Mongolide
Mongolide oder Mongoliden ist eine nicht mehr gebräuchliche anthropologische Sammelbezeichnung für eine Reihe ost-, zentral- und südostasiatischer (bisweilen auch arktischer, amerikanischer, australischer und pazifischer)[1] Bevölkerungen.
Mongolide gehören nach veralteter Rassenkunde neben Europiden und Negriden zu den drei grundlegend unterschiedlichen Großrassen. Die Klassifizierung als sogenannte „Großrasse“ erfolgte mehr oder weniger willkürlich anhand (augenfälliger) gemeinsamer Merkmale, von denen man annahm, sie belegten einen gemeinsamen Ursprung oder eine genetische Verwandtschaft. Molekulargenetische Daten zeigen jedoch eine Inhomogenität der als Mongoliden zusammengefassten Gruppe und widersprechen einer Einteilung in „Großrassen“.[2]
Die angeblich homogenen Eigenschaften der Mongoliden im Unterschied zu den anderen angenommenen „Menschenrassen“ gilt molekularbiologisch und bevölkerungsgenetisch als eindeutig widerlegt. Jedes Gen hat seinen eigenen geographischen Verbreitungsschwerpunkt. Um die Existenz einer Rasse zu belegen, müssten die Verbreitungsschwerpunkte einer Vielzahl von Genen einer bestimmten Population weitgehend deckungsgleich und unterscheidbar von anderen Populationen sein. Es gibt jedoch keine einheitlichen geographischen Überschneidungen für alle Ostasiaten (oder Chinesen, Sibirier, Indianer usw.). Die äußerlichen Unterschiede zwischen den sogenannten „Mongoliden“ und anderen „Rassen“ repräsentieren lediglich einen sehr kleinen Teil der Erbanlagen, die auf die Anpassung an unterschiedliche Klimate zurückgehen.[3]
Mongolische Rasse
Die mongolische Großrasse wurde bereits früh in verschiedene Rassen aufgegliedert, bei denen der mongolische Einfluss vom mongolischen Kernraum bis nach Südostasien abnimmt.[4][5]
- Mongolide im engeren Sinne (Ostasiatische Völker)
- Kleinwüchsige Rassen in Asien (Negritos)
- Eskimide (Eskimos Nordamerikas)
- Indianide (Indianer Nord- und Südamerikas)
Eskimide und Indianide wurden allerdings nicht einheitlich den eigentlichen Mongoliden zugeordnet. Auch Melanesier, Negritos und insbesondere Australide (australische Völker) wurden uneinheitlich zugeordnet. Ursprünglich wurden sie zu den Negriden gerechnet, zum Teil als eigener „Rassenkreis“ behandelt und in späteren Theorien den Mongoliden zugeordnet.[1]
Als typologische Merkmale der Mongoliden (im engeren Sinne) wurden ausgeprägte Wangenknochen, niedrige Nasenwurzel, schwarzes und glattes Haar, gelblich-dunkler Teint, spärliche Körperbehaarung und insbesondere die sogenannte Mongolenfalte angesehen. Als zusätzliches Kennzeichen galt auch der Mongolenfleck, ein bläuliches Muttermal meist am Rücken, Gesäß oder Kreuzbein eines Neugeborenen.
Rassensystematische Untergliederung
Die Mongoliden wurden nach der Rassensystematik – die bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus gebräuchlich war – in weitere verschiedene „Kleinrassen“ untergliedert, deren Abgrenzung natürlich noch weitaus problematischer ist als die der drei „Großrassen“. Trotz der enormen Datenmengen über diverse körperliche Merkmale, die zur Rassenbestimmung zusammengetragen wurden, blieb die Beurteilung immer subjektiv, eurozentrisch und so dermaßen künstlich konstruiert, dass die Ergebnisse den vorher formulierten Erwartungen entsprachen.[6][7]
Die folgende Einteilung fand sich noch 1978 im Führer durch die anthropologische Schauausstellung des Naturhistorischen Museums Wien.[5]
Mongolide im engeren Sinne
Die Einteilung der Untergruppen ist unterschiedlich, beispielsweise[8]
- Tungide (mongolische und tungusische Völker) und Nordsinide (nordchinesische Völker, Koreaner und Japaner)
- Mittelsinide (mittelchinesische und tibetische Völker)
- Südsinide (südchinesische und indochinesische Völker)
- Paläomongolide (malayische bzw. südostasiatische Völker)
Im engeren Sinne aber waren asiatische Völker gemeint.
Tungide
Verbreitung: Zentralasien.
Merkmale: mittelgroß, kräftig, untersetzt; sehr kurzer, sehr breiter, niedriger Kopf; niedriges, breites, sehr flaches Gesicht; stark hervortretende Jochbeine; niedrige, fliehende Stirn; enge, geschlitzte Lidspalte; starke Mongolenfalte (überhängendes Oberlid); gerade bis konkave, mittelhohe Nase mit breiter Nasenwurzel; mäßig dicke bis dicke Lippen; rundes, kräftig vorgeschobenes Kinn; gelbliche bis braune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar; sehr schwache Gesichts- und Körperbehaarung.
Sibiride
Verbreitung: sibirische Tundrengebiete.
Merkmale: kleinwüchsig, untersetzt; mittellanger, mittelbreiter Kopf; mittelhohes bis hohes, breites, flaches Gesicht; hervortretende Jochbeine; mittelhohe, breite, mäßig zurückweichende Stirn; weite Augendistanz; große, enge Lidspalte; Mongolenfalte (überhängendes Oberlid) seitlich ausgeprägt; mittelhohe, konvexe bis konkave Nase, Nasenwurzel flach; schmale Lippen; hohes, markant profiliertes Kinn; leicht bräunliche Haut; blaue bis braune Augen; dunkelblondes bis braunschwarzes Haar.
Sinide
Verbreitung: Lößgebiete Chinas.
Merkmale: groß, schlank, langgliedrig; langer, schmaler Kopf; hohes, schmales, flaches Gesicht; leicht hervortretende Jochbeine; hohe, zurückweichende Stirn; mäßig enge Lidspalte; schwach ausgeprägte Mongolenfalte (überhängendes Augenlid); mittelhohe, schmale Nase mit flacher Nasenwurzel; schmale Lippen; rundliches, oft zurückweichendes Kinn; gelbliche bis bräunlich-gelbe Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Palämongolide
Verbreitung: Bergwälder Süd-Chinas, Hinterindien, Indonesien bis an die Grenze von Neuguinea, Inselketten Ostasiens bis Nord-Japan. Palämongolide gibt es in zahlreichen regionalen Varietäten. Sie bilden die Grundlage der japanischen und malaiischen Bevölkerung.
Merkmale: kleinwüchsig, grazil, oft untersetzt; mäßig kurzer, relativ runder Kopf; niedriges, flaches, mäßig rundes Gesicht; betonte Jochbeine; steile Stirn; geschlitzte Lidspalte; wenig ausgeprägte Mongolenfalte (überhängendes Augenlid); mittellange, breite, gerade Nase mit geblähten Nasenflügeln, Nasenspitze oft gehoben; breite Lippen; kleines mäßig fliehendes Kinn; gelbliche bis braune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Ainuide
Verbreitung: Insel Hokkaido (Nord-Japan), Süd-Sachalin, Kurilen.
Merkmale: kleinwüchsig, untersetzt; langer, schmaler Kopf; breites, rautenförmiges, reliefreiches Gesicht; mittelhohe, breite Stirn; mittelgroße, enge Lidspalte; leicht gekrümmte Nase (Hakennase); helle Haut; dunkelbraune Augen; braunschwarzes Haar; bei den Männern ist besonderer Haarreichtum auf Kopf, Brust und Schenkeln zu erwähnen. Vor der Aufgabe der Rassentheorien und den modernen genetischen Methoden sahen einige Anthropologen in den Ainu einen alten europiden Typus.[9]
Eskimide
Verbreitung: Arktische Küsten und Insellandschaften einschließlich Grönlands sowie der Teil der Tschuktschen-Halbinsel, der an der Bering-Straße liegt.
Merkmale: mittelgroß, untersetzt, kräftig; langer, schmaler, hoher Kopf; hohes, breites, flaches, rautenförmiges Gesicht; stark hervortretende Jochbeine; sehr schmale, mäßig hohe, zurückweichende Stirn; große, enge, schräg stehende Lidspalte; mäßig schwere Mongolenfalte (überhängendes Oberlid); hohe, gerade Nase; schmale bis mäßig breite Lippen; massiger Unterkiefer; gelbbraune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Silvide
Verbreitung: kanadische Waldgebiete, Hochprärie.
Merkmale: hochwüchsig, kräftig; mittellanger, mittelbreiter, niedriger Kopf; sehr hohes, mittelbreites, flaches, rautenförmiges Gesicht mit hervortretenden Jochbeinen; niedrige, breite Stirn; kleine, enge, gelegentlich geschlitzte Lidspalte; sehr hohe, schmale, häufig konvexe Nase (Adlernase); schmale bis mittelbreite Lippen; markant profiliertes, kräftiges Kinn; rötlich-braune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Margide
Verbreitung: Kalifornien, Nord-Küste des Golfes von Mexiko, Florida, nördliches Mittelamerika.
Merkmale: kleinwüchsig bis mäßig groß; langer, schmaler Kopf; niedriges, breites Gesicht; niedrige, mäßig fliehende Stirn; kleine, weite Lidspalte; niedrige, breite Nase mit geblähten Nasenflügeln, Nasenwurzel flach; mäßig breite bis mittelbreite Lippen; mäßig profiliertes, oft fliehendes Kinn; dunkelbraune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Pazifide
Verbreitung: westkanadische Gebirgs- und Küstenwälder.
Merkmale: mittelgroß, kräftig, untersetzt; kurzer, sehr breiter Kopf; mittelhohes, sehr breites Gesicht; leicht hervortretende Jochbeine; hohe, breite Stirn; große, enge, schräg gestellte Lidspalte; hohe, mittelbreite, gerade Nase mit abgesetzter, runder Nasenspitze; schmale Lippen; kräftiges, wenig profiliertes Kinn; hellbraune Haut; hellbraune Augen; braunschwarzes Haar.
Zentralide
Verbreitung: Süden der USA, Mexiko, Norden Mittelamerikas.
Merkmale: mittelgroß, untersetzt, grazil; sehr kurzer, breiter Kopf; stark ausladendes Hinterhaupt; mittelhohes, mittelbreites Gesicht; mäßig hervortretende Jochbeine; mittelhohe, mittelbreite Stirn; große, weite, mandelförmige Lidspalte; mittelhohe, breite, gerade bis konvexe Nase mit geblähten Nasenflügeln, spitze, abgesetzte Nasenspitze; mittelbreite Lippen; mäßig kräftiges, zurückweichendes Kinn; rötlich-braune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Brasilide
Verbreitung: Urwaldgebiet des Amazonas.
Merkmale: mäßig groß, kräftig, rundlich; mittellanger, mäßig breiter Kopf; mittellanges, mittelbreites, ovales Gesicht; leicht hervortretende Jochbeine; mäßig hohe, breite Stirn; mittelgroße, enge Lidspalte; mittellange, mittelbreite Nase; hohe Nasenwurzel; mittelbreite Lippen; rundliches, leicht fliehendes Kinn; rötlich-braune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Lagide
Verbreitung: ostbrasilianisches Bergland, Süd-Patagonien, Feuerland, Kleine Gruppen auch im Amazonasgebiet und Guayana.
Merkmale: mittelgroß, kräftig, langer Rumpf; langer, mäßig breiter Kopf; hohes, sehr breites Gesicht; stark hervortretende Jochbeine; steile, breite Stirn; stark betonte Überaugenbögen; kleine, geschlitzte Lidspalte; mäßig hohe, breite Nase mit geblähten Nasenflügeln; dicke Lippen; niedriges, kräftiges, oft fliehendes Kinn; rötlich-braune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Andide
Verbreitung: Anden, Hochland von Bolivien.
Merkmale: kleinwüchsig, untersetzt, stämmig; kurzer, breiter, sehr hoher Kopf; mittelhohes, mittelbreites Gesicht; stark hervortretende Jochbeine; breite, mäßig fliehende Stirn; kleine, mittelweite Lidspalte; hohe, schmale, stark hervorspringende, meist konvexe Nase; mittelbreite Lippen; mittelhohes, markant profiliertes Kinn; rötlich-braune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Patagonide (auch: Pampide)
Verbreitung: Trockensteppen und Grasebenen des Gran Chaco, der Pampas und Patagoniens.
Merkmale: großwüchsig, kräftig, breit; mittellanger, mittelbreiter Kopf; hohes, breites, massiges, flaches Gesicht; stark hervortretende Jochbeine; niedrige, breite Stirn; stark betonte Überaugenbögen; kleine, renge, geschlitzte Lidspalte; mäßig hohe, mittelbreite, meist gerade Nase; sehr breite Lippen; mäßig profiliertes Kinn; rötlich-braune Haut; dunkelbraune Augen; glattes, schwarzes Haar.
Mikroneside
Verbreitung: mikronesische Inselwelt, Marianen, Palau-Inseln, Karolinen, Marshall-Inseln, Nauru, Gilbert-Inseln.
Merkmale: Mischung aus Melanesiden und Polynesiden.
Polyneside
Verbreitung: Hawaii, Samoa, Tonga, Neuseeland, Gesellschaftsinseln, Osterinsel.
Merkmale: hochwüchsig, kräftig; mäßig langer bis mittellanger, mittelbreiter Kopf; mittelhohes, mittelbreites, mäßig rautenförmiges Gesicht; breite, hohe, mäßig zurückweichende Stirn; große, weite Lidspalte; hohe, mäßig breite Nase mit geradem Nasenrücken; mäßig breite Lippen; markant profiliertes Kinn; hellbraune Haut; dunkelbraune Augen; schwarzes, welliges Haar.
Einzelnachweise
- H. Autrum, U. Wolf (Hrsg.): Humanbiologie: Ergebnisse und Aufgaben. Auflage, Springer Berlin/Heidelberg/New York 1973, ISBN 978-3-540-06150-2. S. 76–82.
- Lexikon der Biologie, Band 9, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 3-8274-0334-0, S. 170–177 (Artikel Menschenrassen), S. 319 (Artikel Mongolide)
- Deklaration von Schlaining: Gegen Rassismus, Gewalt und Diskriminierung (PDF), 1995, Abschnitt II: „Zur Obsoletheit des Begriffes der ‚Rasse‘“.
- Gerhard Heberer, Gottfried Kurth, Ilse Schwidetzky-Roesing: Das Fischer Lexikon Anthropologie, Seiten 254–257. Frankfurt am Main 1961
- Johann Szilvassy u. Georg Kentner: Anthropologie. Entwicklung des Menschen. Rassen des Menschen. Naturhistorisches Museum, Wien 1978, Online-Version.S. 133–146.
- Ulrich Kattmann: Warum und mit welcher Wirkung klassifizieren Wissenschaftler Menschen? In: Heidrun Kaupen-Haas und Christian Saller (Hrsg.): Wissenschaftlicher Rassismus: Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften. Campus, Frankfurt a. M. 1999, ISBN 3-593-36228-7, S. 65–83.
- Oliver Trey: Die Entwicklung von Rassentheorien im 19. Jhdt.: Gobineau und sein Essai „Die Ungleichheit der Menschenrassen“. disserta, Hamburg 2014, ISBN 978-3-95425-684-6. S. 13, 28–29, 43.
- Gerhard Heberer, Gottfried Kurth, Ilse Schwidetzky-Roesing: Das Fischer Lexikon Anthropologie, Seiten 254–257. Frankfurt am Main 1961
- Travis, John "Jomon Genes:Using DNA, researchers probe the genetic origins of modern Japanese", Science News February 15, 1997, Vol. 151, No. 7, p. 106 Travis, John (February 15, 1997).Jomon genes: using DNA, researchers probe the genetic origins of modern Japanese - Cover Story | Science News | Find Articles at BNET. 22. Januar 2011, abgerufen am 20. August 2018.