Maurycy Gottlieb
Maurycy Gottlieb (geboren am 21. oder 28. Februar 1856 in Drohobytsch, Galizien, Kaisertum Österreich; gestorben am 17. Juli 1879 in Krakau, Österreich-Ungarn) war ein polnischer Maler jüdischen Glaubens, der der Haskala nahestand. Obwohl er nur 23 Jahre alt wurde, hinterließ er etwa 300 Bilder, die meisten allerdings in unvollendetem Zustand.
Leben
Schon im Alter von 15 Jahren begann er das Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien, anschließend ging er nach Krakau, um sein Studium bei Jan Matejko fortzusetzen. Wegen des Antisemitismus seiner Kommilitonen verließ er Krakau nach weniger als einem Jahr und ging zurück nach Wien. Studienreisen führten ihn auch nach München und Rom.
Während seine frühen Bilder nationalistische polnische Sujets hatten, wandte er sich bald jüdischen Themen zu. Seine Eltern hatten ihn im Geiste des Zeitalters der Aufklärung nicht-religiös erzogen, doch er wollte seine Wurzeln in der jüdischen Kultur studieren und las dafür Heinrich Graetz' mehrbändige Geschichte der Juden.[1]
Im Alter von 20 Jahren gewann er die Goldmedaille eines Münchner Malwettbewerbs für das Bild Shylock und Jessica, nach einer Szene aus Shakespeares Der Kaufmann von Venedig. Das Porträt der Jessica zeigt Laura Rosenfeld, die Gottlieb heiraten wollte. Nachdem er zunächst akzeptiert worden war, wurde er dann doch zurückgewiesen, was als Grund für seinen Suizid angesehen wird. Als er hörte, dass Laura einen anderen geheiratet hatte, setzte er sich der Kälte aus und starb an den Folgen der Unterkühlung.
Sein Bild Jesus predigt in Kafarnaum erregte Aufsehen, da es Jesus, mit Beikeles (Schläfenlocken) und Tallit (Gebetsschal), als Rabbi abbildet, der Mitjuden unterrichtet.
Juden in der Synagoge am Jom Kippur, entstanden in Wien, das als sein wohl bekanntestes Werk gelten kann, zeigt 20 Figuren, von denen 10 als Personen aus seinem privaten Umfeld bekannt sind. Zwei Mal abgebildet ist auf der Frauenempore seine Verlobte Laura Rosenfeld, zudem ihre Eltern, die eigenen Eltern des Künstlers, sowie er selbst in drei verschiedenen Lebensphasen: als Kind, als Jugendlicher und als Mann. Im Sinne des in vielen jüdischen Gemeinden verbreiteten Brauchs, gespendete Ritualien mit Widmungen an verstorbene Angehörige zu versehen, trägt das Toraschild die Aufschrift: „Tora-Krone/gespendet/im Andenken an die Seele/des von uns geschiedenen/unseres geehrten Lehrers und Rabbiners Mosche/Gottlieb im gesegneten gläubigen Andenken/im Jahr 5638 [der jüdischen Zeitrechnung].“ Die Inschrift bezeichnete Gottlieb somit bereits als Verstorbenen, als er noch lebte und spiegelt eine Art Todessehnsucht. Laut seinem Freund Nathan Samueli entfernte Gottlieb die Inschrift auf Wunsch des Vaters, brachte sie jedoch ein Jahr später, kurz vor seinem Tod, wieder an.
Gottlieb strebte mit seiner jüdischen Historienmalerei einen christlich-jüdischen Brückenschlag an und widersprach entschieden dem Nationalismus seiner Zeit. Dabei vertrat er die Integration des Judentums in die Umgebungsgesellschaft, aber nicht die Aufgabe der jüdischen Identität.
Seine jüngeren Bruder Marcin Gottlieb (1867–1931) und Leopold Gottlieb (1879–1934) wurden ebenfalls Maler.
Literatur
- H. Bartnicka-Górska: Gottlieb, Maurycy. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 59, Saur, München u. a. 2008, ISBN 978-3-598-22799-8, S. 264 f.
- Nehama Guralnik: In the Flower of Youth: Maurycy Gottlieb. Hrsg. Tel Aviv Museum of Art. Dvir Publishers, Tel Aviv 1991.
- Jerzy Malinowski: Maurycy Gottlieb. Verlag Arkady, Warschau 1997, ISBN 83-213-3891-7.
- Ezra Mendelsohn: Painting a people: Maurycy Gottlieb and Jewish Art. Brandeis University Press, Hanover, New Hampshire 2002, ISBN 1584651792.
- Markus Helmut Lenhardt: Jesus als Jude bei Maurycy Gottlieb und Marc Chagall. In: Jesus in den jüdischen Kulturen des 19. und 20. Jahrhunderts. In: PaRDeS. Zeitschrift der Vereinigung für jüdische Studien e.V. (2015) Heft 21, Universitätsverlag Potsdam, S. 87 ff.
Weblinks
Einzelnachweise
- Edward van Voolen: Jüdische Kunst und Kultur. Übersetzung aus dem Englischen: Nikolaus G. Schneider. Prestel, München 2006, S. 65.
- Edward van Voolen, übersetzt von Mechthild Barth: 50 jüdische Künstler, die man kennen sollte. Prestel Verlag, München 2011, ISBN 978-3-7913-4572-7, S. 36 f.