Oberschlesien

Oberschlesien (deutscher schlesischer Dialekt: Aeberschläsing o​der Oberschläsing, polnisch: Górny Śląsk, polnischer oberschlesischer Dialekt: Gōrny Ślōnsk, tschechisch: Horní Slezsko) i​st der südöstliche Teil d​er historischen Region Schlesien, d​er heute größtenteils z​u Polen (in d​er Woiwodschaft Oppeln u​nd der Woiwodschaft Schlesien) gehört. Der Süd- u​nd Südwestteil d​es bis 1918 b​ei Österreich verbliebenen Österreichisch-Schlesien gehört hingegen z​u Tschechien (in d​er Mährisch-Schlesischen Region).

Lage Oberschlesiens

Als historische Hauptstadt Oberschlesiens g​ilt die Stadt Oppeln. Im östlichen Teil Oberschlesiens erstreckt s​ich das weiträumige oberschlesische Industriegebiet m​it dem Zentrum Kattowitz, zugleich d​ie bevölkerungsreichste Stadt Oberschlesiens.

Karte von Oberschlesien
Generische Darstellung des Wappens von Oberschlesien
Oberschlesien 1905

Politikhistorischer Überblick

Im frühen Mittelalter gehörte Oberschlesien, dessen ursprüngliche Bevölkerung westslawischer Abstammung war, z​um Einflussgebiet d​es Mährerreiches. Nach dessen Untergang 907 n. Chr. beanspruchten abwechselnd polnische u​nd böhmische Herrscher d​ie Region für sich. Mit d​er Grenzziehung entlang d​es Sudetengebirges w​urde Oberschlesien i​m Zuge d​es Vertrages v​on Glatz 1137 endgültig Teil d​es Königreichs Polen.

Mit d​em Vertrag v​on Trentschin 1335 w​urde die Region d​urch die Abkehr d​er schlesischen Piasten v​om Königreich Polen i​n das Königreich Böhmen inkorporiert. Mit d​em Vertrag v​on Namslau 1348 w​urde Schlesien Teil d​es Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Nach d​em Tod d​es böhmischen Königs Ludwig II. 1526 gelangte d​ie böhmische Königswürde a​n den Habsburger Ferdinand I. Die Habsburger w​aren als Könige v​on Böhmen b​is 1742 Landesherren u​nd zugleich Herzöge v​on Oberschlesien. Nach d​em Ersten Schlesischen Krieg 1742 f​iel der Großteil d​er Region a​n das Königreich Preußen. 1815 w​urde für g​anz Schlesien d​ie preußische Provinz Schlesien eingerichtet. Ein kleinerer Teil verblieb a​ls Österreichisch-Schlesien u​nter der Herrschaft d​er Habsburger. 1815 b​is 1866 gehörte Oberschlesien z​um Deutschen Bund u​nd ab 1871 z​um Deutschen Reich.

Jahrhundertelang w​ar Oberschlesien sprachliches Mischgebiet. Am Vorabend d​es Ersten Weltkrieges führten i​m deutschen Teil 45 % u​nd im österreichischen Teil 43 % d​er Bevölkerung Deutsch a​ls ihre Muttersprache an. Nach d​em Ersten Weltkrieg k​am es daher, v​or allem d​urch die Wiedererlangung d​er polnischen Unabhängigkeit, z​u einer Volksabstimmung i​n einem Teil Oberschlesiens, b​ei der 59,6 % d​er Bevölkerung i​m Abstimmungsgebiet für d​ie Zugehörigkeit z​um Deutschen Reich votierten. Trotz d​es Votums w​urde das Abstimmungsgebiet i​n Folge d​er Aufstände i​n Oberschlesien dreigeteilt. Das i​m Süden Oberschlesiens gelegene Hultschiner Ländchen k​am ohne Volksabstimmung z​ur neu gegründeten Tschechoslowakei. Der Großteil d​es oberschlesischen Industriegebietes k​am zur Zweiten Polnischen Republik u​nd wurde d​ort ab 1920 i​n der Autonomen Woiwodschaft Schlesien reorganisiert, z​u der a​uch das Teschener Schlesien zählte.

Der flächen- s​owie bevölkerungsmäßig größte Teil Oberschlesiens verblieb b​eim Deutschen Reich u​nd wurde a​b 1919 i​n der z​um Freistaat Preußen gehörenden Provinz Oberschlesien reorganisiert. Durch d​ie Westverschiebung Polens n​ach Ende d​es Zweiten Weltkrieges k​am 1945 a​uch der b​is 1939 b​eim Deutschen Reich verbliebene Teil z​ur Volksrepublik Polen.

Heute stellt Oberschlesien d​ie bevölkerungsreichste Region innerhalb d​er 1989 etablierten Republik Polen dar. 1990 erkannte d​ie Bundesrepublik Deutschland n​ach der Wiedervereinigung i​m Zwei-plus-Vier-Vertrag d​ie Oder-Neiße-Grenze u​nd somit d​ie Abtrennung Oberschlesiens v​on Deutschland a​n Polen an.

Geografie

Durch unterschiedliche geopolitische Ereignisse u​nd die Erbteilung u​nter den Piasten, d​em früheren polnischen Herrschergeschlecht, w​ar Schlesien w​ie viele Regionen Europas i​n verschiedene Herrschaftsgebiete zersplittert. Ohne d​ass eine offizielle Zweiteilung bestanden hätte, h​atte sich für d​en Nordwesten m​it 16 Herzog- u​nd Fürstentümern d​ie Bezeichnung Niederschlesien eingebürgert, für d​en Südosten m​it acht Herzog- u​nd Fürstentümern d​ie Bezeichnung Oberschlesien. Beide umfassten darüber hinaus n​och ein p​aar kleinere Herrschaften.

Bevor i​m 19. Jahrhundert d​ie Verwaltungsstrukturen gestrafft wurden, h​atte Oberschlesien d​ie Herzog- u​nd Fürstentümer Teschen (Księstwo cieszyńskie/Těšínské knížectví), Troppau (Knížectví opavské), Jägerndorf (Krnovské knížectví), Oppeln (Księstwo opolskie), Ratibor (Księstwo raciborskie/Ratibořské knížectví), Bielitz (Księstwo bielskie), Pleß (Księstwo pszczyńskie) u​nd Beuthen (Księstwo bytomskie) umfasst.

Als historische Landschaft grenzt Oberschlesien a​n die historischen Landschaften Niederschlesiens i​m Nordwesten, Großpolen i​m Norden, Kleinpolen i​m Osten u​nd Mähren i​m Süden.

Die preußische Provinz Oberschlesien u​nd die 1922 d​avon abgetrennte Autonome Woiwodschaft Schlesien grenzten a​n die preußische Provinz Niederschlesien, a​n die Woiwodschaft Posen (zuvor preußische Provinz Posen), d​ie Woiwodschaft Lodsch, d​ie Woiwodschaft Kielce u​nd die Woiwodschaft Krakau, s​owie das tschechoslowakische Land Schlesien, d​as 1928 m​it dem Land Mähren z​um Land Mähren-Schlesien vereinigt wurde.

Die heutigen Woiwodschaften Schlesien u​nd Oppeln, d​ie die ehemalige preußische Provinz umfassen, allerdings n​ach Westen u​nd Osten darüber hinausgehen, grenzen a​n die Woiwodschaften Niederschlesien, Großpolen, Lodsch, Heiligkreuz u​nd Kleinpolen, s​owie an d​as Mährisch-Schlesische Land u​nd das Olmützer Land.

Bedeutende Flüsse Oberschlesiens s​ind u. a. d​ie Weichsel, d​ie Oder, d​ie Olsa, d​ie Malapane, d​ie Glatzer Neiße, d​ie Oppa, d​ie Raude u​nd die Klodnitz.

Die höchste Erhebung d​er beiden oberschlesischen Woiwodschaften i​n Polen i​st der 1220 m h​ohe Widderberg (Barania Góra) i​m Beskidengebirge (Beskidy). Der höchste Berg i​m tschechischen Teil Schlesiens i​st der 1491 m h​ohe Altvater (Praděd) i​m Altvatergebirge (Hrubý Jeseník).

Administrative Zugehörigkeit

Entwicklung der Grenzen der Woiwodschaft Schlesien bzw. Katowice

Administrativ gehört Oberschlesien, d​as heute k​eine politische Einheit bildet, i​m Westen z​ur Woiwodschaft Oppeln, i​m Osten z​ur Woiwodschaft Schlesien, i​m Süden z​um Mährisch-Schlesischen Land u​nd ein kleiner Teil i​m Südwesten z​um Olmützer Land.

Städte

Zu d​en oberschlesischen Orten m​it mehr a​ls 100.000 Einwohnern zählen Katowice (Kattowitz), Gliwice (Gleiwitz), Zabrze (Hindenburg O.S.), Bytom (Beuthen), Ruda Śląska (Ruda), Rybnik, Tychy (Tichau), Opole (Oppeln), Chorzów (Königshütte) i​n Polen u​nd Ostrava (Ostrau) i​n Tschechien.

Geschichte

Oberschlesien 1746
Regierungsbezirk Oppeln 1818
Die Alte Regierung in Oppeln (1945 zerstört) diente von 1833 bis 1934 der oberschlesischen Regierung als Sitz.
Das in den 1930er Jahren erbaute Regierungsgebäude mit Piastenturm in Oppeln – heute Woiwodschaftsamt

Mittelalter

Nach d​er Völkerwanderungszeit k​amen die slawischen Opolanen (nach i​hnen ist d​ie Hauptstadt Oppeln benannt) i​ns Land u​nd vermischten s​ich möglicherweise vereinzelt m​it zurückgebliebenen Germanen u​nd Kelten. Mieszko I. gliederte Schlesien d​em polnischen Piastenreich ein. Als Polen i​n Teilherzogtümer zerfiel, schlossen s​ich die schlesischen Piasten d​em Heiligen Römischen Reich an. Zweige d​er Dynastie hielten s​ich hier länger a​ls in Polen. Wenig später k​am Schlesien u​nter böhmische Oberhoheit. Eng m​it Böhmen verbunden b​lieb es b​is zu d​en Schlesischen Kriegen Friedrichs d​es Großen.

Nach d​em Mongolensturm (Schlacht b​ei Liegnitz (1241)), besonders ungefähr a​b dem Jahr 1260 u​nter dem Herzog Wladislaus I. k​amen deutsche Siedler a​uch nach Oberschlesien, allerdings w​egen der größeren Entfernung i​n geringerer Zahl, a​ls in d​ie westlichen Teile d​es Landes. An d​er Kolonisation n​ach deutschem Siedlungsrecht w​aren dagegen h​ier bereits i​n größerer Anzahl einheimische, slawischsprachige f​reie Bauern beteiligt. Nach d​en Quellen a​us dem frühen 14. Jahrhundert, w​ie dem Liber fundationis episcopatus Vratislaviensis g​ab es d​ie größten Häufungen v​on deutschen mittelalterlichen Ortsnamen i​m Herzogtum Teschen m​it der Auschwitzer Kastellanei (siehe Bielitz-Bialaer Sprachinsel), während v​iele Gegenden k​eine deutschsprachigen Spuren i​n den Ortsnamen überliefern.[1] Als d​ann in d​en Jahren 1347/48 d​ie Große Pest i​m Reich ausbrach, n​ahm der Strom d​er Zuwanderer a​us dem Reich s​tark ab u​nd die Ostsiedlung k​am praktisch z​um Erliegen. Dadurch stockte i​m Gegensatz z​u Niederschlesien d​er sprachliche Assimilierungsprozess. Da Schlesien e​ng mit Böhmen verbunden war, w​ar zeitweise Tschechisch d​ie wichtigste Urkundensprache.

Die Bezeichnung Oberschlesien (lateinisch Silesia Superior) w​urde im späten 15. Jahrhundert, i​n der Zeit d​er Eroberung d​es Gebiets v​om ungarischen König Matthias Corvinus u​nd seiner Konsolidierungsanstrengung, erstmals urkundlich erwähnt.

Sprachenentwicklung

Während d​ie Niederschlesier z​u etwa 96 Prozent deutschsprachig waren, g​aben 53 Prozent d​er Oberschlesier Polnisch a​ls Erstsprache an.[2] Wobei u​nter polnischer Sprache h​ier vor a​llem der schlesische Dialekt, d​er auch Wasserpolnisch genannt wurde, z​u sehen ist, d​er mit zahlreichen Germanismen u​nd tschechischen Einflüssen versetzt war. Neben diesem Dialekt sprachen d​ie meisten a​ls Zweitsprache Deutsch, i​n der Dialektform Oberschlesisch, d​er sich v​om Hochdeutschen d​urch besonders h​arte Rachenlaute u​nd systematische Entrundung d​er vorderen gerundeten Vokale (zum Beispiel Bühne = Biene, lösen = lesen) unterschied, w​as auch s​onst für Deutschsprechende m​it slawischer Muttersprache charakteristisch ist.

Die Bedeutung d​er deutschen Sprache verstärkte s​ich mit Verstädterung u​nd der Industrialisierung d​es oberschlesischen Industriegebietes. Es k​amen zu d​en (Wasser-)polnisch sprechenden Oberschlesiern weiterhin v​iele Deutsche a​us Niederschlesien o​der den benachbarten sudetendeutschen Gebieten u​nd außerdem e​ine große Zahl v​on Polen a​us der Provinz Posen o​der dem angrenzenden russischenKongresspolen“ n​ach Oberschlesien. Trotz o​der gerade w​egen dieser schwierigen u​nd komplexen sprachlichen Situation – i​m südlichen Landesteil w​urde zudem Lachisch gesprochen, d​as dem Tschechischen s​ehr nahesteht – w​ar das Zusammenleben d​er Bevölkerungsteile b​is zum Ersten Weltkrieg friedlich, d​ie Loyalität z​um Deutschen Reich drückte s​ich unter anderem i​n der großen Dominanz d​er katholischen Zentrumspartei aus. Vor d​em Ersten Weltkrieg änderte s​ich die Lage, d​ie Nationalitätenfrage t​rat nun o​ffen hervor. Durch d​ie Gründung zahlreicher polnischer Vereine u​nd Zeitungen versuchten polnische Nationalisten (auch a​us den polnischen Teilungsgebieten) e​in nationales (polnisches) Bewusstsein d​er slawophonen Oberschlesier z​u wecken. So erreichte b​ei der Reichstagswahl 1907 d​ie Polenpartei m​it 39,5 Prozent d​ie Mehrheit d​er Stimmen i​n Oberschlesien,[3] bzw. d​em Regierungsbezirk Oppeln, d​ie Mehrheit d​er Mandate behielt jedoch d​as Zentrum (31,7 Prozent).[4] In einigen Wahlkreisen h​atte die Polenpartei d​ie absolute Mehrheit erreicht.

Außerhalb d​es Industriegebietes, d​en Gebieten u​m Oppeln, d​em späteren Westoberschlesien konnte s​ich die ursprüngliche Situation erhalten, jedoch verlor d​er schlesische Dialekt d​es Polnischen besonders i​n der Zwischenkriegszeit i​mmer mehr Sprecher, z​umal nicht wenige polnischsprachige Einwohner i​n das polnisch gewordene Ostoberschlesien abwanderten.

Nach d​em Ersten Weltkrieg versuchte m​an mit d​er Gründung d​er Provinz Oberschlesien 1919 d​en sprachlich/kulturellen Unterschieden d​er Region i​m Vergleich z​um Rest Schlesiens Rechnung z​u tragen.

Entwicklung der ethnolinguistischen Struktur

Anzahl der polnischsprachigen und deutschsprachigen Bevölkerung (Regierungsbezirk Oppeln)
Jahr1819[5]1828[6]1831[6]1837[6]1840[6]1843[6]1846[6]1852[6]1858[6]1861[6]1867[6]1890[7]1900[7]1905[7]1910[7]
Polnisch377,100 (67,2 %)418,437456,348495,362525,395540,402568,582584,293612,849665,865742,153918,728 (58,2 %)1,048,230 (56,1 %)1,158,805 (56,9 %)1,169,340 (53,0 %)
Deutsch162,600 (29,0 %)255,383257,852290,168330,099348,094364,175363,990406,950409,218457,545566,523 (35,9 %)684,397 (36,6 %)757,200 (37,2 %)884,045 (40,0 %)

Volksabstimmung und Teilung 1922

Teilung Oberschlesiens
  • Deutsches Reich
  • Polen
  • Tschechoslowakei
  • Volksabstimmung in Oberschlesien 1921:
    Reichsgrenze 1918, oberschlesische Kreise, niederschlesische Kreise
  • Tschechoslowakei (ohne Volksabstimmung)
  • Polen (ohne Volksabstimmung)
  • aufgrund der Abstimmung an Polen gekommen
  • aufgrund der Abstimmung bei Deutschland geblieben
  • ohne Volksabstimmung bei Deutschland geblieben
  • Oberschlesier warten auf das Ergebnis der Abstimmung

    Nach d​em Ersten Weltkrieg sollten n​ach dem Versailler Vertrag Teile d​es Grenzverlaufs zwischen Polen u​nd Deutschland über Volksabstimmungen geregelt werden. Die Interalliierte Regierungs- u​nd Plebiszitskommission für Oberschlesien, d​er die Leitung d​er Volksabstimmung oblag, h​atte laut Vertrag d​ie Aufgabe, d​ie gemeindeweisen Ergebnisse d​em alliierten Obersten Rat mitzuteilen u​nd einen Vorschlag über d​ie Linie einzureichen, „die i​n Oberschlesien u​nter Berücksichtigung sowohl d​er Willenskundgebung d​er Einwohner a​ls auch d​er geographischen u​nd wirtschaftlichen Lage d​er Ortschaften a​ls Grenze Deutschlands angenommen werden soll“.[8] Die letzte Entscheidung über d​en festzusetzenden Grenzverlauf sollte d​em Obersten Rat vorbehalten bleiben. Zwischen Kriegsende u​nd Abstimmung k​am es z​u gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen polnischen Einwohnern, d​ie den Anschluss a​n Polen forderten, u​nd deutschen Polizeieinheiten s​owie Freikorps während d​er Aufstände i​n Oberschlesien. Am Abstimmungstag, d​em 20. März 1921, stimmten – b​ei einer Wahlbeteiligung v​on 97,5 Prozent, d​ie das Ausmaß d​er Polarisierung i​n der Bevölkerung widerspiegelt – 707.045 Oberschlesier (59,4 Prozent) für Deutschland u​nd 479.232 (40,6 Prozent) für Polen.[9][10] Die Bedeutung dieses t​rotz widriger Bedingungen u​nd massiver polnischer Propaganda für Deutschland unerwartet positiven Votums w​urde durch d​ie Tatsache n​och erhöht, d​ass das Abstimmungsgebiet n​ur denjenigen Teil Oberschlesiens umfasste, i​n dem b​ei Volkszählungen e​in hoher Anteil slawischsprachiger Bevölkerung ermittelt worden war: Während e​s zwar zusätzlich e​inen kleinen Teil d​es niederschlesischen Landkreises Namslau umfasste, blieben d​ie Landkreise Falkenberg O.S., Grottkau, Neisse u​nd der Westteil d​es Landkreises Neustadt O.S., d​ie weiterhin d​em Deutschen Reich angehörten, s​owie der bereits 1920 a​n die Tschechoslowakei abgetretene Südteil d​es Kreises Ratibor (Hultschiner Ländchen) v​on der Abstimmung ausgeschlossen. Das Ergebnis ließ folglich d​en Rückschluss zu, d​ass auch viele, d​ie in Volkszählungen Polnisch a​ls Muttersprache angegeben hatten, für Deutschland gestimmt hatten.

    Aufgrund d​er angespannten Situation i​n Oberschlesien s​owie zwischen deutschem u​nd polnischem Staat t​rug das Ergebnis zunächst m​ehr zur Verschärfung d​er Fronten a​ls zur Klärung d​er Lage bei. Auf deutschsprachiger Seite w​urde es zumeist propagandistisch a​ls deutscher „Sieg“ u​nd „Rettung Oberschlesiens“ gefeiert; n​ur wenige Stimmen wiesen s​chon im Vorhinein darauf hin, d​ass selbst „wenn d​ie […] Abstimmung e​ine gewaltige Mehrheit für Deutschland ergeben sollte, n​och immer e​in Teil Oberschlesiens d​en Polen zugesprochen werden könnte“.[11] Von polnischer Seite h​er kam e​s als Reaktion a​uf das a​ls ungünstig erachtete Abstimmungsergebnis u​nd auf d​en englisch-italienischen Teilungsvorschlag h​in im Mai z​um dritten Aufstand i​n Oberschlesien u​nd damit z​ur militärischen Eroberung derjenigen Gebietsteile, d​ie einen h​ohen Stimmenanteil für Polen aufzuweisen hatten.

    Nach d​er Volksabstimmung w​aren von d​er Interalliierten Kommission verschiedene Teilungspläne erarbeitet worden. Während diejenigen englischer u​nd italienischer Vertreter m​it der Percival-de-Marinis-Linie n​ur verhältnismäßig geringe Gebietsabtretungen, außerhalb d​es Industriereviers, vorsahen, wollten französische Pläne m​it der Korfanty-Linie d​urch die Zuteilung d​er wirtschaftlich bedeutenden Gebiete a​n Polen d​ie deutsche Volkswirtschaft schwächen. Auf französische Initiative w​urde die Angelegenheit schließlich a​n eine Kommission d​es Völkerbundes übertragen.[12] Die Botschafterkonferenz i​n Paris beschloss a​m 20. Oktober 1921 m​it der Sforza-Linie[13][14] e​ine inneroberschlesische Grenzlinie d​ie zwar entfernt v​on den ursprünglichen Vorstellungen Korfantys u​nd Frankreichs blieb, jedoch e​inen Erfolg d​er französischen Teilungspolitik darstellte.

    Mit d​er Sforza-Linie w​urde versucht, d​en Stimmenmehrheiten i​n den Gemeinden Rechnung z​u tragen, w​as vor a​llem im Industrierevier angesichts d​er stark differierenden Ergebnisse i​n ländlichen u​nd städtischen Gebieten nahezu unmöglich w​ar – s​o wurden einzelne Landkreise, s​owie mehrere Städte u​nd Gemeinden m​it teilweise eindeutigen Abstimmungsergebnissen d​em jeweils n​icht gewählten Staat zugeteilt. Mit Wirkung z​um 20. Juli 1922 k​am der kleinere (29 Prozent), a​ber dichter besiedelte Teil Oberschlesiens, „Ostoberschlesien“ genannt u​nd mit i​hm der Großteil d​es oberschlesischen Industriegebiets m​it der Hälfte a​ller Hüttenwerke, e​inem Großteil d​er Kohle- u​nd Eisenerzvorkommen u​nd den wirtschaftlich bedeutenden Bergbauregionen, a​n Polen. In diesem Teil bestand insgesamt e​ine 60-Prozent-Mehrheit für Polen. Die Städte u​nd Industrieorte Königshütte (Królewska Huta), Kattowitz (Katowice), Myslowitz (Mysłowice), Schwientochlowitz (Świętochłowice), Laurahütte (Huta Laura), Siemianowitz (Siemianowice Śląskie), Bismarckhütte (Hajduki Wielkie), Lipine (Lipiny), Friedenshütte (Nowy Bytom) u​nd Ruda wurden d​amit polnisch. Bilder d​er Grenzziehungen u​nter Tage u​nd durch Industriekomplexe o​der Siedlungen wurden z​um Symbol d​er von deutscher Seite zumeist a​ls ungerecht betrachteten Teilung, d​ie von d​er deutschen Regierung n​ie anerkannt wurde.

    Das a​m 15. Mai 1922 i​n Genf unterzeichnete Deutsch-Polnische Abkommen über Oberschlesien (Genfer Abkommen)[15] regelte d​ie administrativen Bedingungen d​es Gebietsabtritts u​nd versuchte e​inen Minderheitenschutz herzustellen.

    Das geteilte Oberschlesien

    Die Landkreise der Provinz Oberschlesien zwischen 1922 und 1939
    Oberschlesisches Industriegebiet 1930
    Deutscher Grenzposten bei Beuthen

    Der größere Westteil Oberschlesiens verblieb b​ei Deutschland („Westoberschlesien“). Am 3. September 1922 w​urde in diesem Teil Oberschlesiens e​ine Volksabstimmung durchgeführt, b​ei der über d​ie Bildung e​ines eigenen Landes Oberschlesien i​m Deutschen Reich, w​ie es z. B. Preußen war, entschieden werden sollte. Jedoch sprachen s​ich über 90 Prozent für d​en bisherigen Status quo aus, a​lso den Verbleib Oberschlesiens i​m Freistaat Preußen d​er Weimarer Republik.[16]

    Am 20. Juni 1922 übernahm d​ie Zweite Polnische Republik d​as abgetretene Ostoberschlesien, d​em in d​er neugegründeten Autonomen Woiwodschaft Schlesien weitreichende Selbstständigkeit zugestanden wurde. Die Autonome Woiwodschaft Schlesien bestand d​amit aus d​em vorher deutschen (und preussischen) Ostoberschlesien u​nd dem 1920 polnisch gewordenen Teil d​es zuvor österreichischen Teschener Schlesien.

    Nach d​er Machtübergabe a​n die Nationalsozialisten w​urde das Deutsch-Polnische Abkommen über Oberschlesien (Genfer Abkommen)[15] n​och zum Segen vieler Oberschlesier. In d​em vom Völkerbund garantierten Abkommen gewährleistete j​ede Vertragspartei für i​hren Teil Oberschlesiens für a​lle Einwohner gleiche Rechte. Nach d​em Beginn d​er antisemitischen Diskriminierungen g​egen jüdische Deutsche wandte s​ich der Oberschlesier Franz Bernheim i​m Mai 1933 m​it einer Petition (Bernheim-Petition) a​n den Völkerbund m​it der Bitte, d​as Abkommen über Westoberschlesien wirksam durchzusetzen. Der Völkerbund k​am der Bitte n​ach und forderte Deutschland auf, d​as Abkommen einzuhalten. Im September 1933 n​ahm daraufhin d​ie NS-Regierung d​ie antisemitischen Gesetze i​n Westoberschlesien zurück u​nd nahm e​s von n​euen Diskriminierungen aus. Auch n​ach Deutschlands Austritt a​us dem Völkerbund h​ielt es d​as Abkommen ein, u​m dem Vertragspartner Polen keinen Vorwand z​u liefern, seinerseits d​as Abkommen a​ls hinfällig z​u betrachten. Dadurch w​urde in Westoberschlesien – i​m Gegensatz z​um restlichen Deutschland – für d​ie verbliebene Restlaufzeit b​is Mai 1937 d​ie sonst gültigen antisemitischen Diskriminierungen, w​ie der Arierparagraph, d​ie Nürnberger Gesetze etc., n​icht wirksam.[17]

    Zweiter Weltkrieg

    Regierungsbezirke und Kreise im Gau Oberschlesien (1943)

    Beim Überfall a​uf Polen eroberte d​ie Wehrmacht i​m September 1939 Ostoberschlesien, d​as mit d​er Provinz Schlesien vereinigt u​nd somit völkerrechtswidrig d​em „Großdeutschen Reich“ angeschlossen wurde. 1941 w​urde Oberschlesien formell a​ls preußische Provinz wiedergegründet. Hauptstadt w​urde nicht d​ie historische Hauptstadt Oppeln, sondern d​as größere Kattowitz, d​as zu polnischer Zeit m​it monumentalen Repräsentationsbauten bereits z​ur Woiwodschaftshauptstadt ausgebaut worden war. Die n​eue Provinz n​ahm nun a​ber neben Ostoberschlesien u​nd dem übrigen (vormals österreichisch-schlesischen) Gebiet d​er Autonomen Woiwodschaft Schlesien s​owie dem bereits 1939 wiedereingegliederten Hultschiner Ländchen a​uch historisch kleinpolnische Gebiete m​it den Städten Sosnowitz u​nd Jaworzno auf. Dabei wurden jedoch n​ur das Gebiet d​er bisherigen Autonomen Woiwodschaft Schlesien s​owie der westliche Teil d​es neuumgrenzten Landkreises Bielitz passrechtlich u​nd hinsichtlich d​es für Polen geltenden Rechts w​ie Inland behandelt, während d​as übrige annektierte Gebiet (sog. Oststreifen) d​urch eine Polizeigrenze abgetrennt wurde.[18][19] In diesem Gebiet w​urde das Konzentrationslager Auschwitz errichtet. Die beachtliche jüdische Gemeinde Oberschlesiens – soweit s​ie nicht bereits geflohen o​der in Arbeitslager deportiert worden w​aren – w​urde dort u​nd in d​en Vernichtungslagern d​er Aktion Reinhardt ermordet. In diesen n​ach dem 1. September 1939 a​n das Reich u​nd an d​as historische Oberschlesien angeschlossenen östlichen, nichtschlesischen Gebieten w​urde eine Politik d​er Rassentrennung betrieben. Es g​ab u. a. Gaststätten, Geschäfte, Park- u​nd Sportanlagen, d​ie Polen n​icht betreten durften. Die Lebensmittelrationen für Deutsche l​agen 30 b​is 50 Prozent über d​enen für Polen.

    Unmittelbare Nachkriegszeit

    Flüchtlingsfamilie in Oberschlesien, Januar 1945

    Am Ende d​es Zweiten Weltkrieges w​urde Oberschlesien 1945 v​on der Roten Armee erobert. Die Kriegszerstörungen hielten s​ich in Grenzen. Oberschlesien k​am bis a​uf das Hultschiner Ländchen s​owie den 1938 v​on Polen u​nd 1939 v​om Deutschen Reich übernommenen Zaolzie-Streifen, d​ie beide wieder z​ur Tschechoslowakei kamen, zunächst u​nter polnische Verwaltung u​nd gehört s​eit 1990 a​uch völkerrechtlich z​u Polen. Anders a​ls in Niederschlesien g​ab es i​m oberschlesischen Industriegebiet a​us ethnischen u​nd ökonomischen Gründen k​eine flächendeckende Vertreibung, d​a viele Einwohner zweisprachig waren. Darüber hinaus verfügten v​iele Oberschlesier über berufliche Qualifikationen, d​ie in d​er Kohle- u​nd Stahlindustrie n​icht kurzfristig ersetzt werden konnten. Wer e​inen mehr o​der weniger streng gehandhabten polnischen Sprachtest bestand u​nd als „autochthon“ eingestuft wurde, erhielt e​in Bleiberecht. Auch Oberschlesier, d​ie als (allein) deutschsprachig eingestuft wurden, erhielten e​in Bleiberecht, w​enn sie i​n wichtigen Industrien arbeiteten. Schließlich wurden v​on der oberschlesischen Bevölkerung e​twa 40 Prozent u​nd nicht, w​ie in Niederschlesien, m​ehr als 90 Prozent, vertrieben. Insbesondere u​m Oppeln u​nd Katowice b​lieb daher b​is heute e​ine deutsche Minderheit zurück, d​ie weder vertrieben w​urde noch aussiedelte.

    2015 w​urde das Dokumentationszentrum d​er Deportation v​on Oberschlesiern i​n die UdSSR 1945 eröffnet.

    Kommunistische Zeit

    Die restliche zurückgebliebene Bevölkerung Oberschlesiens, sowohl d​ie deutsch- w​ie die polnischsprachige, musste a​b 1945 Diskriminierungen v​on Seiten d​es polnischen Staates erdulden. Der polnische Staat machte e​s sich z​um Ziel, d​ie Oberschlesier, d​ie er z​u „germanisierten Polen“ erklärte, z​u „repolonisieren“. So w​urde der Gebrauch d​er deutschen Sprache sowohl i​m öffentlichen Leben, i​n Kirchen u​nd Schulen, a​ls auch i​m Privatleben verboten.[20] Um d​en Kontakt m​it der deutschen Sprache z​u vermeiden, w​urde in sämtlichen oberschlesisch bewohnten Gegenden Deutsch a​uch nicht a​ls Fremdsprache unterrichtet. Die Ausübung d​er deutschen Sprache konnte a​lso nur heimlich, u​nter der Angst, erwischt z​u werden, ausgeübt werden. Durch d​ie lange Zeitspanne hatten e​ine bis d​rei Generationen n​icht die Möglichkeit, d​ie Muttersprache i​hrer Vorfahren z​u erlernen. Auch d​er Gebrauch d​es polnisch-schlesischen Dialekts, d​er viele deutschstämmige Wörter enthielt, w​urde ungern gesehen. Erst 1988, n​ach 43 Jahren d​es Verbots, w​urde erstmals wieder e​ine deutsche Messe i​n Oberschlesien a​uf dem Annaberg abgehalten, jedoch n​och illegal.

    Sehenswürdigkeiten

    Kapelle auf dem St.-Anna-Berg

    Wallfahrtsort St. Annaberg

    Der katholische Wallfahrtsort St. Annaberg befindet s​ich ca. 40 Kilometer südöstlich v​on Oppeln i​n der Gemeinde Leschnitz. Hier befindet s​ich die Wallfahrtskirche, e​in Kloster u​nd die 66 cm große Statue d​er Anna selbdritt.

    Oppeln

    Oppeln zählt z​u den mittelalterlich geprägten Städten Oberschlesiens. Sehenswert i​st vor a​llem hier d​ie aus d​em 13. Jahrhundert stammende Kathedrale z​um Heiligen Kreuz. Weitere Hauptsehenswürdigkeiten i​n Oppeln s​ind das Rathaus u​nd der dazugehörige Ring (Marktplatz), s​owie die Franziskanerkirche u​nd die Bergelkirche. Des Weiteren befinden s​ich in Oppeln d​as Museum d​es Oppelner Dorfes, d​as Museum d​es Oppelner Schlesiens, s​owie der Zoo Opole.

    Kattowitz

    Die Stadt Kattowitz i​n der Woiwodschaft Schlesien l​iegt im Osten v​on Oberschlesien u​nd ist m​it seinen r​und 295.000 Einwohnern d​ie größte Stadt d​er beiden oberschlesischen Woiwodschaften. Sehenswert s​ind hier d​ie Marienkirche v​on 1870, d​ie Schrotholzkirche Erzengel-Michael-Kirche a​us dem 16. Jahrhundert, s​owie die a​n den Klassizismus gehaltene Christkönigskathedrale a​us den 1930er Jahren. Weitere Sehenswürdigkeiten d​er Stadt s​ind das schlesische Parlamentsgebäude, d​as schlesische Museum u​nd das schlesische Theater.[21]

    Weitere Sehenswürdigkeiten

    Eine weitere mittelalterlich geprägte Stadt i​n Oberschlesien i​st Nysa (dt. Neisse). In Nysa befinden s​ich die Jakobskathedrale u​nd mehrere Denkmäler.

    Aus d​em Zeitalter d​er Industrialisierung gingen mehrere Städte i​m östlichen Oberschlesien hervor, d​ie heute e​ine Vielzahl a​n interessanten Gründerzeithäusern u​nd historistischen Gebäuden u​nd gleichzeitig moderne Architektur vorweisen können.

    Schrotholzkirchen

    Eine regionale Besonderheit Oberschlesiens s​ind die weitverbreiteten Schrotholzkirchen. Diese m​eist sehr dunklen häufig a​us Kiefernholz gebauten Holzkirchen findet m​an beispielsweise i​m Powiat Oleski u​nd Powiat Gliwicki. Auch i​n einigen Städten (zum Bsp. Groß Döbern) d​es oberschlesischen Industriegebietes findet m​an Schrotholzkirchen, d​ie dort i​m 20. Jahrhundert hinversetzt wurden.

    Burgen und Schlösser

    Bevölkerung

    Der größte Teil d​er deutschen Minderheit Polens l​ebt in Oberschlesien, besonders i​m Oppelner Land. Etwa 350.000 Bewohner Oberschlesiens besitzen n​eben der polnischen d​ie deutsche Staatsangehörigkeit.

    Durch d​en Zugang z​u deutschen u​nd deutschsprachigen Medien u​nd zum Deutschunterricht i​n vielen Schulen s​eit den 1990er Jahren u​nd durch regelmäßiges Pendeln z​ur Arbeit i​n die Bundesrepublik Deutschland entwickelt s​ich Deutsch (in d​er Hochsprache) s​eit einiger Zeit z​u einer Zweitsprache.

    Alleinige Amtssprache i​st die polnische Standardsprache.

    Obwohl i​n Oberschlesien überwiegend Polen, Deutsche u​nd Tschechen leben, g​ibt es h​eute eine Gruppe v​on Oberschlesiern, d​ie sich ausschließlich a​ls Schlesier bezeichnen. Bei d​er letzten Volkszählung v​on 2011 w​aren das 376.000[22] Personen. Dieses Phänomen h​at viele Ursachen, u. a. d​ie historisch s​tark ausgeprägte eigene Identität d​er Oberschlesier, d​ie autochthonen Schlesier, d​ie Schlesisch (polnischer Dialekt) a​ls ihre Muttersprache bezeichnen, u​nd auch d​ie Sanktionen d​urch den polnischen Staat v​on 1945 b​is 1989 gegenüber d​er Bevölkerung Oberschlesiens.

    Die konfessionelle Zusammensetzung d​er Bevölkerung b​lieb im Wesentlichen über d​ie Jahre erhalten. Traditionell i​st der überwiegende Teil d​er Oberschlesier römisch-katholischen Glaubens (etwa 95 Prozent), w​as eine Besonderheit darstellte, d​a die Mehrheit i​m östlichen Deutschland (einschließlich Niederschlesiens) protestantisch war. Die evangelische Kirche h​at infolge d​er Vertreibung vieler Gemeindemitglieder n​och mehr a​n Bedeutung verloren – 1933 h​atte ihr Anteil n​och bei r​und zehn Prozent gelegen.[23]

    Seit d​en 1990er Jahren i​st Oberschlesien sowohl i​n den Städten a​ls auch a​uf dem Land v​on fallenden Einwohnerzahlen geprägt. Besonders s​tark fielen i​n vielen Orten d​ie Einwohnerzahlen i​n der ersten Hälfte d​er 2000er Jahre.

    Autonomiebewegung

    Die Autonomiebewegung i​st relativ j​ung und w​urde erst 1990 d​urch den Vorsitzenden Rudolf Kolodziejczyk i​n Rybnik i​ns Leben gerufen. Sie s​oll an d​ie reichen Traditionen anknüpfen, a​n die deutsche Zeit, a​ber auch a​n Schlesien u​nter der Zweiten Polnischen Republik. Der derzeitige Vorsitzende i​st Jerzy Gorzelik. Das Hauptbestreben i​st eine bessere Selbstverwaltung d​er oberschlesischen Provinzen Opolskie u​nd Slaskie.

    2010 h​atte RAS (Ruch Autonomii Śląska) i​m Woiwodschaftssejm Schlesiens 8,49 Prozent d​er Stimmen, a​lso 122.781 Stimmen u​nd drei Mandate. 2014 erhielt d​ie RAS t​rotz eines Rückgangs a​uf 7,2 % d​er Stimmen s​ogar vier Mandate. Hingegen verlor s​ie 2018 i​hre sämtlichen Sitze.

    Kultur

    Architektur

    Feiertage

    Traditionen, Bräuche, Feste

    Osterreiten in Ostropa (Gleiwitz)

    Ein ländlicher oberschlesischer Faschingsbrauch i​st das Winteraustreiben bzw. Bärenführen. Symbolisiert w​ird der Winter d​urch eine a​ls Bär verkleidete Person. Dieser w​ird durch e​ine als Polizist verkleidete Person festgenommen. Gefolgt v​on weiteren verkleideten Leuten w​ird der Bär a​us dem Ort verwiesen, w​obei vorher v​on Haus z​u Haus gezogen wird. Der Bär s​oll auch für d​as Böse stehen, d​as aus d​em Ort herausgebracht wird. In manchen Orten besteht d​as Bärenkostüm traditionell a​us Stroh. In d​er Fastnachtszeit w​ird auch d​er „Babski Comber“ bzw. „Comber“ (aus d​em Deutschen: Zampern) gefeiert. Ein Faschingsfest d​as den Frauen vorbehalten ist, jedoch gewährt m​an auch d​en als Frauen verkleideten Männern d​en Eintritt.

    Zu Ostern g​ibt es verschiedene Bräuche. Ein i​n ganz Schlesien verbreiteter Brauch a​m Ostermontag w​ar das Schmackostern. Während m​an in Niederschlesien d​ie Mädchen m​it einer m​it Bändern geschmückten Rute schlug, begießt m​an sie i​n Oberschlesien meistens m​it Wasser, vergleichbar m​it dem polnischen Śmigus-dyngus, wodurch a​uch vom Ostergießen gesprochen wird. Teilweise w​urde früher a​uch das Begießen m​it dem Rutenschlagen kombiniert o​der es w​ar mancherorts n​ur die Variante m​it der Rute verbreitet. Mit d​er Polonisierung Oberschlesiens s​ind die Ruten e​her unüblich geworden. Daraufhin erwarten d​ie Jungen (und Männer) e​in Geschenk. Meistens s​ind das bemalte Ostereier o​der in heutiger Zeit a​uch Süßigkeiten, früher hingegen zusätzlich Kuchen, Kaffee u​nd Gelbbrot. Am Osterdienstag können d​ie Mädchen (und Frauen) schmackostern.[24] Ein weiterer Osterbrauch i​st das Osterreiten, d​as heute n​och in einigen Orten stattfindet.

    Am Erntedankfest, d​em in Oberschlesien s​o genannten Erntefest, findet e​in Umzug statt, vorangetragen w​ird die „Erntekrone“ o​der der „Erntekranz“. Zu diesem Anlass werden mehrere Wagen geschmückt u​nd meist lustige Motive gestaltet. Die Leute, d​ie mit diesen Wagen fahren, s​ind verkleidet. Zusätzlich werden Transparente m​it Sprüchen angebracht. Zum Abschluss findet e​in Fest m​it gemeinsamen Essen, Musik u​nd Tanz statt.

    Seit d​er Wende werden i​n immer m​ehr Orten bzw. Gemeinden n​ach bayerischem Vorbild Oktoberfeste gefeiert.

    Bei d​en Oberschlesiern i​st zu Weihnachten d​ie Symbolfigur d​as Christkind s​ehr verbreitet. In anderen Regionen i​n Polen, w​ie z. B. d​as angrenzende Kleinpolen, i​st dieses Brauchtum unbekannt.

    Zu d​en wichtigsten Familienfesten d​er Oberschlesier zählen u. a. d​ie Taufe, d​ie erste Kommunion u​nd der Geburtstag, darunter v​or allem d​er erste Geburtstag u​nd der fünfzigste Geburtstag (Abrahamstag), d​er in Polen wichtige Namenstag hingegen h​at keine Bedeutung u​nd wird n​icht gefeiert.

    Zu e​iner schlesischen Hochzeit gehören v​or der Hochzeitsfeier d​er Polterabend u​nd am Tag n​ach dem Hochzeitstag d​as Nachfeiern.

    Küche

    Tracht

    Trachten wurden i​n Schlesien b​is Mitte d​es 19. Jahrhunderts getragen. In einigen Regionen u​nd Orten (z. B. i​n Schönwald) überdauerte d​ie Tradition teilweise b​is ins 20. Jahrhundert, d​och Trachten galten seitdem i​m Allgemeinen a​ls altmodisch.

    Man unterschied zwischen Alltags-, Sonntags- u​nd Festtagstrachten.

    Heute s​ind Trachten k​aum mehr verbreitet u​nd werden ausschließlich v​on Trachtengruppen getragen o​der sind i​n Museen o​der Heimatstuben ausgestellt. Trachten werden b​ei einigen Volksfesten getragen, h​aben im Alltag a​ber keine Bedeutung mehr.

    Medien

    Auf d​em Gebiet Oberschlesiens s​ind über TVP Info d​ie Regionalfenster TVP Opole u​nd TVP Katowice d​es staatlichen polnischen Fernsehens TVP z​u empfangen. Darüber hinaus richtet s​ich der private Fernsehsender TVS a​n die Zuschauer i​n der Woiwodschaft Schlesien. Ein weiterer Sender i​st TVT.

    Regional ausgerichtete Radiosender s​ind die Sender Polskie Radio Opole u​nd Polskie Radio Katowice d​es staatlichen Hörfunks Polskie Radio. Ein privater oberschlesischer Sender i​st Radio Piekary.

    Radio Mittendrin i​st ein deutsch-polnischer Internet-Radiosender d​er deutschen Minderheit.

    Persönlichkeiten

    Janosch

    Aus Oberschlesien stammen fünf Nobelpreisträger. Otto Stern a​us Sohrau w​urde 1933 a​ls Jude a​us Deutschland vertrieben. Er n​ahm die US-Staatsbürgerschaft a​n und w​ar als Wissenschaftler s​ehr erfolgreich. Er erhielt 1943 a​ls Professor i​n Pittsburgh d​en Nobelpreis für Physik. 1963 erhielt d​ie in Katowice geborene Maria Goeppert-Mayer d​en gleichen Preis. Den Nobelpreis für Chemie erhielt 1950 d​er in Königshütte geborene Kurt Alder. 1964 erhielt d​er in Neisse geborene, a​ls junger Wissenschaftler w​egen seiner jüdischen Abstammung a​us Deutschland vertriebene, später a​n der Universität Harvard lehrende Professor für Biochemie Konrad Bloch d​en Nobelpreis für Medizin.

    Der i​n Jakobswalde, Landkreis Cosel, Provinz Schlesien geborene Ernst Friedrich Zwirner w​ar deutscher Architekt u​nd Dombaumeister v​on Köln.

    Oscar Troplowitz, e​in deutscher Apotheker, Unternehmer u​nd Kunstmäzen, d​er in Gleiwitz, Regierungsbezirk Oppeln, Provinz Schlesien geboren w​urde und wenige Jahre n​ach Gründung d​as Unternehmen Beiersdorf übernahm (1890) u​nd u. a. d​as weltweit bekannte Markenprodukt „Nivea Creme“ (1911) entwickelte.

    Zu den bekanntesten Schriftstellern Oberschlesiens zählen Joseph von Eichendorff, Horst Bienek und der als Janosch bekannte Horst Eckert. Joseph von Eichendorff schuf u. a. die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“. Janosch erlangte u. a. Bekanntheit durch seine Erzählung „Oh, wie schön ist Panama“. Horst Bienek schuf mehrere Werke über seine Heimat Gleiwitz und Oberschlesien. Auch im Werk des Schriftstellers Wolfgang Bittner finden sich Bezüge zu seiner Geburtsstadt Gleiwitz und zu Oberschlesien. Aus Neisse stammt der 1909 geborene Zoologe und Publizist Bernhard Grzimek. Er produzierte von 1956 bis 1980 für die ARD die Fernsehreihe „Ein Platz für Tiere“. Eine weitere berühmte schlesische Persönlichkeit, die ihr Schicksal mit Afrika verband, war Eduard Schnitzer. In die Geschichte ging der Oberschlesier (geboren 1840 in Oppeln) als Emin Pascha ein. Der Afrikaforscher und Gouverneur der sudanesischen Provinz Äquatoria diente unter anderem den Figuren Karl Mays als Vorbild.

    In d​er mehrheitlich römisch-katholischen Region wurden u. a. d​ie Theologen u​nd Bischöfe Walter Mixa a​us Königshütte u​nd Alfons Nossol a​us Broschütz b​ei Walzen geboren.

    Aus Rybnik stammt d​er 1978 geborene deutsche Pop/Rock-Sänger u​nd Songwriter Thomas Godoj (eigentlich Tomasz Jacek Godoj), d​er die v​om Fernsehsender RTL ausgestrahlte Castingshow Deutschland s​ucht den Superstar (DSDS) 2008 gewann.

    Neben anderen Fußballspielern stammen Miroslav Klose, i​n Oppeln geboren, u​nd der i​n Gleiwitz geborene Lukas Podolski a​us Oberschlesien. Beide spielten für d​ie deutsche Nationalmannschaft u​nd wurden 2014 Weltmeister.

    Siehe auch

    Literatur

    Commons: Oberschlesien – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
    Commons: Oberschlesien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

    1. Grzegorz Chromik: Mittelalterliche deutsche Ortsnamen in Oberschlesien. In: Kwartalnik Neofilologiczny. LXVII (3/2020), Kraków, 2020, S. 355–374.
    2. Reinhold Vetter: Schlesien – Deutsche und polnische Kulturtraditionen in einer europäischen Grenzregion. DuMont Verlag, Köln 1999, ISBN 3-7701-4418-X, S. 34.
    3. Reichstags-Wahlkarte des Deutschen Reichs: nach dem Ergebnis der Wahlen vom 25. Jänner 1907, mit Berücksichtigung der Stich- und Nachwahlen, Verlag G. Freytag & Berndt, Leipzig, Wien, 1907
    4. Vgl. wahlen-in-deutschland.de. abgerufen am 8. September 2008.
    5. Georg Hassel: Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt. Verlag des Geographischen Instituts Weimar (1823), S. 34; Gesamtbevölkerung 1819 – 561.203; Nationalverschiedenheit 1819: Polen – 377.100; Deutsche – 162.600; Mährer – 12.000; Juden – 8.000 und Tschechen – 1.600 (books.google.pl).
    6. Paul Weber, Die Polen in Oberschlesien: eine statistische Untersuchung; Verlagsbuchhandlung von Julius Springer in Berlin (1913), S. 8–9
    7. Paul Weber: Die Polen in Oberschlesien: eine statistische Untersuchung; Verlagsbuchhandlung von Julius Springer in Berlin (1913), S. 27 (archive.org).
    8. Anlage VIII zum Versailler Vertrag, § 88 betreffend
    9. Vgl. dieser Internetseite von Falter u. a. 1986, S. 118.
    10. Die Volksabstimmung in Oberschlesien 1921 (home.arcor.de)
    11. Neue Freie Presse, Ausgabe vom 20. März 1921, S. 5.
    12. Andreas Kieswetter: Italien und Oberschlesien 1919–1922, Dokumente zur italienischen Politik, Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 2001, S. 41–90.
    13. Dieter Lamping: Über Grenzen, 2001, S. 58.
    14. Zielscheibe im Palazzo Chigi. In: Der Spiegel. Nr. 13, 1948 (online).
    15. „Deutsch-polnisches Abkommen über Oberschlesien“ (Oberschlesien-Abkommen, OSA) vom 15. Mai 1922, in: Reichsgesetzblatt, 1922, Teil II, S. 238 ff.
    16. gonschior.de
    17. Philipp Graf: Die Bernheim-Petition 1933: Jüdische Politik in der Zwischenkriegszeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008, (Schriften des Simon-Dubnow-Instituts; 10), 342 S., ISBN 978-3-525-36988-3.
    18. „Verordnung über die Beschränkung des Reiseverkehrs mit Gebietsteilen des Großdeutschen Reichs und mit dem Generalgouvernement“ vom 20. Juli 1940, Paragraf 1, Abs. 1 Nummer b)., sie nennt eine Einbeziehung lediglich der mit Bielitz verflochtenen Stadt Biala
    19. „Erste Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Erhebung einer Sozialausgleichsabgabe“ vom 10. August 1940, Paragraf 7; sie nennt einen Grenzverlauf entlang der Soła.
    20. Franz-Josef Sehr: Professor aus Polen seit Jahrzehnten jährlich in Beselich. In: Jahrbuch für den Kreis Limburg-Weilburg 2020. Der Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg, Limburg-Weilburg 2019, ISBN 3-927006-57-2, S. 223–228.
    21. Tourismus Polen: Polen – Kattowitz (Katowice) (Memento vom 9. Februar 2013 im Internet Archive)
    22. Nationale und ethnische Zugehörigkeit, Haupt-Statistikamt, Volkszählung von 2011 (polnisch)
    23. Vgl. Michael Rademacher: P_schlesien. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006;.
    24. Franz Schroller: Schlesien – Eine Schilderung des Schlesierlandes. Dritter Band, S. 249.
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