Fridtjof-Nansen-Land
Fridtjof-Nansen-Land (norwegisch Fridtjof Nansens Land) war der offizielle norwegische Name eines Territoriums an der südlichen Ostküste Grönlands,[1][2] das von Norwegen am 12. Juli 1932 proklamiert und bis zum 5. April 1933 besetzt war. Es war benannt nach dem norwegischen Polarforscher Fridtjof Nansen. Der Name war zeitweilig auch für das Franz-Josef-Land vorgesehen.
Hintergrund
Norwegen betrachtete Grönland damals als einen alten norwegischen Besitz und weigerte sich, die dänische Oberhoheit über die unbesiedelten Gegenden der Insel anzuerkennen. Das besetzte Gebiet lag im südlichen Abschnitt der ostgrönländischen Küste, 1170 Kilometer südlich des ein Jahr zuvor besetzten Territoriums Eirik Raudes Land. Im Gegensatz zu letzterem Gebiet waren allerdings die Norweger in Südostgrönland vor 1931 nie aktiv, bzw. nicht seit der Zeit der Grænlendingar-Siedlung.[3]
Geographie
Das Gebiet erstreckte sich zwischen Lindenows Fjord bei 60° 30′ N (60° 30′ 0″ N, 43° 2′ 12″ W ) und dem Bernstorff Isfjord bei 63° 40′ N 63° 40′ 0″ N, 40° 29′ 31″ W (rund 240 Kilometer südwestlich der dänisch verwalteten Inuit-Siedlung Tasiilaq). Dieses Gebiet hatte eine Nord-Süd-Ausdehnung von rund 370 Kilometern. Es wurde von den in der Region aktiven Norwegern früher schlicht Südliche Küsten genannt.[4] Der dänische Landschaftsname in dieser Region lautet König-Frederik-Vl-Küste. Diese ist etwas weiter gefasst und bezeichnet die Ostküste von der grönländischen Südspitze bei 59° 50′ N (Kap Farvel) bis 65° N (Køge Bugt oder Pikiutdleq).
Internationaler Gerichtshof
Der zwischenstaatliche Konflikt wurde durch Dänemark vor den Ständigen Internationalen Gerichtshof gebracht, welcher nach längerer Verhandlung und Untersuchung am 5. April 1933 in allen Punkten zu Gunsten von Dänemark entschied. Das Urteil nannte das Territorium Fridtjof-Nansen-Land nicht namentlich, im Gegensatz zum Eirik Raudes Land, bezog sich aber dennoch auf alle norwegischen Aktivitäten an der grönländischen Ostküste. Norwegen erkannte den Urteilsspruch noch am selben Tag an, womit die Besetzung nach knapp einem Jahr endete (und die von Eirik Raudes Land nach knapp zwei Jahren).
Besiedlung
Im Sommer 1931 errichtete in dem Gebiet Norwegen die Jagd- und Radiostationen Finnsbu (an der südwestlichen Küste des Graah Fjord bei 63° 22′ 57″ N, 41° 18′ 4″ W ) im Norden und Torgilsbu (im Norden des Eingangs zum Nanuseq Fjord bei 60° 32′ 0″ N, 43° 11′ 0″ W ) im Süden, die auch als Forschungsstationen für das Zweite Internationale Polarjahr 1932–1933 dienten. Auf Anweisung der norwegischen Regierung hisste Finn Devold (1902–1977) die Flagge in Finnsbu.[3] Während des Zweiten Internationalen Polarjahres 1932–1933 war auch die Station Storefjord (dänisch Kangerlussuaq) in Betrieb, die jedoch weit nördlich des Territoriums lag[5] (68° 18′ 0″ N, 32° 14′ 0″ W ). Ansonsten war das Territorium zu der Zeit unbewohnt, obwohl es zahlreiche archäologische Hinweise auf eine frühere Inuit-Besiedlung gibt. Das letzte kleine Inuit-Dorf war Imaarsivik (früher Nukarbik) bei 63° 21′ 0″ N, 41° 5′ 0″ W nahe der späteren Station Finnsbu. Das Dorf wurde im Jahr 1829/30 von Wilhelm August Graah und später von Gustav Frederik Holm besucht. Laut Holm lebten dort in den 1880er Jahren noch 21 Menschen, darunter nur fünf Männer.[6]
Die Station Finnsbu wurde nach dem Richterspruch aufgegeben, während Torgilsbu bis 1940 weiterbetrieben wurde. Im September 1940 wurde die Station zerstört, um einer Übernahme durch das Deutsche Reich zuvorzukommen, das fünf Monate zuvor bereits Norwegen besetzt hatte. Während des Zweiten Weltkriegs unterhielten die Alliierten Stationen bei Kap Adelaer (61° 52′ 0″ N, 42° 25′ 0″ W ) und auf Skjoldungen (63° 11′ 0″ N, 41° 20′ 0″ W ).
Von 1960 bis 1977 wurde bei 61° 32′ 28″ N, 42° 13′ 50″ W die LORAN-Station Qudtleq (Kudtleq) unterhalten, am südöstlichen Ende der gleichnamigen Insel.[7] Karte mit allen Koordinaten: OSM | WikiMap
Verwaltungszugehörigkeit
Als ab 1940 die Verwaltungsgliederung Grönlands in drei Bezirke Westgrönland, Ostgrönland und Nordgrönland erfolgte, fiel das frühere norwegische Territorium an Ostgrönland (die frühere Gliederung Grönlands in Nordgrönland und Südgrönland war nur an der Westküste relevant). Im südlichen Teil des Bezirks wurde 1963 die Gemeinde Ammassalik eingerichtet, die auch dieses nunmehr unbewohnte Gebiet umfasste. Seit der Verwaltungsreform, die am 1. Januar 2009 in Kraft trat, gehört der nördliche Teil des Gebiets zur neuen Großgemeinde Sermersooq, zu der auch das bewohnte Gebiet der Gemeinde Ammassalik um Tasiilaq kam, und der südliche zur Großgemeinde Kujalleq.
Siehe auch
Literatur
- Susan Barr: Norway, a consistent polar nation? Analysis of an image seen through the history of the Norwegian Polar Institute. Kolofon, Oslo 2003, ISBN 82-300-0026-3.
- Gunnar Horn: Recent Norwegian Expeditions to South-East Greenland. Norges Svalbard- og Ishavs-undersøkelser, Meddelelse Nr. 45, Oslo 1939 (PDF; 1 MB)
Einzelnachweise
- Einar-Arne Drivenes und Harald Dag Jølle: Norsk Polarhistorie. Gyldendal, 2004, ISBN 82-05-32654-1, Seite 407
- Oddvar Svendsen: Radiobølger i isødet
- Spencer Apollonio: Lands that Hold One Spellbound: A Story of East Greenland (= Northern lights series. Nr. 11). University of Calgary Press, 2008, ISBN 978-1-55238-240-0, ISSN 1701-0004, S. 188 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- William J. Mills: Exploring Polar Frontiers: A Historical Encyclopedia, Band 2. ABC-CLIO, Santa Barbara 2003, ISBN 1-57607-422-6, S. 273 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Skaergaard history
- Fridtjof Nansen: Eskimålif, 1891
- LORAN Station Kudtlek
Weblinks
- Legal status of eastern Greenland (1933) PCIJ 3 (5 April 1933) - Urteil des Haager Gerichtshofes in der Grönlandsache (französisch und englisch) (PDF; 4,64 MB)
- Karte des südlichen Grönland