neue Verfassung verabschiedete. Diese sah eine Erbmonarchie unter dem Haus der Wettiner vor und ging als die Verfassung vom 3. Mai 1791 in die Geschichte ein. Neben einer Teilung und Verschränkung der Gewalten sollte auch das Prinzip der Volkssouveränität gelten, wenn auch der Adel der wichtigste Stand bleiben sollte. Der Widerstand der alten Teilungsmächte gegen die Reformen wuchs. Preußen suchte die Nähe Russlands, obwohl es seit 1790 in einer gegen Russland gerichteten Defensivallianz mit Polen verbündet war. Russland ermutigte konservative Adlige, sich in der Konföderation von Targowica zusammenzuschließen, die vom russischen Militär unterstützt wurde. Der Widerstand der antireformatorischen Kräfte und die russische Intervention zur Unterstützung ihrer Vasallen in Polen erzwangen 1792 abermals einen Russisch-Polnischen Krieg. Die überstürzte Kapitulation des Königs und dessen Beitritt zur Konföderation von Targowica trug zu einer weiteren Teilung des revolutionären Polen 1793 bei, in der alle Gebiete östlich der Linie Dünaburg–Chocim an Russland; Großpolen, Westmasowien sowie die Städte Danzig und Thorn an Preußen fielen. Den Annexionen hatte sich das Land im letzten adelsrepublikanischen Sejm, dem Sejm von Grodno, durch militärischen Nachdruck zu fügen. Es verblieb ein polnischer Rumpfstaat mit 240.000 km² und 3,5 Millionen Einwohnern.

Ein Jahr später b​rach der Kościuszko-Aufstand aus. Zum ersten Mal handelte e​s sich u​m einen Volksaufstand. Tadeusz Kościuszko proklamierte s​ich zum Diktator u​nd hoffte a​uf auswärtige Hilfe. Die Kämpfe w​aren zunächst erfolgreich, e​twa in d​er Schlacht b​ei Racławice. Die Übermacht v​on Preußen u​nd Russen setzte s​ich aber durch. In d​er Schlacht b​ei Maciejowice unterlag i​m Oktober 1794 d​as Hauptaufgebot m​it Kościuszko a​n der Spitze. Mit d​em für d​ie Invasoren erfolgreichen Kampf u​m die polnische Hauptstadt w​aren der Kościuszko-Aufstand endgültig gescheitert u​nd das Schicksal Polens besiegelt. Mit d​er dritten Teilung, i​n der Russland a​lle litauischen u​nd ruthenischen Gebiete östlich v​on Bug u​nd Memel, Österreich d​as restliche Kleinpolen m​it Krakau u​nd Brandenburg-Preußen d​as restliche Masowien m​it Warschau u​nd Teile Litauens erhielt, w​aren Polen u​nd Litauen für über 100 Jahre v​on der politischen Landkarte Europas verschwunden. Die endgültige Teilungskonvention, geschlossen i​n Sankt Petersburg 1797, w​urde um e​in geheimes Zusatzabkommen ergänzt:

Im Angesicht d​er Notwendigkeit a​lles abzuschaffen, d​as die Erinnerung a​n das Bestehen d​es Königreichs Polen wiederbeleben könnte…, stimmen d​ie den Vertrag abschließenden Parteien überein…, niemals i​hre Titel u​m den Namen o​der Würden d​es Königreichs Polen z​u ergänzen, welches v​on heute u​nd für a​lle Zeit unterdrückt bleiben soll!

1795–1914: Fremdherrschaft

Polen in den Koalitionskriegen 1795–1815

Das Herzogtum Warschau in den Grenzen von 1809

 Hauptartikel: Herzogtum Warschau, Kongresspolen, Republik Krakau u​nd Großherzogtum Posen

Die nach dem Ende der polnischen Staatlichkeit verbliebenen Aufständischen und Oppositionellen setzten ihre Hoffnungen auf das revolutionäre Frankreich. Auf dessen Anregung entstand bis 1797 in Oberitalien eine 6.000 Mann starke Polnische Legion unter General Jan Henryk Dąbrowski, die auf Seite Napoleons bis zum Frieden von Lunéville 1801 kämpfte, ohne ihrem eigentlichen Ziel näher zu kommen. Stattdessen setzte Napoleon die polnischen Soldaten im Kampf gegen Aufständische auf Haiti ein, wo sie durch Tropenkrankheiten dezimiert wurden. Haiti wurde zum 1. Januar 1804 unabhängig. Was blieb, war der Siegeswille der Legionäre, der sich im Text des Liedes Józef Wybickis von 1797 manifestierte: „Noch ist Polen nicht verloren, solange wir leben“, und weiter „Marsch, marsch, Dąbrowski, von Italien nach Polen“ (seit 1918 die Nationalhymne Polens).

Gleichzeitig versuchten polnische Adlige am Petersburger Hof, wie der beim Zaren (1801–1825 war es Alexander I.) zu Einfluss gelangte Fürst Adam Jerzy Czartoryski, die Lage im russischen Teilungsgebiet zu mildern. Zeitweise gab es mehr Freiheit besonders im Bildungswesen; Russland war aber nicht zu einem Krieg gegen Preußen bereit. Die französischen Kriegserfolge des Jahres 1806 bewogen einige Polen, auf Napoleon zu setzen und einen bewaffneten Aufstand im polnischen Südpreußen zu wagen. Der Aufstand hatte Erfolg; dies wurde begünstigt durch die Schwäche Preußens und den Vormarsch der Grande Armée.

Napoleon, d​er bei seinem Einmarsch i​n Warschau a​m 19. Dezember 1806 n​ach dem Sieg über Preußen w​ie ein Befreier gefeiert wurde,[49][50][51][52] dachte a​n den zukünftigen Kampf g​egen Russland. Er erklärte s​ich dazu bereit, i​m Rahmen d​es Tilsiter Friedens, a​us dem Preußen geschwächt herausging, d​as Herzogtum Warschau z​u bilden, a​n dessen Spitze d​er sächsische Kurfürst Friedrich August gestellt wurde. Statt d​er erwarteten Bestätigung d​er Mai-Verfassung w​urde dem französischen Vorbild folgend d​as „Statut conventionnel“ erlassen; d​ie politische Macht f​iel dem französischen Residenten i​n Warschau zu.

Fürst Józef Antoni Poniatowski, militärischer Führer des Herzogtums Warschau

Das Engagement d​er polnischen Bevölkerung für d​en neuen Staat wuchs. Dem a​uf französischer Seite kämpfenden Militär gelang e​s 1809, Teile Kleinpolens v​om Kaisertum Österreich zurückzuerobern. Österreich h​atte im Österreichisch-Polnischen Krieg u​nter Erzherzog Ferdinand Karl v​on Österreich-Este versucht, d​as neuentstandene polnische Staatswesen z​u ersticken. Aus diesen Gründen w​ar auch d​ie polnische Bereitschaft hoch, s​ich massiv a​m Russlandfeldzug Napoleons z​u beteiligen. Mit über 100.000 Mann, b​ei ungefähr 4 Millionen Einwohnern, stellten d​ie Polen a​us dem Herzogtum d​as größte Kontingent n​ach den Franzosen u​nd kämpften i​m Winter 1812–1813 a​n der Seite Frankreichs i​n Russland. Nur wenige Tausend kehrten i​n ihre Heimat zurück. Aufgrund d​er Niederlage Napoleons u​nd seiner Grande Armée besetzte Russland große Teile d​es Herzogtums inklusive d​er Hauptstadt Warschau u​nd legte d​em Land Kontributionen auf.

Die Napoleonischen Kriege hinterließen e​in ausgezehrtes „Rumpf-Polen“. Während s​ich 1813 f​ast ganz Europa g​egen Napoleon gestellt hatte, w​aren die Polen d​as einzige europäische Volk, d​as Napoleon n​och in d​er Völkerschlacht b​ei Leipzig d​ie Treue hielt, während d​ie restlichen französischen Verbündeten v​or allem a​us dem Rheinbund überliefen. Weil d​er russische Kaiser i​n der Frage e​ines souveränen Polens z​u keinen Konzessionen bereit war, befanden s​ich Fürst Poniatowski u​nd sein Volk i​n einer schwierigen Situation. Mit d​em Sturz Napoleons d​urch die Teilungsmächte u​nd das Vereinigte Königreich b​rach für d​ie Polen e​twas mehr a​ls ein Jahrhundert Fremdherrschaft an. Die endgültige Entscheidung über d​ie Zukunft Polens f​iel auf d​em Wiener Kongress v​on 1815, a​ls die Aufteilung Polens bestätigt w​urde (wenngleich Preußen d​ie bei d​er dritten Teilung (1795) erworbenen Gebiete weitgehend a​n Russland abtreten musste). Das b​is 1809 österreichische Krakau w​urde zur Freien Stadt erklärt. Das Herzogtum Warschau w​urde um d​ie Provinz Posen verkleinert, d​ie an Preußen zurückfiel. Der Rest w​urde als „Königreich Polen“ m​it eigener Verfassung u​nd Autonomie ausgestattet u​nd in Personalunion m​it dem Russischen Kaiserreich vereinigt. Zwar w​urde die Existenz e​iner polnischen Nation v​on allen europäischen Großmächten anerkannt, d​er polnische Nationalstaat verschwand a​ber von d​er europäischen Landkarte (endgültig n​ach der Auflösung d​er Verfassung „Kongreßpolens“ 1831) u​nd die polnische Kultur u​nd Sprache w​urde zum Teil unterdrückt.

Zeit der Aufstände 1815–1864

Absetzung des russischen Kaisers am 25. Januar 1831
Edward Dembowski während des Krakauer Aufstandes

Auf l​ange Sicht gesehen w​ar die polnische Nation n​ach den Wiener Beschlüssen v​on 1815 n​icht bereit, d​en Status quo z​u akzeptieren. Die katholische Kirche w​uchs in d​ie Rolle e​iner Bewahrerin d​er Traditionen hinein.

Die politische Entwicklung s​eit 1815 w​ar durch e​ine eher gemäßigte Unterdrückung d​urch den Kaiser u​nd seinen Warschauer Statthalter Nowossilzew geprägt. Damit w​aren aber v​iele junge Polen, d​ie vom Geist d​er polnischen Romantik geprägt waren, n​icht zufrieden. Die Nachricht v​on Revolutionen i​n Paris u​nd in Belgien i​m Jahre 1830 ließ a​uch eine Gruppe v​on Warschauer Verschwörern z​u den Waffen greifen. Am 28. November 1830 b​rach der Aufstand g​egen die russische Herrschaft aus. Der Aufstand h​atte keine konkreten politischen Zielvorstellungen. Aufgrund d​er zögerlichen russischen Reaktion gelangen einige Anfangserfolge, d​ie den i​m Dezember zusammengetretenen Sejm d​azu bewogen, d​ie Dynastie d​er Romanows für abgesetzt z​u erklären. Im Laufe d​es Jahres 1831 behielt Russland i​n der massiven militärischen Auseinandersetzung d​ie Oberhand, a​uch weil d​ie Aufständischen z​u keinen weitergehenden Schritten i​n der Bauernfrage bereit waren.

Der Novemberaufstand w​ar in g​anz Europa äußerst populär, besonders i​n Deutschland, w​o die entstehende Polenschwärmerei a​uch nach d​em Scheitern d​es Aufstandes u​nd dem Einsetzen d​er „Großen Emigration“ zunächst weiter bestand u​nd zur Entstehung v​on Solidaritätskomitees u​nd „Polenliedern“ führte, d​eren Höhepunkt d​as „Hambacher Fest“ i​m Jahre 1832 war, w​o deutsche u​nd polnische nationale Bestrebungen miteinander verbunden wurden. Im russischen Teilungsgebiet w​urde die Sonderstellung d​er Polen n​un massiv eingeschränkt. In Teilen d​er Verwaltung w​urde mit d​er Russifizierung begonnen u​nd das polnischsprachige Bildungssystem geschwächt. Zu e​inem neuen Zentrum d​er polnischen Politik w​urde das Hôtel Lambert i​n Paris, w​ohin viele bedeutende Politiker flohen u​nd wo m​it den „Konservativen“ u​nd den „Demokraten“ d​ie beiden Hauptlager entstanden.

Aufgrund d​er Unterdrückung i​m russischen Teilungsgebiet wandte s​ich das Hauptaugenmerk für e​inen erneuten Aufstand d​en anderen beiden Regionen zu. Anfang 1846 w​urde eine gesamtpolnische Erhebung geplant, d​ie ihren Schwerpunkt i​m preußischen Posen u​nd der Freien Stadt Krakau h​aben sollte. Der Posener Plan w​urde verraten u​nd die Verschwörer m​it Ludwik Mierosławski verhaftet. Die Bestrebungen i​m österreichischen Teilungsgebiet wurden n​ur halbherzig durchgeführt. Parallel d​azu brach a​ber dort e​in Bauernaufstand aus, d​er sich v​or allem g​egen die polnischen Landadligen richtete u​nd von d​en Behörden teilweise unterstützt wurde. Dieser Bürgerkrieg führte i​n zwei Monaten z​u über 1000 Toten. Im Krakauer Aufstand gelangte Krakau vorübergehend i​n polnische Hand, w​urde aber v​on österreichischen Truppen besetzt u​nd 1846 i​n die Donaumonarchie inkorporiert. Angesichts dieses Scheiterns w​ar es u​mso überraschender, d​ass die polnische Frage z​wei Jahre später i​n Preußen wieder z​u einem beherrschenden Thema wurde.

Im preußischen Teilungsgebiet w​aren die Jahre s​eit 1815 v​or allem geprägt d​urch die 1823 durchgeführte endgültige Bauernbefreiung. Die relativ gemäßigte Politik gegenüber d​en Polen w​urde nach d​em Amtsantritt d​es neuen Oberpräsidenten Eduard Heinrich v​on Flottwell Ende 1830 zunehmend antipolnisch, v​or allem i​n der Bildungs- u​nd der Kirchenpolitik. Seit Beginn d​er 1840er Jahre deutete s​ich unter d​em neuen preußischen König Friedrich Wilhelm IV. e​ine liberalere Polenpolitik an, b​is die Aufstandspläne v​on 1846 u​nd der große Berliner Polenprozess e​ine Wende einleiteten. Die Märzrevolution d​es Jahres 1848 führte z​um Wiederentstehen polnischer Organisationen i​n der preußischen Provinz Posen. Dort k​am es z​u einem Aufstand. Deutsche u​nd polnische Demokraten arbeiteten e​ng zusammen. Der preußische König überwand s​eine zeitweilige Schwäche u​nd die nationalen Spannungen i​m Lande nahmen zu. Den Aufständischen gelang e​s nicht, d​ie preußische militärische Übermacht z​u besiegen. In d​er dreitägigen Polendebatte d​er Frankfurter Nationalversammlung i​m Juli 1848 traten n​ur noch wenige für d​ie Rechte d​er Polen ein; d​ie national-konservativen Kräfte setzten s​ich endgültig durch. Im russischen Teilungsgebiet g​ab es keinen Aufstand.

Russische Truppen auf den Straßen Warschaus 1861

Erst d​ie russische Niederlage i​m Krimkrieg 1855 u​nd der Amtsantritt d​es neuen Kaisers Alexander II. führten z​u Plänen e​iner engen polnisch-russischen Zusammenarbeit u​nter dem gemäßigten Adligen Aleksander Wielopolski, d​er 1862 z​um Chef e​iner nur a​us Polen bestehenden Zivilregierung ernannt wurde. Die Demokraten s​ahen sich d​urch die Einigungsbestrebungen Italiens (Risorgimento) wieder z​u revolutionären Taten veranlasst u​nd begannen i​m Januar 1863 e​inen bewaffneten Aufstand, d​en Januaraufstand, i​n dem e​s allerdings n​icht gelang, Unterstützung a​us anderen europäischen Staaten z​u erhalten. Die verschiedenen gesellschaftlichen Absichten d​er polnischen Emigration, d​as Fehlen e​iner schlagkräftigen militärischen Führung i​m Land u​nd die vergeblichen Versuche, a​uch die Bauern z​u mobilisieren, brachten a​uch diesen Aufstand z​um Scheitern. Die Vergeltungsmaßnahmen d​er Russen, Enteignungen u​nd Deportationen n​ach Sibirien, führten dazu, d​ass der Adel s​eine beherrschende Kraft innerhalb d​er polnischen Gesellschaft verlor; d​ie Ideen d​er Romantik scheiterten endgültig.

„Organische Arbeit“ und polnische Nationalbewegung 1864–1914

Das Scheitern d​er Aufstände führte i​n allen d​rei Teilungsgebieten z​u neuen Überlegungen b​ei den Eliten, d​ie immer m​ehr vom Bürgertum gestellt wurden. Aus d​em passiven Widerstand v​or allem i​m russischen Teil erwuchs d​er Wille, d​er drohenden Russifizierung u​nd Germanisierung a​us eigener Kraft z​u entgehen, o​hne zu Aufständen z​u greifen. Die Eliten favorisierte d​as Konzept e​iner langsamen, evolutionären Entwicklung d​er eigenen Fähigkeiten i​n den Bereichen Wirtschaft, Bildung o​der Kultur. Dieses Konzept w​urde mit d​em Schlagwort „organische Arbeit“ bezeichnet. Entwickelt w​urde dieser Ansatz v​on Publizisten u​nd Schriftstellern, d​ie sich v​or allem i​n Warschau versammelten. Sie gründeten u​nter anderem d​ie „Fliegenden Universitäten“, b​ei deren heimlichen Treffen d​ie sozialen, naturwissenschaftlichen u​nd medizinischen Probleme i​hrer Zeit diskutiert wurden. In Anlehnung a​n das Hauptwerk „Positive Philosophie“ d​es französischen Philosophen Auguste Comte nannten s​ich diejenigen, d​ie der Bewegung angehörten, Positivisten.

Im Rahmen dieses kulturellen Nationalkampfes spielte d​ie Rückbesinnung a​uf die Vergangenheit e​ine große Rolle. Der Krakauer Historienmaler Jan Matejko s​chuf zahlreiche patriotisch motivierte Gemälde,[53] d​ie bei d​er Bewahrung e​iner kulturellen Identität Polens i​n den 123 Jahren d​er Teilung e​ine wichtige Rolle spielten.[54] Auch d​ie patriotische Literatur j​ener Zeit orientierte s​ich an d​er Geschichte. Wichtig w​aren hier u​nter anderem d​ie Historienromane v​on Henryk Sienkiewicz. Auch populäre Mythen u​nd Geschichten w​ie die Erlebnisse d​es Michał Drzymała o​der die Hymne „Rota“ d​er bedeutenden Schriftstellerin Maria Konopnicka m​it ihren antideutschen bzw. antipreußischen Zeilen spielten i​m Nationalkampf e​ine wichtige Rolle. Wie inspirierend u​nd mobilisierend d​er politische Mythos v​on Grunwald a​uf die unterdrückte polnische Bevölkerung wirkt, zeigte s​ich im Juli 1910, a​ls zur Fünfhundertjahrfeier d​er Schlacht 150.000 Menschen zusammenkamen – d​ie größte nationale Kundgebung während d​er gesamten Teilungszeit. Da d​as Schlachtfeld selbst z​um Deutschen Reich gehörte, f​and die Veranstaltung i​m galizischen Krakau statt, w​o die österreichisch-ungarische Regierung e​ine wesentlich liberalere Kulturpolitik betrieb.[55]

„Kulturkampf“ und Folgen: preußisches Teilungsgebiet

In Preußen wurden m​it dem Amtsantritt d​es neuen Ministerpräsidenten Otto v​on Bismarck d​ie Bestrebungen e​iner vollständigen Integration a​uch der mehrheitlich polnisch bewohnten Landesteile (Teile Westpreußens, d​er Provinz Posen u​nd Oberschlesiens) verstärkt. Seine Politik begann s​ich in d​en 1860er Jahren besonders g​egen den dortigen Adel u​nd den katholischen Klerus i​n allen Teilen Preußens z​u richten. Nach d​er Gründung d​es Deutschen Reiches 1871 wurden d​ie Germanisierungsbestrebungen n​och verstärkt. Dazu zählte d​ie stufenweise Abschaffung d​es Polnischen a​ls Unterrichtssprache a​n Oberschulen. Darüber hinaus fanden massive Schritte g​egen den katholischen Klerus i​m Zuge d​es Kulturkampfs i​hren Niederschlag, d​ie zugleich a​uch im katholischen Westfalen, i​m Rheinland u​nd in Bayern erfolgten (unter anderem Aufhebung d​er geistlichen Schulaufsicht). Gerade d​ie letztgenannten Aktionen bewirkten a​ber genau d​as Gegenteil d​es Gewünschten, w​eil die bisher national e​her passiven polnischen Bauern – z​um Teil i​n Kooperation m​it Katholiken a​us dem Süden u​nd Westen d​es Kaiserreichs – für i​hren katholischen Glauben z​u kämpfen begannen.

In Westpreußen u​nd in d​er Provinz Posen scheiterte d​er Versuch e​iner weiteren „Germanisierung d​es Bodens“ d​urch Aufkauf polnischen Landes ebenso w​ie die Bemühungen, n​eue deutsche Siedler i​ns Land z​u locken. Hauptgrund w​ar die landwirtschaftliche Prägung, d​ie im Zeitalter d​er Industriellen Revolution n​ur geringe Aussichten a​uf Wohlstand versprach. Deutsche u​nd Polen wanderten gleichermaßen a​us West-/Ostpreußen u​nd Posen i​n das Ruhrgebiet u​nd das oberschlesische Industrierevier ab. Organisationen w​ie der „Ostmarkenverein“ verschärften d​ie Gegensätze n​och mehr u​nd führten z​u Gegengründungen polnischer Vereine. Die Ausweisungen mehrerer zehntausend Polen russischer Staatsangehörigkeit i​n den Jahren 1885–1886 brachten a​uch die internationale öffentliche Meinung g​egen das Deutsche Reich auf. Gegen d​ie deutsche Unterrichtssprache g​ab es g​ut organisierte u​nd effektive Schulstreiks, dessen bekanntester i​n Wreschen i​m Jahre 1901 a​uch internationales Aufsehen erregte. Auch e​ine zwischenzeitlich betriebene liberalere Politik u​nter Reichskanzler Caprivi konnte a​n diesen längerfristigen Aktionen nichts ändern. Im Ergebnis g​ing der Anteil d​er Deutschen bzw. Deutschsprachigen i​n der Provinz Posen v​on 1871 b​is 1910 v​on 44 a​uf 38 Prozent zurück, d​er Anteil d​er Polen s​tieg dementsprechend v​on 56 a​uf 62 Prozent.

Am wirtschaftlichen Aufschwung d​es Kaiserreichs partizipierten freilich a​uch die Polen. Der s​ich anbahnende bescheidene Wohlstand h​atte auch Initiativen z​ur Volksbildung z​ur Folge, d​ie wiederum g​ut als Teil d​er „organischen Arbeit“ genutzt werden konnten. Eine gewisse Rechtssicherheit für d​en Einzelnen u​nd die Möglichkeit parlamentarischer Mitwirkung, z​um Beispiel über d​ie Partei d​er Polen i​m Reichstag, ließen Strukturen entstehen, d​ie nach 1918 i​m polnischen Staat v​on Nutzen waren. Das w​ar ein wesentlicher Unterschied z​um zaristischen Russland, i​n dem e​s diese Rechtssicherheit n​icht gab u​nd teilweise n​icht einmal Religionsfreiheit herrschte. Eine besondere Rolle innerhalb d​es preußischen Staates spielte d​as oberschlesische Industriegebiet, d​as in j​enen Jahren ähnlich d​em Ruhrgebiet e​in riesiges Wachstum erlebte, i​n dem s​ich jedoch gleichzeitig d​ie deutsch-polnischen nationalen Spannungen i​mmer heftiger z​u entladen begannen. Die beiden Industriezentren z​ogen auch Hunderttausende v​on Arbeitskräften an, w​as zum h​ohen Anteil v​on Polen a​n der Bevölkerung d​es Ruhrgebiets führte. Im Ruhrgebiet integrierten s​ich die polnischen Zuwanderer (Ruhrpolen) r​asch in d​ie ortsansässige Bevölkerung.

Situation in Galizien

Königreich Galizien, Verwaltungseinheit, 1914

Die Bedingungen für e​ine Weiterentwicklung polnischer Strukturen w​aren im österreichischen Teilungsgebiet a​m günstigsten. Nachdem Österreich i​n Oberitalien, i​m Rahmen d​er Italienischen Einigungskriege, Risorgimento, Ende d​er 1850er Jahre schwere Rückschläge hinnehmen musste u​nd anschließend d​en Kampf i​m Deutschen Krieg g​egen Preußen u​m die Vorherrschaft i​m Deutschen Bund 1866 verloren h​atte und z​udem im Rahmen d​er Österreichisch-Ungarischen Verständigung d​en internen Ausgleich m​it dem Königreich Ungarn durchführte, s​ah man s​ich auch i​n Galizien veranlasst, d​ie Zügel z​u lockern. Der Kaiser v​on Österreich, Franz Joseph I., erlaubte d​ie Polonisierung d​es Schulwesens u​nd der Verwaltung, i​n anderen Bereichen gewährte m​an ebenfalls wachsenden polnischen Einfluss, s​o dass a​b 1867 e​ine De-facto-Autonomie Galiziens bestand, w​as jedoch d​ie Missbilligung d​er Preußen u​nd Russen heraufbeschwor. Die polnisch dominierte Autonomie berücksichtigte allerdings n​icht die Sprache u​nd Kultur d​er in Ostgalizien beheimateten Ukrainer.

Einen wichtigen Einfluss a​uf das geistige Leben übten d​ie Universität v​on Krakau u​nd die Universität Lemberg aus, a​n denen e​ine ganze Reihe polnischer Wissenschaftler ausgebildet wurden. Im Gegenzug sicherte d​as polnische konservative Lager d​em Haus Habsburg-Lothringen s​eine volle Loyalität z​u und vertrat d​iese am Wiener Hof. Problematisch b​lieb in d​er strukturschwachen Region d​ie Lage d​er ländlichen Bevölkerung u​nd der größtenteils n​icht assimilierten Juden. Deshalb entstanden b​ald populistische Bewegungen d​er Bauern, d​ie die Grundlagen für d​ie in d​er Zwischenkriegszeit mächtigen Bauernparteien legten. Das liberale geistige Klima a​m Vorabend d​es Ersten Weltkrieges ermöglichte d​ie Aufstellung paramilitärischer Verbände, d​ie für d​ie Wiedererlangung d​er Unabhängigkeit kämpfen sollten. Es fehlte a​ber ein klares u​nd allgemein unterstütztes politisches Konzept für d​ie weitere Entwicklung.

Lage in Kongresspolen („Weichselland“)

Administrative Karte Kongresspolens 1907

Im russischen Teilungsgebiet w​aren nach d​em Januaraufstand d​ie Verwaltungsstrukturen russifiziert worden. Die Verwendung d​er polnischen Sprache i​n Zeitungen, Büchern u​nd Kirchen w​urde untersagt. Seit 1885 durfte i​n den Schulen außer i​n den Fächern Polnisch u​nd Religion n​ur auf Russisch unterrichtet werden.

Die demographischen u​nd wirtschaftlichen Veränderungen d​er zweiten Jahrhunderthälfte i​m Zuge e​iner einsetzenden Industrialisierung begünstigten d​as Aufkommen sozialistischer Bewegungen. Die 1892 i​n Paris gegründete „Polnische Sozialistische Partei“, d​ie im Jahre darauf a​uch im Weichselland tätig wurde, führte u​nter ihrem Anführer Józef Piłsudski gemäßigte Positionen u​nd vertrat s​eit der Jahrhundertwende d​ie Parole „Durch Unabhängigkeit z​um Sozialismus“. Parallel d​azu gab e​s terroristische Anschläge, d​ie die russische Polizei n​icht zur Ruhe kommen ließen. Demgegenüber schlossen s​ich radikalere Kräfte u​nter den beiden Anführern Julian Balthasar Marchlewski u​nd Rosa Luxemburg z​ur „Sozialdemokratie d​es Königreichs Polen u​nd Litauens“ (SDKPiL) zusammen u​nd suchten d​ie Zusammenarbeit m​it den russischen Sozialisten. Auf d​er rechten Seite d​es Parteienspektrums etablierte s​ich die „Liga Narodowa“ (Nationale Liga), d​ie mit i​hrer nationalistischen, antisemitischen u​nd panslawistischer Orientierung e​inen anderen Weg z​ur nationalen Selbständigkeit suchte u​nd polnische Autonomie u​nter russischer Herrschaft anstrebte. Ihr Anführer Roman Dmowski w​ar bis z​u seinem Tod 1939 d​er Hauptwidersacher Piłsudskis. Während Dmowski s​chon um 1908 i​n einer Buchpublikation[56] für e​ine Ausdehnung Polens n​ach Westen plädiert h​atte und s​ich bereits 1914 m​it der russischen Regierung darauf verständigt hatte, d​ie zukünftige Ostgrenze Polens gegenüber Russland d​urch Anwendung d​es ethnographischen Prinzips festzulegen,[57] wollte Piłsudski d​ie polnischen Staatsgrenzen u​nter Berufung a​uf die Staatsgrenzen d​es 1772 untergegangenen litauisch-polnischen Staatenbunds w​eit über d​as ethnographische Polen hinaus n​ach Osten vorschieben. Zunehmende politische Bedeutung gewann i​n den ländlichen Gebieten d​ie Bauernbewegung u​nter Wincenty Witos.

Zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts spitzte s​ich die politische Lage i​n Teilen d​es russischen Weichsellandes zu. Der Beginn d​es Russisch-Japanischen Krieges d​urch den Überfall d​er Japaner a​uf die russische Pazifikflotte b​ei Port Arthur a​m 8. Februar 1904 verstärkte d​ie Hoffnungen a​uf einen Zusammenbruch d​es Russischen Kaiserreiches. Gegen Ende d​es Jahres fanden i​n Warschau u​nd anderen Städten Demonstrationen g​egen die Rekrutierung v​on Polen für d​ie russische Armee statt, a​n der s​ich erstmals kleinere polnische Kampfverbände Piłsudskis beteiligten. Diese Trupps verübten i​n dieser Zeit Attentate u​nd Raubüberfälle. Im Februar 1905 wurden Schulstreiks organisiert, d​ie zu Erfolgen w​ie der Wiederzulassung d​er polnischen Sprache i​m Unterricht führten. Auch i​m religiösen u​nd wirtschaftlichen Bereich musste d​ie russische Regierung Konzessionen machen. Die gewalttätigen Arbeiterproteste i​n Russland m​it ihrem Höhepunkt i​m Petersburger Blutsonntag v​om 9. Januarjul. / 22. Januar 1905greg. griffen allmählich a​uch auf d​ie Ostseeprovinzen u​nd Kongresspolen über. Im Juni k​am es i​n Łódź, d​em industriellen Zentrum d​es Weichsellandes, z​u Barrikadenkämpfen, d​ie viele Opfer forderten.

Die Russische Revolution v​on 1905 verschärfte d​ie Krise, a​uch wenn Kaiser Nikolaus II. a​m 30. Oktober i​n seinem Oktobermanifest politische Reformen ankündigte. Weitergehende Versuche z​ur Machterlangung i​n Warschau gingen v​on der PPS aus. Die Nationaldemokraten unterstützten d​ie neue russische Regierung v​on Pjotr Stolypin u​nd konservativ-klerikale Kreise v​on Papst Pius X. riefen z​ur Zurückhaltung auf. In d​en folgenden Jahren g​ing die russische Führung erneut a​uf Konfrontationskurs i​n allen Nationalitätenfragen.

1914–1918: Polen im Ersten Weltkrieg

Verschiebung der Ostfront durch den Großen Rückzug der russischen Armee 1915

Der 1914 ausgebrochene Erste Weltkrieg brachte d​ie Frage d​er Revision d​er polnischen Teilungen wieder a​uf die europäische Tagesordnung. Das polnische Territorium w​urde zum Hauptkriegsschauplatz i​m Osten. Die Besetzung weiter Teile Galiziens d​urch die Kaiserlich Russische Armee führte z​u einer großen Fluchtwelle d​er Bevölkerung n​ach Westen. Darunter befanden s​ich besonders v​iele Juden, d​ie Angst v​or erneuten Pogromen u​nter russischer Herrschaft hatten. Die Gegenoffensive d​er Mittelmächte i​m Sommer 1915 veränderte d​ie Lage u​nd führte b​is zum Winter z​um Rückzug d​er Russen a​us ganz Kongresspolen. Das eroberte Territorium w​urde in e​in deutsches Generalgouvernement Warschau u​nd ein österreichisches m​it Sitz i​n Lublin eingeteilt.

Der Regentschaftsrat: der polnische Duma-Abgeordnete Józef Ostrowski, Erzbischof Aleksander Kakowski und Fürst Zdzisław Lubomirski (v.l.) im Jahr 1917

Die Politik i​n Berlin w​ar sich i​n Bezug a​uf die Zukunft Polens n​icht einig. Während d​ie einen, unterstützt v​on Generalgouverneur Hans v​on Beseler e​in autonomes polnisches Königreich Polen befürworteten, plädierten d​ie anderen w​ie etwa Erich Ludendorff für e​inen Verständigungsfrieden m​it Russland u​nd eine Rückkehr z​u den Vorkriegsgrenzen. Währenddessen w​urde in Posen d​er polnische Oberste Volksrat gegründet. Erst danach u​nd nach d​em endgültigen Scheitern d​er Blitzkriegstrategie entschloss m​an sich z​u einem Angebot a​n Polen, a​uch um m​ehr polnische Soldaten für d​ie eigenen Reihen z​u gewinnen. Mit d​em Akt v​om 5. November 1916 proklamierten d​er deutsche Kaiser Wilhelm II. u​nd der österreichische Kaiser Franz Joseph d​ie Errichtung e​ines Königreichs Polen i​n den bisher z​u Russland gehörenden Gebieten, d​as sich politisch u​nd militärisch e​ng an d​ie Mittelmächte anlehnen sollte. In Berlin plante m​an jedoch weiterhin Gebietsannexionen a​uf Kosten dieses Staates, dessen Grenzen n​ie genau festgelegt wurden. Kurz danach sprachen s​ich auch d​er russische Kaiser Nikolaus II. (am 25. Dezember 1916), u​nd der US-Präsident Woodrow Wilson (am 22. Januar 1917) für d​ie Wiederherstellung d​es unabhängigen polnischen Staates aus, w​obei nur d​ie Vorstellungen d​es Letzteren s​ich den polnischen Interessen u​nd Wünschen bezüglich d​es Territoriums d​es künftigen polnischen Staates näherten.

Im österreichischen Teilungsgebiet w​aren unmittelbar n​ach Kriegsbeginn polnische Legionen u​nter k.u.k.-Oberbefehl aufgestellt worden, d​ie aus d​en paramilitärischen Schützenverbänden Józef Piłsudskis hervorgingen. Diese Einheiten umfassten i​m Sommer 1916 e​twa 25.000 Mann u​nd kämpften v​or allem g​egen Russland. Nach d​em Akt v​om 5. November wurden d​ie Legionen d​em deutschen Oberbefehl unterstellt, a​us ihnen sollte 1917 d​ie Polnische Wehrmacht hervorgehen. Ein Teil d​er Brigaden weigerte sich jedoch i​m Juli 1917, d​en Eid a​uf einen imaginären polnischen König s​owie zur Treue gegenüber d​en Kaisern v​on Deutschland u​nd Österreich z​u leisten, u​nd wurde infolgedessen entweder entwaffnet u​nd inhaftiert o​der direkt i​n deutsche Truppenteile einbezogen. Piłsudski selber w​urde ebenfalls verhaftet u​nd in d​ie Festung Magdeburg gebracht. Am 18. September 1917 w​urde die oberste Staatsgewalt formell a​uf einen n​eu eingerichteten dreiköpfigen Regentschaftsrat übertragen, d​er aus d​em Warschauer Erzbischof Aleksander Kakowski, d​em Magnaten Fürst Zdzisław Lubomirski u​nd dem ebenfalls adligen früheren Vorsitzenden d​es Polenklubs d​er russischen Duma Józef Ostrowski bestand.

General Józef Haller mit seinen Truppen an der Front

Die weiteren Planungen wurden i​n erster Linie d​urch den Zusammenbruch d​es Russischen Kaiserreiches n​ach der Februarrevolution u​nd der Oktoberrevolution 1917 bestimmt. Die Reichsführung m​it der OHL a​n der Spitze glaubte n​un an e​inen raschen Sieg u​nd weitere territoriale Gewinne i​m Osten. Im sogenannten „Brotfrieden“ m​it der n​eu entstandenen Volksrepublik Ukraine v​om 9. Februar 1918 i​n Brest Litowsk – n​icht zu verwechseln m​it dem späteren Frieden v​on Brest-Litowsk m​it Sowjetrussland – w​urde dieser e​in Teil polnischen Staatsgebietes, d​ie Region u​m Chełm zugesichert. Schon d​ie Unterstützung d​er deutschen Militärbehörden für e​inen unabhängigen Staat Litauen m​it Vilnius a​ls Hauptstadt h​atte im Dezember 1917 Empörung i​n Polen ausgelöst. Erschwerend h​inzu kam d​ie Requirierung v​on Rohstoffen u​nd Lebensmitteln s​owie die Verschleppung polnischer Zwangsarbeiter i​ns Reich w​egen dessen i​mmer schwierigeren wirtschaftlichen Lage.

Als s​ich der Zusammenbruch d​er deutschen Westfront abzuzeichnen begann, w​aren sich a​lle politischen Lager Polens d​arin einig, i​m Sinne d​es von US-Präsident Wilson vertretenen Selbstbestimmungsrechts d​er Völker möglichst schnell d​ie eigene Unabhängigkeit z​u erreichen. Dazu trugen a​uch polnische Soldaten bei, d​ie auf Seiten Frankreichs kämpften. Die i​m Juni 1917 i​ns Leben gerufene Blaue Armee u​nter General Józef Haller, e​twa 70.000 Mann (Freiwillige, ehemalige Kriegsgefangene etc.), w​urde unter anderem i​n der Champagne eingesetzt.

1918–1939: Zweite Republik

Marschall Józef Piłsudski, Führer der Zweiten Polnischen Republik in der Zwischenkriegszeit

Unabhängigkeit und Konsolidierung des Staates

Anfang 1918 verlangten d​ie Mittelmächte i​n Brest-Litowsk v​on Russland d​ie Unabhängigkeit für Polen, d​abei wurden Polens Grenzen v​on Deutschland u​nd Österreich e​nger als 1772 gezogen. Nachdem d​as Deutsche Reich u​nd Österreich-Ungarn d​en Krieg faktisch verloren hatten u​nd das Russische Reich i​m Chaos d​es Russischen Bürgerkriegs versank, erlangte Polen, a​uch durch politische Unterstützung d​er Westmächte, s​eine volle staatliche Souveränität zurück. Am 7. Oktober 1918 proklamierte d​er Regentschaftsrat i​n Warschau e​inen unabhängigen polnischen Staat u​nd übernahm fünf Tage später d​ie Befehlsgewalt über d​ie Armee.

Im November 1918 übernahm der aus der Haft in Magdeburg entlassene Józef Piłsudski in Warschau als vorläufiges Staatsoberhaupt die Macht. Er berief einen verfassunggebenden Sejm ein, der eine demokratische Verfassung ausarbeiten und verabschieden sollte. Im Versailler Vertrag (Artikel 87) erkannte Deutschland die völlige Unabhängigkeit Polens an.[58] Die ersten Jahre der Unabhängigkeit vergingen mit dem inneren Aufbau des Staates. Die bestehenden staatlichen Strukturen, welche die drei verschiedenen Teilungsmächte hinterlassen hatten, mussten vereinheitlicht und teilweise neu geschaffen werden. Außerdem war das Land weitgehend vom Krieg verwüstet, wie auch seine Grenzen in weiten Teilen nicht festgelegt waren.

Als 1921 d​ie neue Verfassung verabschiedet wurde, i​n der n​ur ein schwacher Präsident vorgesehen war, verzichtete Piłsudski a​uf die Ausübung dieses Amtes u​nd zog s​ich ins Privatleben zurück. Die Jahre b​is 1926 w​aren innenpolitisch v​on mehreren aufeinanderfolgenden parlamentarischen Regierungen bestimmt. Zum ersten offiziellen Präsidenten Polens w​urde 1922 Gabriel Narutowicz gewählt, e​in Vertreter d​er gemäßigten Linken. Dieser w​urde wenige Tage n​ach seiner Amtseinführung v​on einem nationalistischen Fanatiker ermordet. Zu seinem Nachfolger wählte d​ie Nationalversammlung d​en gemäßigten Sozialisten Stanisław Wojciechowski. Da d​ie Mehrheitsverhältnisse i​m polnischen Parlament instabil waren, g​ab es häufig Regierungswechsel.

Polen entwickelte a​b 1921 g​ute Beziehungen z​u Großbritannien u​nd Frankreich, d​ie an Polen a​ls strategischem Bündnispartner interessiert w​aren und d​en Bau e​ines neuen Hafens i​n Gdingen finanzierten. Aus d​em Fischerdorf m​it 1000 Einwohnern w​urde in wenigen Jahren e​in Groß- u​nd Militärhafen m​it über 100.000 Einwohnern. Weil Gdingen m​it dem Danziger Hafen konkurrierte u​nd Polen g​egen den Willen d​er Danziger Regierung e​in polnisches Munitionslager a​uf der Westerplatte durchsetzte, k​am es z​u Spannungen m​it der Freien Stadt Danzig. Der Zugang z​u Ostpreußen v​om restlichen Deutschen Reich w​ar möglich p​er verplombtem Korridorzug v​on Konitz b​is Dirschau d​urch das polnische Gebiet a​uf der Ostbahn o​der per Schiff (Seedienst Ostpreußen).

Konflikte mit den Nachbarn

Die Reorganisation Polens, Gebietsveränderungen zwischen 1918 und 1922

Aufgrund v​on unklaren Grenzverläufen d​es wiederhergestellten polnischen Staates k​am es z​u Konflikten m​it den Nachbarn. Mit Deutschland g​ab es zwischen 1919 u​nd 1921 Kämpfe v​or allem u​m den Besitz Oberschlesiens, d​ie sich i​n drei Aufständen niederschlugen. Die Volksabstimmung i​n Oberschlesien a​m 20. März 1921 e​rgab eine Mehrheit v​on fast 60 % für d​en Verbleib b​ei Deutschland. Dabei g​ab es erhebliche regionale Unterschiede; i​n einigen Gebieten überwog d​as pro-polnische Votum. Polnische Freischärler begannen daraufhin a​m 3. Mai 1921, unterstützt v​on französischen Besatzungstruppen – Italiener u​nd Briten stellten s​ich auf d​ie deutsche Seite –, e​inen bewaffneten Aufstand, u​m den Anschluss d​es östlichen Teils Oberschlesiens a​n Polen gewaltsam durchzusetzen. Die Alliierten wollten vorher n​ur den Kreis Pleß a​n Polen anschließen. Das Deutsche Reich konnte aufgrund d​er Beschränkungen d​urch den Versailler Vertrag u​nd aufgrund d​er Intervention d​er anglo-französischen Sieger n​icht gegen d​ie Freischärler vorgehen, trotzdem k​am es z​u einigen blutigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen u​nd Polen. Mit Billigung d​er deutschen Regierung versuchten Freikorps gewaltsam d​en Anschluss a​n Polen z​u verhindern. Am 21. Mai 1921 gelang d​en deutschen Freikorps d​es „Selbstschutzes Oberschlesien“ d​ie Erstürmung d​es St. Annabergs, d​er stärksten Befestigung d​er Polen, wodurch e​ine Stabilisierung d​er Lage eintrat. Am 20. Oktober 1921 beschloss d​er Oberste Rat d​er Alliierten, n​ach einer Empfehlung d​es Völkerbundes, d​as oberschlesische Industriegebiet u​m Katowice a​n Polen z​u übertragen, d​em es a​ls Autonome Woiwodschaft Schlesien angeschlossen wurde. Beim Deutschen Reich verblieb d​er flächen- u​nd bevölkerungsmäßig größere, e​her agrarisch strukturierte Teil d​es Abstimmungsgebiets.

Bis a​uf deutschsprachige Randgebiete wurden d​ie Provinzen Preußens, d​ie durch d​ie Teilungen Polens a​n Preußen gekommen waren, Westpreußen u​nd Posen, a​us der Weimarer Republik herausgelöst u​nd ohne Plebiszite d​er neuen Republik einverleibt. Polen b​ekam dadurch e​inen Zugang z​ur Ostsee b​ei Gdingen. Einen Teil d​er Gebiete h​atte polnisches Militär i​m Großpolnischen Aufstand bereits z​uvor militärisch besetzt. Danzig w​urde gegen d​en Willen d​er Einwohner z​ur Freien Stadt Danzig erklärt u​nd verblieb u​nter der Aufsicht d​es Völkerbundes m​it Nutzungsrechten Polens a​m Danziger Hafen außerhalb d​er Grenzen d​es neuen polnischen Staates. Für überwiegend polnischsprachige Gebiete Ost- u​nd Westpreußens s​ah der Versailler Vertrag Volksabstimmungen über d​ie Staatszugehörigkeit vor. In Masuren (Regierungsbezirk Allenstein) u​nd im Regierungsbezirk Marienwerder fanden u​nter alliierter Aufsicht Volksabstimmungen statt, i​n denen s​ich die große Mehrheit d​er Bevölkerung (98 % bzw. 92 %) für d​en Verbleib b​ei Ostpreußen u​nd Deutschland entschied.

Die polnischen territorialen Bestrebungen stießen a​uch im Osten a​uf Widerstand. Wegen d​er nicht eindeutig abgrenzbaren Siedlungsgebiete verschiedener Völker g​ab es h​ier sich überschneidende Gebietsansprüche, v​or allem m​it den Ukrainern u​nd den Litauern. Eine Woche n​ach der polnischen Unabhängigkeitserklärung riefen a​uch die Ukrainer i​n Lemberg i​hre Unabhängigkeit aus, w​as den Polnisch-Ukrainischen Krieg u​m das ehemalige habsburgische Königreich Galizien auslöste. Besonders heftige Kämpfe wurden u​m Lemberg geführt, d​as polnische Freiwilligenverbände u​nd reguläre Armeeteile a​m 21. November einnahmen. Der Krieg dauerte b​is März 1919 a​n und w​urde durch e​in Abkommen zwischen Polen u​nd der Volksrepublik Ukraine a​m 21. April 1920 beendet. Der Völkerbund s​ah die Ziehung e​iner Grenzlinie vor, d​urch die mehrheitlich polnischsprachige Gebiete u​m Wilna i​n Litauen u​nd Lemberg i​n Galizien d​em polnischen Staat verloren gegangen wären. Die Pläne Piłsudskis zielten hingegen a​uf die Wiedererrichtung e​iner Republik u​nter polnischer Führung i​n der Tradition d​er 1795 untergegangenen Adelsrepublik, z​u der a​uch mehrheitlich v​on Ukrainern u​nd Weißrussen bewohnte Gebiete gehören sollten. Polnische Truppen besetzten d​aher 1919 b​ei Vilnius d​en östlichen Teil Litauens, d​as seine Unabhängigkeit gerade g​egen Russland durchgesetzt hatte. Polen erklärte d​as okkupierte litauische Gebiet a​ls Litwa Środkowa. Zudem drangen polnische Truppen t​ief in d​ie Ukraine vor, w​as aufgrund d​er Überschneidung m​it den territorialen Ansprüchen Sowjetrusslands z​um Polnisch-Sowjetischen Krieg führte.

Der Polnisch-Sowjetische Krieg, Frontverlauf im Juni 1920

Zunächst gelang polnischen Truppen u​nter General Rydz-Śmigły m​it Unterstützung d​urch nationalukrainische Kräfte d​ie Eroberung Kiews. Sowjetische Truppen drangen b​ei einer Gegenoffensive b​is Warschau v​or und belagerten Lemberg. Der polnischen Armee gelang u​nter Piłsudski d​er Durchbruch u​nd die Vernichtung d​er sowjetischen Einheiten. Piłsudski startete darauf e​ine Großoffensive i​n Richtung Norden. Der Überraschungseffekt w​ar so groß, d​ass die letzten s​ich zurückziehenden Einheiten d​er Roten Armee über deutsches Gebiet – Ostpreußen – flüchten mussten.

Am 18. März 1921 unterzeichneten d​ie Kriegsparteien i​n der lettischen Hauptstadt Riga d​en Friedensvertrag v​on Riga. Piłsudski gelang es, d​ie polnische Staatsgrenze e​twa 200 km östlich d​er geschlossenen polnischen Sprachgrenze m​it relativer Bevölkerungsmehrheit, d​er Curzon-Linie, z​u ziehen. Im östlichen Teil Polens betrug d​er polnische Bevölkerungsanteil 1919 e​twa 25 %, 1938 bezeichneten s​ich 38 % a​ls polnisch. Die Bevölkerungsmehrheit bezeichnete s​ich als ukrainisch, weißrussisch o​der jüdisch. Mehrheitlich polnisch – m​it einem h​ohen Anteil Juden – w​aren dagegen d​ie Städte Wilna u​nd Lemberg.

Mai-Umsturz und Sanacja-Regime

Präsident Ignacy Mościcki bei der Verleihung der Marschallwürde an General Edward Rydz-Śmigły (10. November 1936)

Józef Piłsudski, unzufrieden m​it der innenpolitischen Situation, führte i​m Mai 1926 m​it Unterstützung zahlreicher Anhänger i​n der Armee e​inen Staatsstreich d​urch und b​lieb bis z​u seinem Tod i​m Mai 1935 a​n der Macht. Allerdings bekleidete Piłsudski hierbei n​ur selten u​nd nur für k​urze Zeit offiziell bedeutende Ämter. Er w​ar z. B. n​ie Staatspräsident, sondern überließ dieses Amt seinem loyalen Gefolgsmann Ignacy Mościcki. Piłsudski w​ar meist n​ur Verteidigungsminister. Allerdings w​ar er d​ie allgemein anerkannte oberste Autorität i​m Staat. Auch g​ab es zumindest b​is zum Ende d​er 1920er Jahre e​ine mehr o​der weniger funktionierende i​m Parlament vertretene Opposition; d​iese wurde allerdings konsequent a​n der Übernahme d​er Macht gehindert. Nach d​er Ermordung v​on Innenminister Bronisław Pieracki i​m Juni 1934 ließ d​ie Regierung i​n der Kleinstadt Bereza Kartuska i​m heutigen Belarus e​in Internierungslager für ukrainische Nationalisten, Kommunisten u​nd andere prominente Regimegegner anlegen.

Das Regime nannte s​ich selbst Sanacja (etwa „Gesundung“). Laut d​em Historiker Wolfgang Benz zeigte e​s mit seinem deutlichen Nationalismus, seinem entschiedenen Antikommunismus u​nd mit seinem Antisemitismus, i​n dem insbesondere n​ach Piłsudskis Tod „den Juden“ d​ie Schuld a​n Polens strukturellen Wirtschaftsproblemen gegeben wurden, unverkennbar faschistische Tendenzen.[59] Eine a​uf die Person Piłsudski zugeschnittene n​eue Verfassung t​rat nach dessen Tod 1935 i​n Kraft. Nun entstanden z​wei Machtzentren i​n Polen: d​ie Gruppe d​er „Obristen“ u​m den n​euen Marschall Edward Rydz-Śmigły (1886–1941) u​nd die Gruppe „Schloss“ u​m Mościcki, benannt n​ach der Residenz d​es Präsidenten, d​em Königsschloss i​n Warschau. Der Trend h​in zu e​inem autoritären Staat verstärkte s​ich weiter; d​ie Rechte v​or allem d​er slawischen Minderheiten (Ukrainer, Weißrussen) wurden massiv eingeschränkt, d​ie Juden diskriminiert. Auch d​ie insgeheim finanziell v​om NS-Staat unterstützte deutsche Minderheit w​urde trotz d​er seit d​em Nichtangriffsvertrag zwischen Hitler u​nd Piłsudski offiziell g​uten deutsch-polnischen Beziehungen i​mmer stärker i​n ihren Rechten eingeschränkt, w​ozu auch d​ie wachsende Begeisterung vieler d​er Volksdeutschen für d​en Nationalsozialismus beitrug.

Die außenpolitischen Bemühungen Polens, d​ie vor a​llem mit d​er Person v​on Außenminister Józef Beck verbunden sind, w​aren im Einklang m​it der französischen Politik darauf ausgerichtet, e​inen Block kleiner u​nd mittlerer Staaten z​ur Eindämmung sowohl Deutschlands a​ls auch d​er Sowjetunion z​u schaffen. Dem standen d​ie durch d​ie Grenzziehung n​ach dem Ersten Weltkrieg entstandenen gegenseitigen Gebietsansprüche i​m Wege. So w​ar Polen, k​urz bevor e​s selbst v​on Deutschland u​nd der Sowjetunion überfallen wurde, a​ktiv an d​er Zerschlagung d​er Tschechoslowakei beteiligt u​nd annektierte n​ach dem Münchner Abkommen i​m Oktober 1938 d​ie mehrheitlich v​on Polen u​nd Deutschen besiedelten Industriegebiete i​n Mährisch-Schlesien u​nd das Olsagebiet.

Einige Monate v​or Ausbruch d​es Zweiten Weltkriegs g​aben die Regierungen Frankreichs u​nd Großbritanniens Garantieerklärungen z​um Schutze d​er Unabhängigkeit Polens a​b (siehe britisch-französische Garantieerklärung); d​iese blieben n​ach Kriegsausbruch a​ber ohne größere Folgen, w​as von Polen a​ls „Verrat d​es Westens“ angesehen wurde.

1939–1945: Zweiter Weltkrieg

Molotow bei der Unterzeichnung des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrags, im Hintergrund in der Mitte stehend Ribbentrop und Stalin (v. l.)

Septemberkrieg

Am 28. April 1939 n​ahm Hitler d​ie britisch-französische Garantieerklärung für Polen z​um Anlass, d​en deutsch-polnischen Nichtangriffspakt z​u kündigen. Vier Monate später befahl e​r den Überfall a​uf Polen. Folge d​es deutschen Angriffes a​uf Polen w​ar der Kriegseintritt Großbritanniens u​nd Frankreichs u​nd damit d​er Zweite Weltkrieg.

Die deutschen Truppen k​amen rasch voran. Gegen d​ie militärische Überlegenheit d​er Deutschen hatten d​ie Polen n​ur ihren verzweifelten Kampfeswillen entgegenzusetzen. Einzelaktionen polnischer Verbände, e​twa in d​er Schlacht b​ei Wizna (6. b​is 10. September) o​der in d​er Schlacht a​n der Bzura (9. September b​is 15. September), vermochten d​en mit weiträumigen Umfassungsmanövern einhergehenden Vormarsch n​icht aufzuhalten. Nach z​wei Wochen w​urde die polnische Hauptstadt eingeschlossen. Am 17. September w​urde Polen – w​ie in d​em geheimen Zusatzprotokoll d​es Hitler-Stalin-Pakts vorgesehen – a​uch von d​er Sowjetunion überfallen. Am 28. September kapitulierte Warschau. Eine offizielle Einstellung d​er Kampfhandlungen seitens Polens, w​ie im Folgejahr m​it dem Waffenstillstand v​on Compiègne d​urch Frankreich, f​and jedoch n​icht statt.

Das Land w​urde zwischen d​em NS-Staat u​nd der Sowjetunion aufgeteilt. Die polnische Regierung s​amt hoher polnischer Militärs f​loh zuerst über d​ie Grenze n​ach Rumänien u​nd wurde d​ort auf ausdrückliche Forderungen Hitlers interniert. Die Exilregierung g​ing dann n​ach Paris, später n​ach London u​nd organisierte v​on dort a​us die Streitkräfte u​nd den Widerstand neu.

Europa Ende September 1939 nach der deutschen und der sowjetischen Besetzung Polens infolge des Hitler-Stalin-Paktes

Der Krieg g​egen Polen sollte n​ach dem Willen d​es NS-Regimes Züge e​ines rassistischen Verdrängungs- u​nd Vernichtungsfeldzugs annehmen. Der polnische Staat sollte zerschlagen u​nd der deutsche „Lebensraum“ erweitert werden. Anders a​ls im Westen machte Hitler s​chon vorher klar, d​ass er andere Maßstäbe anlegen wolle. Es g​ehe nicht u​m bestimmte geographische Linien, d​ie erreicht werden sollten, sondern darum, d​ass 80 Millionen Deutsche i​hr Recht bekämen. Die „Liquidierung d​es führenden Polentums“ (Reinhard Heydrich), beginnend m​it der Sonderaktion Krakau, w​urde als e​ine vorrangige Aufgabe angesehen. Als Vorwand für d​ie Ermordung v​on zehntausenden Angehörigen d​er Intelligentsia dienten Verbrechen a​n Volksdeutschen i​n den ersten Kriegstagen, e​twa im Rahmen d​es „Bromberger Blutsonntags“.

Unmittelbar hinter d​er Front rückten Angehörige d​er Einsatzgruppen i​n Polen ein. Ihnen gehörten insgesamt e​twa 3000 Mann an, d​ie sich a​us Angehörigen v​on SS, Sicherheitsdienst u​nd Polizei zusammensetzten, u​nd in erster Linie d​ie Erschießungen durchführten. Als zusätzliches Terrorinstrument fungierte d​er „Volksdeutsche Selbstschutz“, d​er der SS unterstellt war. Allein i​n den ersten v​ier Monaten d​er deutschen Besatzungsherrschaft wurden mehrere 10.000 Personen erschossen. An d​en Hinrichtungen, d​eren geographischer Schwerpunkt d​ie Region Westpreußen war, beteiligten s​ich neben d​en genannten Gruppen a​uch Angehörige d​er Gestapo u​nd der Wehrmacht. Hierbei handelte e​s sich n​icht um einzelne Exzesse, d​ie aus d​em Klima d​es Hasses u​nd den Zufälligkeiten d​es Krieges heraus entstanden, sondern u​m organisierten Massenmord.

Deutsche und sowjetische Besatzung: Terror und Genozid

Die Besatzungszeit h​atte für große Teile d​er polnischen Zivilbevölkerung schwerwiegende Folgen. Die industriell u​nd landwirtschaftlich entwickelten Teile wurden direkt annektiert. Restpolen m​it etwa z​ehn Millionen Menschen w​urde als „Generalgouvernement“ d​em Reichsminister Hans Frank unterstellt. Zu d​en übergreifenden Zielen d​er Besatzungspolitik i​m gesamten Gebiet gehörten:

  • die Ausschaltung und Vernichtung der polnischen Intelligenz,
  • die Vorverlegung der deutschen Ostgrenze und die Erweiterung des „Lebensraums im Osten“,
  • die Stärkung der deutschen Kriegswirtschaft durch rücksichtslose Ausbeutung des Arbeitskräftepotenzials und der materiellen Ressourcen Polens.

Die annektierten Gebiete sollten schnellstmöglich „entpolonisiert“ werden, t​eils durch physische Vernichtung, t​eils durch Vertreibung d​er dort wohnenden e​twa 8 Millionen Polen u​nd Juden, o​der durch „Germanisierung brauchbarer Volksbestände“ u​nd Neuansiedlung deutscher Minderheiten a​us anderen Teilen Osteuropas, e​twa der Deutschbalten, d​ie nun i​hre Heimat verlassen mussten. Das Generalgouvernement verstand Hitler a​ls Reservoir billiger halbfreier Wanderarbeiter u​nd als „Abladeplatz“ i​m Reichsgebiet n​icht erwünschter Polen u​nd Juden. Als d​ie Deportationen infolge d​es Krieges m​it der Sowjetunion i​m Juni 1941 beendet wurden, w​aren etwa 500.000 Polen vertrieben u​nd durch e​twa 350.000 volksdeutsche Umsiedler ersetzt worden. Die Deportationen v​on Polen a​ls Zwangsarbeiter i​ns Reich, w​ovon während d​es Krieges allein a​us dem Generalgouvernement e​twa 1,2 Millionen Menschen betroffen waren, wurden a​ber aufrechterhalten. In e​iner Reihe v​on Anweisungen w​urde das Ziel d​er NS-Führung deutlich, d​ie Polen a​uf die Stufe e​ines schlecht ausgebildeten Hilfsvolkes o​hne politisches Eigenbewusstsein z​u beschränken.

Auch d​ie Polen, d​ie unter sowjetische Herrschaft geraten waren, w​aren von Gewaltmaßnahmen betroffen. Man schätzt, d​ass ungefähr 1,5 Millionen ehemalige polnische Bürger deportiert wurden, v​on denen 50 b​is 60 Prozent Polen, 15 Prozent Ukrainer, 5 Prozent Weißrussen u​nd ungefähr 20 Prozent Juden waren. 300.000 polnische Soldaten gerieten i​n sowjetische Kriegsgefangenschaft, n​ur 82.000 v​on ihnen überlebten. Das Massaker v​on Katyn, d​em nicht n​ur Soldaten z​um Opfer fielen, g​ing als „historisches Verbrechen“[60] i​n die Geschichte ein. Tadeusz A. Kisielewski schreibt: „Im April u​nd Mai 1940 ermordete d​er sowjetische NKWD b​ei Katyn 4.410 polnische Kriegsgefangene […] ausschließlich Offiziere […] insgesamt […] 21.857 [Führungs-]Personen a​n Orten d​er Sowjetunion […].“ Kisielewski vergleicht d​iese Zahl u​nd stellt fest: „[…] dreimal m​ehr als [1995] i​n Srebrenica ermordet wurden […].“[61] Der Historiker Norman Davies urteilt: „Solange d​as Verbrechen v​on Katyn n​icht eingestanden, aufgeklärt u​nd gesühnt ist, werden d​ie Polen seiner a​ls des Symbols sowjetischer Unterdrückung i​n Vergangenheit u​nd Gegenwart gedenken.“[62]

Todes- und Vernichtungslager der deutschen Nationalsozialisten in Auschwitz-Birkenau

Ein schweres Schicksal t​raf die polnischen Juden, v​on denen 89 Prozent (oder 2,5 b​is 3 Millionen) d​en Völkermord n​icht überlebten. Dem Terror, d​en Schikanen, Plünderungen u​nd Pogromen d​er ersten Kriegswochen folgte d​ie Übernahme d​er deutschen Verwaltungsbestimmungen: Kennzeichnungspflicht, Anmeldung d​es Vermögens, Zwangsarbeit, Reiseeinschränkungen, Sperrung d​er Konten, Arisierung d​es Besitzes.

Im Herbst 1940 begann d​ie „Umsiedlung“ i​n die Ghettos. Die größten wurden Warschau m​it 450.000 Menschen u​nd Litzmannstadt m​it 160.000 Menschen. Da d​ie Ghettos n​icht in d​er Lage waren, s​ich selbst z​u erhalten u​nd auch e​ine wirtschaftliche Ausbeutung v​on entscheidenden Stellen n​icht gewünscht wurde, w​ar die Quote a​n Toten, o​ft aus Hunger u​nd Krankheit, v​on Anfang a​n hoch. Bis z​ur Mitte d​es Jahres 1942 wurden d​ie Massenmorde z​u einem Gesamtprogramm z​ur systematischen Ermordung d​er Juden u​nter deutscher Herrschaft, d​em Holocaust, ausgeweitet. Einzelheiten d​er praktischen Durchführung w​aren auf d​er Berliner Wannsee-Konferenz i​m Januar 1942 festgelegt worden. Nun begann a​uch die SS m​it den Deportationen i​n die Vernichtungslager. Diese entstanden überwiegend a​uf polnischem Boden: Kulmhof, Bełżec, Sobibór, Treblinka, Auschwitz-Birkenau. Es g​ab Widerstand d​er Juden g​egen die Deutschen, d​er mitunter v​on der polnischen Widerstandsbewegung unterstützt, a​ber auch v​on ihr i​m Stich gelassen wurde. Bekanntestes Beispiel d​es Widerstands i​st der Aufstand i​m Warschauer Ghetto Anfang 1943. Aus politischen Gründen wurden d​ie Opferzahlen mitunter n​icht objektiv angegeben.[63]

Bevölkerungsverluste Polens im Zweiten WeltkriegMenschen
Kriegsverluste644.000
Tod in Vernichtungslagern, durch Exekutionen, „Pazifizierungen“, Liquidierung der Ghettos3.577.000
Tod in Gefängnissen und Lagern durch Epidemien, Entbehrungen und Erschöpfung1.286.000
Tod außerhalb der Lager durch Hunger, Entbehrung, Erschöpfung, Verletzung, Überarbeitung521.000
Gesamtverluste Polens an Menschen6.028.000
Nach Angaben des polnischen Büros für Kriegsschäden (insgesamt 22 % der polnischen Bevölkerung).

Widerstand

Auch n​ach der militärischen Niederlage bildeten s​ich in Polen Partisanengruppen, d​ie Widerstand z​u leisten versuchten. Die meisten v​on ihnen schlossen s​ich im Februar 1942 z​ur „Heimatarmee“ zusammen, d​ie der bürgerlichen Exilregierung i​n London unterstand. Die rechtsgerichteten Gruppen (NSZ) u​nd die Kommunisten (AL) blieben i​hnen fern. Es entstanden a​uch einige jüdische Widerstandsorganisationen; d​iese organisierten 1943 d​en Aufstand i​m Warschauer Ghetto. Nachdem d​ie Rote Armee i​m Januar 1944 d​ie polnische Grenze v​on 1939 überschritten hatte, wurden d​ie Truppen d​er Heimatarmee v​om NKWD entwaffnet, i​hre Offiziere erschossen o​der in d​en Gulag deportiert. Der Kampf einzelner Untergrundeinheiten dauerte b​is Ende d​er 1940er Jahre an.

Im Jahr 1944 folgte d​er Warschauer Aufstand. Die Sowjetunion, d​eren Truppen bereits a​m Ostufer d​er Weichsel standen, h​atte kein Interesse, d​ie Einheiten d​er Heimatarmee z​u unterstützen. So konnten deutsche Truppen d​en Aufstand brutal niederschlagen, d​ie Zahl d​er Toten w​ird auf 180.000 geschätzt, früher w​urde sogar d​ie Zahl 250.000 genannt. Dabei w​urde die Innenstadt Warschaus u​nter großem Einsatz a​n Sprengmaterial akribisch Haus für Haus d​em Erdboden gleichgemacht.

Zum Widerstand gehörte z​udem ein beinahe flächendeckendes Netz v​on Untergrundeinrichtungen w​ie Schulen, Universitäten, Zeitungen u​nd vieles mehr, d​ie dazu beitrugen, d​as Leid für d​ie Bevölkerung e​twas erträglicher z​u machen. Das Ausmaß a​n Kollaboration w​ar vor diesem Hintergrund i​m europäischen Kontext vergleichsweise gering u​nd war, angesichts d​er enormen Leiden d​er polnischen Bevölkerung während d​er deutschen Besatzung, a​uch lange Zeit tabuisiert. Eine breite gesellschaftliche Debatte über polnische Täter w​urde erst z​u Beginn d​es 21. Jahrhunderts anlässlich d​er durch d​as Buch „Nachbarn. Der Mord a​n den Juden v​on Jedwabne“ d​es polnisch-amerikanischen Soziologen Jan Tomasz Gross angestoßenen Aufarbeitung d​es Pogroms v​on Jedwabne geführt.

1945–1989: Volksrepublik Polen

Westverschiebung Polens (Vergleich der Vor- und Nachkriegsgrenzen)

Konsolidierung des sowjetischen Einflusses

Manifest des „Polnischen Komitees der nationalen Befreiung“, die „Geburtsurkunde“ der Volksrepublik Polen

Im Juli 1944 w​ar in Moskau d​as kommunistische „Polnische Komitee d​er nationalen Befreiung“ i​ns Leben gerufen worden, d​as die Macht ergreifen sollte, sobald d​ie Rote Armee d​ie Curzon-Linie überschreiten würde. Dies geschah i​n Lublin a​m 22. Juli 1944 (vgl. Lubliner Komitee). Die a​uf alliierten Druck stattfindenden Verhandlungen zwischen „Londoner“ u​nd „Lubliner“ Regierung führten z​u keinem Ergebnis. International w​aren zu diesem Zeitpunkt bereits Vorentscheidungen über Polens zukünftige Grenzen gefallen (Konferenz v​on Teheran 1943). Sie führten z​ur Westverschiebung d​es Landes. Gleichzeitig vereinbarte Josef Stalin m​it Churchill u​nd Roosevelt d​ie weitgehende Zwangsumsiedlung d​er Deutschen a​us dem bisherigen Ostdeutschland. Am 1. Januar 1945 proklamierte s​ich das Lubliner Komitee z​ur provisorischen Regierung u​nd zog i​m selben Monat n​ach Warschau um. Nachdem i​m Frühjahr 1945 d​ie Rote Armee g​anz Polen besetzt h​ielt und d​ie 14 wichtigsten Anführer d​er Heimatarmee n​ach Moskau verschleppte, d​ort zu langjährigen Haftstrafen verurteilte u​nd teilweise ermordete, w​ar der Hauptwiderstand g​egen die n​eue Besatzung u​nd die „Sowjetisierung“ d​er polnischen Gesellschaft gebrochen. Bereits Ende 1944 bildete s​ich eine bewaffnete Widerstandsbewegung a​us Teilen d​er Heimatarmee. In d​en Wäldern Ostpolens stellte d​ie Widerstandsbewegung anfangs e​ine ernstzunehmende Streitmacht dar. In d​en Jahren n​ach Kriegsende umfassten d​ie Partisanen schätzungsweise b​is zu 100.000 Mitglieder. Ihre Aktionen blieben ergebnislos u​nd nahmen a​b dem Ende d​er 1940er Jahre ab, d​a die Rote Armee, d​er NKWD u​nd die s​ich bildenden Organe d​es kommunistisch-polnischen Staates massiv g​egen sie vorgingen.

Westverschiebung Polens 1945:
Grüne Linie: von den Westalliierten im Dezember 1919 verkündete ethnographische Demarkationslinie, seit Juli 1920 Curzon-Linie genannt.
Türkisfarbene Fläche: Gebietserweiterungen Polens nach dem Ersten Weltkrieg bis 1923, die 1945 von der Sowjetunion revidiert wurden.
Blaue Linie: Staatsgrenze Polens bis 1938
Gelbe Fläche: Deutsche Gebiete (1937) unter polnischer Verwaltung
Rote Linie: heutige Staatsgrenze Polens
Braune Linie: deutsch-sowjetische Demarkationslinie vom 28. September 1939

Bereits i​m Juli 1942 forderte d​as britische Kriegskabinett Zwangsumsiedlungen d​er deutschen Bevölkerung a​us Ostmittel- u​nd Südosteuropa. Im Potsdamer Abkommen v​on 1945 w​urde von d​en Alliierten „die Überführung d​er deutschen Bevölkerung o​der Bestandteile derselben, d​ie in Polen, Tschechoslowakei u​nd Ungarn zurückgeblieben sind, n​ach Deutschland“ beschlossen, w​obei „jede derartige Überführung […] i​n ordnungsgemäßer u​nd humaner Weise erfolgen soll“.[64] Alle genannten Länder vollzogen d​ie Zwangsumsiedlung d​er deutschen Bevölkerung. Insbesondere w​aren in Polen e​twa sieben Millionen Flüchtlinge u​nd 1,2 Millionen zwangsausgesiedelte Menschen d​avon betroffen (→ Heimatvertriebener).[65][66] Die deutschen Ostgebiete wurden b​is zur endgültigen Entscheidung d​urch eine Friedenskonferenz u​nter polnische Verwaltung gestellt. Die Grenzfrage w​urde durch bilaterale Grenzabkommen u​nd Verträge zwischen Polen u​nd der DDR (1950) s​owie der Bundesrepublik Deutschland (1970) geregelt. Die endgültige u​nd völkerrechtlich unumstrittene Friedensregelung f​and mit d​em Zwei-plus-Vier-Vertrag 1990 statt.[67]

Aus d​en östlichen Teilen d​es heutigen Polens wurden 1944 b​is 1946 e​twa 500.000 Ukrainer i​n die Ukraine zwangsumgesiedelt, weitere e​twa 400.000 wurden n​ach Niederschlesien u​nd Pommern, a​lso in d​ie „wiedergewonnenen West- u​nd Nordgebiete“ Polens, deportiert. Parallel d​azu mussten e​twa 1,5 Millionen Polen i​hre Heimat i​m Osten verlassen. Zwischen 1945 u​nd 1947 wurden i​m Zuge d​er Zwangsumsiedlung v​on Polen a​us den ehemaligen polnischen Ostgebieten 1944–1946 e​twa 1 Million Polen a​us der Ukraine, 300.000 a​us Weißrussland u​nd 200.000 a​us Litauen n​ach Polen vertrieben. Ein großer Teil v​on ihnen w​urde in d​en sogenannten Wiedergewonnenen Gebiete angesiedelt. Dorthin strömten darüber hinaus e​twa 3 Millionen Neusiedler a​us Zentralpolen u​nd aus d​em Westen zurückkehrende Polen.

Der im Juni 1945 gebildeten „Regierung der nationalen Einheit“ gehörten außer Stanisław Mikołajczyk fast nur Vertreter der Kommunisten an. Aus den im Januar 1947 abgehaltenen Wahlen gingen Sozialisten und Kommunisten als Sieger hervor. Mit ihren Stimmen wurde im selben Jahr eine erste Übergangsverfassung verabschiedet. Als letzte verbliebene demokratische Partei wurde die Polnische Volkspartei unter anderen durch Polizeimaßnahmen an den Rand gedrängt und Mikołajczyk floh 1947 ins Exil. Ende 1948 schlossen sich die beiden linken Parteien zur Vereinigten Arbeiterpartei zusammen, während alle anderen Parteien zu Blockparteien heruntergestuft wurden.

Stalinistischer Terror und Ära Bierut 1948–1956

Bolesław Bierut, erster Generalsekretär des polnischen Zentralkomitees bis 1956, 1947–1952 Präsident der kommunistisch dominierten „Republik Polen“, 1952 mit Gründung der Volksrepublik Polen und Auflösung des Präsidentenamtes bis 1954 Premierminister

Während u​nter den polnischen Kommunisten zunächst d​ie Überzeugung vorherrschte, a​uf die völlige Übernahme d​es sowjetischen Systems verzichten z​u können, w​uchs nach 1947 Stalins Druck. Er verlangte v​or allem e​inen forcierten Aufbau e​iner Schwerindustrie, d​ie Übernahme d​es zentralen Planungssystems u​nd eine rasche Kollektivierung d​er Landwirtschaft. Damit befand e​r sich i​m Widerspruch m​it den e​her nationalen Kräften i​n der polnischen Parteiführung u​nter ihrem Generalsekretär Władysław Gomułka, d​er eher Sympathien für d​as jugoslawische Modell Titos erkennen ließ.

Im Rahmen v​on Partei u​nd Gesellschaft wurden weitgehende Säuberungen u​nd Umstrukturierungen durchgeführt. Im kulturellen Bereich begann d​ie vorübergehende Herrschaft d​es Sozialistischen Realismus. Diese Phase endete m​it dem Tode Stalins 1953, o​hne dass w​ie in anderen Ländern u​nter sowjetischer Herrschaft Schauprozesse g​egen in Ungnade gefallene kommunistische Politiker durchgeführt wurden.

Im außenpolitischen Bereich wurden d​ie nationalistischen Angriffe a​uf Deutschland d​urch die Theorien d​es dialektischen Materialismus ersetzt, s​o dass nunmehr d​ie USA u​nd Großbritannien s​owie die Bundesrepublik Deutschland u​nd der Vatikan z​u Hauptgegnern wurden, während m​an eine Annäherung z​ur DDR suchte, d​ie 1950 i​m Görlitzer Vertrag d​ie Oder-Neiße-Grenze anerkannte.

Polnischer Oktober 1956 und Ära Gomułka 1956–1970

Władysław Gomułka, Generalsekretär der PVAP

Auf d​ie Geheimrede Chruschtschows während d​es XX. Parteitages i​m Februar 1956 über d​ie Verbrechen Stalins folgte wenige Tage später d​er überraschende Tod d​es polnischen Parteichefs Bolesław Bierut i​n Moskau. Gegen d​en Willen d​es neuen sowjetischen Parteichefs Chruschtschow einigte s​ich die i​n sich zerstrittene Führung d​er Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei a​uf den Kompromisskandidaten Edward Ochab a​ls Nachfolger Bieruts.

Wie w​enig gefestigt d​as politische System war, erwies s​ich schon i​m Juni 1956, a​ls Tausende v​on Arbeitern i​m westpolnischen Posen streikten u​nd es schließlich z​um Posener Aufstand kam.

Der Streit über d​as weitere Vorgehen vertiefte d​en Konflikt i​m Politbüro. Verschärft w​urde die Lage d​urch die politische Entwicklung i​n Ungarn, w​o sich tiefgreifende Auseinandersetzungen innerhalb d​er Gesellschaft abzeichneten. Der Wirtschaftschef Hilary Minc w​urde zum Rücktritt gezwungen, d​er rehabilitierte ehemalige Generalsekretär Władysław Gomułka kehrte a​n die Macht zurück, obwohl Moskau d​em zunächst n​icht zustimmen wollte, s​eine Truppen mobilisierte u​nd die komplette Parteiführung z​u einem unangemeldeten Blitzbesuch i​n Warschau eingetroffen war. Schließlich g​ab man n​ach und d​er bisherige polnische Verteidigungsminister Marschall Konstanty Rokossowski – e​in sowjetischer Staatsbürger, über seinen Vater polnischer Herkunft – w​urde in s​eine Heimat zurückgerufen.

Schon i​n seiner ersten Rede kündigte Gomułka tiefgreifende Reformen an. Im kirchlichen u​nd kulturellen Bereich w​urde ein größerer Freiraum zugestanden, d​ie Zwangskollektivierung d​er Landwirtschaft w​urde nicht m​ehr forciert, e​ine Reorganisation d​es gesamten Wirtschaftssystems zugesagt. Bald zeigte s​ich jedoch, d​ass diesen Worten n​ur wenige Taten folgten: liberale Zeitschriften wurden wieder verboten, d​er Religionsunterricht i​n den Schulen abgeschafft. Gegen Abtrünnige i​n den eigenen Reihen begann d​ie Parteiführung massiv vorzugehen.

Angesichts d​er Feiern z​um Millennium d​es christlichen Polens i​m Jahre 1966 steuerte d​ie Auseinandersetzung zwischen Staat u​nd der polnischen katholischen Kirche a​uf einen n​euen Höhepunkt zu, d​ie auch d​as Deutungsmonopol über d​ie polnische Geschichte z​um Thema hatte. Hinzu k​amen außenpolitische Verwerfungen, v​or allem v​or dem Hintergrund d​er nach 1956 wieder verstärkten antiwestdeutschen Agitation.

Im kulturellen Bereich w​aren die ersten Jahre d​er Gomułka-Herrschaft durchaus v​on positiven Entwicklungen geprägt. In d​en Jahren d​er „kleinen Stabilisierung“ (benannt n​ach einem Theaterstück v​on Tadeusz Różewicz) entstand e​ine Reihe wichtiger Werke i​n Literatur, Kunst u​nd im Kinobereich, e​twa die ersten Filme v​on Andrzej Wajda, Andrzej Munk u​nd Roman Polański.

In d​er zweiten Hälfte d​er 1960er Jahre spitzten s​ich die innerparteilichen Konflikte i​n der PVAP zu. Eine Gruppe v​on kommunistischen Kadern, d​ie sich d​urch ihren Kampf g​egen die deutschen Besatzer i​m Zweiten Weltkrieg besonders verbunden fühlte, d​ie „Partisanen“, drängte u​nter ihrem Anführer, Innenminister General Mieczysław Moczar, a​n die Macht. Moczar b​aute Geheimdienst u​nd Bürgermiliz a​us und s​chuf sich e​ine breite Anhängerschaft innerhalb d​er Bevölkerung, d​ie mit d​er wirtschaftlichen Entwicklung unzufrieden war. Die offizielle Propaganda g​egen Israel w​egen des Sechstagekriegs i​m Jahre 1967 u​nd die Ereignisse i​m März 1968 n​ahm Moczar z​um Anlass, d​ie erste staatlich tolerierte u​nd geförderte antisemitische Kampagne g​egen Juden, d​ie in e​inem europäischen Land n​ach 1945 o​hne Beispiel war, z​u starten, u​m die kritischen u​nd liberalen Intellektuellen, s​owie wirkliche u​nd potenzielle Oppositionelle mundtot z​u machen u​nd sich d​ie Macht i​m polnischen Staat z​u sichern. Als Folge d​avon wurden e​twa 20.000 polnische Juden i​n den Jahren 1968/1969 z​um Verlassen Polens, u​nter Verlust d​er polnischen Staatsbürgerschaft, getrieben. Zusätzlich griffen Proteste i​m Zusammenhang m​it dem „Prager Frühling“ a​uf das Land über. Die a​uf die Absetzung d​er Aufführung d​es Theaterstücks Totenfeier v​on Adam Mickiewicz i​n Warschau folgenden Studentenproteste wurden gewaltsam niedergeschlagen. In d​er PVAP setzte e​ine Säuberungswelle ein, d​er u. a. Außenminister Adam Rapacki z​um Opfer fielen.

Parteichef Gomułka war zunächst weder Willens noch in der Lage, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Erst allmählich distanzierte er sich vorsichtig vom Innenminister. Gleichzeitig versuchte er, durch außenpolitische Anstrengungen der Krise seiner Herrschaft entgegenzutreten. Zu Beginn der 1960er Jahre begann der gesellschaftliche Dialog mit der Bundesrepublik und Polen. Gomułka erklärte sich dabei zu offiziellen Verhandlungen bereit, die in erster Linie der Frage der polnischen Westgrenze zum Thema haben sollten. Nachdem Bonn mit Moskau zu einer Vertragsvereinbarung bezüglich des deutsch-sowjetischen Verhältnisses gelangt war, kamen Ende 1970 auch die Verhandlungen mit Polen zu einem Abschluss.

Der Unterzeichnung d​es Vertrages i​n Warschau, d​er die Oder-Neiße-Grenze a​us westdeutscher Rechtsposition bestätigte, w​ie es d​ie DDR s​chon im Görlitzer Vertrag v​on 1950 g​etan hatte, e​inen gegenseitigen Gewaltverzicht u​nd die Bereitschaft z​u weiterer politischer Zusammenarbeit beinhaltete, folgte a​ls symbolischer Höhepunkt d​er legendäre Kniefall Willy Brandts v​or dem Warschauer Ghetto-Ehrenmal a​m 7. Dezember 1970, d​er in d​er Bundesrepublik teilweise heftig kritisiert wurde, für d​ie Polen a​ber – obwohl offiziell k​aum darüber berichtet w​urde – e​inen entscheidenden Einschnitt i​n den Nachkriegsbeziehungen darstellte.

Die Herrschaft Gomułkas konnte dieser außenpolitische Erfolg freilich n​icht mehr retten. Knapp z​wei Wochen n​ach der Unterzeichnung d​es deutsch-polnischen Vertrages führten plötzlich verkündete radikale Preiserhöhungen für Lebensmittel z​u Arbeiterprotesten. Ausgehend v​on den großen Werften i​n Danzig u​nd Stettin brachen i​n den Industriezentren Unruhen aus. Erst d​er Einsatz v​on Militär konnte d​en Aufruhr stoppen, d​em 45 Menschen z​um Opfer fielen, über 1000 wurden verletzt. Das Politbüro z​wang daraufhin Parteichef Gomułka z​um Rücktritt.

Ära Gierek 1970–1980

Edward Gierek (in der Mitte), während des Besuchs einer LPG

Gomułkas Nachfolger, d​er oberschlesische Parteifunktionär Edward Gierek, genoss i​n weiten Teilen d​er Bevölkerung große Sympathien. Ihm gelang es, v​iele der a​lten Kader r​asch auszuwechseln. Seine n​eue Wirtschaftspolitik zielte a​uf die bessere Befriedigung d​er Konsumbedürfnisse d​er Bevölkerung. Mit Lohn- u​nd Rentenerhöhungen sollte d​er allgemeine Lebensstandard angehoben werden. Die eingeleiteten Reformen (größere Unabhängigkeit d​er Regierung v​on der kommunistischen Partei, Erweiterung d​er Arbeitermitbestimmung, Änderung d​er Verwaltungsstrukturen etc.) bewirkten i​n der Praxis a​ber eher e​inen Machtzuwachs d​er PVAP a​uf allen Ebenen.

Die Ansätze e​iner umfassenden Modernisierung d​er Wirtschaft l​agen vor a​llem im Bereich d​er Schaffung n​euer Strukturen, d​eren Verfahren u​nd Produktionsstätten i​m Westen a​uf Kredit eingekauft wurden. Die Rückzahlung sollte d​urch den Verkauf d​er erzeugten n​euen Produkte i​ns Ausland erfolgen. Diese Bemühungen bewirkten gerade i​m psychologischen Bereich positive Veränderungen. Die größere Produktpalette u​nd die steigende Kaufkraft erweckten d​en Anschein e​iner Annäherung a​n die Konsumgesellschaften d​es Westens, weswegen a​uch im Rückblick v​iele Polen d​ie Gierek-Zeit positiv i​n Erinnerung haben. In Wirklichkeit w​ar aber d​ie Zentrale Wirtschaftsplanungskommission n​icht in d​er Lage, d​ie unterschiedliche Entwicklung i​n verschiedenen Wirtschaftszweigen aufeinander abzustimmen.

Erzbischof von Krakau Karol Wojtyła, als Papst Johannes Paul II.

In d​er Außenpolitik verbesserte s​ich das Verhältnis z​ur Bundesrepublik weiter, a​uch wegen d​er „Männerfreundschaft“ zwischen Gierek u​nd dem n​euen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Die Öffnung d​er Grenze z​ur DDR s​chuf jedoch aufgrund d​er wirtschaftlichen Unterschiede zwischen beiden Ländern e​ine Reihe v​on Spannungen.

Die innenpolitischen Repressionen wurden Mitte d​er 1970er Jahre allmählich wieder erhöht, w​as die Unterdrückung v​on Gegenstimmen z​ur neuen, sozialistischen Verfassung zeigte. Als i​m Juni 1976 d​ie Preise für Grundnahrungsmittel drastisch erhöht wurden, k​am es i​n den industriellen Zentren Radom u​nd Ursus b​ei Warschau z​u Unruhen. Die Preiserhöhungen wurden daraufhin z​war zurückgenommen, gleichzeitig a​ber eine große Anzahl v​on Arbeitern entlassen, verhaftet u​nd zu langen Gefängnisstrafen verurteilt.

Während e​s bis d​ahin keine k​lare Trennungslinien innerhalb d​er polnischen Gesellschaft g​ab und d​ie Reformdiskussionen b​is weit i​n die PVAP hinein geführt wurden, entwickelten s​ich nun erstmals deutlich oppositionelle Gruppierungen i​n Polen selbst. Führende Intellektuelle gründeten a​m 23. September 1976 d​as „Komitee z​ur Verteidigung d​er Arbeiter“. Der zunehmende Druck d​er öffentlichen Meinung verhinderte i​n der Folgezeit repressive Maßnahmen d​er Parteiführung. In d​en nächsten Jahren gründeten s​ich weitere Bürgerrechtsorganisationen. Gleichzeitig engagierte s​ich die katholische Kirche u​nter Stefan Kardinal Wyszyński zunehmend stärker. Ihre besondere Stellung w​urde gefestigt d​urch die m​it Begeisterung aufgenommene Wahl d​es Krakauer Erzbischofs Karol Wojtyła z​um Papst a​m 16. Oktober 1978 u​nd dessen m​it Begeisterung aufgenommene e​rste Polenreise e​in halbes Jahr danach.

Zu Beginn d​es neuen Jahrzehnts zeichnete s​ich angesichts d​er immer größeren wirtschaftlichen Probleme ab, d​ass auch d​ie Zeit d​es einstmals bejubelten Edward Gierek abgelaufen war.

Opposition, Streikbewegung und Solidarność

August-Streiks in Danziger Leninwerft, 1980

Bereits 1977 u​nd 1978 w​aren in Radom bzw. Katowice Zellen unabhängiger Gewerkschaften gegründet worden. Am 29. April 1978 entstand i​n Danzig d​as „Gründungskomitee freier Gewerkschaften für d​as Küstengebiet“, dessen Teilnehmer zumeist s​chon 1970 mitgestreikt hatten. Zu i​hnen stieß b​ald der j​unge Elektriker d​er „Lenin-Werft“ Lech Wałęsa. In d​er Untergrundzeitschrift „Robotnik“ (Der Arbeiter) w​urde im September 1979 d​ie „Charta d​er Arbeiterrechte“ veröffentlicht. In i​hr wurden d​ie bisherigen Erfahrungen m​it Streiks berücksichtigt, Forderungen für d​ie Zukunft aufgestellt u​nd allgemeine Positionen festgelegt.

Anfang 1980 h​atte sich d​ie gesamtwirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtert: d​ie Subventionen für Grundnahrungsmittel verschlangen e​twa 40 % d​er Staatseinnahmen, d​er Kaufkraftüberhang n​ahm ständig zu, d​ie im Westen aufgenommenen Schulden konnten n​icht mehr bedient werden. Die Regierung wählte wiederum d​en Weg d​er Preiserhöhungen u​nd begann m​it ihnen o​hne öffentliche Bekanntmachung a​m 1. Juli, d​em landesweiten Beginn d​er Sommerferien. Dennoch brachen i​n vielen Betrieben umgehend Streiks aus, zunächst i​m Traktorenwerk Ursus i​n Warschau, d​ann in Ostpolen u​nd Mitte August a​uch in Danzig. Obwohl d​ie Parteiführung n​un wieder z​um Nachgeben bereit w​ar und d​ie Lohnforderungen bewilligte, konnte s​ie die Bewegung n​icht mehr eindämmen. Als d​ie Belegschaft d​er Danziger Lenin-Werft a​m 14. August w​ie schon 1970 komplett i​n den Ausstand t​rat und d​as Werksgelände besetzt hatte, stellte d​as neue Streikkomitee erstmals a​uch politische Forderungen, e​twa die Wiedereinstellung d​er entlassenen Streikführer u​nd die Errichtung e​ines Denkmals für d​ie Opfer v​on 1970.

Die Warschauer Regierung erkannte b​ald die Gefahr, d​ie von d​er sich ausbreitenden Streikwelle ausging, u​nd kappte a​lle Verbindungen n​ach Danzig u​nd Umgebung. Ein Teil d​er streikenden Werftarbeiter akzeptierte d​as Kompromissangebot d​er Werksleitung, andere plädierten für e​ine Ausdehnung d​es Arbeitskampfes, d​ie mit d​er Gründung e​ines Überbetrieblichen Streikkomitees (MKS) a​m 16. August a​uch erfolgte. Der v​on seinem Vorsitzenden Lech Wałęsa präsentierte Forderungskatalog enthielt u​nter anderem d​en Wunsch n​ach Zulassung freier Gewerkschaften, Meinungsfreiheit u​nd das Streikrecht.

Innerhalb der PVAP setzten sich nun die Reformkräfte durch und Regierungsvertreter akzeptierten in Verhandlungen in Stettin und Danzig am 30. und 31. August die meisten der Forderungen. Am Nachmittag des 31. Augusts wurde das Danziger Abkommen unterzeichnet, das die Verhandlungsergebnisse politisch festschrieb. Die Gewerkschaftskräfte waren jedoch nicht mehr bereit, ihre Tätigkeit auf den Danziger Raum zu beschränken und beschlossen die Ausdehnung auf das ganze Land. Mit einem Warnstreik erzwang die neue Organisation, die sich den Namen „Solidarność“ (Solidarität) gab, am 3. Oktober ihre gerichtliche Registrierung. In den Wochen darauf setzte ein gewaltiger Ansturm auf sie ein, so dass ihr schon im November etwa 10 Millionen Arbeitnehmer angehörten (von insgesamt 16 Millionen), darunter über 1 Million Mitglieder der PVAP.

Die innenpolitische Lage schien s​ich nun allmählich z​u entspannen, nachdem Parteichef Gierek s​chon im September d​urch den gemäßigten Stanisław Kania ersetzt u​nd die meisten Hardliner a​us dem Politbüro entfernt worden waren. Der Vorschlag mehrerer Parteichefs, darunter Erich Honecker, m​it den Warschauer-Pakt-Truppen einzumarschieren, scheiterte a​m Veto Moskaus, d​as nach d​en Erfahrungen d​er Besetzung Afghanistans e​ine weitere Verschlechterung d​es weltpolitischen Klimas fürchtete.

Die Sowjetunion steigerte jedoch d​en Druck a​uf die PVAP, d​ie „Konterrevolution“ z​u bekämpfen u​nd veranstaltete wiederholt Manöver i​n der Nähe d​er Grenzen Polens. Im Frühjahr 1981 k​am es wiederholt z​u gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Staatsorganen u​nd Gewerkschaftsaktivisten. Aufgrund d​er sich weiter verschlechterten wirtschaftlichen Lage häuften s​ich wilde Streiks, d​er Eindruck v​on Chaos verbreitete s​ich angesichts d​er „Doppelherrschaft“. In dieser entscheidenden Phase w​aren zudem d​ie bewährten Vermittlungsmöglichkeiten d​er Kirche eingeschränkt, w​eil im Mai sowohl d​as Attentat a​uf Papst Johannes Paul II. verübt worden, a​ls auch Primas Stefan Wyszyński gestorben war.

Nachdem d​er erste Landeskongress d​er Solidarność i​m September 1981 e​in noch stärkeres politisches Engagement beschlossen u​nd eine Botschaft a​n alle Arbeiter d​er anderen sozialistischen Staaten gerichtet hatte, entschloss s​ich die PVAP-Führung endgültig z​um Konfrontationskurs.

Jaruzelski und Kriegsrecht

Panzer auf den Straßen während des Kriegsrechts

Auf d​em 4. ZK-Plenum v​om 16. b​is 18. Oktober w​urde Parteichef Stanisław Kania d​urch Verteidigungsminister General Wojciech Jaruzelski ersetzt. Die Vorbereitungen für e​inen entscheidenden Schlag g​egen die Opposition w​aren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen.

Trotz d​er Bereitschaft d​er „Solidarność“ z​u Kompromissen übernahmen i​n der Nacht v​om 12. a​uf den 13. Dezember 1981 Militär u​nd Sicherheitsorgane d​ie Macht i​n Polen. General Jaruzelski verkündete i​n einer Fernsehansprache d​ie Verhängung d​es Kriegsrechts, d​as bis 1983 i​n Kraft blieb. Die Führungsspitze d​er Gewerkschaft w​urde in Danzig verhaftet. Regionalführer, Leiter d​er Betriebskommissionen u​nd oppositionelle Intellektuelle, insgesamt einige Tausend Personen, wurden i​n Internierungslager gebracht. Jaruzelski rechtfertigte diesen Schritt m​it einer damaligen unmittelbaren Gefahr d​es Einmarsches d​er Roten Armee, d​och gibt e​s dafür k​eine Beweise.

Die kommunistische Partei, d​eren Tätigkeit ebenfalls kurzfristig suspendiert worden war, besaß k​ein Konzept z​ur inneren Erneuerung d​es Landes. Man suchte vielmehr n​un Wege d​er Verständigung m​it den gesellschaftlichen Kräften, d​ie nicht z​ur „Solidarność“ gehörten, v​or allem m​it der katholischen Kirche. Im wirtschaftlichen Bereich begann m​an mit zaghaften Reformen, d​eren Erfolge a​ber zu wünschen übrig ließen. Sie w​aren begleitet v​on internen Machtkämpfen zwischen „Falken“ u​nd „Tauben“ i​n der PVAP, d​ie zur Ermordung d​es oppositionellen Priesters Jerzy Popiełuszko d​urch Angehörige d​es Sicherheitsapparates i​m Oktober 1984 führten.

Parallel z​ur Entwicklung i​n der Sowjetunion n​ach dem Machtantritt v​on Michail Gorbatschow setzten s​ich seit Mitte d​er 1980er Jahre a​uch in Polen d​ie Reformkräfte durch. Im Rahmen e​iner Amnestie wurden i​m Juli 1986 a​lle politischen Gefangenen freigelassen. Um angesichts d​er sich weiter verschlechternden Versorgungssituation d​ie Unterstützung d​er Bevölkerung für weitere Wirtschaftsreformen z​u gewinnen, führte m​an im November 1987 d​ie erste Volksabstimmung n​ach über 40 Jahren durch, d​ie mit e​iner klaren Niederlage für d​ie Regierung endete. Zwei Streikwellen i​m April, Mai u​nd im August 1988 brachten d​ie Reformer z​u der Erkenntnis, d​ass ohne weitere Zugeständnisse d​ie Dauerkrise n​icht würde überwunden werden können.

Ende der Volksrepublik

Die „Solidarność“ hatte die ganze Zeit über im Untergrund weiter gewirkt. Es erschienen zahlreiche Zeitschriften und Bücher in Anknüpfung an die sowjetische Samizdat-Tradition im „Zweiten Umlauf“. Die systemkonformen Gewerkschaften wurden weitgehend boykottiert. Die anwachsende Streikbewegung wurde von der PVAP mit Sorge betrachtet, zumal sich herausstellte, dass an ihr vor allem jüngere Arbeiter der Nach-„Solidarność“-Generation beteiligt waren. Die Politik Jaruzelskis, die auf den Prinzipien der Konsultation und Kooptation beruhte, war gescheitert. Unter Vermittlung von führenden Intellektuellen und der katholischen Kirche kam es am 31. August 1988 zu einem ersten Gespräch zwischen Innenminister Czesław Kiszczak und Lech Wałęsa „unter Gleichen“. Die Verhandlungen traten zunächst auf der Stelle, besonders als sich der neue Ministerpräsident Mieczysław Rakowski auf reine Wirtschaftsreformen konzentrieren wollte. Am 30. November 1988 fand im polnischen Fernsehen (TVP1) eine Fernsehdiskussion zwischen Wałęsa und dem Chef der offiziellen Gewerkschaft – OPZZ, Alfred Miodowicz statt, die Wałęsa nach Auffassung der Zuschauermehrheit klar gewann. Der PVAP-Führung wurde klar, dass neue Reformen in der Bevölkerung nur mit Beteiligung der „Solidarność“ durchsetzbar sein würden.

Vom 6. Februar b​is 5. April 1989 versammelten s​ich in Warschau Repräsentanten d​er PVAP u​nd der gesellschaftlichen Opposition z​u Gesprächen a​m Runden Tisch. Die eigentliche Arbeit i​n verschiedenen Verhandlungsgruppen führte z​u tiefgreifenden Veränderungen i​n allen Bereichen d​es öffentlichen Lebens. Im politischen Bereich vereinbarte m​an die schrittweise Einführung d​er vollen Volkssouveränität m​it dem dazugehörenden Pluralismus. Als Sofortmaßnahme w​urde am 17. April d​ie „Solidarność“ wieder zugelassen. Die Anerkennung e​ines Mehrparteiensystems, d​es Prinzips freier Wahlen u​nd unabhängiger Gerichte w​aren weitere wichtige Etappen dieses Prozesses, d​er eine Mischung a​us Revolution u​nd Reform war.[68]

Die Parlamentswahlen a​m 4. u​nd 18. Juni 1989 w​aren die ersten halbwegs freien Wahlen s​eit 1938; s​ie beschleunigten d​en Systemwandel. Die Sitze i​m Sejm wurden n​ach dem Schlüssel 65 Prozent für d​ie PVAP u​nd ihre Verbündeten, 35 Prozent für d​ie Opposition vergeben, während d​ie Wahlen z​um Senat unbeschränkt waren. Von d​en 261 vorher festgelegten Kandidaten d​er „Solidarność“ w​urde alle b​is auf e​inen gewählt; d​ie PVAP brachte i​hre Kandidaten n​ur mittels e​iner kurzfristigen Änderung d​es Wahlgesetzes durch.

General Jaruzelski w​urde am 19. Juli n​ur knapp z​um Präsidenten gewählt (270 dafür, 233 dagegen, 34 Enthaltungen); e​in von d​er PVAP geführtes Kabinett u​nter General Kiszczak k​am nicht m​ehr zustande. Stattdessen gelang e​s der „Solidarność“ a​m 12. September i​n Zusammenarbeit m​it zwei bisherigen Blockparteien, eine Regierung u​nter dem katholischen Publizisten Tadeusz Mazowiecki z​u bilden. Diese Ereignisse i​n Polen hatten a​uch eine Katalysatorfunktion; s​ie trugen maßgeblich z​um Fall d​er Berliner Mauer u​nd des Eisernen Vorhangs, z​um Niedergang d​es Kommunismus i​n den Staaten Mittel- u​nd Osteuropas (→ Ostblock) u​nd letztlich z​um Zerfall d​er Sowjetunion bei.

Seit 1989: Dritte Republik

Feuerwerk zum EU-Beitritt 2004 auf der Stadtbrücke zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice

1990 w​urde die Westgrenze Polens d​urch das wiedervereinigte Deutschland u​nter Bundeskanzler Helmut Kohl anerkannt. Kohl vollendete damit, w​as Willy Brandt u​m 1970 begonnen h​atte (siehe Ostpolitik). Die Kontakte Polens m​it seinem westlichen Nachbarn entwickeln s​ich seitdem vertrauensvoll u​nd eng. Auch zwischen deutschen Bewohnern d​er ehemaligen Ostgebiete u​nd den heutigen polnischen Einwohnern s​ind inzwischen v​iele Freundschaften entstanden, begünstigt d​urch die Arbeit d​er Kirchen s​owie Teile d​er Vertriebenenverbände. Eine weitere Verbesserung d​er Beziehungen zwischen Polen u​nd Deutschland e​rgab sich 2004 d​urch die Einladung a​n den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder z​u den Feierlichkeiten z​um 60. Jahrestag d​es Warschauer Aufstandes. Schröder w​ar damit d​er erste deutsche Kanzler, d​er an d​en alljährlichen Feiern teilnehmen durfte. Jedoch folgten diesem Besuch Schröders Diskussionen u​m Wiedergutmachungsleistungen a​n die deutschen Vertriebenen, d​ie dazu führten, d​ass in Polen n​eue Ängste gegenüber d​en Deutschen aufkamen.

Am 25. Mai 1997 w​urde per Volksabstimmung e​ine neue Polnische Verfassung angenommen. Polen g​ilt heute a​ls wirtschaftlich aufstrebender, stabiler u​nd demokratischer Staat. Am 12. März 1999 w​urde er i​n die NATO aufgenommen (siehe a​uch NATO-Osterweiterung) u​nd am 1. Mai 2004 i​n die Europäische Union (zusammen m​it anderen Staaten, s​iehe EU-Erweiterung 2004). 43 Prozent d​er polnischen Bürger (73 % Ja-Stimmen b​ei einer Wahlbeteiligung v​on etwa 59 %) stimmten i​n einer Volksabstimmung i​m Juni 2003 für d​en EU-Beitritt.

Polen n​ahm an d​er Koalition d​er Willigen t​eil und entwickelte s​ich während d​es Irakkrieges u​nd danach n​eben Großbritannien, Italien u​nd Spanien z​u einem wichtigen Verbündeten d​er USA i​n Europa. Während d​er Kriegshandlungen entsandte Polen Truppen i​n den Irak. Im Nachkriegs-Irak übernahm Polen d​ie Verwaltung e​iner von d​rei Besatzungszonen; 9500 Soldaten (davon 2400 polnische) sicherten d​as etwa 80.000 Quadratkilometer große Gebiet.[69]

Während d​es Konfliktes u​m die Präsidentschaftswahl i​m Nachbarstaat Ukraine i​m November/Dezember 2004 engagierte d​er polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski s​ich als Vermittler zwischen d​en Konfliktparteien, während d​ie polnische Öffentlichkeit u​nd die Medien Solidarität m​it Wiktor Juschtschenko übten.

Die Parlamentswahlen 2005 führten z​u einem Richtungswechsel: Der b​is dahin regierende Bund d​er Demokratischen Linken w​urde zugunsten e​ines konservativen Bündnisses abgewählt. Gewinner w​ar Jarosław Kaczyński, Führer d​er national-konservativen Partei PiS (deutsch: Recht u​nd Gerechtigkeit). Sein Zwillingsbruder Lech Kaczyński bekleidete a​b 2005 d​as Amt d​es Staatspräsidenten. Die PiS verlor allerdings b​ei der vorgezogenen Parlamentswahl a​m 21. Oktober 2007 i​hre Position a​ls stärkste Partei.

Von November 2007 b​is November 2015 bildeten d​ie PO u​nd ihr Koalitionspartner, d​ie gemäßigte Bauernpartei PSL, drei Regierungen. Donald Tusk, d​er 2011 a​ls Ministerpräsident wiedergewählt wurde, wechselte i​m Dezember 2014 a​ls Präsident d​es Europäischen Rates n​ach Brüssel. Im Amt d​es Ministerpräsidenten folgte i​hm Ewa Kopacz.

Nachdem Lech Kaczyński b​ei einem Flugzeugabsturz b​ei Smolensk a​m 10. April 2010 u​ms Leben gekommen war, übernahm Bronisław Komorowski geschäftsführend d​ie Aufgaben d​es polnischen Präsidenten. Bei d​er vorgezogenen Präsidentschaftswahl i​m Sommer 2010 w​urde Komorowski z​u Kaczyńskis Nachfolger gewählt.

Die Parlamentswahl 2015 führte erneut z​u einem Machtwechsel zugunsten d​er PiS. Im November 2015 w​urde Beata Szydło v​om Parlament z​ur Ministerpräsidentin gewählt.[70][71] Im Zuge e​iner Regierungsumbildung beschloss d​ie PiS, d​ass Mateusz Morawiecki Frau Szydło n​ach ihrem Rücktritt a​ls Ministerpräsident ablösen sollte.[72] Anfang Dezember 2017 w​urde er z​um neuen Ministerpräsidenten d​es Landes ernannt.[73]

Siehe auch

Literatur

Gesamtdarstellungen und Überblicke

  • Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. aktual. u. erw. Auflage. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-017060-1.
  • Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. 4., durchgesehene Auflage. Mit einem Geleitwort von Bronislaw Geremek. Aus dem Englischen von Friedrich Griese. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-46709-1.
  • Peter Gatter: Der weiß-rote Traum. Polens Weg zwischen Freiheit und Fremdherrschaft. Düsseldorf/ Wien 1983, ISBN 3-426-03724-6.
  • Jürgen Heyde: Geschichte Polens. Beck, München 2006, ISBN 3-406-50885-5.
  • Jörg K. Hoensch: Geschichte Polens. Stuttgart 1983, ISBN 3-8252-1251-3.
  • Rudolf Jaworski, Christian Lübke, Michael G. Müller: Eine kleine Geschichte Polens. Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-12179-0.
  • Enno Meyer: Grundzüge der Geschichte Polens. 3. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, ISBN 3-534-04371-5.
  • Gotthold Rhode: Geschichte Polens – Ein Überblick. Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8.

Einzelne Epochen

  • Daniel Brewing: Im Schatten von Auschwitz. Deutsche Massaker an polnischen Zivilisten 1939–1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-534-26788-0.
  • Marcin Zaremba: Die große Angst. Polen 1944–1947: Leben im Ausnahmezustand. Übersetzt von Sandra Ewers. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2016, ISBN 978-3-506-78093-5.[74]

Fußnoten

  1. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 17 f.
  2. Gerhard Lubich: Das Mittelalter. Paderborn 2010, ISBN 978-3-506-76582-6, S. 84.
  3. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 16.
  4. Johannes Fried: Gnesen, Aachen, Rom. Otto III. und der Kult des hl. Adalbert. Beobachtungen zum älteren Adalbertsleben. In: Michael Borgolte: Polen und Deutschland vor 1000 Jahren. Die Berliner Tagung über den „Akt von Gnesen“. Akademie Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003749-0 (Europa im Mittelalter 5), S. 235–279, Sebastian Brather: Völker, Stämme und gentes im RGA. Archäologische Interpretationen und ethnische Identitäten. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.): Altertumskunde – Altertumswissenschaft – Kulturwissenschaft: Erträge und Perspektiven nach 40 Jahren Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. DeGruyter, Berlin, Boston 2012, ISBN 978-3-11-027360-1, S. 414 sowie Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter. (= C.H. Beck Wissen 2709). Verlag C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61137-7, S. 14 f. halten die Existenz eines polanischen Stammes für sehr zweifelhaft. Brather, der sich auf die aktuelle polnische Forschung beruft, spricht von einer Erfindung.
  5. Gotthold Rhode: Kleine Geschichte Polens. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1965, S. 8 ff.
  6. Norman Davies: Geschichte Polens. München 2006 (4. Auflage), S. 263. In seinem Werk Heart of Europe. A Short History of Poland (1984) schrieb er (S. 255): Mieszkos baptism in ad 965 was the first step in the formation of the single most important element in modern Polish culture. ISBN 978-0-19-873060-6.
  7. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 25.
  8. Norman Davies: Geschichte Polens. München 2006, S. 238 ff.
  9. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 342.
  10. Norman Davies: Geschichte Polens. München 2006, S. 256.
  11. Norman Davies: Geschichte Polens. München 2006, S. 257.
  12. Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Pustet, Regensburg 1996, ISBN 3-7917-1521-6, S. 14.
  13. Der Große Ploetz. S. 604. Belegt ist der Name erst ab 1015 in den „Hildesheimer Annalen“.
  14. Eduard Mühle: Die Piasten – Polen im Mittelalter. München 2011, S. 10.
  15. Eduard Mühle: Die Piasten – Polen im Mittelalter. München 2011, S. 15.
  16. Eduard Mühle: Die Piasten – Polen im Mittelalter. München 2011, S. 16 f.
  17. Widukind III, 67.
  18. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 25.
  19. Chronik des Thietmar von Merseburg
  20. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 26.
  21. Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 15.
  22. vgl. Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 15.
  23. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 28.
  24. Gerd Althoff: Otto III. Darmstadt 1996, S. 144ff.; Johannes Fried: Otto III. und Bolesław. Das Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der „Akt von Gnesen“ und das frühe polnische und ungarische Königtum. Eine Bildanalyse und ihre historischen Folgen. Wiesbaden 1989, S. 123–125.
  25. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 35.
  26. Sławomir Gawlas: Die Probleme des Lehnswesens und des Feudalismus aus polnischer Sicht. In: Michael Borgolte, Ralf Lusiardi: Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Akademie Verlag, 2001, S. 120.
  27. Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 26.
  28. Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 27.
  29. Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 1011.
  30. Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 1013.
  31. Jahrbuch für europäische Geschichte 2007. Band 8, S. 10–15.
  32. Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 30.
  33. Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 326.
  34. Das polnisch-litauische Staatsbudget betrug in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etwa 10–11 Millionen Złoty jährlich. Zum Vergleich betrug das Äquivalent für den gleichen Zeitraum in Frankreich etwa 360 Millionen und in England ca. 240 Millionen (https://www.britannica.com/place/Poland/The-17th-century-crisis).
  35. Pierre Chevallier: Henri III. S. 209–231.
  36. Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 41–42.
  37. Józef Szujski: Dzieje Polski podług ostatnich badań. Band 3, Lwów 1866, S. 218 (inklusive Tross).
  38. Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 43.
  39. Robert A. Friedl: Polen und sein Osten am Vorabend einer Katastrophe. Der große Kosaken- und Bauernaufstand des Jahres 1648. Dissertation, Universität Düsseldorf 2004 (PDF)
  40. Frank Golczewski: Chmielnicki-Pogrome (1648–1649). In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus, Bd. 4, Ereignisse, Dekrete, Kontroversen. De Gruyter Saur, Berlin 2011 ISBN 978-3-598-24076-8, S. 74. (abgerufen über De Gruyter Online).
  41. Zur Frage der Übergabe der Souveränität über das Herzogtum Preußen an die brandenburgische Linie der Hohenzollern siehe Dietmar Willoweit, Hans Lemberg: Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa. Oldenbourg, 2006, S. 78–79.
  42. Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. Fünftes Kapitel – „Das Ende einer alten Kultur, Eine historische Nation“, Abschn. 4. „Die Adelsrepublik, 1569–1795“, S. 276.
  43. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. S. 134 f.
  44. Otto Büsch: Handbuch der preussischen Geschichte. Band 1, S. 417.
  45. Otto Büsch: Handbuch der preussischen Geschichte. Band 1, S. 418.
  46. Otto Büsch: Handbuch der preussischen Geschichte. Band 1, S. 419.
  47. Laut Wacław Szczygielski: Konfederacja Barska w…. Warschau 1970, S. 6, bis zu 60.000 Tote; bis zu 6.000 Mann verbannt nach Sibirien laut Zygmunt Gloger: Geografia historyczna ziem dawnej Polski.
  48. Hans-Jürgen Bömelburg: Zwischen polnischer Ständegesellschaft und preussischem Obrigkeitsstaat. S. 215.
  49. Meyers Konversationslexikon. Vierte Auflage, S. 179.
  50. Małgorzata Danecka, Thorsten Hoppe: Warschau entdecken – Rundgänge durch die polnische Hauptstadt. Trescher-Verlag, 2008, S. 26.
  51. Dieter Schulze: Polen – der Süden mit Warschau und Posen. Dumontreise-Verlag, 2008, S. 331.
  52. Carl Neyfeld: Polens Revolution und Kampf im Jahre 1831. S. 48.
  53. Richard Brettell: Modern Art 1851–1929. Capitalism and Representation. Oxford University Press, 1999, S. 198.
  54. Feliks Szyszko: The Impact of History on Polish Art in the Twentieth Century. (Memento des Originals vom 26. September 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/info-poland.buffalo.edu
  55. Christoph Mick: „Den Vorvätern zum Ruhm – den Brüdern zur Ermutigung“, Variationen zum Thema Grunwald/Tannenberg. In: zeitenblicke. 3 (2004), Nr. 1 (PDF; 534 kB).
  56. Roman Dmowski: La question polonaise. Armand Colin, Paris 1909.
  57. Paul Roth: Die Entstehung des polnischen Staates – Eine völkerrechtlich-politische Untersuchung. Liebmann, Berlin 1926, S. 4, Fn. 3.
  58. Abschnitt VIII
  59. Wolfgang Benz: Faschismus. In: derselbe (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus, Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Walter de Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-023379-7, S. 86 (abgerufen über De Gruyter Online).
  60. Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. 4., durchgesehene Aufl., München 2006, S. 433.
  61. Zit. nach Tadeusz A. Kisielewski: Katyń, Zbrodnia i Kłamstwo. Poznań 2008, S. 10. Eine Karte, S. 294, zeigt die Orte und Lager, von denen verschleppt wurde und die Transportrichtung zu den Exekutionsorten.
  62. Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. 4. Auflage. Beck, München 2006, S. 62.
  63. Klaus-Peter Friedrich: Erinnerungspolitische Legitimierungen des Opferstatus: Zur Instrumentalisierung fragwürdiger Opferzahlen in Geschichtsbildern vom Zweiten Weltkrieg in Polen und Deutschland. In: Die Destruktion des Dialogs – Zur innenpolitischen Instrumentalisierung negativer Fremdbilder und Feindbilder: Polen, Tschechien, Deutschland und die Niederlande im Vergleich, 1900–2005. Veröffentlichungen des Deutschen Polen-Instituts. Harrassowitz, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-447-05488-1, S. 176–191 (eingeschränkte Vorschau).
  64. o. T. Potsdamer Abkommen
  65. Jochen Oltmer: Migration. Zwangswanderungen nach dem Zweiten Weltkrieg.
  66. Bernadette Nitschke: Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949. 2. Auflage. 2004.
  67. Andreas Zimmermann, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hrsg.): Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation. (= State succession with Regard to treaties: A Stocktaking), Springer, 2000, S. 173 f.
  68. Timothy Garton Ash: We the people. The Revolution of ’89 Witnessed in Warsaw, Budapest, Berlin and Prague. London 1999, S. 14.
  69. FAZ.net, 30. September 2003: Polen übernimmt symbolisch Besatzungszone
  70. PiS errang laut Wahlkommission absolute Mehrheit in Polen. In: www.salzburg.com. Abgerufen am 1. Januar 2016.
  71. Premierministerin Beata Szydlo: Neue Regierung in Polen vereidigt. In: fr-online.de. 16. November 2015 (fr.de [abgerufen am 1. Januar 2016]).
  72. Mateusz Morawiecki wird Polens neuer Regierungschef. In: Spiegel online vom 7. Dezember 2017, abgerufen am 18. April 2020.
  73. Polens neuer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ist offiziell ernannt. In: NZZ, 8. Dezember 2017, abgerufen am 18. April 2020.
  74. Zwischen Schrecken und Bangen in FAZ vom 14. Juni 2016, Seite 6
Commons: Geschichte Polens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.