Ritterschaft
Der Ausdruck Ritterschaft (mittelhochdeutsch ritterscaft) bezeichnete im Allgemeinen den niederen Adel in Deutschland. Zur Ritterschaft im engeren Sinn wurden aber nur die Angehörigen des niederen Adels gezählt, die rittermäßige Besitzungen (Rittergüter) hatten und als Teil der Landstände die Ritterschaft auf den Landtagen bildeten.
Begriff
Die Ritterschaft im allgemeinen Sinn bezeichnete damit einen besonderen Geburtsstand neben dem Bürger- und Bauernstand, den niederen Adel, der wiederum vom Hochadel zu unterscheiden war. Der Hochadel gehörte nicht zur Ritterschaft.
Der Wortbestandteil „Ritter“ im Begriff „Ritterschaft“ muss genauso wie in anderen neuzeitlichen Bezeichnungen wie „Ritterbund“ oder der noch weitergehenden Begriffsvermischung „Ritterorden“ relativiert werden. Die „Ritterwürde“, also die Legitimation durch Schwertleite oder Ritterschlag war keine Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur Ritterschaft. Vielmehr wurde hier auf die Standesqualität und nicht auf die eigentliche Ritterwürde abgestellt.
Einteilung
Die Ritterschaft im engeren Sinn bzw. die gutsbesitzende Ritterschaft wurde zur Zeit des Heiligen Römischen Reiches in Bezug auf Kaiser und Reich entweder in unmittelbare oder mittelbare Ritterschaft eingeteilt.
- Die reichsunmittelbare Ritterschaft war wegen ihrer Besitzungen keinem Reichsfürsten lehenspflichtig, sondern hatte diese direkt vom Kaiser und Reich zum Lehen erhalten. Daher wurde diese Ritterschaft auch unmittelbare Reichsritterschaft genannt, um dadurch ihre Befreiung von der reichsständischen Landeshoheit zum Ausdruck zu bringen.[1] Die Reichsritter gehörten aber – im Gegensatz zum Hohen Adel und den Kirchenfürsten – nicht zu den Reichsständen, da sie nicht im Reichstag vertreten waren. Sie schlossen sich im Fränkischen Ritterkreis, Schwäbischen Ritterkreis und Rheinischen Ritterkreis zusammen. Diese Ritterkreise wurden als Interessenvertretungen der Reichsritterschaft mit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs 1806 aufgelöst und die Territorien der reichsfreien Ritter kamen durch Mediatisierung unter die Herrschaft von Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes.
- Die mittelbare Ritterschaft (gelegentlich auch als landesunmittelbar bezeichnet) bestand aus dem landsässigen Adel in den deutschen Provinzen und musste die Landeshoheit desjenigen Reichsstandes als Landesherrn anerkennen, in dessen Land ihre Besitzungen, die Rittergüter lagen, die entweder allodiale oder Lehensgüter sein konnten (oder auch landesherrliche Pfandgüter).
Politische Funktion
→ Siehe: Geschichte der Landstände und Geschichte der Reichsritterschaft.
Auf den Landtagen bezeichnete sich der dort vertretene Adel, neben den andern Landständen, den Prälaten und den Abgeordneten der Städte, als die Ritterschaft. Die persönliche Landstandschaft des Adeligen hing vom Besitz eines bestimmten Rittergutes und vom Nachweis mehrerer Generationen adeliger Vorfahren (gewöhnlich 16 adeliger Ururgroßeltern) ab. Die landständischen Familien waren in einer Matrikel verzeichnet, was zur Unterscheidung eines immatrikulierten und eines nichtimmatrikulierten Adels führte. Nur der immatrikulierte Adel gehörte zur Ritterschaft.
Im Zusammenhang mit der Wahrnehmung politischer Rechte fing die Ritterschaft an, sich in Verbänden zu organisieren, die ebenfalls als Ritterschaften bezeichnet wurden. Diese Verbände wurden zunächst immer wieder verboten, so in der Goldenen Bulle von 1356 und erneut 1396. Erst 1422 ließ König Sigismund diese Ritterschaften offiziell zu.[2]
Sie übten politische Mitbestimmungsrechte in den Landtagen aus, wo die Rittergutsbesitzer die Ritterschaft innerhalb der Landstände bildeten. Die Landstandschaft stand ursprünglich allen Adligen einer Region als Personalrecht zu[3], wurde mit der Zeit aber in Form eines Realrechts als Zubehör der Rittergüter selbst angesehen (nobilitas realis). In Preußen und auch in anderen Staaten wurden wegen ihrer Bedeutung für die ständischen und landschaftlichen Wahlen Verzeichnisse der Rittergüter geführt, die sogenannten Rittergutsmatrikel. Während ursprünglich nur Adlige Rittergutsbesitzer sein durften, konnten ab dem 16. Jahrhundert Rittergüter auch von Bürgerlichen erworben werden, wobei die Ritterschaften durch die Immatrikulierung mitwirken mussten. Meist suchten die neuen Rittergutsbesitzer dann beim Landesherrn um Nobilitierung nach und wurden oft auch geadelt. Im 17. Jahrhundert gab es zunehmend auch bürgerliche Rittergutsbesitzer, seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stieg die Zahl stark an.
Mit dem Erwerb eines Rittergutes gingen auch die mit dem Gut verbundenen Realrechte auf den neuen Eigentümer über. Dazu gehörte zumeist die Niedere Gerichtsbarkeit bzw. Patrimonialjurisdiktion, seltener auch die Hohe Gerichtsbarkeit (in aller Regel wurde die rechtsprechende Gewalt der Rittergutsbesitzer mit der Bauernbefreiung aufgehoben), außerdem die lokale Polizeigewalt (vergleichbar einem Bürgermeister), teilweise noch bis ins 20. Jahrhundert. Ferner die Jagdgerechtigkeit, häufig Fischereirechte, Braugerechtigkeit und andere Bannrechte. Das kirchliche Patronatsrecht ist oft bis heute mit dem Besitz eines Rittergutes verbunden.
Beispiele
- In Mecklenburg bestand bis 1918 eine Abteilung des Mecklenburgischen Landtags mit der Bezeichnung Ritterschaft, im Gegensatz zu der von den städtischen Vertretern gebildeten Landschaft, während sich die Mecklenburgische Ritterschaft aus den Besitzern der Rittergüter zusammensetzte. Das Ritterschaftliche Gebiet umfasste ca. 46 % der Gesamtfläche Mecklenburgs. Nach 1918 bestand die Ritterschaft bis 1945 als Verein fort.
- Bis heute existieren die Ritterschaften noch in Schleswig-Holstein (wo die Rittergüter die Bezeichnung Adliges Gut führen, unabhängig von der Zuordnung ihres jeweiligen Besitzers zum historischen Adels- oder Bürgerstand) und in Niedersachsen, wo sie keine privaten Vereine, sondern Körperschaften des Öffentlichen Rechts sind und ihre Mitgliedschaft in den Landschaften (und zwar den Landschaften und Landschaftsverbänden in Niedersachsen) fortbesteht (siehe auch: Ritterschaften in der Gegenwart).
- Die Ritterschaft des Herzogtums Bremen ist aus der erstmals 1397 erwähnten des Erzstiftes Bremen hervorgegangen und heute eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Stade.
- In Hessen existiert bis heute die 1532 vom Landesfürsten gegründete Althessische Ritterschaft als älteste Stiftung im Bundesland Hessen.
- Die Rheinische Ritterschaft existiert seit 1837 als Körperschaft des öffentlichen Rechts unter dem Namen Genossenschaft des Rheinischen Ritterbürtigen Adels. Sitz ist seit 1925 Schloss Ehreshoven an der Agger.
Literatur
- Barbara Hammes: Ritterlicher Fürst und Ritterschaft. Konkurrierende Vergegenwärtigung ritterlich-höfischer Tradition im Umkreis südwestdeutscher Fürstenhöfe 1350–1450. Kohlhammer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-021796-6. (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Reihe B: Forschungen Bd. 185)
- Marcus Weidner: Die Matrikel der landtagsfähigen (und „dubiosen“) Häuser des Fürstbistums Münster von 1704. Entstehungsursachen – Prüfverfahren – Funktion – Verzeichnis (mit einer Liste der um 1655 zum Landtag verschriebenen Mitglieder der Münsterschen Ritterschaft). In: Westfälische Zeitschrift, Jg. 147 (1997), S. 93–178.
- Marcus Weidner: Landadel in Münster 1600–1760. Stadtverfassung, Standesbehauptung und Fürstenhof. Aschendorff, Münster 2000, ISBN 3-402-06641-6.
Einzelnachweise
- Brockhaus Conversations-Lexikon Band 4. Amsterdam 1809, S. 287–288.
- Regesta imperii: Sigmund., 1422, Nürnberg: erlaubt der Ritterschaft …
- Die Mitgliedschaft in der Althessischen Ritterschaft ist bis heute ein Personalrecht geblieben.
Siehe auch
Einzelne Ritterschaften:
- Bremische Ritterschaft
- Estländische Ritterschaft
- Harrisch-Wierische Ritterschaft
- Hessische Ritterschaft
- Kurländische Ritterschaft
- Livländische Ritterschaft
- Lüneburger Ritterschaft
- Mecklenburgische Ritterschaft
- Oeselsche Ritterschaft
- Rheinische Ritterschaft
- Wildensteiner Ritterschaft auf blauer Erde