Constantine (Algerien)
Constantine (arabisch قسنطينة, DMG Qusanṭīna, Zentralatlas-Tamazight ⵇⵙⵏⵟⵉⵏⴰ Qsenṭina) ist mit 448.028 Einwohnern (Stand: 14. April 2008) nach Algier und Oran die drittgrößte Stadt in Algerien. Sie ist Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, Industriestadt und Verkehrsknotenpunkt. Die Stadt besitzt eine Universität, eine islamische Hochschule und antike sowie mittelalterliche Bauten wie die Statue des römischen Kaisers Konstantin und den Ahmed-Bey-Palast.
قسنطينة ⵇⵙⵏⵟⵉⵏⴰ Constantine | |||
---|---|---|---|
| |||
Koordinaten | 36° 22′ N, 6° 37′ O | ||
Basisdaten | |||
Staat | Algerien | ||
Constantine | |||
Höhe | 650 m | ||
Fläche | 22.972 km² | ||
Einwohner | 448.028 (14. April 2008) | ||
Dichte | 19,5 Ew./km² | ||
Website | www.wilayadeconstantine.org | ||
Kultur | |||
Partnerstädte | Grenoble Sousse Istanbul |
Geographie
Die Stadt liegt im Osten des Landes in einer hügeligen Landschaft in mehr als 600 m Höhe über dem Meeresspiegel, etwa 60 km südlich des Mittelmeers. Der nächste Küstenort ist Skikda (ex Philippeville) im Norden in 80 km Entfernung über die N3 bzw. etwas weiter nordöstlich Annaba (ex Bône) in 157 km Entfernung über die N3 und N 44. Die Hauptstadt Algier ist 430 km entfernt, die tunesische Grenze bei Ghardimaou 235 km und die im Süden am Rand der Sahara gelegene Stadt Biskra rund 225 km.
Die Altstadt befindet sich auf einem mächtigen, 650 m über dem Meeresspiegel gelegenen Plateau, das nur über einen schmalen Rücken von Südwesten her zugänglich ist, aber nach Nordwesten steil abfällt und nach Norden und Westen durch die mehr als 100 m tiefe Schlucht des Flusses Rhumel von dem gegenüberliegenden Plateau Sidi M'Cid abgeschnitten wird.
Die heutige Stadt erstreckt sich mit zahlreichen neueren Stadtvierteln und Vororten weit über die umliegenden Hügel.
Geologie
Der Fluss Rhumel hat sich nicht in den Kalkfelsen eingeschnitten, sondern hat in vorgeschichtlicher Zeit einen Weg unter dem Felsen hindurch gefunden. Die Schlucht entstand, als die Decke dieses unterirdischen Flusses immer weiter einstürzte. Reste dieser Decke sind in der Schlucht heute noch vorhanden. Der Fluss verlässt die Schlucht über einen großen Wasserfall.
Geschichte
Als die reichste und blühendste Stadt Numidiens spielte sie schon im Altertum eine bedeutende Rolle. Ihr karthagischer Name war Karta (Stadt), die Römer nannten sie Cirta. Sie wurde von Micipsa, dem Sohn Massinissas, mit Hilfe griechischer Kolonisten gegründet und 203 v. Chr. zur Hauptstadt Numidiens gemacht.
Sie zeichnete sich durch die Pracht ihrer öffentlichen Gebäude und die Anzahl ihrer Bevölkerung vor allen anderen Städten des nördlichen Afrika aus. Im Jahre 113 v. Chr. wurde die Stadt von Jugurtha erobert. Den römischen Feldherren Caecilius Metellus Numidicus und Gaius Marius diente sie als Hauptstützpunkt. Marius erfocht 107 v. Chr. bei Cirta einen Sieg über Jugurtha.
Als König Iuba I. mit dem Rest seiner pompejanischen Partei 46 v. Chr. in Afrika unterlegen war, gab Gaius Iulius Caesar einem seiner Parteigänger, Publius Sittius Nucerinus, einen Teil des Gebiets von Cirta, das als besondere Kolonie das römische Bürgerrecht und den Namen Sittlanorum Colonia erhielt.
Danach begann der Zerfall des alten Cirta, das 311 n. Chr. im Krieg des Maxentius gegen den Statthalter der Provinz Africa Domitius Alexander, der sich zum Kaiser ausgerufen hatte, vollständig zerstört wurde. Konstantin I., der Große, stellte die Stadt 312 n. Chr. wieder her und gab ihr den Namen Constantina.
430 wurde die Stadt von den Vandalen erobert. Von 534 bis 697 war sie Teil des Byzantinischen Reiches, vom 8. bis 15. Jahrhundert von berberischen und arabischen Dynastien beherrscht. Während der Herrschaft des Osmanischen Reiches seit 1529 war die Stadt Sitz eines türkischen Statthalters.
Am 13. Oktober 1837 wurde Constantine von Truppen der französischen Julimonarchie erobert. In der Zweiten Französischen Republik ab 1848 wurde der nördliche Teil des heutigen Staates Algerien, unterteilt in die Départements Algier, Oran und Constantine, Teil des französischen Mutterlandes. Die Stadt Constantine war also Hauptstadt des Département de Constantine. Sie wurde, wie der gesamte Norden des heutigen Algerien, 1851 in das französische Zollgebiet sowie 1865 sowohl politisch als auch wirtschaftlich in das französische Staatsgebiet eingegliedert.
Der Code de l’indigénat entrechtete[1] die muslimische Bevölkerung weitgehend, während den jüdischen Algeriern die französische Staatsbürgerschaft aufgezwungen[2] wurde. 1896 hatte Constantine 47.771[3] Einwohner, davon waren 24.115[3] Muslime und 3020[3] Juden, zudem lebten 17.785[3] Franzosen und 2851[3] weitere Europäer in der Stadt. Unter den europäischen Algeriern war der Antisemitismus stark verbreitet. 1934[1] kam es in Constantine zu einem antijüdischen Pogrom. Der örtliche Antisemit Emile Morinaud unterstützte in der Stadt die landesweite Kampagne zur Abschaffung des Décret Crémieux.
Bevölkerung
Constantine hat 448.028 Einwohner (Zensus).[4] 2008 betrug die Einwohnerzahl der Stadt einschließlich des Umlandes 938.475 Einwohner.[5]
Bevölkerungsentwicklung:
Jahr | Einwohner |
---|---|
1977 (Zensus) | 345.566 |
1987 (Zensus) | 443.727 |
1998 (Zensus) | 462.187 |
2008 (Zensus) | 448.028 |
Stadt der Brücken
Die Lage der Altstadt an der Schlucht des Rhumel erforderte den Bau einer Reihe von Brücken. In Flussrichtung von Süden nach Norden sind dies:
- Pont Salah Bey, eine vierspurige Schrägseilbrücke etwa 600 m oberhalb der Pont Sidi Rached und außerhalb der Altstadt, die 2014 eröffnet wurde.
- Pont Sidi Rached, ein 447 m langes Viadukt mit einer Bogenbrücke, die in den Jahren 1908–1912 von dem französischen Ingenieur Paul Séjourné errichtet wurde. Ihre gemauerten Steinbögen mit einer Spannweite von 68 m tragen eine Platte aus Stahlbeton. Die lichte Höhe beträgt 103 m.
- Pont du Diable (Teufelsbrücke), eine kleine, fast unmittelbar unter dem Pont Sidi Rached gelegene Bogenbrücke für Fußgänger.
- Pont Mellah Slimane, Passerelle Perrégaux, eine Fußgänger-Hängebrücke.
- Pont d’El Kantara, eine 128 m lange Segmentbogenbrücke aus Beton mit 56 m Spannweite und einer Höhe von 125 m, die eine Eisenbrücke aus dem Jahre 1863 ersetzte.
- Pont Sidi M’Cid, eine ebenfalls 1912 eröffnete Hängebrücke mit einer Spannweite von 160 m und einer lichten Höhe von 175 m, die damit die höchste Brücke der Welt war bis zur Eröffnung der Royal Gorge Bridge, Colorado, USA im Jahre 1929.
- Pont des chutes / Pont de Winet el Foul (Wasserfallbrücke), eine 1925 gebaute Bogenbrücke über die Wasserfälle am Ausgang der Schlucht.
Sehenswürdigkeiten
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Constantine sind:
- Gustave Mercier Museum
- Ben-Badis-Moschee
- Kasbah (Altstadt)
- Islamische Emir Abdel Kader Universität (Université des sciences islamiques „Émir Abd El Kader“)
- Djamma El Kebir-Moschee
- Soumma Mausoleum
- Ahmed Bey-Palast
- Ruinen des römischen Aquäduktes
- Statue des römischen Kaisers Konstantin
- Die Universität Université Frères Mentouri - Constantine 1 (UFMC1), nach dem Entwurf von Oscar Niemeyer
- Das Heiligtum El Hofra, das aus der Zeit der Phönizier stammt
Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur
Constantine ist Industriestadt (Zement-, Metall-, Leicht-, Lebensmittelindustrie) und Verkehrsknotenpunkt.
In Constantine haben die beiden Universitäten Université Frères Mentouri - Constantine 1 (UFMC1; Gründung 1969) und Université Constantine 2 Abdelhamid Mehri (UAMC; Gründung 2011) ihren Sitz.
Constantine ist auch Sitz des Nationalen Handelsregisters Centre National du Registre du Commerce (C.N.R.C).[6]
Nach Erlangung der Unabhängigkeit begann die Verstaatlichung einiger Wirtschaftsbereiche. Seit Anfang der 1980er Jahre bemüht man sich jedoch um eine ökonomische Liberalisierung und um die Förderung des Privatsektors.
Als Verkehrsknotenpunkt liegt Constantine an der Ost-West-Autobahn und ist über Nationalstraßen mit der Hauptstadt Algier und den Hafenstädten Jijel, Skikda und Annaba verbunden. Nationalstraßen führen nach Tunesien und über Biskra in die Sahara. Die Autoroute Est-Ouest (Ost-West-Autobahn) führt im großen Bogen östlich und südlich um Constantine herum und am Flughafen vorbei.
Der Flughafen von Constantine Aéroport Mohamed Boudiaf liegt etwa 9 km südlich der Stadt. Er hat außer algerischen Zielen auch Verbindungen zu verschiedenen französischen Orten und nach Genf.
Constantine hat Eisenbahnverbindungen nach Algier, Tebessa, M'Sila, Skikda und Jijel.
Seit Mitte 2013 gibt es eine erste, 8,1 Kilometer lange Straßenbahnlinie mit zehn Haltestellen, die in Nord-Süd-Richtung vom Ramdhan Ben-Abdelmalek Stadion zum Stadtteil Zouaghi verläuft.[7]
Seit 2008 hat Constantine die Téléphérique de Constantine, eine innerstädtische Gondelbahn, die zwischen der Altstadt, dem Klinikviertel auf der gegenüberliegenden Seite des Oued Rhumel und einem gut 1 km entfernten Stadtviertel verkehrt.
Kultur und Religion
Constantine ist Sitz des römisch-katholischen Bistums Constantine.
Städtepartnerschaften
Constantine pflegt Partnerschaften mit:
Söhne und Töchter der Stadt
- Abdelhamid Ben Badis (1889–1940), islamischer Religionsgelehrter und Publizist
- Ahmed Bey bin Muhammad Sharif (1786–1851), letzter Bey von Constantine
- Louis Brisset (1872–1939), französischer Komponist
- Aimé Steck (1892–1966), französischer Komponist
- Charlotte von Monaco (1898–1977), monegassische Prinzessin, Mutter von Fürst Rainier III. von Monaco
- Malek Bennabi (1905–1973), algerischer Schriftsteller
- René Bianco (1908–2008), französischer Opernsänger
- Jean-Michel Atlan (1913–1960), französischer Maler und Philosoph
- Alfred Nakache (1915–1983), französischer Schwimmer und Wasserballspieler
- Kateb Yacine (1929–1989), algerischer Schriftsteller
- Françoise Arnoul (1931–2021), französische Schauspielerin
- Alphonse Halimi (1932–2006), französischer Weltmeister im Boxen
- Claude Cohen-Tannoudji (* 1933), französischer Physiker und Nobelpreisträger
- Abdelhamid Brahimi (1936–2021), ehemaliger algerischer Premierminister
- Enrico Macias (* 1938), französischer Sänger
- Jean-Louis Comolli (* 1941), französischer Journalist und Filmschaffender
- France Anglade (1942–2014), französische Schauspielerin
- Abdelmalek Sellal (* 1948), algerischer Politiker, Ministerpräsident
- Yve-Alain Bois (* 1952), französisch-algerischer Kunsthistoriker
- Dominique Ouattara (* 1953), französisch-ivorische Unternehmerin und Première Dame der Elfenbeinküste
- Solveig Dommartin (1961–2007), französische Schauspielerin und Regisseurin
- Hassiba Boulmerka (* 1968), Leichtathletin, Olympiasiegerin 1992, erste Medaillengewinnerin Algeriens
- Adel Abdessemed (* 1971), französisch-algerischer Künstler
- Ali Saïdi-Sief (* 1978), algerischer Mittel- und Langstreckenläufer
- Sandra Laoura (* 1980), französische Freestyle-Skierin
- Chouaib Bouloudinats (* 1987), algerischer Boxer
- Mehdi Abid Charef (* 1980), algerischer FIFA-Schiedsrichter
- Ramy Bensebaini (* 1995), algerischer Fußballspieler
- Yasser Triki (* 1997), algerischer Leichtathlet
Klimatabelle
Constantine | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Constantine
Quelle: wetterkontor.de |
Weblinks
- Hermann Dessau: Cirta 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,2, Stuttgart 1899, Sp. 2586–2588.
Einzelnachweise
- Walter Schicho: Handbuch Afrika – Nord- und Ostafrika. Band 3/3. Brandes & Apsel Verlag / Südwind, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-86099-122-1, S. 81.
- Michel Abitbol: Histoire des juifs. In: Marguerite de Marcillac (Hrsg.): Collection tempus. Nr. 663. Éditions Perrin, Paris 2016, ISBN 978-2-262-06807-3, S. 473 ff.
- Michel Abitbol: Le passé d'une discorde – Juifs et Arabes du VIIe siècle à nos jours. Librairie Académique Perrin, Paris 1999, ISBN 2-262-01494-9, S. 275 (dort zitiert nach Zahlen der parlamentarischen Untersuchungskommission Pourquery de Boisserin von 1900).
- Bevölkerung von Constantine (Urbane Siedlung). In: http://www.citypopulation.de. Thomas Brinkhoff, 23. März 2014, abgerufen am 26. August 2014.
- Population résidente des ménages ordinaires et collectifs (MOC) selon la wilaya de résidence et le sexe et le taux d’accroissement annuel moyen (1998-2008) (Suite). (PDF, 153 kB) In: http://www.ons.dz. Office National des Statistiques, abgerufen am 26. August 2014 (arabisch, französisch).
- Présentation du Centre National du Registre du Commerce (C.N.R.C) (Memento des Originals vom 9. Mai 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Sam Applegate: Algeria’s New Light Rail System. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Mena Rail News. 12. Juli 2013, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 16. Mai 2015 (englisch). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.