Kangertittivaq
Der Kangertittivaq (Tunumiisut für großer Fjord, Kitaamiusut Kangerlussuaq, dänisch Scoresby Sund) ist ein Fjordsystem in der Grönlandsee an der Ostküste Grönlands.[1] Er hat eine baumähnliche Struktur, dessen 110 km langes Hauptbecken[2] in etliche Fjorde abzweigt und damit eine Gesamtfläche von 38.000 km² besitzt (zum Vergleich: Dänemark hat eine Fläche von etwa 43.000 km²). Der längste Fjord erstreckt sich über 340–350 km.[3] Die Tiefe beträgt 400–600 m im Hauptbecken, in den Fjorden fällt sie auf bis zu 1450 m.[3] Es ist das größte und längste Fjordsystem der Welt.[4][5]
Der Fjordkomplex wurde 1822 vom englischen Walfänger William Scoresby entdeckt, der die Ostküste Grönlands zwischen 69° und 75° Nord relativ genau kartierte. Er benannte ihn zu Ehren seines Vaters Scoresby’s Sound.[6] Die Erforschung und detailgetreue Kartierung des inneren Fjords wurde 1891/92 von Carl Ryder vorgenommen. Dort befinden sich zahlreiche Inseln. Die größte von ihnen, Milne Land, besitzt eine Fläche von 3913 km² und befindet sich in der Mitte des Meeresarms. An der Nordseite des Ausgangs liegt Ittoqqortoormiit, die einzige dauerhaft besiedelte Stadt in der Gegend mit 345 Einwohnern (Stand 2020).[7]
Geographie
Der Ausgang zwischen Kangikajik (Kap Brewster) und Uunarteq (Kap Tobin) ist 29 km breit. Sein südlicher Teil ist eine steile, 1000–2000 m große Basaltwand, die nördliche Seite ist tiefergelegen und eher abgerundet. Die Mündung setzt sich über 110 km nach Westen fort, dreht sich dann leicht nach Norden, dehnt sich aus und formt ein Bassin namens Hall Bredning. Von dort spaltet sich der Meeresarm in einige Zweige auf, unter anderem in den Nordwestfjord, Øfjord (der wiederum in Rypefjord und Harefjord), Røde Fjord, Gasefjord und Fønfjord. Zwischen dem Øfjord und dem Fønfjord liegt Milne Land. Das den Fjord umgebende Land ist bergreich und besitzt hoch aufragende Steilwände direkt am Fjord. An manchen Stellen finden sich auch Gletscher.[4]
Klima
Das Klima ist sehr arktisch geprägt, was sich durch einen langen kalten Winter und heftige Stürme zeigt. Die Temperaturen von Januar bis März schwanken zwischen −22,5 und −8,4 °C, der Durchschnitt lag 1971–1981 zwischen −15 und −18 °C. Im Wesentlichen betragen die Temperaturen im hier kurz ausfallenden Sommer weniger als +5 °C, sie schwankten 1971–1981 zwischen +0,5 und +3 °C. Im September setzt normalerweise der erste Schneefall ein, der bis in den kommenden Juni anhält, gegen Ende Oktober friert der Fjord zu. Zwischen Ende November und Mitte Januar steigt die Sonne nicht über den Horizont.[8] Es fällt nur wenig Niederschlag, ungefähr 30 mm pro Monat.[9] Zweimal täglich gibt es Gezeiten mit einem Tidenhub von 1,3 Metern.[3]
Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für den Kangertittivaq
Quelle: [8] |
Fauna
Die Fauna der Umgebung ist außergewöhnlich reich für Grönland. Dies beruht auf einigen besonderen Faktoren, wie der Verfügbarkeit von freiem Wasser im Ausgang in Form von Polynjas, die nicht einmal im Winter zufrieren, sowie dem Schutz vor Winden durch das hohe Relief, und relativ fruchtbarem Land. Zu den Tieren an Land zählen Moschusochsen, Polarfüchse, Hermeline, Schneehasen und Lemminge.[9] Das Ren und der Polarwolf lebten hier einmal, verschwanden aber ungefähr im 20. Jahrhundert.[10]
Unter den Vögeln finden sich Weißwangengänse, Kurzschnabelgänse, Schneegänse, Singschwäne, Prachteiderenten, Eiderenten, Eisenten, Dickschnabellummen, Gryllteisten, Krabbentaucher, Papageientaucher, Eissturmvögel, Silbermöwen, Eismöwen, Mantelmöwen, Dreizehenmöwen, Küstenseeschwalben, Sterntaucher, Eistaucher, Mittelsäger, Alpenschneehühner, Kolkraben, Schnee-Eulen, grönländische Gerfalken etc. Die meisten davon sind ausgewanderte Spezies und bilden große Kolonien, die aus Millionen von Individuen bestehen können (bspw. Krabbentaucher).[11]
Bei den Fischen sind der Seesaibling, der Schwarze Heilbutt, der Polardorsch, Sepien, der Gestreifte Seewolf, Seeskorpione und der Grönlandhai zu nennen.[12] Der Großteil der Säugetiere im Wasser wird von Robben eingenommen (Ringel-, Bart-, Sattelrobbe, Klappmütze und Seehund), die sich im Winter von Fischen (meist dem Polardorsch) und im Sommer von Krebstieren ernähren.[13] Größere Exemplare bilden das Atlantische Walross, der Narwal und manchmal der Beluga.[13]
Bilder
- Kangertittivaq
- Eisberge im Juli 1970
- Blick auf Ittoqqortoormiit im Sommer
Einzelnachweise
- Der Ort Ittoqqortoormiit heißt „Scoresbysund“, der angrenzende Fjord dagegen „Scoresby Sund“.
- Scoresby Sund, Encyclopedia Britannica online
- Artikel Scoresby-Sund in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (BSE), 3. Auflage 1969–1978 (russisch)
- Sandell, S. 7
- Piotr Migoń: Geomorphological Landscapes of the World. Springer, 2010, ISBN 90-481-3054-9, S. 227.
- Journal of a voyage to the northern whale-fishery : including researches and discoveries on the eastern coast of west Greenland, made in the summer of 1822, in the ship Baffin of Liverpool. A. Constable and Co., Edinburgh 1823, S. 197, doi:10.5962/bhl.title.167760 (archive.org).
- Greenland in Figures 2011. Statistics Greenland, abgerufen am 2. August 2011 (englisch, Stand Mai 2011).
- Sandell, S. 8–9
- Sandell, S. 11
- Sandell, S. 18
- Sandell, S. 19–20
- Sandell, S. 21
- Sandell, S. 12–14
Literatur
- Hanne Tuborg Sandell, Birger Sandell: Archaeology and Environment in the Scoresby Sund Fjord: Ethno-Archaeological Investigations of the Last Thule Culture of Northeast Greeland. Museum Tusculanum Press, 1991, ISBN 87-635-1208-4 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).