Pontius Pilatus
Pontius Pilatus war von 26 bis 36 n. Chr. Präfekt (Statthalter) des römischen Kaisers Tiberius in der Provinz Judäa. Bekannt wurde er vor allem durch die Passionsgeschichte im Neuen Testament der Bibel. Dort wird berichtet, dass er Jesus von Nazaret zum Tod am Kreuz verurteilte.
Name
Der Vorname (praenomen, vgl. römischer Name) des Pontius Pilatus ist nicht überliefert. Sein Familienname (nomen gentile) zeigt, dass er aus der römischen Familie (gens) der Pontier stammte. Angehörige dieser Familie spielten in der römischen Geschichte des Öfteren eine besondere Rolle; so stammte beispielsweise einer der Caesarmörder aus dieser Familie. Der dritte Namensteil (cognomen) wird unterschiedlich gedeutet. Da inschriftlich der Name mit iota longa überliefert ist, war die Silbe pil- lang. So ist die Herleitung von lateinischen Wörtern wie pilum („Speer“) oder pila („Pfeiler“) möglich, pilatus würde dann „mit dem Pilum bewaffnet“ oder „eingepflanzt“ bedeuten. Auch eine Verbindung mit pileus, der Filzkappe der Freigelassenen, ist denkbar und der Name vielleicht eine Verkürzung von Pileatus.[1]
Leben
Pilatus’ Geburtsjahr und Geburtsort sind unbekannt. Da der Gentilname Pontius bei den Samniten vorkommt, wurde von einigen Wissenschaftlern eine Herkunft der Familie aus Samnium angenommen. Im Jahre 26 wurde Pilatus auf Veranlassung von Lucius Aelius Seianus, einem Vertrauten des Kaisers Tiberius, zum Präfekten von Judäa ernannt. Pilatus war der fünfte Präfekt dieses Provinzteils, unterstand somit dem Statthalter der Provinz Syria und folgte Valerius Gratus, der das Amt 15–26 n. Chr. innehatte.[2] Die Ernennung zeigt, dass Pilatus dem Ritterstand (equester ordo) angehörte.
Ein römischer Präfekt wurde üblicherweise durch den Kaiser bestimmt. Während der Regierungszeit des Tiberius, faktisch ab dem Jahre 21 n. Chr., besaß der Kommandeur der Prätorianergarde, Seianus, bei Tiberius so großen Einfluss, dass er auch bei der Ernennung der Präfekten Einfluss nehmen konnte. Die Ernennung des Pontius Pilatus fällt genau in den Zeitraum des Rückzugs des Tiberius nach Capri. Vermutungen, Pilatus sei durch den judenfeindlichen Seianus gezielt eingesetzt worden, um gegen die Juden mit Gewalt vorzugehen, sind nicht belegbar. Oft wird ungeschicktes Verhalten des Pilatus während seiner Amtszeit von Historikern als Beleg für seine anti-jüdische Haltung angesehen. Es sind daher vor allem jüdische Quellen (und da im Besonderen Flavius Josephus), von denen die harte Amtsführung des Pilatus betont wird. Unabhängig von dieser Diskussion ist es bemerkenswert, dass Pilatus Judäa immerhin zehn Jahre lang verwalten konnte, was für ein großes Durchsetzungsvermögen in einem der unruhigsten Gebiete des Reiches spricht.
Ein Ereignis im Sommer des Jahres 36 führte wahrscheinlich zu seiner Absetzung. Pilatus ließ mit brutaler Gewalt den Zug von Leuten aus Samaria auf den heiligen Berg Garizim unterbinden (siehe Geschichte der Samaritaner).[3] Er wurde daraufhin durch den Legaten Syriens, Vitellius, abberufen, um sich vor Tiberius zu rechtfertigen. Zu den Vorwürfen, die man ihm machte, gehörte unter anderem auch, er habe sich am Tempelschatz bereichert und auf Kosten der Staatskasse eine Wasserleitung in sein Haus legen lassen. Philon von Alexandria zählt folgende Anklagepunkte auf: Bestechungen, Beleidigungen, Raub, Gewalttätigkeit, Zügellosigkeit, wiederholte Hinrichtungen ohne juristisches Verfahren, konstante Ausübung von extrem leidvoller Grausamkeit.[4] Vitellius setzte stattdessen Marcellus ein.
Obwohl es relativ häufig, vor allem in den Legenden um Pilatus, behauptet wird, gibt es keinerlei Hinweise dafür, dass er sich jemals vor Tiberius für das Urteil über Jesus rechtfertigen musste. Als Pilatus nach seiner Abberufung in Rom eintraf, war Tiberius bereits tot, sodass unbekannt ist, ob es zu einem Verfahren um ihn kam und was weiter mit ihm geschah. Unter Berufung auf das Zeugnis heidnischer Chronisten bzw. Olympiadenschreiber schreibt der Kirchenvater Eusebius Anfang des 4. Jahrhunderts, Pilatus sei unter Caligula in solche Bedrängnis geraten, dass er im Jahr 39 Selbstmord beging.[5] Laut Orosius habe ihn der Kaiser sogar dazu gezwungen.[6] Beide Autoren erblicken darin die strafende Hand Gottes. Allerdings gibt es in der Kirchentradition vor Eusebius keine Nachrichten über einen Suizid des Pilatus. So weiß etwa Origenes anscheinend nichts davon, denn er hat dem Einwand des Philosophen Kelsos, dass Jesu Richter nichts dem Schicksal des Pentheus Ähnliches erlitten habe, nur entgegenzusetzen, Pilatus sei gar nicht Jesu Richter gewesen, die Juden seien von dem Fluch getroffen worden.[7]
Historisch noch unsicherer sind die Legenden um die Verbannung des Pilatus nach Vienne in Südfrankreich. Es gibt zudem sehr unterschiedliche Angaben zum Jahr seines Todes, die eher einen legendarischen Hintergrund haben, als historische Fakten darzustellen.
Biblische Zeugnisse
Pontius Pilatus ist durch die Passionsgeschichten des Neuen Testaments als derjenige bekannt, der Jesus von Nazaret zum Tod am Kreuz verurteilte und die Hinrichtung durchführen ließ. Außerdem wird Pilatus im Neuen Testament noch zweimal erwähnt: das Evangelium nach Lukas (Lk 13,1–2 ) berichtet über die von ihm befohlene Ermordung galiläischer Pilger und datiert (Lk 3,1 ) den Beginn des Auftretens Johannes des Täufers in die Zeit seiner Statthalterschaft.
Historische Zeugnisse
Als wichtigste Quelle außerhalb des Neuen Testaments gilt eine Stelle in den Annalen (15, 44) des römischen Geschichtsschreibers Tacitus, die von der Christenverfolgung unter Nero nach dem Brand Roms (64 n. Chr.) berichtet und dabei Pilatus beiläufig erwähnt: Auctor nominis eius Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio adfectus erat. („Der Urheber jenes Namens, Christus, wurde während der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet.“)
Darüber hinaus finden sich einigermaßen gesicherte historische Aussagen über Pilatus vor allem bei Flavius Josephus in seinen Werken De bello Judaico und in den Antiquitates. Auch Philon von Alexandria berichtet über ihn.
Aufgrund der schlechten Quellenlage wurde gelegentlich sogar angenommen, dass Pontius Pilatus keine historische Person gewesen sei. Seit dem Fund der Pilatus-Inschrift im Jahre 1961 in Caesarea, der ehemaligen Residenzstadt des Pilatus, gilt seine Existenz jedoch als gesichert:[8]
...S TIBERIÉVM / [PO]NTIVS PÌLATVS / [PRAEF]ECTUS IVDAE[A]E / ...É...
Die Inschrift bestätigt die Statthalterschaft des Pilatus in Judäa. Mit dem Tiberieum, das von Pontius Pilatus erneuert wurde, ist laut Alföldy einer der Leuchttürme von Caesarea gemeint,[9] andere verbinden damit ein Gebäude des Kaiserkultes für Tiberius und seine Mutter Livia Drusilla.[10] Der Fund belegt, dass die korrekte Bezeichnung für das von Pilatus ausgeübte Amt Präfekt war und nicht, wie bei den Statthaltern von Judäa ab der Mitte des 1. Jahrhunderts üblich, Prokurator, eine Bezeichnung, wie sie auch Tacitus verwendete.
Im Jahr 2018 wurde die Inschrift eines Siegelringes, der bei Ausgrabungen in der Festung Herodium in den Jahren 1968–1969 gefunden worden war, bei nachträglichen Arbeiten als „von Pilatus“ entziffert. Der Ring zeigt in der Mitte ein Weingefäß (Krater), das von der Namensinschrift umgeben ist. Aufgrund der Seltenheit des Namens wird angenommen, dass der Ring Pilatus selbst oder zumindest einem ihm untergebenen Beamten gehört hatte, der damit in Pilatus’ Namen handeln konnte. Für letztere Möglichkeit spricht, dass der Ring eher einfach ausgestaltet ist.[11][12]
Aus Judäa sind drei Münztypen bekannt, die mit der Amtszeit des Pilatus in Verbindung zu bringen sind (Typ Hendin 648, 649, 650). Sie tragen die Legende Tiberiou Kaisaros („des Tiberius Caesar“) und tragen zusätzlich die Zahlen des jeweiligen Regierungsjahres des Tiberius, was nach christlicher Zeitrechnung den Jahren 29, 30 und 31 entspricht. Sie datieren also eindeutig in die Amtszeit des Pilatus. Auf der Vorderseite sind jeweils ein Lituus bzw. ein Simpulum (Schöpfkelle) abgebildet, beides Werkzeuge des Kaiserkultes. Diese Abbildungen müssen das religiöse Empfinden der Juden verletzt haben, inwieweit dies bewusst geschah, ist umstritten.
Bewertung
Die römische Obrigkeit delegierte zwar viele administrative und rechtliche Kompetenzen an die lokalen Autoritäten; ausgenommen hiervon waren allerdings Hochverrats- und Kapitalprozesse. Hauptaufgabe der kaiserlichen Statthalter war die Aufrechterhaltung der Pax Augusta; dies galt auch und gerade für Pilatus, der ein notorisch unruhiges Gebiet übertragen bekommen hatte. Die Darstellungen der Evangelien bestätigen, dass der Prozess Jesu in den Aufgabenbereich des römischen Statthalters fiel, da die Anklage unter anderem auf Hochverrat und Anstiftung zum Aufruhr, also auf politische Vergehen, lautete: Weil sich Jesus laut Angabe der jüdischen Hohepriester selbst zum „König der Juden“ gemacht hatte, stand er aus Sicht der Römer unter dem Verdacht, zu einer Bedrohung für den Frieden in Judäa und damit auch für den Kaiser in Rom und dessen Ansprüche geworden zu sein. Auch weil es bereits Anzeichen für Unruhen in der jüdischen Bevölkerung gab (Mt 27,24 ), war Pilatus gezwungen, die Anklage weiterzuverfolgen.
Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Evangelien aufgrund ihres religiösen Kontextes nur mit Einschränkungen für eine historische Würdigung geeignet. So wird die große Rolle, die nach den Berichten der Evangelien die Juden bei der Verurteilung Jesu gespielt haben sollen, auf heilsgeschichtliche oder direkt judenfeindliche Aussageabsichten, etwa den verbreiteten Vorwurf des Gottesmords, zurückgeführt („Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“, Mt 27,25 ).[13] Allerdings bezeugen die Evangelien selbst, dass die jüdischen Hohepriester damals das Privileg genossen, Menschen steinigen zu lassen: Wäre die Initiative, Jesus zu töten, wirklich von ihnen ausgegangen, hätten sich die Juden daher nicht des römischen Statthalters bedienen müssen. Ob Pilatus aber aus eigenem Antrieb handelte, ist ebenso ungewiss wie die Antwort auf die Frage, ob Pilatus über das ius gladii verfügte und Todesstrafen aussprechen durfte.[14]
Pilatus wird aus jüdischer, christlicher und wissenschaftlicher Sicht unterschiedlich bewertet. Für das Judentum war er Repräsentant der römischen Besatzungsmacht. Im Neuen Testament bleibt Pilatus zwar formal für die Kreuzigung Jesu verantwortlich, jedoch wird dem Volk und den jüdischen Autoritäten eine größere Schuld am Tod Jesu zugesprochen (Joh 18,33–35 ; 19,11 ), indem die Juden seinen Tod am Kreuz (crucifige) und die Freilassung des Barabbas fordern. Demgegenüber erscheint Pilatus überzeugt von der Unschuld des Angeklagten und sucht nach einem Weg, ihn freizulassen, was ihm angesichts der vehementen Einflussnahme der jüdischen Autoritäten nicht gelingt. Pilatus wendet sich also ab und wäscht nach einem Motiv des Matthäusevangeliums demonstrativ seine Hände (Mt 27,24 ). Nach dem Johannesevangelium wird er von Jesus mit dem Begriff Wahrheit konfrontiert (Joh 18,37 ). Pilatus fragt daraufhin schlicht „Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38 ). Carl Schmitt zufolge lässt sich die Haltung des Pilatus je nach Sichtweise entweder als Ausdruck eines „müden Skeptizismus“, als Agnostizismus, als „Ausdruck überlegener Toleranz“ oder als früher Fall einer weltanschaulichen Neutralität von Staat und Verwaltung interpretieren.[15] Für das Johannesevangelium scheitert Pilatus jedenfalls letztlich an der rechten Erkenntnis Jesu und erweist sich zugleich als machtlos gegenüber den jüdischen Anklägern.
Der Name Pontius Pilatus wird auch im christlichen apostolischen Glaubensbekenntnis genannt. Die Zeilen lauten in der deutschen Übersetzung: „geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben“ (natus ex Maria virgine, passus sub Pontio Pilato, crucifixus, mortuus et sepultus). Trotz dieser Hervorhebung im Glaubensbekenntnis ist die Beurteilung des Pilatus und seines Urteilsspruches in den verschiedenen Kirchen sehr unterschiedlich. Tertullian schrieb im 2. Jahrhundert, Pilatus sei seiner Überzeugung nach Christ gewesen (iam pro sua consciencia Christianus) und in der koptisch-orthodoxen Kirche wird Pilatus als Märtyrer verehrt (Gedenktag 25. Juni), wohingegen er in der abendländischen, aber auch der orthodoxen Kirche etwa seit der Zeit Kaiser Konstantins häufig als deicida (Gottesmörder) bezeichnet und bald zum Beispiel eines bösen Menschen schlechthin wurde, sodass ihn Abraham a Sancta Clara im 17. Jahrhundert als „Erzschelm“ bezeichnen konnte.
Diese Zwiespältigkeit resultiert daher, dass das Urteil des Pilatus für Christen nicht einfach zu bewerten ist: Ist es ungerecht, weil es zum Kreuzestod des Messias führte? Oder erfüllte es den Heilsplan Gottes, womit Pilatus das Werkzeug Gottes wäre? Hier scheint beispielhaft das theologisch-philosophische Problem menschlicher Verantwortung und der Willensfreiheit gegenüber göttlicher Prädestination auf und auch das Problem, auf welcher ethischen Grundlage Pilatus’ Verhalten überhaupt zu bewerten ist.
In diesem Zusammenhang ist auch die in der Bibel beschriebene versuchte Einflussnahme der Frau des Pilatus zu sehen (Mt 27,19 ). Obwohl diese im Neuen Testament keinen Namen hat, bürgerte sich bald für sie der Name Claudia Procula (manchmal auch: Procla) ein. Gelegentlich wird vermutet, sie sei identisch mit einer Claudia, die im 2. Timotheusbrief (2 Tim 4,21 ) erwähnt wird. Ihr Eintreten für Jesus gilt den einen als Zeichen dafür, dass sie dessen heimliche Anhängerin gewesen sei und ihn deshalb habe retten wollen, den anderen als der Versuch des Teufels, die Erlösung zu verhindern. Die Frau des Pontius Pilatus wird in der orthodoxen Kirche als Heilige verehrt; ihr Gedenktag ist der 27. Oktober.
Noch im 17. Jahrhundert wurde in theologischen Kreisen intensiv über die Verantwortung des Pilatus diskutiert. Als der protestantische Theologe Johann Steller aus Jena in einem Buch Pilatus defensus (1676) die These vertrat, Pilatus habe unter juristischen Gesichtspunkten korrekt gehandelt, strengten seine Kollegen einen förmlichen kirchenrechtlichen Prozess um Pilatus an, in dem der Philosoph Jakob Thomasius als Ankläger und Steller als Verteidiger auftraten.
Legende
Über das Leben des historischen Pilatus sind nur wenige Einzelheiten bekannt. Legenden versuchten die Lücken auszufüllen. Ab etwa 100 n. Chr. entstanden Heiligenlegenden, nach denen sich Pilatus zum Christentum bekehrt habe und wie sein Vorbild Christus am Kreuz gestorben sei. Ab etwa dem 4. Jahrhundert entstanden Apokryphen mit Erzählungen über Pilatus; die bekanntesten sind die Epistola Pilati, die Acta Pilati oder Mors Pilati. Diese apokryphen Pilatustexte stellen dar, wie Gott den Mörder seines Sohnes bestraft; manchmal haben diese Texte die Überschrift Vindicta salvatoris (Die Rache des Erlösers).
Im Mittelalter entstanden Passionsspiele, die sich mit Pilatus auseinandersetzen. In dieser Zeit entstanden in vielen Städten auch Pilatushäuser, die – wie beispielsweise in Nürnberg – die erste Station eines Kreuzwegs sind, oder wie in Spanien (Casa de Pilatos in Sevilla) der Ausgangspunkt für Karfreitagsprozessionen.
Auch über Pilatus’ Geburtsort entstanden zahlreiche Legenden. Ausgehend von der möglichen samnitischen Herkunft wird in dem kleinen Ort Bisenti in der Provinz Teramo in den Abruzzen östlich von Rom ein antikes Haus als sein Geburtshaus ausgegeben.[16] Gleichfalls existieren in verschiedenen Städten Europas legendarische Überlieferungen, die sie als Sterbeort des Pilatus ausweisen. Die Legenda aurea aus dem 13. Jahrhundert erwähnt verschiedene Versionen: Am bekanntesten dafür sind die südfranzösische Stadt Vienne, in der Pilatus, vom Kaiser Caligula dorthin verbannt, Selbstmord begangen habe (oder aber sein Leichnam dorthin gelangte), und der Pilatus bei Luzern in der Schweiz, wo er im Pilatussee seine letzte Ruhestätte gefunden haben soll, nachdem der Leichnam in Rom, Vienne und Lausanne Unheil gebracht haben soll.[17] Die Namen von Bergmassiv und See haben allerdings nichts mit der Person des Pilatus zu tun, leiten sich von lat. pila ,Pfeiler/Strebe‘ ab, und wurden erst seit dem späten Mittelalter so genannt.
Weitere Pilatuslegenden oder -hinweise findet man in Spanien (Sevilla, Tarragona), Italien (Pilatusschloss in Nus bei Aosta, wo er sich auf seiner Reise nach Vienne aufgehalten haben soll; ferner Sutri, Lago di Pilato, Insel Ponza), Österreich (Thiersee), Schottland (Fortingall) und auch Deutschland (z. B. Pachten im Saarland und Forchheim bzw. Hausen in Oberfranken).
Redewendungen und Zitate
Von Pontius zu Pilatus
Die Redewendung beschreibt einen umständlichen und nutzlosen Weg, der meist auf Anordnung zwischen verschiedenen Instanzen oder Stellen hin und her führt. Die Redewendung geht zurück auf die Darstellung der Passion Jesu im Lukasevangelium (Lk 23,7–12 ). Wegen ungeklärter Zuständigkeit schickt Pilatus Jesus zur Prüfung des Falles an die jüdische Autorität in Gestalt des Tetrarchen Herodes Antipas. Herodes verhört Jesus, treibt seinen Spott mit ihm und sendet ihn wieder zurück zu Pilatus, wo er endgültig zur Kreuzigung verurteilt wird. Die Redewendung verknüpft Ausgangs- und Zielpunkt des Weges mit dem zweiteiligen Namen „Pontius Pilatus“, der doch ein und dieselbe Person bezeichnet. Es existiert auch eine gleichbedeutende Redewendung von Pilatus zu Herodes.
Seine Hände in Unschuld waschen
Diese Redewendung[18] soll Aussagen entwerten, die zum Beweis einer angeblichen eigenen Unschuld gemacht werden, vor allem wenn diese mit Sachzwängen oder mangelnder Einflussmöglichkeit begründet werden, da Pilatus zum Zeichen seiner Unschuld nach dem Urteil an Jesus ein Reinigungsritual durchführt, die Hände wäscht (Mt 27,24 ), obwohl dies seiner Ansicht nach nicht nötig wäre, da das Urteil nicht seine eigene Entscheidung und somit nicht seine Schuld sein könne, was er während des Rituals betont. Siehe auch Dtn 21,6 f. sowie Psalm 26,6 und 73,13 . Die Waschung war keine besondere von Pilatus inszenierte Geste, sondern gehörte zum Ritus der damaligen Gerichtsbarkeit. Ein Gerichtsherr konnte seine Urteile nicht auf kriminalistische Ermittlungen oder Beweise stützen, sondern lediglich auf Zeugenaussagen. So war die Gefahr einer Instrumentalisierung des Richters mittels falscher Anschuldigungen stets präsent. Ein Fehlurteil wäre für sich keine "Sünde" gewesen, zumal dieses Konzept zur damaligen Zeit im römischen Gedankengut noch nicht existierte, konnte aber die Pläne der Götter und Halbgötter (zu denen auch der Kaiser gehörte) stören, die jene mit einer Person noch haben konnten, was eine Bestrafung zur Folge gehabt hätte. Rituelle Waschungen sind in einigen katholischen Kirchen des römischen Ritus noch als „Lavabo“ Rituale ähnlich dem damals beschriebenen erhalten. Durch den Verlust dieses Kontextes aus dem Alltagsbewusstsein wird die Redewendung aber heute sogar oft wörtlich interpretiert und betont, eine Argumentation also wie „Unschuld in liquidem Aggregatzustand“ verstanden, in der jemand sich wäscht.[19]
„Was ist Wahrheit?“
Im Johannesevangelium (Joh 18,38 ) ist dies die Frage des Pilatus an Jesus nach der Diskussion um dessen Königtum und seine Funktion als Zeuge der „Wahrheit“. Eine Antwort Jesu ist nicht überliefert, vielmehr heißt es weiter: „Und als er [Pilatus] dieses gesagt hatte, trat er vor das Volk und sprach: Ich finde keine Schuld an ihm.“
Ecce homo
Der Spruch Ἰδοὺ ὁ ἄνθρωπος[20] (idoù ho ánthropos), der vor allem in der lateinischen Übersetzung ecce homo bekannt wurde, bedeutet nach der Einheitsübersetzung: „Seht, da ist der Mensch!“ Joh 19,5 . Mit diesem Ausruf zeigt Pilatus den gegeißelten und mit Dornen gekrönten Jesus dem Volk. Diese Szene wird häufig in der bildenden Kunst dargestellt und ist unter dieser Bezeichnung bekannt.
(Siehe auch: Ecce-Homo-Bogen)
Quod scripsi, scripsi
„Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben“ Joh 19,22 – lateinisch: Quod scripsi, scripsi – antwortete Pilatus auf den Vorwurf, die Inschrift INRI beschreibe Christi Selbstverständnis und nicht – wie üblich – den Grund seiner Verurteilung.
Man gedenkt seiner wie des Pilatus im Credo
Er steht in keinem guten Andenken. Im Credo wird der Passion Christi gedacht mit den Worten „gelitten unter Pontius Pilatus“.
Zu etwas kommen wie Pilatus ins Credo
Beschreibt eine unpassend erscheinende Verknüpfung.
Siehe auch
Rezeption
Belletristik
Pilatus ist eine Figur in zahlreichen belletristischen Werken. Darunter sind einige historisierende Romane, legendarische Darstellungen sowie ein Theaterstück, in denen Pilatus oder seine Frau die Hauptperson darstellen.[21]
- Anne Bernet: Ich, Pontius Pilatus – Memoiren eines Unschuldigen. Knaur, München 2001, ISBN 3-426-61919-9.
- Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita. Sowjetischer Roman, veröffentlicht als Fortsetzungsroman ab 1966, deutsche Erstausgabe 1968.
- Gisbert Haefs: Die Geliebte des Pilatus. btb, München 2004, ISBN 3-442-75101-2.
- Gertrud von le Fort: Die Frau des Pilatus. Erzählung, 1955.
- Werner Koch: Pilatus. Erinnerungen. Roman, 1959.
- Susanne Scheibler: „…und wasche meine Hände in Unschuld“. Goldmann, München 1987, ISBN 3-8289-0081-X.
- Éric-Emmanuel Schmitt: Das Evangelium nach Pilatus. Französischer Roman von 2000, deutsche Erstausgabe 2005.
- Jörg von Uthmann: Pontius Pilatus. Briefwechsel. Übersetzt, annotiert und eingeleitet von Jörg von Uthmann, Hoffmann und Campe, Hamburg 1991, ISBN 3-455-05959-7.
- Miro Gavran: Pontius Pilatus, Kroatischer Roman von 2010, deutsche Ausgabe im Seifert Verlag, Übersetzung: Klaus Detlef Olof.
Film
- Pontius Pilatus – Statthalter des Grauens (Ponce Pilate/Ponzio Pilato) – Frankreich/Italien 1962, Regie: Gian Paolo Callegari und Irving Rapper.
- Walter Vogt: Pilatus vor dem schweigenden Christus. Regie: Max Peter Ammann. Fernsehen DRS, 1974.
- Die wundersamen Erlebnisse des Pontius Pilatus (Secondo Ponzio Pilato) – Italien 1987, Regie: Luigi Magni.
Literatur
- Werner Eck: Die römischen Repräsentanten in Judaea: Provokateure oder Vertreter der römischen Macht? In: Mladen Popović (Hrsg.): The Jewish Revolt against Rome. Interdisciplinary Perspectives. Brill, Leiden 2011, ISBN 978-90-04-21668-6, S. 45–68.
- Dick Harrison: Verräter, Hure, Gralshüter: Judas Iskariot, Maria Magdalena, Pontius Pilatus, Josef von Arimathäa – Geschichten und Legenden. Patmos-Verlag, 2007, ISBN 978-3-491-72515-7.
- Alexander Demandt: Hände in Unschuld: Pontius Pilatus in der Geschichte. Böhlau, Köln 1999, ISBN 3-412-01799-X.
- Alexander Demandt: Pontius Pilatus. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63362-1.
- Karl Jaroš: In Sachen Pontius Pilatus. von Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2876-1.
- Ralf-Peter Märtin: Pontius Pilatus. Römer, Ritter, Richter. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-596-19265-6.
- Bettina Mattig-Krampe: Das Pilatusbild in der deutschen Bibel- und Legendenepik des Mittelalters. Winter, Heidelberg 2001, ISBN 3-8253-1214-3.
- Raul Niemann (Hrsg.): Von Pontius zu Pilatus. Pilatus im Kreuzverhör. Kreuz, Stuttgart 1996, ISBN 3-7831-1300-8.
- Andreas Scheidgen: Die Gestalt des Pontius Pilatus in Legende, Bibelauffassung und Geschichtsdichtung vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit: Literaturgeschichte einer umstrittenen Figur. Europäischer Verlag der Wissenschaft, Frankfurt 2002, ISBN 3-631-39003-3.
- Philippe Luisier: De Pilate chez les Coptes. In: Orientalia Christiana Periodica 62 (1996) 411–425.
Weblinks
- Literatur von und über Pontius Pilatus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Joachim Schäfer: Pontius Pilatus. In: Ökumenisches Heiligenlexikon. 9. November 2019 .
- Sebastian Hollstein: Aktuelle Seite: Pontius Pilatus: Der undankbarste Job Judäas. In: spektrum.de. 25. März 2016 .
- Barbara Just: Pilatus: Ein Statthalter unter Druck. In: katholisch.de. 27. März 2018 (Interview mit Ludwig Mödl).
Einzelnachweise
- Alexander Demandt: Pontius Pilatus. Beck, München 2012, S. 46–48.
- Werner Eck: Die Benennung von römischen Amtsträgern und politisch-militärisch-administrativen Funktionen bei Flavius Iosephus – Probleme der korrekten Identifizierung. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Band 166, 2008, S. 218–226; Walter Ameling, Hannah M. Cotton, Werner Eck u. a. (Hrsg.): Corpus Inscriptionum Iudaeae/Palaestinae. A Multi-lingual Corpus of the Inscriptions from Alexander to Muhammad. Band 2: Caesarea and the Middle Coast. 1121–2160. De Gruyter, Berlin 2011, S. 229.
- Chaim Cohn: Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht. Übersetzung aus dem Englischen von Christian Wiese, Hannah Liron. Jüdischer Verlag, Berlin 1997, ISBN 978-3-633-54141-6; Insel Taschenbuch, Insel Verlag Frankfurt am Main/Leipzig 2001, ISBN 3-458-34430-6, S. 45–52.
- Philo von Alexandria: On the Embassy to Gaius. XXXVIII, 301–303. In: The Works of Philo. Übersetzt von C. D. Yonge.
- Eusebius von Caesarea: Kirchengeschichte 2, 7 und Chronik, p. 178 ed. Helm.
- Orosius: Historiae adversus paganos 7, 5.
- Origenes: Contra Celsum 2, 34; dazu Alexander Demandt: Pontius Pilatus. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63362-1, S. 92f.
- AE 1963, 00104 (= AE 1964, 39; AE 1964, 187; AE 1971, 477; AE 1981, 850; AE 1991, 1578; AE 1997, 166; AE 1999, 1681; AE 2002, 1556; AE 2005, 1583; AE 2008, 1542); die Inschrift befindet sich im Israel-Museum in Jerusalem (Inv.-Nr. 61-529).
- Géza Alföldy: Pontius Pilatus und das Tiberieum von Caesarea Maritima. In: Scripta Classica Israelica. Band 18, 1999, S. 85–108; Alexander Demandt: Pontius Pilatus. Beck, München 2012, S. 41 f.
- Monika Bernett: Der Kaiserkult in Judäa unter den Herodiern und Römern. Untersuchungen zur politischen und religiösen Geschichte Judäas von 30 v. Chr.–66 n. Chr. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, S. 208–214, bes. S. 213 f. mit der weiteren Literatur.
- Nir Hasson: Ring of Roman Governor Pontius Pilate Who Crucified Jesus Found in Herodion Site in West Bank. In: Haaretz, 29. November 2018 (abgerufen: 1. Dezember 2018)
- Shua Amorai-Stark, Malka Hershkovitz et at.: An Inscribed Copper-Alloy Finger Ring from Herodium Depicting a Krater. In: Israel Exploration Journal. Vol. 68, Nov. 2018, S. 208–220. Abstract in: Word-Dokument, bereitgestellt vom IEJ (s. Übersicht über alle Ausgaben).
- Gerhard Winkler: Pontius II. 1. In: Der Kleine Pauly, dtv, München 1979, Bd. 4, Sp. 1049; Matthias Blum: Gottesmord. In: Handbuch des Antisemitismus, Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. De Gruyter Saur, Berlin 2010, ISBN 3-11-023379-7, S. 113 (abgerufen über De Gruyter Online); Mark H. Gelber: Literarischer Antisemitismus. In: Hans Otto Horch (Hrsg.): Handbuch der deutsch-jüdischen Literatur. de Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-028256-6, S. 38 f.
- Christoph G. Paulus: Der Prozess Jesu – aus römisch-rechtlicher Perspektive (= Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin. Heft 194). De Gruyter, Berlin 2016, insbesondere S. 19–23 (PDF).
- Carl Schmitt: Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, Köln 1982, S. 67.
- Casa natale di Ponzio Pilato.
- Englische Übersetzung der Legenda Aurea mit zwei Versionen von Pilatus' Tod (Memento vom 19. April 2012 im Internet Archive).
- Dazu Meinolf Schumacher: „Lavabo in innocentia manus meas...“. Zwischen Schuldanerkennung und Schuldabwehr: Händewaschen im christlichen Kult. In: Robert Jütte, Romedio Schmitz-Esser (Hrsg.): Handgebrauch. Geschichten von der Hand aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Wilhelm Fink, Paderborn 2019, ISBN 978-3-7705-6362-3, S. 59–77.
- Diliana Atanassova, Tinatin Chronz: ΣΓΝΑΞΙ ΚΑΘΟΛΙΚΗ: Beiträge zu Gottesdienst und Geschichte der fünf altkirchlichen Patriarchate für Heinzgerd Brakmann zum 70. Geburtstag. LIT Verlag Münster, 2014, ISBN 978-3-643-50552-1, S. 420 ff. (google.com [abgerufen am 3. Juli 2020]).
- Nestle/Aland, 28. Auflage
- Siehe auch die Zusammenstellung bei hist-rom.de.