Mathias Storch
Michael Mathias Johannes Storch (* 21. April 1883 in Manermiut; † 21. November 1957 in Ilulissat) war ein grönländischer Pastor, Propst, Schriftsteller und Landesrat.
Leben
Mathias Storch war der Sohn des Jägers David Hans Gustav Storch (1851–?) und seiner Frau Salomine Sofie Ane Johanne Sybille Rafaelsen (1860–?).[1] Er besuchte von 1900 bis 1906 Grønlands Seminarium in Nuuk und erhielt seine weitere theologische Ausbildung in Dänemark, wo er drei Jahre bei Bischof Christian Ludwigs in Aalborg lebte. 1909 kehrte er nach Grönland zurück, wo er in Narsarmijit tätig war.[2] Am 18. Juli 1909 heiratete er in Nuuk Ane Jensine Emilie Berthelsen (1889–1913), Tochter des Pastors Lars Berthelsen und Laura Johanne Frederikke Berthelsen.[3] Am 16. Mai 1915 heiratete er in Ilulissat in zweiter Ehe Emilie Justine Margrethe Johanne Frederiksen (1893–1955), Tochter des Jägers Frederik Johan Nikolai Frederiksen und Josefine Bothilde Louise Thale Terkelsen.[4]
1910 wurde er ordiniert. Er arbeitete als Pastor für kurze Zeit in Südgrönland und dann in Nordgrönland. 1920 zog er nach Ilulissat, wo er Propst Nordgrönlands wurde. 1927 wurde er Vizepropst Grönlands, was er bis zu seiner Pensionierung 1953 blieb.[2]
Storch unterstützte die nationalen Erweckungsbewegung Peqatigiinniat und beteiligte sich aktiv an den öffentlichen Debatten, wobei er sich für die Rechte der Grönländer einsetzte und ihre Gleichstellung mit den Dänen forderte. 1920 wurde er zum Mitglied der Grønlandskommission ernannt.[2] Von 1927 bis 1932 war er gewähltes Mitglied im nordgrönländischen Landesrat, wurde aber 1929 und 1931 von Boye Thomsen vertreten.[5]
Als Autor debütierte er 1914 mit dem Roman Sinnattugaq (Der Traum). Das Buch war „vor allem eine Form von politischer Diskussionsliteratur, die sich auf die Zukunft Grönlands bezog“.[6] Neben kirchengeschichtlichen Texten veröffentlichte er 1930 auf Dänisch die Streitschrift Strejflys over Grønland (Streiflicht über Grönland).[2]
Mathias Storch wurde 1921 zum Ritter des Dannebrogordens ernannt und 1947 zum Dannebrogsmand. Er starb 1957 im Alter von 74 Jahren.[2]
Sinnattugaq, der erste grönländische Roman
Sinnattugaq (Titel der Erstausgabe in alter Rechtschreibung: Singnagtugaĸ) erschien 1914. Der Roman sorgte einerseits für Empörung und wurde andererseits Literaturgeschichte. Storch sprach in diesem Buch ungewöhnlich offen die Probleme der grönländischen Gesellschaft an: schlechte Bildung, Aberglaube, Zwangsehen sowie das Misstrauen zwischen Dänen und Grönländern. Der Titel deutet auf eine Zukunftsvision hin; Pavia, der Protagonist des Romans, stellt sich im Traum vor, wie Grönland 200 Jahre später im Jahr 2105 sein würde: Zweisprachig ausgebildete Grönländer halten Schlüsselpositionen in der grönländischen Wirtschaft sowie in Politik, Kirche und Bildung inne. Davon inspiriert, fährt Pavia nach seinem Erwachen fort, dafür zu kämpfen.[7]
„Ausgangspunkt für die zeitgenössische Romanhandlung ist der beklagenswerte Zustand Grönlands, verursacht durch die dänische Verwaltung und das Verhalten der Grönländer. […] Der Roman illustriert den Zusammenhang zwischen der persönlichen Entwicklung eines Menschen zu einem religiösen (aus)gebildeten und nationalbewussten Individuum einerseits und der Entwicklung der gesamten Gesellschaft andererseits.“
Der grönländisch-dänische Polarforscher und Ethnologe Knud Rasmussen übersetzte das Buch ins Dänische. Die dänische Ausgabe erschien 1915 bei Gyldendal unter dem Titel En Grønlænders Drøm (Eines Grönländers Traum).
Werke
- 1914: Singnagtugaĸ (Digitalisat der Erstausgabe; .pdf)
- 1930: Strejflys over Grønland
- 1940: Nãmagsivoĸ
Literatur
- Jürg Glauser (Redaktion): Skandinavische Literaturgeschichte. Metzler, Stuttgart 2006, ISBN 3-476-01973-X.
- Moritz Schramm: Suche nach Identität. Zur grönländischen Gegenwartsliteratur. In: Muschelhaufen (Jahresschrift), Nr. 45, Viersen 2005, ISSN 0085-3593.
- Ebbe Volquardsen: Die Anfänge des grönländischen Romans. Tectum, Marburg 2011, Seite 87ff, ISBN 978-3-8288-2812-4.
Weblinks
- Biografie von Mathias Storch auf Inuit.uqam.ca
- Literatur von und über Mathias Storch in der bibliografischen Datenbank WorldCat
Einzelnachweise
- Kirchenbücher Aasiaat 1866–1888 (Geborene Jungen S. 32)
- Biografie im Dansk Biografisk Leksikon
- Kirchenbücher Nuuk 1902–1915 (Verheiratete S. 143)
- Kirchenbücher Ilulissat 1910–1925 (Verheiratete S. 140)
- Axel Kjær Sørensen: Denmark-Greenland in the Twentieth Century (= Meddelelser om Grønland. Man and Society. 34). Danish Polar Center, Kopenhagen 2006, ISBN 87-90369-89-0, (Digitalisat (PDF; 3,35 MB)).
- Moritz Schramm: Suche nach Identität. Zur grönländischen Gegenwartsliteratur. In: Muschelhaufen. Jahresschrift für Literatur und Grafik, Nr. 45, Viersen 2005, ISSN 0085-3593
- Kirsten Thisted: Hvem går qivittoq? Kampen om et litterært symbol eller relationen Danmark – Grønland i postkolonial belysning. In: TijdSchrift voor Skandinavistiek. Nr. 2/2004, ISSN 0168-2148.
- Kirsten Thisted: Grönländische Literatur. In: Skandinavische Literaturgeschichte. Metzler, Stuttgart 2006, ISBN 3-476-01973-X