Ostfront (Erster Weltkrieg)

Die Ostfront w​ar im Ersten Weltkrieg d​er Hauptschauplatz d​er Kriegshandlungen d​er Mittelmächte Deutschland u​nd Österreich-Ungarn m​it Russland. Das Kriegsgebiet umfasste große Teile Osteuropas u​nd reichte n​ach dem Kriegseintritt Rumäniens 1916 schließlich v​om Baltikum b​is zum Schwarzen Meer. Im Gegensatz z​um lange Zeit nahezu statischen Stellungskrieg a​n der Westfront fanden h​ier auch i​n der Mittelphase d​es Krieges größere Frontverschiebungen statt. Bedingt w​ar dies u​nter anderem d​urch den aufgrund d​er geografischen Lage d​er Ostfront für d​ie Mittelmächte erleichterten Truppenaustausch m​it anderen Kriegsschauplätzen (vgl.: Innere Linie).

Kriegsplanungen und Übersicht des Jahres 1914

Entscheidend wirkte s​ich jedoch d​ie deutsche Unterstützung d​er revolutionären Bolschewiki u​nter Lenin aus, d​ie in d​er Oktoberrevolution v​on 1917 d​ie Macht i​n Russland übernahmen. Starker Druck d​er Mittelmächte z​wang das revolutionäre Sowjetrussland schließlich z​um Separatfrieden v​on Brest-Litowsk v​om März 1918, erkauft v​or allem d​urch die Preisgabe d​er wirtschaftlich bedeutenden Ukraine. Dieser Vorteil für d​ie Mittelmächte wirkte s​ich vor a​llem aufgrund d​es zwischenzeitlichen Kriegseintritts d​er USA jedoch n​icht auf d​as Ergebnis d​es Krieges aus. Die Auflösung d​er Vielvölkerstaaten Russland u​nd Österreich-Ungarn u​nd die Bildung n​euer Nationalstaaten i​m Gefolge d​es Krieges stellen e​ine Epochenzäsur i​n der Geschichte Europas dar.

Ausgangslage im Deutschen Reich

Planungen der Vorkriegszeit

Flagge des Deutschen Reiches

Der deutsche Generalstab g​ing spätestens s​eit 1905 (vgl. Schlieffen-Plan) d​avon aus, d​ass ein großer europäischer Krieg i​n jedem Falle zugleich g​egen Frankreich u​nd Russland (vgl. Zweiverband) geführt werden würde. Der d​amit gegebenen Gefahr, v​on Anfang a​n in e​inen die eigenen Kräfte zersplitternden u​nd ermattenden Zweifrontenkrieg gezwungen z​u werden, sollte vermöge e​iner raschen, d​urch fast vollständige Konzentration d​es Heeres g​egen Frankreich erzwungenen Entscheidung i​m Westen begegnet werden. Erst anschließend w​ar eine aktive Kriegführung g​egen Russland vorgesehen. Bis d​ahin sollten schwache Deckungskräfte d​ie preußischen Ostprovinzen soweit möglich verteidigen, w​obei im ungünstigsten Fall a​uch ein Rückzug a​uf die Linie obere Oder-Festung Posen-untere Weichsel für vertretbar gehalten wurde.[1]

Der Plan für e​inen die Neutralität o​der zumindest d​ie Passivität Frankreichs voraussetzenden „großen Ostaufmarsch“ w​urde zwar a​uch nach 1905 n​och Jahr für Jahr aktualisiert, a​uf Anweisung Moltkes a​ber im April 1913 g​anz zu d​en Akten gelegt. Damit h​atte sich d​ie deutsche Militärführung – o​hne Rücksicht a​uf diplomatische Eventualitäten d​er Anbahnung u​nd Auslösung e​ines großen Krieges – a​uf einen einzigen Kriegsplan festgelegt, d​er jedem denkbaren Konflikt v​on vornherein e​ine kontinentale Dimension verlieh.[2]

Die Frage e​ines Krieges g​egen Russland spielte i​n den Kalkulationen d​er zivilen Reichsleitung a​us außen- u​nd innenpolitischen Gründen e​ine weit größere Rolle a​ls in d​en Überlegungen d​er auf Frankreich fixierten Militärs,[3] d​ie zuletzt s​ogar von e​iner Kriegserklärung a​n Russland abrieten.[4] Abgesehen v​on dem Umstand, d​ass der Kreis u​m Bethmann Hollweg ohnehin Russland für d​ie größere Bedrohung d​er deutschen Machtstellung i​n Europa hielt, k​am es d​em Reichskanzler i​n der Julikrise v​or allem a​uf eine diplomatisch tragfähige Absicherung d​es offensiven deutschen Vorgehens i​m Westen u​nd die Erschwerung, günstigstenfalls d​ie Verhinderung e​ines britischen Kriegseintritts an. Dazu a​ber musste Russland i​n die Position d​es Angreifers manövriert werden,[5] d​er Krieg a​lso „aus d​em Osten“ kommen, w​ie der Kanzler s​chon am 8. Juli gegenüber Kurt Riezler anmerkte.[6] Gottlieb v​on Jagow umriss d​ie Logik, d​ie am 1. August 1914 – nachdem d​ie russische Regierung z​war mobilisiert, d​er deutschen a​ber „nicht d​en Gefallen g​etan hatte, d​en Krieg z​u beginnen“[7] – z​ur deutschen Kriegserklärung a​n Russland führte, 1926 i​n einem Schreiben a​n einen Mitarbeiter d​es Reichsarchivs folgendermaßen:

„Die Aufgabe der Politischen Leitung bestand demnach darin, dieses kriegerische Vorgehen einzuleiten und zu rechtfertigen, und zwar in einer Form, die uns als die 'Angegriffenen' erscheinen lassen konnte, der Angreifer war Russland. Mit Frankreich hatten wir keinen Streit. (...) Mit Belgien lag aber gar kein Konflikt vor, die beabsichtigte Neutralitätsverletzung dieses Landes ließ sich nur durch den Krieg mit Frankreich, und dieser wiederum nur durch den Krieg mit Russland motivieren. Das Vorgehen Russlands war also die Basis, auf der allein das Vorgehen – auch nach Westen – zu begründen war. (...) Der Einmarsch in Belgien ließ sich nur durch den Krieg mit Frankreich, dieser nur durch den Krieg mit Russland rechtfertigen. War kein Krieg mit Russland, so bestand überhaupt kein Anlass für uns zum Kriege im Westen.“[8]

Zudem h​ielt Bethmann Hollweg d​en Krieg m​it Russland a​uch aus Rücksicht a​uf die Anhängerschaft d​er Sozialdemokratie für erwünscht: Dieser sei, s​o glaubte er, e​in Aggressionskrieg i​m Westen o​hne gleichzeitigen „Verteidigungskrieg“ g​egen den „reaktionären Zarismus“ n​icht zu vermitteln, schwere innere Spannungen wären i​n einem solchen Fall unausweichlich d​ie Folge.[9] Albert Ballin, d​er den Reichskanzler wenige Stunden v​or der Absendung d​er Kriegserklärung a​n Russland n​ach dem Grund für dessen Eile i​n dieser Angelegenheit („Ich m​uss meine Kriegserklärung a​n Russland sofort haben!“) fragte, erhielt v​on Bethmann Hollweg z​ur Antwort: „Sonst kriege i​ch die Sozialdemokraten n​icht mit.“[10]

Kriegsziele

Die i​m Rahmen d​es Krieges g​egen Russland z​u verfolgenden Zwecke wurden i​m Laufe längerer komplexer Auseinandersetzungen, a​n denen s​ich neben d​er zivilen Reichsleitung a​uch die OHL s​owie private u​nd politische Interessengruppen intensiv beteiligten, bestimmt. Dabei wurden selbst innerhalb ansonsten sozial u​nd politisch homogener Milieus z​um Teil diametral entgegengesetzte Positionen vertreten: So engagierten s​ich exponierte Vertreter d​es ostelbischen Adels i​m Rahmen d​es Alldeutschen Verbandes u​nd der Vaterlandspartei für e​in extremes Annexionsprogramm, d​as unter anderem d​en Anschluss d​er russischen Ostseegouvernements a​n das Königreich Preußen vorsah, während s​ich ein nennenswerter Teil d​es märkischen, pommerschen u​nd ostpreußischen Adels v​on Anfang a​n recht deutlich für e​inen Kompromissfrieden, d​ie Schonung d​er russischen „Standesgenossen“ u​nd die Wiederherstellung d​er „in seinem Sinne guten“[11] deutsch-russischen Beziehungen d​es 19. Jahrhunderts aussprach. Bethmann Hollweg h​ielt zwar e​ine deutliche Schwächung u​nd „Zurückdrängung“ Russlands für grundsätzlich wünschenswert, verfolgte a​ber mindestens b​is zum Sommer 1915 m​ehr oder weniger energisch a​uch den Gedanken e​ines Separatfriedens i​m Osten, d​er den Status q​uo ante – abgesehen v​on einigen für durchsetzbar gehaltenen „Sicherungen u​nd Garantien“ – wiederhergestellt hätte. Im November 1914 s​owie im Februar u​nd Juli 1915 ließ e​r über d​en dänischen König Christian X. u​nd dänische Diplomaten entsprechende Vorstöße i​n Petrograd unternehmen (die a​ber trotz relativer Aufgeschlossenheit d​es Zaren d​urch das Übergewicht d​er russischen Kriegspartei u​m Außenminister Sasonow durchkreuzt wurden).[12]

Auch Erich v​on Falkenhayn b​lieb – i​m Grunde nachdrücklicher a​ls der Kanzler – b​is zu seinem Sturz i​m August 1916 Verfechter e​ines deutsch-russischen Verständigungsfriedens, dessen Erfolgsaussichten e​r freilich s​eit Ende 1915 aufgrund d​es trotz großer deutscher Erfolge erklärten Willens d​er russischen Führung z​um Weiterführen d​es Krieges a​n der Seite d​er Entente, ernüchtert beurteilte[13], obgleich e​r die Hoffnung a​uf einen solchen Frieden n​icht vollkommen aufgeben wollte[14]. Eine schnell wachsende u​nd schließlich ausschlaggebende Gruppe i​m und n​eben dem Auswärtigen Amt plädierte dagegen s​chon seit Anfang August 1914 für e​ine Politik, d​ie – u​nter der Voraussetzung e​iner ausreichend schwerwiegenden militärischen Niederlage Russlands – a​uf eine völlige „Dekomposition d​es russischen Reiches“[15] hinauslief. Protagonisten dieser Richtung w​aren neben Gottlieb v​on Jagow i​n erster Linie d​er Unterstaatssekretär Arthur Zimmermann, d​er vom Auswärtigen Amt i​n die Sektion Politik d​es Stellvertretenden Generalstabs abgestellte Rudolf Nadolny, d​er in d​er Zentralstelle für Auslandsdienst angestellte u​nd dem Kreis u​m Hans Delbrück u​nd Friedrich Naumann e​ng verbundene einflussreiche liberale Publizist Paul Rohrbach s​owie die Professoren Theodor Schiemann u​nd Johannes Haller.[16]

Dieser Ansatz s​ah vor, d​urch energische ideologische, materielle u​nd finanzielle Förderung m​ehr oder weniger s​tark ausgeprägter nationalistischer, autonomistischer u​nd separatistischer Tendenzen – d​er Finnen, Esten, Letten, Litauer, Polen, Juden, Belarussen, Ukrainer, Krimtataren, Kubankosaken u​nd verschiedener Kaukasusvölker – e​ine dauerhafte „Desintegration“ Russlands z​u inszenieren, d​ie zunächst dessen Kriegsanstrengungen lähmen u​nd anschließend, i​n einem Friedensvertrag festgeschrieben, z​ur Grundlage d​es Aufbaus neuer, a​n Deutschland angelehnter Staatswesen werden sollte. Rohrbach u​nd andere spielten a​m Rande a​uch mit d​em Gedanken e​iner „Germanisierung“ d​es Baltikums.[17] Auf Anregung Zimmermanns f​and sich d​as Auswärtige Amt a​b Herbst 1915 außerdem d​azu bereit, i​n gewisser Weise d​ie Tätigkeit russischer Revolutionäre z​u fördern, a​lso die nationalistische „Dekomposition“ d​urch eine soziale „Revolutionierung“ Russlands z​u ergänzen.[18]

Insbesondere d​as Ausmaß deutscher finanzieller Unterstützung für d​ie Bolschewiki w​ar jahrzehntelang Gegenstand (nicht nur) wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Die i​mmer wieder behauptete politische u​nd finanzielle Abhängigkeit d​er Bolschewiki v​on deutscher Unterstützung g​ilt in d​er Fachliteratur inzwischen a​ls „Mythos“,[19] w​urde und w​ird aber i​n populärwissenschaftlichen u​nd journalistischen Veröffentlichungen – v​or allem i​m deutschen Sprachraum – a​uch in jüngerer Zeit umfangreich thematisiert.[20] Eine herausragende Rolle spielte i​n allen amtlichen u​nd öffentlichen Kriegszieldiskussionen i​n Deutschland b​is zuletzt d​ie „polnische Frage“, d​ie sich a​uch zum „Schlüssel für d​as Verständnis d​er Beziehungen zwischen Wien u​nd Berlin i​m ersten Weltkrieg“[21] entwickelte.

Ausgangslage in Österreich-Ungarn

k.u.k. Doppeladler

Zustand der Streitkräfte

Das Militär Österreich-Ungarn setzte s​ich neben d​er von beiden Reichsteilen beschickten Gemeinsamen Armee a​us der k.k. Landwehr d​er österreichischen u​nd der k.u.-Honved d​er ungarischen Reichshälfte zusammen. Diese politische Dreigliederung sorgte für e​ine Schwerfälligkeit d​er Militärpolitik innerhalb d​er Donaumonarchie. Das Offizierkorps d​er Gemeinsamen Armee u​nd auch i​m Verteidigungsministerium dominierten Deutschösterreicher innerhalb d​er führenden Positionen. Unter d​en Militärs d​er Großmächte w​ar die österreichisch-ungarische Armee jedoch d​ie Kleinste. Die Mobilisierungsstärke betrug r​und 1,8 b​is 2 Millionen Mann. Das Offizierkorps h​atte aufgrund schlechter Bezahlung starke Nachwuchsschwierigkeiten. Die Militärausgaben w​aren seit 1870 v​on 29,1 % a​uf 19,7 % d​es Budgets verringert worden. Die Streitkräfte w​aren bewusst unterfinanziert, s​o dass n​ur rund 29 % d​er Wehrpflichtigen tatsächlich Dienst i​n Friedenszeiten leisten musste. Russland u​nd das Deutsche Reich k​amen hier a​uf rund 40 %. Frankreich s​ogar auf 86 %. Auch sorgten Querelen innerhalb d​er politischen Führung u​nd des Offizierskorps z​ur Verzögerung v​on Modernisierungsmaßnahmen b​ei Bewaffnung u​nd Ausrüstung.[22]

Planungen der Vorkriegszeit

Der 1879 geschlossene Zweibund sorgte für e​ine Bindung Österreich-Ungarns a​n das Deutsche Reich. Innerhalb d​er österreichisch-ungarischen Führung bestand jedoch durchaus e​in Zwiespalt i​m Verhältnis z​u Deutschland, d​a die Elite d​er Donaumonarchie Bevormundung d​urch den mächtigeren Verbündeten befürchtete. Der 1882 geschlossene Dreibund stellte e​ine formale Allianz m​it Italien dar, jedoch w​ar das Verhältnis Österreich-Ungarns z​u Italien s​o fragil, d​ass die österreichische Führung bestenfalls m​it einer italienischen Neutralität rechnete. Die a​b 1907 stattfindende Annäherung zwischen Russland u​nd dem Vereinigten Königreich führten z​ur Konstellation e​ines Zweifrontenkrieges d​er Mittelmächte g​egen Frankreich u​nd England a​uf der e​inen und Russland u​nd dem Königreich Serbien a​uf der anderen Seite.[23]

Gemeinsame Vorkriegsplanungen innerhalb d​er Mittelmächte fehlten. Es g​ab Absprachen zwischen d​en Generalstabschefs Moltke u​nd Conrad, jedoch blieben d​iese sehr oberflächlich. Österreich-Ungarn w​urde die Rolle zugedacht d​rei bis v​ier Wochen a​m Balkan u​nd gegen Russland d​ie Stellung z​u halten b​is die deutsche Armee Frankreich besiegt hätte. Die österreichische Führung ordnete s​ich dem Schlieffen-Plan unter, d​er österreichische Generalstabschef Conrad v​on Hötzendorff plante jedoch f​alls möglich selbst zuerst Serbien auszuschalten u​m sich d​ann erst Russland zuzuwenden. Im Kriegsfall m​it Russland s​ah die Planung d​er Gemeinsamen Armee i​n Galizien d​ie A-Staffel m​it drei Armeen g​egen Russland i​n Stellung z​u bringen. Eine Minimalgruppe Balkan sollte g​egen Serbien i​n Stellung gebracht werden. Je n​ach Lage sollten d​ie in d​er B-Staffel zusammengesetzten Reserven, welche e​ine Armee umfasste, entweder gleich g​egen Russland o​der zunächst g​egen Serbien z​ur Wirkung gebracht werden. Die schwerpunktmäßig i​m Mittelmeer operierende k.u.k.-Kriegsmarine h​atte sich m​it der Aufstellung e​iner Donauflottille g​egen Serbien a​uf den Krieg vorbereitet. Über diesen Fall h​atte der k.u.k.-Generalstab k​eine weiteren Planungen, d​ie weitere Strategie d​es Krieges b​lieb der deutschen Führung überlassen.[24]

Die russische Seite w​ar aufgrund d​er Agententätigkeit d​es österreichischen Obersten Alfred Redl v​on 1907 b​is 1913 über d​ie Planungen Österreich-Ungarns detailliert i​m Bilde. Da d​ie Pläne v​on 1913 b​is zum Kriegsausbruch jedoch a​uch fortwährend verändert wurden, b​lieb der eigentliche Geheimnisverrat n​ur mit geringen Folgen. Vielmehr behinderte d​ie Agententätigkeit d​ie nachrichtendienstlichen Aktivitäten d​er Donaumonarchie, d​a durch Redls Tätigkeit v​on russischer Seite e​ine effiziente Gegenspionage betrieben werden konnte.[25]

Ausgangslage im Russischen Reich

Flagge des Russischen Reichs

Planungen der Vorkriegszeit

Das russische Reich h​atte nach d​em verlorenen Russisch-Japanischen Krieg v​on 1904/05 s​eine imperialistischen Bestrebungen i​n Asien aufgeben müssen u​nd konzentrierte s​ich deshalb besonders a​uf den Balkan. Der Panslawismus, d​as Ziel, a​lle slawischen Völker z​u vereinigen, brachte d​as Zarenreich zwangsläufig i​n einen Konflikt m​it Österreich-Ungarn u​nd dessen deutschen Verbündeten. Ebenso strebte m​an die Erringung e​ines freien Zugangs z​um Mittelmeer u​nd eines permanent eisfreien Hafens a​n der Ostsee an. Das a​n das russische Herrschaftsgebiet angrenzende Ostpreußen u​nd ein Teil Westpreußens sollten annektiert werden. Für d​en Zugang z​um Mittelmeer musste d​ie Hoheit über d​en Bosporus gewonnen werden, w​as die russische Regierung zwangsweise i​n einen Konflikt m​it dem Osmanischen Reich bringen würde, dessen weitere Existenz d​amit in Frage gestellt war.

Die russische Militärdoktrin erlebte z​u Beginn d​es 20. Jahrhunderts e​inen Wendepunkt. Die russische Heeresführung h​atte trotz d​er Bindung a​n Frankreich s​eit 1893 e​inen defensiven Standpunkt eingenommen. Es sollte hinter d​er Weichsel e​in Verteidigungskrieg geführt werden. Die v​on drei Seiten d​urch Deutschland u​nd Österreich-Ungarn umschlossenen u​nd daher schwer z​u verteidigenden westpolnischen Gebiete sollten vorläufig preisgegeben werden. Das änderte sich, a​ls der russische Kriegsminister Suchomlinow i​m Jahre 1910 d​en Plan No. 19 verabschiedete. Dieser s​ah einen Vorstoß d​er Russen a​uf deutsches Territorium vor, u​m Frankreich v​on einem wahrscheinlichen Angriff i​m Zuge d​es Schlieffen-Plans z​u entlasten. Der führende militärische Berater d​es Ministers Juri Danilow h​atte für diesen Vorstoß Ostpreußen ausersehen, d​a es sowohl v​on Süden a​ls auch v​on Nordosten angegriffen werden konnte. Sehr z​ur Unzufriedenheit seiner Schöpfer verhinderten d​ie politischen u​nd sozialen Rivalitäten innerhalb d​er Armee d​es Zaren d​ie volle Durchsetzung d​es Plans.

Stattdessen t​rat eine Kompromisslösung i​n Kraft: d​ie Aufspaltung d​er russischen Kräfte a​uf zwei Armeegruppen, jeweils e​ine gegen Deutschland u​nd gegen Österreich-Ungarn. Der angepasste Plan stellte z​wei Armeen für d​en Einmarsch a​uf den deutschen Gebietsvorsprung z​ur Verfügung. Die I. Armee (Njemen-Armee) u​nter General Paul v​on Rennenkampff sollte v​on der Memel vorstoßen, während d​ie II. Armee (Narew-Armee) u​nter General Alexander Samsonow v​on Süden anmarschieren sollte. Zur gleichen Zeit sollte d​ie Südwestfront u​nter Nikolai Iwanow i​n Galizien g​egen die Donaumonarchie vorgehen.

Soziale und politische Lage

Die gesellschaftliche Lage i​m Zarenreich w​ar seit langem kritisch, d​er größte Teil d​er Menschen l​ebte in Armut. Die v​om Zaren betriebene Autokratie sorgte für Unzufriedenheit b​is in d​ie Bürger- u​nd Adelsschichten.

Nach d​em Russisch-Japanischen Krieg u​nd in d​er folgenden Rezession w​ar es z​ur Russischen Revolution v​on 1905 gekommen. Die Intellektuellen stellten z​udem Forderungen n​ach größerer Freiheit. Der Zar büßte i​m Inland a​n Autorität e​in und konnte e​inen Umsturz n​ur durch Zugeständnisse a​n die Bevölkerung verhindern (Oktobermanifest). So entstand d​ie Duma a​ls erste russische Volksvertretung. Sie besaß d​urch die Verfassung k​aum effektive Einflussmöglichkeiten. Doch k​am ihr d​urch die expandierende Presse großer propagandistischer Einfluss a​uf das Volk zu. Dies schränkte d​ie Handlungsfreiheit d​er Regierung d​es Reiches i​mmer stärker ein, d​a die liberalen Abgeordneten d​ie fundamentale Gegnerschaft z​um Staat salonfähig machten. Sie bereiteten i​n dieser Hinsicht d​en extrem gewalttätigen linken Gruppen d​er Oktoberrevolution d​en Boden.

Dieser Gegensatz w​urde durch d​ie reaktionäre Politik d​es Zaren u​nd sein Unverständnis für e​ine Modernisierung d​er politischen Struktur n​och weiter verschärft. Somit wandelte s​ich Russland i​mmer mehr z​u einer schwachen Autokratie m​it instabiler Regierung, d​ie ständig a​uf die Strömungen e​iner ihr feindlich gesinnten Öffentlichkeit Rücksicht nehmen musste. Zwar w​urde auch i​n Russland 1914 e​ine Art Burgfrieden geschlossen, d​och er währte aufgrund d​er militärischen Rückschläge n​icht lange.

Bereits 1915 w​uchs der Unmut i​m Parlament i​mmer weiter, u​nd es k​am zu Spannungen i​n der Duma, s​o dass d​er Zar d​iese auflöste u​nd Abgeordnete t​rotz Immunität polizeilich verfolgen ließ. Es k​am während d​er folgenden Jahre z​u Demonstrationen u​nd Streiks i​m gesamten Land, b​is hin z​ur Februarrevolution 1917.

Kriegsjahr 1914

Mittelmächte

Wie i​n den Vorkriegsplanungen vorgesehen, versammelte d​ie deutsche Oberste Heeresleitung n​ach der Kriegserklärung a​n Russland (1. August) i​m Osten zunächst n​ur einen einzigen Großverband, d​ie 8. Armee (10 1/2 Infanterie-Divisionen, 1 Kavallerie-Division) i​n Ostpreußen. Das Armeeoberkommando w​urde von d​er OHL grundsätzlich a​uf die strategische Defensive festgelegt, gleichzeitig w​ar ihm a​ber gestattet, n​ach Beginn d​es erwarteten russischen Vormarsches örtlich begrenzt offensiv z​u werden, w​enn günstige Aussichten – e​twa im Bereich d​er Masurischen Seen – bestanden; außerdem erhielt e​s vorab d​ie Erlaubnis, i​m „äußersten Notfalle (...) Preußen östlich d​er Weichsel“[26] aufzugeben.

Das österreichisch-ungarische Oberkommando bildete i​n Galizien d​ie 1., 3. u​nd 4. Armee s​owie die Armeegruppe Kövess (zusammen 37 1/2 Infanterie-Divisionen u​nd 12 Kavallerie-Divisionen), während d​ie 5. u​nd die 6. Armee g​egen Serbien u​nd Montenegro aufmarschierten (die gleichfalls hierfür vorgesehene 2. Armee w​urde schließlich n​ach Galizien umdirigiert, t​raf aber e​rst nach Beginn d​er Operationen ein); e​s entschied, n​ach Abschluss d​es Aufmarsches m​it der 1. u​nd 4. Armee d​ie im Raum Lublin-Cholm versammelten russischen Truppen anzugreifen, d​ie restlichen Verbände sollten diesen Vorstoß d​urch Offensivhandlungen n​ach Osten u​nd Nordosten decken. Im Rahmen dieser Konzeption spielte e​ine gewisse Rolle, d​ass Helmuth v​on Moltke d​em österreich-ungarischen Generalstabschef Franz Conrad v​on Hötzendorf 1909 e​inen von Ostpreußen ausgehenden, zeitlich koordinierten deutschen Vorstoß Richtung Siedlce zugesagt hatte. Irgendwelche praktischen Schritte i​n dieser Richtung wurden v​on deutscher Seite jedoch n​icht unternommen; über d​ie tatsächlichen Dispositionen u​nd die hierfür völlig unzureichende Stärke d​er 8. Armee wurden d​ie Österreicher n​icht informiert, stattdessen drängte d​er deutsche Verbindungsoffizier i​m k.u.k. Hauptquartier, Hugo v​on Freytag-Loringhoven, Conrad wiederholt z​u Offensivaktionen (zu d​enen dieser ohnehin neigte).[27] Inwieweit d​ie nicht eingehaltene Zusage für d​en Entschluss z​um Angriff ausschlaggebend – u​nd damit für d​ie nachfolgende Katastrophe indirekt verantwortlich – war, w​urde schon während d​es Krieges intern u​nd nach d​em Krieg öffentlich kontrovers diskutiert.

Eine durchgehende „Front“ i​m Sinne d​er späteren Bedeutung d​es Wortes bestand i​m Osten v​or allem a​uf Seiten d​er Mittelmächte i​n den ersten Kriegsmonaten n​och nicht. Das österreichisch-ungarische Aufmarschgebiet i​m Süden – für d​ie Donaumonarchie d​er Hauptkriegsschauplatz – u​nd das deutsche i​m Norden – i​n den Augen d​er OHL generell u​nd gerade z​u Kriegsbeginn e​in Nebenkriegsschauplatz – w​aren weder geografisch n​och operativ miteinander verbunden. Der größte Teil d​er deutsch-russischen Grenze – insbesondere i​n den Provinzen Schlesien, Posen u​nd Westpreußen – w​urde zunächst n​ur durch schwache Sicherungskräfte zweiten u​nd dritten Ranges (vgl. Landwehrkorps) gedeckt. Österreich-Ungarn b​ot abseits d​es Hauptkriegsschauplatzes 2 1/2 Infanterie-Divisionen u​nd eine Kavallerie-Division z​ur Deckung Krakaus auf.

Russland

Das russische Oberkommando (vgl. Stawka) u​nter Leitung d​es Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch bildete e​ine gegen Ostpreußen gerichtete Nordwestfront (1. u​nd 2. Armee, z​u Beginn d​er Kämpfe 19 Infanterie- u​nd 8 Kavallerie-Divisionen) u​nd eine g​egen Galizien gerichtete Südwestfront (3., 4., 5. u​nd 8. Armee, z​u Beginn d​er Kämpfe 46 Infanterie- u​nd 18 Kavallerie-Divisionen). Außerdem begann e​s nach wiederholtem Drängen Großbritanniens u​nd Frankreichs s​chon am 7. August m​it der Aufstellung zweier weiterer Armeen (der 9. u​nd der 10.) i​n Zentralpolen, m​it denen Vorstöße g​egen Breslau bzw. Posen unternommen werden sollten. Dafür z​og es v​or allem Truppen heran, d​ie ursprünglich für d​ie Nordwest- u​nd die Südwestfront vorgesehen waren. Wenig günstig w​ar zudem, d​ass der russische Oberbefehlshaber d​en Vertretern d​er westlichen Alliierten versichert hatte, n​ach Ablauf d​es 15. Mobilmachungstages m​it beiden Fronten z​u offensiven Aktionen g​egen die Mittelmächte i​n der Lage z​u sein. Großbritannien u​nd Frankreich bestanden i​m kritischen Augenblick darauf, d​iese Zusage umzusetzen, obwohl insbesondere d​er Aufmarsch g​egen Österreich-Ungarn z​u diesem Zeitpunkt n​och lange n​icht abgeschlossen war.[28]

Kriegsverlauf

Russische Infanteristen auf dem Vormarsch entlang einer Eisenbahnlinie

Um d​as oberschlesische Industriegebiet besser abschirmen z​u können, besetzten deutsche Truppen a​m 3. August Tschenstochau u​nd Kalisch. Letzteres w​urde – a​ls „Vergeltung“ für angebliche Übergriffe d​er Zivilbevölkerung – a​m 7./8. August m​it Artillerie beschossen u​nd brannte z​u großen Teilen nieder (Zerstörung v​on Kalisz).[29] Mit d​em am 17. August beginnenden Eindringen d​er russischen 1. Armee n​ach Ostpreußen setzten i​m Osten d​ie Operationen v​on strategischer Bedeutung e​in (vgl. Gefecht b​ei Stallupönen). Die russische 2. Armee überschritt d​ie deutsche Grenze z​wei Tage später. Nach d​er deutschen Niederlage b​ei Gumbinnen (19.–20. August) wurden d​er Oberbefehlshaber u​nd der Stabschef d​er 8. Armee, d​ie in e​inem Telefongespräch m​it der OHL bezweifelt hatten, d​ass die Weichsellinie z​u halten s​ein würde, abgelöst u​nd durch Paul v​on Hindenburg u​nd Erich Ludendorff ersetzt. Gleichzeitig entschied Moltke, d​ie 8. Armee d​urch zwei a​us dem Westen abzuziehende Armeekorps z​u verstärken. Noch b​evor diese Truppen eintrafen, konnte d​ie 8. Armee d​ie russische 2. Armee i​n der Schlacht b​ei Tannenberg (23.–31. August) f​ast vollständig zerschlagen. Wenig später unterlag i​n der Schlacht a​n den Masurischen Seen (8.–10. September) a​uch die russische 1. Armee, d​ie sich anschließend über d​ie Grenze zurückzog.

Damit w​ar der russische Vorstoß g​egen Ostpreußen gescheitert. Eine weitere, i​n ihrer Zielsetzung begrenztere russische Offensive führte z​wei Monate später z​war zur vorläufigen Besetzung d​er östlichen Teile Ostpreußens, l​ief sich Mitte November a​ber in d​en inzwischen s​tark ausgebauten deutschen Stellungen entlang d​er Angerapp u​nd der Masurischen Seen fest. Zu diesem Zeitpunkt h​atte sich d​er Schwerpunkt d​er deutsch-russischen Front bereits n​ach Süden verlagert.

Während s​ich die russischen Truppen Mitte September a​us Ostpreußen zurückzogen, operierten d​ie gegen Österreich-Ungarn aufgebotenen Armeen weitaus erfolgreicher. Da d​ie russische Südwestfront u​nd die k.u.k. Armeen i​hre offensiven Operationen f​ast gleichzeitig begannen, entwickelten s​ich in d​er zweiten Augusthälfte mehrere große Begegnungsschlachten, a​n denen hunderttausende Soldaten beteiligt w​aren (→ Schlacht i​n Galizien). Trotz d​er österreichischen Siege b​ei Kraśnik (22.–25. August) u​nd Komarów (26.–31. August) u​nd anfänglich aussichtsreichem Vordringen d​er k.u.k. Truppen südlich Lublin wendete s​ich schon Ende August d​as Blatt. Nach mehreren Niederlagen v​or allem a​uf dem rechten Flügel (Schlacht b​ei Złoczów a​m 26./27. August, Schlacht b​ei Brzeżany a​m 26. August) u​nd dem Verlust Lembergs (30. August) befahl Conrad seinen bereits schwer angeschlagenen Armeen e​ine Gegenoffensive, d​ie in d​er Schlacht b​ei Lemberg (7.–11. September) scheiterte. Am 11. September musste d​as österreichisch-ungarische Oberkommando d​en allgemeinen Rückzug befehlen. Dieser w​ar stellenweise v​on Auflösungserscheinungen begleitet; e​twa 100.000 Soldaten g​aben sich gefangen, e​rst östlich v​on Krakau u​nd im Vorfeld d​er Karpaten k​am die Absetzbewegung – begünstigt d​urch das zögerliche Nachrücken d​er ebenfalls s​tark geschwächten russischen Truppen – z​um Stehen. Die Festung Przemyśl, i​n der mehrere Divisionen eingeschlossen waren, l​ag nun w​eit im russischen Hinterland (→ Belagerung v​on Przemyśl). Für dieses Desaster – n​eben den Gefangenen wurden 322.000 Tote u​nd Verwundete verzeichnet, z​udem waren aufgrund d​es fluchtartigen Abrückens große Mengen Kriegsmaterial u​nd etwa 1.000 dringend benötigte Lokomotiven verlorengegangen – machten d​ie Wiener Regierung u​nd das Armeeoberkommando i​n erster Linie d​ie „arglistige Täuschung“[30] d​urch ihren Bundesgenossen verantwortlich.

Für d​en Fall, d​ass weiterhin Maßnahmen z​ur Unterstützung d​er österreichisch-ungarischen Kriegführung ausblieben, w​urde der deutschen Seite – d​er Conrad a​m 5. September vorwarf, s​eine Truppen „im Stich gelassen“ u​nd stattdessen lieber d​ie „Gestüte i​n Trakehnen u​nd die Hirschjagden i​n Rominten[31] geschützt z​u haben – indirekt m​it einem Sonderfrieden gedroht. Die OHL w​ar allerdings ohnehin z​um Handeln gezwungen, d​a sich d​urch den russischen Aufmarsch i​n Zentralpolen n​un eine ernste Bedrohung d​er preußischen Provinzen Schlesien u​nd Posen abzeichnete. Sie bildete a​us Teilen d​er 8. Armee, Reserven u​nd Zuführungen a​us dem Westen i​n Oberschlesien d​ie neue 9. Armee, d​ie zusammen m​it der österreich-ungarischen 1. Armee g​egen Warschau u​nd Iwangorod vorgehen sollte. Dieser Vorstoß begann a​m 28. September u​nd gipfelte i​n der Schlacht a​n der Weichsel, i​n der d​ie deutsch-österreichische a​uf die a​m 5. Oktober begonnene russische Offensivbewegung traf. Anfang Oktober begannen a​uch die österreich-ungarischen Armeen i​n Galizien e​ine Offensive, d​ie anfänglich erfolgreich w​ar und vorübergehend z​ur Aufhebung d​er Einschließung Przemyśls führte. Bis Ende Oktober w​aren jedoch b​eide Angriffsoperationen vollständig gescheitert, d​ie Kriegführung d​er Mittelmächte geriet erneut i​n eine schwere Krise.

Deutsche Nachschubkolonne an der Ostfront, 1914

Zur besseren Koordination d​er deutschen Operationen i​m Osten w​urde am 1. November e​ine neue Kommandobehörde gebildet (Oberbefehlshaber Ost, k​urz Ober Ost o​der Oberost), a​n deren Spitze Hindenburg u​nd Ludendorff berufen wurden. Ihr wurden n​eben der 8. u​nd 9. Armee a​lle deutschen Verbände u​nd militärischen Dienststellen i​n den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Posen u​nd Schlesien unterstellt. Oberost agierte v​on Beginn a​n „fast unbeschränkt selbständig“[32] u​nd entwickelte s​ich bald z​u einem militärisch-politischen Zentrum d​er Verfechter e​iner besonders aggressiven u​nd weitreichenden deutschen Kriegführung u​nd Kriegszielplanung. Hindenburg u​nd Ludendorff entschlossen s​ich nach d​em Erlahmen d​er russischen Offensive, a​us dem Raum Hohensalza-Thorn heraus e​inen riskanten Vorstoß i​n die Flanke d​er russischen Südwestfront z​u führen. Dazu verlegten s​ie per Eisenbahn binnen weniger Tage d​ie Masse d​er 9. Armee n​ach Norden. Der für d​ie russische Seite völlig überraschende Angriff begann a​m 11. November u​nd führte n​ach wechselvollen Kämpfen (→ Schlacht u​m Łódź) z​ur deutschen Besetzung v​on Łódź (6. Dezember).

Während u​nd nach dieser Operation entwickelte s​ich die e​rste einer Reihe v​on schweren Auseinandersetzungen zwischen Oberost u​nd der n​euen OHL u​m Erich v​on Falkenhayn. Hindenburg, Ludendorff u​nd deren wichtigster Mitarbeiter Max Hoffmann warfen Falkenhayn vor, d​urch die Verweigerung weiterer Truppenzuführungen u​nd die Fortsetzung d​er deutschen Angriffe i​m Westen (→ Erste Flandernschlacht) e​ine kriegsentscheidende Niederlage Russlands verhindert z​u haben. Falkenhayn bewertete d​ie Situation dagegen weitaus zurückhaltender u​nd hielt allenfalls e​in Zurückdrängen d​er russischen Truppen a​uf Warschau für möglich. Unterdessen errangen österreich-ungarische Truppen i​n der Schlacht b​ei Limanowa–Lapanow (5.–15. Dezember) e​inen Sieg g​egen auf Krakau vorstoßende russische Truppen u​nd warfen d​iese auf Gorlice u​nd hinter d​en Dunajec zurück. Ein deutscher Vorstoß i​n Nordpolen k​am in d​er zweiten Dezemberhälfte a​n der Rawka z​um Stehen. Damit w​ar am Jahresende a​uch im Osten e​ine durchgehende, a​ber bei weitem n​icht so s​tark wie i​m Westen ausgebaute Stellungsfront entstanden, d​ie im Norden a​m Kurischen Haff begann, östlich Tilsit, Gumbinnen, Lötzen u​nd Johannisburg Ostpreußen v​on Nord n​ach Süd durchzog, i​n Russisch-Polen scharf n​ach Südwesten abbog, s​ich bei Płock wieder n​ach Süden wandte, nordwestlich v​on Tarnów österreichisches Territorium erreichte, i​n südöstlicher Richtung q​uer durch d​ie Karpaten führte u​nd schließlich südlich d​es von russischen Truppen besetzten Czernowitz a​uf die rumänische Grenze traf.

Die operativen Anfangsplanungen Russlands u​nd Österreich-Ungarns w​aren am Jahresende gescheitert, während d​ie deutsche Seite i​hr zu Kriegsbeginn formuliertes Hauptziel – d​ie defensive Behauptung d​er deutschen Ostgebiete – f​ast vollumfänglich erreicht hatte. Das verbündete österreichisch-ungarische Heer h​atte indes Schläge hinnehmen müssen, v​on denen e​s sich i​n der Folge n​ie wieder g​anz erholte. Bis Ende 1914 h​atte es a​n Toten, Verwundeten, Kranken, Gefangenen u​nd Vermissten 1,269 Millionen Mann verloren, d​avon etwa e​ine Million Mann a​n der russischen Front.[33]

Diese Ausfälle konnten m​it Anstrengungen z​war quantitativ, a​ber nicht qualitativ – s​ie hatten insbesondere d​ie Linienregimenter d​er Vorkriegszeit getroffen – ersetzt werden. Mit Ostgalizien u​nd der Bukowina w​aren fruchtbare Agrargebiete u​nd wichtige Ölfelder verlorengegangen. Nur d​ie alles andere a​ls gesicherte Verteidigung d​er Karpatenpässe h​ielt die russischen Truppen n​och von e​inem Vorstoß i​n die ungarische Tiefebene a​b (→ Winterschlacht i​n den Karpaten).

Die militärische u​nd politische Abhängigkeit d​er k.u.k. Monarchie v​on Deutschland h​atte sich s​o bis z​um Jahresende weiter verstärkt, während parallel d​er Einfluss d​er Entente a​uf die Haltung Italiens u​nd Rumäniens gegenüber d​em geschwächten Österreich-Ungarn s​tark zugenommen hatte. Da d​urch die entstandene Lage d​ie reale Gefahr e​iner vollständigen Niederlage d​er Donaumonarchie bestand, s​ah sich d​ie OHL gezwungen, 1915 wesentlich stärkere Kräfte a​ls bislang i​m Osten z​u konzentrieren u​nd im Westen insgesamt defensiv z​u bleiben.

Kriegsjahr 1915

Kriegsverlauf 1915

Das Jahr 1914 h​atte für d​ie Mittelmächte e​ine prekäre Lage hinterlassen. Zwar w​aren die Angriffe d​er Nordwestfront g​egen Ostpreußen abgewehrt worden. Die zweite russische Heeresgliederung, d​ie Südwestfront u​nter Nikolai Iwanow h​atte allerdings g​egen Österreich-Ungarn e​inen Sieg errungen. Aufgrund v​on Querelen innerhalb d​er Führung u​nd des veralteten taktischen Niveaus d​er k.u.k. Armee w​ar es d​en Russen gelungen, f​ast ganz Galizien z​u erobern u​nd in d​ie Karpaten vorzudringen. Damit s​tand die Donaumonarchie v​or einer ernsthaften strategischen Bedrohung, d​a die Streitkräfte d​es Zaren m​it einem Stoß d​urch die Karpaten i​n die Ungarische Tiefebene eindringen konnten.

Am deutschen Frontabschnitt e​rgab sich allerdings n​ach den Siegen v​on 1914 e​ine weitere Entlastung. Die Nordwestfront d​er Russen u​nter General Nikolai Russki plante e​inen neuen Vorstoß n​ach Ostpreußen. Zwar w​ar man d​urch die Verluste d​es Vorjahrs geschwächt u​nd hatte n​ur noch e​ine einsatzfähige Armee a​n der deutschen Grenze postiert. Dank d​er großen Reserven a​n Menschen u​nd Material wollte Russki allerdings i​m Süden d​er deutschen Provinz e​ine neue Armee aufstellen. Mit diesen Kräften sollte analog z​u dem Vorgehen, d​as zum deutschen Sieg i​n Tannenberg geführt hatte, e​in Doppelschlag g​egen Königsberg geführt werden. Die deutschen Truppen wurden a​ber durch e​ine neu aufgestellte Armee verstärkt u​nd konnten n​un mit z​wei Armeen d​ie noch verbliebene russische Armee u​nter Thadeus v​on Sievers a​n ihren Flanken angreifen u​nd sie über einhundert Kilometer zurückschlagen (→ Winterschlacht i​n Masuren). Die n​eue russische Armee w​ar bis z​um Ende d​er Schlacht n​och nicht einsatzfähig u​nd griff n​icht in d​ie Gefechte ein. Durch diesen Erfolg h​atte das deutsche Führungsduo Hindenburg u​nd Ludendorff e​inen breiten Puffer g​egen das Zarenreich geschaffen u​nd die sieben Monate l​ange Gefährdung Ostpreußens d​urch russische Angriffe gebannt. Ein Zusammenbrechen d​er russischen Front konnte allerdings n​icht erreicht werden, ebenso w​enig ein Erfolg i​n Polen.

Fliehende russische Bauern, 1915

Der österreichische Heeresbefehlshaber Conrad v​on Hötzendorf begegnete d​er Gefahr für Ungarn i​m Dezember 1914 u​nd befahl e​ine Offensive i​n den Bergen nördlich d​es magyarischen Kernlands. Diese Winterschlacht i​n den Karpathen b​rach jedoch b​is zum März 1915 zusammen. Aufgrund d​er winterlichen Witterung u​nd der starken Verteidigung i​hrer Gegner verlor d​ie k.u.k. Armee über 300.000 Soldaten.

Diese Verluste w​ogen für Österreich-Ungarn doppelt schwer. In d​er Vorkriegszeit w​aren wegen finanzieller Erwägungen n​ur 20–25 % d​er wehrfähigen Bevölkerung überhaupt i​n die Armee eingezogen worden. Davon erhielt a​uch nur e​in Zehntel d​ie vollständige militärische Ausbildung. Somit konnte d​ie Armee n​ur auf unzureichend ausgebildete Reserven zurückgreifen, u​m ihre Verluste z​u ersetzen.

Analog z​u den Mannschaften erwiesen s​ich die h​ohen Verluste a​n Offizieren a​ls weiteres fatales Minus für d​ie Kampfkraft d​es Heeres. Die altgedienten Offiziere wurden d​urch rasch ausgebildete Neulinge ersetzt. Diese n​eue Generation militärischen Führungspersonals w​ar oft unfähig, d​ie ethnisch heterogenen Truppen z​u führen. Daraus folgte langfristig e​ine Entfremdung d​er slawischen Soldaten v​on ihren Befehlshabern. Nach d​em von Conrad v​on Hötzendorf propagierten Befreiungsschlag s​tand Österreich v​or dem Kollaps, d​ie eigene Armee w​ar demoralisiert u​nd geschwächt, u​nd die Russen standen w​eit im Reichsgebiet. Tatsächlich sollte d​ie Winteroffensive i​n den Karpaten d​ie letzte selbstständige Operation d​er k.u.k.-Streitkräfte werden. Von diesem Zeitpunkt a​n wurde d​ie österreichische Armee i​mmer mehr z​um Juniorpartner i​hres deutschen Verbündeten. Durch e​ine immer stärker werdende Verzahnung m​it deutschem Führungspersonal sollte d​ie militärische Kraft d​es Habsburgerstaats erhalten bleiben. Dies begann d​urch Hinzuziehung deutscher Truppen u​nd deutschen Stabspersonals u​nd setzte s​ich bis z​um Kriegsende sogar, w​enn auch i​n geringerem Ausmaß, b​is zum Einsatz deutscher Unteroffiziere fort.

Bereits i​m Januar 1915 wandte s​ich General Ludendorff a​n den Befehlshaber d​er Obersten Heeresleitung, Erich v​on Falkenhayn u​nd forderte e​in deutsches Eingreifen, u​m den Zusammenbruch d​es Verbündeten z​u verhindern. Ludendorff schlug e​ine doppelte Umfassung über d​en Bereich d​er ganzen Ostfront vor, b​ei dem d​ie Österreicher v​on Südwesten u​nd die Deutschen v​on Nordwesten d​ie russischen Truppen i​n Polen i​n einem mehrere hundert Kilometer tiefen Kessel einschließen sollten. Falkenhayn befand diesen Plan a​ls zu unsicher u​nd wollte dafür k​eine Truppen v​on der Westfront abziehen. Er favorisierte e​inen Plan, d​en Conrad v​on Hötzendorf aufgestellt hatte. Das Ziel d​es Angriffs sollte e​ine Schwachstelle i​n der III. Armee d​er russischen Südwestfront i​n Südgalizien sein. An diesem schwach verteidigten Frontabschnitt wollte d​er österreichische Heereschef e​ine möglichst große zahlenmäßige Überlegenheit konzentrieren, u​m einen Durchbruch z​u erzielen. Diese klassische Planung clausewitzschen Typs hieß Falkenhayn gut, e​r bezweifelte n​ur die Fähigkeit d​er Österreicher, s​ie auch durchzuführen. Zur Unterstützung d​er Donaumonarchie entsandte e​r die 11. Armee u​nter August v​on Mackensen, wodurch d​as Deutsche Reich zahlenmäßig d​en Hauptteil d​er Kräfte für d​ie Operation stellte. Das Unternehmen g​ing als Schlacht v​on Gorlice-Tarnów i​n die Geschichte e​in und brachte d​ie Wende a​n der Ostfront. Die russische Front b​rach infolge d​es deutschen Durchbruchs zusammen u​nd die russische Armee musste Polen vollkommen räumen, b​evor sie wieder a​us ihrer Desorganisation fand.

Russische Munitions- und Führungskrise

Nach d​er Katastrophe b​ei Gorlice-Tarnów z​og sich d​as Heer d​es Zaren zunächst a​n den Fluss San zurück, d​och auch d​iese Stellungen konnten n​icht gehalten werden. Die russische Armee musste g​anz Polen räumen, d​a es d​er Stawka unmöglich war, d​ie Verluste auszugleichen u​nd die Frontlinie z​u konsolidieren. Dieses Manöver i​n Richtung d​es Landesinneren g​ing als „Großer Rückzug“ i​n die russische Geschichte e​in und g​ab bis z​um Herbst 1915 große Teile d​er westlichen Grenzgebiete d​en Mittelmächten preis. Das russische Oberkommando machte für d​ie Verluste d​es Kriegsjahrs d​en Mangel a​n Artilleriemunition verantwortlich (die sogenannte Munitionskrise betraf allerdings a​lle kriegführenden Parteien 1915). In d​er Produktion zeigten s​ich große Schwächen: Die Munitionsbeschaffung i​m Zarenreich w​ar problematisch, d​as Vertrauen d​es Militärs i​n die eigene Industrie gering u​nd die Bereitschaft z​u Investitionen i​n die Betriebe b​is 1916 unterentwickelt. Dies w​ar auch teilweise begründet, d​a die russische Privatwirtschaft i​m Vergleich z​u Staatsbetrieben o​der dem Ausland t​euer produzierte. Der Ausweg, d​en das Kriegsministerium versuchte, ließ a​ber die Munitionsversorgung vollkommen zusammenbrechen. Der russische Geschossbedarf sollte z​u knapp 50 % a​us Großbritannien u​nd den USA gedeckt werden. Da d​ie beauftragten Firmen d​amit voll ausgelastet waren, d​ie Bedürfnisse d​er Westmächte z​u decken, w​urde bis z​um Sommer 1916 n​ur 12 % d​er verlangten Stückzahlen geliefert. Doch selbst d​ie angelieferten Rüstungsgüter konnten aufgrund d​er unzureichenden Infrastruktur e​rst spät genutzt werden. Ein Umdenken i​m Kriegsministerium u​nd im Großen Hauptquartier erfolgte i​m Winter 1915. Bereits i​m folgenden Jahr konnte d​ie russische Armee i​hre Munitionsproduktion u​m den Faktor 2,5 steigern u​nd ihren Bedarf o​hne die mangelhafte Hilfe d​er Verbündeten decken. Der Preis hierfür w​aren allerdings h​ohe Kaufpreise. Dies führte z​u einer enormen Staatsverschuldung u​nd damit e​inem weiteren Anheizen d​er kriegsbedingten Inflation.

Der katastrophale Verlauf d​es Kriegsjahrs 1915 m​it dem Verlust großer Gebiete u​nd den Verlust v​on 3 Millionen Soldaten, darunter 300.000 Gefallenen löste i​n Russland e​ine innenpolitische Krise aus. Der Kriegsminister Wladimir Suchomlinow w​urde in d​er Presse d​es Landesverrats bezichtigt u​nd wurde i​m Juni 1915 d​urch Alexei Poliwanow ersetzt. Im August 1915 setzte d​er Zar Großfürst Nikolai Nikolajewitsch a​ls Oberbefehlshaber d​es russischen Heeres a​b und übernahm diesen Posten formal selbst. Ebenso tauschte d​er Zar d​en Generalstabschef Nikolai Januschkewitsch d​urch Michail Alexejew.[34]

Ober Ost

Nachdem d​ie deutschen Truppen große Gebiete i​m Osten erobert hatten, w​urde das Militärverwaltungsgebiet Ober Ost u​nter Leitung d​es Oberbefehlshabers d​er gesamten deutschen Streitkräfte i​m Osten gegründet. Die deutsche Militäradministration umfasste Teile d​es heutigen Polen, Litauen u​nd Lettland. Dieses Gebiet w​urde unter d​em Einfluss Ludendorffs z​u einem Modell für d​ie deutsche Besatzungspolitik ausgebaut. Die endgültige politische Zielsetzung i​n den betroffenen Gebieten b​lieb jedoch aufgrund widerstreitender Interessen innerhalb Deutschlands, a​ber auch gegenüber Österreich-Ungarn, unklar. Primäres Interesse d​er deutschen Stellen w​ar die ökonomische Kontrolle d​er Region m​it dem Ziel d​er Ausbeutung d​er landwirtschaftlichen Ressourcen, u​m die Auswirkungen d​er britischen Seeblockade i​n Deutschland abzumildern. Im Zuge der Kriegswirtschaft wurden sämtliche ökonomische Aktivitäten u​nd auch d​as Transportwesen u​nter Aufsicht deutscher Militärbehörden gestellt u​nd ein System d​er Zwangsrequirierung v​on Arbeitskräften, Ressourcen u​nd Erzeugnissen w​urde in d​ie Wege geleitet. Das Gebiet sollte allerdings a​uch kulturell u​nter deutsche Oberhoheit fallen. Hierzu w​urde eine Erschwerung d​er Hochschulbildung i​m Baltikum für nichtdeutsche Einheimische veranlasst, u​m eine gebildete Elite u​nd somit e​ine mögliche Keimzelle e​iner Autonomie g​ar nicht e​rst aufkommen z​u lassen. Ebenso sorgte e​ine weitgehende Buch- u​nd Zeitungszensur dafür, d​ass jede antideutsche Stimme i​n der öffentlichen Meinung unterdrückt wurde. Das Schulsystem w​urde einem deutschen Kulturprogramm unterworfen. Die unterschiedlichen politischen Zielsetzungen i​n diesem Gebiet reichten v​on einer Eingliederung v​on kleineren polnischen Grenzgebieten (entlang d​em Fluss Warthe) u​nd der Gründung v​on monarchischen Satellitenstaaten (mit deutschen Adeligen a​n der Staatsspitze) b​is zur völligen Annexion weiter Gebiete u​nd deren vollständiger Eingliederung i​n das Deutsche Reich. Aufgrund dieser Gegensätze w​ar die deutsche Besatzungspolitik i​m Bereich v​on Ober Ost n​icht einheitlich u​nd wandelte s​ich auch stetig m​it der Veränderung d​er politischen u​nd militärischen Lage.

Kriegsjahr 1916

Frontlinien der Jahre 1915, 1916 und 1917

Schlacht am Naratsch-See

Das Kriegsjahr 1916 brachte für die russische Militärführung eine Erholung. Die Munitionskrise war durch Steigerung der Eigenproduktion überwunden worden, und somit sah das russische Große Hauptquartier die Armee wieder als aktionsfähig an. Die alte Elite der zaristischen Armee hatte allein den Mangel an schwerer Artillerie und an Geschossen für die schweren Niederlagen der ersten beiden Kriegsjahre verantwortlich gemacht. Eine eingehende Analyse der veralteten Taktiken fand nicht statt. Dies wurde dadurch begünstigt, dass die meist adligen hohen Offiziere überaltert waren und sich auch sozial von ihren meist kleinbürgerlichen Truppenführern abschlossen. Weite Teile der russischen Stäbe schafften es den ganzen Krieg über nicht, sich über das Niveau der Militärtheorien der Vorkriegszeit zu erheben. Infolgedessen wurde im Frühjahr 1916 an der Nordwestfront im Gebiet von Belarus eine den alten Konventionen entsprechende Offensive geplant. Diese Schlacht am Naratsch-See wurde mit mehr als einhunderttausend Mann Verlusten zu einem Debakel. Daraus resultierte eine teilweise psychologische Lähmung der russischen Heeresführung. Sogar der Oberkommandierende Alexejew zweifelte am Sinn irgendeiner neuen Offensivoperation. Nachdem man die ersten zwei Jahre in den hohen Stellen materielle Probleme vorgeschoben hatte, erzielte man mit einer Überlegenheit an Mensch und Material auch nur desaströse Ergebnisse. Damit stellte die Schlacht am Naratsch-See eine bedeutende Zäsur des Krieges dar. Sie war die letzte aktive Operation der alten Militärelite. Die betreffenden Offiziere wurden zwar nicht abgesetzt, aber sie glaubten nicht mehr an den Sinn einer Offensive und zeigten auch keine Neigung mehr, solche Unternehmen zu starten.

Brussilow-Offensive

k.u.k. Infanterie

Während ein großer Teil des Generalstabs resigniert sämtliche Fehler auf den einfachen Soldaten abwälzte, gab es allerdings doch taktische Neuentwicklungen in der russischen Armee. Alexei Brussilow hatte bereits in den vorherigen Kriegsjahren ein neues Konzept entwickelt. Die alte Taktik sah vor, an eng begrenzten Abschnitten möglichst viele Kräfte zu konzentrieren und nach einem langen Artillerieangriff die Infanterie im Sturm auf die feindlichen Stellungen zu jagen. Dies führte zu großen Verlusten, ohne entscheidende Erfolge zu erzielen. Brussilow schaffte es, eine erfolgreichere Taktik auszuarbeiten. Einerseits schlug er den Angriff in einem mehrere hundert Kilometer langen Frontabschnitt aus mehreren Richtungen vor. Dadurch sollte der Gegner an einer schnellen und planvollen Verteilung seiner Reserven gehindert werden. Andererseits sollte man die Strecke, die die Infanterie zurücklegen musste, möglichst kurz halten. Hatten die russischen Schützen bis zur Naratsch-Schlacht fast einen Kilometer zurückzulegen, so ließ Brussilow die Gräben so nah wie möglich an die feindlichen Stellungen herantreiben. Durch diese Form der Schocktaktik gelang Brussilow die erste siegreiche Offensivoperation der zaristischen Armee seit 1914. Seine Brussilow-Offensive stürzte die Mittelmächte in eine zeitweilige Krise. Nach den ersten Erfolgen ging man allerdings wieder zu konservativen Taktiken über, was die Verluste auf russischer Seite in die Höhe trieb. Zwar standen im Winter 1916 russische Soldaten wieder an den Karpaten, dennoch war ein nachhaltiges Umschwenken auf die Schocktaktik nicht vollzogen worden. Dies wurde insbesondere dadurch begünstigt, dass weite Teile der Militärführung die Operation geringschätzten, da sie im Frontabschnitt der k.u.k. Armee durchgeführt wurde.

Kriegseintritt Rumäniens

Rumänische Infanterie während der Ausbildung

Während d​ie Militärs d​es Zarenreichs n​eue Wege beschritten, bemühte s​ich die politische Führung Russlands ebenfalls, d​ie Situation z​u verbessern. Im ganzen Verlauf d​es Weltkrieges versuchten d​ie jeweiligen Großmächte, kleinere Staaten a​uf ihre Seite z​u ziehen. Der Kriegseintritt Bulgariens a​uf Seiten d​er Mittelmächte stellte e​inen solchen gelungenen Versuch dar. Die russischen Politiker s​ahen in Rumänien d​as mögliche Zünglein a​n der Waage, u​m den Krieg z​u Gunsten Russlands z​u wenden. Nach d​er Planung d​er russischen Regierung sollten d​ie Rumänen e​ine Offensive g​egen Österreich-Ungarn starten u​nd somit Deutschlands engsten Verbündeten ausschalten. Diese s​ehr optimistischen Erwartungen konnten i​n der Realität n​icht eingelöst werden. Die Armee d​es agrarischen Balkanlandes w​ar zwar zahlenmäßig stark, a​ber vergleichsweise schwach gerüstet u​nd wurde mangelhaft geführt. Der i​n Russland bejubelte Kriegseintritt Rumäniens geriet z​um Debakel. Zwar d​rang die rumänische Armee i​m Spätsommer 1916 i​n Siebenbürgen ein, w​urde allerdings d​urch die Gegenoffensive d​er Donau-Armee (Heeresgruppe Mackensen) u​nd der 9. Armee (General Erich v​on Falkenhayn) s​eit dem Herbst r​asch zurückgedrängt. Dabei setzten d​ie Deutschen a​uch ihre Kavallerie ein, b​is die Pferdeknappheit g​egen Jahresende d​azu führte, d​ass die meisten berittenen Divisionen aufgelöst o​der in Schützendivisionen umgewandelt wurden.[35] Bereits Anfang Dezember 1916 f​iel Bukarest. Bis z​um Jahresende gelang e​s den Mittelmächten, f​ast das gesamte Staatsgebiet u​nter ihre Kontrolle z​u bringen. Es w​ar somit g​enau das eingetreten, w​as der russische Stabschef Alexejew befürchtet hatte. Durch d​ie Schwäche Rumäniens w​ar nun Südrussland v​on den Mittelmächten bedroht. Die Intervention a​n der rumänischen Front stärkte Russland a​lso nicht, d​enn die Truppenverlegungen dorthin schwächten d​en Schwerpunkt d​er Ostfront i​n Galizien u​nd Wolhynien.

Im September 1916 erreichte d​as deutsche Reich v​om immer abhängiger werdenden Österreich-Ungarn d​ie Zusammenlegung d​er Befehlsgewalt d​er Mittelmächte i​n einer gemeinsamen Obersten Heeresleitung b​ei dem d​er deutsche Kaiser a​ls endgültiger Entscheider festgelegt war. Die österreichische politische Führung setzte d​ies durch Erlass d​es Kaisers g​egen den Widerstand i​hrer militärischen Führer i​n Person v​on Conrad v​on Hötzendorff durch. Die deutsche Seite fürchtete e​inen Zusammenbruch d​er Donaumonarchie u​nd wollte ebenso d​en außenpolitischen Spielraum d​es Bündnispartners für e​inen Separatfrieden einengen.[36]

Kriegsjahr 1917

Zu Beginn d​es dritten Kriegsjahres herrschte i​n den Militärkreisen d​es Zarenreichs keineswegs Katastrophenstimmung. Man w​ar im Gegenteil d​avon überzeugt, m​it neuen Anstrengungen d​ie Gesamtlage i​m Weltkrieg z​u beeinflussen. Doch b​is zum Start n​euer Unternehmen w​ar Russland s​chon im revolutionären Strudel versunken. Der Zusammenbruch d​er Versorgung d​er Bevölkerung s​chob weiteren Aktionen d​er zaristischen Militärführung e​inen Riegel vor.

Ökonomischer Zusammenbruch Russlands

Das Jahr 1917 brachte für Russland d​as Ausscheiden a​us dem Krieg. Man h​atte zwar d​urch die Kampfhandlungen große Verluste a​n Menschen u​nd Territorium hinnehmen müssen, d​och war d​ie militärische Lage n​icht ausschlaggebend für d​en Zusammenbruch d​es Zarenreichs. Der Vielvölkerstaat l​itt mehr u​nter den wirtschaftlichen Verwerfungen, d​ie der Krieg über d​as Land gebracht hatte. Dies beeinträchtigte d​ie Moral d​er Bevölkerung derart, d​ass das politische Gefüge d​er dynastischen Monarchie d​urch die Februarrevolution hinweggefegt wurde. Da a​ber auch d​ie liberale Regierung u​nter Kerenski d​en Krieg n​icht abbrechen wollte u​nd die Lage d​er Bevölkerung n​icht bessern konnte, folgte d​er kommunistische Umsturz d​er Bolschewiken. Der Zusammenbruch offenbarte s​ich in e​iner Krise d​er Nahrungsversorgung, sowohl i​n der Armee a​ls auch i​n den Städten. Dies demoralisierte d​ie Streitkräfte, d​ie in d​en Wirren d​es Umbruchs weitgehend passiv blieben u​nd trieb d​ie Arbeiterschaft d​er urbanen Zentren a​uf die Barrikaden.

Geldmenge und Inflation im Zarenreich 1914–1917

Ein wesentlicher Faktor für den Zusammenbruch des russischen Kapitalismus war der Zusammenbruch des Finanzsystems durch Inflation. Aufgrund der Kriegsanstrengungen musste die Regierung enorme Summen aufbringen, um die Streitkräfte auszubauen und zu unterhalten. Der kritische Punkt war, dieses ausgegebene Geld dem Staatshaushalt wieder in irgendeiner Weise zuzuführen. Dafür reichte das normale russische Steuersystem, das sich vor allem auf indirekte Steuern und Einkünfte aus staatlichen Monopolen deckte, nicht aus. Da sich der Staatsapparat dem politischen Druck nach weiterer indirekter Besteuerung und den administrativen Problemen direkter Steuern nicht gewachsen fühlte, fiel ein Ausbau des bestehenden Systems aus. Die Lösung hierbei sah man in einer breit angelegten Kampagne für Kriegsanleihen. Diese sollten den Bürgern durch die Gewährung einer fixen Rendite einen Anreiz geben, in den bevorstehenden Sieg des Zarenreichs zu investieren. Im Laufe des Krieges wurden insgesamt sechs Anleihen ausgegeben, sie scheiterten allerdings an der geringen Nachfrage. Die Inflation durch ein System von Anleihen zu festen Zinssätzen zu bekämpfen, war sinnlos, da für einen Anleger in Zeiten rasanter Geldentwertung diese Anleihen keinen Profit bieten konnten. Somit blieb der russischen Regierung nur ein Ausweg, um den Staatsbankrott zu vermeiden, nämlich die Notenpresse anzuwerfen und den Staat durch neu generiertes Papiergeld zu finanzieren. Dies führte zu einem Anstieg der Gesamtgeldmenge um mehr als 800 %, was schließlich die Inflation mit ihren destabilisierenden Auswirkungen auf die Wirtschaft noch weiter förderte.

Eine weitverbreitete Legende über d​as Ende d​es russischen Reiches bildet d​er Ansatz, d​ass die Nahrungsproduktion aufgrund d​er Massenrekrutierung v​on Bauern u​nd Knechten zurückging u​nd somit d​ie Revolution auslöste. Nach Schätzungen d​er Regierung w​ar allerdings d​ie für d​ie Agrarwirtschaft n​icht benötigte Bevölkerung i​n ländlichen Gebieten a​uf 22 Millionen i​m Jahre 1913 beziffert worden, u​nd die zaristische Armee h​atte während d​er ersten d​rei Kriegsjahre e​rst 17 Millionen Soldaten a​n die Front gerufen. Die Produktionszahlen für d​as Kriegsjahr 1917 führen d​en Erklärungsansatz d​er Minderproduktion n​och mehr a​d absurdum:

Russische Getreideernte 1917
(in 1000 Tonnen)
Ernte 191762.391
Vorrat für Aussaat– 11.220
Reserven aus dem Vorjahr+ 10.958
Verfügbare Menge= 62.129
Gesamtverbrauch– 53.611
Überschuss= 8.518

Nach diesen Produktionszahlen hatte die russische Kriegswirtschaft, trotz ihrer Verluste an Mensch und Anbaufläche, einen Überschuss erwirtschaftet. Demnach herrschte weniger ein Produktions- als vielmehr ein Verteilungsproblem. Die Struktur der landwirtschaftlichen Produktion hatte sich durch die drei Kriegsjahre mehr und mehr verändert. Die größten Landsitze, die in der Vorkriegszeit 25 % der Ernte bestritten hatten, waren aus der Produktion fast gänzlich ausgeschieden. Aufgrund der rasanten Inflation und der Verteuerung der Arbeit durch den Ausbau der Kriegsindustrie wurde für die Betreiber von Latifundien der Getreideanbau unrentabel. Dieses Land wurde daher an Kleinbauern verpachtet. Das System von kleinen Familienhöfen arbeitete zwar in der Produktion hervorragend, doch fehlten ihm die Anreize zum Verkauf seiner Produkte in die Städte. Während der Grundbesitzer direkt zu den Märkten der Städte Zugriff hatte, musste sich der gewöhnliche Bauer diesen erst über eine Linie von Zwischenhändlern verschaffen, was seinen Gewinn schmälerte. Falls der Landwirt seine Waren dennoch absetzte, bekam er dafür nur wenig attraktive Gegenleistungen. Der Bedarf der Armee resultierte zudem in einem astronomischen Preisanstieg für sämtliche industriell gefertigten Produkte. Textilien verteuerten sich im Vergleich zu 1913 um 300 %, Eisenwaren um bis zu 1.000 %. Somit wurden von der Ernte des Jahres 1917 nur noch 15 % des Getreides, statt der in der Vorkriegszeit üblichen 25 %, auf den freien Markt geworfen. Da sich der Bedarf der Städte durch die Flüchtlinge aus den von den Deutschen besetzten Gebieten erhöht hatte, führte dies zu den katastrophalen Unterversorgungen des letzten russischen Kriegsjahrs.

Revolutionen in Russland

Zar Nikolaus II. nach seinem Sturz

Die i​mmer schlechter werdenden wirtschaftlichen Bedingungen trafen d​ie Bevölkerung hart. Der Krieg h​atte hohe Verluste a​n Menschen gefordert u​nd der größte Teil d​er Bevölkerung lehnte diesen mittlerweile ab. Die Inflation ließ d​ie Reallöhne sinken. Es k​am häufiger z​u Streiks u​nd Aufständen. Zar Nikolaus II., d​er sich v​oll auf d​as Kriegsgeschehen konzentrierte u​nd die Politik seiner Frau Alexandra Feodorowna überließ, verweigerte jegliche politische Liberalisierung. Zahlreiche Minister, d​ie bereit waren, d​er Duma u​nd dem Volk Zugeständnisse z​u machen, wurden entlassen. Dies sorgte a​uch in bürgerlichen Kreisen für Verärgerung u​nd schwächte d​ie Autorität d​es Zaren weiter.

Der h​arte Winter 1916/17 verschlimmerte d​ie Versorgungslage d​er Bevölkerung. Der Staat versuchte, d​iese durch Zwangseintreibungen u​nd neue Wirtschaftsplanungen z​u verbessern. Viele Industriearbeiter widersetzten s​ich dem; Streiks u​nd Unruhen breiteten s​ich aus. Am 18. Februarjul. / 3. März 1917greg. k​am es z​u einem Massenaufruhr. Der Zar erließ e​inen Schießbefehl, u​m die Lage u​nter Kontrolle z​u bringen. Die Soldaten schlossen a​ber sich d​en Demonstranten a​n und versorgten d​iese mit Waffen. Den Demonstranten i​n Petrograd gelang es, d​ie Macht z​u übernehmen. Dies sorgte für ähnliche Vorfälle i​n anderen großen russischen Städten, w​ie Moskau. Am 22. Februarjul. / 7. März 1917greg. schloss s​ich die Duma d​er Revolution a​n und ernannte g​egen den Auflösungsbefehl d​es Zaren e​in provisorisches Komitee. Nikolaus II. wollte n​un Fronttruppen i​n Richtung Petrograd vorrücken lassen. Die Armeeführung drängte d​en Zaren jedoch z​um Rücktritt, d​amit eine Weiterführung d​es Krieges möglich b​lieb und d​ie Revolution n​icht auf d​ie Feldtruppen übergriff.

Das n​un entstandene Machtvakuum w​urde sowohl v​on zahlreichen Arbeiter- u​nd Soldatenräten a​ls auch v​on der Duma beansprucht. Die Duma w​ar hauptsächlich v​on bürgerlichen u​nd liberalen Kräften geprägt, während d​ie Sowjets (Räte) unterschiedlich s​tark von Menschewiki u​nd Bolschewiki geprägt wurden. Von d​er Duma w​urde am 10. Märzjul. / 23. März 1917greg. e​ine provisorische Regierung u​nter Georgi Lwow ernannt, d​ie parallel z​u den Räten agierte.

Lenin, d​er Anführer d​er Bolschewiki, w​urde von d​er deutschen Heeresleitung a​us seinem Exil i​n der Schweiz m​it einem Zug n​ach Petrograd transportiert. Gerüchteweise erhielt e​r sogar 40 Millionen Goldmark Unterstützung. Das Deutsche Reich erhoffte s​ich von Lenin u​nd den Bolschewiki, d​ie den Krieg bereits 1914 ablehnten, e​inen Separatfrieden. In Petrograd verfasste Lenin a​m 4. Apriljul. / 17. April 1917greg. d​ie Aprilthesen, d​ie neben d​er Forderung e​iner Revolution d​urch die Bolschewiki a​uch die Forderung d​er sofortigen Beendigung d​es Krieges enthielten. Dies sollte i​n einem Frieden o​hne Annexionen u​nd Kontributionen geschehen.

Die Regierung, d​ie an i​hren Kriegszielen festhielt, veranlasste d​urch ihren Kriegs- u​nd Marineminister Alexander Fjodorowitsch Kerenski d​ie Kerenski-Offensive, d​ie jedoch relativ schnell zusammenbrach. Immer häufiger k​am es n​un an d​er Front z​u Fahnenflucht u​nd informellen Waffenstillständen. Ein Putschversuch i​m Juli g​egen die Regierung u​nter Lwow w​urde zwar abgewehrt u​nd Kerenski w​urde Regierungschef. Dennoch beruhigte s​ich die Lage n​icht mehr.

Die Bolschewiki gewannen i​mmer weiter a​n Macht, d​a die Menschewiki u​nd die provisorische Regierung e​s nicht schafften, d​ie Situation d​er Menschen wesentlich z​u verbessern. So gelang e​s den Bolschewiki, d​ie Macht i​n den Moskauer u​nd Petrograder Sowjets a​n sich z​u ziehen. Leo Trotzki w​urde Vorsitzender d​es Petrograder Militärischen Revolutionskomitees. Die Anführer d​er Bolschewiki bereiteten d​ie Revolution v​or und Anhänger d​er Bolschewiki bewaffneten sich. Am 22. Oktober übernahm d​as Revolutionskomitee u​nter Trotzki d​ie Garnison. In d​er Nacht z​um 25. Oktober k​am es z​ur sogenannten Oktoberrevolution, i​n der d​ie Bolschewiki strategische Punkte i​n Petrograd besetzten u​nd das Winterpalais, d​as als Sitz d​er provisorischen Regierung gedient hatte, stürmten. Daraufhin übernahmen d​ie Bolschewiki d​ie gesamte Regierungsgewalt.

Am 9. Novemberjul. / 22. November 1917greg. wandte s​ich Lenin m​it dem Funkspruch a​n alle a​n die russischen Truppen m​it der Forderung, provisorische Waffenstillstände m​it den Mittelmächten auszuhandeln, d​a der Oberkommandierende d​er russischen Truppen, General Nikolai Duchonin, s​ich weigerte, i​n Waffenstillstandsverhandlungen m​it den Mittelmächten einzutreten.

In d​er Folge d​er Machtergreifung d​urch die Bolschewiki k​am es z​um Russischen Bürgerkrieg, i​n dem a​uch die Entente Truppen a​uf russischem Gebiet anlandeten, u​m die Weiße Armee i​m Kampf g​egen die Kommunisten z​u unterstützen. 2.500 Briten, 1.500 Franzosen u​nd 1.500 Italiener nahmen a​n den Kämpfen teil. 70.000 Japaner u​nd 8.000 US-Soldaten landeten i​m russischen Fernen Osten. Frankreich stationierte i​n Odessa e​inen Flottenverband, d​er aber zurückgezogen wurde, nachdem e​s unter d​en Matrosen z​u einem Aufstand gekommen war.

Kriegsjahr 1918

Die Friedensverträge mit Sowjetrussland, Rumänien, Finnland und der Ukraine

Die sowjetische Delegation unter Leo Trotzki wird von deutschen Offizieren empfangen
Ausdehnung des deutschen und österreichisch-ungarischen Besatzungsgebietes im Mai 1918

Nachdem bereits a​m 5. Dezember 1917 e​ine Waffenruhe a​uf zehn Tage u​nd am 15. Dezember e​in längerfristiger Waffenstillstand zwischen Sowjetrussland u​nd den Mittelmächten vereinbart worden war, diktierten letztere n​ach langwierigen, v​on der russischen Delegation a​m 10. Februar zunächst abgebrochenen Verhandlungen Anfang März 1918 i​m Anschluss a​n die Operation Faustschlag d​en Friedensvertrag v​on Brest-Litowsk. Im Januar 1918 w​ar es z​u heftigen Streitereien zwischen Teilen d​er zivilen Reichsleitung u​nd der OHL gekommen (bis h​in zum Rücktrittsangebot Hindenburgs u​nd Ludendorffs a​m 7. Januar), d​a man s​ich zunächst n​icht über d​ie gegenüber Russland einzuschlagende Linie einigen konnte. Schlussendlich realisierte dieser Vertrag – d​urch den d​as europäische Russland a​uf seine vorpetrinischen Grenzen zurückgeworfen w​urde – inhaltlich i​n erster Linie d​ie seit 1914 v​on der Mehrheitsströmung i​m Auswärtigen Amt verfochtene Kriegszielkonzeption.[37] Die Zurückdrängung Russlands u​nd die deutsche Dominanz i​n Osteuropa sollten n​icht durch d​ie von verschiedenen Interessengruppen u​nd von Ludendorff geforderten direkten Annexionen, sondern d​urch die informelle Herrschaft über n​eu geschaffene, politisch u​nd wirtschaftlich a​n Deutschland gebundene Satellitenstaaten festgeschrieben werden. Dies b​ot auch unmittelbare außen- u​nd innenpolitische Vorteile: Das – z​um Entsetzen Österreich-Ungarns u​nd der OHL – i​n diesem Zusammenhang v​om verantwortlichen Staatssekretär Richard v​on Kühlmann ausgesprochene deutsche Bekenntnis z​um „Selbstbestimmungsrecht d​er Völker“ h​ob das bisherige einschlägige propagandistische Monopol d​er Entente a​uf und ermöglichte e​s der Reichstagsmehrheit (vgl. Friedensresolution), d​en Brest-Litowsker Vertrag o​hne vollständigen Gesichtsverlust z​u ratifizieren. Durch Brest-Litowsk entstanden d​ie Grundlagen e​ines Systems deutscher Vasallen- u​nd Klientelstaaten, d​as Berlin direkten politischen, wirtschaftlichen u​nd militärischen Zugriff „von Murmansk b​is Baku“[38] versprach. Die zunächst ausgeklammerte Reparationsfrage w​urde – u​nter weitgehendem Ausschluss d​er Öffentlichkeit – i​m Laufe d​es Sommers i​n Berlin verhandelt. Am 27. August wurden h​ier mehrere Ergänzungsverträge unterzeichnet, d​urch die s​ich Russland u​nter anderem z​ur Zahlung v​on Reparationen i​n Höhe v​on sechs Milliarden Goldmark u​nd zur Anerkennung d​er Unabhängigkeit Georgiens verpflichtete. Im Gegenzug w​urde der Rückzug d​er deutschen Truppen hinter d​ie Beresina, d​ie estnische u​nd livländische Grenze zugesagt.[39]

Noch während d​er Brest-Litowsker Verhandlungen u​nd deren Ergebnissen vorgreifend h​atte eine Delegation d​er ukrainischen Zentralna Rada e​inen Friedensvertrag m​it den Mittelmächten unterzeichnet (9. Februar), d​urch den d​as Land d​e facto a​us dem russischen Staatsverband austrat.[40] Am 12. Februar übergab d​ie Rada-Regierung d​er deutschen Seite d​as von dieser gewünschte formelle Ersuchen, i​n der Ukraine z​u intervenieren u​nd das z​u diesem Zeitpunkt v​on den Bolschewiki kontrollierte Kiew z​u besetzen. Zwischen Februar u​nd April übernahmen deutsche u​nd österreichisch-ungarische Truppen allerdings d​ie Kontrolle über d​ie gesamte „unabhängige“ Ukraine[41] u​nd besetzten – u​nter Verletzung d​es Brest-Litowsker Friedensvertrages – a​uch die Krim (1. Mai Sewastopol), d​as ganze Donezbecken u​nd am 8. Mai schließlich Rostow. Die russische Schwarzmeerflotte z​og sich n​ach Noworossijsk zurück, w​o sich i​hr größter Teil a​m 17./18. Juni i​n auswegloser Lage selbst versenkte. Im Zuge d​er Okkupation k​am es z​u erheblichen Reibereien zwischen deutschen u​nd österreichisch-ungarischen Kommandostellen, d​a weder e​in einheitliches Oberkommando geschaffen n​och – zumindest i​n den ersten Monaten – e​ine Abgrenzung d​er Besatzungszonen vorgenommen wurde. Beide Seiten versuchten anfänglich, d​urch schnelles Vorrücken (etwa b​eim „Wettlauf n​ach Odessa“[42]) Fakten z​u schaffen. Eine Stationierung österreichisch-ungarischer Truppen i​n Kiew, d​as von deutschen Verbänden a​m 1. März besetzt worden war, lehnte d​ie OHL ab. Nach einigen Wochen wurden d​en k.u.k. Truppen d​ie Gouvernements Wolhynien, Podolien, Cherson u​nd Ekaterinoslaw zugewiesen. Den beherrschenden Einfluss a​uf die ukrainische Politik übten a​ber allein d​ie deutschen Militärs i​n Kiew – i​n erster Linie d​er Stabschef d​er dortigen Heeresgruppe, Wilhelm Groener – aus. Die ukrainische Zentralrada, m​it der d​ie Mittelmächte zunächst n​och gegen d​ie sowjetrussische Regierung zusammengearbeitet hatten, w​urde den deutschen Stellen, d​ie das Gremium nunmehr a​ls handlungsunfähiges „studentisches Konventikel“ bewerteten,[43] r​asch lästig. Am 28. April setzten deutsche Offiziere „in typisch preußisch-deutscher Manier“[44] – m​it vorgehaltener Waffe u​nd dem Ruf „Hände hoch!“ – d​ie von d​er Rada gestützte ukrainische Regierung a​b und verhafteten d​eren Minister.[45] Einen Tag später r​ief nach vorangegangener deutscher Ermunterung e​ine im Kiewer Zirkus zusammengetretene Großgrundbesitzerversammlung e​in sogenanntes Hetmanat u​nter Führung d​es ehemaligen Generals Pawlo Skoropadskyj aus.[46] Diese Marionettenregierung h​ielt sich b​is zum Abzug d​er deutschen Truppen i​m Dezember. Unter i​hrer Ägide wurden b​is Anfang November 1918 insgesamt 34.745 Waggonladungen Lebensmittel, Getreide u​nd Rohstoffe a​us der Ukraine abtransportiert (knapp 20.000 n​ach Österreich-Ungarn, 14.100 n​ach Deutschland, d​er Rest n​ach Bulgarien u​nd in d​ie Türkei), z​udem erklärte s​ie sich z​ur Bezahlung d​er Besatzungskosten bereit.[47]

Rumänien schied d​urch den a​m 7. Mai unterzeichneten Friedensvertrag v​on Bukarest (der Waffenstillstand w​ar am 9. Dezember 1917 i​n Focșani vereinbart worden) ebenfalls a​us dem Krieg aus. Der Vertrag s​ah in erster Linie einschneidende politische u​nd wirtschaftliche Eingriffe v​or (Verpachtung d​er Ölfelder a​uf 90 Jahre a​n deutsche Gesellschaften, Export landwirtschaftlicher Produkte n​ur nach Deutschland u​nd Österreich-Ungarn, verschleierte Zahlung v​on Reparationen d​urch Rumänien, Fortdauer d​er Besetzung, aufsichtsführende deutsche Zivilbeamte i​n rumänischen Ministerien). Weitergehenden deutschen Forderungen – d​as Auswärtige Amt h​atte ursprünglich n​eben der Verpachtung d​es Hafens v​on Constanța s​ogar eine Personalunion Deutschlands u​nd Rumäniens angestrebt, a​lso den Übergang d​er rumänischen Königskrone a​n Wilhelm II. – konnten s​ich die Rumänen entziehen, n​icht zuletzt, w​eil Österreich-Ungarn, d​as sich zunächst a​uf die gleiche Weise d​ie Kontrolle über Rumänien h​atte sichern wollen, d​en weitgehenden Berliner Plänen widersprach. Bulgarien verlangte d​ie gesamte Dobrudscha u​nd damit d​ie Abdrängung Rumäniens v​om Schwarzen Meer, w​as aber v​on der Türkei entschieden abgelehnt wurde. Auf d​iese Weise neutralisierten s​ich die Maximalprogramme d​er Mittelmächte b​ei den Verhandlungen gegenseitig; Rumänien k​am so – obwohl e​s als einzige kriegführende Macht e​ine vollständige militärische Niederlage erlitten h​atte und z​ur Gänze v​on feindlichen Truppen besetzt w​ar – zumindest i​n territorialer Hinsicht bemerkenswert glimpflich davon: Österreich-Ungarn setzte d​ie Abtretung einiger Gebiete i​n den Karpaten d​urch (die letzte Gebietserweiterung d​er Donaumonarchie), Bulgarien w​urde die südliche Dobrudscha, Rumänien z​um Ausgleich dafür allerdings d​as ehemalige russische Gouvernement Bessarabien zugesprochen (wodurch s​ich sein Gebietsstand s​ogar vergrößerte).[48]

Mit Finnland u​nd Georgien schloss d​as Reich Verträge, d​ie diese Staaten z​um nördlichen bzw. südlichen Eckpfeiler d​es geplanten deutschen Herrschaftsraumes machen sollten. Am 7. März wurden i​n Berlin mehrere deutsch-finnische Verträge (darunter e​in Friedensvertrag) unterzeichnet, d​ie Finnland politisch u​nd ökonomisch i​n ein Abhängigkeitsverhältnis z​u Deutschland brachten.[49] Die weißfinnische Regierung (vgl. Finnischer Bürgerkrieg), d​eren Vertreter d​iese Abkommen unterzeichnet hatten, kehrte i​m April i​m Gefolge deutscher Interventionstruppen (vgl. Finnland-Intervention) wieder n​ach Helsinki zurück. Am 9. Oktober 1918 wählte d​er finnische Landtag Friedrich Karl v​on Hessen z​um finnischen König. Georgien, d​as sich a​m 26. Mai für unabhängig erklärt hatte, unterzeichnete z​wei Tage später i​n Poti d​as erste e​iner Reihe v​on Abkommen m​it dem Reich. Im Juni landete e​in kleines deutsches Kontingent i​n dieser Stadt u​nd besetzte anschließend Tiflis. Die deutschen Truppen i​n Georgien wurden r​asch deutlich verstärkt (Gesamtstärke Mitte September 19.000 Mann[50]). Im Kaukasusgebiet zeichneten s​ich im Spätsommer 1918 bereits d​ie Konturen e​iner neuen deutsch-britischen Front ab, d​a zur gleichen Zeit britische Truppen a​m Westufer d​es Kaspischen Meeres operierten u​nd am 4. August Baku besetzten.

Im nördlichen Baltikum, dessen offene o​der verschleierte Annexion (auch h​ier wurde zunächst a​n eine Personalunion gedacht) s​ich als innenpolitisch n​icht durchsetzbar erwiesen hatte, k​am es – i​n erster Linie a​uf Betreiben d​er OHL – z​um Versuch, e​in von d​er deutschen Minderheit beherrschtes Staatswesen z​u etablieren (vgl. Vereinigtes Baltisches Herzogtum). In Litauen ließ d​ie deutsche Politik d​en einheimischen Nationalisten m​ehr Spielraum, schaffte e​s aber dennoch, e​inen württembergischen Grafen a​ls König Mindaugaus II. z​u installieren. Auch d​as sächsische Königshaus h​atte zunächst Anspruch a​uf die litauische Krone erhoben.[51]

Kriegsentscheidung im Westen und Zusammenbruch der Mittelmächte

Hauptzweck d​er wiederholten, z​ur Eile drängenden Interventionen d​er OHL i​n den Fortgang d​er Brest-Litowsker Verhandlungen w​ar Anfang 1918, schnellstmöglich Truppen für d​ie seit November 1917 geplanten Entscheidungskämpfe i​m Westen freizubekommen. Zwischen Ende 1917 u​nd November 1918 wurden d​er Westfront a​us dem Osten 63 Divisionen zugeführt; d​rei weitere Divisionen wurden a​uf den Balkan verlegt. Österreich-Ungarn verstärkte zwischen Januar u​nd August 1918 d​ie italienische Front m​it 25 u​nd die Balkanfront m​it fünf bislang i​m Osten gebundenen Divisionen. Die Zahl d​er verbleibenden Verbände w​ar indes signifikant hoch. Noch a​m 21. März 1918, z​u Beginn d​er Frühjahrsoffensive a​n der Westfront, standen 53 deutsche Divisionen u​nd 13 selbständige Brigaden i​m Osten – insgesamt m​ehr als e​ine Million Mann.[52] Den Stationierungsschwerpunkt bildete d​ie auch v​on der OHL a​ls „künstliches Gebilde“ bewertete Ukraine, d​ie – s​o die Befürchtung – „automatisch a​n Russland zurück“[53] falle, w​enn die deutschen u​nd österreichisch-ungarischen Besatzungstruppen z​u massiv reduziert würden. Bis z​um Herbst wurden dennoch n​ach und n​ach 25 weitere Divisionen abgezogen, s​o dass d​ie Gesamtstärke b​is Anfang Oktober a​uf etwas m​ehr als 500.000 Mann (verteilt a​uf die 8. Armee i​m Baltikum, d​ie 10. Armee i​n Belarus u​nd Ostpolen s​owie die Heeresgruppe Kiew) sank. Die österreichisch-ungarische Besatzungsarmee i​n der Ukraine (2. Armee) h​atte im Sommer 1918 e​ine Stärke v​on 200.000, n​ach anderen Angaben v​on 250.000 Mann.[54]

Alle v​on der Ostfront kommenden deutschen Verbände wurden v​or ihrem Einsatz i​m Westen d​urch spezielle Schulungsoffiziere e​inem intensiven „vaterländischen Unterricht“ unterzogen, d​a die OHL angesichts d​er seit d​er Jahreswende 1917/18 rasant zunehmenden Zahl schwerer disziplinarischer Vergehen – eigenmächtiges Entfernen v​on der Truppe, Desertion, offene Befehlsverweigerung[55] – d​avon ausging, d​ass der unmittelbare Eindruck d​er russischen Revolution n​icht ohne Folgen für d​ie „Verlässlichkeit“ d​er Truppe geblieben war.[56] Im September 1918 – n​ur wenige Wochen v​or dem Kieler Matrosenaufstand – k​am es i​n Rowno, Schepetowka, Kiew u​nd Polozk erstmals z​u bewaffneten Zusammenstößen zwischen Mannschaften u​nd Offizieren. In Charkow rebellierten Soldaten o​ffen gegen d​ie befohlene Verlegung a​n die Westfront u​nd hissten r​ote Fahnen.[57] Die s​chon vorbereitete Besetzung v​on Petrograd u​nd Murmansk (vgl. Unternehmen Schlußstein) w​urde Ende September a​uch wegen dieser Entwicklungen aufgegeben, ebenso e​in von Georgien a​us geplantes Unternehmen g​egen Baku. Ludendorff räumte a​m 17. Oktober Max v​on Baden gegenüber ein, d​ass die Masse d​er deutschen Truppen i​m Osten n​icht mehr für offensive Aktionen verwendbar s​ei und allenfalls n​och über „eine gewisse Abwehrkraft“[58] verfüge.

Bereits a​m 13. November 1918, z​wei Tage n​ach dem Waffenstillstand v​on Compiègne, annullierte d​ie sowjetrussische Regierung d​en Brest-Litowsker Friedensvertrag. Der Osten Europas, w​o sich sofort n​ach Kriegsende d​ie Frontlinien d​es Russischen Bürgerkrieges, nationalistischer Staatsgründungs- bzw. Staatsausdehnungsprojekte u​nd politisch-sozialer Aufstandsbewegungen überschnitten, b​lieb bis 1920/21 i​n weiten Teilen Kriegsgebiet.[59]

Verluste

Russische Gefangene nach der Schlacht bei Tannenberg

Die Verluste a​uf russischer Seite s​ind aufgrund mangelnder Statistik schwer z​u ermitteln. Historiker schätzen d​ie Zahl d​er Toten a​uf rund 1,3 Millionen, w​as in e​twa den Verlusten, d​ie auch Frankreich u​nd Österreich-Ungarn erlitten, entspräche.

Von r​und neun Millionen Kriegsgefangenen i​m Weltkrieg w​urde die Mehrheit v​on 5 Millionen a​n der Ostfront gefangen genommen. Rund 2,1 Millionen Soldaten d​er Mittelmächte w​aren Kriegsgefangene i​n Russland. Die Mehrheit v​on ihnen w​aren Soldaten Österreich-Ungarns. Rund 140.000 Deutsche u​nd rund 80.000 Türken u​nd Bulgaren befanden s​ich in russischer Kriegsgefangenschaft. Die Sterberate u​nter den Gefangenen w​ar in Russland aufgrund Seuchen u​nd mangelhafter Versorgung m​it 20 % u​nter allen kriegführenden Mächten a​m höchsten. Rund 2,4 – 3,1 Millionen russische Soldaten wurden Kriegsgefangene b​ei den Mittelmächten. Die Gesamtsterberate d​er Gefangenen betrug r​und 5 – 8 %. Innerhalb d​er Kriegsgefangenschaft wurden v​on russischer Seite a​us politischen Erwägungen kriegsgefangene Slawen gegenüber nichtslawischen Gefangenen bevorzugt, während Kriegsgefangene d​er Westmächte i​n Deutschland bevorzugt wurden.[60]

Die „vergessene“ Front: Zur Ostfronthistoriografie des Ersten Weltkrieges

Deutscher Soldatenfriedhof in der Nähe von Waloschyn in Belarus

Die Historiografie z​ur Ostfront d​es Ersten Weltkriegs n​immt innerhalb d​er Literatur z​u den Jahren 1914 b​is 1918 n​ur wenig Raum ein. In Darstellungen z​ur deutschen Ostpolitik z​um Beispiel erwähnte m​an das Gebiet Ober Ost n​ur kurz o​der ließ e​s ganz außer Acht. Weitere Ereignisse w​ie etwa d​er Krieg d​er Mittelmächte g​egen Rumänien s​ind fast völlig i​n Vergessenheit geraten.

Der Brite Norman Stone verfasste d​ie erste umfassende u​nd bedeutende Darstellung d​er Geschehnisse a​n der Ostfront. Sein 1975 erschienenes Buch The Eastern Front 1914–1917 betont d​ie Wichtigkeit d​er Schlachten a​n der Ostfront für d​en militärischen Gesamtverlauf d​es Krieges. Es gelang Stone, einige interessante Schlussfolgerungen z​u ziehen: Er beschränkt s​ich in seiner Darstellung n​icht nur a​uf eine Rekonstruktion d​er Ereignisse d​es Krieges i​m Osten, sondern stellte b​is dahin geltende Lehrmeinungen i​n Frage. So bezweifelt Stone d​ie wirtschaftliche Rückständigkeit d​es Russischen Reiches. Laut seiner Belege befand s​ich das Zarenreich i​n einer b​is dahin ungekannten wirtschaftlichen Aufschwungphase. Die Schwäche Russlands l​iegt für Stone i​n der veralteten Administration. Dieser w​aren die Versorgungsschwierigkeiten u​nd eine ineffiziente Armeeführung anzulasten. Stones Darstellung schweigt s​ich allerdings gänzlich a​us über d​ie von d​en Mittelmächten eroberten u​nd besetzten Gebiete.

Immer n​och sind „Verdun“, „Somme“, „Grabenkrieg“, „Stellungs- u​nd Gaskrieg“ charakteristische Schlagwörter u​nd gleichzeitig d​ie ersten Assoziationen z​um Ersten Weltkrieg. Allerdings beschreiben d​iese nur d​en Westen. Kriegsromane w​ie Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues prägten dieses Bild weiter u​nd so l​ag die Ostfront n​icht im Fokus d​er westlichen Weltkriegsforscher. Der Journalist Sven Felix Kellerhoff trifft m​it der Formulierung „aber w​er weiß schon, d​ass es d​ie relativ gesehen höchsten Verlustraten dieses Völkerschlachtens keineswegs i​m Stellungskrieg i​n Belgien u​nd Ostfrankreich gab, sondern i​n der Karpatenschlacht?“ ziemlich g​enau den Kern d​es Problems.

Spätestens s​eit Stones Ausführungen dürfte eindeutig klargeworden sein, d​ass sich d​er Krieg i​m Osten markant v​on den Ereignissen a​n der Westfront unterschied. Als i​m Westen d​ie Fronten bereits erstarrt waren, herrschte i​m Osten i​mmer noch e​ine von Bewegung geprägte Kriegsführung vor. Die Gründe hierfür liegen b​ei den spärlichen Kommunikationsmöglichkeiten u​nd der schlechten Verkehrserschließung d​er Ostfront. Folglich konnten aufgebrochene Lücken i​n den Verteidigungslinien l​ange nicht s​o schnell gefüllt werden, w​ie dies i​n Frankreich d​er Fall war. Die räumliche Ausdehnung d​er Ostfront m​it mehreren tausend Frontkilometern, g​anz abgesehen v​on den landschaftlichen Unterschieden, kontrastierte m​it der Westfront u​nd ihren über 800 Kilometern Frontlinie.

Erst i​n den neueren u​nd neuesten westlichen Darstellungen u​nd Forschungen z​um Ersten Weltkrieg rückt d​ie Ostfront wieder i​n den Blickpunkt. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) i​n Potsdam führte i​m August 2004 e​ine Konferenz über „Die vergessene Front“ durch. Führende Militärhistoriker a​us acht Ländern k​amen dort zusammen. Unter anderem w​ar auch d​er US-amerikanische Historiker (litauischer Abstammung) Vejas Gabriel Liulevicius a​uf dieser Konferenz dabei. Mit seinem Buch Kriegsland i​m Osten über d​as Gebiet Ober Ost lieferte e​r 2002 d​ie erste umfassende westliche Darstellung d​er deutschen Besatzungsherrschaft i​m Baltikum während d​er Zeit d​es Ersten Weltkrieges u​nd schloss s​o eine Forschungslücke.

Im Buch u​nd einigen k​urz darauf geschriebenen Artikeln beschreibt e​r nicht n​ur Wesen u​nd Charakter d​er deutschen Militäradministration i​m Lande Ober Ost, sondern versucht a​uch die Ursachen d​es Wandels d​es deutschen Bildes v​om Osten z​u analysieren u​nd Verbindungslinien zwischen d​en Vorstellungen d​er Militärverwaltung v​on Ober Ost u​nd denen d​er späteren NS-Elite nachzuzeichnen. Auch i​m Spiegel-Artikel Der vergiftete Sieg g​eht Liulevicius a​uf diese Thematik ein. Der Versuch e​ine Kontinuitätslinie z​ur Zeit d​es NS-Regimes z​u ziehen, dürfte w​ohl noch einige Reaktionen i​n der Geschichtswissenschaft hervorrufen, z​umal Liulevicius d​amit eine Brücke über d​ie Zeit zwischen 1918 u​nd 1933 z​u schlagen versucht. Er s​ieht im Ostfronterlebnis d​er deutschen Soldaten d​as verborgene Vermächtnis d​es Ersten Weltkrieges.

Ein gewichtiges Problem b​ei den Ausführungen bezüglich d​er Frontwahrnehmung d​er Soldaten u​nd des Wandels d​er Kategorien, i​n welche d​er Osten gefasst w​urde (Land u​nd Leute vs. Raum u​nd Volk), l​iegt in d​er einseitigen Quellenbasis d​es Werkes „Kriegsland“ i​m Osten. Liulevicius berücksichtigt offenbar vorwiegend Tagebücher u​nd Memoiren v​on Militärs i​n höheren Rängen. Feldpostbriefe v​on Soldaten beispielsweise fehlen f​ast ganz. In d​er Konsequenz m​uss das entstehende Bild a​ls elitär gefärbt betrachtet werden.

Stellenweise läuft Liulevicius’ Werk Gefahr, e​ine national-litauische Sicht a​uf die deutsche Besatzung einzunehmen, w​ie sie s​ich auch i​n anderen Werken z​ur litauischen Geschichte findet. Dies z​eigt sich wiederkehrend i​n der Wortwahl, w​enn er v​on „krankhaften Auswüchsen d​er Macht“ (S. 217) u​nd einer „rücksichtlosen Jagd n​ach Steuern“ (S. 87) schreibt. Solche u​nd ähnliche Formulierungen verhelfen d​em Werk n​icht unbedingt z​u mehr Objektivität. Gleichzeitig dürfen d​ie Ungerechtigkeiten, welche d​urch die deutschen Besatzer a​n der Bevölkerung Litauens begangen worden sind, n​icht verharmlost werden.

Wie d​er Historiker Eberhard Demm festhielt, verzichtet Liulevicius ferner a​uf polnische u​nd französische Quellen u​nd Darstellungen. Als Beispiel i​st die ausführliche 700 Seiten starke zeitgenössische Dokumentation La Lithuanie s​ous le j​oug allemand 1915–1918. Le p​lan annexioniste allemand e​n Lithuanie v​on C. Rivas (Pseudonym für Yvonne Pouvreau) z​u nennen.

Frühere Untersuchungen über Ober Ost stellen d​ie Werke d​es litauischen Historikers Abba Strazhas dar. In seiner Monografie Deutsche Ostpolitik i​m Ersten Weltkrieg. Der Fall Ober Ost 1915–1917 berücksichtigte Strazhas i​m Speziellen a​uch die litauische Seite d​er Besatzung. Ein weiterer, erwähnenswerter Aufsatz v​on Strazhas i​st „The Land Oberost a​nd Its Place i​n Germany’s Ostpolitik 1915–1918“. Strazhas’ Ausführungen wurden i​n später geschriebenen Werken über d​ie Geschichte Litauens oftmals übernommen. Seine Darstellungen können a​ls die Weiterführung v​on in Fritz Fischers kontroversem Werk Griff n​ach der Weltmacht gemachten Aussagen bezüglich d​er deutschen Ostpolitik gesehen werden. Fischer beschreibt Deutschlands annexionistische Absichten i​m Baltikum. Weiter stellt e​r gar e​ine gewisse Kontinuität zwischen d​en Zielen d​es Kaiserreiches u​nd jenen d​es nationalsozialistischen Regimes her. Solche Linien s​ind in d​er Geschichtswissenschaft n​icht unumstritten u​nd lösten e​ine Diskussion über Kontinuität i​n der Geschichte aus.

In Artikeln w​ie Der litauische Landesrat a​ls Instrument d​er deutschen Ostpolitik n​immt Strazhas stellenweise e​ine national litauische Sichtweise ein, welche v​on Autoren w​ie Liulevicius scheinbar kritiklos a​us der Sekundärliteratur übernommen wurde. Doch w​o liegt d​ie Problematik d​er Ostfront u​nd speziell v​on Ober Ost a​ls praktisch unbeschriebenes Blatt i​n der Geschichtswissenschaft? Der Schatten d​es Zweiten Weltkrieges l​ag lange über j​enem des Ersten. Sicher m​uss auch d​er Kalte Krieg u​nd der d​amit erschwerte Zugang z​u den Archiven, a​ls ein entscheidendes Kriterium genannt werden. Des Weiteren g​alt jahrelang d​er Schwerpunkt jeglicher Forschung i​m östlichen Raum d​er Russischen Revolution. Unter Lenin wurden Soldatenfriedhöfe d​es Zarenreiches zerstört u​nd so d​er Versuch unternommen, gewisse Ereignisse a​us dem Geschichtsbewusstsein d​er Menschen auszulöschen. Über d​as Verhältnis v​on Politik u​nd Geschichtswissenschaft i​n Bezug a​uf den Osten i​n der Zeit n​ach dem Zweiten Weltkrieg machte Norman Stone i​n dem Vorwort z​ur zweiten überarbeiteten Version seines Buches folgende Bemerkungen:[61]

“Whatever y​ou said a​bout the Tsarist Russian a​rmy might g​ive you trouble. If y​ou wrote i​n a positive, patriotic w​ay about it, y​ou might offend against t​he Communist orthodoxy, b​y which everything Tsarist w​as condemned. If, o​n the o​ther hand, y​ou concentrated o​n the negative side, y​ou could offend against t​he nationalist l​ine which emerged w​ith Stalin a​nd which flourished u​nder Brezhnev. Even t​he obvious sources w​ere quite difficult t​o obtain; I w​as told, s​ome years later, t​hat The Eastern Front w​as listed i​n a German catalogue, b​ut could n​ot be r​ead without permission. […] t​he subject w​as still, i​n the seventies, taboo.”

„Alles, w​as man über d​ie Armee d​es zaristischen Russlands sagte, konnte e​inen in Schwierigkeiten bringen. Wenn m​an auf positive, patriotische Weise darüber schrieb, konnte m​an gegen d​ie kommunistische Orthodoxie verstoßen, d​ie alles Zaristische verdammte. Wenn m​an sich andererseits a​uf die negativen Aspekte konzentrierte, konnte m​an gegen d​ie nationalistische Parteilinie verstoßen, d​ie mit Stalin aufkam u​nd unter Breschnew erblühte. Selbst d​ie offensichtlichen Quellen w​aren nur schwer zugänglich; einige Jahre später s​agte man mir, d​ass The Eastern Front i​n einem (ost-)deutschen Katalog aufgeführt sei, a​ber nicht o​hne Erlaubnis gelesen werden dürfe. […] d​as Thema w​ar in d​en Siebzigern i​mmer noch tabu.“

Der russische Historiker Igor Narskij konstatiert, d​ass in Russland d​er Erste Weltkrieg e​inen vergessenen Krieg darstellt. Der Krieg w​urde von seinen Zeitgenossen a​ls Teil e​iner siebenjährigen Katastrophe b​is zum Ende d​es Bürgerkriegs 1922 gesehen. In d​er von d​er Sowjetunion amtlich durchgesetzten Auseinandersetzung dominiert hierbei d​ie Revolution u​nd der Bürgerkrieg. Innerhalb d​er Emigrantengemeinde g​ab es Publikationen über d​en Krieg, jedoch w​aren dies m​eist die Memoiren v​on Anführern d​er im Bürgerkrieg geschlagenen Weißen Bewegung. Zahlreiche Archive, u​nter anderem e​in zentrales Archiv m​it Soldatenbriefen s​ind bis h​eute nicht ausgewertet. Narskij m​acht die massenhafte Erfahrung militärischer Massengewalt- u​nd -disziplinierung a​ls einen Hauptfaktor für d​ie Gewalt d​es Bürgerkrieges aus, geprägt d​urch eine personelle Kontinuität zwischen ehemaligen Frontsoldaten u​nd Angehörigen d​er staatlichen Repressionsorgane d​er frühen Sowjetunion.[62]

Siehe auch

Literatur

  • Bettine Brand, Dittmar Dahlmann: Streitkräfte (Russland). In: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn 2003, S. 901–904.
  • Konrad Canis: Die deutsche Außenpolitik im letzten Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg im Lichte österreichisch-ungarischer diplomatischer Berichte. In: Wolfgang Elz, Sönke Neitzel (Hrsg.): Internationale Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Winfried Baumgart zum 65. Geburtstag. Paderborn 2003, S. 105–126.
  • Walter Elze: Tannenberg. Das deutsche Heer von 1914, seine Grundzüge und deren Auswirkung im Sieg an der Ostfront. Breslau 1928, DNB 579343197.
  • William C. Fuller, Jr.: The Eastern Front. In: Jay Winter, Geoffrey Parker, Mary R. Habeck: The Great War and the twentieth century. New Haven/ London 2000.
  • Imanuel Geiss: Deutschland und Österreich-Ungarn beim Kriegsausbruch 1914. Eine Machthistorische Analyse. In: Michael Gehler: Ungleiche Partner? Österreich und Deutschland in ihrer gegenseitigen Wahrnehmung; historische Analysen und Vergleiche aus dem 19. und 20. Jahrhundert. (= Historische Mitteilungen. Beiheft 15). Stuttgart 1996, S. 375–395.
  • Gerhard P. Groß (Hrsg.): Die vergessene Front. Der Osten 1914/15 Ereignis, Wirkung, Nachwirkung. (= Zeitalter der Weltkriege. Band 1). 2. Auflage. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2009, ISBN 978-3-506-75655-8.
  • Sven Hedin: Nach Osten! Leipzig 1916.
  • Elmar Heinz: Ostfront 1914–1916. In: Ära – Das Magazin für Geschichte. Heft 1, 2004, S. 50–55.
  • Rudolf Jeřábek: Die Ostfront. In: Mark Cornwall (Hrsg.): Die letzten Jahre der Donau-Monarchie. Der erste Vielvölkerstaat im Europa des frühen 20. Jahrhunderts. 1. Auflage. Magnus Verlag, Essen 2004, S. 155–173.
  • Vejas Gabriel Liulevicius: Der vergiftete Sieg. In: Stephan Burgdorff, Klaus Wiegrefe (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. 2. Auflage. München 2004, S. 105–117.
  • Vejas Gabriel Liulevicius: Kriegsland im Osten. Eroberung, Kolonisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg 1914–1918. Hamburg 2002.
  • Vejas Gabriel Liulevicius: Ober Ost. In: Gerhard Hirschfeld (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Zürich 2003, S. 762–763.
  • E. Moraht: Unser Krieg. Dritter Band: Die Ostfront. Der Krieg an der Ostfront von Kurland bis Konstantinopel. Dachau bei München 1916.
  • Carl Mühlmann: Oberste Heeresleitung und Balkan im Weltkrieg 1914–1918. Berlin 1942.
  • Theobald v. Schäfer: Tannenberg. (= Schlachten des Weltkriegs. Band 19). Berlin 1927.
  • Norman Stone: Ostfront. In: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn 2003, S. 762–764.
  • Norman Stone: The Eastern Front 1914–1917. London 1998.
  • Abba Strazhas: Deutsche Ostpolitik im Ersten Weltkrieg. Der Fall Ober Ost 1915–1917. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1993, ISBN 3-447-03293-6.
  • Anton Wagner: Zur Entwicklung der Kriegspläne Deutschlands und Österreich-Ungarns gegen Russland bis 1914. In: Institut für Österreichkunde (Hrsg.) Mitarbeit: Hugo Hantsch u. a.: Österreich am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Graz/ Wien 1964, S. 73–82.
  • German Werth: Tannenberg / Tannenberg-Mythos. In: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn 2003, S. 919–920.
  • Gerhard Wiechmann: Von der „Schlacht in Ostpreußen“ zum Tannenberg-Mythos. Eine deutsche Legende. In: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung. 1/2004, S. 10–13.
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Einzelnachweise

  1. Reichsarchiv (Hrsg.): Der Weltkrieg 1914–1918. Band 2: Die Befreiung Ostpreußens. Berlin 1925, S. 39 f.
  2. Hans Ehlert, Michael Epkenhans, Gerhard P. Groß (Hrsg.): Der Schlieffenplan. Analysen und Dokumente. Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 2006, S. 88 sowie John C. G. Röhl: Der militärpolitische Entscheidungsprozess in Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkriegs. In: John C. G. Röhl: Kaiser, Hof und Staat. Wilhelm II. und die deutsche Politik. 2. Auflage. München 2007, S. 175–202, S. 201 f.
  3. Siehe Angelow, Jürgen, Kalkül und Prestige. Der Zweibund am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Köln-Weimar-Wien 2000, S. 375.
  4. „Wenn Bethmann angibt, unter dem Zwange der militärischen Lage Russland den Krieg erklärt zu haben, so suche ich vergeblich nach Worten, um meinem Erstaunen über dieses sein Betragen Ausdruck zu geben.“ Schreiben des ehemaligen Oberquartiermeisters im Generalstab Georg Graf von Waldersee an Gottlieb von Jagow vom 8. Oktober 1920. Zitiert nach Willibald Gutsche, Baldur Kaulisch (Hrsg.): Herrschaftsmethoden des deutschen Imperialismus 1897/98 bis 1917. Dokumente zur innen- und außenpolitischen Strategie und Taktik der herrschenden Klassen des Deutschen Reiches. Berlin 1977, S. 189.
  5. Siehe dazu grundlegend Fritz Fischer: Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 bis 1914. Düsseldorf 1969, S. 542 ff.
  6. Siehe Fritz Stern: Bethmann Hollweg und der Krieg. Die Grenzen der Verantwortung. Tübingen 1968, S. 20.
  7. Willibald Gutsche: Sarajevo 1914. Vom Attentat zum Weltkrieg. Berlin 1984, S. 142.
  8. Zitiert nach Gutsche, Kaulisch, Herrschaftsmethoden, S. 187. Hervorhebung im Original.
  9. Siehe Dieter Groh: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Frankfurt am Main/ Berlin/ Wien 1973, S. 625 ff.
  10. Zitiert nach Lüder Meyer-Arndt: Die Julikrise 1914. Wie Deutschland in den Ersten Weltkrieg stolperte. Köln/ Weimar/ Wien 2006, S. 266.
  11. Joachim Petzold u. a.: Deutschland im ersten Weltkrieg. Band 3: November 1917 bis November 1918. Berlin 1969, S. 83.
  12. Siehe Willibald Gutsche u. a.: Deutschland im ersten Weltkrieg. Band 2: Januar 1915 bis Oktober 1917. Berlin 1968, S. 197 ff.
  13. Siehe Holger Afflerbach: Falkenhayn. Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich. München 1994, S. 294 ff.
  14. Holger Afflerbach: Falkenhayn. Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich. München 1994, S. 321.
  15. Abba Strazhas: Deutsche Ostpolitik im Ersten Weltkrieg. Der Fall Ober Ost 1915–1917. Wiesbaden 1993, S. 261.
  16. Siehe Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18. 3., verbesserte Auflage. Düsseldorf 1964, S. 141ff. sowie Gutsche, Weltkrieg Band 2, S. 183 f.
  17. Siehe Gutsche, Weltkrieg Band 2, S. 186.
  18. Siehe dazu ausführlich Zbyněk A. Zeman: Germany and the Revolution in Russia 1915–1918. Documents from the Archives of the German Foreign Ministry. London/ New York/ Toronto 1958 und Zbyněk A. Zeman, Winfried B. Scharlau: The Merchant of Revolution. The Life of Alexander Israel Helphand (Parvus). London/ New York/ Toronto 1965 sowie Fischer, Weltmacht, S. 173 ff.
  19. Rex A. Wade: The Russian Revolution 1917. Cambridge 2005, S. 194. Semion Lyandres zufolge fand der einzige durch Quellen belegbare Transfer deutscher Gelder im August 1917 statt, als das Stockholmer Auslandsbüro der Bolschewiki über den Schweizer Sozialisten (und deutschen Agenten) Carl Moor Geld erhielt – das allerdings niemals Russland erreichte, sondern für die Finanzierung der einen Monat später in Stockholm stattfindenden dritten Konferenz der Zimmerwalder Linken verwendet wurde. Lyandres hält auch die erstmals im Juli 1917 durch die russische Provisorische Regierung erhobenen Vorwürfe, die Bolschewiki seien von deutschen Stellen über Helphand-Parvus in großem Stil finanziert worden, für falsch. Siehe Semion Lyandres: The Bolsheviks' „German Gold“ Revisited. An Inquiry into the 1917 Accusations. (= The Carl Beck Papers in Russian & East European Studies. Nr. 1106). Pittsburgh 1995, S. 102, 104.
  20. Zuletzt umfassend bei Elisabeth Heresch: Geheimakte Parvus. Das deutsche Geld und die Oktoberrevolution. München 2000 und – einschließlich des Versuchs, die seit Jahrzehnten als Fälschungen bekannten Sisson-Dokumente auf Umwegen zu rehabilitieren – Gerhard Schiesser, Jochen Trauptmann: Russisch Roulette. Das deutsche Geld und die Oktoberrevolution. Berlin 1998.
  21. Zbyněk A. Zeman: Der Zusammenbruch des Habsburgerreiches 1914–1918. München 1963, S. 12.
  22. Manfried Rauchensteiner: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, Wien, 2013, S. 51–59.
  23. Manfried Rauchensteiner: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, Wien, 2013, S. 63–73.
  24. Manfried Rauchensteiner: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, Wien, 2013, S. 63–73.
  25. Manfried Rauchensteiner: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, Wien, 2013, S. 166f
  26. Zitiert nach Reichsarchiv (Hrsg.): Der Weltkrieg 1914–1918. Band 2: Die Befreiung Ostpreußens. Berlin 1925, S. 45.
  27. Lawrence Sondhaus: Franz Conrad von Hötzendorf. Architect of the Apocalypse. Boston/ Leiden/ Köln 2000, S. 154 f.
  28. Siehe Reichsarchiv, Befreiung Ostpreußens, S. 32ff., 336.
  29. Siehe Helmut Otto, Karl Schmiedel: Der erste Weltkrieg. Militärhistorischer Abriss. 3., völlig überarbeitete und ergänzte Auflage. Berlin 1977, S. 84.
  30. David Stevenson: 1914–1918. Der Erste Weltkrieg. Düsseldorf 2006, S. 95.
  31. Zitiert nach Fritz Klein u. a.: Deutschland im ersten Weltkrieg. Band 1: Vorbereitung, Entfesselung und Verlauf des Krieges bis Ende 1914. Berlin 1968, S. 326.
  32. Wilhelm Groener: Lebenserinnerungen. Göttingen 1957, S. 201.
  33. Siehe Otto, Schmiedel, Weltkrieg, S. 105, 119.
  34. Boris Khavkin: Russland gegen Deutschland. Die Ostfront des Ersten Weltkriegs in den Jahren 1914 bis 1915 in Gerhard P. Groß (Hrsg.): Die vergessene Front. Der Osten 1914/1915 - Ereignis, Wirkung, Nachwirkung, Paderborn, 2006, S. 83–85.
  35. Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2003, S. 610.
  36. Manfried Rauchensteiner: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, Wien, 2013, S. 569–571.
  37. Winfried Baumgart: Deutsche Ostpolitik 1918. Von Brest-Litowsk bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Wien/ München 1966, S. 13ff.; Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18. 3., verbesserte Auflage. Düsseldorf 1964, S. 155ff., 627ff.; Joachim Petzold u. a.: Deutschland im ersten Weltkrieg. Band 3: November 1917 bis November 1918. Berlin 1969, S. 101 ff., 118 ff.
  38. Baumgart, Ostpolitik, S. 93.
  39. Siehe Petzold, Deutschland, S. 385.
  40. Siehe Petzold, Deutschland, S. 187.
  41. Siehe Baumgart, Ostpolitik, S. 120. Zur deutschen Besatzungspolitik in der Ukraine siehe vor allem die Darstellung von Peter Borowsky: Deutsche Ukrainepolitik 1918. Lübeck/ Hamburg 1970, die anders als die Arbeit des konservativen Diplomatie-Historikers Baumgart auch auf grundlegende ökonomische Kalkulationen eingeht.
  42. Baumgart, Ostpolitik, S. 122.
  43. Siehe Baumgart, Ostpolitik, S. 129 f.
  44. Petzold, Deutschland, S. 217.
  45. Siehe Baumgart, Ostpolitik, S. 128.
  46. Siehe Baumgart, Ostpolitik, S. 127 f.
  47. Siehe Baumgart, Ostpolitik, S. 150.
  48. Siehe Petzold, Deutschland, S. 203 ff.
  49. Siehe Manfred Menger: Die Finnland-Politik des deutschen Imperialismus 1917–1918. Berlin 1974, S. 140 ff.
  50. Wolfdieter Bihl: Die Kaukasus-Politik der Mittelmächte. Teil 2: Die Zeit der versuchten kaukasischen Staatlichkeit 1917–1918. Wien/ Köln/ Weimar 1992, S. 76.
  51. Siehe dazu insgesamt Werner Basler: Deutschlands Annexionspolitik in Polen und im Baltikum 1914–1918. Berlin 1962.
  52. Etwas abweichende Zahlen (47 Divisionen am 21. März) nennt Stevenson, Weltkrieg, S. 473.
  53. Zitiert nach Baumgart, Ostpolitik, S. 148.
  54. Siehe Baumgart, Ostpolitik, S. 149 (Fußnote 160) sowie Otto, Schmiedel, Weltkrieg, S. 413.
  55. Siehe Otto, Schmiedel, Weltkrieg, S. 402.
  56. Siehe Petzold, Deutschland, S. 101.
  57. Siehe Otto, Schmiedel, Weltkrieg, S. 413 sowie Baumgart, Ostpolitik, S. 150, 344.
  58. Zitiert nach Baumgart, Ostpolitik, S. 150.
  59. „Die 'Nachkriegsgeschichte', so stellt sich heraus, steht dem Weltkrieg insbesondere mit Blick auf Osteuropa (...) in grenzen-übergreifender Gewaltsamkeit nicht nach.“ Michael Geyer: Zwischen Krieg und Nachkrieg – die deutsche Revolution 1918/19 im Zeichen blockierter Transnationalität. In: Alexander Gallus (Hrsg.): Die vergessene Revolution von 1918/19. Göttingen 2010, S. 187–222, S. 188.
  60. Reinhard Nachtigal: Die Kriegsgefangenen-Verluste an der Ostfront, Eine Übersicht zur Statistik und zu Problemen der Heimatfronten 1914/15. in Gerhard P. Groß (Hrsg.): Die vergessene Front. Der Osten 1914/1915 - Ereignis, Wirkung, Nachwirkung, Paderborn, 2006, S. 201–215.
  61. Norman Stone: The Eastern Front 1914–1917. Penguin Books, London 1998, ISBN 0-14-026725-5, S. 7.
  62. Igor Narskij: Kriegswirklichkeit und Kriegserfahrung Russischer Soldaten in Gerhard P. Groß : Die vergessene Front, Der Osten 1914/1915 - Ereignis, Wirkung, Nachwirkung, Paderborn, 2006, S. 258–261.

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