Hochverrat
Der Hochverrat ist ein Straftatbestand, der auf den gewaltsamen Umsturz im Innern gerichtet ist.
Im Gegensatz zum Hochverrat schwächt der Landesverrat den eigenen Staat in seiner Sicherheit gegenüber ausländischen Staaten. Die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats dagegen zielt auf den gewaltlosen Umsturz durch Maßnahmen im Innern mit Unterstützung von außen ab.[1]
Klassische Beispiele sind der Versuch eines Staatsstreichs oder der Versuch, das Staatsoberhaupt zu ermorden. Der Hochverrat ist auch zu unterscheiden vom Verbrechen der Aggression durch Anwendung von Waffengewalt gegen einen Staat durch Personen, die tatsächlich in der Lage sind, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.
Rechtsgeschichte
Antike, Mittelalter und Frühe Neuzeit
Im römischen Strafrecht wurden die perduellio (Hochverrat) und das dieser ähnliche crimen maiestatis als Kapitalverbrechen mit dem Tode bestraft. Über Hochverrat wurde in der Römischen Republik nicht aufgrund Privatklage durch die Volksversammlung entschieden, sondern es existierte ein magistratisches Untersuchungsverfahren, die sog. inquisitio durch die vom Konsul für den Einzelfall ernannten Hilfsbeamten (Quästoren), weil ein öffentliches Interesse an seiner Verfolgung bestand. Bei diesem Verfahren handelte es sich um ein Offizialverfahren, dessen Ziel jedoch nicht die Erforschung der materiellen Wahrheit, sondern die Schuld- oder Unschuldsfeststellung des der Tat Verdächtigen mit Hilfe bestimmter Beweismittel (Reinigungseid, Eideshelfer, Gottesurteil) war.[2]
Nach Quintus Cervidius Scaevola wurde wegen Hoch- und Landesverrats bestraft, wer durch Arglist (dolo malo) oder eidliche Versicherung jemanden dazu gebracht hatte, zum Schaden des römischen Staates, insbesondere zum militärischen Nachteil des römischen Heeres zu handeln.[3]
Das wichtigste spätantike Gesetz zum Gegenstand, die lex Quisquis von Arcadius, wurde in den Codex Iustinianus übernommen.[4][5] Die Hochverrats- und Majestätsprozesse nach Byzantinischem Recht sind allerdings noch nicht systematisch erforscht.[6]
Auch die Constitutio Criminalis Carolina kannte den Tatbestand der „Verräterei“ (Hochverrat), die mit Enthaupten und Vierteilen bestraft wurde.[7][8]
Das Preußische Allgemeine Landrecht (PrALR)[9] sah für Täter und Teilnehmer eines Hochverrats die nach Verhältniß seiner Bosheit, und des angerichteten Schadens, härteste und schreckhafteste Leibes- und Lebensstrafe, also die Todesstrafe vor. Es konnten außerdem das Vermögen eingezogen und die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt werden.[10] Unter den Oberbegriff der Verbrechen gegen die innere Ruhe und Sicherheit des Staats und der Verletzungen der Ehrfurcht gegen den Staat fielen Tatbestände wie die „Erregung von Missvergnügen gegen die Regierung“, Majestätsbeleidigung oder Angriffe auf die Familie des Landesherrn und gegen Staatsbedienstete.[11][12]
Hochverrat zählte zu den nicht öffentlich, sondern oft im Wege der Kabinettsjustiz abgeurteilten Straftaten wie beispielsweise im ersten Verfahren gegen Friedrich Wilhelm Schulz.
Deutsches Kaiserreich
In dem mit Gesetz vom 15. Mai 1871 als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich übernommenen Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund waren Hoch- und Landesverrat in §§ 80 ff. geregelt.[13] Seit dem 1. Januar 1872 wurde der Mord und der Versuch des Mordes, welche an dem Kaiser, an dem eigenen Landesherrn, oder während des Aufenthalts in einem Bundesstaate an dem Landesherrn dieses Staats verübt worden sind, als Hochverrath mit dem Tode bestraft,[14] alle anderen hochverräterischen Unternehmen nach § 81 mit zeitiger oder lebenslanger Freiheitsstrafe (Zuchthaus oder Festungshaft):
(1) Wer außer den Fällen des § 80 es unternimmt
- einen Bundesfürsten zu tödten, gefangen zu nehmen, in Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung unfähig zu machen,
- die Verfassung des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats oder die in demselben bestehende Thronfolge gewaltsam zu ändern,
- das Bundesgebiet ganz oder theilweise einem fremden Staate gewaltsam einzuverleiben oder einen Theil desselben vom Ganzen loszureißen, oder
- das Gebiet eines Bundesstaats ganz oder theilweise einem anderen Bundesstaate gewaltsam einzuverleiben oder einen Theil desselben vom Ganzen loszureißen,
- wird wegen Hochverraths mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft bestraft.
(2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein.
(3) Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Ämter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden.
Nach einem missglückten Revolverattentat auf den deutschen Kaiser Wilhelm I. wurde Max Hödel im Sommer 1878 wegen Hochverrat zum Tode verurteilt und hingerichtet. Karl Liebknecht wurde 1907 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu eineinhalb Jahren Festungshaft verurteilt.
Weimarer Republik
Die Vorschriften aus der Kaiserzeit blieben in der Weimarer Republik unverändert und mussten bei Bedarf durch Auslegung an die neuen Verhältnisse angepasst werden. Anstelle des Kaisers trat beispielsweise der Reichspräsident.
Im Zusammenhang mit der Münchner Räterepublik standen etwa Ernst Toller, Eugen Leviné und Hans von Hentig wegen Hochverrat vor Gericht.
Ergänzend zum Reichsstrafgesetzbuch wurde 1922 das Gesetz zum Schutz der Republik erlassen. Dieses sah in § 9 Abs. 2 bei einer Verurteilung wegen Hochverrats gegen Ausländer deren Ausweisung vor.[15] Obwohl Adolf Hitler im Jahr 1924 nach dem gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch wegen Hochverrats verurteilt worden war, wurde das Gesetz in seinem Fall nicht angewendet.[16] Gustav von Kahr hatte in seiner Funktion als Generalstaatskommissar den Vollzug des Gesetzes im September 1923 ausgesetzt.[17][18]
Nationalsozialismus
Im Reichstagsbrandprozess 1933 wurde allein Marinus van der Lubbe wegen Hochverrats verurteilt, die Mitangeklagten Ernst Torgler und Georgi Dimitroff freigesprochen.
Nach dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens vom 24. April 1934 wurde Hochverrat nach §§ 80–87 RStGB mit dem Tode bestraft. Darunter fiel insbesondere das Unternehmen, gewaltsam das Reichsgebiet ganz oder teilweise einem fremden Staat einzuverleiben oder ein zum Reiche gehöriges Gebiet vom Reiche loszureissen, gewaltsam die Verfassung des Reichs zu ändern oder den Reichspräsidenten, den Reichskanzler oder ein anderes Mitglied der Reichsregierung seiner verfassungsmäßigen Gewalt zu berauben, ebenso die Verabredung eines solchen Unternehmens, die Vorbereitung oder der öffentliche Aufruf dazu, etwa im Rundfunk sowie die Herstellung und Verbreitung von Druckschriften, Schallplatten oder bildlichen Darstellungen mit hochverräterischem Inhalt.[19] Zur Aburteilung war der Volksgerichtshof zuständig.
Prominente Beispiele für entsprechende Schauprozesse sind die Verfahren gegen die Geschwister Scholl[20] oder die Beteiligten des Attentats vom 20. Juli 1944. Die Urteile des Volksgerichtshofs wurden mit dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG) von 1998 aufgehoben und die Opfer rehabilitiert.[21]
Deutschland
Entwicklung seit 1945
Die §§ 80–87 RStGB wurden mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom 30. Januar 1946 aufgehoben.
Bundesrepublik Deutschland
Das westdeutsche politische Strafrecht wurde im Wesentlichen durch das Erste Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951[22] geprägt.
1951 wurde der Hochverrat in §§ 80–87 StGB neu gefasst. Dabei wurden insbesondere in § 80 StGB die gewaltsamen Unternehmen gegen das Reichsgebiet und die Reichsverfassung (§§ 80–87 RStGB) durch gegen die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland oder der Verfassung eines ihrer Länder beruhende verfassungsmäßige Ordnung ersetzt. Der hochverräterische Anschlag wurde in § 83 StGB auf Leib und Leben des Bundespräsidenten beschränkt, der hochverräterische Zwang auf die gewaltsame Einwirkung auf dessen verfassungsmäßige Befugnisse. Unter dem Eindruck des Koreakrieges und vorangegangener kommunistischer Machtergreifungen in den Ostblockstaaten wurde versucht, gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland und die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen mit den Mitteln des Strafrechts zu bekämpfen. Dies traf zunächst den „Hauptausschuss für Volksbefragung“, der eine auf die Wiedervereinigung beider Teilstaaten zielende Unterschriftenkampagne organisiert hatte. Die Kampagne wurde wegen ihrer Nähe zur KPD und SED vom Bundesgerichtshof (BGH) als „verfassungsfeindlich“ eingestuft, ein hochverräterisches Unternehmen konnte der BGH jedoch im Urteil von 1954 nicht feststellen.[23] Während bei den Bestimmungen über Hochverrat und Landesverrat an Vorbilder im früheren deutschen Strafrecht angeknüpft werden konnte, betrat der Gesetzgeber 1951 mit den im Abschnitt „Staatsgefährdung“ geschaffenen Straftatbeständen Neuland. Mit diesen Straftatbeständen sollten die neuzeitlichen Umsturzmethoden, die Methoden des Kalten Krieges, erfasst werden.[24] Die Wiedereinführung des Hochverratsparagraphen war gesellschaftlich sehr umstritten. Auch jenseits der Mitglieder und Sympathisanten der KPD, gegen die sich die neuen Bestimmungen vornehmlich richteten, gab es Juristen, die die Rechtsnormen für zu vage und unbestimmt hielten – so gleich mehrere Debattenbeiträge auf dem Frankfurter Juristentag 1950. Eine „Verteidigerkomiteebewegung“ organisierte daraufhin Rechtshilfe in politischen Prozessen.[23]
Die Große Strafrechtsreform führte mit dem Achten Strafrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1968[25] auch zu einer rechtsstaatlichen Weiterentwicklung des politischen Strafrechts.
Eines der Hauptziele war es, die Tatbestände des Staatsschutzstrafrechts unter größtmöglicher Präzisierung so weit, wie es kriminalpolitisch vertretbar erschien, einzuschränken, insbesondere das Gesetz von allem freizuhalten, was förderliche Kontakte zwischen den Menschen aus beiden Teilen Deutschlands und die notwendige geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus behindern könnte. Im Vordergrund standen danach Änderungen der Vorschriften gegen Staatsgefährdung und gegen Landesverrat. Für eine Neugestaltung des Abschnitts Hochverrat bestand dagegen kein dringendes rechtspolitisches Bedürfnis. Die Neufassung diente eher einer schlüssigen Gesamtkonzeption.[26]
Die Bestimmungen in §§ 81–83a StGB n.F. zum Hochverrat gegen den Bund, gegen ein Land und die Vorbereitung hochverräterischer Unternehmen gegen Bund und Länder entsprachen in der tatbestandlichen Umschreibung völlig dem 1962 vorgelegten Entwurf der Großen Strafrechtskommission (E 1962).[27] In § 81 StGB n.F. wurde der Gebietshochverrat gegen den Bund in einen Bestandshochverrat erweitert (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Beim Verfassungshochverrat (§ 81 Abs. 1 Nr. 2 StGB) wird das geschützte Rechtsgut umschrieben als die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende „verfassungsmäßige Ordnung“. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass das Schutzobjekt die auf dem Grundgesetz beruhende konkrete Staatsordnung ist, wie sie in den verfassungsmäßigen Organen und Einrichtungen Gestalt gewonnen hat, also die Verfassungswirklichkeit.[28][29] Entsprechendes gilt für den Verfassungshochverrat gegen ein Land. Dagegen blieb die Vorschrift über den Gebietshochverrat gegen ein Land, auch wenn er praktisch nicht in Betracht kommen dürfte, in der Form erhalten, dass nur der Bestand des Gebiets der Länder im inneren Bereich der Bundesrepublik geschützt wird (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Denn ein anderer hochverräterischer Angriff auf den Bestand eines Landes richtet sich gegen den umfassenderen Bestand der Bundesrepublik und wird daher von § 81 Abs. 1 Nr. 1 erfasst. Von den Strafdrohungen des E 1962 wich die Neufassung nur insoweit ab, wie sich aus der Verschiedenheit der Strafensysteme des geltenden Rechts und des Entwurfs 1962 notwendige Unterschiede ergaben.[30]
DDR
Hochverrat gehörte zu den Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik. § 96 StGB lautete:
(1) Wer es unternimmt,
- die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik durch gewaltsamen Umsturz oder planmäßige Untergrabung zu beseitigen oder in verräterischer Weise die Macht zu ergreifen;
- das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik einem anderen Staat einzuverleiben oder einen Teil desselben von ihr loszulösen;
- einen Angriff auf Leben oder Gesundheit eines führenden Repräsentanten der Deutschen Demokratischen Republik zu begehen;
- mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die verfassungsmäßige Tätigkeit der führenden Repräsentanten der Deutschen Demokratischen Republik unmöglich zu machen oder zu behindern,
- wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen kann auf Todesstrafe erkannt werden.
Mit Gesetz vom 18. Dezember 1987 und im Zusammenhang mit der Abschaffung der Todesstrafe in der DDR ab 1988 erhielt Absatz 2 folgenden Wortlaut:
(2) Auf lebenslängliche Freiheitsstrafe kann insbesondere beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 110 Ziffern 1 bis 4 erkannt werden.
Durch Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wurde § 96 „bis zu einer Neuregelung“ außer Anwendung gesetzt. Durch Gesetz vom 29. Juni 1990[31] erhielt er eine neue Fassung ohne Bezugnahme auf „die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung“. Durch den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde das DDR-StGB insgesamt aufgehoben.[32]
Personen, die zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 2. Oktober 1990 wegen Hochverrats verurteilt wurden, können nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz rehabilitiert werden, wenn die Tat für die Bundesrepublik Deutschland, einen mit ihr verbündeten Staat oder für eine Organisation begangen worden sein soll, die den Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung verpflichtet ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe i StrRehaG).
Tatbestand §§ 81–83a StGB
In der Bundesrepublik Deutschland ist der Hochverrat gegen den Bund oder die Länder unter den Staatsschutzdelikten in den §§ 81–83a StGB als Verbrechen geregelt. Die Tat ist ein Unternehmensdelikt, bei dem der Versuch genauso bestraft wird wie die Vollendung. Zudem ist auch die Vorbereitung des Hochverrats (§ 83 StGB) unter Strafe gestellt.
Geschütztes Rechtsgut ist der physische und verfassungsmäßige Bestand der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesländer. Dieser umfasst die staatliche Einheit von Bund und Ländern, deren Gebietsintegrität und die völkerrechtliche Souveränität des Bundes (Bestandshochverrat) gemäß § 81 Abs. 1 StGB:
(1) Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt
- den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder
- die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern,
- wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Für die Gefährdung des Bestandes der Bundesländer in ihrer territorialen Integrität und verfassungsmäßigen Ordnung ist dagegen § 82 Abs. 1 StGB einschlägig:
(1) Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt
- das Gebiet eines Landes ganz oder zum Teil einem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland einzuverleiben oder einen Teil eines Landes von diesem abzutrennen oder
- die auf der Verfassung eines Landes beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern,
- wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Der Verfassungshochverrat bezeichnet sämtliche Änderungen und Beseitigungen des Wesensgehaltes der Verfassung wie die freiheitliche Demokratie, den Rechtsstaat und die Grundrechte.
Tatmittel sind die Gewalt und die Drohung mit Gewalt und entsprechen im Wesentlichen dem Gewaltbegriff bei der Nötigung.
Der Hochverrat ist kein Sonderdelikt, das nur von Deutschen begangen werden kann. Auch Ausländer können Hochverrat begehen, der aber völkerrechtlich gerechtfertigt sein kann. Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, auch für aus dem Ausland begangenen Hochverrat (§ 5 Nr. 2 StGB).
Als Vorbereitung nach § 83 StGB gilt schon die objektive Förderung des Unternehmens nach §§ 81, 82 StGB. Eine konkrete Gefährdung für den Bund oder das Land muss zwar noch nicht eingetreten, eine gewisse Gefährlichkeit soll jedoch nach der Rechtsprechung notwendig sein.
Tätige Reue
Wegen der besonders hohen Strafdrohung und der Einbeziehung des Vorbereitungsstadiums in den Bereich der Strafbarkeit wird dem Straftäter, der Versuchshandlungen bereits aufgibt, nach § 83a StGB bei tätiger Reue eine „goldene Brücke“ gebaut. Mögliche Konsequenz ist dann das Absehen von Strafe oder die Milderung der Strafe nach § 49 Abs. 2 StGB. Notwendig ist jedoch, dass der Täter neben der Aufgabe der Versuchs- und Vorbereitungshandlungen sich zumindest freiwillig und ernsthaft bemüht, eine von ihm verursachte oder erkannte Gefahr abzuwenden, wesentlich zu mindern oder die Vollendung der Tat zu verhindern.
Anzeigepflicht
Wer von einem Vorhaben oder der Ausführung eines Hochverrats zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, rechtzeitig Anzeige zu erstatten, wird nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) bestraft, und zwar mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (§ 138 Abs. 1 StGB). Von dieser Anzeigepflicht ist nur das Wissen um die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen ein Bundesland ausgenommen, dann gelten im Speziellen §§ 129, 129a StGB (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung).
Zuständigkeit
Für die Strafverfolgung des Hochverrats gegen den Bund ist mit Wirkung zum 25. Mai 2018 das Bundeskriminalamt zuständig (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6a BKAG).[33] Es hat dabei besondere Ermittlungsbefugnisse zur Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung (§ 100a, § 100b StPO) sowie zur Vermögensbeschlagnahme (§ 443 StPO). Die Nachrichtendienste können nach § 3 Artikel 10-Gesetz die Telekommunikation überwachen und aufzeichnen und die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen öffnen und einsehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand Straftaten des Hochverrats plant, begeht oder begangen hat. Zur Verhütung eines Hochverrats darf das Zollkriminalamt personenbezogenen Daten an die mit polizeilichen Aufgaben betrauten Behörden übermitteln (§ 23d Zollfahndungsdienstgesetz ZFdG).
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof erhebt wegen Hochverrats im ersten Rechtszug öffentliche Klage vor dem zuständigen Oberlandesgericht (§ 120 Abs. 1 Nr. 2 GVG). Gegen das OLG-Urteil ist die Revision zum Bundesgerichtshof möglich. Bis 1969 war bei Hochverrat die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des BGH gegeben.[34] Gem. Art. 96 Abs. 5 Nr. 5 GG üben die Oberlandesgerichte in den erstinstanzlichen Staatsschutz-Verfahren jedoch im Wege der Organleihe die Gerichtsbarkeit des Bundes aus. Bei Hochverrat gegen ein Bundesland kann der Generalbundesanwalt das Verfahren an die zuständige Landesstaatsanwaltschaft abgeben (§ 142a Abs. 2 Nr. 1a GVG).
Österreich
Das österreichische Strafgesetzbuch unterscheidet zwischen Gebiets- und Verfassungshochverrat. Hochverrat ist sowohl gegen den Bund als auch gegen ein Land möglich (§ 242 StGB):
(1) Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich gehörendes Gebiet abzutrennen, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen.
(2) Ein Unternehmen im Sinn des Abs. 1 liegt auch schon bei einem Versuch vor.
Nach dem Strafgesetzbuch ist auch der Hochverrat gegen andere Staaten strafbar. Dort ist der Strafrahmen mit sechs Monaten bis fünf Jahren aber geringer als bei hochverräterischen Unternehmen gegen Österreich (§ 316 StGB).
(1) Wer es im Inland unternimmt (§ 242 Abs. 2), mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung eines fremden Staates zu ändern oder ein zu einem fremden Staat gehörendes Gebiet abzutrennen, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) § 243 gilt entsprechend.
Ein bekannter historischer Prozess wegen Hochverrat ist der Sozialistenprozess des Jahres 1936. Erst im Jahr 2018 wurden Angehörige des sogenannten Staatenbundes Österreich nach diesem Paragraphen erstmals in der Zweiten Republik angeklagt und (nicht rechtskräftig) verurteilt.[35][36]
Schweiz
In der Schweiz wird der Tatbestand des Hochverrates in Art. 265 Strafgesetzbuch definiert:
Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, mit Gewalt die Verfassung des Bundes oder eines Kantons abzuändern, die verfassungsmässigen Staatsbehörden abzusetzen oder sie ausserstand zu setzen, ihre Gewalt auszuüben, schweizerisches Gebiet von der Eidgenossenschaft oder Gebiet von einem Kanton abzutrennen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
Wenn sich die Tat gegen den Bundesstaat richtet, ist Bundesstrafgerichtsbarkeit gegeben. Es ist dann ein politischer Entscheid nötig darüber, ob eine Strafverfolgung stattfinden soll (Ermächtigungsverfahren).
Weitere Länder
Vereinigtes Königreich
Im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland werden unter Hochverrat (High Treason) mehrere Tatbestände zusammengefasst, die auf den Treason Act von 1795 zurückgehen. 1916 wurde beispielsweise Roger Casement wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.[37] Heute gilt hauptsächlich die Ermordung des Monarchen oder der Monarchin (oder deren Ehegatten oder deren ältesten Sohnes), die Kriegsführung gegen die Krone innerhalb des Reiches oder die Unterstützung der Feinde der Krone in Kriegszeiten als Hochverrat. Das höchste Strafmaß ist seit der formellen Abschaffung der Todesstrafe 1998 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Im mittelalterlichen England war Hängen, Ausweiden und Vierteilen die Strafe für Hochverrat.
Vereinigte Staaten
In den USA sagt die Verfassung der Vereinigten Staaten vom 17. September 1787, als Verrat gegen die Vereinigten Staaten sollen nur Kriegführung gegen sie oder Hilfe für ihre Feinde mit Rat und Tat gelten. Dabei wird Hochverrat mit der höchstmöglichen Strafe belegt, es droht also die Todesstrafe, bzw. lebenslange Freiheitsstrafe bei Hochverrat gegen einen Bundesstaat, der die Todesstrafe bereits abgeschafft hat.
Literatur
- Georg Steinberg: Hochverrat, in: Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller, Ruth Schmidt-Wiegand (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Auflage, 13. Lieferung, Berlin 2011, Sp. 1064–1068
- Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach: Philosophisch-juridische Untersuchung über das Verbrechen des Hochverrats. Erfurt, 1798.
- Volker Bützler: Hochverrat – Gesellschaftliche Grundlagen und Geschichte. In: Ders. Staatsschutz mittels Vorfeldkriminalisierung. Eine Studie zum Hochverrat, Terrorismus und den schweren staatsgefährdenden Gewalttaten Nomos, 2017, ISBN 978-3-8487-4086-4, S. 173 ff.
Weblinks
- Walter Perné: Zur Entwicklung des Crimen Maiestatis von der Republik bis zum Ende des Julisch-Claudischen Hauses Diplomarbeit, Wien 2004
- Andre Krischer: Die Macht des Verfahrens. Englische Hochverratsprozesse 1554-1848. Verwalten, Verfahren Entscheiden VVE, Band 3, Münster 2017, ISBN 978-3-402-14659-0
- StGB DDR
- Andreas Austilat: Justiz: Todesstrafe in der DDR, Der Tagesspiegel, 19. Juli 2007
- Karl Härter, Beatrice de Graaf: Vom Majestätsverbrechen zum Terrorismus. Politische Kriminalität, Recht, Justiz und Polizei zwischen Früher Neuzeit und 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-465-04150-4. Rezension von Désirée Schauz, H-Soz-Kult, 14. Mai 2013
- Das Recht auf Widerstand. Widerstand und Verfassungswirklichkeit, Bayerischer Rundfunk, 4. Januar 2017
Einzelnachweise
- Carl Creifelds: Rechtswörterbuch, 21. Aufl. 2014, ISBN 978-3-406-63871-8.
- Kai Ambos: Zum heutigen Verständnis von Akkusationsprinzip und -verfahren aus historischer Sicht, JURA 2008, S. 587.
- Andreas Graeber: Quellen zur Vorlesung „Römische Rechtsgeschichte“/Hoch- und Landesverrat, S. 14/15.
- Detlef Liebs: Die Kodifizierung des römischen Strafrechts im Breviar Alarichs II, 2013, Rn. 11.
- 9,8,5: Die Kaiser Arcadius und Honorius an Eutychianus, Codex Iustinianus, Buch IX, VIII. Titel: Ad legem Iuliam Maiestatis/Über die Anwendung des Iulischen Gesetzes über Majestätsverbrechen.
- Byzantinische Hochverrats- und Majestätsprozesse, Webseite von Wolfram Brandes beim Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, abgerufen am 13. Oktober 2017.
- Hiram Kümper: Hochverrat in Hildesheim. Ein unbekannter Magdeburger Schöffenspruch des Jahres 1544 über die Folter und der Stadtfeind Berthold Rufoit, in: Hildesheimer Jahrbuch 78 (2006), S. 149–153.
- Christian Strasser: Der Aufstand im bayerischen Oberland 1705 – Majestätsverbrechen oder Heldentat?, Rezension von Peter Blickle, sehepunkte Ausgabe 6 (2006), Nr. 7/8.
- PrALR: Zweyther Theil. Zwanzigster Titel: Von den Verbrechen und deren Strafen (Memento vom 24. Juli 2017 im Internet Archive)
- §§ 93–95 PrALR
- §§ 149 ff. PrALR
- Albrecht von Bitter: Das Strafrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 vor dem ideengeschichtlichen Hintergrund seiner Zeit, Baden-Baden 2013, S. 203 ff. Zugl.: Bonn, Univ.-Diss., 2012.
- Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870. Zweiter Theil. Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung/Erster Abschnitt. Hochverrath und Landesverrath, §§ 80 ff.
- § 80 RStGB in der seit dem 1. Januar 1872 geltenden Fassung, lexetius.com, abgerufen am 17. Oktober 2017.
- (Erstes) Gesetz zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922, documentArchiv.de, abgerufen am 17. Oktober 2017.
- Heribert Ostendorf: Politische Strafjustiz in Deutschland, Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, 27. April 2010.
- Walter Ziegler: Ausweisung Adolf Hitlers aus Bayern, Historisches Lexikon Bayerns, 11. Mai 2006.
- Justiz/Weimar: Recht rechts, Der Spiegel, 17. April 1967.
- Gesetz zur Änderung des Strafrechts und des Strafverfahrens vom 24. April 1934, documentArchiv.de, abgerufen am 13. Oktober 2017.
- Kirsten Schulz: Die Weiße Rose vor dem Volksgerichtshof, bpb, 20. April 2005.
- Monika Dittrich: Stauffenberg-Attentat: Wie aus Verrätern Helden wurden, Deutsche Welle, 20. Juli 2014.
- BGBl. I S. 739.
- Sarah Langwald: Kommunistenverfolgung und juristische Gegenwehr: die „Verteidigerkomiteebewegung“ und der „Hauptausschuss für Volksbefragung“, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft I/2018, S. 92–109.
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, Antrag der Fraktion der SPD, BT-Drs. V/102, S. 4.
- BGBl. I S. 741.
- Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes, BT-Drs. V/898, S. 15 f.
- Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962, BT-Drs. IV/650 vom 4. Oktober 1962.
- Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches und über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes, BT-Drs. V/2860, S. 3.
- BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 1959 – 1 BvR 419/54, Rn. 15.
- Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes, BT-Drs. V/898, S. 17.
- GBl. I S. 526, Anl. I.
- Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik -StGB- vom 12. Januar 1968, verfassungen.de, abgerufen am 16. Oktober 2017.
- Art. 1 § 4, Art. 13 Abs. 1 des Gesetzes über die Neustrukturierung des Bundeskriminalamts vom 1. Juni 2017, BGBl. I 1354.
- Hans-Ullrich Paeffgen: Empfiehlt sich eine Änderung/Erweiterung der gesetzlichen Regelungen zur Zuständigkeit des Generalbundesanwalts für staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren im Bereich rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und/oder antisemitischer Straftaten?, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, 2011, S. 9 ff.
- derstandard.at - "Staatsverweigerer" stehen in Graz vor Gericht
- Hohe Haftstrafen für "Staatsfeinde" in Graz - derStandard.at. Abgerufen am 25. Januar 2019.
- Martin Rath: Verräter und Nationalheld, LTO, 2. Oktober 2016.