Johann Andreas Eisenmenger
Johann Andreas Eisenmenger (* 1654 in Mannheim; † 20. Dezember 1704 in Heidelberg) war Professor für hebräische Sprache an der Universität Heidelberg. Er gilt als ein Wegbereiter des neuzeitlichen Antisemitismus.
Leben
Johann Andreas Eisenmenger war ein Sohn des Kurpfälzer Steuereinnehmers Johann David Eisenmenger († 1666). Er studierte von 1670 bis 1680 in Heidelberg und Amsterdam. Während seines Aufenthalts in Amsterdam 1680–81 wurde er Zeuge des Übertritts von drei Christen zum Judentum sowie von kritischen Äußerungen zum Christentum durch David Lyda, dem damaligen Rabbiner der Amsterdamer aschkenasischen Gemeinde, was ihn tief schockierte. Nachdem er zum Archivar in der pfälzischen Kanzlei ernannt worden war, erhielt er 1700 einen Lehrstuhl für Hebräische Sprache an der Universität Heidelberg.
1694 gab er in Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit dem Theologen und Hebraisten Johann Leusden eine nicht vokalisierte Ausgabe der Bibel heraus, zu welcher der Kabbalist David ben Nathan Grünhut eine freundliche Vorrede schrieb. Als Frankfurter Juden im Jahr 1700 erfuhren, dass Eisenmenger die Herausgabe seines Buches Entdecktes Judenthum Oder Gründlicher und Wahrhaffter Bericht, welchergestalt die verstockten Juden die Hochheilige Drey-Einigkeit lästern und verunehren … plante, wandten sie sich aus Angst vor Pogromen an Samson Wertheimer, den kaiserlichen Hoffaktor in Wien, der zusammen mit Samuel Oppenheimer erreichte, dass das Buch von Kaiser Leopold I. beschlagnahmt und für vierzig Jahre gesperrt wurde. Diese umgehende Reaktion zeigt, dass das Buch für gefährlich erachtet wurde.
Während der von Eisenmengers Erben geführte Prozess noch Jahrzehnte dauerte, fanden diese einen anderen Förderer. 1711 erfolgt auf Empfehlung von Karl Konrad Achenbach hin ein Nachdruck, den der preußische König Friedrich I. mit dem Impressum Königsberg – der Form nach also außerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, de facto aber in Berlin – veranlasste. Erst 1751 wurde es auch offiziell im Reich veröffentlicht, 1732 war eine englische Übersetzung erfolgt.
Der veränderte Titel der Ausgabe von 1740 lautet wie folgt: Des bey 40. Jahr von der Judenschafft mit Arrest bestrickt gewesene, nunmehro aber Durch Autorität eines Hohen Reichs-Vicariats relaxirte Johann Andreä Eisenmengers, Professoris der Orientalischen Sprachen bey der Universität Heydelberg, Entdecktes Judenthum, ... .
Der Titel verrät die Absicht Eisenmengers: Er versuchte den Eindruck zu erwecken, die Juden hüteten Geheimnisse, um ihr wahres Wesen zu verbergen. Das 2120 Seiten in zwei Bänden umfassende Werk beeindruckt auch durch seine Gelehrsamkeit. Es setzt sich vor allem mit Jomtob Lipmann Mühlhausen und dem Buch Judischer Theriak von Salomo Salman Zevi Hirsch auseinander.[1] Eisenmenger beherrschte Hebräisch, Aramäisch und Arabisch und kannte die gesamte damals bekannte rabbinische Literatur. Teilweise lernte er von jüdischen Gelehrten in Amsterdam und Frankfurt. Behauptet und nicht unwahrscheinlich, aber auch nicht nachgewiesen ist, dass er sich dabei als Konvertit ausgab.
Eisenmengers Buch gründet sich auf eine Vielzahl im Mittelalter verwurzelter antijudaistischer Stereotypen, die er mittels Textstellen aus mittelalterlichen Predigten, der Kabbala und anderen jüdischen Texten sowie Zitaten aus Polemiken zu untermauern versuchte. Dabei verfälschte er die Zitate nicht, wie ihm unterstellt wurde, deutet sie aber tendenziös, so dass sich ein Bild entwickelt, das weit entfernt von den wirklichen Einstellungen der Juden ist. Er forderte darin auch die Einschränkung der Rechte von Juden sowie die Zerstörung der Synagogen, um die Juden von ihrer Religion zu entfremden. Er wiederholte die Beschuldigung der Brunnenvergiftung sowie die Ritualmordlegende, wegen der u. a. 200 Jahre zuvor bereits ein Frankfurter Jude, Gompich, verleumdet und angeklagt worden war. Auf ihn stützt sich der Antisemit August Rohling.
Aus über 200 Schriften sammelte Eisenmenger alles dem Judentum Nachteilige und stellte kritiklos die jüdischen Schmähungen des Christentums und mancherlei dogmatische und ethische Lehren des talmudischen Judentums zusammen. Die Auswahl ist einseitig, manches missverstanden und tendenziös gedeutet, die Übersetzung der jüdischen Zitate teilweise unrichtig. Darum sollte das „Entdeckte Judentum“ nicht als Quellenwerk benutzt werden. 19 Jahre seines Lebens hat Eisenmenger auf diese Schmähschrift verwandt, um weitere Christen vom Übertritt zum Judentum abzuhalten. In der Folgezeit diente dieses Machwerk, auch in Teilausgaben und Übersetzungen, als Arsenal antijüdischer Polemik, nicht zuletzt für die modernen Antisemiten des 19./20. Jhdts.
Werkauswahl
- Johann Andreas Eisenmenger: ... Entdecktes Judenthum oder Gründlicher und wahrhaffter Bericht, welchergestalt die verstockte Juden die hochheilige Drey-Einigkeit, Gott Vater, Sohn und Heil. Geist erschrecklicher Weise lästern und verunehren, die Heil. Mutter Christi verschmähen, das Neue Testament, die Evangelisten und Aposteln, die Christliche Religion spöttisch durchziehen, und die gantze Christenheit auff das äusserste verachten und verfluchen: dabei noch viel andere, bißhero unter den Christen entweder gar nicht oder nur zum Theil bekannt gewesene Dinge ...; alles aus ihren eigenen und zwar sehr vielen mit grosser Mühe und unverdrossenem Fleiß durchlesenen Büchern mit Ausziehung der hebräischen Worte und derer treuen Ubersetzung in die Teutsche Sprach kräfftiglich erwiesen und in zweyen Theilen verfasset, deren jeder seine behörige, allemal von einer gewissen Materie außführlich handelnde Capitel enthält; allen Christen zur treuhertzigen Nachricht verfertiget und mit vollkommenen Registern versehen. – Frankfurt/Main 1700, Königsberg (tatsächlich: Berlin) 1711, Berlin 1740. 2 Bde. (Digitalisate in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern); Teilausgabe: Dr. Franz Xaver Schieferl (Hrsg.), Joh. Andr. Eisenmenger's, weiland Professors der Orient. Sprachen an der Universität Heidelberg, Entdecktes Judentum. Das ist: Wortgetreue Verdeutschung der wichtigsten Stellen des Talmuds und der sonstigen, den Christen zu einem großen Teile noch ganz unbekannten hebräisch-rabbinischen Litteratur, welche einen sicheren Einblick in die jüdische Religions- und Sittenlehre gewähren. Zeitgemäß überarbeitet, Dresden 1893
- Biblia Hebraica non punctata, Frankfurt/Main 1694
Ausstellung
- 2010: Leipziger Judentümer in Stadt und Universität, Universitätsbibliothek Leipzig
Literatur
- Herbert Jaumann: Handbuch Gelehrtenkultur der frühen Neuzeit. Walter de Gruyter, 2004, ISBN 3-11-016069-2, S. 245–246
- Friedrich Niewöhner: Entdecktes Judentum und jüdische Augen=Gläser. Johann Andreas Eisenmenger. In. Denkwelten um 1700, Zehn intellektuelle Profile, Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-07102-1, S. 167–180
- Bjoern Weigel: Johann Andreas Eisenmenger, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Band 2: Personen, De Gruyter Saur, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-24072-0, S. 200–202.
- Ausstellungskatalog Leipziger Judentümerin Stadt und Universität, konzipiert von Johannes Schneider, 2010
- G. Dahlman: Eisenmenger, Johann Andreas. In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE). 3. Auflage. Band 5, Hinrichs, Leipzig 1898, S. 276–277.
- Hans-Joachim Schoeps: Eisenmenger, Johann Andreas. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959, ISBN 3-428-00185-0, S. 419 (Digitalisat).
- Carl Gustav Adolf Siegfried: Eisenmenger, Johann Andreas. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 5, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 772 f.
- Friedrich Wilhelm Bautz: EISENMENGER, Johann Andreas. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 1481–1482.
- Eisenmenger, Jo. Andreas. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 8, Leipzig 1734, Sp. 635.
Weblinks
- Ersch, Gruber: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, 1 Sektion, 33 Teil, S. 11–12 (Online)
- Gotthard Deutsch: Eisenmenger, Johann Andreas. In: Jewish Encyclopedia (englisch)
Einzelnachweise
- Gerhard Lauer: Die Rückseite der Haskala. Geschichte einer kleinen Aufklärung. Wallstein, Göttingen 2008, S. 63.