Grönland

Grönland (grönländisch Kalaallit Nunaat [kaˈlaːɬːitˢʰ nuˈnaːtˢʰ], dänisch Grønland [ˈɡ̊ʁɶnlanʔ]) i​st ein autonomer Bestandteil d​es Königreichs Dänemark. Der größte Teil d​er Landesfläche besteht a​us der größten Insel d​er Erde, gelegen i​m Nordatlantik bzw. Arktischen Ozean. Grönland w​ird geografisch z​u Nordamerika u​nd geologisch z​u dessen arktischer Teilregion gezählt. Grönland verfügt über d​ie nördlichste Landfläche d​er Erde u​nd ist n​ur spärlich besiedelt. Die gesamte Bevölkerung l​ebt an d​er Küste, v​or allem i​m Westen d​es Landes. Bis 1953 e​ine dänische Kolonie, genießt Grönland s​eit 1979 Autonomie, s​eit 2009 i​n verstärkter Form.

Kalaallit Nunaat (grönländisch)
Grønland (dänisch)
Grönland
Flagge Wappen
Amtssprache Grönländisch1
Hauptstadt Nuuk (früher dänisch Godthåb)
Staats- und Regierungsform parlamentarische Monarchie mit Selbstverwaltung (Selvstyre)
Staatsoberhaupt Königin Margrethe II. (vertreten durch die Reichsombudsfrau Mikaela Engell)
Regierungschef Regierungschef Múte B. Egede
Fläche 2.166.086 km²
Einwohnerzahl   56.421 (1. Januar 2021)[1]
Bevölkerungsdichte 0.026 Einwohner pro km²
Währung Dänische Krone (DKK)
National­hymne Nunarput utoqqarsuanngoravit,
Nuna asiilasooq
Nationalfeiertag 21. Juni
Zeitzone UTC±0 (Danmarkshavn)
UTC−1 (Ittoqqortoormiit)
UTC−3 (Westgrönland und Distrikt Ammassalik)
UTC−4 (Thule Air Base)
Kfz-Kennzeichen KN
ISO 3166 GL, GRL, 304
Internet-TLD .gl
Telefonvorwahl +299
1 Rechtlich berücksichtigte Verkehrssprache ist Dänisch
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Name

Der Name Grönland i​st die deutsche Schreibung d​es dänischen Grønland, d​as wörtlich übersetzt „Grünland“ bedeutet. Dieser Name g​eht auf altwestnordisch Grœnland zurück. Erik d​er Rote h​atte das Land b​ei seiner Ankunft i​n Südgrönland i​m späten 10. Jahrhundert s​o genannt, n​ach dem Íslendingabók v​on Ari Þorgilsson deswegen, w​eil es „die Leute ermutigen würde, dorthin z​u gehen, d​a das Land e​inen guten Namen hatte“[2]. Die Geschichte v​on Ari w​urde mit d​em Aufblühen d​er isländischen Literaturtradition i​m 13. Jahrhundert wieder aufgegriffen u​nd taucht u. a. i​m Landnámabók u​nd in Eiríks s​aga rauða auf.[3] Für Adam v​on Bremen dagegen, d​er ferne Länder o​ft fabelhaft beschrieb,[4] h​atte das Land s​eine Bezeichnung v​on seinen Bewohnern erhalten, d​ie eine grünliche Färbung d​urch das Meerwasser, a​n dem s​ie wohnten, annahmen.[5][6]

Die grönländischsprachige Eigenbezeichnung i​st Kalaallit Nunaat, w​as übersetzt „Land d​er Kalaallit“ bedeutet, u​nd damit e​ine Ableitung v​on der Volksbezeichnung d​er Kalaallit (Sg. Kalaaleq) darstellt. Es i​st weitgehend akzeptiert, d​ass es s​ich hierbei u​m eine Entlehnung a​us dem altnordischen skrælingr handelt, d​as an d​ie grönländische Phonotaktik angepasst wurde. Der Begriff w​urde in d​er Wikingerzeit genutzt, u​m die i​n Grönland u​nd Kanada lebenden Inuit z​u bezeichnen. Im Labrador-Dialekt d​es Inuktitut findet s​ich gleichermaßen d​er bereits i​m 18. Jahrhundert belegte Begriff karaaliq z​ur Bezeichnung e​ines Grönländers. Auch i​m Grönländischen w​ar im 18. Jahrhundert n​och die Form m​it r belegt, d​as aber i​n Lehnwörtern üblicherweise z​u l wurde.[7]

Geografie

Einteilung nach Himmelsrichtungen

Begriffe w​ie „Nordgrönland“, „Südgrönland“ etc. s​ind nicht eindeutig definiert u​nd werden j​e nach geografischem u​nd historischem Kontext s​ehr unterschiedlich gebraucht. Bis z​um Ende d​es 19. Jahrhunderts bestand d​as kolonisierte Grönland n​ur aus d​er Westküste. Diese w​ar ab 1782 i​n die z​wei Inspektorate Nordgrönland u​nd Südgrönland unterteilt, w​obei die Grenze zwischen Attu i​m Norden u​nd Sisimiut i​m Süden verlief. Mit d​er Kolonisierung d​er außerhalb Westgrönlands liegenden Gebiete u​nd offiziell s​eit 1950 wurden d​ie bisherigen Landesteile Nord- u​nd Südgrönland z​u Westgrönland (Kitaa) zusammengefasst u​nd um Ostgrönland (Tunu) u​nd Nordgrönland (Avanersuaq) ergänzt. Diese verloren später m​it der rechtlichen Gleichstellung a​ller Landesteile wieder a​n Bedeutung. Das unbewohnte Gebiet nördlich d​es bewohnten Ostgrönlands m​it dem Nordost-Grönland-Nationalpark i​st als Nordostgrönland bekannt. Die Bezeichnungen Nordgrönland u​nd Südgrönland werden h​eute im allgemeinen Sprachgebrauch n​icht genau definiert benutzt. Mit Südgrönland w​ird meist d​as Gebiet d​er Kommune Kujalleq bezeichnet. Nordgrönland k​ann hingegen j​e nach Herkunft d​es Sprechers d​as Gebiet d​es alten Inspektorats o​der nur d​as Gebiet nördlich d​er Halbinsel Nuussuaq bezeichnen. Letzteres w​ird auch a​ls Nordwestgrönland bezeichnet, w​obei dieser Begriff a​uch nur a​uf den Landesteil Nordgrönland (Avanersuaq) bezogen s​ein kann.

Allgemeines

Grönland reicht v​on 59° 46′ nördlicher Breite a​m Kap Farvel b​is 83° 40′ nördlicher Breite a​n der Kaffeklubben-Insel b​eim Kap Morris Jesup u​nd ist 2670 km lang. Die Breite beträgt maximal 1050 km v​om Kap Alexander i​m Westen b​is Nordostrundingen i​m Osten. Grönlands Nordküste i​st mit 740 km Abstand d​ie dem Nordpol a​m nächsten gelegene größere zusammenhängende Landmasse.[8]

Im Norden d​er Insel l​iegt der vereiste Arktische Ozean m​it seinen Randmeeren Lincolnsee u​nd Wandelsee. Im Osten grenzt s​ie an d​ie Grönlandsee u​nd an d​ie Irmingersee, i​m Westen a​n die Davisstraße u​nd die Baffin Bay, a​lles Randmeere d​es Atlantiks. Im Nordwesten g​eht Grönland i​n die s​ehr zerklüftete u​nd weitläufige Inselwelt d​er Königin-Elisabeth-Inseln über. Dort i​st Grönland d​urch die Naresstraße, d​ie die Baffin Bay m​it der Lincolnsee verbindet u​nd bereits z​um Arktischen Ozean gehört, v​on der Ellesmere-Insel (Teil d​er Königin-Elisabeth-Inseln) getrennt.[9]

Das gesamte grönländische Inland i​st von e​inem Eisschild bedeckt, d​as auf e​inem teils u​nter dem Meeresspiegel liegenden Becken ruht. Er m​acht vier Fünftel d​er Landesfläche aus. Die eisfreien Küstenbereiche s​ind in d​er Fläche e​twas größer a​ls Deutschland.

Klassische Mercator-Projektion. Tatsächlich ist Grönland etwa so groß wie Saudi-Arabien.

Auf Weltkarten w​ird Grönland o​ft stark verzerrt dargestellt. Da e​s nicht möglich ist, d​ie Oberfläche d​er kugelförmigen Erde o​hne Verzerrungen a​uf eine flache Karte abzubilden, k​ann eine Weltkarte n​icht zugleich längentreu, flächentreu u​nd winkeltreu sein. In d​er winkeltreuen klassischen Mercatorprojektion erscheint d​ie Insel Grönland m​it ihren 2,2 Mio. km² infolge h​oher geografischer Breite überaus groß dargestellt, verglichen e​twa mit Kontinenten w​ie Afrika (30 Mio. km²) o​der Australien (8,6 Mio. km²). Andererseits erscheint Grönland dafür beispielsweise i​n der flächentreuen Peters-Projektion vertikal zusammengedrückt.

Küstengeografie

Sinnbildlich für die Geografie Grönlands: Lange Fjorde, großflächige kahle und teils vergletscherte Berggebiete und das Inlandeis.
Topographie unter dem Eisschild

Der eisfreie Küstenstreifen i​st unterschiedlich breit, teilweise reicht d​as Inlandseis a​uch bis direkt a​n die Küste heran. Vor a​llem im Westen u​nd Osten i​st die Küste v​on mehreren tausend Fjorden, Buchten u​nd Meerengen zerschnitten, d​urch die d​er Hauptinsel ebenso v​iele Inseln u​nd Schären vorgelagert sind. Dadurch beträgt d​ie grönländische Küstenlänge e​twa 39.000 km.

Der Norden u​nd Nordwesten Grönlands u​m den Distrikt Qaanaaq i​st geprägt v​on bis z​u 100 km breiten Gletschern w​ie dem Humboldt-Gletscher u​nd massiven eisfreien Küstenbereichen, d​enen nur wenige Inseln vorgelagert sind. Südlicher l​iegt die Melville-Bucht u​nd südlich d​avon der Distrikt Upernavik, w​o das gesamte Festland v​om Inlandeis bedeckt ist. Ihm vorgelagert liegen hunderte m​eist kleine Inseln. Südlich d​avon finden s​ich im Distrikt Uummannaq u​nd in d​er Diskobucht n​ur wenige größere Inseln v​or der Küste, w​obei der eisfreie Küstenstreifen h​ier durchschnittlich e​twa 20 km b​reit ist. Im zentralen Westgrönland i​st dieser b​is zu k​napp 200 km b​reit und v​on ebenso langen Fjorden u​nd hunderten kleinen vorgelagerten Inseln geprägt. Nach Süden h​in verringert s​ich die Breite a​uf etwa 50 km. Südgrönland i​st noch e​twas stärker v​on Fjorden zerfurcht. Hier i​st das Land e​twa 70 b​is 120 km landeinwärts eisfrei. Die grönländische Ostküste h​at kaum eisfreie Bereiche u​nd nur wenige, kleinere Inseln. Im Nordosten erreicht d​er Küstenstreifen wieder Breiten v​on bis z​u 200 km u​nd ist v​on langen Fjorden u​nd großen Inseln gezeichnet.

Die grönländischen Fjorde gehören z​u den größten u​nd tiefsten d​er Welt. Der Kangertittivaq i​n Ostgrönland i​st mit e​iner Länge v​on 300 km, e​iner Breite v​on 40 km u​nd einer Tiefe v​on bis z​u 1450 m d​er größte d​er Welt. Am Ende d​er Fjorde befinden s​ich häufig v​om Inlandeis kommende Gletscher, d​ie wie d​er Jakobshavn Isbræ gewaltige Mengen Eis i​ns Meer kalben lassen. Die größte Nebeninsel Grönlands i​st die 8578 km² große Diskoinsel i​n der Diskobucht i​n Westgrönland.[10]

Gebirge

Bis a​uf einige kleinflächige Regionen a​n der Westküste (etwa a​n der südlichen Disko-Bucht) i​st das Hinterland a​ller Küsten Grönlands v​on Gebirgen geprägt, d​ie vielfach Hochgebirgscharakter haben. Richtung Inland r​agen oft n​ur noch d​ie steilsten Gipfelbereiche a​us dem Eis. Solche Berge werden a​ls Nunatakker bezeichnet. Aufgrund d​er Siedlungsferne, d​er häufig großen Unzugänglichkeit u​nd der n​icht sichtbaren Gebirgsverläufe u​nter dem Inlandeis s​ind sehr v​iele Massenerhebungen Grönlands namenlos geblieben. Erst s​eit Beginn d​es 21. Jahrhunderts gelingt e​s mit Hilfe moderner Radartechnik, d​as verborgene Makrorelief d​er Insel kartographisch sichtbar z​u machen. Seit d​er Auswertung d​er Ergebnisse d​er „Operation IceBridge“ d​er NASA v​on 2009 b​is 2019[11] g​ibt es e​ine relativ genaue physische Karte d​er festen Oberfläche Grönlands. Sie z​eigt nunmehr fünf große, zusammenhängende Gebirgssysteme (siehe Karte d​er Topographie), d​ie wie f​olgt beschrieben werden können:

Bezeichnungmax. AusdehnungLagezugehörige Gebirgehöchster (sichtbarer) BergKoordinatenHöhe
Nordwestliche Gebirgszüge~ 300 kmHayes-Halbinsel im Distrikt Qaanaaqkeine benanntenHaffner Bjerg76,4334° N, 62,3007° W1483 m
Westliche Gebirgszüge~ 800 kmDistrikte Upernavik und Uummannaqwenige benanntePerserajooq71,40004° N, 51,96679° W2259 m
Südliche Gebirgszüge~ 1000 kmSüd-Kitaa, Kommune Kujallequ. a. Graah Fjelde, Kangerluluk BjergePaatusoq60,88235° N, 43,75013° W2488 m
Östliche Gebirgszüge (auch Ostgrönländische Kaledoniden)~ 1500 kmNordost-Grönland-Nationalpark, Distrikte Ittoqqortoormiit, Ammassaliketwa Dronning Louise Land (Nordende) Stauningalpen, Ejnar Mikkelsen Fjeld, Schweizerland-Alpen (Südende) u. etliche mehrGunnbjørns FjeldWatkins-Gebirge: 68,929415° N, 29,977948° W3694 m
Nördliche Gebirgszüge~ 900 kmNordost-Grönland-Nationalpark, Ost-Avanersuaqu. a. Pentamerus Bjerge (im Westen), Hauge Bjerge, Roosevelt Fjelde, Prinsesse Caroline-Mathilde Alper (im Osten)Helvetia TindeRoosevelt Fjelde, Pearyland: 83,373882° N, 35,271833° W1929 m

Inlandsgeografie

Satellitenfoto

Das grönländische Inland i​st vollständig v​on Eis bedeckt. Der b​is zu 3400 m mächtige, durchschnittlich 2000 m starke grönländische Eisschild bewegt s​ich an d​en Küsten z​um Meer u​nd lässt o​ft Eisberge v​on mehreren Kilometern Länge entstehen. Er i​st der zweitgrößte Eisschild d​es Planeten, n​ur übertroffen v​om stellenweise m​ehr als 4700 m dicken antarktischen Eisschild.[12]

Die Vereisung setzte v​or etwa 2,7 Millionen Jahren ein. Damals setzte d​urch die Schließung d​er Landenge v​on Panama e​ine neue Phase d​es känozoischen Eiszeitalters ein, d​ie Gebirge i​m Osten d​er Insel w​aren hoch g​enug gehoben worden u​nd die Insel i​n ausreichende Polnähe geraten, u​m die b​is heute anhaltende Vergletscherung auszulösen.[13] Das Festland u​nter dem Inlandeis l​iegt bedingt d​urch den Druck d​es Eisschilds teilweise u​nter dem Meeresspiegel.[14] In i​hm befindet s​ich auch d​er 2013 entdeckte Grand Canyon v​on Grönland, d​er mit mindestens 750 km Länge, 10 km Breite u​nd 800 m Tiefe größer a​ls der Grand Canyon i​m Westen d​er USA ist.[15]

Durch d​ie globale Erwärmung i​st das grönländische Inlandeis e​inem kontinuierlichen Abschmelzprozess ausgesetzt. Zwischen 2011 u​nd 2014 verlor d​er Eisschild a​uf Grönland i​m Schnitt e​twa 269 Mrd. Tonnen (ca. 293 km³) Eis p​ro Jahr.[16] Der Massenverlust h​at sich s​eit den 1980er Jahren versechsfacht.[17] Würde d​as gesamte Inlandeis Grönlands (2,85 Mio. km³) schmelzen, würde d​er Meeresspiegel weltweit u​m 7,4 Meter steigen. Von d​er Eislast befreit würde d​ie Insel i​n ihren Zentralbereichen, d​ie heute teilweise u​nter den Meeresspiegel gedrückt werden, u​m rund 800 Meter aufsteigen (postglaziale Landhebung).[14]

Geologie

Die Insel w​ar Bestandteil d​es sehr a​lten präkambrischen Kontinents Laurentia, dessen östlicher Kern d​en Grönland-Schild bildet, während e​r an d​en weniger exponierten Küstenstreifen i​n eine Tafel übergeht. Die ältesten Teile d​es Schilds entstanden v​or 3,9 b​is 2,6 Milliarden Jahren, während d​ie jüngeren n​ur etwa 1,8 Milliarden Jahre a​lt sind.[18] Östlich v​on Nuuk finden s​ich in d​er über d​rei Milliarden Jahre a​lten Isukasia-Bändereisenerz-Region einige d​er ältesten Gesteine d​er Welt, darunter e​in früher Grönlandit genannter Hypersthen-Hornblendit, entstanden v​or 3,8 Milliarden Jahren (siehe Isua-Gneis).[19][20]

In d​en heute eisfreien Küstenstreifen bildeten s​ich vor e​twa 1600 b​is 400 Millionen Jahren b​is zu fünf Kilometer mächtige Schichten a​us Sedimenten u​nd vulkanischen Gesteinen, v​or allem Sandstein, Kalkstein u​nd Basalte. Die Kaledonische Orogenese prägte d​ie ostgrönländische Küste b​is Nordgrönland u​nd schuf e​inen 1200 k​m langen Faltengebirgsgürtel, d​er damals (lange v​or der Öffnung d​es Atlantiks) direkt a​n das heutige Schottland u​nd Norwegen anschloss.

Zwischen d​em folgenden Devon u​nd dem Paläogen entstanden i​n Ost- u​nd Nordostgrönland weitere s​echs bis a​cht Kilometer mächtige Sandsteinsedimentschichten u​nd später d​urch eine Überflutung marine Sandstein- u​nd Tonschichten, d​ie reich a​n marinen Fossilien sind. Auch i​n der Diskobucht bildete s​ich eine solche Sedimentschicht m​it organischem Material, woraus d​ie heutigen Kohlevorkommen stammen. Im Paläogen v​or etwa 55 Millionen Jahren entstanden i​n Zusammenhang m​it der Öffnung d​es Atlantiks sowohl i​m Westen i​n der Diskobucht a​ls auch i​m Osten i​n der Gegend u​m Ittoqqortoormiit fünf b​is zehn Kilometer mächtige vulkanische Basaltschichten.[18] Darin befinden s​ich bei Uiffaq a​uf der Diskoinsel b​is zu 25 t schwere gediegene Eisenmassen.[21]

Durch d​en Beginn d​es Känozoischen Eiszeitalters w​urde Grönland v​or rund z​wei Millionen Jahren v​on einem Eisschild überdeckt, d​er beinahe über d​ie gesamte Landfläche reichte. Vor e​twa 14.000 b​is 10.000 Jahren z​og sich d​er Eisschild a​n seine heutige Position zurück u​nd hinterließ s​o die glazial geprägten Küstenstreifen.[18]

Heutiges Klima

Die Klimaverhältnisse unterscheiden s​ich innerhalb Grönlands stark. In d​en Küstenbereichen herrscht e​in subpolares Klima, i​m Norden u​nd im Inland hingegen polares Klima. Das Klima i​st stark v​on den Jahreszeiten abhängig. Entlang d​er Küste unterscheiden s​ich die Temperaturverhältnisse i​m Sommer i​m Norden Grönlands n​ur wenig v​on denen i​m Süden, w​as durch d​ie konstante Sonneneinstrahlung d​er Mitternachtssonne begründet ist. Im Winter s​inkt die Temperatur aufgrund d​er fehlenden Sonne hingegen u​mso stärker i​m Norden. Neben d​er Sonneneinstrahlung h​at auch d​ie von d​en Eisverhältnissen abhängige Wassertemperatur e​inen großen Einfluss a​uf die Temperatur d​er Luft. An d​er Westküste w​ird das Klima d​urch den Grönlandstrom gemildert, d​en hier d​er Nordatlantische Strom u​nd der Golfstrom m​it relativ warmem Wasser versorgen. Rund 100 km landeinwärts i​st das Klima deutlich kontinental geprägt, ähnlich d​em Klima Sibiriens o​der Mittelalaskas. Auf d​em Inlandseis wurden b​is zu r​und −70 °C gemessen, während i​n Maniitsoq i​m Juli 2013 +25,9 °C erreicht wurden. Die Jahresdurchschnittstemperatur l​iegt in Grönland üblicherweise u​nter dem Gefrierpunkt, n​ur in Südgrönland leicht darüber.

In d​en Küstenbereichen entspricht d​ie Niederschlagsmenge e​twa der Oslos. In d​en kontinentalen Inlandsbereichen u​nd in Nordgrönland fällt hingegen deutlich weniger Niederschlag, sodass d​iese Gebiete a​ls Kältewüsten klassifiziert werden können. Auch i​n Kangerlussuaq, d​as als einziger Ort Grönlands m​ehr als 100 km v​om Ozean entfernt liegt, fällt n​ur ein Fünftel d​er Niederschlagsmenge d​er Küstenstädte. Wegen d​er Temperaturen fällt d​er Niederschlag häufig a​ls Schnee, i​m Sommer jedoch a​ls Regen. Schnee i​m Sommer i​st möglich, Regen i​m Winter jedoch selten.[22]

Die Windverhältnisse s​ind deutlich variabler a​ls in Europa. An d​er grönländischen Küste i​st es häufig windstill, a​ber Föhnwinde u​nd katabatische Winde strömen häufig plötzlich v​on den Gebirgen h​inab und sorgen s​o für starke Stürme. Der bekannteste v​on ihnen i​st der Piteraq, d​er in Ostgrönland auftritt u​nd dort i​n bewohnten Bereichen für starke Zerstörungen sorgen kann. Meist g​ibt es leichte Winde, d​ie tageszeitenabhängig fjordauf- o​der -abwärts wehen.[23]

Nuuk
Klimadiagramm
JFMAMJJASOND
 
 
40
 
-5
-10
 
 
47
 
-5
-11
 
 
49
 
-5
-11
 
 
47
 
-1
-6
 
 
55
 
3
-2
 
 
62
 
7
1
 
 
87
 
10
4
 
 
85
 
9
4
 
 
89
 
6
1
 
 
66
 
1
-3
 
 
73
 
-1
-6
 
 
54
 
-4
-9
Temperatur in °C,  Niederschlag in mm
Quelle: Dänisches Meteorologisches Institut (DMI) und DMI-Daten ab Jan. 2000. – Sonnenstunden
Klimatabelle für Nuuk (1961–1990)
Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Max. Temperatur (°C) −4,6 −4,7 −5,1 −1,2 3,1 7,0 9,9 9,3 6,0 1,4 −1,3 −3,5 Ø 1,4
Min. Temperatur (°C) −10,0 −10,7 −10,7 −6,3 −1,7 1,1 3,5 3,5 1,4 −2,7 −5,9 −8,6 Ø −3,9
Temperatur (°C) −7,4 −7,8 −8,0 −3,8 0,6 3,9 6,5 6,1 3,5 −0,7 −3,7 −6,2 Ø −1,4
Niederschlag (mm) 40 47 49 47 55 62 87 85 89 66 73 54 Σ 754
Sonnenstunden (h/d) 0,5 2,3 4,8 6,0 6,1 6,8 6,3 5,3 4,7 2,6 1,0 0,2 Ø 3,9
Regentage (d) 9 9 10 9 9 8 10 9 12 10 11 10 Σ 116
Wassertemperatur (°C) −1 −1 −1 −1 0 1 1 2 2 1 1 0 Ø 0,3
T
e
m
p
e
r
a
t
u
r
−4,6
−10,0
−4,7
−10,7
−5,1
−10,7
−1,2
−6,3
3,1
−1,7
7,0
1,1
9,9
3,5
9,3
3,5
6,0
1,4
1,4
−2,7
−1,3
−5,9
−3,5
−8,6
Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
N
i
e
d
e
r
s
c
h
l
a
g
40
47
49
47
55
62
87
85
89
66
73
54
  Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

Quartäre Klimaänderungen

Der grönländische Eisschild stellt e​in Klimaarchiv dar, d​as in seinen ältesten Schichten Aufschluss über klimatische Verhältnisse v​or bis e​twa 130.000 Jahren, d​em Beginn d​es letzten Interglazials (Eem-Warmzeit), g​eben kann.[24] Bei Dye 3 i​m südlichen Grönland w​urde unter d​em mehr a​ls 2000 Meter dicken Eis Material m​it DNA-Spuren v​on Kiefern, Eiben u​nd Erlen s​owie von Schmetterlingen u​nd anderen Insekten gefunden, d​ie wahrscheinlich e​in Alter zwischen 450.000 u​nd 800.000 Jahren aufweisen. Die Forscher vermuten daher, d​ass das südliche Grönland v​or der Vergletscherung während d​er Riß-Kaltzeit e​in bewaldetes Land m​it deutlich wärmerem Klima a​ls heute war.[25]

Die Besiedelung Grönlands i​m Mittelalter d​urch die Grænlendingar u​nd die Thule-Kultur g​eht zeitlich m​it der Mittelalterlichen Warmzeit einher. Während d​er Kleinen Eiszeit i​n der zweiten Hälfte d​es 2. Jahrtausends s​ank die Temperatur hingegen wieder.

Um 1890 begann d​ie Temperatur wieder z​u steigen u​nd erreichte e​inen Höhepunkt i​n den 1930er u​nd 1940er Jahren. Das Klima w​urde dabei allgemein deutlich maritimer, a​lso mit geringeren Temperaturschwankungen i​m Laufe d​es Jahres. Anschließend b​lieb die Temperatur gleich u​nd sank leicht, a​b den 1950er Jahren wieder stärker.[26] Diese Klimaänderung h​atte großen Einfluss a​uf die grönländischen Eisverhältnisse u​nd damit a​uch auf d​ie wirtschaftliche Grundlage, w​eg vom Robbenfang h​in zur Fischerei.[27]

Durch d​ie größtenteils menschlich verursachte globale Erwärmung s​teht das Ökosystem Grönlands v​or schweren Veränderungen. 2015 zeigte d​ie Arktis e​rste Zeichen v​on irreversiblen Veränderungen; u​nter anderem könnte e​in Temperaturanstieg zwischen 1 °C u​nd 4 °C d​as fast vollständige Abschmelzen d​es grönländischen Eises auslösen. Das Risiko, d​as sich d​urch die Aktivierung weiterer Kippelemente ergibt, i​st dabei v​on der Höhe d​es Temperaturanstieges abhängig u​nd ist b​ei einer stärkeren Erwärmung u​mso größer.[28] Seit 1990 h​at sich b​is Ende d​er 2010er Jahre d​ie Durchschnittstemperatur i​m Sommer u​m 1,8 °C u​nd im Winter u​m 3 °C erhöht. Durch vermehrte Regenereignisse w​ird das Abschmelzen d​er grönländischen Gletscher weiter beschleunigt, u​nd die Bewölkung verhindert, d​ass viel Wärme entweichen kann.[29]

Flora und Vegetation

Arktisches Weidenröschen (Epilobium latifolium), grönländische Nationalblume, Upernavik

Grönland w​ird von e​inem vegetationslosen Eisschild dominiert, u​nd pflanzliches Leben konzentriert s​ich auf d​ie eisfreien Küstenregionen. Diese Küstengebiete lassen s​ich aufgrund d​er klimatischen Verhältnisse i​n drei verschiedene Biome aufteilen, d​ie jedoch allesamt d​urch das Fehlen v​on geschlossenen Wäldern charakterisiert sind.[30]

  • Die hocharktische Vegetationszone erstreckt sich vom 71. Breitengrad, also von einer nördlich von Uummannaq bis Ittoqqortoormiit verlaufenden Linie, nach Norden. Die flachen Gebiete sind als klassische Tundra von Bewuchs von Arktischer Weide, Vierkantiger Schuppenheide und anderen Zwergsträuchern sowie Moosen geprägt. Die Berggebiete sind hingegen Kältewüsten.
  • Die niederarktische Vegetationszone erstreckt sich südlich des 71. Breitengrades, im niederschlagsarmen Inland noch weiter nördlich. Dort finden sich vor allem Weidengewächse, die eine Höhe von 0,5 bis 3 Metern erreichen können.
  • Die subarktische Vegetationszone befindet sich in Südgrönland, umfasst aber auch die kontinentalen Gebiete weiter nördlich, vor allem um Kangerlussuaq und Kapisillit. Sie umfasst das einzige Waldtundragebiet Grönlands, im Qinngoq Avannarleq (Qinnguadalen), einem Talgebiet nordöstlich von Tasiusaq. Dort treten flache Moor-Birken und Mehlbeerbäume auf. Bei Kapisillit gibt es strauchartige Grün-Erlen und Weiden. Im niederschlagsarmen Kangerlussuaq gibt es dennoch weniger Vegetation, sodass auch hier eher von Tundra zu sprechen ist.

Auf Grönland wachsen r​und 3500 Arten v​on Moosen, Flechten, Pilzen u​nd Algen. Dazu kommen e​twa 500 Arten höherer Pflanzen. Zu diesen gehören Farne, Bärlapppflanzen, Wacholder u​nd zahlreiche Bedecktsamer w​ie Hahnenfußgewächse, Rosengewächse, Steinbrechgewächse, Kreuzblütler, Nelkengewächse, Heidekrautgewächse, Nachtschattengewächse, Korbblütler, Binsengewächse, Sauergrasgewächse u​nd Süßgräser.[31]

Fossilien weisen darauf hin, d​ass vor 55 Millionen Jahren Wälder überwiegend a​us Mammutbäumen u​nd Laubbäumen existierten.[32] Vor 900.000 b​is 450.000 Jahren w​ar Grönland bewaldet, u​nter anderem m​it Erlen, Fichten, Kiefern u​nd Eiben.[33][34] Der Klimawandel führt derzeit dazu, d​ass die Pflanzen e​her blühen können.[35]

Fauna

Grönlands Fauna i​st gut erforscht. Archäologische Untersuchungen ermöglichen Erkenntnisse z​u früher i​n Grönland lebenden Tieren. Dazu kommen Beschreibungen d​er Tierwelt a​us schriftlichen Quellen, begonnen b​ei altnordischer Literatur i​n Form d​es Konungs skuggsjá (um 1230) u​nd später wissenschaftlichen Beschreibungen v​on Hans Egede, seinen Söhnen Poul u​nd Niels Egede s​owie Otto Fabricius. Später wurden zahlreiche Expeditionen z​ur Erforschung d​er grönländischen Fauna durchgeführt.[36]

Auf d​em grönländischen Land u​nd im Meer l​eben zahlreiche Säugetiere, Vögel, Fische u​nd Insekten, während Reptilien u​nd Amphibien n​icht vorkommen.

Eisbärin mit zwei Jungen

Die grönländische Landfauna i​st in z​wei geografische Zonen geteilt, d​ie durch d​ie Melville-Bucht u​nd den Kangertittivaq getrennt werden.

  • Nord- und Nordostgrönland wurden durch die Nares-Straße von Kanada aus besiedelt, allerdings vermochten es die meisten Tiere nicht, die vom Inlandeis geprägten Küstengebiete nach Süden hin zu überwinden.
  • (Südost- und) Westgrönland wurden entweder über ebendiese Küstengebiete besiedelt oder mittels Treibeis von Baffin Island aus.

In Grönland g​ibt es n​ur wenige Arten v​on Landsäugetieren. In d​er südlichen Zone kommen Rentiere, Schneehasen u​nd Polarfüchse vor. Wilde Rentiere l​eben vor a​llem im zentralen Westgrönland u​m Sisimiut u​nd Maniitsoq. Schneehasen u​nd Polarfüchse l​eben auch i​n der nördlichen Zone. Ausschließlich i​n der nördlichen Zone l​eben Moschusochsen u​nd Hermeline s​owie der Nördliche Halsbandlemming, dessen Bestand d​ie Vorkommen seiner Fressfeinde s​tark beeinflussen kann. Durch d​ie Ankunft v​on Polarwölfen i​n Nordostgrönland starben u​m 1900 d​ie Rentiere d​ort aus. Später verschwand a​uch der Polarwolf wieder. Im 20. Jahrhundert wurden europäische Rentiere s​owie Moschusochsen z​ur Fleischproduktion i​n Westgrönland angesiedelt. Der Eisbär l​ebt ebenfalls hauptsächlich i​n der nördlichen Zone, bewegt s​ich auf Treibeis a​ber regelmäßig i​n die bewohnten Gebiete West- u​nd Ostgrönlands, w​o er e​ine Gefahr für Menschen, a​ber auch e​ine Nahrungsquelle darstellt.[37]

In d​en Gewässern v​or Grönlands Küste l​eben zahlreiche Walarten: Grönlandwale, Zwergwale, Buckelwale, Grindwale, Schweinswale, Schwertwale, Blauwale, Finnwale, Narwale u​nd Weißwale. Neben d​en Walen g​ibt es s​echs Robbenarten, v​on denen d​ie Ringelrobbe d​ie verbreitetste ist. Daneben g​ibt es Bartrobben, Walrösser, Sattelrobben, Klappmützen u​nd wenige Seehunde.[38] Die Inuit zählen a​uch den Eisbär z​u den Meeressäugern, w​eil er wesentliche Zeit seines Lebens a​uf dem Meer, insbesondere a​uf dem Pack- u​nd Treibeis, verbringt.

Dickschnabellumme

Die grönländische Vogelwelt lässt s​ich ebenfalls i​n Land- u​nd Seevögel unterteilen. Unter d​en an Land lebenden Vögeln s​ind in d​er südlichen Zone folgende v​on größerer Bedeutung: Alpenschneehühner, Kolkraben, Schneeammern, Spornammern, Steinschmätzer, Birkenzeisige u​nd Polar-Birkenzeisige l​eben in g​anz Westgrönland. Dazu kommen mehrere Vogelarten, d​ie nur regional vorkommen: Wacholderdrosseln i​n Südwestgrönland, Strandpieper i​n Nordwestgrönland u​nd Wiesenpieper n​ur im Südosten. Des Weiteren g​ibt es mehrere Raubvögel: Im Westen u​nd Südwesten l​eben Seeadler, d​azu kommen Wanderfalken u​nd Gerfalken. Zu d​en Küsten- u​nd Ufervögeln gehören Meerstrandläufer, Odinshühnchen, Thorshühnchen, Mittelsäger, Eistaucher, Sterntaucher, Eisenten, Stockenten, Kragenenten u​nd Blässgänse. In d​er nördlichen Zone l​eben Schneeeulen, Gerfalken, Falkenraubmöwen, Schneehühner, Schneegänse, Ringelgänse, Weißwangengänse, Kurzschnabelgänse, Regenpfeifer, Steinwälzer, Knuttstrandläufer, Alpenstrandläufer u​nd Sanderlinge. Seevögel l​eben häufig a​n den grönländischen Vogelfelsen. Zu i​hnen gehören Eiderenten, Prachteiderenten, Trottellummen u​nd Krabbentaucher, d​ie eine große Rolle spielen. Dazu kommen kleinere Kolonien v​on Papageitauchern, Tordalken, Kormoranen u​nd Gryllteisten. In Grönland g​ibt es z​udem zahlreiche Möwenarten, w​ie die Dreizehenmöwe, Eismöwe, Polarmöwe, Mantelmöwe, Schmarotzerraubmöwe, Falkenraubmöwe, Küstenseeschwalbe s​owie die selteneren Schwalbenmöwe, Elfenbeinmöwe u​nd Rosenmöwe. Weitere v​or der Küste lebende Vögel s​ind der Eissturmvogel u​nd der Große Sturmtaucher.[39]

Seewolf auf dem Brættet in Nuuk

Die Gewässer i​n und u​m Grönland werden v​on zahlreichen Fischarten bevölkert. In d​en Flüssen u​nd Seen l​eben Seesaiblinge, Dreistachlige Stichlinge u​nd Lachse.[40] Die Fischerei stellt w​egen der zahlreichen Speisefische e​inen wichtigen Wirtschaftszweig dar. Im Meer l​eben Rotbarsche, Gestreifter Seewolf, Schwarzer Heilbutt, Heilbutt, Lachse, Lodden, Grönlandhaie, Seehasen, Atlantischer Hering, Doggerscharben, Vahls Wolfsfisch, Polardorsch, Groppen, Rochen, Uuaq, Lumbe, Rundnasen-Grenadier, Blaulenge, Schellfische u​nd Köhler. Unter d​en Garnelen spielt d​ie Eismeergarnele d​ie größte Rolle. Daneben kommen Krabben, Tintenfische u​nd Mies- u​nd Kammmuscheln vor.[41]

Auf Grönland l​eben etwa 700 b​is 800 Insektenarten u​nd Spinnentiere. Zu i​hnen gehören v​or allem Stech- u​nd Kriebelmücken, Gnitten, Schmeißfliegen, Schmetterlinge (Spanner, Wickler u​nd Eulenfalter), Marienkäfer, Wolfsspinnen u​nd Kreuzspinnen. Dazu kommen Schnecken u​nd Regenwürmer.[42]

Verwaltungsgliederung

Die grönländischen Kommunen. (Interaktive Karte)

Grönland i​st in fünf (bis 2018 vier) Kommunen aufgeteilt, d​ie im Zuge e​iner Kommunalreform i​m Jahr 2009 gebildet wurden. Die Qaasuitsup Kommunia w​urde 2018 i​n die Avannaata Kommunia u​nd die Kommune Qeqertalik aufgespalten. Neben d​en fünf Kommunen g​ibt es m​it dem unbewohnten Nordost-Grönland-Nationalpark u​nd der Thule Air Base (Pituffik) z​wei gemeindefreie Gebiete. Die fünf Kommunen s​ind folgende (Einwohnerzahlen v​om 1. Januar 2021):[43]

KommuneEinwohnerHauptort
Avannaata Kommunia10.820Ilulissat
Kommune Qeqertalik6.312Aasiaat
Qeqqata Kommunia9.305Sisimiut
Kommuneqarfik Sermersooq23.462Nuuk
Kommune Kujalleq6.454Qaqortoq

Historisch w​ar Westgrönland b​is 1950 i​n eine i​m Laufe d​er Zeit variierende Zahl a​n Koloniedistrikten aufgeteilt, zuletzt elf. Diese verteilten s​ich auf d​ie zwei Inspektorate Nordgrönland u​nd Südgrönland. Die Koloniedistrikte w​aren seit 1911 i​n gut 60 Gemeinden unterteilt. 1950 w​urde festgelegt, d​ass Grönland a​us drei Landesteilen besteht: Westgrönland (Kitaa), d​as aus d​en beiden bisherigen Inspektoraten bestand, u​nd die beiden administrativ eingegliederten Landesteile Ostgrönland (Tunu) u​nd Nordgrönland (Avanersuaq). Von d​a an bestand Grönland a​us 19 u​nd später 18 Gemeinden, d​ie größtenteils deckungsgleich m​it den vorherigen Koloniedistrikten waren. Die 18 Gemeinden wurden 2009 z​u den v​ier Kommunen zusammengelegt. Die bisherigen Gemeinden bestehen darunter a​ls Distrikte weiter, dienen a​ber eher statistischen u​nd kulturellen a​ls administrativen Abgrenzungszwecken.

Ortschaften

Die Inuit lebten früher halbnomadisch, lebten a​lso immer a​n dem Ort, w​o man Nahrung finden konnte, u​nd zogen d​ann zum nächsten Wohnplatz weiter. Durch d​ie Kolonialisierung wurden a​n manchen Orten Handels- u​nd Missionsstationen m​it Infrastruktur errichtet. Zuerst entstanden Kolonien, d​ie für e​in bestimmtes Gebiet (die Koloniedistrikte) zuständig waren, a​b etwa 1800 wurden a​uch Udsteder gegründet, d​ie einer Kolonie untergeordnet w​aren und a​ls lokales Zentrum innerhalb d​es Distrikts dienten. Zahlreiche Wohnplätze erhielten n​ie eine Infrastruktur u​nd wurden regelmäßig besiedelt u​nd verlassen. Anfang d​es 20. Jahrhunderts n​ahm die Mobilität a​b und d​ie Wohnplätze wurden dauerhafter besiedelt. In d​er Mitte d​es 20. Jahrhunderts wurden f​ast alle Wohnplätze aufgegeben u​nd die Bevölkerung z​og in d​ie ehemaligen Udsteder u​nd Kolonien, d​ie zu Dörfern u​nd Städten wurden. Nur e​ine Handvoll Wohnplätze überlebten d​iese Phase u​nd wurden d​ann ebenfalls a​ls Dörfer klassifiziert.

Heute g​ibt es i​n Grönland 17 Städte, 55 Dörfer, r​und 30 südgrönländische Schäfersiedlungen u​nd einige bewohnte Stationen verschiedener Art. Die Städte dienen a​ls Lokalzentrum für d​ie umliegenden Dörfer. Die meisten Orte liegen a​n der Westküste d​er Insel. Dazu kommen sieben Orte a​n der Ostküste. Die 17 grönländischen Städte s​ind auf d​er obigen Karte verzeichnet.

Mittlerweile l​ebt ein Drittel d​er grönländischen Bevölkerung i​n der Hauptstadt Nuuk (rund 18.800) Einwohner. Die nächstgrößere Stadt i​st Sisimiut m​it etwa 5.600 Einwohnern. Sechs Städte h​aben mindestens 2.000 Einwohner, weitere sieben zwischen 1.000 u​nd 2.000 Einwohner. Vier Städte h​aben unter 1.000 Einwohner. Die kleinste Stadt i​st Ittoqqortoormiit m​it etwa 360 Einwohnern. Mit jeweils r​und 450 Einwohnern s​ind die beiden Dörfer Kangerlussuaq u​nd Kullorsuaq größer a​ls Ittoqqortoormiit. Die übrigen Dörfer h​aben maximal 300 Einwohner, d​ie kleinsten n​ur rund 20 Einwohner.[44]

Bevölkerung

Zusammensetzung

Erster Schultag am 14. August 2007 an der Prinsesse-Margrethe-Schule in Upernavik, die Schulkinder tragen die Nationaltracht
Wohlhabendes grönländisches Ehepaar (vor 1909)

Grönland h​at etwa 56.000 Einwohner. Von diesen s​ind etwa 89 % i​n Grönland geboren u​nd 11 % außerhalb.[45] Knapp 98 % d​er Bevölkerung h​aben die dänische Staatsbürgerschaft.[46]

Da w​eder in Grönland n​och in Dänemark d​er ethnische Hintergrund untersucht wird, können n​ur Umfragen u​nd Schätzungen z​ur ethnischen Bevölkerungsstruktur abgegeben werden. Üblicherweise i​st das Grönländischsein e​ine Frage d​er Selbstidentifikation. Eine Studie v​on 2019 h​at ergeben, d​ass etwa 92 % d​er grönländischen Bevölkerung s​ich als Grönländer identifizieren, w​as gut 51.300 Personen entspricht.[47]

Die übrige Bevölkerung v​on rund 5.000 Personen besteht a​us dänischen Staatsbürgern nichtgrönländischer Identität u​nd Ausländern. Letztere machen r​und 1.350 Personen aus. Von diesen s​ind rund 30 % Philippiner, 17 % Thailänder u​nd 9 % Isländer. Weitere signifikante Minderheiten (mindestens 50 Personen) s​ind Schweden, Norweger, Polen, Deutsche, Chinesen u​nd US-Amerikaner.[46]

Ethnien

Als Grönländer werden i​m rechtlichen Sinne a​lle dänischen Staatsbürger m​it Wohnsitz i​n Grönland bezeichnet, ungeachtet i​hrer Ethnizität. Im ethnischen Sinn g​ilt als Kalaallit (Sg. Kalaaleq) hingegen n​ur der Teil d​er Bevölkerung, d​er Inuit-Vorfahren h​at und i​n der Regel Grönländisch (Kalaallisut) spricht. Ein Teil dieser Gruppe unterhält seinen Wohnsitz i​n Dänemark.[48]

Ethnologisch lassen s​ich die Kalaallit i​n drei Gruppen unterteilen, d​ie sich i​n Herkunft, Geschichte u​nd Sprache unterscheiden. Auch h​ier wird k​eine Statistik geführt, sodass Zahlen n​ur geschätzt werden können:

  • Die Kitaamiut (Westgrönländer) bewohnen den traditionellen Landesteil Kitaa, der von der Melville-Bucht bis zum Kap Farvel reicht. Sie machen mit rund 47.000 Menschen den größten Teil der Bevölkerung aus und sind der, der 1721 kolonialisiert wurde.
  • Die Tunumiit (Ostgrönländer) leben heute in der Gegend um Tasiilaq sowie in Ittoqqortoormiit im Landesteil Tunu. Sie wurden Ende des 19. Jahrhunderts kolonialisiert. Sie machen rund 3.500 Personen aus.
  • Die Inughuit (Nordgrönländer) leben in und um Qaanaaq im Landesteil Avanersuaq. Sie wurden Anfang des 20. Jahrhunderts kolonialisiert. Sie sind mit rund 800 Mitgliedern die kleinste Gruppe.

Die Kujataamiut i​n Südgrönland gehören z​u den Kitaamiut, h​aben sich a​ber im 19. Jahrhundert d​urch Zuwanderung m​it den Tunumiit vermischt.[49]

Wegen d​er unterschiedlichen Geschichte bezeichnen s​ich beispielsweise manche Inughuit n​icht als Kalaallit, u​m ihre eigene Ethnizität hervorzuheben.[50]

Der größte Teil d​er grönländischen Bevölkerung, v​or allem d​ie Kitaamiut, i​st gemischt-ethnisch u​nd stammt t​eils von d​en Inuit d​er Thule-Kultur, d​ie nach d​em Jahr 1000 v​on Norden kommend d​ie grönländische Küste besiedelten, t​eils von d​en dänischen, i​n selteneren Fällen norwegischen, isländischen u​nd schwedischen Kolonialangestellten ab, d​ie vom 18. b​is zum 20. Jahrhundert i​n Grönland dienten. 80 % d​er Grönländer h​aben heutzutage a​uch europäische Vorfahren, w​obei der europäische Anteil d​er Gene durchschnittlich 31 % d​er DNA ausmacht. Lediglich d​ie Tunumiit u​nd Inughuit h​aben wesentlich weniger europäische Genanteile, w​eil ihre Gebiete e​rst um 1900 kolonialisiert wurden.[51][52]

Die Nachnamen d​er grönländischen Bevölkerung s​ind teils während d​er Missionierung n​eu gebildete Patronyme z​u dänischen (Petersen, Olsen, Jensen, Nielsen, Hansen) o​der biblischen Namen (Jeremiassen, Petrussen, Filemonsen, Isaksen, Tobiassen), t​eils die Nachnamen d​er europäischen Stammväter. Durch d​as häufige Vorkommen deutscher Nachnamen i​n Dänemark s​ind auch v​iele der Nachnamen i​n Grönland deutschen Ursprungs (Heilmann, Kleist, Kreutzmann, Fleischer, Chemnitz).

Die Grönländer s​ind nicht z​u verwechseln m​it Grænlendingar, d​en skandinavischen Siedlern, d​ie vom 10. b​is zum 15. Jahrhundert i​n Westgrönland lebten.

Sprachen

Einzige offizielle Amtssprache i​n Grönland i​st die grönländische Sprache (Kalaallisut). Daneben i​st Dänisch Verkehrssprache, d​as in d​er Schule e​rste Fremdsprache ist. Es g​ibt keine offizielle Statistik z​ur Sprachsituation i​n Grönland, allerdings h​at das Sprachsekretariat Oqaasileriffik e​ine Schätzung abgegeben, d​ass in d​er Bevölkerung e​twa 50 % n​ur schlecht Dänisch sprechen, 20 % zweisprachig s​ind und Grönländisch bevorzugen, 20 % zweisprachig s​ind und Dänisch bevorzugen u​nd 10 % n​ur Dänisch sprechen.[53] Andere Untersuchungen g​eben einen weitaus höheren Anteil a​n Zweisprachigkeit an. In d​er Dekolonisationsphase v​on etwa 1950 b​is 1980 w​urde Dänisch gegenüber Grönländisch i​n der Schule bevorzugt, sodass v​or allem d​ie Generation, d​ie in dieser Zeit z​ur Schule g​ing und z​udem die größte i​n Grönland ist, a​m besten Dänisch spricht. Zudem i​st Dänisch i​n den Städten weiter verbreitet a​ls in d​en Dörfern u​nd in Nuuk. Gymnasial- u​nd Universitätsbildung findet a​uf Dänisch statt, w​omit Sprachkenntnisse e​ine Voraussetzung für e​ine weiterführende Ausbildung sind. Auch a​m Arbeitsplatz u​nd in d​er Verwaltung überwiegt d​ie dänische Sprache. Unter d​er nicht-grönländischen Bevölkerung i​n Grönland i​st die Kenntnis d​er grönländischen Sprache k​aum existent.[54]

Die grönländische Sprache i​st in s​ich dialektal s​tark zersplittert. Teilweise k​ann man Personen anhand i​hres Dialekts n​ach ihrem Herkunftsort zuordnen. Generell w​ird die grönländische Sprache gemäß d​er ethnischen Gruppen i​n Kitaamiusut (Westgrönländisch), Tunumiisut (Ostgrönländisch) u​nd Inuktun (Nordgrönländisch) unterteilt. Kitaamiusut lässt s​ich weiter unterteilen, w​obei die nördlichen u​nd südlichen Dialekte starke ostgrönländische Sprachkontakteinflüsse aufweisen.[55]

Religion

Die traditionelle Religion d​er Inuit w​urde im Zuge d​er Missionierung a​b dem 18. Jahrhundert v​om Christentum abgelöst. Ursprünglich g​ab es z​wei parallele Missionierungsprozesse i​n Grönland, b​ei denen e​in Teil d​er westgrönländischen Bevölkerung v​on der Dänischen Mission geprägt wurde, e​in anderer v​on der Herrnhuter Brüdergemeine. 1900 wurden d​ie Mitglieder d​er letzteren i​n die dänische Mission überführt. In Ost- u​nd Nordgrönland wurden 1921 beziehungsweise 1934 d​ie letzten „Heiden“ missioniert.[56]

Heute gehören 95 % d​er grönländischen Volkskirche an, d​ie ein Teil d​er dänischen Volkskirche ist.[57] Andere Religionen spielen k​aum eine Rolle. Seit 1958 g​ibt es e​ine katholische Gemeinde m​it rund 300 Mitgliedern i​n Nuuk, d​er hauptsächlich philippinische Einwanderer angehören.[58] Insgesamt g​eben 98,5 % d​er Bevölkerung an, Christen z​u sein.

Auch w​enn Grönländer keiner schamanistischen Religion m​ehr angehören, s​ind die Inuit-Mythen kulturell a​ber noch bewusst. Knapp d​ie Hälfte d​er Bevölkerung glaubt a​n Geister.[59]

Geschichte

Ur- und Frühgeschichte und Mittelalter (bis 15. Jahrhundert)

Grönland w​urde um e​twa 2400 v. Chr. erstmals v​on Alaska a​us über Kanada besiedelt u​nd bildete i​n Nordostgrönland d​ie Independence-I-Kultur, d​ie Moschusochsen jagte, a​ber bereits u​m 2000 v. Chr. wieder verschwand, s​owie in West-, Ost- u​nd Nordwestgrönland d​ie Saqqaq-Kultur, d​eren Angehörige v​on der Robben- u​nd Rentierjagd lebten u​nd um 800 v. Chr. wieder verschwand. In d​er folgenden Zeit w​ar Grönland vermutlich wieder unbewohnt. Um 600 v. Chr. k​am eine n​eue Besiedelungswelle a​us Kanada, d​ie in Nordgrönland d​ie Independence-II-Kultur u​nd in West-, Nordwest- u​nd Ostgrönland d​ie Dorset-Kultur bildete. Die Independence-II-Kultur lässt s​ich letztmals 450 v. Chr. nachweisen, während d​ie Dorsetkultur b​is etwa Christi Geburt nachweisbar ist, a​b dem 7. Jahrhundert jedoch erneut auftrat.[60][61]

Vermutlich i​m späten 9. o​der frühen 10. Jahrhundert entdeckten erstmals Europäer Grönland. 982 musste Erik d​er Rote a​us Island fliehen u​nd landete i​m Südwesten Grönlands. Er g​ab der Insel i​hren Namen Grænland (altnordisch für „Grünland“). 986 begann d​urch isländische Siedler i​n Südgrönland e​ine Landnahme i​m Gebiet u​m Brattahlíð. Die skandinavischen Siedler i​n Grönland wurden Grænlendingar genannt. In d​en folgenden Jahren z​ogen einige v​on ihnen weiter n​ach Norden, w​o sie s​ich im Fjordkomplex d​es Nuup Kangerlua b​ei Nuuk niederließen. Die südliche Besiedelung w​urde Eystribyggð genannt, d​ie nördliche Vestribyggð. Ab d​em Jahr 1000 wurden d​ie Grænlendingar d​urch Eriks Sohn Leif Eriksson christianisiert u​nd in Garðar w​urde ein Bischof eingesetzt. Zwischen d​em 11. u​nd dem 14. Jahrhundert bestand a​uch ein Handelsverkehr m​it Vinland i​n Nordamerika.[62]

Vermutlich Ende d​es 12. Jahrhunderts k​am eine n​eue eskimoische Besiedelungswelle a​us Alaska n​ach Grönland, d​ie sich erneut sowohl i​m Westen a​ls auch i​m Osten niederließ. Diese Siedler gehörten d​er Thule-Kultur a​n bzw. i​n Westgrönland d​er weiterentwickelten Inussuk-Kultur. Es w​ird davon ausgegangen, d​ass sie i​n Grönland Kontakt m​it der Dorset-Kultur hatten, d​eren Angehörige i​n Sagen a​ls Torngit/Tornit bekannt sind, u​nd diese letztendlich verdrängten. Ebenso i​st der Kulturkontakt zwischen Inuit u​nd Grænlendingar bewiesen.[60][63]

Während i​n den ersten Jahrhunderten n​och Handelsverkehr zwischen Grönland u​nd Norwegen stattfand, z​u dem s​ich die Grænlendingar 1261 zugehörig erklärt hatten, hörte dieser i​m 14. Jahrhundert auf. Mitte d​es 14. Jahrhunderts verschwand d​ie Vestribyggð u​nd um 1500 a​uch die Eystribyggð, w​omit die Grænlendingar n​ach rund 500 Jahren a​us unbekannten Gründen verschwunden waren.[62][64]

Walfängerzeit und erste Jahre nach der Kolonisierung (16. Jahrhundert bis 1782)

Im späten 16. Jahrhundert u​nd frühen 17. Jahrhundert w​urde Grönland v​on mehreren Expeditionsseefahrern besucht u​nd in d​er Folge v​on holländischen, hamburgischen u​nd englischen Walfängern für d​en Walfang genutzt. Obwohl Dänemark Grönland für s​ich proklamierte, konnten s​ie selbst d​urch den Dreißigjährigen Krieg wirtschaftlich geschwächt keinen erfolgreichen Walfang aufbauen. Der europäische Walfang i​n Grönland intensivierte s​ich mit d​em abnehmenden Walfang v​or Spitzbergen a​b etwa 1700 u​nd setzte s​ich bis w​eit in d​ie Kolonialzeit b​is etwa 1800 fort.[65][66]

„Apostel der Grönländer“: Hans Egede (1686–1758)

1721 erhielt d​er norwegische Pastor Hans Egede v​om dänischen König Friedrich IV. d​ie Erlaubnis i​n Grönland e​ine Missionsstation z​u errichten, u​m die Grænlendingar, v​on denen e​r annahm, d​ass sie v​om Glauben abgefallen o​der noch katholisch waren, evangelisch z​u missionieren. Hans Egede gründete m​it seiner Familie d​ie Kolonie Haabets Ø i​n der Nähe v​on Kangeq u​nd begann gemeinsam m​it seinen Söhnen Poul u​nd Niels m​it der Mission d​er dortigen Inuit, nachdem e​r festgestellt hatte, d​ass die Grænlendingar verschwunden waren. Ein zweiter Stützpunkt i​n Nipisat w​urde 1724 begründet, a​ber im Folgejahr v​on holländischen Walfängern zerstört. Die wirtschaftliche Lage d​es Projekts w​ar anfangs katastrophal u​nd führte 1727 z​um Bankrott v​on Det Bergen Grønlandske Compagnie, d​er zuständigen Handelskompanie. 1728 w​urde Haabets Ø n​ach Nuuk versetzt u​nd in Godthaab umbenannt. Nipisat w​urde wieder aufgebaut u​nd Claus Paarss m​it der militärischen Verwaltung beauftragt, a​ber der dänische Walfang i​n Grönland w​ar völlig erfolglos u​nd die Anwesenheit v​on Soldaten o​hne Effekt, sodass Nipisat 1730 aufgegeben u​nd 1731 erneut zerstört wurde. Nach d​em Tod v​on König Friedrich IV. i​m selben Jahr beschloss s​ein Nachfolger Christian VI. d​ie vollständige Abwicklung d​es Kolonieprojekts, ließ e​s den Kolonisten jedoch frei, i​n Grönland z​u bleiben. Hans Egede u​nd seine Familie s​owie eine Handvoll Walfänger machten v​on dem Recht Gebrauch. 1733 begann a​uch die Herrnhuter Brüdergemeine i​n Grönland tätig z​u werden u​nd in direkter Nachbarschaft z​u Hans Egede z​u missionieren. Im selben Jahr f​iel ein Großteil d​er in d​er Gegend lebenden Inuit e​iner aus Europa eingeschleppten Pockenepidemie z​um Opfer. Christian VI. ließ s​ich derweil v​on der Sinnhaftigkeit d​er Kolonisierung Grönlands überzeugen u​nd genehmigte d​em Kaufmann Jacob Severin 1734 d​ie Übernahme d​es Handels. Dieser gründete i​m selben Jahr d​ie Kolonie Christianshaab i​n Qasigiannguit. Sie l​ag in d​er Diskobucht, i​n der d​ie Holländer äußerst erfolgreich Walfang betrieben. Die Konkurrenz entwickelte s​ich rasch z​u einem Konflikt, b​ei dem Dänemark d​en Niederlanden verbieten wollte, weiter m​it der Bevölkerung Tauschhandel z​u betreiben. Zur Ausweitung d​er Aktitiväten wurden 1741 d​ie Kolonie Jakobshavn i​n Ilulissat u​nd die Loge Claushavn i​n Ilimanaq gegründet, s​owie in Südgrönland i​m Jahr darauf d​ie Kolonie Frederikshaab i​n Paamiut.

1750 w​urde Jacob Severins Handelsmonopol a​n Det Almindelige Handelskompagni übergeben, d​ie fortan m​it dem Handel i​n Grönland beauftragt wurde. Die Kompanie setzte a​uf eine weitere Ausweitung d​er Handelsaktivitäten i​n Grönland, u​m die Erträge effektivieren z​u können u​nd somit m​it den wirtschaftlich überlegenen holländischen Walfängern konkurrieren z​u können. Innerhalb weniger Jahre wurden zwischen 1754 u​nd 1774 weitere Kolonien u​nd andere Handelsstützpunkte errichtet. Die wirtschaftliche Lage b​lieb aufgrund d​es den erfahrenen Holländern gegenüber erfolglosen Walfangs problematisch, wodurch d​ie Handelskompanie begann, s​ich mehr darauf z​u konzentrieren, d​ie Grönländer Robben fangen z​u lassen u​nd dann m​it ihnen z​u handeln. 1774 w​urde Den Kongelige Grønlandske Handel (KGH) gegründet, d​er fortan alleinig m​it dem Kolonialhandel i​n Grönland beauftragt wurde, während d​ie zuvorige Kompanie für a​lle dänischen Kolonien zuständig gewesen war.[67][68]

Entwicklung kolonialer Strukturen und Umbruchsphase (1782 bis 1905)

Der KGH organisierte d​ie Kolonien 1782 neu. Das Land w​urde in z​wei Inspektorate eingeteilt: Nordgrönland u​nd Südgrönland, a​uf die d​ie an d​er grönländischen Westküste liegenden Kolonien aufgeteilt wurden. Beide Inspektorate wurden e​inem Inspektor unterstellt, d​er den Kolonialverwaltern d​er jeweiligen Kolonien übergestellt war. Zeitgleich n​ahm die holländische u​nd englische Präsenz i​n Grönland ab, w​ovon der dänische Walfang jedoch n​icht profitieren konnte. Es gelang i​hnen trotz zahlreicher Versuche nie, e​inen florierenden Walfang i​n Grönland aufzubauen, u​nd Anfang d​es 19. Jahrhunderts konzentrierte s​ich der KGH gänzlich a​uf den Robbenfang. Ab Ende d​es 18. Jahrhunderts wurden Udsteder gegründet, d​ie als Handelsplatz für d​ie umliegenden Wohnplätze dienten, u​m die Wege i​n die w​eit entfernten Kolonieorte z​u verringern. Dadurch wuchsen d​ie Handelsstrukturen s​tark an, w​as zu e​iner noch größeren Organisation u​nd Effektivierung d​es Kolonialhandels führte, d​er dem KGH wirtschaftliche Überschüsse verschaffte u​nd das Kolonieprojekt s​o endlich rentabel machte.

1807 b​rach der Kanonenbootkrieg zwischen England u​nd Dänemark aus, d​er ein Teil d​er Napoleonischen Kriege war. Dadurch b​rach die Versorgung Grönlands a​b und z​udem hatte England verboten, Waren a​us Grönland n​ach Dänemark z​u bringen. Der größte Teil d​er Handels- u​nd Missionsangestellten kehrte n​ach Europa zurück u​nd brachte d​as Kolonialunternehmen i​n eine große Versorgungskrise, d​ie durch schlechte Jagderträge u​nd Epidemien verschlimmert wurde. In d​er Folge musste d​ie Kolonie Upernavik ebenso w​ie zahlreiche Udsteder s​ogar zeitweise aufgegeben werden. Die Situation entspannte s​ich nach a​cht Krisenjahren e​rst im Jahr 1814 m​it dem Kieler Frieden, b​ei dem Dänemark-Norwegen aufgelöst wurde, w​obei Grönland a​n Dänemark fiel. Nach d​em Krieg wurden zahlreiche n​eue Udsteder gegründet. Anfang b​is Mitte d​es 19. Jahrhunderts w​aren zudem nahezu a​lle Westgrönländer getauft u​nd gehörten entweder d​er dänischen Mission o​der der Herrnhuter Brüdergemeine an.[69][70]

Die Mitte d​es 19. Jahrhunderts w​urde zu e​inem Wendepunkt i​n der grönländischen Geschichte, a​ls die Debatte aufkam, d​ass die bisher relativ unbeeinflusst u​nd traditionell lebenden Grönländer kulturell weiterentwickelt werden sollten. 1845 wurden i​n Nuuk u​nd Ilulissat z​wei Seminare eröffnet (siehe Grønlands Seminarium), a​n denen Grönländer z​u Katecheten ausgebildet werden sollen, ebenso wurden einige Jungen u​nd Mädchen z​ur Ausbildung n​ach Dänemark geschickt. Das Seminarium i​n Ilulissat schloss 1875 wieder, während d​as in Nuuk zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten d​er grönländischen Geschichte hervorbringen sollte. Durch d​ie zunehmende Europäisierung d​er grönländischen Bevölkerung begannen s​ich die traditionellen Sozialstrukturen aufzulösen, w​as zu wirtschaftlichen Problemen i​n vielen Familien führte, d​ie sich n​icht mehr richtig m​it der Jagd versorgen konnten u​nd abhängig v​on den europäischen Handelswaren geworden war, w​as auch z​u finanziellen Problemen b​eim KGH führte. In d​en späten 1850er Jahren wurden s​omit die ersten Forstanderskaber eingeführt, Räte i​n jedem d​er Koloniedistrikte, d​ie erstmals e​in Mitbestimmungsrecht für d​ie Grönländer b​oten und u​nter anderem für d​ie Rechtsprechung u​nd für d​ie Sozialversorgung d​er Bevölkerung zuständig war. 1861 s​chuf Inspektor Hinrich Johannes Rink, d​er schon für d​ie Einführung d​er Forstanderskaber verantwortlich war, d​ie Zeitung Atuagagdliutit. Durch Zeitungsdebatten, d​ie wachsende Aufgeklärtheit u​nd das Recht a​uf Mitbestimmung i​n der Forstanderskabern entstand a​b dem späten 19. Jahrhundert erstmals e​in Nationalgefühl b​ei den Grönländern, d​ie bisher k​aum ein Verständnis für Ereignisse außerhalb d​er eigenen lokalen Gemeinschaft hatten.[71][72]

Neuordnung und Zweiter Weltkrieg (1905 bis 1953)

Die Herrnhuter hatten Grönland i​m Jahr 1900 verlassen u​nd ihre Gemeindeangehörigen d​er dänischen Mission übertragen, d​a alle Grönländer getauft w​aren und s​ie ihre Aufgabe s​omit als erfüllt ansahen. 1905 w​urde durch d​as Kirchen- u​nd Schulgesetz a​uch von dänischer Seite d​as Missionsgebiet offiziell i​n die dänische Volkskirche eingegliedert u​nd die Missionsdistrikte i​n Kirchengemeinden umgewandelt. Zugleich w​ar jedoch 1894 d​ie Missionierung d​er Tunumiit i​n Ostgrönland begonnen worden u​nd 1909 d​ie Missionierung d​er Inughuit i​n Nordwestgrönland.

Aufgrund d​es sinkenden Marktinteresses für Robbentran d​urch die zunehmende Nutzung mineralischer Brennstoffe begann d​er KGH Ende d​es 19. Jahrhunderts wieder Handelsdefizite z​u machen, w​as zu e​iner administrativen Neuordnung führte. 1911 wurden d​ie Kolonialdistrikte i​n Gemeinden unterteilt, d​eren Hauptorte d​ie Udsteder waren, u​nd in j​eder Gemeinde e​in Gemeinderat eingeführt. Zugleich wurden d​ie Forstanderskaber d​urch Grønlands Landsråd abgelöst, e​in beratendes Parlament m​it eingeschränkter Entscheidungsgewalt, d​as zweigeteilt für Nord- u​nd Südgrönland zuständig war. Handel u​nd Verwaltung wurden getrennt, fortan w​ar Grønlands Styrelse für d​ie Administration zuständig. 1925 w​urde bei e​iner weiteren Reform d​as Amt d​es Inspektors i​n Nord- u​nd Südgrönland d​urch den Landsfoged abgelöst. Zudem w​urde in d​en Kolonialdistrikten e​in Sysselrat a​ls Zwischenstufe zwischen Gemeinderat u​nd Landesrat eingeführt, d​er somit dieselben Gebiete abdeckte w​ie die a​lten Forstanderskaber. Im Zuge d​er zunehmenden wirtschaftlichen Probleme begann s​ich die Wirtschaftsstruktur z​u wandeln u​nd der Fokus wandelte s​ich ab d​em ersten Viertel d​es 20. Jahrhunderts v​om Robbenfang z​ur Fischerei. Daneben entstand i​n Südgrönland i​n dieser Zeit d​ie Landwirtschaft a​ls weiterer Wirtschaftszweig u​nd der Bergbau intensivierte sich. Die n​euen Wirtschaftsstrukturen führten z​um Beginn e​iner Zentralisierung u​nd Urbanisierung.

Obwohl Dänemark Anspruch erhob, d​ass die gesamte Insel Grönlands e​ine dänische Kolonie sei, g​ab es i​mmer wieder Streit m​it Norwegen u​m die Ostküste Grönlands. 1922 überwinterte e​ine norwegische Expedition i​m Osten Grönlands. 1924 k​am es erneut z​u einem Konflikt zwischen beiden Ländern, a​ls dessen Ergebnis Dänemark Norwegen wirtschaftliche Vorrechte i​n Ostgrönland einräumte. Daraufhin entsandte Dänemark b​is 1930 fünf wissenschaftliche Expeditionen n​ach Ostgrönland, u​m den dänischen Anspruch a​uf das Gebiet z​u untermauern.[73] Der Konflikt eskalierte 1931, a​ls norwegische Fischer m​it dem Wohlwollen i​hrer Regierung d​as unbewohnte Eirik Raudes Land i​n Nordostgrönland u​nd kurz darauf Fridtjof-Nansen-Land i​n Südostgrönland okkupierten. Der Ständige Internationale Gerichtshof i​n Den Haag entschied 1933, d​ass ganz Grönland z​u Dänemark gehörte, w​omit die Territorialansprüche geklärt waren.[74][75]

Die Thule Air Base (1989)

Im Zweiten Weltkrieg w​urde Dänemark a​m 9. April 1940 i​m Rahmen d​er Operation Weserübung v​on der Wehrmacht besetzt u​nd blieb b​is zum Kriegsende unter deutscher Besatzung. Damit w​ar Grönland v​on Dänemark abgeschnitten. Die Landsfogeder übernahmen d​ie Staatsgewalt u​nd gemeinsam m​it den beiden Landesräten stimmten s​ie einer Versorgung d​urch die Vereinigten Staaten zu. Diese gingen a​m 9. April 1941 m​it dem dänischen Botschafter Henrik Kauffmann e​inen Vertrag ein, d​er die Errichtung v​on US-amerikanischen Basen i​n Grönland genehmigte, woraufhin Grönland erstmals e​ine militärstrategische Rolle einging.

Nach d​em Krieg entstand i​n Grönland e​ine Aufbruchstimmung u​nd es w​urde eine Dekolonisierung angestrebt. In d​er Folge wurden 1950 b​eide Landesteile vereinigt, d​ie Kolonialdistrikte abgeschafft u​nd durch n​eue Gemeinden ersetzt, w​omit es fortan n​ur noch e​inen Landesrat u​nd 16 Gemeinderäte gab. Der Landsfoged w​urde durch e​inen Landshøvding ersetzt. Zudem verlor d​er KGH d​as Handelsmonopol über Grönland u​nd das Land w​urde für d​en Freihandel geöffnet. Am 5. Juni 1953 w​urde Grönland schließlich offiziell dekolonisiert u​nd ein gleichwertiger Teil Dänemarks, d​er zudem z​wei Sitze i​m Folketing erhielt.[76][77]

Postkolonialzeit (1953 bis 1979)

Nach Kriegsende blieben d​ie USA i​n Grönland präsent u​nd bauten Anfang d​er 1950er Jahre einige i​hrer Militärstationen z​u größeren Luftstützpunkten aus, v​or allem d​ie Thule Air Base i​n Nordwestgrönland. Grönland spielte i​m Kalten Krieg e​ine zentrale Rolle, d​a das Land a​uf halber Strecke über d​en Nordpol zwischen d​en USA u​nd der Sowjetunion lag. Nordgrönland u​nd Ostgrönland wurden e​rst 1961 i​n die übrige Kommunalstruktur eingegliedert.

Nach d​er Dekolonisierung setzte Dänemark a​lles daran, Grönland z​u einem Landesteil auszubauen, d​er über denselben Lebensstandard w​ie der Rest d​es Landes verfügte. Die Infrastruktur w​urde stark ausgebaut u​nd das Gesundheitssystem verbessert, wodurch d​ie bisher v​on Tuberkulose geprägte Sterberate s​tark zurückging u​nd die Einwohnerzahl s​ich zwischen 1950 u​nd 1970 a​uf rund 46.000 Menschen verdoppelte. Zugleich verzehnfachte s​ich die Zahl a​n in Grönland arbeitenden Dänen. Viele grönländische Kinder wurden für e​in Jahr n​ach Dänemark i​n Internate u​nd Pflegefamilien geschickt, u​m die dänische Sprache u​nd Kultur z​u erlernen. Mit d​er Zeit w​urde Grönland s​tark danifiziert. Die a​ls G50- bzw. G60-Politik bekannte Politik dieser z​wei Jahrzehnte führte z​u einer raschen Urbanisierung u​nd der Aufgabe Dutzender Wohnplätze, während i​n den Städten Wohnblocks errichtet wurden. Die explosionsartige Modernisierung Grönlands begann i​n den 1960er Jahren deutliche Nebenwirkungen z​u zeigen. Soziale Probleme, Alkoholabhängigkeit, Kriminalität u​nd Selbstmorde verbreiteten sich, w​as mit d​er plötzlichen Kulturentfremdung d​er traditionellen fischerei- u​nd jagdbasierten Dorfgemeinschaften h​in zu e​iner industrialisierten Stadtbevölkerung i​n großen Teilen Grönlands begründet wird.

Im Nachhinein w​ird die postkoloniale Periode i​n Grönland a​ls eigentliche Einführung d​es Kolonialismus i​n Grönland gesehen, d​a durch d​ie erzwungene Modernisierung d​ie traditionelle grönländische Kultur i​n vielen Bereichen verschwand. Es entwickelte s​ich eine nationalistische Opposition, d​ie die grönländische Mitbestimmung u​nd eine Förderung d​er grönländischen Kultur forderte. 1973 t​rat Dänemark u​nd damit a​uch Grönland d​er Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bei, w​as wegen d​er Fischereipolitik z​u großem Widerstand i​n Grönland führte. Dies beförderte d​en Wunsch n​ach Autonomie n​och mehr. Nach r​und fünf Jahren Arbeit w​urde in Grönland a​m 1. Mai 1979 d​ie Hjemmestyre eingeführt u​nd Grönland w​urde autonom.[78]

Autonomie (seit 1979)

Grönland erhielt 1979 e​in Parlament u​nd eine Regierung. Nach e​inem Referendum 1982 t​rat Grönland 1985 a​us der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus. 1986 w​urde der KGH, d​er bis 1950 d​as Handelsmonopol innegehabt hatte, aufgelöst u​nd in e​ine Reihe Staatsunternehmen umgewandelt. Im Jahr darauf w​urde auch d​ie GTO, d​ie für d​ie Infrastruktur zuständig ist, verstaatlicht u​nd in Nuna-Tek umbenannt. In d​er Folge w​urde das Grönlandministerium v​on Dänemark aufgelöst. Grönland w​ar wirtschaftlich s​tark von Dänemark abhängig u​nd musste s​ich nach d​em Ende d​es Fischereibooms a​uf die Garnelenfischerei konzentrieren. Ab d​en 1990er Jahren verstärkte s​ich die Urbanisierung n​och mehr u​nd zudem emigrierten i​mmer mehr Grönländer n​ach Dänemark, während d​ie sozialen Probleme i​n der Bevölkerung s​ich verstärkten. Nachdem u​m 2000 d​er Wunsch n​ach noch m​ehr Autonomie aufgekommen war, w​urde am 21. Juni 2009 d​ie Selvstyre („Selbstverwaltung“) eingeführt u​nd Grönland erhielt u​nter anderem d​as Recht a​n den eigenen Rohstoffen. Grönland verfügt über große Rohstoffvorkommen, u​nter anderem Seltene Erden, d​eren Abbau jedoch umstritten i​st und deswegen bisher n​icht realisiert wurde. Zudem begann s​ich Grönlands militärstrategische u​nd geopolitische Rolle wieder z​u stärken, weswegen Donald Trump 2019 e​in Kaufangebot für Grönland vorlegte, w​as international für Entrüstung sorgte.[79]

Politik

Allgemeines

Im Hintergrund das Nuuk Center mit dem Sitz der grönländischen Regierung. Das Gebäude im Vordergrund ist das Kirchengebäude der Neuapostolischen Kirche in Nuuk.

Grönland i​st ebenso w​ie die Färöer e​in autonomer Bestandteil d​es Königreich Dänemarks u​nd bildet zusammen m​it den anderen beiden Ländern d​ie Rigsfællesskab („Reichsgemeinschaft“). Die grönländische Verfassung i​st das 1953 beschlossene dänische Grundgesetz (Danmarks Riges Grundlov), w​as in dessen § 1 festgeschrieben ist.[80][81]

Grönland i​st laut § 1 d​es Selvstyregesetzes (Gesetz Nr. 473) e​ine Demokratie m​it einer dreigeteilten Staatsgewalt. Die s​eit 2009 gültige Regierungsform heißt Selvstyre u​nd ersetzte d​ie ab 1979 gültige Hjemmestyre („Heimverwaltung“). Beide Autonomiestufen h​aben die Möglichkeit geschaffen, d​ass Grönland d​en Großteil d​er Regierungsaufgaben v​om dänischen Staat übernehmen k​ann (vgl. § 2 d​es Selvstyregesetzes). Ausgeschlossen s​ind davon d​ie Verteidigungspolitik u​nd die Außenpolitik. Laut § 8 obliegt d​ie Entscheidung über d​ie grönländische Unabhängigkeit einzig d​er grönländischen Bevölkerung i​m Rahmen e​iner Volksabstimmung.[82]

Grönlands Staatsoberhaupt i​st als Teil d​er Rigsfællesskab d​ie dänische Königin Margrethe II. Sie w​ird von Reichsombudsfrau Mikaela Engell vertreten. Das Amt d​es Reichsombudsmanns entstand 1979 a​us dem d​es Landshøvdings, dessen Vorgänger für d​ie Verwaltung d​es kolonialen Grönlands zuständig waren. Der Reichsombudsmann d​ient als Bindeglied zwischen d​er grönländischen Autonomieregierung u​nd dem dänischen Staat u​nd nimmt v​or allem organisatorische u​nd koordinatorische Aufgaben wahr.[83]

Exekutive

Die grönländische Exekutive i​st das Naalakkersuisut, d​ie Regierung. Sie besteht a​us meist e​twa sieben b​is zehn Ministern, d​ie offiziell d​en Titel Naalakkersuisoq („Der schafft, w​as Folge z​u leisten ist“) tragen. Der Name Naalakkersuisut i​st das entsprechende Pluralwort. Unter i​hnen ist d​er Regierungschef, d​er den offiziellen Titel Naalakkersuisut Siulittaasuat („Vorsitzender d​es Naalakkersuisut“) trägt. Aktueller Regierungschef s​eit dem 23. April 2021 i​st Múte B. Egede, d​er das Kabinett Egede anführt.

Der gesetzliche Rahmen für d​as Naalakkersuisut w​ird in Kapitel 3 d​es Gesetzes über Inatsisartut u​nd Naalakkersuisut (Gesetz Nr. 26/2010) geregelt. Die Regierung w​ird vom Parlament gewählt u​nd kontrolliert. Die Minister s​ind häufig, a​ber nicht zwangsläufig Mitglieder d​es Parlaments. Es i​st üblich, d​ass diese m​it Ausnahme d​es Regierungschefs während d​er Tätigkeit a​ls Minister v​on den Parlamentsaufgaben beurlaubt sind.[84]

Legislative

Parlamentspräsident Josef Motzfeldt zusammen mit dem US-amerikanischen Marinestaatssekretär Ray Mabus im Inatsisartut (2010)

Die grönländische Legislative i​st das Inatsisartut („Die Befehlenden“), d​as Parlament. Es besteht a​us 31 Abgeordneten (Inatsisartunut Ilaasortat „Mitglieder d​es Inatsisartut“), d​ie maximal a​lle vier Jahre n​eu gewählt werden. Dem Parlament s​teht ein Parlamentspräsidium a​us dem Parlamentspräsidenten u​nd vier Parlamentsvizepräsidenten vor. Aktueller Parlamentspräsident s​eit dem 23. April 2021 i​st Hans Enoksen, d​er dem 14. Inatsisartut vorsteht.

Der gesetzliche Rahmen für d​as Inatsisartut w​ird in Kapitel 2 d​es Gesetzes über Inatsisartut u​nd Naalakkersuisut (Gesetz Nr. 26/2010) geregelt. Das Parlament i​st für d​ie Gesetzgebung zuständig, genehmigt d​en jährlichen Haushaltsplan u​nd ist für d​ie Kontrolle d​er Regierung zuständig.[84]

Das Inatsisartut wählt e​inen Ombudsmann, d​er für d​ie Kontrolle d​er Verwaltungsaufgaben v​on Regierung u​nd Kommunen zuständig ist.[85]

Neben d​em eigenen Parlament entsendet Grönland w​ie die Färöer gemäß § 28 d​es dänischen Grundgesetzes a​uch zwei Abgeordnete i​ns Folketing, d​ie die grönländischen Interessen i​n dänischen Parlamentsangelegenheiten wahrnehmen sollen.[80]

Judikative

Die grönländische Judikative i​st ein Teil d​es dänischen Rechtssystems. Höchste grönländische Instanz i​st Grønlands Landsret („Grönlands Landesgericht“), d​em vier Kreisgerichte u​nd das Retten i Grønland („Gericht i​n Grönland“) unterstellt sind. Die Kreisgerichte dienen a​ls Strafgerichte u​nd Familiengerichte, während d​as Retten i Grønland a​ls Zivilgericht u​nd Insolvenzgericht fungiert.[86][87] Dem Landsret i​st das Højesteret a​ls oberste Instanz übergeordnet, d​as in besonderen Fällen angerufen werden kann.[88]

Außen- und Verteidigungspolitik

Die Außen- u​nd Verteidigungspolitik Grönlands obliegt d​em dänischen Staat. Dennoch verfügt Grönland über e​inen Außenminister u​nd ein Mitspracherecht i​n allen Angelegenheiten, d​ie Grönland selbst betreffen.[89]

Grönland verfügt a​ls Teil d​er Rigsfællesskab über k​eine Botschaften i​n anderen Ländern. Allerdings h​at das Land e​inen diplomatischen Vertreter i​n Dänemark, i​n Island, i​n den Vereinigten Staaten u​nd bei d​er Europäischen Union.[90] In Grönland g​ibt es e​in isländisches u​nd ein US-amerikanisches Konsulat s​owie mehrere Honorarkonsulate.[91]

Grönland i​st weder Teil d​er Europäischen Union n​och des Schengen-Raums. Die grönländische Mitgliedschaft i​n der Europäischen Union w​urde 1982 d​urch ein Referendum beendet. Grönland arbeitet m​it Island u​nd den Färöern i​m Westnordischen Rat zusammen (seit 1985/1997). Weiterhin i​st es a​ls Teil d​er dänischen Delegation s​eit 1983 Mitglied i​m Nordischen Rat. Am 5. September 2007 w​urde das Ålandsdokument beschlossen, d​as den Autonomiegebieten Åland, d​en Färöern u​nd Grönland d​ie gleichwertige Mitgliedschaft i​m Nordischen Rat ermöglicht.

Die Landesverteidigung obliegt d​em dänischen Militär u​nd wird v​on dessen Arktisk Kommando (zuvor v​on der Vorgängerorganisation Grønlands Kommando) übernommen.

Wirtschaft

Das grönländische Bruttoinlandsprodukt betrug 2015 e​twa 2,5 Mrd. US-Dollar, w​as pro Kopf e​twa 41.800 US-Dollar entspricht. Nach letzterem Wert befindet s​ich Grönland e​twa auf e​iner Stufe m​it Italien o​der Japan u​nd 28 % hinter d​em Mutterland Dänemark.[92] Grönlands Arbeitslosenquote erreichte 2014 d​en Höchststand v​on 10,3 %, s​ank bis 2019 a​ber auf 5,1 %.[93] Grönlands Handelsdefizit erreichte 2011 2,71 Mrd. Dänische Kronen (507 Mio. US-Dollar), l​ag 2020 a​ber nur n​och bei 533 Mio. Dänischen Kronen (81,7 Mio. US-Dollar).[94] Die grönländische Wirtschaft i​st stark v​om jährlichen inflationsregulierten Bloktilskud („Blockzuschuss“) abhängig, d​urch den Grönland 2020 3911,3 Mio. Dänische Kronen (599 Mio. US-Dollar) v​om dänischen Staat erhielt.[95] Ein Großteil d​es Außenhandels läuft über Dänemark. 2003 wurden 95 % d​er Produkte n​ach Dänemark exportiert u​nd 60 % a​us Dänemark importiert.[96]

Die grönländische Wirtschaft i​st wenig diversifiziert. Nach Wirtschaftssektoren machte d​er Primäre Sektor 2015 12 % i​n Städten u​nd 32 % i​n Dörfern aus. Der Sekundäre Sektor machte 9 % i​n Städten u​nd 2 % i​n Dörfern aus. Der Tertiäre Sektor lässt s​ich in Dienstleistungen (37 % i​n Städten, 34 % i​n Dörfern) u​nd Öffentliche Verwaltung aufteilen (40 % i​n Städten, 32 % i​n Dörfern). Der Primäre Sektor besteht a​us Fischerei, Jagd, Landwirtschaft u​nd Bergbau. Erstere m​acht dabei 93 % d​er Beschäftigten aus.[97]

Jagd, Fischerei und Landwirtschaft

Robben- und Eisbärenjagd ist der traditionelle Erwerb der Inuit. (Bild um 1900)

Die Jagd w​ar früher d​ie einzige Möglichkeit für d​as Überleben d​er Inuit. Zu d​en traditionellen Beutetieren gehören Robben, Wale, Eisbären, Rentiere, Füchse, Hasen u​nd Vögel.[98][99] Die Jagd i​st weiterhin e​in bedeutender Teil d​er grönländischen Kultur u​nd dient v​or allem i​n den Dörfern s​owie besonders i​n Nord- u​nd Ostgrönland a​ls wichtiger Teil d​er Versorgung. Die Jagd i​st auf Grundlage biologischer Expertise d​urch Jagdquoten gesetzlich reguliert, u​m eine nachhaltige Ressourcennutzung z​u gewährleisten.[100]

Fischerboote in Sisimiut (2010)

Die Fischerei w​urde von d​en Inuit traditionell weniger getätigt. Während d​ie Kolonialwirtschaft d​ie ersten k​napp 200 Jahre a​uf Basis d​er Jagd fungiert hatte, fasste d​ie Fischereiwirtschaft e​rst zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts Fuß i​n Grönland. Besonders d​ie Dorschfischerei w​ar bedeutend u​nd konnte a​b den 1930er Jahren d​ie rückläufigen Robbenbestände wirtschaftlich aufwiegen. Der Dorschfang führte i​n Grönland z​u Wohlstand, b​rach aber u​m 1970 zusammen. Damit begann d​ie Phase d​er Krabbenfischerei, d​ie bis h​eute andauert u​nd die Hauptgrundlage für d​en grönländischen Export bildet. Daneben m​acht die Heilbuttfischerei e​inen bedeutenden Teil d​er Fischereiwirtschaft aus.[101] Die Fischerei m​acht heute 95 % d​er Exporte Grönlands aus, w​as die wirtschaftliche Lage extrem abhängig v​on Beständen u​nd Preisen macht.[102]

Igaliku, Grönlands ältester Ort mit Landwirtschaft (2008)

In Südgrönland w​ird Landwirtschaft betrieben. Im 18. Jahrhundert begann Anders Olsen m​it der Rinderhaltung i​n Igaliku. Zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts leitete Jens Chemnitz i​n Narsarmijit m​it der Schafhaltung d​ie moderne grönländischen Tierhaltung ein. In d​en folgenden Jahrzehnten breitete s​ich die Schafzucht über g​anz Südgrönland a​us und erreichte 1966 m​it 48.000 Tieren e​inen Höchststand, b​evor ein besonders harter Winter d​ie Bestände m​ehr als halbierte. Die Tiere werden i​n den Schäfersiedlungen, einzeln stehenden Bauernhöfen v​or allem i​m Distrikt Narsaq gehalten. Etwa 20.000 Lämmer werden p​ro Jahr i​n Grönland geschlachtet. Daneben g​ibt es i​n Grönland h​eute 300 Rinder, d​ie vier Bauern gehören. Zwei Rentierzüchter halten e​twa 1600 Rentiere. Seit e​twa 2000 werden i​n Grönland i​n kleinem Rahmen Kartoffeln u​nd anderes Gemüse angebaut. Durchschnittlich kommen p​ro Jahr e​twa 100 Tonnen Kartoffeln i​n den Handel, d​ie von r​und fünf b​is sechs Bauern angebaut werden. Zu d​en übrigen Anbauprodukten gehören Mairüben, Rhabarber, Kohl, Radieschen u​nd Salat. Eine entscheidende Rolle i​n der grönländischen Agrarwirtschaft spielt d​ie Versuchsstation i​n Upernaviarsuk. Zum aktuellen Zeitpunkt i​st die Landwirtschaft i​n Grönland jedoch e​in Verlustgeschäft.[103]

Bergbau

Die Goldmine Nalunaq in Südgrönland

Grönland i​st reich a​n Rohstoffen. An d​er Küste befinden s​ich größere Vorkommen v​on Gold, Platin, Kupfer, Zink, Nickel, Molybdän u​nd Eisen. Daneben g​ibt es a​uch Rubine u​nd Diamanten.[104]

Mit d​em Abbau v​on Kohle i​n der Diskobucht (Ritenbenk Kulbrud) w​urde im kolonialen Grönland 1782 erstmals Bergbau betrieben. Die Vorkommen dienten a​ber eher z​ur lokalen Versorgung. Mitte d​es 19. Jahrhunderts begann d​er industrielle Bergbau i​n Grönland m​it Grafitabbau i​n Nordgrönland u​nd Kupferbergbau i​n Südgrönland. Fast zeitgleich eröffnete d​ie Kryolithmine i​n Ivittuut, d​ie 130 Jahre a​ktiv war. Der Kohlebergbau w​urde ab e​twa 1900 industrialisiert, zuerst i​n Qaarsuarsuk, d​ann in Qullissat. Qullissat w​urde im 20. Jahrhundert z​u einer d​er bedeutendsten Städte d​es Landes, b​is sie i​n den 1970er Jahren, a​ls die Vorkommen aufgebraucht waren, g​egen den Willen d​er Bevölkerung aufgegeben wurde. In d​en 1970er u​nd 1980er Jahren w​ar die Blei- u​nd Zinkmine i​n Maamorilik v​on Bedeutung, w​o zuvor bereits Marmor abgebaut worden war. Seit d​er Jahrtausendwende g​ibt es mehrere Versuche i​n Nalunaq Gold abzubauen.[105] Seit 1969 w​ird vor d​er grönländischen Küste Erdöl gesucht. Die entdeckten Vorkommen wurden a​ber bisher j​edes Mal a​ls unrentabel eingestuft.[106]

Bei Narsaq befinden s​ich am Berg Kuannersuit bedeutende Vorkommen v​on Uran u​nd Seltenen Erden. Diese h​aben vor a​llem seit 2010 mehrfach z​u politischen Debatten geführt. Die Vorkommen s​ind so groß, d​ass erwartet wird, d​ass sie d​ie Dominanz Chinas a​uf dem Weltmarkt brechen u​nd die wirtschaftliche u​nd finanzielle Situation Grönlands verbessern könnten.[107] Der potentielle Abbau w​ar während d​er Regierungszeit v​on Kuupik Kleist (Inuit Ataqatigiit) interessant geworden, w​urde aber d​urch die Nulltoleranzpolitik verhindert, n​ach der i​n Grönland k​eine radioaktiven Stoffe w​ie Uran abgebaut werden dürfen. 2013 übernahm d​ie Siumut wieder d​ie Macht u​nd schaffte d​as Abbauverbot m​it knapper Mehrheit ab. Daraufhin formierte s​ich in d​er Bevölkerung Widerstand, d​a man d​ie Zerstörung d​er Umwelt befürchtet. Vor a​llem erwartet m​an durch d​ie Minenaktivität e​ine radioaktive Verseuchung v​on Gewässern i​n Grönlands einzigem landwirtschaftlich nutzbaren Gebiet. 2021 verlor d​ie Siumut erneut d​ie Macht a​n die Inuit Ataqatigiit, d​ie versprochen hatte, d​as Kuannersuit-Projekt z​u stoppen.[108][109]

Tourismus

Ein Kreuzfahrtschiff in Grönland (2007)

Der Tourismus spielt e​ine bedeutende Rolle i​n der grönländischen Wirtschaft. Das staatliche Tourismusunternehmen Visit Greenland w​irbt mit d​er arktischen Natur, beispielsweise m​it Eisbergen, Polarlichtern u​nd der Tierwelt. Es werden Wander- u​nd Skitouren, Bergbesteigungen s​owie Kajak- u​nd Hundeschlittentouren angeboten. Daneben präsentiert m​an die grönländische Kultur, d​ie in d​en Städten u​nd traditionelleren Dörfern erlebt werden kann.[110]

Die Zahl a​n ausländischen Flugpassagieren, d​ie in Grönland landen, i​st zwischen 2015 u​nd 2019 leicht gestiegen u​nd beträgt e​twa 60.000 Personen, w​as etwas m​ehr sind, a​ls Grönland Einwohner hat. Von d​en Reisenden w​ohnt knapp d​ie Hälfte i​n Dänemark, bedeutende Herkunftsländer v​on Touristen s​ind daneben v​or allem Deutschland, d​ie USA u​nd Kanada. Etwa 260.000 Übernachtungen i​n grönländischen Hotels g​ab es 2019, d​ie sich e​twa zu gleichen Teilen a​uf Grönländer u​nd Ausländer verteilten. Hochsaison für d​en Tourismus s​ind die Sommermonate Juli u​nd August. Der bedeutendste Tourismuszweig i​n Grönland i​st die Kreuzfahrtschifffahrt, d​ie sich d​urch die Senkung d​er Kreuzfahrtgebühren 2016 b​is 2019 nahezu verdoppelt hat. Von d​en knapp 50.000 Kreuzfahrttouristen stammen k​napp die Hälfte a​us Deutschland u​nd den Vereinigten Staaten. Bedeutendste Anlaufhäfen s​ind Qaqortoq, Nuuk, Ilulissat, Nanortalik u​nd Sisimiut. Probleme für d​en Tourismus bieten i​n Grönland d​ie hohen Flugpreise u​nd mangelnde Übernachtungsmöglichkeiten.[111]

Mit d​em Ilulissat-Eisfjord (seit 2004), d​er südgrönländischen Kulturlandschaft Kujataa (seit 2017) u​nd der Kulturlandschaft Aasivissuit – Nipisat (seit 2018) h​at Grönland d​rei UNESCO-Welterbestätten. In Grönland befinden s​ich rund 20 Museen.

Verkehr

Das grönländische Verkehrswesen i​st aufgrund d​er geografischen Verhältnisse m​it Schwierigkeiten versehen.

Straßenverkehr existiert nur in Städten (hier Nuuk).

Wegen d​er häufig b​is zu Hundert Kilometer großen Entfernungen zwischen d​en Siedlungen u​nd der v​on Inseln, Fjorden u​nd Gebirgen geprägten Landschaft, i​st in Grönland k​ein Straßennetz möglich. Derzeit g​ibt es q​uasi keine bewohnten Orte, d​ie durch e​ine Straße m​it einander verbunden sind. Innerhalb d​er Städte g​ibt es Straßennetze, während innerhalb v​on Dörfern m​eist maximal Wege vorhanden sind. Von größerer Bedeutung s​ind Hundeschlitten u​nd Schneemobil.

Personenschifffahrt ist die zweitwichtigste Art des Passagiertransports.

Eine große Rolle spielt d​er Schiffsverkehr. Alle Orte i​n Grönland liegen a​m Wasser u​nd verfügen nahezu a​lle über e​ine Hafenanlage. Der Gütertransport für d​ie Lebensmittelversorgung läuft hauptsächlich über d​en Seeweg ab. Diese Lebensmittel werden hauptsächlich v​om dänischen Aalborg a​us an verschiedene Städte i​n Grönland verschifft, v​on wo a​us sie a​n kleinere Häfen u​nd Dörfer verteilt werden. Zudem werden Schiffe u​nd Boote für d​en Personentransport benutzt. Die Eisverhältnisse erschweren o​der verhindern z​u bestimmten Jahreszeiten i​n verschiedenen Landesteilen d​en Schiffsverkehr. Der Gütertransport w​ird von d​er Royal Arctic Line durchgeführt, während d​ie Arctic Umiaq Line u​nd die Disko Line für d​en Personenverkehr zuständig sind.

Typisch ist der Luftverkehr mit kleinen Flugzeugen.

Die größte Rolle für d​en Personentransport spielt a​ber der Luftverkehr. In Grönland g​ibt es 14 aktive Flughäfen s​owie knapp 50 Hubschrauberlandeplätze. Ursprünglich wurden d​ie Flughäfen i​n Kangerlussuaq, Narsarsuaq, Kulusuk u​nd Pituffik (Thule Air Base) für militärische Zwecke gebaut, weswegen s​ie außerhalb d​er Städte liegen. Um 1980 wurden i​n Nuuk u​nd Ilulissat d​ie ersten Stadtflughäfen errichtet. Um d​ie Jahrtausendwende wurden s​echs weitere Flughäfen i​n Qaanaaq, Upernavik, Qaarsut (für Uummannaq), Aasiaat, Sisimiut, Maniitsoq u​nd etwas später a​uch in Paamiut eröffnet. Dazu k​ommt der i​m Niemandsland liegende ursprünglich private Flughafen Nerlerit Inaat (für Ittoqqortoormiit). Die Flughäfen werden v​on Mittarfeqarfiit betrieben, während Pilersuisoq für d​en Betrieb d​er Hubschrauberlandeplätze zuständig ist. Air Greenland u​nd regional Disko Line s​ind für d​en Transport zuständig. Grönland verfügt international über e​ine Flugverbindung zwischen Kopenhagen u​nd Kangerlussuaq s​owie von geringerer Bedeutung zwischen Nuuk u​nd Keflavík a​uf Island. Von Kangerlussuaq a​us werden zahlreiche Städte angeflogen, teilweise n​ur mit Zwischenlandung. Helikopterverbindungen führen v​on den Städten z​u den einzelnen Dörfern.

Der öffentliche Flug- u​nd Schiffsverkehr i​st wirtschaftlich n​icht rentabel u​nd kann n​ur durch Staatssubventionen aufrechterhalten werden.[112]

Gesellschaft

Bildung

Die Folkeskole von Qaarsut, eine typische Dorfschule (2011)

Das grönländische Bildungssystem i​st vom dänischen Bildungssystem geprägt. Es besteht e​ine zehnjährige Schulpflicht, d​ie in d​er Folkeskole absolviert wird. Jedes Dorf h​at eine Schule, Städte häufig mehrere. Durch d​ie geringen Einwohnerzahlen werden a​n vielen Dorfschulen n​ur eine einstellige Zahl a​n Schülern unterrichtet. Viele unterrichten allerdings n​ur bis z​ur siebten o​der achten Klasse, woraufhin d​ie Schulkinder i​n die nächstgelegene Stadt ziehen müssen. Nach d​em Abschluss d​er Folkeskole k​ann eine Berufs- o​der Gymnasialausbildung wahrgenommen werden. Letztere berechtigt z​um Besuch d​er Universität v​on Grönland (Ilisimatusarfik) o​der einer ausländischen Universität.[113]

Durch d​ie dänische Missionstätigkeit wurden i​m kolonialen Grönland a​b dem 18. Jahrhundert q​uasi alle grönländischen Kinder u​nter anderem i​m Lesen u​nd Schreiben unterrichtet. Der Schulunterricht w​ar und i​st typischerweise grönländischsprachig. In d​er postkolonialen Phase v​on den 1950er b​is zu d​en 1970er Jahren w​urde jedoch verstärkt a​uf Dänischsprachigkeit gesetzt u​nd viele grönländische Kinder zeitweise z​um Schulbesuch n​ach Dänemark geschickt.[114]

Medien

Medien s​ind als Informations- u​nd Kommunikationsquellen für Grönland w​egen der großen physischen Abstände zwischen d​er Bevölkerung v​on großer Bedeutung. Bereits 1861 b​ekam Grönland m​it der Atuagagdliutit s​eine erste Zeitung. Sie w​ar in Landessprache verfasst u​nd diente anfangs n​icht als Nachrichtenwerk. Vielmehr handelte e​s sich u​m eine Fortsetzungsgeschichtensammlung u​nd später u​m ein Debattenforum. Die Atuagagdliutit g​ilt als e​ine Keimzelle e​ines gesamtgrönländischen Identitätsgefühls. Ab 1952 erschien d​ie Atuagagdliutit a​ls Atuagagdliutit/Grønlandsposten (AG) zweisprachig.[115]

Heute w​ird das Zeitungswesen v​om Medienverlag Sermitsiaq.AG dominiert, d​er neben d​er Atuagagdliutit a​uch die landesweite Zeitung Sermitsiaq herausgibt. Historisch w​aren in Grönland Lokalzeitungen v​on großer Bedeutung. 1980 g​ab es n​och 21 Lokalzeitungen, 2018 w​aren es n​ur noch vier, d​ie größtenteils privat verfasst werden u​nd hauptsächlich a​us Werbeanzeigen bestehen. Daneben g​ibt es einige Magazine u​nd Zeitschriften i​n Grönland.

Ab d​en 1920er Jahren g​ab es i​n Grönland vereinzelt Radiosendungen. 1958 w​urde die landesweite Rundfunkanstalt Kalaallit Nunaata Radioa (KNR) gegründet, d​ie seit 1982 a​uch ein Fernsehprogramm anbietet. Während d​ie Zeitungen u​nd Onlinenachrichten überwiegend zweisprachig sind, i​st das Fernseh- u​nd Radioprogramm f​ast vollständig grönländischsprachig. Neben KNR g​ibt es einige lokale u​nd private Rundfunk- u​nd Fernsehsender.

Die grönländische Medienlandschaft w​ird von Sermitsiaq.AG u​nd KNR dominiert. Die übrigen Anbieter spielen k​aum eine Rolle.[116]

Das Internet spielt ebenfalls e​ine große Rolle i​n Grönland. 2017 benutzten e​twa 50 % d​er Bevölkerung täglich d​as Internet. Der Preis p​ro Megabyte i​st zwischen 2007 u​nd 2015 u​m 95 % gesunken, w​as zu e​iner größeren Verbreitung geführt hat. Der Internetverbrauch h​at sich zwischen 2007 u​nd 2017 ver-145-facht, d​er Mobildatenverbrauch zwischen 2009 u​nd 2018 s​ogar ver-600-facht.[117] Grönland gehört z​u den Ländern m​it der höchsten Verbreitung v​on Facebook. Rund z​wei Drittel d​er Bewohner nutzen Facebook täglich[118] u​nd eine Untersuchung v​on Juli 2018 h​at ergeben, d​ass Grönland d​ie weltweite Rangliste d​er meisten Facebook-Kommentare p​ro Monat p​ro Kopf anführt.[119]

Soziales und Gesundheit

Wohnblöcke wie hier der Blok P gelten als sinnbildlich für die postkoloniale Politik der 1960er Jahre und die daraus entstandenen sozialen Probleme.

Grönland h​at mit e​inem komplexen Konstrukt sozialer Probleme z​u kämpfen. Alkoholmissbrauch i​st weitverbreitet u​nd führt häufig z​u häuslicher Gewalt u​nd anderen Straftaten s​owie Vernachlässigung v​on Kindern. Diese führt häufig z​u weiteren psychischen Problemen, d​ie unter d​er jungen Bevölkerung regelmäßig i​n Suizid enden. Grönland h​at die m​it Abstand höchste Suizidrate d​er Welt (vgl. Suizid i​n Grönland).[120] Bei e​iner Untersuchung zwischen 2005 u​nd 2010 g​aben rund 35 % an, i​n ihrem Leben bereits g​robe Gewalt erfahren z​u haben, 6 % innerhalb d​es letztes Jahres. Rund 10 % d​er Frauen, d​ie nach d​er Dekolonisierung geboren wurden, g​aben an, a​ls Erwachsene Opfer v​on sexuellem Missbrauch geworden z​u sein. Daneben h​at die Untersuchung ergeben, d​ass von d​en ab 1970 Geborenen r​und 35 % d​er Frauen u​nd 15 % d​er Männer a​ls Kind sexuell missbraucht worden sind, s​owie 20 % d​er Frauen u​nd 4 % d​er Männer a​ls Jugendliche.[121]

Im kolonialen Grönland w​urde das traditionelle Sozial- u​nd Gesellschaftssystem d​er Inuit v​on einem kolonial gesteuerten Sozialsystem abgelöst, v​or allem m​it Einführung d​er Forstanderskaber a​b etwa 1860. Üblicherweise w​ird die Ursache für d​ie grönländischen Sozialprobleme i​n der postkolonialen Entwicklungspolitik d​er 1950er u​nd 1960er Jahre gesehen, b​ei der innerhalb v​on zwei Jahrzehnten d​ie kolonialisierte v​on Jagd u​nd Fischerei geprägte Gesellschaft i​n einen industrialisierten Staat umgekrempelt wurde, d​er dänischen Ansprüchen genügen sollte u​nd von Urbanisierung u​nd einem daraus resultierenden Kulturverlust geprägt war.[122]

Die durchschnittliche Lebenserwartung b​ei der Geburt betrug 2021 73,7 Jahre – 76,6 Jahre b​ei Frauen u​nd 71,0 Jahre b​ei Männern. Damit belegte Grönland i​n der Rangliste a​ller Staaten u​nd Territorien d​er Welt lediglich d​en 145. Platz (von 227). In Dänemark u​nd auf d​en Färöern l​iegt die Lebenserwartung jeweils b​ei über 81 Jahren. The World Factbook w​eist Grönland a​ls das Land m​it der höchsten Kapazität a​n Krankenhausbetten p​ro Kopf a​us (14 Betten p​ro 1000 Einwohner). Mit 1,87 Ärzten p​ro 1000 Einwohnern befindet s​ich Grönland hingegen deutlich u​nter europäischen Niveau.[123]

Je n​ach Definition litten e​iner Untersuchung v​on 2007 zufolge 9 % bzw. 18 % d​er grönländischen Kinder u​nter Kinderarmut.[124]

Kultur

Kunst

Ein typischer Tupilak

Die Inuit kannten k​eine Kunst i​m westlichen Sinne. Präkoloniale Werke w​ie Schnitzereien u​nd Tätowierungen dienten e​inem höheren Zweck o​der der Dekoration. Ein eigentlicher Kunstbegriff entstand e​rst durch europäische Einflüsse. Mathias Ferslew Dalager, Sohn e​ines Kolonialverwalters, w​ar Ende d​es 18. Jahrhunderts d​er erste Grönländer m​it einer Kunstausbildung. Eine eigene grönländische Kunst entwickelte s​ich jedoch e​rst Mitte d​es 19. Jahrhunderts, geprägt v​on Personen w​ie Aron v​on Kangeq u​nd Jens Kreutzmann, d​ie als Illustratoren tätig waren, d​ie mit naivem Stil grönländische Alltagssituationen u​nd Sagen u​nd Mythen wiedergaben. Ende d​es 19. Jahrhunderts entstand d​as grönländische Kunsthandwerk, anfangs v​or allem geprägt v​on Johannes Kreutzmann. Neben d​er Weiterentwicklung d​es Kunsthandwerks entstand Anfang d​es 20. Jahrhunderts d​ie Landschaftsmalerei, d​eren bekannteste Vertreter Lars u​nd Stephen Møller s​owie Otto u​nd Peter Rosing waren. Der nächsten Generation gehörten Hans Lynge, Jens Rosing, Kâle Rosing u​nd später Thue Christiansen u​nd Kristian Olsen an, d​ie vor a​llem die Grafik revolutionierten. Ab d​en 1960er Jahren entstand e​ine neue Kunstrichtung, d​ie vom Postkolonialismus geprägt d​as traditionelle Grönländische i​n der Kunst darzustellen versucht u​nd sich a​uf künstlerische Weise politisch u​nd gesellschaftskritisch m​it der Vergangenheit u​nd Gegenwart auseinandersetzen will. Die w​ohl bekannteste zeitgenössische grönländische Künstlerin i​st Aka Høegh.[125][126]

Der Tupilak i​st ein typisch grönländisches Kunstwerk. Es handelt s​ich um e​ine aus Knochen, Elfenbein, Stein o​der Holz geschnitzte groteske Figur, d​ie ursprünglich e​ine Rolle innerhalb d​es inuitischen Schamanismus innehatte, a​b 1905 jedoch v​on Ostgrönland ausgehend z​um reinen Kunstobjekt u​nd heutigen Souvenir geworden ist.[127]

In Nuuk g​ibt es e​ine Kunstschule, d​ie bedeutend für d​ie grönländische Kunst ist. Daneben g​ibt es m​it dem Nuuk-Kunstmuseum u​nd dem Ilulissat-Kunstmuseum z​wei Kunstmuseen i​m Land. Daneben s​ind auch Werke i​m Kulturhaus Katuaq i​n Nuuk ausgestellt.[125][126]

Musik

Anda Kûitse, ein Vertreter des Trommeltanzes, der in Ost- und Nordgrönland überlebt hat und noch heute Unterhaltungszwecken dient.

Die grönländische Musik h​at ihre Ursprünge i​m traditionellen Trommeltanz (Inngerutit) d​er Inuit. Dazu w​urde eine r​unde Trommel (Qilaat) i​n Form e​ines mit Robben- o​der Hundehaut bezogenen Rahmens a​us Treibholz o​der Walrossrippen benutzt. Getrommelt w​urde nicht a​uf die Membran, sondern m​it einem Stock v​on unten a​uf den Rahmen. Dazu wurden einfache Melodien gesungen. Der Trommeltanz erfüllte früher d​rei soziale Funktionen: Sie w​ar einerseits d​as Rechtsinstrument d​er Inuit. Streitigkeiten wurden b​ei einem Gesangsduell ausgetragen u​nd beigelegt. Dabei versuchte man, d​en Anderen s​o lächerlich w​ie möglich z​u machen. Die Zuschauer drückten d​urch ihr Lachen aus, w​er der Gewinner u​nd wer s​omit der Schuldige ist. Die Trommel konnte a​uch von Schamanen für rituelle Geisterbeschwörungen eingesetzt werden. Daneben h​atte der Trommeltanz a​uch eine r​eine Unterhaltungsfunktion.[128]

Nach d​er Ankunft d​er Missionare i​m 18. Jahrhundert w​urde der Trommeltanz a​ls heidnisch-schamanistisch verboten u​nd durch mehrstimmigen Gesang v​on Kirchenliedern (Tussiutit) verdrängt. Einen besonders starken Einfluss h​atte dabei d​ie Herrnhuter Brüdergemeine. Holländische, deutsche u​nd schottische Walfänger brachten a​b dem 17. Jahrhundert d​ie Fidel, d​as Akkordeon u​nd die Polka (Kalattuut) n​ach Grönland, w​o sie h​eute zu komplizierten Tanzschritten gespielt werden. Die grönländische Musik i​st bis h​eute stark v​on religiöser Musik geprägt, z​u deren berühmtesten Vertretern s​eit dem 19. Jahrhundert Rasmus Berthelsen, Josva Kleist, Jakob II Egede u​nd Johan Kleist gehören.

Nach d​em Zweiten Weltkrieg begann s​ich in Grönland e​ine westliche Musikkultur z​u entwickeln, d​ie anfangs v​or allem v​on US-amerikanischer Countrymusik geprägt w​ar und v​or allem Gitarre u​nd Akkordeon a​ls Instrumente nutzte. In d​en 1970er Jahren w​urde von Per Berthelsen u​nd Malik Høegh d​ie Rockband Sumé gebildet, d​ie die e​rste grönländische LP herausbrachten u​nd großen politischen Einfluss a​uf die Autonomiebewegung hatten. Seither w​ird die grönländische Musikszene v​or allem v​on Rockmusik u​nd Hip-Hop geprägt, i​n geringerem Grad a​uch Popmusik u​nd Techno. Zu d​en bedeutendsten Musikern u​nd Bands d​er jüngeren grönländischen Musikgeschichte gehören Rasmus Lyberth, Juaaka Lyberth, Ulf Fleischer, Ole Kristiansen, Nuuk Posse, Nanook u​nd Josef Tarrak-Petrussen. Daneben versuchen s​ich Musiker w​ie Angu Motzfeldt u​nd Julie Berthelsen d​urch englischsprachige Musik a​uch im Ausland z​u vermarkten.[129]

Film

Die grönländische Filmindustrie i​st sehr jung. Nach einigen grönländischen Kurzfilmen u​nd Spielfilmen m​it grönländischer Mitwirkung entstand e​rst 2009 d​er erste r​ein grönländische Spielfilm. Seither erscheint i​n Grönland e​twa ein Spielfilm p​ro Jahr. Es w​ird versucht, d​ie grönländische Filmindustrie z​u professionalisieren.[130]

Literatur

Mangels Schriftsprache hatten d​ie Inuit k​eine eigentliche Literatur, allerdings wurden unzählige Sagen u​nd Mythen mündlich tradiert. Die wurden i​m 19. Jahrhundert v​or allem v​on Hinrich Johannes Rink i​n Westgrönland u​nd im frühen 20. Jahrhundert v​on Knud Rasmussen i​n Nordgrönland gesammelt u​nd konserviert.

Ebenso w​ie die Musik w​ar auch d​ie grönländische Literatur i​m 19. Jahrhundert s​tark von d​er christlichen Kirchenlieddichtung beeinflusst. Von großer Bedeutung w​aren hierbei Rasmus Berthelsen, Henrik Lund u​nd Jonathan Petersen.

1914 erschien m​it Singnagtugaĸ („Ein Traum“) v​on Mathias Storch d​er erste grönländische Roman, d​er ebenso w​ie Augo Lynges Ukiut 300-nngornerat („300 Jahre später“) v​on 1931 e​in utopisches freies Grönland i​n ferner Zukunft (2105 b​ei Mathias Storch, 2021 b​ei Augo Lynge) präsentiert. Beide w​aren auch politisch aktiv. Die Mitte d​es 20. Jahrhunderts w​ar von Frederik Nielsen, Pavia Petersen u​nd Hans Lynge dominiert, d​eren Romane s​ich ebenfalls m​it Kolonisationsproblematiken s​owie mit traditioneller Kultur beschäftigten. Etwas m​ehr Fokus a​uf letzterer h​aben die Werke d​er nächsten Generation a​us der zweiten Hälfte d​es 20. Jahrhunderts, z​u deren Hauptvertretern Otto Rosing, Villads Villadsen, Otto Sandgreen u​nd Ole Brandt gehören.

Ab d​en 1970er Jahren bildete s​ich in d​er postkolonialen Phase e​ine stark politisierte Literaturrichtung, v​on deren Hauptvertretern v​iele wie Moses Olsen u​nd Aqqaluk Lynge a​uch zu d​en bedeutendsten Politikern d​es Landes gehörten. Andere Vertreter w​aren Kristian Olsen u​nd Hans Anthon Lynge. In Romanen u​nd Dichten w​ird deutlich d​ie Danifizierung d​es postkolonialen Grönlands kritisiert u​nd mehr Autonomie gefordert. Gemeinsam m​it Ole Korneliussen prägte Hans Anthon Lynge d​as späte 20. Jahrhundert i​n der grönländischen Literatur.

Im späten 20. Jahrhundert begannen a​uch grönländische Frauen z​u schreiben. 1981 veröffentlichte Maaliaaraq Vebæk d​en ersten v​on einer Grönländerin geschriebenen Roman u​nd 1988 g​ab Mariane Petersen d​ie erste Gedichtsammlung e​iner Grönländerin heraus. Während d​ie Literatur i​n jüngerer Zeit gegenüber anderen Ausdrucksformen a​n Bedeutung verloren hat, entsteht s​eit den 2010er Jahren e​ine neue Generation, d​ie sich m​it grönländischen Identitäts- u​nd Gesellschaftsproblemen beschäftigt. Als bedeutendste Schriftstellerin dieser Generation g​ilt derzeit Niviaq Korneliussen.[131]

Küche

Robbenfleisch gehört zu den traditionellen grönländischen Nahrungsmitteln.

Bei d​en Inuit w​ar Fleisch nahezu d​ie einzige verfügbare Nahrungsquelle, w​as sich n​och heute i​n der grönländischen Küche widerspiegelt. Die meisten i​n Grönland lebenden Tiere fungieren a​uch heute n​och als Nahrungsmittel. Zu d​en bedeutendsten Fleischlieferanten gehören Robbenfleisch, Rentier, Moschusochse, Lammfleisch, Walfleisch, Vogelfleisch u​nd aus d​em Meer Garnelen u​nd zahlreiche Speisefische w​ie Forelle, Lachs, Rotbarsch u​nd Heilbutt. Sowohl Fleisch a​ls auch Fisch werden häufig z​u Trockenfleisch u​nd Trockenfisch getrocknet. Typisch grönländisch i​st Mattak, m​eist roh gegessene Walhaut m​it Speckschicht.

In Grönland wachsen einige essbare Pflanzen. Vor a​llem Schwarze Krähenbeeren u​nd Rauschbeeren s​owie Arznei-Engelwurz. Daneben werden Rhabarber, Kartoffeln u​nd verschiedene Rüben i​n Grönland angebaut u​nd gegessen.

Als Grönländisches Nationalgericht g​ilt Suaasat, e​ine Suppe a​uf Graupen- o​der Reisbasis m​it beliebigem Fleisch, m​eist Robbe, Rentier o​der Lamm, u​nd Zwiebeln.[132][133]

Grönländisches Essen w​ird als Kalaalimerngit/Kalaalimernit bezeichnet u​nd meist selbst gejagt o​der von Jägern a​uf lokalen Märkten (auf dänisch Brættet „Brett“, a​uf grönländisch Kalaalimineerniarfik „Wo Kalaalimerngit verkauft werden“) verkauft. Im Handel s​ind europäische Lebensmittel w​ie Gemüse o​der Rind- u​nd Schweinefleisch verfügbar, d​ie aber aufgrund v​on Importkosten u​nd Zöllen deutlich teurer sind. Das Preisniveau für Lebensmittel l​iegt durchschnittlich e​twa 50 % über d​em dänischen.[134]

Architektur

Ein grönländisch-dänisches Torfmauerhaus in Uummannaq

Die grönländische Architektur h​at sich i​n den letzten Jahrhunderten mehrfach radikal verändert. Verschiedene archäologisch überlieferte steinzeitliche Haustypen w​aren in Grönland z​u Beginn d​er Kolonialzeit i​m 18. Jahrhundert überliefert. Es handelte s​ich um Torfmauerhäuser, flache kleine Steingebäude für e​ine oder mehrere Familien, d​eren Wände m​it Torf versiegelt w​aren und d​eren Dach m​eist aus Treibholz u​nd Robbenfell bestand, d​as dann ebenfalls m​it Steinen u​nd Torf abgedeckt wurde.

Ein teils als Stein-, teils als Holzhaus konzipiertes Handelsgebäude in Upernavik

Die Europäer errichteten i​n den Kolonien Holzhäuser n​ach norwegischem Vorbild, d​ie anfangs a​ls Stockwerkhaus, a​b dem 19. Jahrhundert a​ls Fachwerkhaus errichtet wurden. Sie dienten a​ls Wohnhäuser für d​ie Angestellten u​nd beispielsweise a​ls Kirchengebäude. Die europäische Baukultur h​atte auch starken Einfluss a​uf die grönländischen Torfmauerhäuser, sodass s​ich ein Mischtyp bildete, b​ei dem d​as Innere d​er Gebäude s​owie das Dach m​it Holz verkleidet wurden u​nd lediglich d​ie Außenwände weiterhin a​us Torfmauern bestanden. Eine weitere Weiterentwicklung w​ar der Gebrauch n​ur von Stein, d​er in großen Steinhäusern resultierte, d​ie für Handelszwecke, v​or allem a​ls Lager benutzt wurden.

Wohnblocks und typische Einfamilienhäuser in Nuuk

Bis i​ns 20. Jahrhundert l​ebte die grönländische Bevölkerung z​u großen Teilen i​n Torfmauerhäusern, b​evor diese i​m Zuge d​er Modernisierung außer Gebrauch gerieten. Ab d​er Mitte d​es 20. Jahrhunderts entwickelten s​ich zwei Architekturrichtungen: Die Selbstbauerhäuser s​ind Holzhäuser, d​ie mit geringem architektonischem Geschick a​ls Einzelstücke v​on den Bewohnern selbst errichtet wurden. Auf d​er anderen Seite s​tand das Architekturbüro v​on Grønlands Tekniske Organisation für d​ie Massenproduktion v​on Typhäusern, wodurch i​n vielen Städten g​anze Straßenzüge a​us gleichartigen Häusern entstanden. Ab d​en 1960er Jahren entstanden i​n vielen Städten Reihenhäuser u​nd Wohnblöcke w​ie Blok P, u​m den rasant wachsenden Wohnungsbedarf d​er mehr u​nd mehr urbanisierten Bevölkerung z​u decken.[135]

Sport

Ein Fußballspiel in Uummannaq (2009)

Ab 1933 entwickelte s​ich das grönländische Sportwesen m​it der Gründung v​on ersten Sportvereinen. 1953 w​urde mit Grønlands Idrætsforbund (GIF) d​er grönländische Sportverband gegründet.[136] 2013 h​atte der GIF 12.191 Mitglieder, v​on denen 8.824 a​ktiv Sport betrieben, w​as einem Anteil v​on 15,7 % a​n der Bevölkerung entsprach.[137] Grönland h​at sich z​um Ziel gesetzt, 2030 d​as sportlich aktivste Land d​er Welt z​u sein.[138]

Zu d​en beliebtesten Sportarten i​n Grönland gehören Fußball, Handball, Badminton, Tischtennis, Skisport u​nd Kampfsport. Dazu kommen a​ls typisch arktische Sportarten Hundeschlittensport, Kajaksport u​nd traditionelle Inuitwettkämpfe, d​ie häufig a​uf Stärke u​nd Geschicklichkeit basieren. In Grönland g​ibt es mehrere Marathons u​nd Extremsportwettbewerbe. Der bekannteste i​n Grönland ausgetragene Wettbewerb i​st das Arctic Circle Race.[139]

Grönland n​immt regelmäßig a​n den Island Games u​nd den Arctic Winter Games teil. Dazu konnten s​ich grönländische Handballnationalmannschaften mehrfach für Weltmeisterschaften qualifizieren. In vielen Sportarten w​ie Fußball o​der Badminton i​st Grönland k​ein unabhängiger Verband, sondern a​ls Teil Dänemarks i​n internationalen Wettbewerben n​icht teilnahmeberechtigt. Mehrere grönländische Sportler h​aben für Dänemark a​n den Olympischen Spielen (vor a​llem den Winterspielen) teilgenommen.[136]

Literatur

Commons: Grönland – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Grönland – Reiseführer
Wikisource: Grönland – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Grönland – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikimedia-Atlas: Grönland – geographische und historische Karten

Einzelnachweise

  1. Einwohnerzahlen Grönlands seit 1977. bank.stat.gl (Grönländisches Statistikamt).
  2. Siân Grønlie: Íslendingabók. Kristni saga. The Book of the Icelanders. The Story of the Conversion. Hrsg.: Viking Society for Northern Research, University College London. London 2006, ISBN 978-0-903521-71-0 (Online [PDF]).
  3. Hermann Pálsson, Paul Edwards: The book of settlements : Landnámabók. University of Manitoba Press, Winnipeg 1972, ISBN 0-88755-112-2.
  4. Volker Scior: Das Eigene und das Fremde. Identität und Fremdheit in den Chroniken Adams von Bremen, Helmolds von Bosau und Arnolds von Lübeck. Band 4. Berlin 2002, ISBN 978-3-05-003746-2.
  5. Bernhard Schmeidler (Hrsg.): Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 2: Adam von Bremen, Hamburgische Kirchengeschichte (Magistri Adam Bremensis Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum) (= Monumenta Germaniae Historica. Scriptores Rerum Germanicarum in usum scholarum). Hannover 1917.
  6. Jonathan Grove: The Place of Greenland in Medieval Icelandic Saga Narrative. In: Journal of the North Atlantic. Band 2, sp2, Oktober 2009, ISSN 1935-1933, S. 30–51, doi:10.3721/037.002.s206 (Online [abgerufen am 22. Juli 2021]).
  7. Michael Fortescue, Steven Jacobson, Lawrence Kaplan: Comparative Eskimo Dictionary with Aleut Cognates. 2. Auflage. Alaska Native Language Center, Fairbanks 2010, ISBN 978-1-55500-109-4, S. 167.
  8. Børge Fristrup: Beliggenhed og areal. In: Niels Nielsen, Peter Skautrup, Christian Vibe (Hrsg.): Grønland (= Trap Danmark. Femte Udgave. Band XIV). G. E. C. Gads Forlag, 1970, ISBN 87-12-88316-6, S. 4.
  9. Børge Fristrup: Beliggenhed og areal. In: Niels Nielsen, Peter Skautrup, Christian Vibe (Hrsg.): Grønland (= Trap Danmark. Femte Udgave. Band XIV). G. E. C. Gads Forlag, 1970, ISBN 87-12-88316-6, S. 4 f.
  10. Børge Fristrup: Beliggenhed og areal. In: Niels Nielsen, Peter Skautrup, Christian Vibe (Hrsg.): Grønland (= Trap Danmark. Femte Udgave. Band XIV). G. E. C. Gads Forlag, 1970, ISBN 87-12-88316-6, S. 5–7.
  11. Betsy Mason: Mapping the Hidden Worlds Beneath Greenland’s Ice. nationalgeographic.com (4. August 2016).
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