Literarischer Salon
Ein literarischer Salon war ein zumeist privater gesellschaftlicher Treffpunkt für Diskussionen, Lesungen oder musikalische Veranstaltungen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Neben literarischen und sonstigen künstlerischen Salons gab es auch politische (Spitzemberg, Treuberg) und wissenschaftliche (Helmholtz) Salons. Träger waren unter anderem einzelne Mäzene oder auch Vereine. Vor allem wohlhabende gebildete Frauen, oft adeliger Herkunft, betätigten sich als Gastgeberinnen und wurden in dieser Eigenschaft Salonnière genannt.
Geschichte
Vorläufer der frühneuzeitlichen Salons können in den Musenhöfen der Isabella d’Este und des Kaisers Friedrich II. gesehen werden. In Frankreich fand sich eine für die spätere Zeit stilbildende Salonkultur bereits ab 1600 unter den Bedingungen des Absolutismus und der zivilisatorischen Gegenbewegung nach den Verrohungen der Hugenottenkriege. Der Wegzug der Aristokratie aus ihren ländlichen Herrschaftsdomänen in den Bannkreis des Königshofs förderte die Entstehung schöngeistiger Zirkel in Paris, die sich als Ausdruck der neuen Geselligkeitskultur verstanden. In Paris entstanden zahlreiche Adelspalais und verwandelten sich im Austausch mit bürgerlichen Lebensformen zum literarischen Salon oder zur intimeren ruelle („Kämmerlein“); als höchster, teils übersteigerter Ausdruck kultureller Verfeinerung galt im 17. Jahrhundert die sogenannte Preziosität. Der Salon diente dem freien Ideenaustausch, ungeachtet der Schranken von Klasse und Geschlecht, und förderte die Aufklärung. Philosophen wie Voltaire und Diderot verkehrten in den Pariser Salons und bereiteten dort den Boden für die Französische Revolution.[1]
In Deutschland kam der literarische Salon im 18. Jahrhundert als Ort bürgerlicher Geselligkeit in Mode, ursprünglich in Imitation der höfischer Sitten. Der „Weimarer Musenhof“ wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts idealisiert, doch die Adligen neigten dazu, sich von den Aktivitäten der Bürgerlichen zurückzuziehen. Berühmt wurden die Salons der Frühromantik, zum Beispiel der Jenaer Salon der Caroline Schelling und der Berliner Salon der Rahel Varnhagen. In der Zeit des Biedermeier waren sie Zeichen eines bürgerlichen Rückzugs ins Private. Diese Salons dienten oft der Förderung junger Talente in Literatur und Musik. Eine Art musikalisch-literarischer Salon waren die Treffen der Freunde um Franz Schubert im Wien der 1820er Jahre, die sogenannten „Schubertiaden“. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen sie aus der Mode oder gingen in einer mondänen Unterhaltungskultur auf. Mit Formaten wie dem Kunstsalon Köln und dem internationalen SalonFestival[2] wird das Engagement durch Lesungen, musikalische Veranstaltungen und Diskussionen in den privaten Häusern der Städte wiederbelebt.
Salons im dänischen Sprachgebiet
- Friederike Brun, Sophienholm bei Kopenhagen
Salons im deutschen Sprachraum
- Berlin
- Elisa von Ahlefeldt
- Edith Andreae
- Bettina von Arnim
- Gisela von Arnim
- Bertha von Arnswaldt
- Caroline Bardua
- Maria Beccadelli di Bologna
- Sophia Becker-Leber
- Amalie Beer
- Luise Begas-Parmentier
- Amalie Henriette Caroline von Beguelin
- Karoline Friederike von Berg
- Carl und Felicie Bernstein
- Marie von Bunsen
- Henriette von Crayen
- Johanna Dieffenbach
- Rebecka Dirichlet
- Viktoria von Dirksen
- Rebecca Friedländer
- Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild
- Sophie Leopoldine Wilhelmine von Grotthuis
- Anna von Helmholtz (Schwerpunkt: Wissenschaft)
- Doppelsalon (Schwerpunkte: Naturwissenschaft bei Marcus Herz und Kultur und Philosophie bei Henriette Herz)
- Elise von Hohenhausen
- Elise Rüdiger, Gäste u. a. Annette von Droste-Hülshoff
- Helene von Hülsen
- Caroline von Humboldt
- Amalie von Imhoff
- Hartmut Fischer Juliettes Literatursalon
- Marie von Kleist
- Dorothea von Kurland
- Helene von Lebbin
- Sabine Lepsius
- Sara Levy
- Fanny Lewald
- Caroline de la Motte Fouqué
- Helene von Nostitz
- Hedwig von Olfers
- Marie von Olfers
- Maximiliane Gräfin von Oriola
- Anna vom Rath
- Luise von Radziwill
- Marie von Radziwiłł
- Cornelie Richter
- Mathilde von Rohr
- Sophie Sander
- Marie von Schleinitz (die während ihrer dortigen Aufenthalte auch Salons in Sankt Petersburg und Paris betrieb; Schwerpunkt: Kunst und Musik)
- Emma Siegmund
- Emma Simon
- Jette Solmar
- Nicolaus Sombart
- Hildegard von Spitzemberg (politischer Salon)
- Elisabeth von Staegemann
- Hetta Gräfin Treuberg (politischer Salon)
- Rahel Varnhagen
- Ernestine von Wildenbruch (politischer Salon)
- Bern
- Bonn
- Johanna Kinkel (musikalischer Salon)
- Sibylle Mertens-Schaaffhausen (archäologisch-künstlerischer Salon)
- Dresden
- Christian Gottfried Körner (als Gäste Literaten und Maler wie Friedrich Schiller, Heinrich von Kleist und Dora Stock)
- Düsseldorf
- Ehrenbreitstein
- Eisenach
- Genf
- Graz
- Gut Emkendorf
- Hamburg
- Elisabeth Campe
- Charlotte Embden (Schwester Heinrich Heines)
- Elise Reimarus
- Jena
- Karlsruhe
- Kiel
- Königsberg
- Leipzig
- Luzern
- Lübeck
- Mannheim
- Meran
- München
- Elsa Bernstein und Max Bernstein
- Hugo Bruckmann und Elsa Bruckmann
- Gaby Dos Santos (musikalisch-künstlerischer Jour fixe)
- Hertha Koenig
- Marianne von Werefkin
- Therese von Bayern (naturwissenschaftlicher Salon)
- Münster
- Amalie von Gallitzin (religiöser Salon; der Münstersche Kreis)
- Nordhausen
- Julie Johanne Caroline von Saalfeld (Schwester von Wilhelm Gesenius) (religiöser Salon, Gast war u. a. Johann Hinrich Wichern)
- Prag
- Rügen
- Stuttgart
- „Hartmann-Reinbecksches Haus“
- a) von Johann Georg Hartmann
- b) von August von Hartmann (Sohn von a)
- c) von Emilie Reinbeck, geb. Hartmann (Gattin von d)
- d) von Georg von Reinbeck (Schwiegersohn von b)
- Emilie Vollmöller
- „Hartmann-Reinbecksches Haus“
- Weimar
- Wien
- Fanny von Arnstein
- Eleonora Fugger von Babenhausen
- Rosa von Gerold
- Henriette von Pereira-Arnstein
- Gina Kaus
- Marie Lang
- Eleonore von Liechtenstein
- Lina Loos
- Alma Mahler-Werfel
- Anna Mahler
- Wilhelmine Dorothee von der Marwitz
- Pauline Metternich
- Maria Theresia Paradis (musikalischer Salon)
- Caroline Pichler
- Nannette Streicher (musikalischer Salon)
- Sophie von Todesco im monumentalen Palais Todesco
- Josephine von Wertheimstein
- Grete Wiesenthal
- Eugenie Schwarzwald
- Berta Zuckerkandl
- Zürich
- Luxemburg
Salons im französischsprachigen Raum
- 17. Jahrhundert (siehe auch den Artikel Preziosität):
- 18. Jahrhundert:
- Sophie Arnould
- Sophie Lalive de Bellegarde
- Elisa Bonaparte
- Émilie du Châtelet
- Madame du Deffand
- Marie Anne Doublet
- Madame Claude Dupin
- Claire de Duras
- Marie Duronceray
- Madame d’Épinay
- Madame Geoffrin
- Françoise de Graffigny
- Catherine Grand
- Madame Helvétius
- Julie de Lespinasse
- Marquise de Lambert
- Elżbieta Izabela Lubomirska
- Marschallin de Luxembourg
- Duchesse du Maine
- Madame Necker
- Juliette Récamier
- Madame Roland
- Françoise Eléonore Dejean de Manville, Comtesse de Sabran
- Madame de Staël
- Madame de Tencin
- 19. Jahrhundert:
- Juliette Adam
- Marie d’Agoult
- Alice Pike Barney
- Fanny de Beauharnais
- Valtesse de la Bigne
- Mathilde Bonaparte
- Thérésia Cabarrus
- Marguerite Charpentier
- Mary Anne Clarke
- Louise Colet
- Alphonse Daudet
- Marie-Anne Detourbay (comtesse de Loynes)
- Hélène de Gingins
- Geneviève Halévy
- Marie Anne Pierrete Paulze Lavoisier
- Madeleine Lemaire
- Auguste Léo
- Dorothea von Lieven (geb. von Benckendorff)
- Léontine Lippmann
- Stéphane Mallarmé
- Elise de Perthuis
- Café de Procope
- Mélanie Renouard de Bussière
- George Sand
- 20. Jahrhundert:
Englische Salons und Kaffeehäuser
- Sarah Austin, Queen Square (Westminster)
- Bloomsbury Group
- Mary Boyle, Countess of Cork and Orrery
- Button’s Coffee-house, London
- Jane Welsh Carlyle
- Georgina Cavendish, Duchesse of Devonshire
- The Grecian, London
- Hortensia Mancini, London
- Elizabeth Montagu
- Will’s Coffee-house, London
Italienische Salons
Polnische Salons
Russische Salons
- Awdotja Jakowlewna Panajewa
- Lidija Zinovjeva-Annibal (literarisch-philosophischer Salon)
Schwedische Salons
Spanische Salons
US-amerikanische Salons
Weitere Salons
Siehe auch
Literatur
- Petra Dollinger: Salon, in: Europäische Geschichte Online, hrsg. vom Institut für Europäische Geschichte (Mainz), 2017, Zugriff am 8. März 2021 (pdf).
- Günter Erbe: Das vornehme Berlin. Fürstin Marie Radziwill und die großen Damen der Gesellschaft 1871–1918. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2015, ISBN 978-3-412-22457-8.
- Heinz Gerstinger: Altwiener literarische Salons. Wiener Salonkultur vom Rokoko bis zur Neoromantik (1777–1907). Akademische Verlagsanstalt, Salzburg 2002, ISBN 3-9501445-1-X.
- Milan Dubrović: Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literaturcafes. Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-552-03705-5.
- Albert Kaltenthaler: Die Pariser Salons als europäische Kulturzentren. Unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Besucher während der Zeit von 1815-1848. Dissertation WiSo Nürnberg 15. Juni 1960.
- Renate Baader: Dames de lettres. Autorinnen des preziosen, hocharistokratischen und »modernen« Salons (1649–1689), Metzler, Stuttgart 1986, ISBN 3-476-00609-3 (= Romanistische Abhandlungen, Band 5; zugleich Habilitationsschrift Universität Saarbrücken 1984)
- Verena von der Heyden-Rynsch: Europäische Salons. Höhepunkte einer versunkenen weiblichen Kultur. Artemis & Winkler, München 1992, ISBN 3-7608-1942-7.
- Claudia Lillge: „Man ahmte die Töne der Liebe nach“. Überlegungen zu Liebe und Salongeselligkeit unter besonderer Berücksichtigung des 19. Jahrhunderts. In: Werner Faulstich, Jörn Glasenapp (Hrsg.): Liebe als Kulturmedium. Fink, München 2004, ISBN 3-7705-3657-6, S. 57–80.
- Wolfgang Martynkewicz: „Salon Deutschland“. Geist und Macht 1900–1945. Aufbau, Berlin 2009, ISBN 978-3-351-02706-3.
- Peter Seibert: Der literarische Salon. Literatur und Gesellschaft zwischen Aufklärung und Vormärz. Metzler, Stuttgart 1993, ISBN 3-476-00943-2.
- Petra Wilhelmy-Dollinger: Die Berliner Salons. Walter de Gruyter. Berlin 2000, ISBN 3-11-016414-0 (früherer Titel: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert. 1780–1914).
- Ingeborg Drewitz: Berliner Salons. Gesellschaft u. Literatur zwischen Aufklärung und Industriezeitalter. 3. Auflage, Haude und Spener, Berlin 1984, Erstausgabe 1979, ISBN 3-7759-0199-X (= Berlinische Reminiszenzen. Band 7).
- Cornelia Saxe: Das gesellige Canapé – Die Renaissance der Berliner Salons, Ullstein, Berlin 1999, ISBN 3-88679-331-1.
- Ernst Siebel: Der großbürgerliche Salon: 1850–1918. Reimer, Berlin 1999, ISBN 3-496-01200-5.
- Deborah Hertz: Die jüdischen Salons im alten Berlin. dtv, München 1995, ISBN 3-423-30446-4.
- Helga Peham: Die Salonièren und die Salons in Wien. 200 Jahre Geschichte einer besonderen Institution. Styria, Graz 2013, ISBN 978-3-222-13402-9.
- Rainer Schmitz (Hrsg.): Henriette Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnissen. Berlin 2013, Verlag AB – Die Andere Bibliothek, ISBN 978-3-8477-0347-1.
- Hadumod Bußmann: „Ich habe mich vor nichts im Leben gefürchtet“. Die ungewöhnliche Geschichte der Therese Prinzessin von Bayern. 2. Auflage, Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-61353-1.
- Ines Böhner (Hrsg.): Femmes fatales. 13 Annäherungen. [u. a. Lidija Zinovjeva-Annibal]. Bollmann, Mannheim 1996, ISBN 3-927901-78-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- Meisterhaft dargestellt hat die französische Salonkultur Charles-Augustin Sainte-Beuve: Menschen des XVIII. Jahrhunderts. Übersetzt von Ida Overbeck, initiiert von Friedrich Nietzsche. Mit frisch entdeckten Aufzeichnungen von Ida Overbeck neu ediert von Andreas Urs Sommer. Die Andere Bibliothek, Berlin 2014, ISBN 978-3-8477-0355-6.
- Idee und Ziel, auf salonfestival.de