Heiliger Stuhl
Der Heilige Stuhl (lateinisch Sancta Sedes ‚heiliger Sitz‘), auch Apostolischer Stuhl (lateinisch Apostolica Sedes), Päpstlicher Stuhl oder Stuhl Petri, ist der Bischöfliche Stuhl (der Bischofssitz) der Diözese Rom. Als Amt und nichtstaatliche souveräne Macht bildet er ein eigenes Völkerrechtssubjekt und vertritt in internationalen Beziehungen den Staat Vatikanstadt und die römisch-katholische Kirche. Neben dem Papst als personale Repräsentation gehören zum Heiligen Stuhl auch die Verwaltungseinrichtungen der Römischen Kurie.[1]
Wappen des Heiligen Stuhls | |
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Basisdaten | |
Amtssprache | Latein |
Status | souveränes Völkerrechtssubjekt |
Sitz | Apostolischer Palast in der Via della Conciliazione 54 Vatikanstadt |
Papst | Franziskus |
Kardinalstaatssekretär | Pietro Parolin |
Die Verflechtungen zwischen Heiligem Stuhl, Vatikanstadt, Papsttum und römisch-katholischer Kirche sind weitreichend und nicht immer genau auseinanderzuhalten. Im umgangssprachlichen Gebrauch sind mit Vatikan meist der Heilige Stuhl beziehungsweise dessen Verwaltungsorgane gemeint.
Die Bezeichnung Stuhl leitet sich von der Kathedra des Bischofs ab, einem seit der Antike überlieferten Symbol der Vollmacht eines öffentlichen Amtsträgers. Der Bischofssitz in Rom wird auf die legendenhafte Gründung einer ersten christlichen Gemeinde durch den Apostel Petrus zurückgeführt, weshalb diesem im gesamten Christentum eine besondere Stellung zukommt (Papstprimat, Pentarchie). In der Alten Kirche wurde die Bezeichnung heiliger Stuhl synonym zu bischöflicher Stuhl für jeden Bischofssitz verwendet, erst später hat sie sich auf den besonders bedeutsamen römischen Bischofsstuhl fokussiert und wird seit dem 19. Jahrhundert nahezu ausschließlich auf diesen bezogen.[2]
Geschichte
Apostolisch deutet auf die Verbindung zu den von Jesus eingesetzten, in seiner Nachfolge stehenden Aposteln. Der Ursprung geht zurück auf das Neue Testament: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Evangelium nach Matthäus, 16,18 ). Als apostolischer Stuhl wurden zunächst alle Bischofssitze, die in der direkten apostolischen Nachfolge standen, verstanden. Unter ihnen hatten Alexandrien, Antiochien, Jerusalem und Rom als Patriarchalsitze einen Vorrang.[3] Neben Rom trägt lediglich das Bistum Mainz noch die Bezeichnung Heiliger Stuhl.[4]
Diese Sichtweise wurde später für den römischen Bischofssitz verwendet. Dies hatte zur Folge, dass der Apostolische Stuhl immer mehr mit der Nachfolge Petri und dessen Nachfolgern als Bischöfe von Rom (Sedes Apostolica Romana) verbunden wurde. Im 7. Jahrhundert konzentrierte sich der Begriff ecclesia universalis (universale Kirche) mehr und mehr auf die ecclesia romana (römische Kirche) und begrenzte sich damit auf die abendländische Ausprägung. Seit Papst Damasus I. (366–384) entwickelte sich die Überzeugung, dass nur der Bischof von Rom den Anspruch erheben dürfe, auf dem Heiligen Stuhl von Rom zu sitzen. Mit Papst Siricius (384–399) verfestigte sich die alleinige Titulierung Papst auf die Bezeichnung des Bischofs von Rom. Daraus entstand mit Papst Leo I. dem Großen (440–461) in der Nachfolge der Titel Vicarius Christi, der den Heiligen Stuhl in Rom gleichwertig neben das römische Kaisertum setzte.
Das Bistum Rom erstreckt sich über die Grenzen des Vatikanstaates hinaus nach Italien, der Papst ist der Bischof dieses Heiligen Stuhls.
Der Heilige Stuhl im Völkerrecht
Der Heilige Stuhl in Person des Papstes (Identität im Sinne des Kirchenrechts und des Völkerrechts) ist völlig souverän und wird nach verbreiteter Völkerrechtsdoktrin als originäres, nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt angesehen. Im Völkerrecht ist dies der derzeit einzige Fall, dass einer natürlichen Person in ihrer amtlichen Eigenschaft kraft ihres Amtes und auf Dauer dieses Amtes Völkerrechtssubjektivität zukommt, die von keinem übergeordneten völkerrechtlichen Rechtssubjekt abgeleitet ist (neben dem Großmeister des Malteserordens). Damit unterscheidet sich der Papst von einem gewöhnlichen Staatsoberhaupt, der für ein Völkerrechtssubjekt handelt, jedoch selbst kein Völkerrechtssubjekt ist. Der Grund für diese Situation liegt darin, dass mit dem Ende des Kirchenstaates der Heilige Stuhl nicht ohne diesen Status bleiben sollte, und nach der Anerkennung des Vatikans als Rest-Kirchenstaat ist es bei dieser doppelten Völkerrechtssouveränität geblieben.
Der Heilige Stuhl ist nicht identisch mit der römisch-katholischen Kirche, die ein eigenes Rechtssubjekt darstellt. Die römisch-katholische Kirche selbst ist kein Völkerrechtssubjekt, aber der Papst oder vielmehr der Heilige Stuhl vertritt sie als Oberhaupt nach außen und kann damit ihre Interessen im diplomatischen Verkehr vertreten.
Internationale Anerkennung des Status
Als solches ist der Heilige Stuhl (und nicht etwa der Vatikanstaat) Mitglied oder Beobachter in verschiedenen internationalen Organisationen. Bei den Vereinten Nationen ist der Heilige Stuhl als permanenter Beobachter zugelassen. Mit der Reform der Vereinten Nationen von 2004 haben die Mitgliedstaaten dem Heiligen Stuhl in der UN-Vollversammlung mehr Rechte zugestanden. Er darf bei der Jahresvollversammlung in die Debatte eingreifen, ohne die Erlaubnis anderer Staaten abwarten zu müssen, und hat auch das Recht zu antworten, soweit es um den Heiligen Stuhl geht.
Internationale Beziehungen
Der Heilige Stuhl besitzt den ältesten diplomatischen Dienst der Welt. In vielen (meist katholischen) Ländern ist deshalb der päpstliche Nuntius der Doyen des Diplomatischen Corps und steht protokollarisch an der ersten Stelle der ausländischen akkreditierten Botschafter. Der Heilige Stuhl unterhält diplomatische Beziehungen zu 183 Staaten einschließlich der Europäischen Union und des Souveränen Malteserordens (Stand: 2020)[5]. Ausländische Diplomaten, die beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden sollen und augenscheinlich nicht nach der katholischen Sexualethik leben, können zurückgewiesen werden, so etwa Geschiedene[6][7] oder in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft Lebende.[8] Ein Botschafter beim Heiligen Stuhl soll nicht gleichzeitig in der Italienischen Republik akkreditiert sein, oftmals residieren jedoch beide in den gleichen Büroräumen.
Am 16. Januar 1982 haben der Heilige Stuhl und das Vereinigte Königreich nach 447 Jahren wieder die vollen diplomatischen Beziehungen aufgenommen. König Heinrich VIII. hatte sich 1535 von der katholischen Kirche losgesagt und die anglikanische Kirche begründet. Am 2. August 1982 wurden die diplomatischen Beziehungen zu Dänemark und den beiden skandinavischen Staaten Norwegen und Schweden nach 400 Jahren wieder aufgenommen. Am 9. Dezember 2009 wurden volle diplomatische Beziehungen mit Russland aufgenommen.[9]
Verschiedenen internationalen Konventionen ist der Heilige Stuhl nicht beigetreten, unter anderem nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950, dem Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivil-Pakt) von 1966 und der Istanbul-Konvention von 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen.
Medien
Vom Heiligen Stuhl wird die Tageszeitung L’Osservatore Romano herausgegeben. Zudem wurde die international agierende Rundfunkstation Radio Vatikan vom Heiligen Stuhl betrieben. Die italienische Namensvariante La Santa Sede für deutsch Der Heilige Stuhl wird von www.vatican.va, der Website der Institution, präferiert.
Symbole
Die Hoheitszeichen des Heiligen Stuhles sind die Schlüssel Petri und die Tiara; vergleiche mit Wappen des Heiligen Stuhls.
Bild rechts: Allegorie des Papsttums – Petrus als Papst auf dem Heiligen Stuhl sitzend, den Schlüssel und die Bibel (als ikonografische Attribute Petri) in der Hand, die Tiara als Insigne eines Papstes, die andere Hand zum dreifingrigen Segensgestus erhoben (als Stellvertreter Christi).
Literatur
- Heribert Franz Köck: Holy See. In: Rudolf Bernhardt (Hrsg.): Encyclopedia of Public International Law, Bd. 2. North-Holland, Oxford 1995, ISBN 0-7204-0131-3.
- Heribert Franz Köck: Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls. Dargestellt an seinen Beziehungen zu Staaten und internationalen Organisationen. Duncker & Humblot, Berlin 1975.
- Josef Laurenz Kunz: The Status of the Holy See in International Law. In: American Journal of International Law, Jg. 46 (1952), S. 308–314, ISSN 0002-9300.
- Joël Benoît d’Onorio (Hrsg.): Le Saint-Siège dans les relations internationales. Actes du colloque organisé les 29 et 30 janvier 1988 par le département des sciences juridiques et morales de l'Institut Portalis. Cujas & Cerf, Paris 1989, ISBN 2-204-03106-2 (Collection Éthique et société).
- Corrado Pallenberg: Die Finanzen des Vatikans. Verlag Kurt Desch GmbH, München 1968, ISBN 3-423-00928-4.
- Andreas M. Rauch: Der Heilige Stuhl und die Europäische Union. Nomos, Baden-Baden 1995, ISBN 3-7890-3771-0.
- Andreas Sommeregger: Soft Power und Religion. Der Heilige Stuhl in den internationalen Beziehungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18421-0.
- Tassilo Wanner: Heilige Allianz? Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Heiligen Stuhl. Springer VS Fachmedien, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-14970-3.
- Jörg Zedler (Hrsg.): Der Heilige Stuhl in den internationalen Beziehungen 1870-1939. Utz, München 2010, ISBN 978-3-8316-4021-8 (Spreti-Studien; 2).
Weblinks
Einzelnachweise
- 361 CIC
- Frag' den Pater: Es antwortet Pater Bernd Hagenkord SJ. In: Radio Vatikan. Abgerufen am 12. Februar 2015.
- Geschichte und Gegenwart: Heiliger Stuhl Archivlink (Memento vom 5. April 2013 im Internet Archive) (aus Radio Vatikan, aufgerufen am 3. April 2013).
- Mainz als Heiliger Stuhl (Memento vom 21. Juli 2012 im Internet Archive) auf der Seite der Universität des Saarlandes, abgerufen am 12. Mai 2014.
- Nota informativa sui Rapporti diplomatici della Santa Sede. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 9. Januar 2020, abgerufen am 9. Januar 2020 (italienisch).
- Vatican accepts Juan Pablo Cafiero as Argentine Ambassador, en.wikinews.org, 28. September 2008.
- Alexander Smoltczyk: Leere Botschaft, spiegel.de, 2. Oktober 2008.
- Vatican blocks appointment of gay diplomat, pinknews.co.uk, 2. Oktober 2008.
- https://web.archive.org/web/20110823031734/http://www.radiovaticana.org/tedesco/tedarchi/2009/dezember09/ted04.12.09.htm