Ochrana
Die Ochrana (russisch охрана oder auch in der Verkleinerungsform Ochranka) war der inoffizielle Oberbegriff für die verschiedenen Geheimdienste und die Geheimpolizei im zaristischen Russland. Die offizielle Bezeichnung dafür lautete Ochrannoje otdelenie (Охранное отделение, deutsch: „Sicherheitsabteilung“).
Geschichte
Die Ochrannoje otdelenie wurde 1881 von Zar Alexander III. gegründet und unterstand dem Innenministerium. Sie ging aus der Dritten Abteilung der eigenen Kanzlei seiner Kaiserlichen Majestät hervor, die 1826 von Zar Nikolaus I. nach dem Dekabristenaufstand eingerichtet worden war.
Diese Abteilung nahm bereits die Aufgaben einer politischen Geheimpolizei wahr. Die Ochrana galt als recht effektives geheimpolizeiches Organ im Kampf gegen politische Abweichler und gewalttätige Terroristen. Der österreich-ungarische Oberst Alfred Redl arbeitete mit der Ochrana zusammen und verriet wichtige Einsatzpläne des österreich-ungarischen Militärs an Russland. 1904 war die von Hugo Haase aufgedeckte Tätigkeit von Ochrana-Agenten in Deutschland Gegenstand des Königsberger Geheimbundprozesses und mehrerer Reichstagsdebatten.
Nach der Oktoberrevolution wurde die Ochrana 1917 aufgelöst.
Wirkung
Vermutlich war es die Ochrana, die zur Stärkung der Machtposition Zar Nikolaus’ II. die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion fingierte. Noch heute ist die Ochrana daher beliebtes Sujet in zahllosen Verschwörungs- und Illuminaten-Theorien.
Literarisch hat Joseph Roth (1894–1939) in seinem Roman Beichte eines Mörders, erzählt in einer Nacht (1936) die Willkür der zaristischen Geheimpolizei thematisiert. Die dienstlichen Vorschriften der Ochrana dienten späteren sowjetischen Geheimdiensten, ungeachtet der völlig entgegengesetzten politischen Interessenlage, als Vorbild, weil hier sehr viel geheimpolizeiliche Erfahrung z. B. über die Anwerbung von V-Leuten oder die verdeckte Überwachung und Beobachtung interessierender Personen zusammengefasst waren.
Literatur
- A. T. Vassilyev: The Ochrana. The russian secret police. Edited and with an introduction by René Fülöp-Miller. Harrap, London u. a. 1930 (Deutsche Ausgabe: A. T. Wassiljew: Ochrana. Aus den Papieren des letzten russischen Polizeidirektors. Amalthea-Verlag, Zürich/Leipzig/Wien 1930).
- Alexander Gerasimoff: Der Kampf gegen die erste russische Revolution. Erinnerungen. Huber, Frauenfeld u. a. 1934.
- Ronald Gaucher: Saboteure und Attentäter. Der moderne Terrorismus. Kiepenheuer & Witsch, Köln u. a. 1967, DNB 456705139.
- Ben B. Fischer: Okhrana. The Paris operations of the Russian Imperial Police. Central Intelligence Agency, Washington DC 1997, LCCN 98-115239.
- Ochrana. In: Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Matthias Uhl: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. Mit Organigrammen. Herbig, München 2003, ISBN 3-7766-2317-9, S. 325.
- Jürgen W. Schmidt: Sozialrevolutionärer Terror und dessen Einfluß auf die Anfänge der Ochrana-Tätigkeit in Russisch-Turkestan ab 1906. In: Jürgen W. Schmidt (Hg.): Spionage, Terror und Spezialeinsatzkräfte. Fallstudien und Dokumente aus 140 Jahren Geheimdienstgeschichte. Berlin 2019, ISBN 978-3-89574-965-0, S. 65–80.
- Jürgen W. Schmidt: Ein bemerkenswertes Ochrana-Dokument: Die "Beobachtungsinstruktion" vom Jahr 1906. In: Jürgen W. Schmidt (Hg.): Spionage, Terror und Spezialeinsatzkräfte. Fallstudien und Dokumente aus 140 Jahren Geheimdienstgeschichte. Berlin 2019, ISBN 978-3-89574-965-0, S. 233–238.