Folketing

Das Folketing [ˈfɔlkə.tɪŋ] (deutsch etwa „Volksversammlung“, wörtlich Volks-Thing) ist das dänische Parlament. Seit 1953 besteht es aus einer Kammer mit 179 Abgeordneten. Davon werden je zwei „nordatlantische“ Abgeordnete auf den Färöer-Inseln und in Grönland gewählt. Bei der Verteilung der 175 dänischen Mandate gilt eine Zwei-Prozent-Hürde, die aber durch ein errungenes Kreismandat umgangen werden kann.

Folketing
Wappen Schloss Christiansborg
Basisdaten
Sitz: Schloss Christiansborg,
Kopenhagen
Legislaturperiode: 4 Jahre
Erste Sitzung: 1849
Abgeordnete: 179
Aktuelle Legislaturperiode
Letzte Wahl: 5. Juni 2019
Vorsitz: Parlamentspräsident
Henrik Dam Kristensen (S)
Sitzverteilung: Regierung (49)
  • A 49
  • Tolerierung (45)
  • F 15
  • B 14
  • Ø 13
  • Inuit Ataqatigiit 1(G)
  • Siumut 1(G)
  • Javnaðarflokkurin 1(F)
  • Opposition (85)
  • V 39
  • O 16
  • C 12
  • D 4
  • I 3
  • Frie Grønne 3
  • Å 1
  • K 1
  • Sambandsflokkurin 1(F)
  • Unabh. 5
  • (F) Abgeordnete der Färöer
    (G) Abgeordnete aus Grönland
    Website
    www.ft.dk

    Parlamentssitz ist Schloss Christiansborg in Kopenhagen.

    Bis 1953 bildete das Folketing nur eine von zwei Kammern des Dänischen Reichstages, während das Landsting die erste Kammer bildete.

    Das Folketing wird für vier Jahre gewählt. Der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin kann aber jederzeit Neuwahlen ausschreiben. Falls die Regierung in einer als bedeutsam erachteten Frage keine Mehrheit im Folketing findet, muss der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin entweder mit seiner Regierung zurücktreten oder Neuwahlen ausrufen.

    Als fünfter Staat der Erde nach Neuseeland, Australien, Finnland und Norwegen nahm Dänemark mit Island 1915 das Frauenwahlrecht in die Verfassung auf.[1] Es kam 1918 erstmals zur Anwendung.

    Parteien im Folketing

    Nach der Wahl vom 5. Juni 2019 setzte sich das Folketing folgendermaßen zusammen:[2][3]

    Logo Partei Liste Ausrichtung Parteivorsitzende(r)/
    Parteiführer(in)
    Sitze
    nach der
    Wahl
    aktuell +/−
    Socialdemokraterne (S)
    Sozialdemokraten
    A sozialdemokratisch Mette Frederiksen 48 49  1
    Venstre (V)
    Liberale
    V liberal, konservativ Lars Løkke Rasmussen (bis 31. August 2019)
    Jakob Ellemann-Jensen (seit 21. September 2019)
    43 39  4
    Dansk Folkeparti (DF)
    Dänische Volkspartei
    O rechtspopulistisch Kristian Thulesen Dahl 16 16  
    Radikale Venstre (RV)
    Sozialliberale
    B sozialliberal Morten Østergaard (bis 7. Oktober 2020)
    Sofie Carsten Nielsen (seit 7. Oktober 2020)
    16 14  2
    Socialistisk Folkeparti (SF)
    Sozialistische Volkspartei
    F demokratisch-sozialistisch, grün Pia Olsen Dyhr 14 15  1
    Enhedslisten (EL)
    Einheitsliste
    Ø sozialistisch,
    linksalternativ
    kollektiv 13 13  
    Konservative Folkeparti (K)
    Konservative Volkspartei
    C konservativ Søren Pape Poulsen 12 12  
    Alternativet (ALT)
    Alternative
    Å grün Uffe Elbæk (bis 1. Februar 2020)
    Josephine Fock (von 1. Februar 2020 bis 14. November 2020)
    Franciska Rosenkilde (seit 7. Februar 2021)
    5 1  4
    Liberal Alliance (LA)
    Liberale Allianz
    I liberal Anders Samuelsen (bis 6. Juni 2019)
    Alex Vanopslagh (seit 9. Juni 2019)
    4 3  1
    Nye Borgerlige (NB)
    Neue Bürgerliche
    D rechtspopulistisch Pernille Vermund 4 4  
    Frie Grønne (FG)
    Freie Grüne
    grün Sikandar Siddique 3  3
    Kristendemokraterne (KD)
    Christdemokraten
    K christdemokratisch Isabella Arendt 1  1
    Unabhängige 5  5
    Gesamt 175 175  
    Plenarsaal mit elektronischer Abstimmungstafel
    Abgeordnete der Färöer
    Partei Ausrichtung Sitze Name
    Sambandsflokkurin (SP)liberal1Edmund Joensen
    Javnaðarflokkurin (JF)sozialdemokratisch1Sjúrður Skaale
    Abgeordnete aus Grönland
    Partei Ausrichtung Sitze Name
    Inuit Ataqatigiit (IA)sozialistisch1Aaja Chemnitz Larsen
    Siumut (SIU)sozialdemokratisch1Aki-Matilda Høegh-Dam

    Regierungsbildung

    Parlamentarische Grundlage der dänischen Regierungen 1945–2013. Links sind Wahljahre vermerkt, rechts die Parteikürzel (Datenbasis: Folketingets oplysning).

    Der Ministerpräsident wird vom König ernannt. Eine Mehrheitswahl im Parlament entsprechend der Kanzlermehrheit wie im Deutschen Bundestag sieht die Verfassung nicht vor. Allerdings darf das Staatsoberhaupt keinen Ministerpräsidenten gegen den informellen Willen des Parlaments berufen. Dieses parlamentarische Prinzip wurde 1901 etabliert und im Verlauf einer schweren Verfassungskrise 1920 endgültig durchgesetzt.

    Der Ministerpräsident benötigt also keine formal dokumentierte Mehrheit im Parlament, er darf nur keine offensichtliche Mehrheit gegen sich haben. Dieser Umstand begünstigt die Bildung von Minderheitsregierungen. Sie müssen entweder bei wechselnden Partnern nach Mehrheiten suchen oder können sich auf feste Kooperationspartner festlegen. Seit der Auflösung der nationalen Sammlungsregierung Ende 1945 haben Koalitionen insgesamt nur sieben Jahre lang über eine eigene Mehrheit verfügt (vgl. Liste der dänischen Regierungen). Absolute Mehrheiten einer einzigen Partei im Folketing hat es seit der Einführung des Parlamentarismus nur zwischen 1901 und 1906 gegeben.

    Nordatlantische Abgeordnete

    Rechnerische Mehrheiten werden seit der Verfassungsreform 1953 auch dadurch erschwert, dass die vier Abgeordneten Grönlands und der Färöer – in Dänemark als „nordatlantisch“ bezeichnet – in aller Regel nicht der Regierung beitreten. Sie sind zwar vollwertige Abgeordnete, beschränken sich jedoch meist darauf, nur an Abstimmungen teilzunehmen, welche die Angelegenheiten ihrer Herkunftsländer betreffen. Eine erste Ausnahme bildete die Ernennung des grönländischen Abgeordneten Mikael Gam zum Grönlandminister (1960–1964) der S-R-Regierungen Viggo Kampmann II und Jens Otto Krag I. Gam sicherte ihnen damit eine Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament. Er nahm gegen die ungeschriebenen Verfahrensregeln an wichtigen Abstimmungen teil und löste so jedes Mal heftige Proteste der oppositionellen Konservativen aus. Seitdem kam es immerhin siebenmal zu einer Regierungsbildung unter Einrechnung von nordatlantischen Mandaten: 1971 stützten Moses Olsen und Knud Hertling den Sozialdemokraten Krag; Óli Breckmann stützte in den 1980er Jahren Poul Schlüter (K); Jóannes Eidesgaard sicherte Poul Nyrup Rasmussen (S) 1998 weitere Regierungsjahre und Edmund Joensen erklärte 2007 seine Unterstützung für Anders Fogh Rasmussen (V).[4] Auch die parlamentarische Grundlage der Regierungen Thorning-Schmidt I und II sowie der Regierung Frederiksen bezog bzw. bezieht Abgeordnete aus dem Nordatlantik mit ein.

    Sitzverteilung seit 1918

    Bis 1918 wurden das Frauenwahlrecht und annäherungsweise das Verhältniswahlrecht eingeführt. Die Parteien sind chronologisch nach ihrem ersten Einzug in das Folketing sortiert. Die Partei des Ministerpräsidenten unmittelbar nach der Wahl ist fett markiert.

    Wahl S RV K V Ep SP Rfb DKP FFp DNSAP Bp DS SF Uaf LC VS CD KrF Frp FK EL DF LA Å NB Partei­lose Summe
    22. Apr. 1918 39 32 22 45 1 139
    26. Apr. 1920 42 17 28 48 4 139
    6. Juli 1920 42 16 26 51 4 139
    21. Sep. 1920 48 18 27 51 3 1 148
    11. Apr. 1924 55 20 28 44 1 148
    2. Dez. 1926 53 16 30 46 1 2 148
    24. Apr. 1929 61 16 24 43 1 3 148
    16. Nov. 1932 62 14 27 38 1 4 2 148
    22. Okt. 1935 68 14 26 28 1 4 2 5 148
    3. Apr. 1939 64 14 26 30 1 3 3 3 4 148
    23. März 1943 66 13 31 28 2 3 2 3 148
    30. Okt. 1945 48 11 26 38 3 18 4 148
    28. Okt. 1947 57 10 17 49 6 9 148
    5. Sep. 1950 59 12 27 32 12 7 149
    21. Apr. 1953 61 13 26 33 9 7 149
    22. Sep. 1953 74 14 30 42 1 6 8 175
    14. Mai 1957 70 14 30 45 1 9 6 175
    15. Nov. 1960 76 11 32 38 1 11 6 175
    22. Sep. 1964 76 10 36 38 10 5 175
    22. Nov. 1966 69 13 34 35 20 4 175
    23. Jan. 1968 62 27 37 34 11 4 175
    21. Sep. 1971 70 27 31 30 17 175
    4. Dez. 1973 46 20 16 22 5 6 11 14 7 28 175
    9. Jan. 1975 53 13 10 42 7 9 4 4 9 24 175
    15. Feb. 1977 65 6 15 21 6 7 7 5 11 6 26 175
    23. Okt. 1979 68 10 22 22 5 11 6 6 5 20 175
    8. Dez. 1981 59 9 26 20 21 5 15 4 16 175
    10. Jan. 1984 56 10 42 22 21 5 8 5 6 175
    8. Sep. 1987 54 11 38 19 27 9 4 9 4 175
    10. Mai 1988 55 10 35 22 24 9 4 16 175
    12. Dez. 1990 69 7 30 29 15 9 4 12 175
    21. Sep. 1994 62 8 27 42 13 5 11 6 1 175
    11. März 1998 63 7 16 42 13 8 4 4 5 13 175
    20. Nov. 2001 52 9 16 56 12 4 4 22 175
    8. Feb. 2005 47 17 18 52 11 6 24 175
    13. Nov. 2007 45 9 18 46 23 4 25 5 175
    15. Sep. 2011 44 17 8 47 16 12 22 9 175
    18. Juni 2015 47 8 6 34 7 14 37 13 9 175
    5.  Juni 2019 48 16 12 43 14 13 16 4 5 4 175
    Anmerkung: Zur Gesamtzahl der Folketingsmandate kommen je zwei Abgeordnete der autonomen Färöer und Grönlands
    Quelle: Benito Scocozza und Grethe Jensen: Politikens Etbinds Danmarkshistorie. 3. Ausgabe, 2005, S. 452 f.; ergänzt nach Danmarks Statistik[5]

    Parlamentspräsidenten

    Julius Bomholt (Foto: 1966)

    Das Präsidium des Folketing besteht aus dem Parlamentspräsidenten und vier Stellvertretern. Es ist für die Sitzungsleitung und die täglichen Geschäfte des Folketing zuständig. Seine Wahl erfolgt jeweils im Herbst zu Beginn eines Sitzungsjahres. Seit 2011 ist Mogens Lykketoft (Socialdemokraterne) Parlamentspräsident. Seine vier Stellvertreter sind (Stand Oktober 2014) Bertel Haarder (Venstre), Pia Kjærsgaard (DF), Lone Loklindt (RV) und Per Clausen (Enhedslisten). Während in vielen Parlamenten stets die größte Fraktion den Präsidenten stellt, hat sich das Folketing wiederholt auf einen Kandidaten einer kleineren Fraktion geeinigt. Die vier Stellvertreterposten werden aber immer unter den vier größten Fraktionen verteilt, welche nicht den Parlamentspräsidenten stellen.

    VonBisParlamentspräsidentPartei
    30. Januar 18503. August 1852Carl Christoffer Georg AndræDe Nationalliberale
    4. Oktober 185212. Juni 1853Johan Nicolai MadvigDe Nationalliberale
    13. Juni 18532. Dezember 1859Carl Eduard RotwittBondevennernes Selskab
    3. Dezember 18592. Dezember 1870Laurids Nørgaard BregendahlDe Nationalliberale
    3. Dezember 187030. September 1883Christopher KrabbeVenstre
    1. Oktober 18832. Oktober 1887Christen BergVenstre
    3. Oktober 188716. Dezember 1894Sofus HøgsbroVenstre
    17. Dezember 189416. April 1895Rasmus ClaussenVenstre
    17. April 18954. Oktober 1901Sofus HøgsbroVenstre
    5. Oktober 190130. Januar 1905Herman TrierVenstre
    31. Januar 190514. März 1912Anders ThomsenVenstre
    15. März 191213. Juni 1913Jens Christian ChristensenVenstre
    14. Juni 191329. März 1922Niels Pedersen-NyskovVenstre
    7. April 192210. April 1924Jensen-KlejsVenstre
    30. April 192424. November 1932Hans Peter HansenSocialdemokraterne
    30. November 19321. Mai 1933Gerhard NielsenSocialdemokraterne
    9. Mai 193330. Oktober 1945Hans RasmussenSocialdemokraterne
    22. November 194522. Februar 1950Julius BomholtSocialdemokraterne
    23. Februar 195022. September 1964Gustav PedersenSocialdemokraterne
    6. Oktober 196422. Januar 1968Julius BomholtSocialdemokraterne
    6. Februar 196830. September 1978Karl SkytteDet Radikale Venstre
    3. Oktober 19788. Dezember 1981Knud Børge AndersenSocialdemokraterne
    22. Dezember 198110. Januar 1989Svend JakobsenSocialdemokraterne
    10. Januar 19893. Oktober 1989Erik Ninn-HansenDet Konservative Folkeparti
    3. Oktober 198915. Januar 1993Hans Peter ClausenDet Konservative Folkeparti
    27. Januar 19935. Oktober 1994Henning RasmussenSocialdemokraterne
    5. Oktober 199411. März 1998Erling OlsenSocialdemokraterne
    26. März 199811. März 2003Ivar HansenVenstre
    18. März 200313. November 2007Christian MejdahlVenstre
    28. November 20074. Oktober 2011Thor PedersenVenstre
    4. Oktober 20113. Juli 2015Mogens LykketoftSocialdemokraterne
    3. Juli 201520. Juni 2019 Pia KjærsgaardDansk Folkeparti
    20. Juni 2019 Henrik Dam Kristensen Socialdemokraterne

    Literatur

    • Tim Knudsen: Fra enevælde til folkestyre. Dansk demokratihistorie indtil 1973. Akademisk Forlag, Kopenhagen 2007, ISBN 978-87-500-3890-0.
    • Tim Knudsen: Fra folkestyre til markedsdemokrati. Dansk demokratihistorie efter 1973. Akademisk Forlag, Kopenhagen 2008, ISBN 978-87-500-3892-4.
    • Carsten Schymik: Der Europaausschuss des dänischen Folketing – der machtvollste Europas? (PDF; 245 kB). In: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Internationale Politikanalyse. 2008.
    Commons: Folketing – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
    Commons: Christiansborg Palace – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

    1. Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 437
    2. Fintællingsresultat. Danmarks Statistik, abgerufen am 29. Juni 2019 (dänisch).
    3. Mandatfordelingen. In: ft.dk. Abgerufen am 10. Dezember 2021 (dänisch).
    4. Fire Mandater med stor vægt. TV2 Nyheder, abgerufen am 13. August 2011.
    5. Resultater – Valgaften. Danmarks Statistik, abgerufen am 16. August 2011.

    This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.