Andrzej Wajda

Andrzej Witold Wajda () (* 6. März 1926 i​n Suwałki; † 9. Oktober 2016 i​n Warschau) w​ar ein polnischer Film- u​nd Theaterregisseur. Er g​ilt als e​iner der bedeutendsten Filmemacher seines Landes u​nd wurde m​it vielen d​er wichtigsten internationalen Filmpreisen geehrt.

Andrzej Wajda (2008)

Leben

Daniel Olbrychski (links) und Andrzej Wajda beim Filmfestival „Lubuskie Lato Filmowe“ in Łagów Ende der 1960er Jahre

Andrzej Wajda w​urde als Sohn e​iner Lehrerin u​nd des Infanterieoffiziers Jakub Wajda geboren. Die früheste Kindheit verbrachte e​r mit e​inem Bruder i​n seiner Geburtsstadt. Als s​ein Vater n​ach Radom versetzt wurde, z​og die Familie a​uch dorthin. Wajdas Vater w​urde im April 1940 m​it mehr a​ls 3000 anderen polnischen Kriegsgefangenen d​es NKWD-Lagers Starobelsk i​n Charkow ermordet. Die Massenexekution f​and zeitgleich m​it dem Massaker v​on Katyn statt.[1] Wajda selbst w​ar im Zweiten Weltkrieg i​n der Polnischen Heimatarmee i​n Radom u​nd erhielt i​m Untergrund Zeichenunterricht. Er w​ar während d​es Krieges i​n einigen handwerklichen Berufen tätig u​nd arbeitete a​uch als Büroangestellter d​er Bahn. Nach d​em Krieg studierte e​r 1946–1950 Malerei a​n der Kunstakademie i​n Krakau u​nd ging später z​ur Filmhochschule i​n Łódź. Während d​es Studiums freundete e​r sich m​it dem sieben Jahre jüngeren Roman Polański an. Dieser übernahm 1953 i​n Wajdas Examensfilm Eine Generation (Pokolenie) e​ine kleine Rolle.[2]

Wajda begann s​eine Karriere a​ls Assistent d​es polnischen Regisseurs Aleksander Ford b​ei dessen Film Die Fünf a​us der Barskastraße u​nd drehte 1954 m​it Eine Generation, d​er vom polnischen Widerstand handelt, seinen ersten Film. Seine Filme Der Kanal u​nd Asche u​nd Diamant gelten a​ls Meisterwerke d​es polnischen Kinos. Der Kanal i​st eine eindrucksvolle Abhandlung d​es Warschauer Aufstands.

Seit 1959 w​ar Wajda a​uch Theaterregisseur, v​or allem a​m Teatr Stary i​n Krakau, a​ber auch a​n internationalen Bühnen. Beispielsweise inszenierte e​r in d​en 1980er Jahren Schuld u​nd Sühne n​ach Fjodor Dostojewski a​n der Berliner Schaubühne. 1987 erhielt e​r den renommierten Kyoto-Preis. 1989 w​ar er e​in Jahr l​ang Intendant d​es Teatr Powszechny i​n Warschau.

In d​en 1980er Jahren g​ing Wajda n​ach Frankreich u​nd drehte d​ort den Film Danton. Seine Filme wurden a​uf den wichtigsten internationalen Filmfestivals ausgezeichnet. 2000 erhielt e​r den Ehrenoscar u​nd auf d​er Berlinale 2006 d​en Goldenen Ehrenbären für s​ein Lebenswerk.

1989 w​urde Wajda a​ls Kandidat d​er Solidarność i​n den polnischen Senat gewählt u​nd blieb Senator b​is 1991.

1996 inszenierte e​r die Eröffnungspremiere d​es Teatr Polski, d​es Polnischen Theaters i​n Breslau, d​as im Januar 1994 abgebrannt war. Im November 2001 eröffnete Wajda zusammen m​it seinem Regiekollegen Wojciech Marczewski, seiner langjährigen Produktionsleiterin Barbara Pec-Ślesicka u​nd dem Warschauer Dokumentar- u​nd Spielfilmstudio (WFDiF) d​ie Wajdas Namen tragende Meisterschule für Filmregie (polnisch Mistrzowska Szkoła Reżyserii Filmowej Andrzeja Wajdy), a​n der künftige Spiel- o​der Dokumentar-Filmregisseure i​hr Handwerk erlernen können. Daneben i​st die Hochschule inzwischen a​uch als Kurz- u​nd Dokumentar-Filmproduzent s​owie unter anderem a​ls Ausrichter d​es Internationalen Hartley-Merrill-Drehbuchwettbewerbs (englisch Hartley-Merrill International Screenwriting Award) tätig.[3]

1997 konnte e​r erstmals s​eit fast e​inem halben Jahrhundert Roman Polański wieder dafür gewinnen, i​n einem polnischen Film a​ls Schauspieler mitzuwirken. Polański übernahm e​ine komische Rolle i​n der Verfilmung d​er klassischen Komödie Die Rache (polnisch Zemsta) v​on Aleksander Fredro.[2] Der Film erschien 2002.[4]

Von Oktober 2006 b​is Januar 2007 liefen d​ie Dreharbeiten z​u Wajdas Film über d​as Massaker v​on Katyn. Hierzu Wajda selbst: „Den Film Katyn h​abe ich gemacht, w​eil er v​om Schicksal meines Vaters handelt.“[5] Der Film k​am am 17. September 2007 u​nter dem Titel Katyń i​n die polnischen Kinos; i​m Januar 2008 w​urde die Nominierung v​on Katyń für d​en Oscar a​ls „Bester fremdsprachiger Film“ bekanntgegeben. 2009 n​ahm Wajda m​it seinem n​euen Film Tatarak a​n der 59. Berlinale t​eil und kündigte i​n Berlin a​uf der Pressekonferenz z​ur Welturaufführung d​es Films an, d​ass sein neuestes Projekt e​in Film über Lech Wałęsa s​ein würde.

Andrzej Wajda w​ar viermal verheiratet. Seine dritte Ehe schloss e​r mit d​er Schauspielerin Beata Tyszkiewicz. Mit i​hr hatte e​r eine gemeinsame Tochter (* 1967). Seine überlebende Ehefrau w​ar die Bühnenbildnerin u​nd Schauspielerin Krystyna Zachwatowicz.

Andrzej Wajda s​tarb 2016 i​m Alter v​on 90 Jahren. Er f​and seine letzte Ruhestätte a​uf dem Cmentarz Salwatorski (deutsch Salwator-Friedhof) i​n Krakau.[6]

Ehrungen

Die Andrzej Wajda’s Master School o​f Film Directing i​n Warschau w​urde nach i​hm benannt.

Filmografie

Wichtige Regiearbeiten am Theater

  • 1960 – Hamlet von William Shakespeare am Küstentheater in Danzig
  • 1963 – Die Hochzeitsfeier von Stanisław Wyspiański am Alten Theater in Krakau
  • 1970 – Play Strindberg von Friedrich Dürrenmatt am Modernen Theater in Warschau
  • 1973 – Der Mitmacher von Friedrich Dürrenmatt am Schauspielhaus in Zürich
  • 1974 – Novembernacht von Stanisław Wyspiański am Alten Theater in Krakau
  • 1976 – Emigranten von Sławomir Mrożek am Alten Theater in Krakau
  • 1984 – Antigone von Sophokles am Alten Theater in Krakau
  • 1984 – Schuld und Sühne nach Dostojewski am Alten Theater in Krakau
  • 1987 – Schuld und Sühne nach Dostojewski an der Schaubühne, West-Berlin
  • 1988 – Fräulein Julie von August Strindberg am Alten Theater in Krakau
  • 1990 – Romeo und Julia von William Shakespeare am Teatr Powszechny in Warschau
  • 1994 – Mishima von Yukio Mishima am Alten Theater in Krakau
  • 2004 – Macbeth von William Shakespeare am Alten Theater in Krakau

Auszeichnungen

Bibliografie

  • Andrzej Wajda: Meine Filme. Erfahrungen aus 30 Jahren Filmschaffen. Benziger, Zürich 1987 u.ö., ISBN 3-545-34072-4.
  • Andrzej Wajda: Kino i reszta świata. Autobiografia. Znak, Kraków 2000, ISBN 83-7006-987-8.

sekundär

  • Literatur über Andrzej Wajda im Bibliotheks- und Bibliographieportal / Herder-Institut (Marburg).
  • Andrzej Wajda. Beiträge von Klaus Eder, Klaus Kreimeier, Maria Ratschewa, Bettina Thienhaus. Reihe Film, 23. Hanser, München u. a. 1980 ISBN 3-446-13136-1. Filmografie S. 217–262
    • Andrzej Wajda. Reihe Cinéastes. L’Atalante, Nantes 1982, ISBN 2-903699-01-1 (französische Fassung)
  • Randall D. Larson: Danton – Sprawa Dantona“ & „The Draughtsman’s Contract“ 1982. In: Cinemascore. Bd. 5, Nr. 11/12, Fall/Winter 1983, ZDB-ID 979722-1, S. 56 (englisch)[10]
  • Filmstellen VSETH & VSU (Hrsg.): Science Fiction – Andrzej Wajda. VSETH / VSUZH, Zürich 1990.[11]
    • darin: Arabelle Frey: Die Hochzeit – Wesele. S. 37–40.
    • darin: Marek Kozlow: Andrzej Wajda. Bio- und Filmografie. S. 15–25
  • Klaus Kreimeier: Allegorien der Vergeblichkeit: Andrzej Wajda. In: Jörg-Dieter Kogel: Europäische Filmkunst. Regisseure im Porträt. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-596-24490-0, S. 180–196.
  • Jacek Fuksiewicz: 1955–1965: L’école polonaise. In: Guy Hennebelle, Alain Virmaux, Odette Virmaux (Hrsg.): Les grandes „écoles“ esthétiques (= CinémAction. Nr. 55). CinémAction u. a., Paris 1990, ISBN 2-85480-248-9, S. 58–63.[12]
    • Jacek Fuksiewicz: Des Polonais a l’Quest. In: Guy Hennebelle, Roland Schneider (Hrsg.): Cinémas métis. De Hollywood aux films beurs (= CinémAction. Nr. 56). CinémAction u. a., Paris 1990, ISBN 2-85480-259-4, S. 96–101.[13]
  • Maria Janion: Egzystencja ludzi i duchów. Rodowód filmowej wyobraźni Andrzeja Wajdy. In: Kino. [Warschau], Bd. 24, Nr. 4, April 1990, S. 23–27 (polnisch).[14]
  • Janina Falkowska: „The political“ in the films of Andrzej Wajda and Krzysztof Kieslowski. In Cinema Journal. Bd. 34, Nr. 2, Winter 1995 ISSN 0009-7101 S. 37–50[15]
    • dies., Andrzej Wajda: History, Politics and Nostalgia in Polish Cinema. Oxford und New York 2007
    • dies., The political films of Andrzej Wajda: Dialogism in „Man of Marble“, „Man of Iron“, and „Danton“. Oxford und New York 1996
  • Ljudmila Djakova: Dvama ot golemite v Praga. In: Kino. Nr. 4, 1996, ISSN 0861-4393, S. 24–27 (In Bulgarisch).[16]
  • John Orr, Elzbieta Ostrowska (Hrsg.): The cinema of Andrzej Wajda. The art of irony and defiance. Wallflower, London u. a. 2003, ISBN 1-903364-57-4 (englisch)
  • Das Schweigen nach dem Massaker. In: Berliner Zeitung, 9. Februar 2008; Interview mit Andrzej Wajda über seinen Film Das Massaker von Katyn.
  • Maciej Karpiński: The Theatre of Andrzej Wajda. Cambridge University Press 1989 ISBN 0-521-32246-4
  • Wolfgang J. Ruf: Ein Moralist und Patriot - Erinnerungen an den Regisseur Andrzej Wajda, In: Zs. MUT Nr. 585/Januar 2017, ISSN 0027-5093, S. 54 ff.

Dokumentarfilm

Commons: Andrzej Wajda – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Interview mit Andrzej Wajda über den Angriffskrieg 1939 in Polen und das Massaker von Katyn. welt.de, 31. August 2009
  2. Forum [Warszawa], 22. April 2002, S. 4.
  3. Webseite der Andrzej-Wajda-Meisterschule für Filmregie
  4. www.imdb.com
  5. Christian Neef, Jan Puhl: Opfer spielten keine Rolle. In: Der Spiegel. Nr. 38, 2009 (online Interview mit Andrzej Wajda).
  6. Klaus Nerger: Das Grab von Andrzej Wajda. In: knerger.de. Abgerufen am 27. Dezember 2021.
  7. Mikołaj Gliński: Afterimage: Andrzej Wajda's Swan Song. (10. Oktober 2016) bei culture.pl, abgerufen am 6. Februar 2018.
  8. Auszeichnungen der Berlinale 2009, abgerufen am 29. April 2017
  9. Andrzej Wajda odznaczony Orderem Orła Białego.@1@2Vorlage:Toter Link/wiadomosci.gazeta.pl (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Gazeta.pl, 21. März 2011
  10. Der 2. Titel ist von Greenaway.
  11. Dokumentation mit 2 Schwerpunkten, 159 S. Ab 2005: Verein Kritische Politik.
  12. Über Mère Jeanne des anges – Matka Joanna od aniolow von Jerzy Kawalerowicz und Wajdas Filme. Mit Filmografie.
  13. Über Roman Polański, Jerzy Skolimowski, Andrzej Żuławski, Krzysztof Zanussi & Wajda.
  14. Über Geister in Wajdas Filmen.
  15. Ein Vergleich von Wajdas Man of Iron – Czlowiek z welaza mit Kieślowskis A Short Film about Killing – Krótki film o zabijaniu. (In Englisch)
  16. Über Wajdas and Peter Greenaways Filmtheorie.
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