Tjumen
Tjumen (russisch Тюмень; ) ist die Hauptstadt der gleichnamigen russischen Oblast in Westsibirien. 2019 hatte sie 788.666 Einwohner (Volkszählungsdaten) und liegt am Fluss Tura, der flussabwärts in den Tobol mündet. Die Stadt ist etwa 1700 Kilometer Luftlinie von Moskau entfernt.
Stadt
Tjumen
Тюмень
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Liste der Städte in Russland |
In der Flagge und im Wappen ist ein Doschtschanik, ein flaches Boot, abgebildet.
Geschichte
Von der Gründung bis zum 19. Jahrhundert
Tjumen ist eine der ältesten russischen Ansiedlungen in Sibirien. Es wurde bereits 1586 als Fort der Kosaken an der Mündung der Flüsse Tjumenka und Tura zum Schutz gegen die kasachischen Steppennomaden gegründet und lag damals in der Nähe der alten Hauptstadt Tschingi-Tura des kurz vorher von den Kosaken eroberten Khanats Sibir. Der Name Tjumen ist die russische Übernahme des mongolischen Begriffs Tümen für „10.000“ und bezeichnete ursprünglich wohl die ganze Region.[2]
Seit dem 17. Jahrhundert war Tjumen ein wichtiger Transitpunkt auf dem Handelsweg von Sibirien nach China. Tjumen wurde Handelszentrum und bedeutendes Handwerkerzentrum mit Schmieden, Glockengießereien, Lederverarbeitung und Seifenproduktion. Seit 1709 gehörte Tjumen zum Sibirischen Gouvernement. 1782 erhielt Tjumen die Stadtrechte und wurde 1796 Verwaltungszentrum eines Ujesds im Gouvernement Tobolsk.
Mit dem Bau des ersten Schiffes in Sibirien 1838 begann in Tjumen die Flussschifffahrt, auch wurde eine Bahnlinie nach Jekaterinburg gebaut. Tjumen wurde zum Zentrum für Schiffbau, Holzverarbeitung und Fischfang, auch die Teppichproduktion war stark entwickelt. Jährlich fand hier einer der größten Sommerjahrmärkte in Sibirien statt. Im 19. Jahrhundert wurde Tjumen zur Zwischenstation für Umsiedler und Verbannte, hier wurden sie registriert und an ihre endgültigen Wohnorte in Sibirien verteilt.
Vom 20. Jahrhundert bis heute
Während des Zweiten Weltkriegs wurde der einbalsamierte Körper Lenins aus dem Moskauer Lenin-Mausoleum nach Tjumen gebracht. Am 14. August 1944 wurde die Stadt Zentrum einer neugebildeten, gleichnamigen Oblast.
In Tjumen bestand das Kriegsgefangenenlager 93 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs.[3]
Während der Zeit der Sowjetunion stieg die Einwohnerzahl Tjumens massiv an, von weniger als 80.000 im Jahr 1939 bis auf über 475.000 im Jahr 1989. Dieser Trend setzte sich − im Gegensatz zu vielen anderen Städten Russlands – nach dem Zerfall der Sowjetunion unvermindert fort.
Bevölkerungsentwicklung
Jahr | Einwohner |
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1897 | 29.544 |
1939 | 79.205 |
1959 | 150.195 |
1970 | 268.526 |
1979 | 358.992 |
1989 | 476.869 |
2002 | 510.719 |
2010 | 581.907 |
2019 | 788.666 |
Anmerkung: Volkszählungsdaten
- In der Innenstadt, 2003
- Dreifaltigkeitskloster
Klima
In Tjumen herrscht Kontinentalklima. Charakteristisch sind schnelle Temperaturänderungen. Die mittlere Temperatur beträgt im Januar −17 °С und im Juli +18 °С. Die niedrigste Temperatur im Winter beträgt −50 °C, die höchste Temperatur im Sommer beträgt 38 °С.
Tjumen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Tjumen
Quelle: Roshydromet |
Wirtschaft und Bildung
Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind der Schiffs- und Maschinenbau, außerdem die Herstellung von Fleischprodukten und die chemische Industrie. In dem Flughafen Tjumen unterhält die Fluggesellschaft Utair Aviation ihren Hauptsitz. Auch die deutsche Firma Schwank, Marktführer für Hallenheizung, unterhält dort ihre Tochtergesellschaft, SibSchwank, die im russischen Markt Marktanteile von ca. 25 % hält.[4]
Tjumen ist außerdem Sitz mehrerer Universitäten und Hochschulen. Dazu gehören etwa die Staatliche Universität Tjumen, die Staatliche Universität für Architektur und Bauingenieurwesen Tjumen sowie weitere, kleinere Hochschulen. Bis 2016 soll in Tjumen eine moderne medizinische Hochschule mit dem Schwerpunkt Neurochirurgie entstehen.[5]
Verkehr
Tjumen liegt an der Hauptstrecke der Transsibirischen Eisenbahn. Darüber hinaus verfügt die Stadt über einen Flusshafen und (in Roschtschino) einen internationalen Flughafen.
Die 632 Kilometer lange R402 verbindet im Südteil des Westsibirischen Tieflands Tjumen mit Omsk. Gleichzeitig ist die Stadt Ausgangspunkt der R351, die eine Verbindung nach Jekaterinburg darstellt, und der R404, die in nördlicher Richtung nach Chanty-Mansijsk führt.
Sport
Der Eishockeyverein HK Rubin Tjumen nimmt am Spielbetrieb der zweithöchsten russischen Spielklasse teil und gewann deren Austragung 2011.
Außerdem wird die Stadt durch den Fußballverein FK Tjumen in der dritthöchsten russischen Liga vertreten. Der Verein gehört zu den Gründungsmitgliedern der Premjer-Liga und spielte in den 1990er Jahren erstklassig.
Im Volleyball wird Tjumen durch das Team vom VK Tjumen repräsentiert.
In den Jahren 2012 bis 2013 fand in Tjumen ein jährlich ausgetragenes Tennisturnier Siberia Cup statt.
Vom 22. bis 25. März 2018 findet der Biathlon-Weltcup im Wintersportzentrum Tjumen statt.[6] Bereits in der Saison 2016/17 hätte ein Weltcup in Tjumen stattfinden sollen. Aufgrund des Doping-Skandals waren die russischen Organisatoren jedoch gezwungen, auf eine Austragung des Wettbewerbs in Sibirien zu verzichten. Stattdessen wurde der Wettbewerb nach Kontiolahti verlegt.[7] Auch die Weltmeisterschaften, die 2021 in Tjumen stattfinden sollten, wurden Russland durch die IBU in Folge des Doping-Skandals wieder entzogen.[8]
Stadtgliederung
Tjumen ist in vier Stadtbezirke (Stadtrajons) unterteilt:
- Kalininski (Kalinin-Rajon)
- Leninski (Lenin-Rajon)
- Zentralny (Zentralrajon)
- Wostotschny (Ostrajon; seit dem 21. März 2008, aus dem Leninski rajon ausgegliedert)
Im Jahr 2004 wurden die Orte Melioratorow, Mechanisatorow, Mys, Noworoschtschino, Trufanowa, Suchodolski und Parfenowski eingemeindet.
Städtepartnerschaften
Tjumen listet drei Partnerstädte auf:
Daqing, Volksrepublik China
Celle, Deutschland, seit 1994
Houston, USA, seit 1995
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter der Stadt
- Anatoli Korolkewitsch (1901–1977), Theater- und Filmschauspieler
- Tamara Toumanova (1919–1996), russisch-US-amerikanische Balletttänzerin und Schauspielerin
- Leonid Wassiljew (1919–2002), General[9]
- Juri Sujew (1932–2006), russisch-kasachischer Sinologe und Turkologe
- Wladimir Nak (1935–2010), Verkehrsbauarbeiter und Leiter von Jamaltransstroi
- Wladislaw Krapiwin (1938–2020), Kinderbuchautor
- Igor Pusanow (* 1947), Armeegeneral[10][11]
- Wladimir Tscheboksarow (* 1951), Ringer
- Pawel Wawilow (* 1962), Biathlet
- Grigori Sijatwinda (* 1970), Schauspieler
- Jewgeni Buschmanow (* 1971), Fußballspieler[12]
- Andrei Nikitenko (* 1979), Eishockeyspieler
- Anastasiya Kuzmina (* 1984), Biathletin und Olympiasiegerin
- Dmitri Schitikow (* 1986), Eishockeyspieler
- Iwan Lissutin (* 1987), Eishockeytorwart
- Anton Schipulin (* 1987), Biathlet
- Michail Grigorjew (* 1991), Eishockeyspieler
- Julija Kaplina (* 1993), Sportkletterin
- Tatjana Sorina (* 1994), Skilangläuferin
- Igor Ustinski (* 1994), Eishockeytorwart
- Andrei Wassilewski (* 1994), Eishockeytorwart
- Emma Drogunova (* 1995), deutsche Schauspielerin
- Iwan Jakimuschkin (* 1996), Skilangläufer
- Diana Klimowa (* 1996), Radsportlerin
- Pawel Schakuro (* 1997), Fußballspieler
- Pawel Maslow (* 2000), Fußballspieler
Sonstige
- Georg Wilhelm Steller (1709–1746), deutscher Naturforscher, starb hier 1746 auf seiner Rückreise von Sibirien nach Sankt Petersburg
Sehenswürdigkeiten
Das Naturkundemuseum Tjumens ist als eines der wenigen weltweit im Besitz eines vollständig erhaltenen Mammutskeletts.
Literatur
- James Forsyth: A History of Peoples of Siberia: Russia's North Asian Colony, 1581–1990. Cambridge University Press, Cambridge 1992, ISBN 0-521-47771-9, S. 25 f. (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. Juni 2020]).
Weblinks
Einzelnachweise
- Itogi Vserossijskoj perepisi naselenija 2010 goda. Tom 1. Čislennostʹ i razmeščenie naselenija (Ergebnisse der allrussischen Volkszählung 2010. Band 1. Anzahl und Verteilung der Bevölkerung). Tabellen 5, S. 12–209; 11, S. 312–979 (Download von der Website des Föderalen Dienstes für staatliche Statistik der Russischen Föderation)
- James Forsyth: A History of the Peoples of Siberia: Russia’s North Asian Colony. 1581–1990. Cambridge Cambridge University Press, 1994, ISBN 0-521-47771-9, S. 25.
- Maschke, Erich (Hrsg.): Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des zweiten Weltkrieges. Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld 1962–1977.
- IHK Nürnberg: Kurzbeschreibung der Region Tjumen., Nürnberg 2008.
- http://www.rg.ru/2013/12/20/reg-urfo/medgorodok.html
- Biathlon in Tyumen: Die Termine im Überblick. In: www.t-online.de. 26. November 2017, abgerufen am 13. Januar 2018.
- IBU vergibt Tjumen-Weltcup neu. In: sport1.de. 7. Januar 2017, abgerufen am 13. Januar 2018.
- Biathleten machen Druck: Keine Biathlon-WM 2021 in Tjumen. In: sportschau.de. 8. Februar 2017, abgerufen am 13. Januar 2018.
- Васильев Леонид Иокинфович, warheroes.ru (russisch)
- Игорь Евгеньевич Пузанов, pochta-polevaya.ru (russisch)
- Пузанов Игорь Евгеньевич, eurasian-defence.ru (russisch)
- Евгений Бушманов, rusteam.permian.ru (russisch)