Moschusochse
Der Moschusochse (Ovibos moschatus), auch als Bisamochse oder Schafsochse bezeichnet, ist ein Paarhufer aus der Unterfamilie der Antilopinae; innerhalb derer gehört er in die Verwandtschaftsgruppe der Ziegenartigen (Caprini). Die bis zu 1,50 m hohen männlichen und bis zu 1,30 m hohen weiblichen Tiere sind Bewohner der arktischen Tundren und heute ursprünglich nur noch in Grönland, Kanada und Alaska zu finden. 1974 wurde jedoch in Nordsibirien auf der Taimyr-Halbinsel eine Herde Moschusochsen aus Kanada und Alaska wieder erfolgreich angesiedelt. Kleinere Herden ursprünglich grönländischer Tiere leben inzwischen auch in Norwegen und Schweden. Der Gesamtbestand wird heute auf etwa 145.000 Tiere geschätzt.
Moschusochse | ||||||||||||
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Moschusochse (Ovibos moschatus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name der Gattung | ||||||||||||
Ovibos | ||||||||||||
Blainville, 1816 | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Art | ||||||||||||
Ovibos moschatus | ||||||||||||
(Zimmermann, 1780) |
Paläontologie
Die Vorläufer der heutigen Moschusochsen entwickelten sich vor etwa einer Million Jahren in der Tundra des nördlichen Zentralasien.
Die ältesten Fossilien der Moschusochsen-Gattung Ovibos wurden in Deutschland gefunden und stammen aus der Mindeleiszeit. Diese pleistozänen Moschusochsen unterscheiden sich von der heutigen Form durch größere Körpermaße und sonstige Merkmale und werden deshalb zoologisch meist als eigene Art (Ovibos pallantis im Gegensatz zu Ovibos moschatus) eingestuft. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckte sich über die nördlichen Teile Eurasiens und Nordamerikas, das sie vor etwa 500.000 Jahren über die Beringstraße erreichten. In besonders kalten Zeitabschnitten zogen sie sich weit nach Süden zurück und gelangten bis nach Ungarn, Frankreich und vermutlich sogar Nordspanien. Am Ende der Würmeiszeit gingen vor allem die Bestände der eurasischen Vorkommen zurück, vermutlich durch das Verschwinden der Mammutsteppen und trockenen Tundren verursacht. Diese trockenen Flächen wurden durch feuchte Moostundren und dichte Wälder abgelöst, die den Moschusochsen als Lebensraum wenig zusagen. In Eurasien hielten sie sich am längsten auf der Taimyr-Halbinsel, von wo sie erst vor etwa 4000 Jahren verschwanden. Das Aussterben der eurasischen Moschusochsen fällt zeitlich mit dem der letzten Mammuts auf der nordsibirischen Wrangelinsel zusammen. Im Norden von Nordamerika und in Nordostgrönland überlebten die Moschusochsen dagegen bis in die Gegenwart.
Paläontologische Funde zeigen, dass der Moschusochse die letzte nicht ausgestorbene Art eines mehrere Arten umfassenden Hornträger-Zweiges ist. Sein Überleben verdankt der Moschusochse offenbar der Anpassung an extrem kalte Standorte. Die ausgestorbenen Arten waren dagegen an wärmere Klimazonen angepasst (z. B. der Praeovibos priscus, der trotz dieser Bezeichnung keinen Vorläufer, sondern eine parallel zu Ovibos moschatus existierende Art darstellte).
Während des Pleistozäns war der größer und schlanker als Ovibos moschatus gewachsene Helm-Moschusochse (Symbos cavifrons = Bootherium bombifrons oder Bootherium sargenti) in Nordamerika weit verbreitet. Mit der Bestimmung seiner Fossilfunde tat sich die zoologische Forschung schwer: Zunächst hielt man den Helm-Moschusochsen für eine ausgestorbene Bisonart (Bison appalachicolus), dann wurde Bootherium, heute allgemein als Weibchen von Symbos cavifrons eingestuft, als eigene Gattung beschrieben. Andere fossile Moschusochsen waren Euceratherium collinum, eine an Gebirgsgegenden angepasste Moschusart, und Soergelia mayfieldi.
Herkunft des Namens
Ihren Namen verdanken die Moschusochsen dem Umstand, dass die Männchen zur Paarungszeit eine Substanz in den Urin abgeben, die moschusartig süßlich riecht; eine Moschus-Drüse wie etwa die Moschustiere besitzen die Moschusochsen jedoch nicht. In Inuktitut, der Sprache der Inuit, heißt der Moschusochse Umimmaq (d. h. „Tier mit Fell wie ein Bart“, von umik „Bart“). Der lateinische Artname Ovibos bedeutet „Schafsochse“.
Verbreitung
Heute leben Moschusochsen in größerer Zahl in Grönland, Kanada, Sibirien und Alaska sowie als kleinere Herden in Norwegen und Schweden. Allerdings ist nur ihr Vorkommen im Norden Kanadas und im Nordosten von Grönland natürlichen Ursprungs. In Alaska wurden die Moschusochsenbestände um die Wende zum 20. Jahrhundert ausgerottet. Eine Wiederansiedlung gelang, nachdem grönländische Moschusochsen in den 1930er Jahren auf der vor der Westküste Alaskas gelegenen Insel Nunivak ausgesetzt worden waren und sich von dort aus wieder entlang des arktischen Festlands verbreiteten.
Wiederansiedlungen in anderen Regionen Grönlands, in Sibirien und in Norwegen verliefen ebenfalls erfolgreich. Im norwegischen Dovrefjell-Nationalpark bedurfte es allerdings 20 Jahre dauernder Versuche, bis 1947 die Wiederansiedlung einer Moschusherde gelang. 2011 lebten im Dovrefjell-Nationalpark etwa 300 Tiere. Heute in Schweden lebende Tiere entstammen einer aus einem Bullen, zwei Kühen und zwei Kälbern bestehenden Herde, die 1971 von Norwegen hierher wechselte. Auch auf der im Nordpolarmeer gelegenen russischen Wrangelinsel, die 2004 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde, konnten Moschusochsen erfolgreich ausgesetzt werden; sie bilden inzwischen eine Herde von etwa 100 Tieren. Ebenso gelang die Ansiedlung auf der Taimyr-Halbinsel. Ansiedlungsversuche auf Island sind dagegen bislang gescheitert (siehe auch die unter Gefährdung aufgeführte Bestandstabelle).
Lebensraum und Lebensweise
Moschusochsen bevorzugen als Lebensraum niederschlagsarme Tundren. Sie tolerieren große Kälte, sind aber empfindlich gegen anhaltende Feuchtigkeit. Überwiegend halten sie sich in tiefer gelegenen Ebenen und Flusstälern auf, in denen sich während des Sommers Schmelzwasser und die geringen Niederschläge auf dem Permafrostboden sammeln und eine für arktische Verhältnisse saftige Vegetation wachsen lassen. Sie ernähren sich von Holzgewächsen wie Birken und Weiden, von denen sie die Blätter abstreifen, und von Kräutern wie Sauergräsern und Süßgräsern, weiterhin von Flechten und Moosen.
Männliche Tiere weisen nur während einer Zeit von zwei Monaten im Jahr eine positive Nahrungsbilanz (Gewichtszunahme) auf, und während weiterer vier Monate ist ihre Nahrungsbilanz neutral (keine Gewichtsveränderung). Weibliche Tiere haben während fünf Monaten im Jahr eine positive Nahrungsbilanz und während der verbleibenden sieben Monate eine negative Nahrungsbilanz. Beide Geschlechter zehren während des langen arktischen Winters von ihren Fettreserven. Die Weibchen nutzen darüber hinaus ihre Fettreserven in den Zeiten, in denen sie ihre Kälber säugen.
Gelingt es einem Tier wegen schlechter Weide- und Wetterbedingungen nicht, eine für den Winter ausreichende Fettreserve aufzubauen, droht der Hungertod, meist im Spätwinter und zu Frühjahrsbeginn.
Von der Anwesenheit der Moschusochsen profitieren eine Reihe anderer Tierarten: Schneeammern und Spornammern etwa polstern ihre Nester mit der überall in der Tundra zu findenden weichen Moschusochsenwolle aus; im Winter fressen Eishasen und Schneehühner von den von Moschusochsen frei gescharrten Pflanzen. In der Nähe von Moschusochsen beobachtet man nicht selten auch Polarfüchse, doch gibt es dafür bisher keine Erklärung.
Körperbau
Gestalt und Größe
Moschusochsen besitzen eine stämmige Gestalt mit dicken, vor Kälte schützenden Fettpolstern. Auffällig sind der Buckel über der Schulter und der im Verhältnis zum übrigen Körper große Kopf. Ausgewachsene Tiere tragen außerdem eine ausgeprägte Mähne, die vom Widerrist bis zum Hornansatz reicht. Die männlichen Tiere wiegen 300–400 kg, sind 2,50 m lang und erreichen eine Schulterhöhe von ca. 1,50 m. Die Kühe wiegen 200–300 kg, werden 2,30 m lang und bis zu 1,30 m hoch.
Hörner
Die bei beiden Geschlechtern kräftig ausgebildeten Hörner sind mit nach oben gerichteten Spitzen gebogen. Die Hornbasen an der Stirn der Männchen sind als elastische Wülste verdickt und verbreitert, sehr dicht beieinander während ein Fellband die Hörner der Weibchen trennt.
Sie fangen schon beim vier- bis sechswöchigen Kalb zu wachsen an, doch ist die Hornbildung erst um das sechste Lebensjahr abgeschlossen. Etwa gleich lang dauert es auch, bis die Weibchen ihr Endgewicht erreicht haben, während bei den Männchen das Wachstum erst ein Jahr später endet.
Die Hörner werden als Waffe gegen Raubtiere und von männlichen Tieren zusätzlich während der Brunft eingesetzt.
Augen
Das Auge des Moschusochsen ist an die besonderen Bedingungen des arktischen Lebensraums gut angepasst: Große Pupille und hochempfindliche Netzhaut gewähren einerseits ausreichende Sehfähigkeit, wenn die Sonne während der Wintermonate unter dem Horizont bleibt und als einzige Lichtquelle Mond und Sterne dienen. Andererseits kann sich die Pupille zu einem horizontalen Schlitz verengen oder ganz verschließen und so vor Schneeblindheit schützen. Außerdem schützen Pigmentkörperchen die Netzhaut vor blendendem, von Schnee reflektiertem Sonnenlicht.
Hufe
Die Hufe sind breit, rund und scharfkantig. Mit den größeren Vorderhufen sind die Moschusochsen in der Lage, Schnee wegzukratzen oder Eis aufzubrechen.
Fell
Das lange, dichte Fell der Moschusochsen ist aus mehreren unterschiedlichen Haararten zusammengesetzt und reicht fast bis zu den Hufen hinunter. Vor allem das sehr dichte Winterfell lässt die Tiere massig erscheinen. Gegen Ende des Winters ist dieses Haar ausgeblichen und die Fellfarbe überwiegend gelbbraun statt dunkel- bis schwarzbraun. Am Sattel und an den Füßen kommen auch hellbeige bis gelbbraune Haarfarben vor; Scrotum und Euter sind graubeige. Einzelne Tiere und auch manche Populationen haben helle Haare auch im Gesicht. Ältere Tiere sind generell etwas heller gefärbt.
Unmittelbar auf der Haut liegt ein dichtes, 5 cm langes Unterfell aus feiner Wolle. Es bedeckt das ganze Tier außer an Hufen, Hörnern und einer kleinen Stelle zwischen Nüstern und Lippen; sein Wechsel erfolgt in den Monaten Mai bis Juli. Darüber liegt eine Schicht grober Schutz- oder Grannenhaare, die wesentlich länger (45 bis 62 cm) sind und vor allem Hinterteil, Bauch, Flanken und Kehle bedecken. Das längste Schutzhaar wird an der Kehle getragen – daher der Name Umimmaq.
Die Haut besitzt keine Talgdrüsen, weshalb die Haare Wasser und Regen nicht abweisen können. Die an eine überwiegend trockene Umgebung gewöhnten Tiere sind besonders gefährdet: Nässe führt bei ihnen nicht selten zu tödlich endenden Erkältungskrankheiten.
Kälber haben bei der Geburt zimtfarbenes Deckhaar und ein Unterfell aus dunkler Wolle, das sie gemeinsam mit den isolierenden Fettdepots vor der Kälte schützt. Das längere Deckhaar erscheint erstmals am Ende des ersten Lebensjahres.
Wie erwähnt, verlieren die Moschusochsen zur Mitte des Sommers ihre Unterwolle. Da ihr Wechsel nicht gleichzeitig mit den Grannenhaaren erfolgt und die feinen Wollhaare an den Grannen haften bleiben, wirken die Tiere eine Zeitlang sehr zottig.
Die Unterwolle der Moschusochsen zählt zu den feinsten natürlichen Fasern. Bezogen auf ihr Gewicht ist sie achtmal wärmer als Schafswolle und so weich wie die Unterwolle der Kaschmirziegen. In Alaska hat man deshalb Versuche unternommen, Moschusochsen als Wollelieferanten zu domestizieren. Aus dem Fell der halbzahmen Tiere wird die Unterwolle von Hand herausgekämmt und zu hochwertigen Schals und Pullovern verarbeitet. Ein domestizierter Moschusochse liefert durchschnittlich 2,5 kg Wolle im Jahr, woraus Wollgarn von rund 18 km Länge mit einem Handelswert von ca. 8.200 US-Dollar hergestellt wird. Die Wolle ist unter der Inuktitut-Bezeichnung Qiviut im Handel.
Fortpflanzung
Weibliche Moschusochsen werden im Alter von etwa vier Jahren fortpflanzungsfähig. Männliche Tiere erreichen ihre sexuelle Reife nach sechs Jahren. Nur in Lebensräumen mit außergewöhnlich guten Bedingungen, wie sie beispielsweise im norwegischen Dovrefjell gegeben sind, werden die Tiere früher geschlechtsreif.
Die Paarungszeit liegt in den Sommermonaten Juli und August. Die Kuh ist 7 bis 9 Monate trächtig und gebiert meist nur ein Kalb, das bei der Geburt etwa 10 bis 14 kg wiegt. Jährliche Geburten sind möglich; das hängt jedoch von den Bedingungen des Lebensraums ab.
Bei der Geburt verfügt das Kalb über einen Vorrat an braunem Fettgewebe, das der Wärmeproduktion dient. Der Biogeograf Chris Lavers, University of Nottingham (Großbritannien), berichtet, dass es einem Moschusochsenkalb möglich ist, diesen Brennstoffvorrat so zu nutzen, dass 13 Mal so viel Wärme freigesetzt wird wie bei einem Menschen im Ruhezustand.
Die Säugezeit beträgt bis zu 15 Monate, obwohl die Kälber bereits eine Woche nach der Geburt zu grasen beginnen.
Verhalten
Verhalten in der Herde
Während des Sommers umfasst eine Herde 5 bis 15, im Winter bis zu 100 Tiere. Der Natur-Essayist und Fotograf Barry Lopez erklärt, dass es problematisch ist, aus einzelnen Beobachtungen auf die Herdenzusammensetzung und typische Verhaltensmuster zu schließen. Er hebt bei den Moschusochsen als einzigartig unter den Wiederkäuern hervor, dass sie besonders engen Körperkontakt zueinander halten und selbst während der Flucht Schulter an Schulter und Flanke an Flanke galoppieren.[1] Die Herden verhalten sich jedoch nicht nur während der Flucht synchron. Auch die Fress- und Ruhephasen, die jeweils 100 bis 150 Minuten dauern, werden von der gesamten Herde eingehalten.
Anders als Rentiere und insbesondere Karibus unternehmen Moschusochsen keine großen Wanderungen, sondern durchziehen täglich langsam ihr Revier und legen dabei durchschnittlich etwa 2 km zurück. Bullen wie Kühe beeinflussen die Bewegung der Herde und ihr Verhalten. So ergaben z. B. Beobachtungen in Norwegen, dass dort stets eine ältere Kuh die sich möglichst gradlinig bewegenden Tiere anführt.
Auch liegen die Sommer- und Winterreviere häufig nur wenige Kilometer auseinander. Im norwegischen Dovrefjell, wo für die Tiere besonders gute Lebensbedingungen herrschen, halten sie sich das ganze Jahr über in einem Gebiet auf, das nur etwa 8 mal 13 km misst.
Verhalten gegenüber Fressfeinden
Die natürlichen Feinde der Moschusochsen sind Polarwölfe, gelegentlich auch Eis- und Braunbären (bzw. Grizzlybären). Bei Angriffen fliehen die Tiere zunächst an einen etwas erhöhten oder flach mit Schnee bedeckten Ort und wenden sich dann in einer phalanxförmigen Aufstellung mit dem Gesicht dem Angreifer zu. Werden sie z. B. durch Wölfe eingekreist, ist diese Phalanx kreisförmig; die Jungtiere stehen geschützt innerhalb dieses Kreises. Einzelne Tiere – Bullen, Kühe, aber auch Halbwüchsige – brechen dann immer wieder aus dem Kreis aus und attackieren die Angreifer. Wölfe sind bei ihrem Angriff nur erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, ein solches attackierendes Tier von der Herde abzudrängen, oder wenn sie durch eine Lücke in der Phalanx ein Kalb ergreifen können.
Verhalten während der Brunft
Während der Brunftzeit kommt es unter den Bullen zu beeindruckenden Rangkämpfen. Zu den Drohgebärden vor dem eigentlichen Kampf gehören neben herausforderndem Brüllen das Reiben der Voraugendrüsen am Boden oder am Vorderbein und während eines langsamen und steifbeinigen Parallelschritts das seitliche Zeigen von Hörnern und Kopf. Beim eigentlichen Kampf galoppieren die Bullen frontal aufeinander zu und prallen mit den Stirnen voll Wucht aufeinander. Dies kann sich bis zu zwanzigmal wiederholen. Der Aufprall ist dabei so heftig, dass einer der beiden Kämpfer nicht selten auf die Hinterkeulen zurücksinkt oder beide Tiere sich aneinander hoch richten. Zum Kampfverhalten gehört es auch, dass die Widersacher einander in die Seiten stechen und sich so gelegentlich sogar tödlich verletzen.
Verlierer sondern sich in der Regel von der Herde ab und leben in der Folge einzelgängerisch oder schließen sich mit anderen männlichen Tieren zusammen. In der Herde werden sie nur noch geduldet, wenn sie sich gegenüber dem Leitbullen unterwürfig verhalten.
Die Werbung um die Weibchen beginnt im Juni. Der Leitbulle folgt dann seinen Weibchen, beriecht sie ausgiebig und beginnt mit angehobenem Kopf zu flehmen. Die Werbung wird bis August immer intensiver. Zur Paarung bleibt die Kuh stehen, während der Bulle aufreitet und ihre Flanken mit den Vorderläufen umklammert.
Natürliche Todesursachen
Die Weibchen werden selten älter als 20 Jahre; die Bullen vergreisen dagegen schon mit etwa 15 Jahren. Hauptsächliche Todesursache ist das Verhungern, wenn im Vorjahr nicht ausreichende Fettreserven aufgebaut werden konnten, um den langen arktischen Winter zu überstehen. Auch Tod durch Erfrieren oder Ertrinken ist üblich, wenn Tiere im Frühjahr durch das Eis der zugefrorenen Flüsse brechen. Meist werden die geschwächten Moschusochsen Opfer von Raubtieren. Manche sterben auch an Verletzungen, die sie sich während der Brunftkämpfe zugezogen haben.
Mensch und Moschusochse
Gefährdung durch Menschen
Für einen mit Gewehr ausgerüsteten, von Jagdhunden begleiteten Jäger sind Moschusochsen leichte Beute, da die Tiere beim Angriff von Hunden wie bei dem von Wölfen ruhig in einem Verteidigungsring verharren und so ein ideales Ziel abgeben. Für die Eskimos waren Moschusochsen seit jeher wertvolles Jagdwild, das ihnen neben Fleisch, Haut und Wolle auch Horn und Knochen lieferte.
Die Jagd auf Moschusochsen erreichte gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Die großen Polarexpeditionen nutzten das Fleisch der Moschusochsen nicht nur zur menschlichen Ernährung, sondern auch als Futter für Schlittenhundgespanne. Auch Walfänger schätzten Moschusochsenfleisch. Die Hudson’s Bay Company (HBC) trieb schwunghaften Handel mit den Fellen; zwischen 1888 und 1891 verkaufte die HBC gemäß eigenen Berichten 5.408 Moschusochsenfelle.
Zum Niedergang der Moschusochsenpopulation trug auch der Ankauf von Kälbern durch zoologische Gärten bei: Zum Einfangen der Kälber schoss man die erwachsenen Tiere einer Herde einfach nieder, und auf diese Weise dürften für die 250 Moschusochsenkälber, die zwischen 1900 und 1925 an Zoos verkauft wurden, ca. 2000 erwachsene Tiere hingemetzelt worden sein. Nach Bekanntwerden der Fangmethoden stellten die Zoos nach 1925 den Erwerb von Moschusochsen ein.
In Kanada sind die Moschusochsen seit 1917 und in Teilen Grönlands seit 1974 unter Schutz gestellt. Die Bestände haben sich dadurch wieder deutlich erholt (siehe nachfolgende „Bestandstabelle“). Aus Gründen der Traditionspflege hat Kanada den dort lebenden Inuit eine beschränkte Bejagung erlaubt: Seit 1970 sind den Inuit jährlich 20 Moschusochsen zur Jagd freigegeben; Felle und Wolle dürfen verkauft werden. Auch in Grönland ist außerhalb der Nationalparks eine begrenzte Jagd erlaubt. In Alaska wird versucht, Moschusochsen so weit zu domestizieren, dass die Wolle gewonnen werden kann (siehe obigen Abschnitt Fell).
IUCN-Einstufung und Bestand
Land | ca. Anzahl |
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Kanada[2] | ~ 121.000 |
Grönland[2] | 9.500–12.500 |
Sibirien (Russland)[3] | ~ 7.800 |
Alaska (USA)[2] | ~ 3.700 |
Dovrefjell (Norwegen)[4] | ~ 300 |
Härjedalen (Schweden)[5] | 7 |
gesamt | ~ 145.000 |
Die IUCN führt den Moschusochsen gegenwärtig nicht als bedroht. In Deutschland sind nach der aufgrund des Bundesnaturschutzgesetzes erlassenen Bundesartenschutzverordnung Handel und Einfuhr von Moschusochsen verboten, um die Jagd nicht zu begünstigen.
Gefährdung von Menschen
Moschusochsen sind für den Menschen relativ selten gefährlich. In Norwegen wurden z. B. bislang zwei Menschen von angreifenden Moschusochsen getötet. Da sich bedroht fühlende Moschusochsen nicht immer flüchten, sondern ihre Verteidigungsstellung einnehmen und von ihr aus unversehens angreifen können, wird den Besuchern des Dovrefjells nahegelegt, einen Abstand von mindestens 200 m zu den Tieren einzuhalten, mit Hunden sogar von mindestens 500 m.
Unterarten
- Alaska-Moschusochse (Ovibos moschatus moschatus) in Alaska, Kanada und Russland
- Grönland-Moschusochse (Ovibos moschatus wardi) in Grönland, Svalbard, Norwegen und Schweden, mit weißem Fellfleck auf der Stirn
Nächste verwandte Tierarten
Als am nächsten verwandte Tierart galt nach bisherigem Wissensstand der nordtibetische Takin. Als weitere Verwandte wurden der Serau, die Gämse, die Schneeziege und der Mähnenspringer angesehen. Die nahe Verwandtschaft zwischen dem Takin und dem Moschusochsen wurde von Wissenschaftlern seit 1850 vermutet, da sich beide Tiere in Körperbau und Verhalten ähneln. Genetische Untersuchungen der Wissenschaftlerin Pam Groves bestätigen dies jedoch nicht. Ihre Untersuchungen legen stattdessen nahe, dass der nächste Verwandte der Goral ist, eine kleine Ziegenart aus Asien, die sich vom Moschusochsen äußerlich deutlich unterscheidet.
Quellenangaben
- Barry Lopez: Arktische Träume. 1987, S. 96, 98 f.
- Stand 1991–2005. — https://apiv3.iucnredlist.org/api/v3/taxonredirect/29684. In: IUCN 2013. The IUCN Red List of Threatened Species. Version 2013.1.
- Stand 2010. — Taras Sipko: „Reintroduction of Musk ox in the Northern Russia.“ (Memento vom 5. September 2015 im Internet Archive) Large Herbivore Network, 2011. Tabelle: Musk-ox-reintroduction-figures.JPG (Memento vom 18. Oktober 2014 im Internet Archive), Karte: muskox-areal-in-Russia.jpg (Memento vom 16. April 2014 im Internet Archive)
- Stand 2012. — Norwegische Wikipedia: Moskusfe
- Stand 2011. – Sophie Tunros: „Swedish musk ox population history.“ Linköpings universitet 2011.
Literatur
- Wolf Keienburg (Hrsg.): Grzimeks Enzyklopädie. Bd. 5. Säugetiere. München 1988. ISBN 3-463-42005-8
- Jochen Niehammer, Franz Krapp (Hrsg.); Handbuch der Säugetiere Europas. Wiesbaden 1986. ISBN 3-89104-026-1
- Chris Lavers: Warum Elefanten große Ohren haben – dem genialen Bauplan der Tiere auf der Spur. Gustav Lübbe, Bergisch Gladbach 2001. ISBN 3-7857-2047-5
- Barry Lopez: Arktische Träume. Düsseldorf 1987 ISBN 3-442-72642-5 (mit dem National Book Award ausgezeichnet)
- Jork Meyer: Sex ratio in muskox skulls (Ovibos moschatus) found at East Greenland - Geschlechterverhältnis bei Schädeln des Moschusochsen (Ovibos moschatus) in Ostgrönland. (Memento vom 19. Februar 2009 im Internet Archive) (PDF; 302 kB) in: Beiträge zur Jagd- und Wildforschung. 29.2004, 187–192. ISSN 1436-3895
- Günter Biallawons: Mein Norwegen, Land der Stille, Land des Lichts. Die Moschusochsen vom Dovrefjell. Tecklenborg, Steinfurt 2000. ISBN 3-924044-85-6
- Erhard Treude: Zur Moschusochsen-Haltung in Nouveau-Québec, in: Hans-Josef Niederehe, Alfred Pletsch (Hg.): Beiträge zur landeskundlich-linguistischen Kenntnis von Québec. Geographische Gesellschaft, Trier 1977, S. 126–139
Weblinks
- Seite Moschusochse des VdZ (Verband der Zoologischen Gärten e.V.)
- Takin als nächster Verwandte des Moschusochsen? – Englische Mitschrift einer Radiosendung des Arctic Science Journeys
- Ovibos moschatus in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2006. Eingestellt von: Caprinae Specialist Group, 1996. Abgerufen am 12. Mai 2006.