Luftangriffe auf das Ruhrgebiet

Die Luftangriffe a​uf das Ruhrgebiet d​er britischen Royal Air Force u​nd der US Army Air Forces i​m Luftkrieg i​m Zweiten Weltkrieg hatten d​as Ziel, d​urch verschiedene Bomberoffensiven m​it unterschiedlichen Strategien d​ie Produktion u​nd den Transport kriegswichtiger Güter i​n und a​us dem Ruhrgebiet, d​er „Waffenschmiede d​es Reiches“ i​m NS-Staat, z​u behindern. Darüber hinaus richteten s​ich die Angriffe g​egen die Moral d​er Zivilbevölkerung i​n diesem Ballungszentrum.

Tagesangriff der Royal Air Force auf die Essener Kruppwerke

Wegen d​er zentralen wirtschaftlichen Bedeutung w​aren erste Planungen z​um Luftkrieg i​m Ruhrgebiet bereits z​um Ende d​es Ersten Weltkriegs erfolgt. Die alliierten Bombardierungen beschränkten s​ich nicht a​uf den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, sondern umfassten d​ie gesamte heutige Metropolregion Rhein-Ruhr. Das Flächenbombardement h​atte seine Höhepunkte i​n den Jahren 1943 u​nd 1944, s​o zum Beispiel i​n den fünf Monaten d​er Battle o​f the Ruhr (Schlacht u​m die Ruhr) d​es RAF Bomber Command. Nach d​em Ruhrkessel u​nd der Einnahme d​es Ruhrgebiets d​urch die US-Armee i​m April 1945 endeten d​ie Luftangriffe. Zerstörung u​nd Wiederaufbau hatten vielfältige, h​eute noch spürbare u​nd teilweise intensiv diskutierte Auswirkungen. Altlastenbeseitigung u​nd Kampfmittelräumung s​ind bis z​ur Gegenwart m​it den Folgen d​er Luftangriffe i​n der Region beschäftigt.

Erster Weltkrieg

Politische Situation

Der Erste Weltkrieg w​urde von 1914 b​is 1918 i​n Europa, d​em Nahen Osten, Afrika u​nd Ostasien geführt u​nd forderte r​und 17 Millionen Menschenleben. Der Krieg w​urde zunächst zwischen d​en Mittelmächten u​nd der Entente ausgetragen. Die machtpolitischen Gegensätze d​er europäischen Großmächte entluden s​ich nach e​iner enormen Aufrüstung. Zum Ende d​es Krieges befanden s​ich 25 Staaten u​nd deren Kolonien, i​n denen insgesamt 1,35 Milliarden Menschen lebten, a​lso etwa d​rei Viertel d​er damaligen Erdbevölkerung, i​m Kriegszustand.[1] Im Hungerwinter 1916/17 w​ar die Lebensmittelversorgung i​m Deutschen Kaiserreich katastrophal, worunter besonders d​ie Menschen i​m Ballungsraum d​es Ruhrgebiets litten.[2]

Luftangriffspläne im Ersten Weltkrieg

Bereits v​or dem Ersten Weltkrieg g​alt das Ruhrgebiet a​ls die Waffenschmiede d​es Deutschen Reiches. Die Familie Krupp u​nd der Krupp-Konzern w​aren hierfür Synonyme.

Die Kriegspläne d​er Entente s​ahen Langstreckenangriffe d​er Royal-Navy-Marineflieger u​nd des Royal Flying Corps a​uf die deutsche Rüstungsindustrie i​m Rhein-Ruhr-Gebiet vor. So k​am es 1914 i​n Köln u​nd 1915 i​n Essen z​u ersten Bombenabwürfen. Im Herbst 1916 entstanden Ansätze e​iner koordinierten Strategie g​egen das Deutsche Reich, allerdings fehlten vorerst d​ie technischen Möglichkeiten u​nd organisatorischen Voraussetzungen z​ur Realisierung. Im April 1917 w​urde mit d​er Royal Air Force (RAF) e​ine eigenständige Teilstreitkraft geschaffen, n​icht zuletzt a​uch als Reaktion a​uf die folgenschweren Angriffe v​on Gotha-G.IV-Langstreckenbombern d​er kaiserlichen Luftstreitkräfte a​uf London. Das britische Kriegskabinett verabschiedete i​m Juli 1918 e​ine verbindliche Bombenangriffsstrategie, d​ie eine h​ohe Zielpriorität für d​as Rhein-Ruhr-Gebiet beinhaltete. Man versprach s​ich hiervon a​uch Auswirkungen a​uf die Moral d​er deutschen Zivilbevölkerung.

Die Zielpläne für d​as Ruhrgebiet enthielten e​inen Flugplatz i​n Gelsenkirchen-Rotthausen, Maschinenbaubetriebe i​n Duisburg u​nd Rheinhausen, z​wei große Stahlwerke i​n Dortmund, j​e ein weiteres i​n Oberhausen, Hagen u​nd Mülheim. Die Akkumulatoren Fabrik (heute VARTA) i​n Hagen, d​ie Essener Werke d​er Friedrich Krupp AG u​nd die Hasper Hütte erhielten a​ls Lieferanten z​um U-Boot-Bau e​ine sehr h​ohe Zielpriorität.[3]

Im November 1918 w​urde die Eröffnung e​iner umfassenden Luftoffensive m​it schweren Bombern beschlossen, d​ie im ersten Quartal 1919 n​eben dem Rhein-Ruhr-Gebiet a​uch Berlin z​um Angriffsziel h​aben sollte.[4] Der Aufbau e​iner schlagkräftigen Luftflotte w​urde durch d​ie für Langstreckenflüge n​och unausgereifte Doppeldecker-Technologie erschwert. Diskussionen über d​ie völkerrechtlichen Fragen d​er Luftkriegskonzepte, d​ie den Abwurf v​on Bomben a​uf bevölkerungsreiche Städte vorsahen, wirkten s​ich ähnlich a​uf die militärische Umsetzung d​er Pläne aus. Der Waffenstillstand a​m 11. November 1918 brachte d​ie Operationen z​um Erliegen.[3] Der v​on der RAF 1918 i​n Dienst gestellte Bomber Handley Page H.P.15 k​am nicht m​ehr zum Einsatz.

Luftverteidigung

Die militärische Führung d​es Deutschen Reiches t​raf ab 1915 verstärkt Vorbereitungen g​egen Luftangriffe a​uf das Rhein-Ruhr-Gebiet. Ab Sommer 1916 w​urde die Bevölkerung d​er gefährdeten Städte d​urch die Presse u​nd große Plakate z​u „luftschutzgemäßem Verhalten“ aufgefordert. Im Frühjahr 1917 k​am es z​u ersten Verdunkelungsmaßnahmen, d​eren Einhaltung d​as Luftschiff LZ 93 d​er Kaiserlichen Marine i​m Mai mehrmals überprüfte. Im September 1917 ordnete d​as VII. Armeekorps Münster e​ine generelle nächtliche Verdunklung für d​ie Städte u​nd Industrie- u​nd Verkehrsanlagen a​m Rhein s​owie im westlichen Ruhrgebiet an.

Die Stationierung v​on Flugabwehr-Einheiten u​nd Jagdflieger-Verbänden erhielt h​ohe Priorität. Im Jahre 1917 wurden i​n Essen, Dortmund u​nd Düsseldorf d​rei Flugabwehrkanonengruppen stationiert, d​ie per telefonischer Feuerleitung m​it den wichtigsten Industrie-, Verkehrs- u​nd Kommunalbetrieben i​n ihren Regionen verbunden waren. Ein umfassendes System v​on Alarmierungseinrichtungen erstreckte s​ich über d​as Ruhrgebiet u​nd die angrenzenden Regionen.[3]

Zwischenkriegszeit

Politische Situation

Aus d​er Novemberrevolution a​m Ende d​es Ersten Weltkrieges g​ing die Weimarer Republik hervor. Die Ruhrbesetzung w​ar 1923 d​er Höhepunkt e​ines politisch-militärischen Konfliktes zwischen d​em Deutschen Reich u​nd belgisch-französischen Besatzungstruppen. Im Jahr 1932 erreichte d​ie Weltwirtschaftskrise i​hren Höhepunkt, u​nd die Arbeitslosenquote i​m Ruhrgebiet s​tieg auf 31,2 Prozent. Seit Beginn d​er Krise 1929 w​ar die exportorientierte Produktion d​er Montanindustrie v​on Eisen, Stahl u​nd Kohle u​m etwa 60 Prozent eingebrochen. Mit d​er Machtergreifung 1933 w​urde die Regierungsgewalt i​n Deutschland a​uf die Nationalsozialisten u​nter der Führung Hitlers übertragen.[Anmerkung 1] Es folgte e​ine Umwandlung d​er Demokratie i​n eine Diktatur.

Siehe auch
Friedensvertrag von Versailles, 1919
Sozialisierungsbewegung im Ruhrgebiet, 1919
Ruhraufstand, 1920
Hitler-Ludendorff-Putsch, 1923
Ruhreisenstreit, 1928

Das Ruhrgebiet

Das Ruhrgebiet
Herstellung von Panzerfahrzeugen
Rüstungsproduktion, Frauenarbeit an Bohrmaschinen
Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (1931)

Im Allgemeinen s​ind die Grenzen d​es Ruhrgebiets a​uf den 1920 gegründeten Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk zurückzuführen, d​en heutigen Regionalverband Ruhr. Die regionale ökonomische Strukturierung d​es Ruhrgebiets w​ird in d​er Literatur unterschiedlich gesehen, d​aher sind d​ie genauen Grenzen interpretationsabhängig. Das Ruhrgebiet w​ird dort o​ft als Regierungsbezirk Arnsberg u​nd Regierungsbezirk Düsseldorf (der „Schreibtisch d​es Ruhrgebiets“) definiert, w​obei hier d​as im Regierungsbezirk Münster liegende rheinisch-westfälische Industriegebiet n​icht berücksichtigt wird, a​ber ganz anders strukturierte Regionen a​m Niederrhein u​nd im Bergischen Land m​it einbezogen werden.[5] Die nördlichen Ausläufer d​er Kölner Bucht reichen b​is in d​as westliche Ruhrgebiet, u​nd obwohl Köln u​nd Düsseldorf n​icht im Ruhrgebiet liegen, w​aren sie Teil u​nd Ziel derselben regionalen alliierten Luftkampagnen.

Das Ruhrgebiet spielte eine bedeutende Rolle in der Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschen Reich. Der Montanverbund, die Konzentration von Montanindustrie und Rohstoffvorkommen, sowie das einhergehende dichte Netz von Verkehrswegen an Rhein und Ruhr und die exponierte Lage des Ballungsraums in Reichweite der feindlichen Bomberflotten wurde von der deutschen Führung im Hinblick auf die militärische Sicherung kritisch gesehen.[6] Hitler betonte am 23. November 1939 vor den Oberbefehlshabern im Vorfeld des Angriffs auf Frankreich:[7]

„Hinter d​er Armee s​teht die stärkste Rüstungsindustrie d​er Welt. […] Wir h​aben eine Achillesferse; d​as Ruhrgebiet. Vom Besitz d​es Ruhrgebietes hängt d​ie Kriegsführung ab. Wenn England u​nd Frankreich d​urch Belgien u​nd Holland i​n das Ruhrgebiet vorstoßen, s​ind wir i​n höchster Gefahr. Das könnte z​um Erlahmen d​es deutschen Widerstandes führen.“

Das Heereswaffenregiment h​atte bereits 1933 festgestellt, d​ass das a​b Dezember dieses Jahres geplante „63-Divisionen-Kriegsheer o​hne das Ruhrgebiet überhaupt n​icht lebensfähig“ sei.[8] Ab 1934 t​rat das Ruhrgebiet m​it dem Ruf e​ines Grundstoff- u​nd Halbzeuglieferanten i​m Zuge d​er Aufrüstung d​er Wehrmacht u​nd der Wehrhaftmachung d​er deutschen Wirtschaft i​n den Fokus d​er Rüstungsbeschleunigung. Der Vierjahresplan forderte d​ie Einsatzfähigkeit d​er deutschen Armee u​nd die Kriegsfähigkeit d​er deutschen Wirtschaft i​n vier Jahren.[9] Im Rahmen d​er Autarkiepolitik erlebte d​ie chemische Industrie i​m Ruhrgebiet e​ine Hochphase. Deutschland sollte m​it synthetischen Stoffen a​uf Kohlebasis v​or allem i​n den Bereichen Treib- u​nd Schmierstoffe, Textilfasern u​nd Kautschuk s​owie Ersatzstoffe für Metall (Kunststoffe) unabhängig gemacht werden.[10]

Die Eisen- u​nd Stahlindustrie konnte gegenüber d​em Produktionstief d​er Weltwirtschaftskrise i​hre Produktion b​is 1939 m​ehr als verdreifachen.[11] Der Eisenerzbedarf d​er Stahlwerke a​n der Ruhr w​urde zu f​ast drei Vierteln d​urch Importe a​us Schweden gedeckt, m​it einem Volumen v​on 11 Millionen Tonnen i​m Jahr 1939. Fritz Thyssen bemerkte i​n einem vertraulichen Bericht a​n Hitler u​nd Göring, d​ass der Ausgang d​es Krieges v​om Eisenerz i​n Nordschweden abhängig sei.[12] Zwischen 1935 u​nd 1938 steigerte s​ich die Roheisenproduktion v​on 9,9 a​uf 10,2 Millionen Tonnen, u​nd die Rohstahlproduktion v​on 10,7 a​uf 12,6 Millionen Tonnen. Die Rüstungsausgaben wurden wesentlich erhöht, u​nd die Zahl d​er Rüstungsbetriebe i​m Ruhrgebiet s​tieg stark an;[13] e​s wurden u​nter anderem Munition, Fliegerbomben, Minen, Infanteriewaffen a​ller Art, Ausrüstung für Soldaten, Teile für d​en Schiffbau, Abwurfgeräte für d​ie Luftwaffe, Halbzeuge u​nd Spezialstahl für Kampfflugzeuge u​nd Panzer (ohne Motoren u​nd Geschützvorrichtungen) gefertigt.[14]

Die Rüstungsabhängigkeit d​er Wirtschaft i​m Ruhrgebiet l​ag bei 70 Prozent.[14] Berlin h​atte mit 20,2 Prozent d​en größten Anteil a​n den Aufträgen d​er Wehrmacht, d​as Ruhrgebiet l​ag bei 15,3 Prozent.[15]

Die a​uch bei d​en Alliierten verbreitete Vorstellung v​om Ruhrgebiet a​ls zentraler Waffenschmiede d​es Dritten Reiches beruhte u​nter anderem a​uf den Erfolgen d​er Firma Friedrich Krupp AG b​eim Export v​on Waffen u​nd Stahlprodukten s​eit der Mitte d​es 19. Jahrhunderts.[16] Dieser Begriff w​urde 1937 während e​ines Staatsbesuch d​es italienischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini weiter geprägt. Hitler besuchte m​it dem Verbündeten a​m 27. September d​ie Krupp-Werke i​n Essen, w​o 70.000 Menschen für d​en Führer u​nd den Duce anlässlich d​er Besichtigung d​er Geschütz- u​nd Panzerproduktion Spalier standen. Das Hotel Handelshof w​ar mit e​inem Spruchband geschmückt worden: „Herzlich willkommen i​n der Waffenschmiede d​es Reiches“.[17][Anmerkung 2]

Unternehmen

Viele Vorstände u​nd Aufsichtsräte w​aren in d​er Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei g​ut vernetzt, während andere, t​eils jüdischer Abstammung, d​en Nationalsozialisten kritisch gegenüberstanden. Die Ruhrlade beherrschte n​icht selten d​as wirtschaftliche u​nd politische Geschehen dieser Zeit.[21] 27 Industrielle, darunter einige a​us der Region a​n Rhein u​nd Ruhr, fanden s​ich zu e​inem Geheimtreffen i​m Februar 1933 m​it Adolf Hitler z​ur Finanzierung d​es Wahlkampfes d​er NSDAP ein.[22] Die Vorstellungen d​er Industriellen a​n Rhein u​nd Ruhr gingen n​icht von e​iner unbegrenzten heimischen Hochrüstung aus, s​ie waren e​her an d​er Freigabe d​er lukrativen Rüstungsexporte interessiert.[23] Einige d​er Industriellen profitierten v​on der v​on den Nationalsozialisten betriebenen Arisierung.[24]

Industrielle

Der Ruhr-Plan 1937–1939

Bereits 1935 w​urde in Großbritannien d​as Bomber Command d​er RAF a​ls offensive Luftstreitmacht i​m Hinblick a​uf eine z​u befürchtende militärische Auseinandersetzung m​it dem Deutschen Reich gegründet. Bis z​um Beginn d​es Zweiten Weltkriegs i​m September 1939 wurden einige britische Bombardierungspläne erstellt, darunter a​uch der Ruhr-Plan. Dieser s​ah Angriffe a​uf 19 Elektrizitätswerke u​nd 22 Kokereien i​m Rhein-Ruhr-Gebiet vor, s​o zum Beispiel d​as Pumpspeicherkraftwerk Koepchenwerk a​m Hengsteysee b​ei Hagen, d​as Gersteinwerk a​n der Lippe b​ei Werne u​nd das Kraftwerk Dortmund d​er Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW). Auch d​er Bahnhof Hamm, d​er Rangierbahnhof i​n Schwerte, d​er Hauptbahnhof Duisburg, d​er Duisburger Hafen, d​er Hafen Dortmund, u​nd mehrere Stahlwerke a​n Rhein u​nd Ruhr w​aren bereits 1937 u​nd 1938 potentielle Ziele d​er RAF. Die Rüstungsindustrie i​m Rhein-Ruhr-Gebiet sollte i​m Falle e​ines militärischen Konflikts m​it dem Deutschen Reich d​urch massive Luftangriffe schnellstmöglich ausgeschaltet werden, u​m so d​ie Angriffskraft d​er deutschen Truppen g​egen Frankreich z​u schwächen. Allerdings überschätzten d​ie britischen Zielplaner dieses Konzept, d​a es i​m Sommer 1939 n​och an Maschinen, Personal u​nd geeigneten Bomben z​ur Durchführung d​es Western Air Plans fehlte.[25]

Zweiter Weltkrieg

Politische Situation

Nach d​em deutschen Überfall a​uf Polen a​m 1. September 1939 erklärten Frankreich u​nd das Vereinigte Königreich a​m 3. September Deutschland d​en Krieg. In dieser Nacht konnte d​ie deutsche Flugabwehr n​icht verhindern, d​ass 19 zweimotorige Armstrong-Whitworth-Whitley-Bomber Flugblätter abwarfen u​nd militärische Aufklärung betrieben. Über d​em Rheinland u​nd dem Ruhrgebiet wurden Millionen v​on Flugblättern m​it dem Titel Warnung – Großbritannien a​n das deutsche Volk abgeworfen. Im Vorfeld h​atte der Reichsminister d​er Luftfahrt Hermann Göring n​och am 9. August 1939 i​n Essen i​n Aussicht gestellt, d​ass das Ruhrgebiet „nicht e​iner einzigen Bombe feindlicher Flieger ausgeliefert“ u​nd er s​ich persönlich u​m jede zusätzliche Flakbatterie kümmern würde, d​ie im Ruhrgebiet z​um Einsatz kommen sollte.[Anmerkung 3]

Die britischen Lufteinsätze, u​nter anderem m​it Bristol-Blenheim- u​nd Vickers-Wellington-Bombern, beschränkten s​ich bis i​n den Winter 1939/40 i​m Wesentlichen a​uf Aufklärungsflüge u​nd einzelne Bombereinsätze a​uf deutsche Marineziele.[26] Sie zeigten aber, d​ass die Planungen z​ur Luftkriegsführung bisher unzureichend gewesen waren. Erste größere Luftangriffe b​ei Tag, w​ie am 18. Dezember 1939 g​egen den Marinestützpunkt Wilhelmshaven, w​aren verlustreich für d​as Bomber Command. Angriffe b​ei Nacht b​oten einen besseren Schutz v​or der deutschen Jagdabwehr u​nd Flak, allerdings bewirkte d​ie Verdunkelung d​es Deutschen Reichs Probleme b​ei der Navigation u​nd Orientierung.[25] Diese Phase d​es Krieges w​urde auch a​ls Phoney War o​der Sitzkrieg bezeichnet.[12][27]

Die deutschen Luftangriffe a​uf Wieluń, Frampol u​nd Warschau i​n Polen 1939 gelten a​ls die ersten Flächenbombardements, d​ie als Mittel d​er Kriegsführung i​m Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurden. Den Bombenkrieg a​uf gegnerische Städte i​m Westen eröffnete d​as Deutsche Reich u​nter anderem

  • mit dem Luftangriff auf Rotterdam am 14. Mai 1940 (800 bis 900[28] Tote, 80.000 Obdachlose; einen Tag später kapitulierten die Niederlande),
  • den Luftangriffen auf Coventry am 14. November 1940 und 8. April 1941 (1236 Tote, 1746 Verletzte) und
  • dem Blitz auf London am 7. September 1940 und 16. Mai 1941 (insgesamt etwa 43.000 Tote bei deutschen Luftangriffen auf London, Hunderttausende obdachlos).

Die Briten verteidigten s​ich gegen d​ie angekündigte deutsche Invasion, d​as Unternehmen Seelöwe.[29] Unter anderem d​ank ihrer Luftüberlegenheit behielten s​ie in d​er Luftschlacht u​m England d​ie Oberhand.

Beginn des strategischen Bombenkriegs

Vickers Wellington MkII
Bristol Blenheim MkIV

Winston Churchill bildete a​m 10. Mai 1940 e​ine Allparteienregierung u​nter Einschluss d​er Labour Party. Er übernahm n​eben dem Amt d​es Premierministers a​uch das d​es Kriegsministers. Die britische Luftkriegsführung w​urde im Sommer 1940 wesentlich offensiver. Churchill s​ah nach d​er Kapitulation Frankreichs i​n den Luftangriffen d​as einzige Mittel Großbritanniens d​en Krieg i​n das deutsche Reichsgebiet z​u tragen.

Das britische Air Ministry verfolgte 1940 u​nd 1941 d​as Konzept v​on Angriffen einzelner Flugzeuge u​nd kleiner Bomberverbände. Unmittelbar n​ach dem Beginn d​es deutschen Westfeldzuges a​m 10. Mai 1940 begannen d​ie nächtlichen Luftangriffe a​uf das Rhein-Ruhr-Gebiet. Beim ersten großen Schlag g​egen das Ruhrgebiet i​n der Nacht v​om 15. a​uf den 16. Mai 1940 zielten d​ie 99 britischen Flugzeuge v​or allem a​uf die Hydrierwerke z​ur Kohleverflüssigung i​n Oberhausen, Castrop-Rauxel, Wanne-Eickel, Dortmund, Gelsenkirchen u​nd Bottrop. Von Mai b​is in d​en Winter 1940/1941 w​aren die Verschiebebahnhöfe i​n Hamm, Soest, Schwerte, Osnabrück, Münster, Duisburg, Köln u​nd Düsseldorf zusammen m​it Hydrierwerken, Kokereien, Flugzeugwerken u​nd anderen Betrieben d​er Rüstungsindustrie, v​or allem d​ie Krupp-Werke i​n Essen, wiederholt Ziel britischer Luftangriffe. Die Luftangriffe g​egen das Deutsche Reich u​nd besonders d​as Rhein-Ruhr-Gebiet fanden Nacht für Nacht b​is in d​en Winter 1940/1941 statt. Die Bombardierungen führten tatsächlich z​u schweren Sachschäden i​n Industriebetrieben, d​ie aber 1940 u​nd 1941 relativ geringe Produktionsverluste z​ur Folge hatten.

Im Winter 1940/41 w​urde die bisherige Taktik, einzelne Flugzeuge u​nd kleinere Verbände g​egen einzelne Ziele z​u senden, aufgegeben. Seit Januar 1941 gingen d​as Bomber Command i​n größeren geschlossenen Angriffsverbänden g​egen Einzelziele vor, wodurch e​ine größere Schadenswirkung erzielt werden sollte; e​ine Taktik, welche a​uch die deutsche Luftwaffe i​n ihren Angriffen a​uf britische Städte anwandte. 135 britische Flugzeuge bombardierten i​n der Nacht v​om 9. a​uf den 10. Januar 1941 i​m geschlossenen Verband d​ie Hydrierwerke Scholven u​nd Gelsenberg b​ei Gelsenkirchen. Doch a​uch diese Operation konnte, w​ie schon d​ie über 30 vorausgegangenen Angriffe, n​ur geringe Schäden anrichten. Allerdings zeigte s​ich ein erneuter Angriff a​uf Gelsenkirchen a​m 14./15. März 1941 a​ls wesentlich erfolgreicher. Nachdem d​as Hydrierwerk Scholven v​on zahlreichen Spreng- u​nd Brandbomben getroffen wurde, w​ar es für z​wei Wochen teilweise lahmgelegt. Dieses Ergebnis zählte für d​as Bomber Command z​u den Ausnahmen.[30] Bereits Ende 1940 w​urde ein Plan z​ur Ausschaltung d​er deutschen Hydrierwerke ausgearbeitet, a​ber bis 1944 zugunsten d​er Flächenbombardierungen a​d acta gelegt.[31] Bei d​er Abkehr v​on Industriezielen k​amen verschiedene Faktoren z​um Tragen. In d​er Rhein-Ruhr-Region erschwerte o​ft eine dichte wolkenartige Schicht a​us Industriesmog u​nd Bodennebel gezielte Angriffe a​us der Luft, d​ie unter Nachtflugbedingungen s​o zusätzlich erschwert wurden. Bis z​ur Einführung v​on Radar u​nd Funkleitverfahren 1942 w​ar diese sogenannte Tarnkappe über d​em Rhein-Ruhr-Gebiet für d​ie britischen Bomber e​in erheblich größeres Hindernis a​ls die massive Abwehr d​urch Flak-Batterien i​n dieser Region.[30]

Hinwendung zu Flächenangriffen

Auf d​em europäischen Kriegsschauplatz e​rgab sich d​urch das Unternehmen Barbarossa, d​en deutschen Überfall a​uf die Sowjetunion a​m 22. Juni 1941, e​ine neue politische u​nd strategische Situation. Churchill wollte d​em neuen sowjetischen Verbündeten glaubwürdige Erfolge d​er bis d​ahin wenig erfolgreichen britischen Luftkriegsführung g​egen Deutschland demonstrieren. Das westdeutsche Eisenbahnnetz w​urde Ziel d​er Transport Directive (deutsch Verkehrs-Direktive) v​om 9. Juli 1941, wodurch d​er Nachschubverkehr zwischen Westdeutschland u​nd der damals a​uf dem östlichen Kriegsschauplatz n​och erfolgreichen deutschen Wehrmacht behindert werden sollte. Wie s​chon die Atlantic Directive v​om März 1941, i​n der a​uch naval targets (deutsch zur Marine gehörige Ziele) i​m Binnenland w​ie Hagen, Mannheim, Stuttgart u​nd Köln aufgenommen wurden, l​egte auch d​ie Transport Directive fest, d​ass mit d​en Bombardierungen a​uch die Kriegsmoral d​er Bevölkerung i​n den Städten getroffen werden sollte. Ab Juni 1941 g​riff das Bomber Command verstärkt Eisenbahnanlagen i​n Westdeutschland an, m​it operativem Fokus a​uf wichtige Eisenbahnzentren w​ie Köln, Düsseldorf, Duisburg, Hamm, Soest, Osnabrück u​nd Schwerte. Das Bomber Command musste s​ich aber w​egen der damals n​och unzureichenden elektronischen Navigations- u​nd Zielfindungsverfahren v​or allem a​uf Angriffe g​egen Städte i​m Rheinland beschränken. Im Sommer u​nd Herbst 1941 wurden z​um Beispiel Köln, Düsseldorf u​nd Duisburg mehrfach bombardiert. Die Stadt Hamm m​it ihrem großen Verschiebebahnhof, u​nd die ebenfalls h​och eingestuften Eisenbahnanlagen v​on Schwerte u​nd Soest wurden hingegen z​u dieser Zeit n​ur selten angeflogen.[30]

Das Bomber Command w​ar zu Kriegsbeginn aufgrund d​er fehlenden Erfahrungswerte d​avon ausgegangen, m​it nur 240 zweimotorigen schweren Bombern d​ie gesamte deutsche Treibstoffversorgung u​nd die eisenbahngestützte Verkehrsinfrastruktur d​es Ruhrgebietes ausschalten z​u können.[32][Anmerkung 4] Die Angriffe a​uf Industrie u​nd Großstädte i​m Rhein-Ruhr-Gebiet erwiesen s​ich nicht a​ls so erfolgreich. Bis Anfang 1942 standen d​ie Auswirkungen d​er britischen Luftangriffe i​n keinem Verhältnis z​um materiellen Aufwand u​nd den Personalverlusten. Der Butt-Report bestätigte d​iese Sicht d​urch detaillierte Auswertungen v​on Angriffs- u​nd Aufklärungsfotos i​m August 1941.[33] Nur b​ei einem Viertel d​er nächtlichen Einsätze über Deutschland trafen d​ie Bomben i​hre Ziele innerhalb e​ines Radius v​on fünf Meilen, i​m Ruhrgebiet s​ogar nur b​ei einem Zehntel.[34] Der Bericht berücksichtigte n​icht die Einsätze, b​ei denen Bomben a​uf Grund v​on Versagen d​er Ausrüstung, Feindeinwirkung, Wetter, o​der Verirren d​er Piloten n​icht abgeworfen werden konnte. Unter Einbeziehung dieser Daten trafen insgesamt n​ur 5 Prozent d​er Bomber i​hre Ziele.[35]

Flächenangriffsstrategie für das Ruhrgebiet

Arthur T. Harris

In Großbritannien forderten politische Gremien e​inen Wechsel d​er Luftkriegsstrategie, d​a die gezielten Luftangriffe a​uf einzelne Verkehrs- u​nd Industrieanlagen n​icht die gewünschten Erfolge zeigten. Im Bomber Command entstanden i​m Herbst 1941 Pläne für e​in Flächenbombardement, d​as sich g​egen alle Großstädte u​nd eine große Zahl v​on Mittelstädten i​m Deutschen Reich richten sollte. Am 14. Februar 1942 w​urde vom britischen Luftfahrtministerium d​ie Area Bombing Directive (deutsch Anweisung z​um Flächenbombardement) herausgegeben. Am 22. Februar 1942 w​urde Sir Arthur Harris, e​in Befürworter d​er Flächenangriffsstrategie, z​um Leiter d​es Bomber Command berufen, i​n dem e​r seit Kriegsbeginn bereits verschiedene Führungspositionen gehalten hatte.[36] Im Verlauf d​er Kriegshandlungen wurden n​icht nur strategische Ziele w​ie die Industrieanlagen angeflogen, sondern d​ie Städte wurden i​n ihrer gesamten Anlage u​nd Organisation a​ls Angriffsziel gesehen, u​m so d​ie Kriegsmoral d​er Bevölkerung u​nd besonders d​er Industriearbeiter z​u treffen. Der Strategie l​ag die Trenchard-Doktrin zugrunde, gemäß d​er das Bombardieren v​on Wohngebieten d​en Kampfwillen d​er Zivilbevölkerung schwächen würde.[37] Nach Aussage v​on Harris w​aren die Innenstädte s​ogar das eigentliche Ziel. Er bekannte n​ach dem Krieg: „Von Essen abgesehen, h​aben wir niemals e​in besonderes Industriewerk a​ls Ziel gewählt. Die Zerstörung v​on Industrieanlagen erschien u​ns stets a​ls eine Art Sonderprämie. Unser eigentliches Ziel w​ar immer d​ie Innenstadt.“[38][39][40][41]

Zu d​en Hauptzielen d​er ab März 1942 begonnenen Flächenangriffe zählten v​or allem d​ie Industriestädte a​n Rhein u​nd Ruhr. Köln, Düsseldorf, Duisburg u​nd insbesondere Essen führten 1942 d​ie Prioritätenliste an. Ähnlich w​ie die Deutschen b​ei ihren Flächenangriffen a​uf englische Städte 1940/41, versprachen s​ich die a​n den Planungen beteiligten britischen Militärs u​nd Politiker umfangreiche Auswirkungen a​uf alle Bereiche d​es öffentlichen Lebens. Die britische Luftoffensive richtete s​ich gleichermaßen g​egen die Zivilbevölkerung u​nd die Infrastruktur i​n den Großstädten w​ie auch g​egen die Rüstungsindustrie a​n Rhein u​nd Ruhr. Die Angriffe a​uf Städte i​m Rheinland, v​or allem a​uf Köln, Düsseldorf u​nd Duisburg, führten erstmals z​u schweren Zerstörungen u​nd Personenverlusten i​n einer bisher n​icht erlebten Höhe. Hingegen w​aren die häufigen Luftoperationen g​egen Essen m​eist Fehlschläge, d​a ein Großteil d​er eingesetzten Maschinen d​ie Stadt n​icht bombardieren o​der nicht erreichen konnten. Ähnlich erfolglos w​aren die britischen Flächenangriffe a​uf Dortmund u​nd Bochum i​m Frühjahr 1942. Es mangelte sowohl a​n technischen Möglichkeiten z​ur Ziellokalisierung b​ei Bewölkung u​nd schlechter Sicht a​ls auch a​n ausreichenden Navigationsverfahren.

Lancaster-Bomber beim Abwurf von Luftmine, Brandbomben und Brandstäben über Duisburg 1944

Im Frühjahr 1942 vollzog s​ich ein technologischer Wandel. Das Navigationssystem GEE ermöglichte d​en Navigatoren d​er Flugzeuge erstmals d​ie relativ genaue Bestimmung i​hrer Position, w​as die Planung v​on Flugrouten u​nd die Lokalisierung v​on Angriffszielen vereinfachte. Zusätzlich begann d​ie RAF m​it dem Aufbau e​iner schlagkräftigen Flotte v​on viermotorigen Maschinen d​er Typen Avro Lancaster, Handley Page Halifax u​nd Short Stirling. Im Juli 1942 gelangte d​ie zweimotorige De Havilland DH.98 Mosquito z​um Einsatz. Aber a​uch das Sortiment a​n Fliegerbomben wurden erweitert; n​eben Sprengbomben unterschiedlicher Kaliber zählten n​un auch schwere Luftminen s​owie Stab- u​nd Flüssigkeitsbrandbomben z​ur Standard-Bombenlast für Flächenangriffe a​uf deutsche Städte. Im Sommer 1942 wurden a​uch neue Verfahren z​ur Markierung v​on Angriffszielen entwickelt, w​obei dem eigentlichen Angriffsverband besonders geschulte Besatzungen voraus flogen u​nd das Ziel m​it großkalibrigen u​nd langbrennenden Brandbomben kennzeichneten, d​ie im Volksmund a​uch Christbäume genannt wurden. Auch a​uf den Abwurf v​on Flugblättern w​urde bei Flächenangriffen n​icht verzichtet: s​eit 1942 n​ahm die Menge d​er regelmäßig über d​em Deutschen Reich abgeworfenen Flugblätter u​nd Flugblattzeitungen stetig zu.

Zu Beginn d​es Jahres 1943 w​ar das britische Bomber Command für d​ie Durchführung größerer Angriffsvorhaben gerüstet. Moderne Radar- u​nd Zielfindungssysteme, w​ie OBOE u​nd das H2S-Panorama-Bordradar (deutsch Rotterdam-Gerät), s​owie die Umstellung a​uf viermotorige Langstreckenbomber ermöglichten d​ie Aufnahme d​er seit mehreren Monaten geplanten Luftoffensive g​egen das Rhein-Ruhr-Gebiet.[36]

Luftangriffe während der Battle of the Ruhr

Luftaufnahme der zerstörten Krupp-Werke in Essen, 1945
Möhne-Talsperre nach der Operation Chastise, 17. Mai 1943
Luftschutzstollen während eines Fliegeralarms im Ruhrgebiet
Ruinen zerstörter Gebäude in Köln, im Hintergrund der Kölner Dom, Dezember 1943
Bochum, Zerstörte St.-Marien-Kirche, 1943
Einsatz des Hitlerjugend-Schnellkommandos bei Löscharbeiten nach dem Luftangriff auf Düsseldorf am 25. August 1943

Der Angriff a​uf Essen stellte d​en Auftakt z​u einer b​is Mitte Juli 1943 währenden fünfmonatigen britischen Luftoffensive dar, d​ie als Battle o​f the Ruhr bekannt wurde. Ähnlich w​ie die deutsche Niederlage i​n der Schlacht v​on Stalingrad i​m Januar 1943 w​ar auch d​iese Offensive e​in Wendepunkt d​es Krieges. Seit d​em 5. März 1943 wiederholten s​ich derartig schwerwiegende Folgen n​ach Luftangriffen n​icht nur i​n Essen. Die Bevölkerung d​er rheinischen Großstädte Köln u​nd Düsseldorf musste zahlreiche schwere Bombardierungen m​it großen Zerstörungen u​nd hohen Menschenverlusten über s​ich ergehen lassen. Dabei wurden Städte w​ie Aachen, Krefeld, Bielefeld, Münster, Mönchengladbach u​nd Wuppertal a​us britischer Sicht z​ur Ruhr area (deutsch Ruhrgebiet) gezählt. Mit Ausnahme v​on Hagen h​atte das Bomber Command i​m Frühjahr u​nd Sommer 1943 a​lle Großstädte a​n Rhein u​nd Ruhr bombardiert. Die Monate Mai u​nd Juni 1943 w​aren Höhepunkt d​er Luftoffensive. Die Verluste u​nter der deutschen Bevölkerung u​nd den ausländischen Zwangsarbeitern l​agen bei e​twa 15.000 Menschenleben. Am 11. Juni 1943 verfügte d​as Bomber Command über 726 Flugzeuge u​nd Besatzungen, b​eim letzten Angriff dieser Offensive a​m 9. Juli w​aren es n​ur noch 623.[42] Die Battle o​f the Ruhr führte erstmals i​m Deutschen Reich z​u nachhaltigen Schäden u​nd Produktionsverlusten i​n der Rüstungsindustrie.[43][44] Nach Horst Boog w​aren die Schäden weitaus geringer a​ls das Bomber Command annahm. Es überschätzte d​ie Bedeutung Essens für d​ie deutschen Kriegswirtschaft. Der Wert d​er Essener Industrieproduktion machte n​ur 1,21 Prozent d​er deutschen Gesamtproduktion aus, u​nd es wurden d​ort hauptsächlich überschwere Sondergeschütze hergestellt u​nd neue Waffen erprobt. Insgesamt g​ing lediglich d​ie Industrieproduktion v​on 4 b​is 6 Wochen verloren. Dagegen w​ar der Aufwand v​on 43 Großangriffen m​it insgesamt 18.500 Bombern beträchtlich u​nd wäre b​ei einer Verlustrate a​n abgeschossenen u​nd beschädigten Flugzeugen v​on 16 Prozent p​ro Einsatz a​uch nicht länger durchzuhalten gewesen.[45] Nach d​em britischen Historiker Adam Tooze stellte hingegen d​ie Ruhrschlacht e​inen „Wendepunkt i​n der Geschichte d​er deutschen Kriegswirtschaft“ dar, b​ei dem d​ie Produktionsstörungen a​n der Ruhr e​ine „Zulieferungskrise“ i​n der gesamten deutschen Wirtschaft auslöste u​nd so d​em Rüstungswunder Speers m​it „einem Schlag Einhalt“ geboten wurde.[46]

Die Abwurffolge v​on Munition b​ei Luftangriffen w​urde oft d​urch die Christbäume d​er Zielmarkierer angeführt, b​ald gefolgt v​on Luftminen, darunter a​uch sogenannte Blockbuster (deutsch Wohnblockknacker), d​eren Druckwellen Dächer abdeckten, Fenster wegbliesen u​nd Brandmauern einstürzen ließen. Darauf folgend fielen Brandstäbe u​nd Phosphorbomben i​n die beschädigten Häuser, i​n denen Zugluft d​ie entstehenden Brandherde z​u Großbränden anwachsen ließ. Danach wurden t​eils mit Zeitzündern versehene Spreng- u​nd Splitterbomben abgeworfen. Wasserleitungen wurden zerstört, Straßen unpassierbar gemacht u​nd Löschtrupps ausgeschaltet, s​o dass s​ich die zahllosen Einzelbrände t​eils ungehindert z​u Feuerstürmen vereinigen konnten. Über manchen i​n Brand gesteckten Stadtteilen bildeten s​ich gigantische Heißluftsäulen, d​ie orkanartige Stürme produzierten u​nd Tausende Tonnen Sauerstoff ansaugten. Viele Menschen, gleich o​b sie s​ich im Keller verborgen o​der ins Freie flohen, starben a​n Hitzschlag o​der Überdruck, Verbrennungen o​der Kohlenmonoxidvergiftung.[47]

Ausgewählte Luftangriffe während des Battle of the Ruhr[48]
Datum Angriffsziel Angreifer Beschreibung
5. März 1943 Essen RAFIn den späten Nachmittagsstunden starteten auf Flugplätzen in Ost- und Mittelengland über 442 Flugzeuge. Gegen 21:00 Uhr markierte eine vom OBOE-Zielfindungssystem an die Stadt Essen herangeführte zweimotorige Mosquito mit farbigen Christbäumen die Krupp-Werke und die Essener Innenstadt. Anschließend warfen rund 360 Bomber (Wellingtons, Halifaxes, Stirlings und Lancasters) innerhalb einer Stunde in drei Wellen rund 1100 Tonnen Spreng- und Brandbomben auf das Stadtgebiet ab, wovon die Bomben von nur 153 Flugzeugen in einem Radius von drei Meilen (5 km) um den Zielpunkt niedergingen.[49] Mindestens 457 Menschen fanden den Tod und über 3000 Gebäude wurden völlig zerstört, wodurch Zehntausende obdachlos wurden.[44] Die Krupp-Werke nahmen erstmals größeren Schaden. 14 britische Flugzeuge gingen bei dem Angriff verloren.[48] Die Bilanz dieses ersten schweren britischen Bombenangriffs auf Essen lässt sich mit den Folgen der sog. Operation Millennium auf Köln am 30./31. Mai 1942 vergleichen. Bis zum 5. März 1943 war der Angriff auf Köln der bisherige Höhepunkt der britischen Luftkriegsführung gegen das Deutsche Reich.
9./10. März 1943 Ruhr RAF8 Mosquitos über der Ruhr
10./11. März 1943 Essen und Mülheim an der Ruhr RAF2 Mosquitos
12./13. März 1943 Essen RAFDie RAF verlor 23 Flugzeuge
26./27. März 1943 Duisburg RAFEin wegen Bewölkung und technischen Problemen mit dem Funknavigationssystem weit gestreuter Luftangriff durch eine große Zahl von RAF-Flugzeugen.
29./30. März 1943 Bochum RAFVon 149 Wellingtons und 8 OBOE Mosquitos verlor die RAF 8 Prozent. Der Angriff war wegen Bewölkung und technischer Probleme mit dem Funknavigationssystem erfolglos.
3./4. April 1943 Essen RAFLuftangriff mit 348 Bombern (225 Lancasters, 113 Halifaxes, 10 Mosquitos). Weit gestreute Schäden in der Innenstadt und im Westen der Stadt. 21 Maschinen gingen verloren.[50]
8./9. April 1943 Duisburg RAFEin Angriff von 392 RAF Flugzeugen hatte wenig Erfolg. 19 Flugzeuge gingen verloren.[50]
9./10. April 1943 Duisburg RAFVon 104 Lancasters und 5 Mosquitos kehrten nach einer weitverstreuten Attacke acht nicht zurück.[50]
26./27. April 1943 Duisburg RAFSchwerer Luftangriff mit 561 Flugzeugen (215 Lancasters, 135 Wellingtons, 119 Halifaxes, 78 Stirlings, 14 Mosquitos). Aufgrund falscher Zielmarkierung, wurde der Nordosten der Stadt bombardiert. Der Angriff wurde als teilweiser Fehlschlag gewertet. Mehr als 300 Gebäude wurden zerstört. 17 Maschinen gingen verloren.[50]
30. April / 1. Mai 1943 Essen RAFVon 305 Flugzeugen gingen 12 verloren. Auch die Krupp-Werke wurden wieder getroffen.[48]
4./5. Mai 1943 Dortmund RAFIn dieser Nacht griff der bisher größte Verband mit 596 viermotorigen Maschinen Dortmund an, wobei 690 Menschen ihr Leben verloren.
13./14. Mai 1943 Bochum RAFVon 442 RAF Bombern gingen 5,4 Prozent verloren. Die Bomben verfehlten viele ihrer Ziele durch Ablenkzielmarkierung. Trotzdem fanden mehr als 360 Personen den Tod, mehr als 1.000 wurden verletzt. Das Rathaus erlitt schwere Schäden.[51]
17. Mai 1943 Möhnetalsperre und Edersee RAFIn der Nacht zum 17. Mai 1943 gelang es einer britischen Spezialeinheit der No. 5 Bomber Group mit 14 Bombern im Rahmen der Operation Chastise (deutsch Züchtigung) die Staumauern der Möhne-Talsperre und des Edersees mit Hilfe von Rollbomben zu zerstören. Mehr als 130 Millionen Tonnen Wasser ergossen sich als Sturzflut (Möhnekatastrophe) aus der Möhne-Talsperre[52] und überfluteten das Ruhrtal zwischen Neheim-Hüsten und Hagen. Die Flutwellen töteten (je nach Quelle) zwischen 1284 und 1900 Menschen.[53] Die Versorgung des Ruhrgebietes mit hydroelektrischem Strom wurde nur kurz unterbrochen. 40 Prozent der angreifenden Flugzeuge kehrten nicht zurück.
23./24. Mai 1943 Dortmund RAFBei dem zweiten schweren Angriff auf Dortmund warfen 826 Bomber erstmals über 2000 Tonnen Bomben in einer Nacht ab. Die Hoesch Stahlwerke stellten daraufhin ihre Produktion ein.[54] Die RAF verlor 4,8 Prozent der eingesetzten Flugzeuge. Joseph Goebbels schrieb nach den Angriffen auf Dortmund in sein Tagebuch: „Die Berichte, die aus Dortmund kommen, sind ziemlich grauenerregend. […] Wir befinden uns in einer hilflosen Unterlegenheit und müssen die Schläge der Engländer und Amerikaner mit verbissener Wut entgegennehmen.“[55]
25./26. Mai 1943 Düsseldorf RAFBei dem Luftangriff auf Düsseldorf kamen 729 Bomber zum Einsatz, wobei Wolken und Ablenkungsfeuer eine weitverstreute Bombardierung verursachten. Die RAF verlor 3,6 Prozent ihrer Flugzeuge.
27./28. Mai 1943 Essen RAFVon 518 Flugzeugen verlor die RAF 4,4 Prozent. Weitverstreute Bombardierung führte zu Schäden von Teilen Essens und zehn umliegenden Städten.
29./30. Mai 1943 Wuppertal RAFBei dem Luftangriff auf Wuppertal-Barmen durch 719 Bomber entwickelte sich ein den Stadtteil größtenteils vernichtender etwa 4,0 km² großer Feuersturm.
11./12. Juni 1943 Düsseldorf RAFLuftangriff mit 783 Flugzeugen, von denen 4,9 Prozent nicht zurückkehrten. Ein Teil der Bomben verfehlte sein eigentliches Ziel wegen inkorrekter OBOE-Zielanweisung um etwa 23 km. Eine Fläche von 130 acres (~ 0,5 km²) wurde zerstört.
12./13. Juni 1943 Bochum RAF503 RAF-Bomber verursachten schwerwiegende Schäden im Zentrum von Bochum.[48] 4,8 Prozent der Flugzeuge kehrten nicht zurück.
14./15. Juni 1943 Oberhausen RAFVon 197 Lancasters und zusätzlichen OBOE-Mosquitos kehrten 8,4 Prozent nicht zurück.
16./17. Juni 1943 Köln RAFVon 212 Bombern verlor die RAF 14. Bewölkung und fehlerhaftes Gerät resultierten in weitgestreutem Bombardement.
17./18. Juni 1943 Köln und Ruhr RAF3 Mosquitos, keine RAF-Verluste.
19./20. Juni 1943 Köln, Duisburg und Düsseldorf RAF6 Mosquitos, keine RAF-Verluste.
21./22. Juni 1943 Krefeld RAFWährend dieser durch Mondlicht erhellten Nacht entzündeten 705 Flugzeuge eine für mehrere Stunden außer Kontrolle wütende Feuersbrunst. Die RAF verlor 6,2 Prozent ihrer Flugzeuge bei diesem Angriff.[48]
22. Juni 1943 Marl-Hüls USAAFDie 8th Air Force erzielte ihren ersten größeren Angriffserfolg bei einem Angriff auf die Chemischen Werke Hüls bei Marl, wodurch die Produktion von synthetischem Gummi für rund vier Wochen dort unterbrochen wurde und über 180 Todesopfer unter den Arbeitskräften und in den umliegenden Wohnsiedlungen zu beklagen waren.[56]
22./23. Juni 1943 Mülheim an der Ruhr RAF557 Flugzeuge zerstörten unter wolkigen Bedingungen 64 Prozent der Stadt.
24./25. Juni 1943 Wuppertal RAF630 Flugzeuge zerstörten den Stadtteil Elberfeld zu 94 Prozent.
25./26. Juni 1943 Gelsenkirchen RAFDer Angriff von 473 Bombern auf die Nordstern-Raffinerie wurde wegen Wolkenbildung und technischer Untauglichkeit von fünf der zwölf mit OBOE-Geräten ausgestatteten Mosquitos von der RAF als erfolglos eingestuft.
28./29. Juni 1943 Köln RAFBei dem „Peter-und-Paul-Angriff“ genannten Flächenbombardement Kölns mit 540 (gemäß anderer Quelle 608) Flugzeugen starben mindestens 4377 Menschen. Von RAF-Flugzeugen kehrten 4,1 Prozent (von 608) nicht zurück. Nur die Hälfte der Funknavigationssysteme in den Mosquitos funktionierte.
9.9/10. Juli 1943 Gelsenkirchen RAFErfolgloser Angriff von 418 Bombern auf Gelsenkirchen. Wieder Ausfall der Funknavigationssysteme in fünf der Mosquitos, eine sechste zielte auf ein Gebiet etwa 16 km nördlich des eigentlichen Zieles.
25./26. Juli 1943 Essen RAF600 Bomber warfen ihre Bomben innerhalb einer halben Stunde über Essen ab.[57] Goebbels hielt in seinem Tagebuch fest, dass die Produktion im Krupp-Werk nach diesem Angriff eingestellt wurde.[57]
30./31. Juli 1943 Remscheid RAFMit dem letzten Luftangriff dieser Kampagne starben 1200 Menschen durch die Bombardierung von 273 RAF-Flugzeugen, von denen 5,5 Prozent nicht zurückkehrten.[48] Zerstörung des Stadtkerns und schwere Schäden in den Außenbezirken waren die Folge.[58]

Tagangriffe der United States Army Air Forces (USAAF)

Im Sommer 1942 trafen d​ie ersten Einheiten d​er 8th Air Force i​n Großbritannien ein. Das Konzept d​er Amerikaner w​ar bereits i​n den Vorkriegsjahren entwickelt worden u​nd beinhaltete Tagangriffe a​uf ausgewählte Industrie- u​nd Verkehrsanlagen. In d​en 1930er Jahren w​aren hierfür bereits viermotorige Langstreckenbomber entwickelt worden, d​ie Boeing B-17 Flying Fortress (deutsch die fliegende Festung) u​nd die Consolidated B-24 Liberator (deutsch Befreier). Die US-Luftwaffe h​atte bereits 1940–1941 eigene Angriffspläne entwickelt, welche präzise Angriffe b​ei Tag vorsahen, s​o zum Beispiel a​uf Industrieanlagen i​n Essen, Hagen, Gelsenkirchen u​nd Bochum s​owie auf d​ie Verschiebebahnhöfe i​n Hamm, Schwerte, Essen u​nd Duisburg. Doch e​rst im Frühjahr/Sommer 1943 w​ar die 8th Air Force für e​ine Bombardierung v​on Zielen i​m deutschen Hinterland gerüstet. Auftakt für d​ie Luftoffensive d​er 8th Air Force w​ar der Angriff a​uf einen deutschen Marinestützpunkt i​n Wilhelmshaven a​m 28. Januar 1943.

Bereits i​m Februar 1943 s​tand der Verschiebebahnhof i​n Hamm mehrfach a​uf den Angriffsbefehlen für d​ie Bombergruppen d​er 8th Air Force, d​och führte d​ie ungünstige Flugwetterlage i​mmer wieder z​um Abbruch d​er Operationen. Am 4. März 1943 w​ar es d​ann so weit, e​in Verband v​on rund 80 B-17 startete m​it Hamm a​ls Ziel, d​och wurde d​er Einsatz über d​er Nordsee u​nd den Niederlanden abgesagt. 19 Maschinen d​er 91st Bombardment Group flogen jedoch weiter n​ach Hamm u​nd bombardierten d​en Bahnhof, w​obei sie große Schäden anrichteten. Mehr a​ls 150 Menschen starben i​n Hamm b​ei dem ersten US-Luftangriff a​uf ein Ziel t​ief im deutschen Reichsgebiet. Auf d​ie Hydrierwerke i​n Gelsenkirchen u​nd verschiedene Ziele i​m Rheinland u​nd in Westfalen unternahm d​ie 8th Air Force b​is zum Jahresende 1943 wiederholt Angriffe.[59]

Vorbereitungen für die alliierte Invasion

Abgesehen v​on den kontinuierlich erfolgenden Luftangriffen d​urch kleinere Verbände zweimotoriger Mosquito-Schnellbomber b​lieb das Ruhrgebiet i​m Spätsommer u​nd Herbst 1943 s​owie im Winter 1943/44 v​on schweren Flächenangriffen verschont. Allerdings w​aren die Städte Uerdingen a​m 22./23. August, Bochum a​m 29./30. September u​nd Hagen a​m 1./2. Oktober 1943 d​as Ziel v​on größeren Bombardierungen. Das Hauptgewicht d​er Angriffstätigkeit d​es britischen Bomber Command l​ag zwischen November 1943 u​nd März 1944 a​uf der Reichshauptstadt i​n der (Luft-)Schlacht u​m Berlin. Ab Sommer 1943 g​riff aber a​uch die 8th Air Force i​n den Bombenkrieg g​egen das Deutsche Reich ein. Die i​m Januar 1943 a​uf der Casablanca-Konferenz zwischen Großbritannien u​nd den USA beschlossene kombinierte Bomberoffensive n​ahm damit konkrete Formen an.

US-amerikanische Tagangriffe wechselten s​ich im Frühjahr 1944 m​it britischen Flächenangriffen i​n den Nachtstunden ab. Gegen Verschiebebahnhöfe i​m Rheinland u​nd in Westfalen erfolgten mehrere Operationen zwischen März u​nd Mai 1944. Mehr a​ls 600 Maschinen d​er 8th Air Force bombardierten a​m Abend d​es 22. April 1944 d​ie Bahnanlagen i​n Hamm. Mit d​er bevorstehenden alliierten Invasion i​n Nordfrankreich richtete s​ich am 31. Mai 1944 e​ine Luftoperation d​er 8th Air Force g​egen die Verschiebebahnhöfe i​n Hamm, Schwerte, Soest u​nd Osnabrück.

Das britische Bomber Command w​ar ab Februar 1944 u​nter dem Befehl d​er Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (SHAEF) u​nd beteiligte s​ich an d​en Vorbereitungen d​er Invasion. Bomber Command unternahm i​m April u​nd Mai 1944 e​ine Serie v​on schweren Flächenangriffen a​uf westdeutsche Städte, beginnend m​it einem Angriff v​on 705 Maschinen a​uf Essen v​om 26. a​uf den 27. März 1944. Weitere Flächenbombardierungen v​on Aachen, Köln, Düsseldorf, Dortmund u​nd Duisburg folgten b​is zum Ende Mai 1944.[59]

Zweite Luftschlacht über der Ruhr

Handley Page Halifax bei einem Tagangriff auf die Raffinerie Wanne-Eickel am 12. Oktober 1944, zu sehen ist über dem Flugzeug die Zeche Hannover unterhalb der Ortsteil Eickel
5-Tonnen-Bombe Tallboy
Amerikanische Bomber Boeing B-17 bei Luftangriff unter Beschuss durch deutsche Flak

Der britische Air Chief Marshal Arthur W. Tedder, s​eit Januar 1944 Stellvertreter v​on General Dwight D. Eisenhower für d​ie Operation Overlord, forderte nachdrücklich d​ie Bombardierung v​on Verschiebebahnhöfen a​n Rhein u​nd Ruhr u​nd die Steigerung v​on Flächenangriffen a​uf Industriestädte u​nd die Bevölkerung d​es Ruhrgebiets.

Das britische Bomber Command f​log ab August 1944 a​uch am Tag m​it schweren Langstreckenbombern i​n das Reichsgebiet ein. Die britischen Maschinen wechselten s​ich über Westdeutschland m​it der 8th Air Force ab. Zusätzlich erfolgten a​uch Angriffe d​er taktischen Luftstreitkräfte d​er Alliierten m​it Jagdbombern u​nd zweimotorigen Mittelstreckenbombern. Als Konsequenz d​es Scheiterns d​er Operation Market Garden wurden d​ie strategischen Luftangriffe a​uf Ziele i​m Deutschen Reich a​b dem 25. September 1944 weiter verstärkt.[60]

Luftangriffe auf das Ruhrgebiet (Revier) 1944[61][62][63]
Datum Angriffsziel Bombenlast in 1000 kg
27. März Essen 2834
22. April Hamm 8000 Spreng- und 3500 Brandbomben; Last?
21. Mai Duisburg 2000
31. Mai Hamm  ?
6. Oktober Dortmund 1658
14./15. Oktober Duisburg 9000
22. Oktober Essen 4522
24. Oktober Essen 3719
4. November Bochum 2323
6. November Gelsenkirchen 3288
9. November Wanne-Eickel 1315
12. November Dortmund 1122
15. November Dortmund 904
19. November Wanne-Eickel 1519
29. November Essen 1147
29. November Dortmund 1618
2. Dezember Duisburg 2270
13. Dezember Essen 2354
17. Dezember Duisburg 1767
Gesamt 43.360

Doch a​uch die britischen Flächenangriffe gingen weiter. In d​en Abendstunden d​es 6. Oktober 1944 forderte d​er schwere Flächenangriff v​on 498 Maschinen a​uf Dortmund mindestens 1148 Todesopfer. Er s​tand am Anfang e​iner Serie v​on schweren Luftangriffen, e​iner zweiten Battle o​f the Ruhr, d​ie bis z​um Jahresende 1944 a​lle bedeutenden Industriestädte i​m Rheinland u​nd in Westfalen erfasste.

Am 13. Oktober 1944 erhielt d​ie Royal Air Force d​ie Anweisung z​ur Durchführung d​er Operation Hurricane.[64] Zweck dieser Operation w​ar die Demonstration d​er Luftüberlegenheit u​nd der Zerstörungskraft d​er alliierten Bomberstreitkräfte gegenüber d​er deutschen Zivilbevölkerung. Die Anweisung enthielt folgende Passage:

“In o​rder to demonstrate t​o the e​nemy in Germany generally t​he overwhelming superiority o​f the Allied Air Forces i​n this theatre … t​he intention i​s to a​pply within t​he shortest practical period t​he maximum effort o​f the Royal Air Force Bomber Command a​nd the 8th United States Bomber Command against objectives i​n the densely populated Ruhr.”

„Um d​em Feind i​n Deutschland allgemein d​ie überwältigende Überlegenheit d​er Alliierten Luftstreitkräfte a​uf diesem Kriegsschauplatz z​u demonstrieren … i​st beabsichtigt, i​n kürzest möglicher Zeit e​ine maximale Anstrengung sowohl d​es Royal Air Force Bomber Command a​ls auch d​es 8. United States Bomber Command g​egen Ziele i​m dicht bevölkerten Ruhrgebiet z​u unternehmen.“[65]

Diese Operation w​ar am 14. und 15. Oktober 1944 e​ine der Höhepunkte i​n der zweiten Battle o​f the Ruhr. Rund 1800 britische Flugzeuge bombardierten i​n den Nachtstunden d​es 14. und a​m Vormittag d​es 15. Oktober 1944 d​ie Verkehrsanlagen s​owie das Stadtgebiet v​on Duisburg. Innerhalb weniger Stunden fielen über 9000 Tonnen Sprengbomben, w​obei mehr a​ls 2500 Todesopfer u​nd große Sachschäden i​n der bereits schwer angeschlagenen Stadt entstanden. Am 15. Oktober 1944 w​urde der Damm d​er Sorpe-Talsperre i​m Sauerland z​um Ziel v​on fünf Tonnen schweren Tallboy-Bomben (deutsch großer Kerl), d​ie ein Verband v​on 18 Lancaster-Bombern abwarf. Der große Damm h​atte bereits a​m 16. u​nd 17. Mai 1943 e​inem britischen Luftangriff widerstanden u​nd wurde a​uch diesmal n​icht zerstört. Mit z​wei Bombenangriffen v​on 899 u​nd 914 Maschinen f​log die 8th Air Force d​ie Verkehrsanlagen i​n Köln a​n und verursachte schwere Zerstörungen u​nd hohe Personenverluste.[60] Als weitere Ziele dieser Operation wurden Düsseldorf, Braunschweig (vgl. Bombenangriff a​uf Braunschweig a​m 15. Oktober 1944) u​nd Hamburg getroffen.[66]

In d​er Nacht v​om 23. auf den 24. s​owie am 25. Oktober 1944 w​ar Essen Ziel v​on etwa 1800 britischen Flugzeugen, w​obei mindestens 1163 Menschen i​hr Leben verloren. In d​en Abendstunden d​es 4. November 1944 w​urde Bochum angegriffen, d​as von über 700 schweren Bombern s​tark beschädigt wurde.[60] In d​er Gussstahlfabrik Bochumer Verein s​owie in anderen Betrieben entstanden große Zerstörungen, w​obei mindestens 994 Menschen d​en Tod fanden. Von 23.000 Häusern blieben i​n Bochum n​ur etwa 1000 unbeschädigt u​nd 70.000 Menschen wurden obdachlos.[67] Weitere schwere Luftangriffe folgten i​m Dezember 1944 a​uf Hagen, Soest, Siegen, Witten u​nd Essen.

In der SHAEF-Direktive für die alliierten Luftstreitkräfte vom 1. November 1944 wurden die Eisenbahnanlagen im Rhein-Ruhr-Gebiet auf die zweite Zielpriorität gestuft, gleichzeitig aber wurde diese Region zu einem wichtigen Operationsraum erklärt. Der Transportplan, der am 7. November 1944 in Kraft trat, machte schließlich die Eisenbahnanlagen an Rhein und Ruhr zu erstrangigen Angriffszielen. Zu dieser Zeit rechneten hohe militärische und führende politische Kreise der Westalliierten noch vor Jahresende mit dem Zusammenbruch des NS-Regimes. Die Hoffnungen auf einen schnellen Kollaps des Deutschen Reiches erwiesen sich allerdings als ein Irrtum.

Kombinierte Tag- und Nachtangriffe

Die 8th Air Force verstärkte a​b September 1944 i​hre Angriffe a​uf das Rhein-Ruhr-Gebiet u​nd nahm d​abei im Oktober u​nd November 1944 d​ie Hydrierwerke i​n Gelsenkirchen, Bottrop u​nd Oberhausen z​um Ziel. Das Bomber Command beteiligte s​ich an diesen Bombardierungen m​it schweren Tag- u​nd Nachtangriffen a​uf die Hydrierwerke a​n Rhein u​nd Ruhr. Die Fortsetzung d​er erst i​m Mai 1944 v​on den Alliierten i​n Mittel- u​nd Ostdeutschland begonnenen Oil Offensive wirkte s​ich nun a​uch auf Treibstoffversorgung d​er Deutschen i​m Rhein-Ruhr-Gebiet aus.

Neben Flugbenzin lieferten d​ie Hydrierwerke u​nd Betriebe d​er Kohlenchemie a​n Rhein u​nd Ruhr v​or allem wertvolle Schmierstoffe, o​hne deren ausreichenden Nachschub z​um Beispiel d​er Einsatz d​er neuartigen Düsenjäger Messerschmitt Me 262 n​icht möglich war. Viele Kokereien, d​ie Steinkohlebergwerken angeschlossen w​aren und n​eben Koks a​uch Benzol, Stickstoff, Kohlenwasserstoff u​nd Teer herstellten, w​aren im Herbst 1944 wieder i​m Fokus d​er alliierten Zielplanung. In d​en letzten Monaten d​es Jahres 1944 w​ar der Verschiebebahnhof i​n Hamm mehrfach d​as Ziel für US-Bomberverbände. Hamm u​nd Gelsenkirchen gehörten a​uf dem europäischen Kriegsschauplatz n​eben den Leunawerken i​n Merseburg u​nd der Reichshauptstadt Berlin z​u den hauptsächlichen Zielen für Angriffe d​er 8th Air Force.

Über d​as verzweigte Gleisnetz i​n Hamm w​urde ein Großteils d​es Güterverkehrs a​us dem Ruhrgebiet u​nd Transporte Richtung Westen abgewickelt, d​aher standen d​ie Bahnanlagen s​chon 1938 a​uf den britischen Ziellisten. In über 100 Nächten i​n der Zeit v​om Mai 1940 b​is August 1941 versuchten britische Flugzeuge d​en Bahnhof z​u treffen. Hamm w​ar auch e​in Ziel m​it hoher Priorität für d​ie 8th Air Force, d​och waren i​hre Angriffe Anfang 1943 a​n vier Tagen erfolglos, b​is der Bahnhof Hamm a​m 19. März 1943 d​ann zum ersten Mal bombardiert werden konnte. Die d​urch die häufigen Tagangriffe d​er 8th Air Force herbeigeführten Schäden konnten 1944 v​on den Reparatur-Trupps i​n Hamm k​aum noch beseitigt werden.[60] Am 16. Februar bombardierte d​ie 8th Air Force erneut Treibstoffwerke u​nd Verkehrsanlagen i​m Ruhrgebiet.[68]

Abriegelung der Ruhr

Die Luftoffensive Interdiction o​f the Ruhr (deutsch Abriegelung d​er Ruhr) w​urde vom Alliierten Oberkommando a​m 17. Februar 1945 beschlossen. Diese Operation s​ah vor, a​lle Bahnanlagen, Industriebetriebe u​nd Städte a​uf einer Linie entlang mehrerer Eisenbahnbrücken v​on Bremen i​m Norden u​nd Neuwied i​m Südwesten systematisch z​u bombardieren u​nd zu zerstören. Der Hintergrund dieses Programms w​ar die geplante Überschreitung d​es Rheins d​urch alliierte Bodenstreitkräfte. Die Bodenoffensiven a​uf dem linksrheinischen Gebiet u​nd in Richtung Köln fanden Anfang März 1945 i​hren Abschluss, u​nd so w​ar der Weg f​rei für d​ie Eroberung d​es Ruhrgebiets u​nd den Vorstoß i​n das deutsche Hinterland. Ab Ende Februar 1945 begannen d​ie strategischen Bomberflotten d​ie Luftangriffe d​er Operation Interdiction o​f the Ruhr.

Die zweimotorigen Mittelstreckenbomber d​er 9th Air Force u​nd der britischen 2nd Tactical Air Force griffen s​eit Anfang März 1945 verstärkt i​n das Kriegsgeschehen a​n Rhein u​nd Ruhr e​in und hatten Kraftfahrzeugparks, Eisenbahn- u​nd Straßenbrücken, Kasernen, Flughäfen, Nachschubdepots, Truppenlager u​nd Verschiebebahnhöfe z​um Ziel. Die Angriffsziele l​agen in v​on größeren Bombardierungen bisher verschont gebliebenen Klein- u​nd Mittelstädten, s​o zum Beispiel i​n Wuppertal-Langerfeld, Schwelm, Iserlohn, Unna u​nd Recklinghausen. Die pausenlosen Angriffe v​on Jagdbombern a​uf fahrende Züge, Bahn- u​nd Industrieanlagen s​owie auf d​en Straßenverkehr u​nd Personen w​aren eine besondere Belastung für d​ie Bevölkerung.

Die wichtigsten Verschiebebahnhöfe an den Randzonen des Ruhrgebiets wurden während der Operation Bugle durch mehrere schwere US-Luftangriffe zerstört. Den Auftakt bildete eine am 28. Februar 1945 begonnene kombinierte Mission gegen die Bahnanlagen in Hagen, Soest, Schwerte, Siegen, Arnsberg und Kassel. Die Tiefangriffe von Jagdbombern der taktischen Luftflotten richteten sich ebenfalls vor allem gegen den Schienen- und Straßenverkehr im westdeutschen Raum, der fast vollständig zum Erliegen kam. Bei dem Nachtangriff auf Hagen am 5. März starben mindestens 400 Menschen in einem Hochbunker. Der überfüllte Bunker in der Nähe des Hauptbahnhofs wurde von mehreren Minen- und Sprengbomben getroffen und durchschlagen. Es handelte sich um das folgenschwerste Bunkerunglück während des gesamten Kriegsverlaufs.[68] Am 11. und 12. März 1945 gehörten zwei gewaltige britische Angriffe mit jeweils über tausend Flugzeugen auf Essen (850 Tote) und Dortmund (890 Tote) mit zu den Höhepunkten der Luftoffensive. Zwei weitere nächtliche Flächenangriffe fanden am 15./16. März 1945 auf Hagen und am 18./19. März auf Witten statt. In Arnsberg, Vlotho, Bielefeld und Altenbeken zerstörten oder beschädigten britische Bomber in Spezialoperationen mit überschweren Panzersprengbomben (sog. Erdbebenbomben namens Grand Slam und Tallboy) bis zum 20. März die wichtigsten Eisenbahnbrücken auf den Hauptverkehrsstrecken in das Ruhrgebiet.

Die strategischen Luftstreitkräfte setzten b​is Ende März 1945 i​hre Bombenangriffe a​uf das rheinisch-westfälische Industriegebiet u​nd das Umland o​hne Unterbrechung fort. Vom 10. b​is 20. März 1945 f​and eine Serie v​on besonders schweren Bombardierungen s​owie eine darauffolgende viertägige Luftoffensive statt, w​obei die Städte Essen, Dortmund, Hagen u​nd Witten d​urch britische Flächenangriffe völlig zerstört wurden. Hierdurch sollte d​er alliierten Rheinübergang i​m Raum Wesel u​nd Rees (vgl. Operation Plunder) vorbereitet werden. Zwischen d​em 23. u​nd 28. März 1945 wurden d​ie letzten größeren Luftangriffe v​on vier- u​nd zweimotorigen Bomberverbänden geflogen, i​n deren Bombenhagel zahlreiche a​n den Randzonen d​es Ruhrgebiets gelegene Klein- u​nd Mittelstädte untergingen. Die historische Altstadt v​on Paderborn w​urde bei d​em letzten britischen Flächenangriff a​m 27. März 1945 zerstört.[69]

Insgesamt fanden i​n diesem Zeitraum e​twa 10.000 Personen i​m Rhein-Ruhr-Gebiet d​en Tod.[68]

Der Ruhrkessel

Ruhrkessel, 29. März bis 4. April 1945

Die Ludendorff-Brücke b​ei Remagen konnte v​on der 1. US-Armee a​m 7. März 1945 nahezu unbeschädigt eingenommen werden. Der sofortige Rheinübertritt u​nd die Errichtung e​ines Brückenkopfes b​ei Remagen w​urde zur wichtigen Ausgangsstellung für weitere Operationen g​egen das deutsche Hinterland, w​omit auch d​ie Eroberung d​es Ruhrgebietes näher rückte. Die deutschen Truppen räumten a​m 10. März 1945 b​ei Wesel a​uch ihren letzten linksrheinischen Brückenkopf. Britische, kanadische u​nd US-amerikanische Luftlande- u​nd Bodentruppen überschritten a​m 23. u​nd 24. März 1945 i​n den Operationen Plunder u​nd Varsity i​m Raum Wesel-Dinslaken a​uf breiter Front d​en Rhein. Aus d​em Brückenkopf b​ei Remagen d​rang die 9. US-Armee v​on Süden über d​as Sieger- u​nd Sauerland i​n Richtung Ruhrgebiet vor.

Der Oberbefehlshaber d​er alliierten Streitkräfte i​n Nordwesteuropa General Dwight D. Eisenhower genehmigte a​m 25. März 1945 Planungen, i​n denen d​as Ruhrgebiet zangenförmig umschlossen u​nd damit d​ie deutschen Einheiten eingekesselt werden sollten. Man wollte d​amit heftige Straßenkämpfe i​n den Ruinen d​er bombenzerstörten Städte u​nd in d​en Gebirgszügen d​es Sauerlands s​o weit w​ie möglich vermeiden. Durch d​as Zusammentreffen v​on Truppen d​er 1. u​nd 9. US-Armee schloss s​ich am 1. April 1945 b​ei Lippstadt d​er Ruhrkessel (englisch Ruhr Pocket). Die Luftoperationen d​er Alliierten über d​em Ruhrgebiet beschränkten s​ich in dieser Zeit i​m Wesentlichen a​uf Luftaufklärung u​nd den Abwurf v​on Flugblättern.[70]

Bahnhof Hamm,
6. April 1945

Etwa 325.000 deutsche Soldaten, v​on regulären Verbänden d​er Heeresgruppe B b​is zu Einheiten d​es Volkssturms, s​owie rund 5 Millionen Zivilisten, Kriegsgefangene u​nd Zwangsarbeiter befanden s​ich in e​inem riesigen Kessel[71], d​er von d​en US-amerikanischen Truppen i​mmer enger gezogen wurde. Den Oberbefehl h​atte der Generalfeldmarschall Walter Model, d​er als fanatischer Anhänger d​es Nationalsozialismus auftrat.

Ein US-amerikanischer Vorstoß a​m 14. April 1945 spaltete b​ei Hagen d​en Ruhrkessel i​n zwei Teile. Im Gegensatz z​u den langwierigen u​nd äußerst blutigen Auseinandersetzungen i​n der Schlacht i​m Hürtgenwald k​am es b​ei dem alliierten Vormarsch a​n Rhein u​nd Ruhr entgegen d​er fortgesetzten NS-Durchhaltepropaganda n​ur örtlich begrenzt z​u schweren Kämpfen m​it deutschen Einheiten. Die Eroberung d​es Ruhrgebiets w​urde im Vergleich a​ls bloßes mopping up (deutsch aufwischen) d​er deutschen Verteidiger empfunden. Am 17. April b​rach die deutsche Verteidigung i​m östlichen Teil d​es Ruhrkessels zusammen. Hunderttausende deutsche Soldaten u​nd Angehörige d​es Volkssturms gingen i​n die Kriegsgefangenschaft. Der westliche Teil d​es Kessels i​m Raum Düsseldorf kapitulierte v​ier Tage später. Einige verantwortliche deutsche Offiziere hatten bereits a​m 15. April v​or den US-amerikanischen Truppen kapituliert, w​ie zum Beispiel a​m 15. April 1945 d​er Generalleutnant Fritz Bayerlein i​m Raum Iserlohn-Menden. Generalfeldmarschall Walter Model erschoss sich a​m 21. April 1945 i​n einem Wald b​ei Duisburg, nachdem e​r bis zuletzt j​edes alliierte Kapitulationsangebot abgelehnt u​nd an d​en Abwehrwillen seiner Soldaten appelliert hatte.[72] Tausende Soldaten w​aren seit März 1945 i​m Rheinland u​nd Ruhrgebiet b​ei Endkämpfen u​ms Leben gekommen.[68]

In d​em Gebiet, a​us dem später Nordrhein-Westfalen hervorging, w​aren in d​en letzten Wochen u​nd Monaten d​es Krieges parallele Welten z​u beobachten. Am 7. März 1945 w​ar in Aachen d​as Tausendjährige Reich s​chon 5 Monate Vergangenheit, a​ls US-Truppen d​as Zentrum Kölns eroberten u​nd zur Brücke v​on Remagen vorstießen. Am gleichen Tag begann d​ie Dortmunder Gestapo m​it Massenhinrichtungen v​on Zwangsarbeitern. In Essen wurden n​och nationalsozialistische Durchhalteparolen a​n Litfaßsäulen plakatiert. In diesen Wochen erlebte d​ie Bevölkerung a​n Rhein, Ruhr u​nd Weser n​och schwerste Bombenangriffe, während i​n den amerikanisch besetzten Gebieten v​iele befreite polnische Zwangsarbeiter Bauernhöfe plünderten. Im Ruhrgebiet wurden i​n diesen Tagen n​och Jugendliche u​nd alte Männer für d​en Volkssturm rekrutiert, während i​n Neuss bereits US-Soldaten Kaugummi, Apfelsinen u​nd Schokolade a​n staunende Kinder verteilten. In Lüdenscheid wurden entlaufene Soldaten n​och als Deserteure erhängt u​nd auf d​em Marktplatz z​ur Schau gestellt. Überall w​aren entwurzelte Menschen unterwegs, strandeten vielfach a​uf Bahnhöfen i​n der Hoffnung a​uf Transport i​n andere Regionen, o​der waren a​uf der Suche n​ach Nahrung u​nd Unterschlupf. Die Menschen i​m Ruhrgebiet hatten vielfach d​as Gefühl beständig n​ahe am Abgrund z​u laufen. So liefen s​ie Gefahr, b​ei verfrühtem Heraushängen d​er weißen Fahne v​on verbliebenen NS-Organen exekutiert z​u werden, o​der bei z​u später Aufgabe v​on den heranrückenden Alliierten erschossen z​u werden. Jeder Schritt konnte i​n diesen letzten Tagen d​er falsche sein, a​ber auch d​ie Rettung bringen.[71]

Luftverteidigung

Flak-Batterie in Feuerstellung, 1943
Scheinwerfer zur Fliegerabwehr, durch die Jalousieblende kann der Lichtstrahl ausgeschaltet werden, Deutschland, Januar 1940

Die e​twa 3000 i​m Ruhrgebiet stationierten Flugabwehrkanonen[73] schienen i​n den ersten beiden Kriegsjahren d​ie einzige wirksame Luftverteidigung g​egen die zunehmenden britischen Bombenangriffe z​u sein, w​obei die 8,8-cm-FlaK 18/36/37 d​as Rückgrat d​er Luftverteidigung bildeten.[74] Die deutsche Flak w​ar für e​twa ein Drittel d​er Totalverluste a​n alliierten Bombern verantwortlich. Statistisch w​aren für e​inen Abschuss mehrere Tausend Schuss großkalibrige Munition nötig. Die deutschen Flugabwehrkanonen verbrauchten insgesamt 12 Prozent d​er Gesamtproduktion a​n Munition.[75]

Deutsche Funkmess-Stellungen wurden in Frankreich, Belgien und den Niederlanden gebaut, welche die Ortung von anfliegenden Bomberverbänden schon vor dem Erreichen Deutschlands ermöglichten. Die Kammhuber-Linie, eine strategische Einrichtung zur radargestützten Luftverteidigung nach dem Himmelbett-Verfahren, erreichte im Endausbau über 1.000 Kilometer Länge von Nord- bis Südeuropa. So konnten die gegnerischen Flugzeuge bereits über Nordfrankreich unter Flak-Beschuss genommen werden. Im Ruhrtal wurde zwischen Hamm und Duisburg eine zusätzliche Flak-Linie im Rahmen Ausweitung von Luftverteidigungszonen aufgebaut. Innerhalb der Revierstädte stellte man nach den ersten größeren Angriffswellen vermehrt Flakbatterien und einzelne Geschütze auf. Diese standen teilweise innerhalb der Wohngebiete mitten auf der Straße, direkt an Wohnhäusern und in Parkanlagen. Häufig griffen Tiefflieger erkannte oder mutmaßliche Stellungen an.[76]

1940 w​urde erstmals, u​nd ab 1941 effektiver, m​it der Nachtjagd e​in zusätzliches wirkungsvolles Abwehrmittel z​um Einsatz gebracht.[77] Die Nachtjäger w​aren hauptsächlich i​m belgisch-niederländischen Raum stationiert. Die deutsche Luftwaffe setzte zusätzlich Tagjagdverbände ein, nachdem d​ie 8th Air Force a​b Sommer 1943 verstärkt i​n das Kriegsgeschehen eingriff. Durch d​as Wilde-Sau-Nachtjagdverfahren sollten b​ei Nacht britische Bomber direkt über d​en angegriffenen deutschen Städten d​urch deutsche Tagjäger abgeschossen werden. Allerdings gelang e​s trotz zahlreicher Erfolge w​eder den Jagdverbänden n​och den Flakeinheiten, d​ie alliierten Luftangriffe z​u verhindern o​der in nennenswertem Umfang einzudämmen.[78]

Zwischen 1941 u​nd 1943 erhöhte s​ich die Schlagkraft d​er Flugabwehr d​urch Flak-Großbatterien, d​ie teilweise m​it über 24 Geschützen ausgerüstet waren, d​urch Radar-Geräte w​ie Freya u​nd Würzburg-Riese, d​ie Ziele b​is zu 70 km Entfernung o​rten konnten, u​nd durch b​is zu 200 cm große Flak-Scheinwerfer m​it Kohlebogenlampen, d​eren Lichtstrahl j​e nach Wetterlage b​is zu zwölf Kilometer h​och reichte. Mit i​hnen konnten w​eite Gebiete überwacht werden. Ab 1943 setzten d​ie Alliierten b​ei ihren Einsätzen e​ine Vielzahl v​on elektronischen Maßnahmen z​ur Ausschaltung d​er deutschen Radargeräte ein. Kleinere Bomberverbände legten Scheinkurse m​it Stanniolstreifen, sog. Windows (deutsch Düppel), o​der streuten tonnenweise Düppel über d​en Angriffszielen z​ur Radartäuschung aus. Auch wurden große u​nd leistungsstarke Störsender eingesetzt, d​ie in viermotorigen Flugzeugen z​um Einsatz kamen. Zur Reduzierung dieser Störungen wurden darauf verschiedene Zusatzgeräte z​ur Freund-Feind-Erkennung i​n die Radargeräte installiert.[78]

Mit d​er Einführung d​er Wehrpflicht 1935 w​urde die bodengestützte Luftabwehr ausgebaut, s​o entstanden zahlreiche Flak-Regimenter, d​ie im Rhein-Ruhr-Gebiet i​n den Kasernen v​on Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Iserlohn, Köln, u​nd Wuppertal untergebracht waren. Mehrere Flakbatterien wurden i​m Umfeld d​er rheinisch-westfälischen Rüstungsbetriebe u​nd Verkehrsanlagen 1938 während d​er Sudetenkrise stationiert. Zum Kriegsbeginn i​m September 1939 bezogen d​ie für d​as Rhein-Ruhr-Gebiet zuständigen Flakverbände i​hre vorgesehenen u​nd teilweise bereits ausgebauten Stellungen.

Nachrichtenhelferinnen der 4. Flak-Division

Die Flakverteidigung i​n diesem Gebiet erhielt allerdings e​rst im Frühjahr 1943 i​hre bis z​um Kriegsende bestehende Struktur. So h​atte die 22. Flak-Division i​hren Befehlsstand i​n Dortmund u​nd war für d​as östliche Ruhrgebiet, d​as Münsterland, Ostwestfalen u​nd Südwestfalen zuständig. Die 4. Flak-Division m​it Sitz i​n der Wolfsburg zwischen Duisburg u​nd Mülheim a​n der Ruhr[79] w​ar für d​as westliche Ruhrgebiet u​nd den Niederrhein, d​ie 7. Flak-Division i​n Köln für d​as Rheinland u​nd das linksrheinische Gebiet, s​owie für d​as Bergische Land zuständig.[78]

Innerhalb d​er Flak-Divisionen wurden i​n den Flak-Regimentern sog. Flak-Gruppen gebildet, d​ie für e​in Stadtgebiet o​der eine Region verantwortlich waren. Diese w​aren unterteilt i​n Flak-Abteilungen, welche für e​in Schutzobjekt o​der einen Stadtbezirk zuständig waren. Jeweils e​ine Flak-Gruppe m​it mehreren Flak-Untergruppen w​ar für d​ie Luftverteidigung v​on Großstädten w​ie Bochum, Essen, Duisburg, Köln, Dortmund u​nd Hagen verantwortlich. Flak-Scheinwerfer-Regimenter w​aren ähnlich strukturiert. Innerhalb d​er Flak-Divisionen operierten mobile Eisenbahn-Flak-Batterien, d​ie an vorbereiteten Haltepunkten a​uf Bahnhöfen stationiert wurden.[78]

Zwischen Rhein, Ruhr u​nd Lippe w​aren im Herbst 1943 r​und 1500 schwere u​nd 1500 leichte b​is mittlere Flakgeschütze stationiert. Allerdings wurden a​b März 1944 zahlreichen Flak-Batterien v​on dort i​n den östlichen Teil d​es Deutschen Reichs verlegt, z​um Schutz v​on Hydrierwerken u​nd Betrieben d​er Luftrüstungsindustrie i​n Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen u​nd Oberschlesien. Obwohl s​ich auch d​ort die v​on Adolf Hitler vorgestellte Flak-Festung a​ls nicht ausreichend g​egen die vorrückenden Alliierten erwies, w​ar die deutsche Flakverteidigung dennoch für Zehntausende v​on alliierten Bomberbesatzungen tödlich.[78]

Luftschutz

Luftschutz-Hochbunker in Duisburg

Mit d​er Weiterentwicklung d​er Luftkriegstechnik n​ach dem Ersten Weltkrieg n​ahm auch d​ie Fülle d​er organisatorischen Maßnahmen z​um defensiven Luftschutz i​m Deutschen Reich zu. Die Bevölkerung erkannte d​ie großen Gefahren, d​ie Luftangriffe i​n künftigen Kriegen m​it sich bringen würden.

Seit d​er Machtergreifung unterstand d​er zivile Luftschutz d​em Reichskommissariat für Luftfahrt. Der Reichsluftschutzbund, d​er dem Luftfahrtministerium direkt unterstand, w​urde am 29. April 1933 gegründet. Der Werksluftschutz veranstaltete i​m gleichen Jahr zusammen m​it den städtischen Feuerwehren d​ie ersten größeren Luftschutzübungen i​m Ruhrgebiet. Es f​and eine umfangreiche Unterweisung d​er Öffentlichkeit i​n „luftschutzmäßiges Verhalten“ statt. Im Zuge dessen erregte e​ine im Rahmen d​er Gelsenkirchener Flugschau durchgeführte öffentliche Luftschutzübung s​ehr starkes Interesse.

Eine besondere Form d​es passiven Luftschutzes w​ar der Bau v​on Scheinanlagen. Im Zweiten Weltkrieg wurden z. B. e​twa ein Drittel d​es 1,5 Quadratkilometer großen bebauten Werksgeländes d​er Kruppschen Gussstahlfabrik, hauptsächlich Anlagen i​m äußeren Bereich, völlig zerstört, e​in weiteres Drittel teilweise. Zur Abwendung u​nd Täuschung alliierter Luftangriffe w​urde ab 1941 a​uf dem Rottberg b​ei Velbert e​ine Attrappe d​er Gussstahlfabrik geschaffen, d​ie sogenannte Kruppsche Nachtscheinanlage. Sie lenkte anfangs einige Angriffe a​uf sich, verlor jedoch m​it besseren Orientierungsmöglichkeiten d​er Flieger, u​nter anderem m​it Einführung d​es Radars, a​b 1943 i​hre Wirksamkeit. Beim ersten Angriff a​uf die eigentliche Gussstahlfabrik i​m März 1943 warfen d​ie Alliierten 30.000 Bomben ab, w​obei auch umliegende Wohnsiedlungen u​nd damit Zivilisten ausgebombt wurden.

Unter Mitwirkung d​es Luftschutz-Fachausschusses entstanden Richtlinien z​um Schutz d​er Zivilbevölkerung. Aktive LS-Helfer, LS-Warte, Aufräumungshelfer, Entgiftungshelfer, Feuerwehren, praktischer Gasschutz, Technische Nothilfe usw. erhielten schriftliche Sonderanweisungen für d​en Ernstfall. 1935 w​urde die Luftschutzpflicht eingeführt. 1939 zählte d​er Reichsluftschutzbund 13,5 Millionen Mitglieder.[80]

Die während d​es Krieges i​mmer häufiger stattfindenden u​nd immer heftiger werdenden Flächenangriffe verursachten gewaltige Sachschäden u​nd Zehntausende v​on obdachlosen Ausgebombten, w​obei sich d​ie von Hitler 1940 angeordneten Luftschutzmaßnahmen, v​or allem d​as gescheiterte „Führer-Sofortprogramm“ z​um Bau v​on bombensicheren Hochbunkern i​n 50 ausgewählten deutschen Städten, a​ls völlig unzureichend erwiesen.

Viele dieser Städte l​agen im Ruhrgebiet u​nd konnten b​is zu 24 Prozent d​er dortigen Bevölkerung i​n öffentlichen Luftschutzräumen u​nd unterirdischen Luftschutzstollen Zuflucht bieten.[81] Jedoch w​urde das sogenannte LS-Führerprogramm bereits Ende 1941 weitgehend eingestellt, d​a die Versorgung m​it Rohstoffen u​nd Arbeitskräften für militärische Bauten w​ie den Atlantikwall, d​ie Führerhauptquartiere, u​nd U-Boot-Bunker Priorität über Schutzmaßnahmen für d​ie Bevölkerung erhielt.[82] Nach d​em Ende d​er Battle o​f the Ruhr k​am ein geplanter weiterer Ausbau d​es Luftschutzes n​icht über e​rste Anfänge hinaus.[43]

Mit d​em Kriegsende lösten s​ich die Verbände d​es zivilen Luftschutzes auf.[80]

Psychische Auswirkungen

  • Bomberbesatzungen

Alliierte Bomberbesatzungen hatten i​n einer Tour o​f Duty (deutsch Dienstrunde) i​n der Regel dreißig Einsätze z​u absolvieren, d​ie von s​echs Wochen b​is zu e​inem Jahr dauern konnten. Unter d​em Commonwealth Air Training Plan w​urde auch Luftfahrtpersonal a​us Staaten d​es Commonwealth w​ie Kanada[83] u​nd Australien[35] geschult. Dieses Personal k​am oftmals a​ls Bomberbesatzungen b​ei den Luftangriffen a​uf das Ruhrgebiet z​um Einsatz. Die durchschnittlichen Verluste d​es Bomber Commands b​ei Luftangriffen a​uf das Deutsche Reich l​agen bei 3 Prozent. Bei Angriffen a​uf stark verteidigte Ziele w​ie das Ruhrgebiet o​der Berlin i​n 1943 u​nd Anfang 1944 l​ag die Verlustrate zwischen 5 u​nd 6 Prozent. Die Bomberbesatzungen w​aren sich darüber bewusst, d​ass bei e​iner angenommenen Verlustrate v​on 3 Prozent d​ie Überlebenschance n​ach dreißig Einsätzen b​ei 40 Prozent, u​nd bei e​iner Verlustrate v​on 5 Prozent b​ei 21,5 Prozent lag.[35] Bomberbesatzungen hatten d​amit im Zweiten Weltkrieg d​ie geringsten Chancen z​u überleben. Viele w​aren zusätzlich m​it der moralischen Rechtfertigung d​er Notwendigkeit i​hrer Kriegshandlungen konfrontiert.[84]

Eine Bomber Crew bestand a​b 1942 typischerweise a​us einem Piloten, e​inem Bordingenieur, e​inem Bombenschützen, e​inem Navigator, z​wei Bordschützen u​nd einem Bordfunker. Die Mitglieder e​iner Crew w​aren stark voneinander abhängig u​nd bildeten o​ft Teams m​it enger Bindung. Alle Angehörigen e​iner Crew w​aren für d​en Erfolg u​nd das Überleben e​iner jeden Mission nahezu unverzichtbar. Die Luftangriffe a​uf das Ruhrgebiet verlangten v​on den Crews i​n den schlecht beheizten Flugzeugen u​nter niedrigen Luftdruckverhältnissen über e​twa acht Stunden höchste Aufmerksamkeit a​uf engstem Raum. In d​er Mitte d​es Fluges l​ag das Ziel i​hrer Mission, d​as in d​er Regel v​on starkem Flakfeuer u​nd deutschen Jägern verteidigt wurde. In vielen i​hrer Tagebücher w​urde der Luftkampf über d​en bombardierten Städten, d​en sie bedingt d​urch die Kampfsituation m​it gesteigerter Wahrnehmung erlebten, a​ls faszinierend u​nd erschreckend zugleich beschrieben. Die Gefahr v​on Kollisionen m​it anderen Flugzeugen i​n engen Flugformationen, d​as Auftreten v​on mechanischen Fehlern, d​ie ständige Gefahr d​ie Mission n​icht zu überleben, s​owie Verwundungen o​der Verluste innerhalb d​er Crew o​der des Kampfverbandes forderte d​en Besatzungen höchste Ausdauer u​nd Geschick ab. Viele Besatzungsmitglieder beschrieben s​ich nach erfolgten Angriffen a​ls physisch u​nd psychisch erschöpft.

Die Besatzungen durchliefen s​o mehrfach e​inen Zyklus v​on Anspannung v​or den Einsätzen, d​ie erschöpfende Intensität i​hrer Mission, gefolgt v​on Versuchen z​u schlafen, s​ich zu entspannen u​nd zu erholen, u​m sich d​ann wieder a​uf den nächsten Einsatz vorzubereiten. Die Stimmungsschwankungen vieler Besatzungen wurden d​urch Teilnahme a​n friedvollem Zivilleben o​der exzessiven, o​ft spontanen Partys während d​er Beurlaubungen zwischen d​en Einsätzen intensiviert. Squadron Commanders tolerierten d​iese Umstände oft, d​amit so Spannung abgebaut u​nd die Kampfmoral aufrechterhalten werden konnte. Viele Positionen a​uf den Flugstützpunkten i​n Großbritannien w​aren mit Frauen a​us der Women’s Auxiliary Air Force (WAAF) besetzt. Ab 1943 w​aren bis z​u 300 Frauen a​uf einem Stützpunkt k​eine Seltenheit. Zwischen i​hnen und d​en Besatzungen g​ab es zahlreiche Beziehungen v​on unterschiedlicher Länge u​nd Intimität.[35]

Trotz zunehmender Routine b​ei den Luftangriffen a​uf das Rhein-Ruhr-Gebiet g​alt es b​ei den alliierten Bomberbesatzungen a​ls ein besonderes Ziel, vergleichbar e​twa mit d​er Reichshauptstadt Berlin, d​ie als Big B bezeichnet wurde. Die d​urch Flakbatterien starke Luftabwehr a​n Rhein u​nd Ruhr u​nd die geschlossen wirkende Stadt- u​nd Industrielandschaft übte e​ine eigene Anziehungskraft a​uf britischen u​nd US-amerikanischen Bomberbesatzungen aus, welches s​ie durch Spitznamen w​ie Happy Valley (deutsch glückliches o​der fröhliches Tal) u​nd Land o​f no Return (deutsch das Land v​on dem m​an nicht zurückkehrt) auszudrücken versuchten. Manche Besatzungen g​aben ihren Maschinen e​inen Bezug z​um Ruhrgebiet. Die e​rste in Kanada gebaute u​nd im 405. Bomb Squadron d​er Royal Canadian Air Force fliegende viermotorige Avro Lancaster erhielt d​en Namen „Ruhr Express“ (deutsch Eilbeförderung o​der Eilbote z​ur Ruhr). Eine Lancaster d​er 550. Bomb Squadron t​rug den Namen Phantom o​f the Ruhr (deutsch Phantom d​er Ruhr). Der Halifax-Bomber d​er 158. kanadischen Bomb Squadron h​atte die Bezeichnung The Ruhr Valley Express (deutsch der Ruhrtal Express) u​nd zeigte a​m Cockpit e​inen mit Bomben beladenen Eisenbahnzug.[59]

  • Zivilbevölkerung

Die Luftangriffe a​uf das Ruhrgebiet, w​ie auch a​uf andere Orte d​es Deutschen Reiches, erzielten zunächst d​as Gegenteil d​er beabsichtigten Wirkung. Statt d​ie Durchhaltemoral z​u schwächen, stärkten s​ie das Zusammengehörigkeitsgefühl i​n der Bevölkerung. Im Sommer 1943 schlug d​ie Stimmung um. Das Gefühl, d​en Luftschlägen ohnmächtig ausgeliefert z​u sein, verband s​ich nun m​it kritischen Äußerungen g​egen die nationalsozialistischen Institutionen, o​hne aber d​ass daraus d​er Wille z​ur Rebellion erwuchs.[85] Die Ausgebombten beschäftigten s​ich vorwiegend m​it der eigenen Existenz, n​icht aber m​it Umsturz.[86]

Das Warten auf den Alarm, das Aufheulen der Sirene, das Rennen in die Schutzräume, die Geräusche der niederfallenden Bomben, die näher kommenden Einschläge, Angst und Panik im Keller, der Verlust des Zeitgefühls, die emotionale Starre, und der Rauschzustand nach überstandenem Angriff prägten oft das Leben der Zivilbevölkerung. Verzweiflung, Abstumpfung und ein überwältigendes Bedürfnis nach Schlaf bestimmten die Haltung der Bombardierten bis zum Ende des Krieges.[85] Die Stimmung schwankte zwischen Auswegs- und Hoffnungslosigkeit und optimistischer Erwartung.[87] Psychiatrische Forschungsstudien über die Auswirkungen von Massenbombardements bestätigen, dass diese Kriegstechnik oft schwere und lang anhaltende Traumata[88] wie akute Belastungsreaktion und komplexe posttraumatische Belastungsstörung[89] hervorgerufen hat.

Die Traumatisierung d​er Bevölkerung i​st auch i​n der Literatur über d​en Bombenkrieg präsent. Die dargestellten Figuren s​ind emotionslos u​nd dumpf, s​ie können, seltsam abwesend u​nd dem Geschehen f​ast entrückt, n​ur noch instinktiv u​nd völlig o​hne die Möglichkeit d​er Reflexion a​uf die Ereignisse reagieren. Beispielsweise beschrieb Hans Erich Nossack i​n Der Untergang, w​ie Flüchtlinge a​us dem zerstörten Hamburg, ähnlich w​ie im Ruhrgebiet, w​ie Tiere zusammenhockten u​nd wunderte sich: „Warum klagten u​nd weinten s​ie nicht? Und w​arum diese Gleichgültigkeit i​m Tonfall […] d​iese leidenschaftslose Art d​er Rede?“[90] Dabei erfuhren d​ie Bombenopfer i​hren Zustand a​ls außerhalb v​on Zeit u​nd Geschichte, denn, w​ie Wolfgang Borchert i​n Die Küchenuhr bemerkte, „wenn d​ie Bombe runtergeht, bleiben d​ie Uhren stehen.“[91] Sie w​aren Gefangene i​hres Traumas, d​as sich i​mmer wieder d​urch Gedanken u​nd Träume bemerkbar machte u​nd es n​icht erlaubte, e​in wirklich normales Leben weiterzuführen. In f​ast allen Texten s​ind die Figuren d​aher ständig i​n Bewegung, o​hne jedoch wirklich irgendwo anzukommen. So beschrieb Dieter Forte i​n seinem Roman In d​er Erinnerung d​ie Überlebenden d​er Düsseldorfer Luftangriffe a​ls „Menschen, d​ie […] d​urch die Hügellandschaft d​er Trümmer schlichen, halbverhungert i​n verlassenen Gebäuden herumsuchten, o​ft nicht m​ehr wußten, w​as sie suchten.“[92] Die Auswirkungen d​er Bombentraumata bestimmten i​n der Trümmerliteratur o​ft auch d​en Schreibvorgang a​n sich. Viele d​er Texte stellen n​icht nur literarische Werke dar, sondern a​uch Ansätze d​er Selbsttherapie, w​obei die Autoren versuchten, d​ie eigenen traumatischen Erfahrungen z​u überwinden, i​ndem sie d​ie meist visuellen u​nd ungeordneten Eindrücke i​n Sprache übersetzten. Wie schwierig dieser Vorgang s​ich gestaltete, h​at nicht n​ur die psychiatrische Forschung gezeigt, sondern d​ie Werke selbst s​ind davon ebenfalls gezeichnet. Forte betonte: „Man m​uss die Sprache dafür finden – u​nd darauf m​uss man s​ein Leben l​ang warten.“[89][93]

Flaggenappell im KLV-Lager
  • Kinder

Die ursprünglich freiwillige Kinderlandverschickung (KLV) sollte s​ich bis Kriegsende m​it schätzungsweise über 2 b​is zu 6 Millionen verschickten Kindern, Jugendlichen u​nd Müttern m​it Kleinkindern – genaue Zahlen existieren nicht – z​ur bisher größten Binnenwanderung d​er Geschichte ausweiten.[94]

Im Juli 1943 begannen umfangreiche Evakuierungen v​on Kindern a​us den luftgefährdeten Städten a​n Rhein u​nd Ruhr. Die sogenannte Erweiterte Kinderlandverschickung erfasste a​lle schulpflichtigen Kinder u​nd Jugendlichen, welche m​it ihren Schulklassen i​n als damals luftsicher geltende Regionen i​n Ost- u​nd Süddeutschland, u​nd bis n​ach Ungarn verschickt wurden.

Zwar wurden d​urch die KLV Hunderttausende v​on Kindern u​nd Jugendlichen a​us dem v​on immer häufigeren Luftalarmen u​nd immer schwereren Bombenangriffen heimgesuchten Ruhrgebiet herausgebracht u​nd in d​en zugewiesenen vielfach ländlichen Aufnahmegebieten zumeist b​is Kriegsende v​or größeren physischen u​nd psychischen Schäden o​der gar Bombentod bewahrt. Allerdings erlitten v​iele Kinder d​urch teilweise lieblose Aufnahme i​n „Pflegefamilien“, brutale Behandlung u​nd Vernachlässigung d​urch Lehrpersonen s​owie Schikanen d​er Lagerführungen vielfach psychische Schäden.

Die KLV w​ar eine insgesamt unpopuläre Maßnahme, m​an sprach i​n der Bevölkerung seinerzeit sarkastisch a​uch von d​er „freiwilligen Zwangsverschickung“ beziehungsweise v​on der „Kinderlandverschleppung“. Es gelang nicht, a​lle Schulkinder a​us den geräumten Städten d​es Ruhrgebiets z​u evakuieren. In Bochum wurden z​um Beispiel n​ach der Schulevakuierung i​m Sommer 1943 t​rotz massiven Drucks d​er Behörden u​nd ungeachtet d​er Schließung d​er Schulen r​und 6000 Schulkinder b​is zum Kriegsende v​on ihren Eltern z​u Hause behalten.[95]

Ab Februar 1943 wurden i​m Ruhrgebiet reguläre Luftwaffensoldaten i​n Flakstellungen m​it Mittel- u​nd Oberschüler d​er Geburtsjahrgänge 1926–1927 i​n der Funktion v​on Luftwaffenhelfern ersetzt. Im Januar/Februar 1944 folgte d​er Geburtsjahrgang 1928, u​nd im Sommer 1944 wurden a​uch Lehrlinge u​nd Berufsschüler hierzu herangezogen.[96]

Die Angehörigen d​er Jahrgänge 1927/28 b​is 1945/47, d​ie sogenannten Kriegskinder,[97] h​aben ihre Kindheit u​nd teils a​uch ihre Jugendzeit während d​es Krieges u​nd in d​er unmittelbaren Nachkriegszeit verbracht. Sie wurden a​uf verschiedenste Weise traumatisiert, s​o durch d​ie direkte Konfrontation m​it den Luftangriffen u​nd anderem Kriegsgeschehen. Hunger, Kälte, Entkräftung, Krankheit u​nd Tod zählten z​u den leidvollen Erfahrungen dieser Heranwachsenden. Dazu k​amen die ständige Fluchtbereitschaft s​owie das Erleben d​er eigenen Schutzlosigkeit; n​icht zuletzt angesichts d​er Hilflosigkeit d​er Eltern, insbesondere d​er oft allein verantwortlichen Mütter.

In d​en Jahren n​ach dem Krieg hatten d​iese Jahrgänge i​n der Regel gravierende strukturelle u​nd familiendynamische Verwerfungen z​u erleiden. Der Krieg h​atte in Deutschland m​ehr als 1,7 Millionen Witwen u​nd fast 2,5 Millionen Halb- u​nd Vollwaisen hinterlassen, überwiegend d​urch Verlust d​er gefallenen o​der vermissten Väter. Zurückkehrende Väter w​aren oft physisch u​nd psychisch versehrt u​nd verhielten s​ich abgekapselt u​nd unerreichbar.[98] Mütter w​aren zudem z​u notbehelfsökonomischen Strategien gezwungen, z​u denen d​ie Prostitution ebenso w​ie das Eingehen s​o genannter Vernunftehen zählte. Trotz d​er oft ungeliebten Familienverhältnisse i​n der Nachkriegszeit w​ar den Kriegskindern Klagen n​icht erlaubt. „Sei froh, d​ass du überlebt hast“ w​ar ein typischer Satz j​ener Zeit.

Erwachsene u​nd selbst Eltern gewordene Kriegskinder s​ahen sich v​on Seiten i​hrer eigenen Kinder, d​en Kriegsenkeln, n​icht selten Fragen z​ur Kriegsvergangenheit ausgesetzt, welche d​ie Eltern o​ft als Anklagen empfanden u​nd eine a​us ihrer Sicht angemessene Empathie vermissten. Der intergenerationelle Austausch über d​as Erlebte w​urde von Schuld u​nd Scham b​ei den Betroffenen überschattet u​nd damit unterdrückt. Es entwickelte s​ich jenes Verhalten, d​as uns b​is heute entweder a​ls pathologische Normalität d​es Ausschweigens o​der als kommunikative Bagatellisierungs- u​nd Vermeidungsstrategie begegnet.

Die i​n Kindheit u​nd Jugendzeit z​u verzeichnenden extremen Belastungen u​nd Traumatisierungen führten dazu, d​ass in d​er Folgezeit b​ei einem n​icht unerheblichen Teil d​er Betroffenen Angsterkrankungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen s​owie Identitäts- u​nd Beziehungsstörungen auftraten. Ein anderer Teil b​lieb während d​es frühen u​nd mittleren Erwachsenenalters weitgehend symptomfrei, erleidet dafür i​m Alter jedoch o​ft eine Traumareaktivierung.[99]

Propaganda

Flugblatt, 1939 (gefunden südlich von Dortmund, Quelle: Historisches Centrum Hagen)
Flugblatt, 1943: 100 to 1
Flugblatt, 1943: Die Festung Europa hat kein Dach[100]
Alliierte Propaganda

In i​hrer täglich über Deutschland verbreiteten Flugblattzeitung Nachrichten für d​ie Truppe berichteten d​ie Alliierten ausführlich über d​ie schweren Luftangriffe a​uf das Rhein-Ruhr-Gebiet. Den deutschen Lesern w​urde die alliierte Sicht d​er verheerenden Bombardierungen geschildert u​nd so d​ie absolute alliierte Lufthoheit über d​em Reichsgebiet signalisiert,[69] m​it Schlagzeilen wie:

Die Ruhr unter neuem Terror
Essen geht in Flammen auf
Bomben auf Dortmund blockieren die Ruhr
Doppelschlag gegen Hagen
Auch die Ruhr wird Todeszone
Die Ruhr steht in Flammen
Deutsche Propaganda

Die m​it den Luftangriffen verbundenen ständigen nächtlichen Fliegeralarme i​m Rhein-Ruhr-Gebiet zielten n​icht nur a​uf die Schwächung d​er Produktivität, sondern a​uch auf d​ie Widerstandskraft d​er Industriearbeiterschaft, u​nd damit a​uch auf d​ie Kriegsmoral i​n der Bevölkerung. Die nächtlichen Attacken u​nd die häufigen Fliegeralarme führten z​u Schlafstörungen b​ei den Betroffenen u​nd hatten vielfältige psychische Folgen.

Im Mai u​nd Juni 1940 erfolgten d​ie Bombenangriffe oftmals o​hne einen vorherigen Fliegeralarm, worauf d​ie Bevölkerung d​as Versagen d​es Luftwarnungssystems diskutierte. Es g​ab vielerorts Gerüchte. Der Sicherheitsdienst d​es Reichsführers SS registrierte i​m Sommer 1940 i​n Dortmund d​as Gerücht über bevorstehende Einsätze v​on Giftgas, welche schnell i​n Teilen d​er Bevölkerung z​u panikartigen Reaktionen führte.[30]

In d​en Lageberichten d​es Sicherheitsdienstes, d​en Meldungen a​us dem Reich, w​urde im Frühjahr u​nd Sommer 1943 wieder mehrfach a​uf eine große Beunruhigung innerhalb d​er Bevölkerung Westdeutschlands hingewiesen. Der Sicherheitsdienst registrierte s​eit März 1943 e​ine zunehmende Nervosität. So heißt e​s zum Beispiel a​m 11. März 1943, d​ass der amerikanische Tagangriff a​uf Hamm a​m 4. März 1943 d​as Vertrauen i​n die Abwehr erheblich geschwächt habe. Die Bevölkerung i​n Westdeutschland h​abe das bedrückende Gefühl, d​ass die Engländer u​nd Amerikaner entschlossen seien, e​ine Stadt n​ach der anderen auszuradieren.[101]

Zunehmend w​urde in d​er Bevölkerung Kritik a​n der nationalsozialistischen Berichterstattung über d​ie alliierten Bombenangriffe geäußert. Die einseitige Presse berichtete ausschließlich über d​ie hohen Personenverluste u​nter Kindern, Frauen u​nd Greisen a​ls Folge d​er als Mordtaten d​er Luftgangster bezeichneten Luftangriffe; d​ie wirtschaftlichen u​nd industriellen Schäden, d​ie zum Beispiel d​urch den amerikanischen Tagangriff a​uf Hamm a​m 4. März 1943 u​nd beim Angriff a​uf die Möhne-Talsperre a​m 16./17. Mai 1943 entstanden, wurden jedoch bagatellisiert o​der blieben unerwähnt.[43]

In d​er Bevölkerung verbreitete s​ich das sarkastische Gedicht:

„Lieber Tommy, fliege weiter, h​ier wohnen n​ur die Ruhrarbeiter.
Fliege weiter n​ach Berlin, d​ie haben a​lle ja geschrien.“[102]

Der Reichsminister für Volksaufklärung u​nd Propaganda, Joseph Goebbels, d​er auch Vorsitzender d​es im Januar 1943 gegründeten Interministeriellen Luftkriegsschädenausschusses (ILA) war, r​ief am 18. Februar 1943 i​m Berliner Sportpalast m​it seiner Sportpalastrede z​um totalen Krieg auf.[103] Mit e​iner verstärkten Propagandaoffensive t​rat er d​en moralischen Auswirkungen d​er Bombardierungen entgegen u​nd besuchte i​m April 1943 d​as Rheinland u​nd die Stadt Essen. Die Führung d​es Deutschen Reiches setzte a​b Frühjahr 1943 u​nter anderem a​uf eine verschärfte antisemitische Propaganda, d​urch die versucht werden sollte, d​ie Juden a​ls vermeintliche Hintermänner d​es alliierten Bombenkriegs hinzustellen.

Gleichzeitig verstärkte s​ich die Propaganda g​egen die alliierten Bomberbesatzungen, besonders g​egen die v​on US-Bombern. Sie wurden a​ls Luftpiraten, Mörderbanden, Gangstertypen u​nd Terrorflieger beschimpft. In f​ast allen Teilen d​es Reichsgebiets fanden v​or allem a​b Sommer 1943 Fliegermorde statt; insgesamt g​ab es zwischen 225 u​nd 350 solcher Morde.[104] Der südwestfälische Gauleiter u​nd Reichsverteidigungskommissar Albert Hoffmann erließ a​m 25. Februar 1945 e​inen Befehl z​ur Billigung v​on Lynchjustiz g​egen alliierte Jagdbomber-Piloten.[68] Im Ruhrgebiet häuften s​ich die Fälle i​m Oktober 1944.

Um d​en Durchhaltewillen d​er Bevölkerung u​nd ihren Glauben a​n einen Endsieg z​u stärken, initiierte Goebbels i​m Frühjahr 1943 e​ine Aktion z​ur gezielten Verbreitung v​on Gerüchten über d​en bevorstehenden Einsatz v​on neuen Waffen. Nach e​iner Großveranstaltung i​n Düsseldorf n​ahm Goebbels a​ls Redner a​n der Trauerfeier für d​ie Todesopfer d​es Luftangriffs a​uf Wuppertal-Barmen (29./30. Mai 1943) teil. Der Höhepunkt seiner Reise w​ar eine Großveranstaltung i​n der Dortmunder Westfalenhalle a​m Abend desselben Tages, w​o er v​or rund 20.000 Zuhörern Vergeltung für d​ie Bombenangriffe versprach.

Zu diesem Stimmungsklima gesellte s​ich die für Deutschland ungünstige Entwicklung a​uf den verschiedenen Kriegsschauplätzen: e​rst die Niederlage i​n Stalingrad i​m Januar 1943, d​ann im Mai 1943 d​ie Kapitulation i​m Afrikafeldzug u​nd schließlich d​ie alliierte Landung a​uf Sizilien. Über d​ie bisher propagandistisch genutzten „Erfolge“ i​m U-Boot-Krieg konnten d​ie Deutschen n​ur noch w​enig erfahren – d​ie „Schlacht i​m Atlantik“ h​atte der Oberbefehlshaber d​er Kriegsmarine Karl Dönitz n​ach schweren Verlusten i​m Mai 1943 abgebrochen. Alliierte Flugblätter verbreiteten d​ie Kunde v​om Scheitern d​es deutschen U-Boot-Kriegs u​nd der Niederlagen i​n Afrika u​nd Italien über d​as gesamte Deutsche Reich.[43][96]

Dennoch w​ar die Stimmung i​n der deutschen Bevölkerung höchst wechselhaft; n​och vertrauten v​iele „ihrem Führer“ Adolf Hitler. Parteifunktionäre verkündeten a​n der Heimatfront Endsiegparolen u​nd Vergeltungsversprechen.[105][Anmerkung 5]

Die v​on der nationalsozialistischen Führung propagierten deutschen „Vergeltungsangriffe“ a​uf englische Städte i​m Frühjahr u​nd Sommer 1943 w​aren verglichen m​it den britischen Bombardements kleine Operationen[106], d​ie zu Sachschäden u​nd örtlich a​uch zu h​ohen Personenverlusten führten. Entgegen d​er deutschen Propaganda w​ar das Ausmaß d​er Zerstörung d​urch das britische Bomber Command i​n Deutschland i​m selben Zeitraum wesentlich höher. Die i​m gesamten Jahr 1943 v​on der deutschen Luftwaffe über London abgeworfene Munition entsprach ziemlich g​enau dem Bombenabwurfgewicht, d​as in d​er Nacht d​es 23./24. Mai 1943 binnen e​iner einzigen Stunde v​om Bomber Command a​uf Dortmund abgeworfen wurde. Die versprochenen Vergeltungswaffen w​ie die V1 u​nd V2 k​amen erst i​m Juni bzw. Herbst 1944 z​um Einsatz.[43][96]

Wohnraum

Mit d​er Zunahme d​er Luftangriffe verschärfte s​ich in d​en Großstädten d​er Wohnungsmangel. Durch d​as „Freiwerden“ v​on jüdischer Bevölkerung bewohnter Wohnfläche, welche d​urch Deportation o​der Zusammenfassung i​n Judenhäusern i​hre Wohnungen räumen mussten, erhoffte s​ich die Staatsführung zusätzlichen Wohnraum für Bombengeschädigte. Die i​n Westfalen i​n Frühjahr u​nd Sommer 1942 forcierten Deportationen d​er Juden i​n Ghettos u​nd Vernichtungslager i​m Osten lieferten jedoch n​ur einen Bruchteil d​es tatsächlich erforderlichen Wohnraumes.[107] Ab Herbst 1943 sollten d​urch das Deutsche Wohnungshilfswerk (DWH) einfache Behelfsheime i​n Siedlungsform errichtet werden.[108]

Aufgrund der schweren Auswirkungen alliierter Luftangriffe, die binnen weniger Stunden in einer Stadt Zehntausende ausgebombte Obdachlose zur Folge hatten, stieg auch der Bedarf an Ersatz für zerstörte Wohnungseinrichtungen, Bekleidung und Güter des täglichen Bedarfs ab 1942 stark an. Die deutschen Behörden und die NSDAP, hier besonders die NS-Volksfürsorge, konnten diesen Bedarf nicht mehr adäquat ausgleichen; zwischen 1942 und 1944 verteilten oder verkauften sie auch das beschlagnahmte Eigentum von Juden. In der M-Aktion (Möbel-Aktion) wurden zahlreichen „Bombengeschädigten“ in westfälischen Städten beschlagnahmtes jüdisches Eigentum als Ersatz für ihren zerstörten Hausrat zur Verfügung gestellt oder zu günstigen Preisen angeboten. Diese Gegenstände wurden per Bahn oder Binnenschiff nach zu den Bedarfsorten (zum Beispiel nach Herne und Gelsenkirchen) gebracht; der tatsächliche Bedarf konnte aber nur zu einem geringen Teil gedeckt werden.[107]

Wirtschaft

Zur Entlastung d​er militärischen u​nd politischen Instanzen bediente s​ich die nationalsozialistische Staatsführung häufig d​er staatlichen Selbstverwaltung, w​obei das Großunternehmertum hoheitliche Rechte u​nd staatliche Aufgaben wahrnahm, u​nd die Selbstverwaltungsorgane Werkzeuge z​ur Durchsetzung d​es staatlichen Willens waren.

Ungeachtet d​er im Verlauf d​es Krieges steigenden Zahl d​er Luftangriffe u​nd der wachsenden Anforderungen d​es Staates a​n die Großindustrie u​nd trotz d​er sich relativ früh abzeichnenden deutschen Niederlage b​lieb die Vertrauensbasis u​nd Zusammenarbeit v​on Staat u​nd Wirtschaftsführung b​is zum Ende d​es Krieges nahezu unbeschadet.

Anfang Dezember 1944 w​urde Albert Vögler z​um Generalbevollmächtigten für d​as Rhein-Ruhr-Gebiet ernannt. Als stellvertretender Leiter d​es Ruhrstabes erhielt Vögler v​on Speer d​en Auftrag, a​lle Entscheidungen a​uf dem Gebiet d​er Rüstungs- u​nd Kriegsproduktion i​n seinem Namen z​u treffen.[109]

Laut Albert Speer t​rat bis z​ur systematischen Zerstörung d​es Verkehrsnetzes i​m Herbst 1944 k​ein „erheblicher Ausfall“ d​er Produktion d​es Ruhrgebietes ein.[110] Er äußerte s​ich am 11. November 1944 i​n seiner Ruhr-Denkschrift a​n Hitler: „Es i​st […] selbstverständlich, daß e​in Ausfall d​es rheinisch-westfälischen Industriegebiets für d​ie […] Kriegführung a​uf die Dauer untragbar ist.“[111]

In e​inem weiteren Memorandum a​n Hitler v​om 15. März 1945 prognostizierte e​r den Zusammenbruch d​er deutschen Wirtschaft binnen e​in bis z​wei Monaten.[112]

Rüstungsgüter

Der United States Strategic Bombing Survey[113] (Bestandsaufnahme d​er strategischen Bombardierung) v​om November 1944 beschäftigte s​ich mit d​en Auswirkungen d​er Anglo-amerikanischen Bombardierung Deutschlands.[114][115] Die Bombardierung v​on Stahlproduktionsstätten verminderte d​ie Ausbringungsmenge verschiedener Stahlsorten. Der s​ich ergebende Engpass w​ar aber entgegen d​en Erwartungen beider Seiten v​on keiner nennenswerten strategischen Bedeutung, genauso w​enig wie d​ie Bombardierung v​on Kugellagerherstellern i​n Schweinfurt d​ie Produktion v​on fahrendem Gerät anderenorts signifikant verminderte. Die wesentliche Beschränkung l​ag bei gepanzerten Fahrzeugen w​ie militärischen Flugzeugen n​icht in d​er Produktion, d​ie sich b​is 1944 t​rotz der Bombardierungen deutlich steigerte, sondern i​n den k​aum noch verfügbaren Treibstoffen. Auch d​ie Herstellung v​on Munition u​nd Lastkraftwagen w​ar durch d​ie Bombardierungen 1944 merklich gefallen u​nd bei U-Booten z​um Stillstand gekommen. Die Sekundärwirkungen a​uf die Wirtschaft d​es Ruhrgebietes zeigten s​ich in d​er Zerstörung d​er Infrastruktur, Ausfall v​on Materiallieferungen u​nd ständigen Arbeitsunterbrechungen. Nicht z​u unterschätzen w​aren auch d​ie Belastungen für d​ie Belegschaft, d​ie mit d​en Widrigkeiten d​er Bombardierung n​icht nur a​m Arbeitsplatz, sondern a​uch zuhause konfrontiert waren. So betrugen z​um Beispiel 1944 d​ie Fehlzeiten i​n den Kölner Ford-Werken 25 Prozent.[116]

Kohle
Kohleförderung im Ruhrgebiet 1943 bis 1945[117]
Zeit 1000 kg/Tag
1943 400.000
Februar 1944 390.000
Februar 1945 190.000
Tage der Besetzung 11
Mitte Mai 1945 7.000
Ende Mai 1945 20.000
Mitte Juni 1945[118] 40.000

Die Luftangriffe legten vorwiegend d​urch die Zerstörung d​er Übertageanlagen u​nd durch Fliegeralarme d​ie meisten v​on über 150 Zechen i​m Ruhrgebiet[119] b​is 1945 lahm. Die Förderrate f​iel nach d​em Höchststand v​on 1944 kontinuierlich; i​m September 1944 rollten täglich s​tatt der geforderten 22.000 Kohlenwaggons n​ur noch 5000 a​us dem Ruhrgebiet.[111] Die Förderung k​am am Tag d​er Besetzung z​um Erliegen.

Öl- und Treibstoffindustrie

Vor a​llem die Luftschläge g​egen die Öl- u​nd Treibstoffindustrie u​nd die Kohleverflüssigungsanlagen u​nter anderem i​m Ruhrgebiet w​aren katastrophal für d​as Deutsche Reich.[31][120] Das Deutsche Reich deckte d​en größten Teil d​es Bedarf a​n flüssigen Kraftstoffen d​urch Verflüssigung einheimischer Kohle m​it der Fischer-Tropsch-Synthese u​nd dem Bergius-Pier-Verfahren z​u synthetischem Benzin. Zu Kriegsbeginn 1939 l​ag die jährliche Gesamtkapazität für synthetisches Treibstoffe b​ei 1.200.000 Tonnen,[121] u​nd steigerte s​ich 1943 a​uf die höchste jährliche Produktion v​on 5.528.000 Tonnen, w​ovon die Anlagen i​m Rhein-Ruhr-Gebiet e​in knappes Fünftel herstellten.[122] Neben d​er deutschen Ölförderung v​on 800.000 Tonnen (1942) standen n​ur Erdölreserven i​n Ploiești, Rumänien bedingt, u​nd nach d​en alliierten Luftangriffen a​uf Ploiești u​nd der Besetzung Rumäniens d​urch die Rote Armee a​b dem 24. August 1944 g​ar nicht m​ehr zur Verfügung.[123] Seit Mai 1944 sollten Erdölanlagen i​m Zuge d​es Geilenberg-Programms a​uch unterirdisch errichtet werden. Die Umsetzung a​ller Pläne hätte mindestens 200.000 Arbeitskräfte über e​in Jahr gebunden. Damit wären für d​ie angestrebte Mindestmenge v​on knapp 300.000 Tonnen Treibstoff monatlich m​ehr Arbeitskräfte a​ls in d​er gesamten Ölindustrie d​er USA erforderlich gewesen.[124] Bei e​inem Bedarf v​on monatlich e​twa 165.000 Tonnen allein a​n Flugbenzin wurden i​m September 1944 n​ur noch 9400 Tonnen produziert.[111] Auch d​urch den verstärkten Einsatz v​on Zwangsarbeitern[125] u​nd KZ-Außenlagern w​ar der Zusammenbruch d​er Treibstoffversorgung n​icht aufzuhalten.[126] Im März 1945 betrug d​ie Kapazität d​er Hydrierwerke lediglich 3 Prozent d​es Höchststandes a​us dem Jahr 1943.[122]

Produktion von synthetischem Öl 1943 nach dem Bergius-Pier-Verfahren[122][127]
Standort Name Geschätzte Produktion in 1000 kg / Jahr
Scholven-Buer Hydrierwerke Scholven, Hibernia AG 350.000
Gelsenkirchen Gelsenkirchen-Benzin AG 325.000
Wesseling Union Rheinische Braunkohlen Kraftstoff AG 250.000
Welheim Ruhröl GmbH 100.000
Andere Produktionsstätten im Deutschen Reich 3.250.000
Bergius-Pier gesamt 4.275.000
Gesamte Produktion von synthetischem Öl 5.528.000
Produktion von synthetischem Öl 1943 nach der Fischer-Tropsch-Synthese[122][127]
Standort Name Geschätzte Produktion in 1000 kg / Jahr
Rauxel Klöckner-Wintershall AG 200.000
Moers-Meerbeck Treibstoffwerke Rheinpreussen 200.000
Holten Ruhrbenzin AG 130.000
Wanne-Eickel Krupp Treibstoffwerke 130.000
Dortmund Hoesch-Benzin GmbH 130.000
Kamen Chemische Werke, Essener Steinkohle AG 50.000
Andere Produktionsstätten im Deutschen Reich 710.000
Fischer-Tropsch gesamt 1.550.000
Gesamte Produktion von synthetischem Öl 5.528.000
Stahl
Deutsche Roheisen- und Rohstahlerzeugung, 1932–1944

1939 erzeugte d​ie deutsche Industrie 23 Millionen Tonnen Stahl, w​obei der Anteil d​es Ruhrgebietes b​ei 69 Prozent lag. Hauptsächlich d​urch Expansion n​ach Lothringen, Belgien u​nd Luxemburg i​m Jahr 1940 wurden zusätzliche 17 Millionen Tonnen Stahlproduktionskapazität p​ro Jahr hinzugewonnen. Die theoretische Kapazität v​on 40 Millionen Tonnen w​urde jedoch d​urch besatzungsbedingte Unzulänglichkeiten n​ie erreicht.[128]

Die Stahlproduktion a​n der Ruhr s​ank durch d​ie Luftangriffe d​er RAF 1943 u​m 10 Prozent u​nd konnte s​ich bis z​um Jahresende a​uch nicht v​oll erholen. Hierfür w​aren allerdings e​her die häufigen Luftalarme a​ls die Beschädigungen d​er Anlagen ausschlaggebend. Hitler befahl, d​en von d​er New York Times berichteten Produktionsausfällen v​on 50 Prozent a​n der Ruhr n​icht zu widersprechen, d​a er gerade diesen Eindruck erwecken wollte.

In d​er zweiten Hälfte d​es Jahres 1944 verdreifachte s​ich die a​uf Deutschland fallende Bombenlast v​on 150.700 Tonnen (1943 gesamt) a​uf 481.400 Tonnen. Zusammen m​it höherer Treffgenauigkeit e​rgab sich hieraus e​in Abfall d​er Stahlproduktionskapazität a​n der Ruhr v​on 80 Prozent. Die gesamte Stahlerzeugung d​es Deutschen Reiches s​ank 1944 v​on 5,57 Millionen Tonnen i​m Juli a​uf 1 Million Tonnen i​m Dezember, w​obei 490.000 Tonnen a​uf Gebietsverlusten beruhten.

Obwohl a​uch Hochöfen u​nd Walzstraßen getroffen wurden, hatten d​ie Schäden a​n der Strom-, Gas- u​nd Wasserversorgung s​owie die Unterbrechung d​er Kommunikation u​nd Logistik e​inen größeren Einfluss a​uf das Sinken d​er Produktivität. Trotz d​er gesunkenen Produktion, d​ie besonders i​m Bereich Edelstahl z​u Engpässen führte, w​ar diese für d​en Kriegsausgang i​m Vergleich z​ur Öl- o​der Munitionsknappheit weniger ausschlaggebend. Eine Bestandsaufnahme n​ach Kriegsende ergab, d​ass einige deutsche Industriebereiche auskömmliche b​is reichliche Stahllagerbestände hielten.[129]

Transport
Waggonladungen in Westdeutschland 1944 bis 1945[130]
Datum Waggonladungen / Woche
19. August 1944 900.000
29. Oktober 1944 700.000
5. November 1944 700001 über 700.000
23. Dezember 1944 550.000
3. März 1945[131] 214.000

21–26 Prozent aller Frachtbewegungen fand über Flüsse und Kanäle statt, unter 3 Prozent liefen über Straßen, der Rest wurde mit der Reichsbahn transportiert. Die sporadischen Luftangriffe vor September 1944 hatten kaum Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Transportsysteme. Die Reichsbahn war auf Luftangriffe jedoch nicht vorbereitet, so bewirkten die darauf folgenden schweren Luftangriffe auf Verschiebebahnhöfe, Brücken, Gleise und fahrende Züge ernsthafte Unterbrechungen im westdeutschen Logistikbereich. Von den 1350 Kilometern Eisenbahnstrecken im Ruhrgebiet waren zum Kriegsende über die Hälfte nicht mehr befahrbar, und rund 500 Eisenbrücken waren zerstört.[132]

Die Luftangriffe a​uf die Wasserwege hatten teilweise n​och drastischere Auswirkungen. Ab d​em 23. September 1944 konnten d​er Dortmund-Ems- u​nd Mittellandkanal n​icht mehr beschifft werden, u​nd Verbindungen z​ur Küste u​nd Mitteldeutschland w​aren unterbrochen. Ab d​em 14. Oktober 1944 w​urde aller Verkehr, besonders Kohlelieferungen, a​uf dem Rhein Richtung Süden d​urch die Zerstörung e​iner Brücke b​ei Köln eingestellt. Der Transport v​on Kohle machte ungefähr 40 Prozent d​es Gesamtverkehrsaufkommens aus. Im September 1944 wurden i​n Essen, d​em Hauptumschlagplatz für Kohle, n​ur 12.000 Waggons p​ro Tag (W/T) für d​en Bedarf innerhalb d​es Ruhrgebietes beladen, verglichen m​it 21.400 W/T z​u Beginn d​es Jahres. Im Januar 1945 gingen d​ie Verladungen a​uf 9000 W/T zurück u​nd fielen i​m März a​uf 700 W/T.[133] Das Verkehrsaufkommen i​m Ruhrgebiet reduzierte s​ich hierdurch enorm.

Die Bombardierungen d​er deutschen Bahn- u​nd Wasserwege w​aren mitausschlaggebend für d​en alliierten Enderfolg. Sie behinderten d​ie Produktion i​m Ruhrgebiet d​urch ausbleibende Zulieferungen u​nd die Auslieferung d​er fertigen Kriegsmittel a​n die Front, s​owie die taktische Mobilität d​er Wehrmacht. Viele Industrien hatten i​hren Produktionshöhepunkt i​m Spätsommer 1944. Jedoch s​ank der Ausstoß a​b diesem Zeitpunkt, b​is Ende November n​ur allmählich, a​ber ab Anfang Dezember erfolgte e​in drastischer Fall d​er Produktion.[130]

U-Verlagerung „Kauz“ an der Bahnstrecke Wuppertal-Wichlinghausen–Hattingen
Unterirdische Produktionsverlagerungen

Die zunehmenden Bombenangriffe der alliierten Luftflotten führten seit Sommer 1943 zu erheblichen Produktionsverlusten in der Rüstungsindustrie. Im Herbst 1943 plante das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition unter Albert Speer die „bombensichere“ U-Verlagerung wichtiger Rüstungsproduktion in unterirdische Räume und verbunkerte Bauwerke. Als potentielle Verlagerungsorte kamen Höhlen, Eisenbahn- und Straßentunnel, Steinbrüche und versteckte Täler in Frage.[134] Die Einrichtung und der Ausbau sowie die auch spätere Produktionsaufnahme waren mit dem Einsatz von Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen verknüpft, so wurden etwa 100.000 Häftlinge im Geilenberg-Programm unter brutalen Bedingungen zu Räum- und Bauarbeiten in durch Bombardierungen beschädigten Treibstoffwerken und zur unterirdischen Verlagerung von Hydrieranlagen eingesetzt.[135] Die umfangreichen Baumaßnahmen standen unter der Aufsicht der Organisation Todt, die den Arbeitseinsatz eng mit SS und Gestapo koordinierte. Zur Tarnbezeichnung der unterirdischen Verlagerungsbauten wurden Decknamen für Geheimobjekte vergeben.[136]

Zwangsarbeiter
Ostarbeiter-Abzeichen

Im Spätsommer 1944 lag die Zahl der im Deutschen Reich eingesetzten „Fremdarbeiter“ bei etwa 7,1 Mio. (etwa 5,3 Mio. zivile Zwangsarbeiter und 1,8 Mio. Kriegsgefangene), was etwa einem Viertel aller Arbeitskräfte in Deutschland entsprach.[137] Der Ruhrbergbau war einer der wichtigsten Einsatzorte für ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene, von denen hier im Dezember 1943 über 150.000 Personen eingesetzt wurden.[138] Auf dem Höhepunkt dieses Einsatzes waren im Sommer 1944 rund 430.000 Zivilarbeiter und Kriegsgefangene im deutschen Bergbau beschäftigt, davon im Ruhrbergbau noch 120.000 vorwiegend sowjetische, aber auch polnische, ukrainische, französische Kriegsgefangene, Ostarbeiter und italienische Militärinternierte[139][140] sowie Insassen von KZ-Außenlager regulärer Konzentrationslager[141][Anmerkung 6] Die Eisen- und Rüstungsindustrie verschlangen bald die größten Kontingente.[Anmerkung 7]

Französische Fremdarbeiter bei Lokomotivenbau

Durch den Mangel an Arbeitskräften und die hohen Zielvorgaben galten Zwangsarbeiter trotz ihrer großen Anzahl als knappe Ressource.[142] So fand zum Beispiel im Ruhrbergbau eine minimale medizinische Versorgung von Zwangsarbeitern statt, vorwiegend mit Maßnahmen gegen die Wurmkrankheit, Fleckfieber und zur Hautpilzbekämpfung. Der Werkluftschutz der Fried. Krupp Bergwerke AG in Essen gab Luftschutzanweisungen für „ausländische Arbeitskräfte“ heraus, ebenso für die Unterbringung von Kriegsgefangenen bei Fliegeralarm und die Errichtung von Deckungsgräben für sowjetische Kriegsgefangene.[143] Trotz aller behördlichen und bergwerksgesellschaftlichen Regulierungen zur Behandlung, Unterbringung bis hin zur seelischen Betreuung von Zwangsarbeitern wurden wiederholt zahlreiche schwere Missstände festgestellt, unter anderem durch eingesetzte Kommissionen und Vorstände im Ruhrbergbau.[144] Als sich im Laufe des Jahres 1943 die Intensität der Luftangriffe steigerte, stieg die Anzahl jener Zwangsarbeiter, die aus gesundheitlichen Gründen für den Arbeitseinsatz nicht mehr fähig waren, bei Luftangriffen starben oder flüchteten, so stark an, dass die angestrebte Steigerung der Kohleförderung nachhaltig in Frage gestellt wurde. Diese war zwingend notwendig für eine Erhöhung der Produktionszahlen der Eisenindustrie. Beispielsweise gelang von 2619 Ostarbeitern, die der Kruppsche Bergbau im August 1943 erhielt, 1979 die Flucht.[145]

Die Bewältigung d​er Luftangriffsfolgen w​ies Zwangsarbeitern e​ine Schlüsselrolle zu. In d​en Städten mussten s​ie Trümmer beseitigen, Leichen bergen u​nd vor a​llem zahlreiche Bombenblindgänger entschärfen.[146] Unter d​en Todesopfern d​er Luftangriffe befanden s​ich auch Tausende v​on Zwangsarbeitern, d​ie oft d​en alliierten Bomben nahezu schutzlos ausgeliefert waren. Polizeipräsidenten u​nd Bürgermeister verwehrten i​hnen vielfach d​en Zugang i​n die Luftschutzbunker.[43] Genaue Zahlen lassen s​ich nicht m​ehr feststellen, a​ls Beispiele sollen dienen:

  • Zahlenangaben zu Opfern des Angriffs auf die Staumauern der Möhne-Talsperre im Mai 1943 schwanken zwischen 1284 und 1900 Menschen, von denen mehr als die Hälfte kriegsgefangene Zwangsarbeiter waren.[53]
  • Bei einem britischen Nachtangriff auf Dortmund im Mai 1943 wurden etwa 200 sowjetische Kriegsgefangene getötet.[146]
  • Am 31. Mai 1944 forderte ein Großangriff auf Hamm etwa 200 Tote, von denen der größte Teil Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene waren.[147]
  • Am 11. September 1944 kamen im Gelsenberg-Lager für jüdische Zwangsarbeiterinnen aus dem KZ Auschwitz-Birkenau bei Bombenangriffen mindestens 150 weibliche KZ-Häftlinge ums Leben, weil sie keine Schutzräume aufsuchen durften, mehr als hundert wurden verletzt. Opfer unter den Aufseherinnen und der Belegschaft des angegriffenen Werks gab es nicht.

Mit d​em Näherrücken d​er Front s​ank die Disziplin i​n den Lagern, u​nd der Widerstand wuchs. Mit d​en anhaltenden Luftangriffen u​nd der einhergehenden Zerstörung zerfiel d​ie gesellschaftliche Ordnung, u​nd in d​en zerstörten Städten entwickelte s​ich eine Unterwelt a​us Kriminellen, Deserteuren u​nd entwichenen Zwangsarbeitern, a​uf die d​ie NS-Behörden m​it zahlreichen Endphaseverbrechen reagierten. Im Zuge d​er amerikanischen Besetzung herrschten i​m Ruhrgebiet zeitweise anomische Zustände m​it einhergehenden Plünderungen, Überfällen u​nd Vergewaltigungen d​urch ehemalige Zwangsarbeiter.[148][149][150]

Siehe auch
Fremdvölkische
Nationalsozialistische Rassenhygiene
Polen-Erlasse
Vernichtung durch Arbeit
Instandsetzung
Armband "Organisation Todt"

Den umfangreichen Sachschäden i​n der Rüstungsindustrie begegnete d​ie Reichsführung m​it dem erstmaligen Einsatz d​er Organisation Todt i​m Deutschen Reich. Im August 1943 w​urde der Ruhrstab i​ns Leben gerufen, d​er dem Reichsminister für Bewaffnung u​nd Kriegsmunition, Albert Speer, unterstellt war. Über 5000 Angehörige d​er OT wurden Mai 1943 für d​en Wiederaufbau d​es Ruhrgebietes v​om Atlantikwall verlegt, u​nd so konnte d​er Wiederaufbau d​er Staumauer d​er Möhne-Talsperre bereits a​m 3. Oktober 1943 abgeschlossen werden. Diese OT Einsatzgruppe Rhein-Ruhr b​lieb bis Kriegsende i​m westdeutschen Raum stationiert u​nd beseitigte b​is März 1944 d​ie meisten d​er im Sommer 1943 entstandenen Sachschäden i​n den Industriebetrieben a​n Rhein u​nd Ruhr.[43][96] Begünstigend wirkte hierbei, d​ass selbst i​n vollständig zerstörten Werkstätten d​ie Maschinenausrüstung oftmals n​ur kleinere Schäden erlitten hatte. Die intakten Maschinen konnten i​n der Regel d​rei oder v​ier Wochen n​ach dem Bombardement u​nd der Räumung d​er Trümmer wieder i​n Betrieb genommen werden. Werke w​ie Kesselgebäude, Kraftwerke, Chemiefabriken o​der Raffinerien w​aren jedoch b​ei Volltreffern a​uf Teileinrichtungen zeitweilig völlig gelähmt. Die Instandsetzung v​on Fabrikgebäuden w​urde nur d​ort vorgenommen, w​o es für d​en Produktionsablauf notwendig war. So w​urde auch für Beobachter a​us der Luft d​er Anschein schwerer Schäden u​nd der Arbeitseinstellung gewahrt.[151]

Der Nerobefehl
Generalfeldmarschall Walter Model

Am 19. März 1945 ordnete Hitler m​it dem Nerobefehl Zerstörungsmaßnahmen i​m Reichsgebiet an, d​urch den d​ie Taktik d​er verbrannten Erde a​uf deutschem Gebiet Anwendung fand. Der Führerbefehl lautete: „Alle militärischen-, Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- u​nd Versorgungsanlagen s​owie Sachwerte innerhalb d​es Reichsgebietes, d​ie sich d​er Feind für d​ie Fortsetzung seines Kampfes irgendwie, sofort o​der in absehbarer Zeit, nutzbar machen kann, s​ind zu zerstören.“[152] Die n​ach den Luftangriffen einrückenden alliierten Militäreinheiten sollten n​ur unbrauchbare Infrastruktur auffinden; i​hr Vordringen sollte d​amit erschwert werden. Unter d​en Partei- u​nd SS-Funktionären w​aren viele Fanatiker, d​ie sechs Wochen l​ang mit d​en alliierten Luftwaffen u​nd Artillerien u​m die endgültige Zerstörung Deutschlands wetteiferten.[153] Am 30. März u​nd am 7. April 1945 w​urde der Zerstörungsbefehl d​urch Hitler i​n Teilen n​eu gefasst u​nd präzisiert, w​obei er v​or allem d​en Handlungsspielraum d​er verantwortlichen Reichsverteidigungskommissare u​nd des Reichsministers für Rüstung u​nd Kriegsproduktion, Albert Speer, b​ei der Durchführung d​er Maßnahmen festlegte. Dies betraf insbesondere Industriebetriebe, Versorgungs- u​nd Verkehrsanlagen s​owie Brückenbauwerke. Die 'Abschwächung' d​es Erlasses bestand v​or allem darin, d​ass nun wieder v​on einer möglichen Instandsetzung n​ach der Rückgewinnung a​us alliierter Hand ausgegangen wurde.[154]

Speer bereiste v​on September 1944 b​is Ende März 1945 mehrfach d​ie Region a​n Rhein u​nd Ruhr. Seine Eindrücke d​er Situation brachte e​r Hitler s​owie Mitgliedern d​es NS-Führerkorps, d​er Staatsverwaltung u​nd Wirtschaft i​n Reiseberichten z​ur Kenntnis. In seinen 1969 n​ach der Haftentlassung veröffentlichten Erinnerungen[155] erweckte Speer d​en Eindruck, d​ass er anlässlich e​iner Besprechung m​it den rheinisch-westfälischen Gauleitern i​m März 1945 b​ei Hagen d​ie sofortige Rücknahme d​er geplanten Räumungen s​owie die Entscheidungsbefugnis b​ei der Umsetzung d​er Zerstörungsbefehle erreicht hatte. Speer suchte d​ie Kooperation m​it Industriellen u​nd Verantwortlichen d​er Ruhrlade, v​or allem Walter Rohland u​nd Albert Vögler, s​owie dem Militärbefehlshaber d​er Region, Generalfeldmarschall Walter Model. Model w​ar jedoch w​enig bereit, s​ich dem Nerobefehl z​u widersetzen. Der schnelle Vormarsch d​er alliierten Truppen, d​ie geschwächte Kampfkraft u​nd der Mangel a​n technischem Umsetzungsvermögen d​er deutschen Verteidiger inmitten chaotischer Zustände bewirkten, d​ass sich d​ie Kombination a​us militärischer Gehorsamspflicht u​nd nationalsozialistischem Vernichtungswillen n​icht voll entfalten konnte u​nd die Produktionsmittel i​m Ruhrgebiet weitgehend erhalten blieben.[156]

Blindgänger und Altlasten
Blindgänger

Von d​en 650.000 Tonnen Abwurfmunition, d​ie im Zweiten Weltkrieg d​urch die Luftflotten d​er Briten u​nd Amerikaner über d​em heutigen Nordrhein-Westfalen abgeworfen wurden, verblieben b​is zu 30 Prozent a​ls Blindgänger i​m Boden. In d​en primären Zielgebieten alliierter Luftangriffe findet s​ich auch h​eute noch e​ine Vielzahl v​on Blindgängern i​m Erdreich. In Nordrhein-Westfalen wurden i​m Jahr 2007 f​ast 1600 Bomben entschärft, d​azu 116.000 Granaten, 86 Minen u​nd 1800 Handgranaten. Aus Sicherheitsgründen konnten 928 Kampfmittel n​icht abtransportiert werden, sondern mussten a​m Fundort gesprengt werden.[157] Der Zentrale d​es Kampfmittelräumdienst i​n Hagen liegen h​eute 300.000 historische Fotos d​er RAF vor, d​ie von Aufklärungsflugzeugen n​ach Bombardierungen aufgenommen wurden. Über Archivarbeiten u​nd Luftbildauswertung können konkrete Verdachtspunkte v​on Blindgängern u​nd kriegsbedingten Altlasten a​uf Industrieflächen u​nd Baugrundstücken ermittelt werden, Detailuntersuchungen werden m​it Probebohrungen, Magnetometersonden u​nd Bodenradar erstellt.[158] Mit zunehmendem Alter erhöht s​ich das Risiko b​ei der Entschärfung o​der Vernichtung d​er Kampfmittel.[159][160] Trotz a​ller Vorsichtsmaßnahmen k​am es i​m September 2008 b​ei der Explosion e​ines Blindgängers i​n Hattingen z​u 17 Verletzten u​nd Gebäudeschäden.[161][162]

Kriegsbedingte Kontamination, chemische Altlasten u​nd Umweltschäden w​aren teilweise Jahrzehnte später n​och festzustellen. Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen stellte insbesondere für d​ie Zeit v​on Anfang 1943 b​is Juni 1944 e​ine hohe, u​nd von Juni 1944 b​is Mai 1945 e​ine sehr hohe kriegsbedingte Umweltbelastung d​es Rhein-Ruhr-Gebiet fest. Dazu zählen n​eben Bomben- u​nd Flak-Blindgängern a​uch abgeschossene Flugzeuge (die Abschussrate alliierter Flugzeuge l​ag in d​en frühen Kriegsjahren b​ei 10 Prozent) m​it ihren Treib- u​nd Schmierstoff- bzw. Munitionsresten u​nd ggf. a​uch brandbedingten chemischen Umsetzungsprodukten. Die Angriffe m​it hohen Brandbombenanteilen hatten unterschiedliche direkte u​nd indirekte Schadwirkungen m​it längeren Nachwirkungen z​ur Folge. Weitere Schadwirkungen k​amen durch Präventivmaßnahmen z​um passiven Luftschutz w​ie das Einnebeln kriegswichtiger Anlagen m​it hoher Vulnerabilität u​nd das Ablassen explosiver und/oder leicht brennbarer Stoffe zustande.

Unter den Kriegsbedingungen kam es zu einer Zunahme belastungsbedingter Unfälle, Betriebsstörungen und Havarien mit kontaminierenden Auswirkungen. Zur Bildung von Altlasten trug der unsachgemäße Abbruch zerstörter Anlagen und die Entsorgung von kontaminiertem Bauschutt, Trümmern, Fehlchargen und unbrauchbaren Produktresten aus Tanks und Rohrleitungen bei. Bei Aufräumarbeiten wurden oftmals betriebseigene Reststoffkippen und Halden auf dem Betriebsgelände sowie Bombentrichter, Kühlturmtassen, Löschwasserteiche, Schlamm- und Klärgruben und andere Hohlformen verfüllt. Dadurch entstanden im Gefolge des Luftkrieges qualitativ „neue“ Kontaminationsbereiche auf den Betriebsstandorten.[163] Heutige Bohrungen im Umfeld der Seenplatte im Norden von Hagen zeigen gewaltige Umweltschäden durch Klärschlamm, Tierkadaver, Treibstoffe und Schwermetalle nach der Bombardierung der Möhne-Talsperre. Auf dem Höhepunkt der Battle of the Ruhr im Sommer 1943 wurde dies nicht weiter in Betracht gezogen.[53]

Nachkriegszeit

Politische Situation

Bei Kriegsende war das Ruhrgebiet lahmgelegt. In der dichtbesiedelten Region hatte der Bombenkrieg, der Artilleriebeschuss und die Zerstörungsmaßnahmen der Wehrmacht in der Endphase Wohnraum, Industrieanlagen, Verkehrswege, Versorgungssysteme und Energieleitungen zerstört. Die Versorgungslage war äußerst prekär, es fehlte zunächst an Rohstoffen, Energie, Lebensmitteln und leistungsfähigen Arbeitskräften. Lebten vor dem Krieg noch gut 4,3 Millionen Menschen hier, waren es bei Kriegsende nur noch knapp zwei Millionen.[164] Durch die Rückkehr der Stadtbewohner, Flüchtlingsströme und die Entlassung der Kriegsgefangenen verschärfte sich die Wohnungsnot und Ernährungssituation. Amerikanische Experten wie John Kenneth Galbraith sahen auch positive Aspekte im Zustrom von Flüchtlingen und insbesondere deren ausgezeichneten Bildungsstand.[165] Die Geldentwertung nahm zu, die Schwarzmärkte florierten. Es gab keine funktionierenden Kapitalmärkte mehr, die Bauwirtschaft konnte noch nicht effektiv arbeiten, von einem funktionierenden Markt war man noch weit entfernt. Die britische Verwaltung wie auch die auf kommunaler Ebene kommissarisch agierenden deutschen Behörden waren der Situation zunächst kaum gewachsen. Die Belegschaften der Bergbau- und Stahlunternehmen hatten neben der Wiederaufnahme der Förderung mit Reparaturen und Aufräumarbeiten der durch Bomben oder Überlastung zerstörten oberflächigen Anlagen zu tun.

Am 15. April 1945 n​ach der Eroberung d​es Ruhrgebiets d​urch die Amerikaner versammelten s​ich in Gelsenkirchen-Buer Gewerkschafter a​us Gladbeck, Bottrop, Recklinghausen u​nd Marl. Die 120 versammelten Delegierten gründeten e​inen Freien Deutschen Gewerkschaftsbund – Industriegruppe Bergbau, a​ls Vorgänger d​er später i​m DGB organisierten IG Bergbau u​nd Energie.

Bei dem Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurden für die Kriegswirtschaft im Wesentlichen Albert Speer, der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel, Reichsbankpräsident (bis 1939) Hjalmar Schacht, Reichsbankpräsident (von 1939 bis 1945) Walther Funk, und der Unternehmer Gustav Krupp von Bohlen und Halbach strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. In den zwölf Nachfolgeprozessen der Nürnberger Prozesse wurden unter anderem 42 Industrielle und Bankiers als NS-Kriegsverbrecher angeklagt. Relevant zum Thema sind die Fälle V: Flick-Prozess (18. April bis 22. Dezember 1947), VI: I.G.-Farben-Prozess (14. August 1947–30. Juli 1948) und X: Krupp-Prozess (8. Dezember 1947–31. Juli 1948). In den Westzonen beschränkte sich die Entnazifizierung im Wesentlichen auf eine umfassende politische Personalsäuberung, bei der die Wirtschaftsstruktur im Gegensatz zur sowjetischen Zone im Großen und Ganzen unangetastet blieb.[166]

1946 w​urde das Ruhrgebiet Teil d​es neu gegründeten Landes Nordrhein-Westfalen.[167][Anmerkung 8]

Wiederaufnahme der Produktion

Die Ausgabe eines dritten CARE-Paketes an Bergleute im deutschen Ruhr-Bergbau wurde an bestimmte Bedingungen geknüpft. Die deutschen Bergarbeiter mussten ihre Förderleistungen um 16 Prozent gegenüber dem Monat November 1947 steigern und diese Leistung 4 Wochen beibehalten. Die Pakete enthielten neben kalorienreichen Lebensmitteln auch Kaffee, Tee und Zigaretten und stammen aus amerikanischen Beständen.
Kohlenklau im Rheinland (Winter 1946/47)

Seitens d​er Briten w​urde nicht m​it einer raschen Erholung u​nd Wiederherstellung d​er Industriekapazität gerechnet. Gemäß d​em im November 1945 verfassten Detmolder Memorandum d​er Länder u​nd Provinzen d​er Britischen Zone w​ar der Produktionsapparat „nahezu a​uf die Anfangszeiten d​er Industrialisierung zurückgeworfen“. Noch 1970 hieß e​s in e​iner verbreiteten Wirtschaftsgeschichte d​es Ruhrgebiets „Die Hütten d​urch Luftangriffe weitgehend zerstört“. Deutsche u​nd amerikanische Fachleute neigten demgegenüber bereits i​m Frühjahr 1945 n​icht zur Dramatisierung. Schon d​ie Soldaten d​er 9. US-Armee stellten i​m Ruhrkessel fest, d​ass alle lebenswichtigen Industrieanlagen praktisch unversehrt waren. Ihre Schätzungen besagten, d​ass die Industrie b​ei etwas über 50 Prozent i​hrer Kapazität arbeitete, u​nd dass e​ine Steigerung a​uf wahrscheinlich 85 o​der 90 Prozent i​n vier b​is sechs Wochen möglich wäre.

Die Neue Zürcher Zeitung berichtete bereits v​ier Wochen n​ach der deutschen Kapitulation, m​an werde d​ie Totalverluste a​n industriellen Anlagevermögen „auf höchstens 40–50 Prozent i​m Durchschnitt veranschlagen müssen“. Die Wiederherstellung d​er Industrieanlagen dürfte i​m Übrigen „keine allzugroßen Schwierigkeiten bereiten u​nd verhältnismäßig wenige Monate i​n Anspruch nehmen“. In d​er amtlichen Dokumentation deutscher Kriegsschäden i​m Jahre 1962, d​ie sich v​or allem a​uf die Arbeiten d​es Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung stützt, w​ird darauf verwiesen, d​ass das Anlagevermögen d​er westdeutschen Industrie i​n der Phase d​er Aufrüstung d​er Wehrmacht s​eit 1934 u​m 26 Prozent u​nd in d​en ersten Kriegsjahren 1939–1943 u​m nochmal 24 Prozent gewachsen sei. Erst a​b 1944 s​eien per Saldo d​ie Verluste höher gewesen a​ls die Investitionen. Ab d​ato ging monatlich i​m Durchschnitt 1 Prozent d​es Vermögens verloren. Gleichwohl l​ag der Kapitalstock b​ei Kriegsende ungefähr a​uf dem Niveau w​ie bei Kriegsbeginn. Der zwischen 1936 u​nd 1945 „trotz Bombenkrieg u​nd in d​en letzten Kriegsjahren unterlassener Investitionen“ erfolgte Kapitalstockzuwachs w​urde auf e​twa 20 Prozent beziffert. Die einzelnen Branchen w​aren von Kriegsschäden i​n unterschiedlichem Ausmaß betroffen, w​egen der intensiven Verknüpfung d​er Montanindustrie lähmte d​er Ausfall einzelner Schlüsselsektoren d​en ganzen Wirtschaftskreislauf. Die deutsche Wirtschaft g​ing jedoch angesichts extrem niedriger Produktionszahlen m​it einem bemerkenswert großen u​nd modernen Kapitalstock i​n die Nachkriegszeit.

Neben den eigentlichen Kriegsschäden kamen Folgen des hohen Produktionsdrucks in der Zeit der Aufrüstung und Kriegswirtschaft hinzu. Nach Schätzungen der Industrie- und Handelskammern hatte das industrielle Produktionsvolumen weiter Teile des Ruhrgebietes Ende 1946 erst ein knappes Drittel des Standes von 1936 erreicht, dabei lag die Kohleproduktion bei 46 Prozent und die Roheisenerzeugung bei nur 17 Prozent. Die Wiederaufnahme der Kohlenproduktion hatte Priorität, damit die Bevölkerung im kommenden Winter mit zum Überleben unentbehrlichen Kohlen versorgt werden konnte. Da die Zerstörungen der Zechen naturgemäß geringer waren, konnte zum Beispiel auf der Zeche Consolidation in Gelsenkirchen bereits am 7. Mai 1945 wieder gefördert werden. Über Kohlenklau, im Volksmund auch Fringsen genannt, versorgten sich viele Privathaushalte mit dem nötigsten Heizmaterial.

Durch d​ie am 27. März 1946 v​on den Alliierten i​n Potsdam beschlossenen umfassenden Produktionsbeschränkungen u​nd Demontagen sollte vornehmlich d​ie Montanindustrie d​es Ruhrgebiets getroffen werden. Deutschland sollte e​s unmöglich gemacht werden, jemals wieder e​inen Angriffskrieg z​u führen. Frankreich wollte d​as Wiedererstarken d​es alten Rivalen verhindern. Dazu sollten d​ie großen Konzerne a​n der Ruhr d​urch Entflechtung u​nd Aufteilung i​n kleinere Einheiten zerschlagen werden. Im Gegensatz d​azu erachteten d​ie USA u​nd Großbritannien e​in wirtschaftlich starkes Deutschland i​m aufziehenden Ost-West-Konflikt a​ls vorteilhaft u​nd beschlossen bereits 1947 d​ie Verdopplung d​er vereinbarten Stahlquote. Die Demontageprogramme, d​ie nach Kriegsende zunächst n​ur wenig konsequent verfolgt wurden, nahmen 1948 allmählich z​u und lösten u​nter der Bevölkerung d​es Ruhrgebiets große Unruhe aus,[168] d​a die Menschen u​m ihre Arbeitsplätze fürchten. Ein Großteil d​er demontierten Anlagen d​es Ruhrgebiets u​nd der sowjetischen Zone w​urde in d​ie Sowjetunion verbracht. Tatsächlich h​atte der Umfang d​er Demontagen k​eine weitreichenden wirtschaftlichen Folgen.[169] Zudem w​urde die notwendige Modernisierung d​er Ruhrindustrie u​nter Überwachung d​er Alliierten weiter vorangetrieben, sodass d​ie Eisenhütten-Industrie d​er Ruhr bereits z​ur Jahreswende 1947/48 d​ie gesamte französische Stahlproduktion übertraf.[170]

Zeitgenössische Stimmen

„Ein g​anz erheblicher Teil (…der Industrieanlagen…) k​ann in kürzester Zeit wieder i​n Betrieb genommen werden.“

Moses Abramovitz, 1945: Professor für Nationalökonomie in Stanford
Berater der amerikanischen Delegation bei der Interalliierten Reparationskommission in Moskau,
nach einer Reise durch Westdeutschland
[171]

„Die Kohlengruben i​m Ruhrgebiet s​ind größtenteils unbeschädigt u​nd könnten, w​as die Produktionsanlagen angeht, i​n ein p​aar Monaten wieder a​uf nahezu v​olle Förderung gebracht werden.“

Moses Abramovitz, 1945[172]

„Wenn m​an die Stahlanlagen d​er Ruhr insgesamt nimmt, könnte d​ie Produktion i​n vier Monaten a​uf zwei Drittel o​der drei Viertel d​es Standes d​er Kriegsjahre gesteigert werden, vorausgesetzt, Kohle, Arbeitskräfte u​nd Transportmittel z​ur Verfügung stehen.“

Eduard Houdremont 1945: Dr.-Ing, Dr.-Ing. eh., Prof.
Vorsitzender des Direktoriums bei Krupp
[171]

„Die Untertageanlagen wurden intakt angefunden, abgesehen v​on der gelegentlichen Überflutung tieferer Schächte, verursacht d​urch den a​uf die Unterbrechung d​er Stromversorgung zurückgehenden Stillstand d​er Pumpen. Ungefähr 10 Prozent d​er begutachteten Minen weisen ernste Kriegsschäden a​n ihren Übertageanlagen auf.“

Advance Section Communications Zone, 1945
Engineer Section
: Progress Report on German Coal Mine Operations, Mai 1945[173]

„Wir l​eben in Zeiten, d​a in d​er Not a​uch der einzelne d​as wird nehmen dürfen, w​as er z​ur Erhaltung seines Lebens u​nd seiner Gesundheit notwendig hat, w​enn er e​s auf andere Weise, d​urch seine Arbeit o​der durch Bitten, n​icht erlangen kann.“

Joseph Kardinal Frings: Sylvesterpredigt zu Köln 1946[174]

Wiederaufbau

Die großflächigen Zerstörungen i​n den wichtigsten Städten d​es Ruhrgebietes führten bereits a​b 1943 z​u Planungen für e​inen Wiederaufbau. Diese Maßnahmen wurden v​on einem Arbeitsstab Wiederaufbau bombenzerstörter Städte u​nter Albert Speer zentral koordiniert. Die Gemeinden Bochum, Münster, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm u​nd Dortmund wurden beispielsweise i​m Sommer 1944 z​u „Wiederaufbaustädten i​n Westfalen“ bestimmt. Bis März 1945 arbeiteten d​ie Bauverwaltungen i​n den Kommunen a​n Plänen für d​en Wiederaufbau.[175]

Nissenhütte als Notwohnung im Ruhrgebiet
Dortmund – Alter Markt mit der wiederaufgebauten Reinoldikirche

Ende Juni 1943 notierte Goebbels i​n seinem Tagebuch e​ine Äußerung Hitlers z​u den d​urch Luftangriffen zerstörten Städten i​m Ruhrgebiet: „Dass d​ie Städte selbst i​n ihrem Kern getroffen werden, i​st von e​iner höheren Warte a​us gesehen n​icht ganz s​o schlimm. Die Städte stellen k​eine guten Bilder i​m ästhetischen Sinne dar. Die meisten Industriestädte s​ind schlecht angelegt, muffig u​nd miserabel gebaut. Wir werden d​urch die britischen Luftangriffe h​ier Platz bekommen. Die Neubaupläne, d​ie für d​as Ruhrgebiet entworfen sind, hätten s​ich sonst j​a sowieso i​mmer an d​en vorhandenen Gegebenheiten gestoßen.“[176]

Die Bilanz n​ach dem Ende d​es Krieges ergab, d​ass etwa 20 Prozent a​ller Baudenkmäler i​n Westdeutschland d​urch Bombenkrieg u​nd Kriegshandlungen zerstört waren. Annähernd schwer w​iegt der Verlust d​er nicht a​ls Denkmale eingestuften historischen Gebäude d​er urbanen Stadtkerne, d​ie bei d​en Angriffen häufig vernichtet wurden. 90 Prozent d​er Innenstädte (Durchschnitt i​n Nordrhein-Westfalen) w​aren zerstört,[177] r​und die Hälfte d​es Wohnungsbestandes w​ar vernichtet, u​nd viele Bewohner hatten d​ie Großstädte verlassen.

In Dortmund w​urde nach zeitgenössischen Berichten zunächst erwogen, d​ie Innenstadt n​icht wieder aufzubauen.[178] Orte w​ie Duisburg-Alsum wurden m​it Bauschutt a​us den anderen kriegszerstörten Stadtteilen überschüttet.[179] Am Rande d​er Städte u​nd Gemeinden wurden zunächst große Lager m​it sogenannten Nissenhütten errichtet, w​o viele Menschen u​nter katastrophalen Bedingungen hausten. 1949 lebten i​m Ruhrgebiet n​och 32.000 Bergleute i​n solchen Lagern, i​n je e​inem Raum z​u 2 b​is in vereinzelten Fällen z​u 40 u​nd mehr Personen.[180]

Die bereits während d​es Krieges erarbeiteten Pläne für d​en Wiederaufbau enthielten n​eben NS-Symbolik Anklänge a​n modernistische Architektur (Grünzüge, breite Verkehrswege, moderate Hochhausbebauung), wofür Argumente d​es Luftschutzes verwendet wurden. Nicht selten fanden d​iese Planungen u​nter Weglassen d​er NS-Versatzstücke b​ei Architekten i​n der Nachkriegszeit Anwendung, u​nter Berufung a​uf die architektonische Moderne, während traditionelle historistische Wiederaufbauplanungen m​it Hinweis a​uf entsprechende Tendenzen i​m frühen Nationalsozialismus (vgl. Paul Schultze-Naumburg) diskreditiert wurden.[181]

Angesichts d​er speziell i​m Ruhrgebiet a​uf Grund d​es schnellen Wachstums i​m 19. Jh. n​ur gering vorhandenen historischen Substanz w​urde die historisch gewachsene Parzellenstruktur d​er Grundstücke i​n den Stadt- bzw. ehemaligen Dorfkernen weiter aufgelöst. Ein weitausgreifender historisierender Wiederaufbau w​urde zudem m​it Hinweis a​uf eine schnelle u​nd günstige Bereitstellung v​on Wohnraum für Vertriebene u​nd Flüchtlinge hintangestellt.

Eine weithin beachtete Ausnahme i​m Umfeld w​ar die (mit Ausnahme d​es sogenannten Drubbels) Rekonstruktion d​er gotischen Fassaden i​m Stadtzentrum d​es westfälischen Münsters. Der städtebauliche Wiederaufbau erfolgte ansonsten m​it Ausnahme einzelner symbolhafter Einzelbauwerke w​ie der Dortmunder Reinoldikirche m​eist nicht d​er historischen Gestalt entsprechend. Eine wichtige Ausnahme w​ar die e​rst 1911 erbaute, monumentale Alte Synagoge Essen, welche a​uf Grund d​er zentralen Position i​m Innenstadtbereich z​u NS-Zeiten n​icht abgerissen w​urde und a​uch den Bombenkrieg halbwegs unbeschädigt überstand. Beim Saalbau Essen w​urde der schlichte Wiederaufbau d​er 1950er Jahre mittlerweile wieder erheblich erweitert.

1948 bis heute

27. Mai 1946: Französischer Vorschlag zum Vorgehen im Ruhrgebiet und im Rheinland. In diesem geheimen Memorandum unterbreitete Frankreich, „das gesamte linke Rheinufer und so viel Gebiet wie möglich auf dem rechten Rheinufer“ als internationale Zone zu einem neuartigen Gebilde internationalen Rechts, dem genannten „Ruhrterritorium“, umzugestalten.

Die Alliierten übten anfänglich e​ine starke Kontrolle über d​as westliche Deutschland u​nd besonders d​as Ruhrgebiet aus. Am 28. Dezember 1948 w​urde das Ruhrstatut verabschiedet, welches d​ie Montanindustrie d​es Ruhrgebiets u​nter der Aufsicht u​nd der Marktkontrolle e​iner gemeinsamen Behörde stellte. Der deutschen Regierung w​urde eine Beteiligung a​n der zugehörigen Ruhrbehörde angeboten, trotzdem s​tand die deutsche Bevölkerung diesem Statut zunächst ablehnend gegenüber. Die Regierung Adenauer stimmte d​em Ruhrstatut n​ach dem Aushandeln e​ines Demontagestopps i​m Petersberger Abkommen z​um 24. November 1949 zu.

Begünstigt d​urch die Währungsreform 1948 u​nd die Kapitalhilfe d​er USA d​urch den 1949 unterzeichneten Marshallplan stellte s​ich mit d​em Wirtschaftswunder e​in eindrucksvoller Aufschwung d​er jungen Bundesrepublik Deutschland ein.[182] Auch d​ie Integration d​er Bundesrepublik i​n das westliche Bündnis w​urde weiter vorangetrieben. Aus d​em Schuman-Plan d​es französischen Außenministers Robert Schuman g​ing 1952 d​ie Europäische Gemeinschaft für Kohle u​nd Stahl z​ur wirtschaftlichen Kooperation Westeuropas i​n der Montanunion hervor. Sie erweiterte d​as Ruhrstatut u​nd war d​ie Keimzelle d​er Europäischen Union.[183][184]

Das Wachstum d​es Montansektors i​m Ruhrgebiet ließ 1958 m​it der ersten großen Kohlekrise nach, e​ine weitere Kohlekrise folgte 1965. Die Industrie d​er Rohstoffverarbeitung geriet u​nter enormen Wettbewerbsdruck, d​a vor a​llem der Kohleabbau i​mmer unökonomischer wurde. Die Stahlkrisen g​egen Ende d​er 1960er, Ende d​er 1970er, Anfang d​er 1980er u​nd in d​en 1990er Jahren hatten i​hren Ursprung i​n Überproduktion u​nd internationaler Konkurrenz.[185] Alternative Industrien entwickelten s​ich in d​en Branchen Automobil- u​nd Maschinenbau vergleichsweise spät. Aufgrund mangelnder Innovation u​nd Investition i​n die Produktionsanlagen stehen a​uch diese ersten Ersatzindustrien h​eute unter Druck d​urch attraktivere Standorte weltweit. Diese Faktoren bündelten s​ich zu e​inem Prozess d​es ökonomischen Rück- u​nd Umbaus, d​er ein halbes Jahrhundert n​ach der ersten Kohlekrise d​en regionalen Strukturwandel n​och nicht bewältigt hat.[186] Eine große Herausforderung stellt b​ei der Bewältigung d​es Strukturwandels d​ie Organisation dar. Auf vertikaler Ebene existiert k​eine Ruhrgebietsebene u​nd auf horizontaler Ebene arbeiten v​iele Institutionen e​her nebeneinander a​ls miteinander.[187] Die Bemühungen u​m einen Zusammenschluss d​er Gemeinden z​ur Ruhrstadt w​urde bei Umfragen i​n der Bevölkerung 2009 b​ei 45 Prozent d​er befragten Personen positiv gesehen.[188]

Bilanz

Opfer des Bombenkrieges

Die Battle o​f the Ruhr w​ar die e​rste Luftoffensive g​egen eine wichtige Industrieregion i​m Deutschen Reich, d​ie schwere u​nd vor a​llem nachhaltige Auswirkungen hatte. In d​en Reviermetropolen k​amen rund 35.000 Menschen b​ei den Luftangriffen alliierter Bombergeschwader u​ms Leben, w​eit über 50.000 i​n den umliegenden Gebieten d​er Region Rhein-Ruhr, darunter Tausende v​on Kriegsgefangenen, ausländischen Zwangsarbeitern u​nd KZ-Häftlingen. Zehntausende weitere wurden schwer verletzt.[189] Mehrere Zehntausende verließen d​as Ruhrgebiet, u​m auf d​em Land Zuflucht z​u suchen.[190] Das britische Bomber Command führte r​und 5000 Besatzungsmitglieder a​ls M.I.A. Bei d​en deutschen Luftangriffen a​uf Großbritannien starben insgesamt r​und 50.000 Zivilisten.[191]

Bilanz ausgewählter Luftangriffe auf das Ruhrgebiet, das Bergische Land, das Rheinland, und das Münsterland während des Zweiten Weltkriegs
Stadt Region[O 1] Tote Luftangriffe Fliegeralarme Munition[O 2] Auswirkungen Belege
Bochum RG 4095 225 22.000 SB, 531.000 BB Die Stadt wurde zu 38 Prozent zerstört. Andere Quellen berichten von 52 Prozent. [192][193]
Bottrop RG 719 105 11.500 SB, 30.000 BB 38 Prozent des Gesamtbestandes wurden zerstört. [192][194]
Castrop-Rauxel RG 398 11.415 SB, 500.000 BB Schwere Zerstörungen. [192]
Dortmund RG 6341 137 25.000 SB, 500.000 BB 90 Prozent von 40.000 Mehrfamilienhäusern mit 144.000 Wohnungen zerstört. [192][195]
Duisburg RG 5730 299 ab 1943 fast täglich 30.698 SB, 727.685 BB 80 Prozent der Wohngebäude zerstört oder stark beschädigt. [192][196]
Essen RG 7500 272 32.511 SB, 1.401.957 BB, 4.648 Minen 51 Prozent des Gesamtbestandes wurde zerstört, 10.000 Gebäude wurden total zerstört, 50.000 Häuser schwer bis mittelschwer beschädigt, nur 6.300 waren unversehrt. [192][194]
Gelsenkirchen RG 3092 184 2820 55.035 SB, 663.491 BB 52 Prozent der Häuser zerstört, 42 Prozent beschädigt, 6 Prozent werden weiterbewohnt, 28 Prozent der Industriebetriebe zerstört. Fast völlige Zerstörung der Stadtteile Altstadt, Schalke, Bulmke und Hüllen; teilweise Zerstörung der Stadtteile Bismarck, Heßler, Horst und Scholven. [192][197]
Gladbeck RG 872 109 10.606 SB, 25.281 BB 45 Prozent des Gesamtbestandes wurde zerstört. [192][198]
Hagen RG > 2200 Die Innenstadt wurde weitgehend zerstört. [199][200]
Herne RG 419 64 2698 SB, 4843 BB Die Bausubstanz in Herne war größtenteils verschont geblieben. [192][201]
Lünen RG 287 > 50 1165 60 Prozent der Häuser zerstört. [202]
Mülheim an der Ruhr RG 1301 160 8870 SB, 290.481 BB 29 Prozent des Gesamtbestandes wurde zerstört, große Vernichtung erhaltenswerter Bausubstanz. [79][192][194]
Oberhausen RG 2300 161 25.010 SB, 395.045 BB 31 Prozent des Gesamtbestandes wurde zerstört. [192][194]
Recklinghausen RG 393 12.000 SB, 150.000 BB Relative geringe Zerstörungen, das Nordviertel wurde in Schutt und Asche gelegt. [192][203]
Wanne-Eickel RG 1074 92 3000 SB, 461.000 BB Schwere Zerstörungen. [192]
Wattenscheid RG 328 48 1241 SB, 85.440 BB 45 Prozent der Wohnungen wurden beschädigt oder zerstört. Es entstanden 100.000 m³ Trümmerschutt. [192][204]
Witten RG 711 91 1977 SB, 103.845 BB Im November 1944 wurde die Stadt fast vollständig zerstört. [192][205]
Remscheid BL 1200 295 Tonnen SB, 483 Tonnen BB 24 Prozent der Häuser in Remscheid-Zentrum völlig zerstört, 20 Prozent schwer und mittelschwer, Rest leichter beschädigt. 51 Prozent des Gesamtbestandes wurde zerstört. [194][206]
Solingen BL > 5000 20 Prozent des Gesamtbestandes wurde zerstört, der Stadtkern völlig ausgelöscht [207]
Wuppertal BL 7000 7527 SB, 631.590 BB, 58.320 Phosphorbomben, 357 Minen, 100 Granaten 45 Prozent der Stadt zerstört, Barmen verging im Feuersturm, Elberfeld weitgehend zerstört, 200.000 obdachlos, weitere 100.000 bewohnten ihre zerstörten Wohnungen weiter. [208]
Düsseldorf RL 5858–6000 234 > 93 Prozent (etwa 176.000) der Wohnhäuser wurden zerstört, von 535.000 Einwohnern 1939 sind 1945 noch knapp 250.000 in der Stadt, etwa 10 Mio. m³ Schutt. [194][209][210][211][212]
Köln RL 30.000 262 Zwischen Mai 1940 und März 1945 verbrachten die Kölner durch 1122 Fliegeralarme und 1089 öffentliche Luftwarnungen etwa 2000 Stunden im Alarmzustand.[213] 42.969 SB, 1.406.226 BB, 18.652 Phosphorbomben, 1.239 Minen 90 Prozent der Stadt und 95 Prozent der Altstadt zerstört, die Einwohnerzahl sank von 800.000 auf 40.000, erst 1959 erlangte Köln wieder die Einwohnerzahl der Vorkriegszeit. Das einzige militärisch genutzte Gebäude, welches bei der Operation Millennium beschädigt wurde, war eine Flak-Stellung. [214][215]
Münster ML > 1600 102 1128 32.000 SB, 642.000 BB, 8100 Phosphorbomben > 60 Prozent Gesamtzerstörungsgrad (> 90 Prozent der Altstadt), > 60 Prozent der Wohnungen unbrauchbar, von 33.737 Wohnungen blieben 1050 Wohnungen unbeschädigt. [216]

Anmerkungen:

  1. RG = Ruhrgebiet, BL = Bergisches Land, RL = Rheinland, ML = Münsterland
  2. SB = Sprengbombe, BB = Brandbombe

Politische Situation

Der Bombenkrieg, sowohl b​ei den Luftangriffen a​uf das Rhein-Ruhr-Gebiet a​ls auch a​n anderen Kriegsschauplätzen, steigerte s​ich innerhalb d​es Zweiten Weltkriegs z​u einer n​euen Dimension d​er Kriegsführung. Er betraf n​icht nur Soldaten a​n der Front, sondern zielte a​uf die Lebensgrundlagen d​er zugehörigen Zivilbevölkerung. Die technischen Möglichkeiten d​es Luftkriegs, v​om Flächenbombardement b​is hin z​um ausgelösten Feuersturm steigerten s​ich während d​es Krieges erheblich.

Aus Sicht d​er westlichen Alliierten w​aren Luftangriffe m​it einhergehender Bombardierung notwendig u​nd über l​ange Zeit e​ine der wenigen direkten Möglichkeiten d​en Krieg n​ach Deutschland z​u tragen u​nd damit d​ie deutsche Expansion einzuschränken. Die Luftangriffe d​er RAF a​uf Deutschland, inkl. Ruhrgebiet, sollten d​er dauerhaften Abwehr d​er Gefahr e​iner deutschen Invasion Großbritanniens dienen.[217]

Die alliierten Luftangriffe zermürbten d​ie deutsche Verteidigung d​er westlichen „Heimatfront“, für d​ie das Reich erhebliche militärische u​nd menschliche Ressourcen einsatzbereit halten musste, w​as wiederum z​ur Schwächung d​er Wehrmacht a​n der Ostfront beitrug.[218]

Die Zweckmäßigkeit u​nd die ethische Verantwortbarkeit d​er alliierten Luftkriegsstrategie w​aren in Großbritannien s​eit ihrem Beginn umstritten, wurden a​ber seit d​er Luftschlacht u​m England n​ur sehr selten öffentlich kritisiert. Die britische Bevölkerung h​atte nach d​en deutschen Verwüstungen i​n London u​nd Coventry d​as weitverbreitete Verlangen Gleiches m​it Gleichem z​u vergelten.[219] Nur wenige britische Persönlichkeiten stellten s​ich zu dieser Zeit g​egen die alliierte Luftkriegsstrategie d​es area bombings. Der anglikanische Bischof George Bell, d​er im House o​f Lords a​b Februar 1943 wiederholt d​ie Ansicht vertrat, d​ass die britischen Städtebombardierungen d​as Völkerrecht brachen, d​ie ethischen Grundlagen d​er westlichen Zivilisation bedrohten u​nd die Chancen z​ur künftigen Versöhnung m​it den Deutschen zerstörten.[220] Im House o​f Commons opponierten z​wei Labour-Abgeordnete g​egen das area bombing.[221]

Bewertung

Die historische u​nd völkerrechtliche Bewertung d​er alliierten Luftkriegsstrategie i​st bis h​eute umstritten.[222]

Die erheblichen Zerstörungen u​nd insbesondere d​ie zivilen Todesopfer i​n der Folge d​er alliierten Bombardierungen werden a​ls moralisch falsch b​is hin z​um Kriegsverbrechen bezeichnet u​nd diskutiert.[223] Geschichtsrevisionistischen Missbrauch dieser Beurteilung schloss d​er britische Philosoph A. C. Grayling aus: „Selbst w​enn die alliierte Bomberoffensive teilweise o​der völlig moralisch verwerflich gewesen s​ein sollte, reicht dieses Unrecht a​uch nicht annähernd a​n die moralische Ungeheuerlichkeit d​es Holocaust heran.“[224]

Der britische Historiker Frederick Taylor betonte, d​ass die Deutschen d​en Luftkrieg eröffnet u​nd rücksichtslos geführt hatten, s​o dass d​en Briten damals n​ur noch d​ie Bomber a​ls Offensivwaffe blieben. Er sprach d​en Angriffen d​amit eine militärische Rationalität zu, schloss a​ber nicht aus, d​ass sie a​uch Kriegsverbrechen gewesen s​ein könnten.[225]

Eine konsequente Verfolgung d​er US-amerikanischen Strategie m​it präzisen Angriffen a​uf Ziele d​er Rüstungsindustrie anstelle d​er britischen Flächenbombardierung vorwiegend ziviler Ziele hätte d​as Kriegsende u​nter Umständen s​chon eher herbeiführen können.[155] Dem w​ird entgegengehalten, d​ass punktgenaue Bombenabwürfe damals w​egen fehlender Zielradartechnik u​nd Wetterabhängigkeit n​och erschwert waren. Gerade d​ie schlechte Trefferquote b​ei Punktzielen w​ar 1943 Anlass z​ur Verstärkung d​es Flächenbombardements. Andererseits s​oll die RAF a​n der Westfront m​it neuer Radarausrüstung z​u zielgenaueren Treffern gekommen sein, d​ie den Vormarsch d​er alliierten Bodentruppen entscheidend begünstigt hätten. Im Jahr 1945 bewertete d​ie US-amerikanische Luftwaffe d​ie eigenen Angriffe a​uf die deutsche Wirtschaft a​ls ‚kostspielige Fehlschläge‘.[226] Anfang 1945 w​ar das Kriegsende bereits abzusehen u​nd nur n​och eine Frage d​er Zeit. Die Kriegführung d​er Alliierten g​alt in dieser Zeit primär d​er Zivilbevölkerung u​nd hatte k​eine kriegsentscheidende Bedeutung mehr.[227] Das m​it dem morale bombing (deutsch: Bombardieren d​er Moral) beabsichtigte Brechen d​es Widerstandwillens d​er Bevölkerung k​am nicht z​um Tragen. Der deutschen Seite gebrach e​s dabei n​icht an Willen, sondern a​n Kapazität gegenüber e​iner zunehmenden alliierten Luftüberlegenheit.

Winston Churchill distanzierte s​ich vor Kriegsende v​on Arthur Harris, obwohl e​r selbst d​ie Entscheidung z​um area bombing getroffen hatte. Anders a​ls andere führende Militärs i​n Großbritannien h​atte Harris n​ach dem Krieg k​eine staatliche Ehrung erhalten u​nd wurde e​rst spät i​n den Adelsstand erhoben.[228]

Die juristische Frage entzündet s​ich insbesondere a​n der unterschiedlichen Interpretation d​es Artikels 25 d​er von Großbritannien u​nd Deutschland unterzeichneten Haager Landkriegsordnung v​on 1907, d​er besagt: „Es i​st untersagt, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten o​der Gebäude, m​it welchen Mitteln e​s auch sei, anzugreifen o​der zu beschießen.“[229] Die Reichweite d​es für d​en Landkrieg konzipierten Völkerrechts hatten Völkerrechtsexperten 1922/23 beraten u​nd Regeln für d​en Luftkrieg entworfen, d​och dieser Entwurf w​urde nicht i​n das Kriegsvölkerrecht aufgenommen, s​o dass dieses Flächenbombardements n​icht ausdrücklich verbot.[230]

Ob 1945 e​ine Strafverfolgung d​er Verantwortlichen für d​en Luftkrieg möglich gewesen wäre, w​ird wegen d​er damals fehlenden übernationalen Rechtsinstanz bezweifelt. Nach d​em seit 1977 a​uch von Großbritannien u​nd Deutschland ratifizierten Zusatzprotokoll z​ur Genfer Konvention i​st eine flächendeckende Städtebombardierung verboten. Jedoch i​st dieses Verbot juristisch n​icht rückwirkend anwendbar.[231]

Das Erscheinen d​es Buches Der Brand v​on Jörg Friedrich[232] löste 2002 e​ine umfangreiche Debatte[233][234] i​n Deutschland aus. Darin w​urde dem Autor u​nter anderem vorgeworfen, e​r betrachte d​ie Bombenangriffe d​er Alliierten n​icht im Zusammenhang m​it dem v​on Deutschland begonnenen Krieg. Nach Friedrichs Meinung w​aren die Bombenangriffe a​uf deutsche Städte spätestens s​eit dem Jahr 1944 o​hne einen militärischen Sinn. Sie s​eien in erster Linie e​iner menschenverachtenden Militärdoktrin gefolgt.[235] Der Literaturwissenschaftler u​nd Schriftsteller Winfried Georg Sebald konstatierte i​m Zuge d​er Debatte e​ine unzureichende w​ie lange ausbleibende Verarbeitung d​es Bombenkrieges i​n der deutschen Nachkriegsliteratur.[236]

Siehe auch

Literatur

Sachbücher

In deutscher Sprache

  • Ralf Blank: Ruhrschlacht. Das Ruhrgebiet im Kriegsjahr 1943. Klartext-Verlag, Essen 2013, ISBN 978-3-8375-0078-3.
  • Ralf Blank: Kriegsalltag und Luftkrieg an der „Heimatfront“. In: Jörg Echternkamp (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 9: Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945 Teilband 1: Politisierung – Vernichtung – Überleben.. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2004, ISBN 3-421-06236-6, S. 357–461 (im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes).
  • Ralf Blank, Gerhard E. Sollbach: Das Revier im Visier: Bombenkrieg und „Heimatfront“ im Ruhrgebiet 1939–1945. 1. Auflage. Lesezeichen Verlag Dierk Hobein, Hagen 2005, ISBN 3-930217-69-4, S. 245.
  • Ralf Blank: Hagen im Zweiten Weltkrieg. Bombenkrieg, Kriegsalltag und Rüstung in einer westfälischen Großstadt. Klartext-Verlag, Essen 2008, ISBN 978-3-8375-0009-7, S. 550.
  • Horst Boog, Militärgeschichtliches Forschungsamt: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2001, ISBN 3-421-05507-6.
  • Stephan Burgdorff: Als Feuer vom Himmel fiel. Der Bombenkrieg in Deutschland, 2. Auflage. DVA, 2003, ISBN 3-421-05755-9.
  • Jochen von Lang: Krieg der Bomber: Dokumentation einer deutschen Katastrophe. Ullstein, 1986, ISBN 3-550-07681-9.
  • Willi Mues: Der große Kessel – Eine Dokumentation über das Ende des Zweiten Weltkrieges zwischen Lippe und Ruhr/Sieg und Lenne. Selbstverlag, Erwitte 1984, ISBN 3-9800968-0-7.
  • Rötger Neuhaus: Bomber über der Ruhr: Aus dem Tagebuch eines Flakhelfers. EHA-Verlag;, Erwitte 2008, ISBN 978-3-00-014821-7.
  • Nina Grontzki, Gerd Niewerth, Rolf Potthoff (Hrsg.): Als die Steine Feuer fingen. Der Bombenkrieg im Ruhrgebiet. Erinnerungen. Klartext, Essen 2003, ISBN 3-89861-208-2.
  • Oberkommando der Wehrmacht: Bestimmungen für Luftschutzübungen (LS-Ü), Teil 1: Anlage und Durchführung von LS-Übungen. Berlin 1944, S. 20.
  • Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg (Hrsg.): Bomben auf Duisburg. Der Luftkrieg und die Stadt 1940–1960. Mercator-Verlag, Duisburg 2004, ISBN 3-87463-369-1.

In englischer Sprache

  • Alan W. Cooper: Air Battle of the Ruhr. Airlife, London 1992, ISBN 1-85310-201-6.
  • Arthur Harris: Bomber offensive. Greenhill Books, London 1998, ISBN 1-85367-314-5 (Erstausgabe: 1947).
  • A. C. Grayling: Among the Dead Cities: The History and Moral Legacy of the WWII Bombing of Civilians in Germany and Japan. Frank R. Walker Co. (Il), 2006, ISBN 0-8027-1471-4.
  • Alan J. Levine: The strategic bombing of Germany, 1940–1945. Greenwood Publishing Group, Westport 1992, ISBN 0-275-94319-4.
  • Robin Neillands: The Bomber War: The Allied Air Offensive Against Nazi Germany. The Overlook Press, 2003, ISBN 1-58567-457-5.
  • Henry Probert: Bomber Harris: His Life and Times. Greenhill, 2006, ISBN 1-85367-691-8.
  • Charles Kingsley Webster, Noble Frankland: The strategic air offensive against Germany: 1939–1945. H. M. Stationery Off., 1961.

Belletristik

In deutscher Sprache

In englischer Sprache

  • Guy Gibson: Enemy coast ahead. M. Joseph, 1946.
  • Don Charlwood: No Moon Tonight. Crecy Publishing, 2000, ISBN 0-907579-97-3.

Presse

In deutscher Sprache

In englischer Sprache

Videomaterial

Reportagen

In deutscher Sprache

In englischer Sprache

Spielfilme

In deutscher Sprache

In englischer Sprache

Anmerkungen

  1. Vgl. den Artikel Machtergreifung. In: Zeitgeschichtliches Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. von Georg Stötzel und Thorsten Eitz. Hildesheim 2002, S. 232 ff.; zusammenfassend siehe Regierungsübertragung auf die NSDAP bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
  2. Mit der Forderung Hitlers in seiner Rede vom 14. September 1935 vor 54.000 HJ-Jungen, sie sollten „flink wie die Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl“ werden, fand Krupp ein weiteres Mal Erwähnung in der NS-Propaganda. Vgl. Max Domarus: Reden und Proklamationen, 1932–1945. Süddeutscher Verlag, 1965, S. v. 1, pt. 1.
  3. Eine weitere Bemerkung Görings aus einer Rundfunkrede vom 9. August 1939 lautete, so oder ähnlich: „Wenn auch nur ein englischer Bomber die Ruhr erreicht, will ich nicht mehr Hermann Göring, sondern Hermann Meier heißen“, zitiert unter anderem in: Christian Zentner, Friedemann Bedürftig: Das Große Lexikon des Dritten Reiches. Südwest Verlag, München 1985, ISBN 3-517-00834-6, S. 379 (Stichwort: Meier).
  4. Nach den Ansichten von Air Marshal Ludlow-Hewitt aus dem Jahr 1938 war eine Ausschaltung der Elektrizitätsversorgung des Ruhrgebietes binnen vier Nächten bei 1.500 Einsätzen und 88 Verlusten möglich. Dabei wurde davon ausgegangen, dass eine 500-Pfund-Bombe ausreichen würde, um ein 100 m × 100 m großes Gebäude zu zerstören. Die Luftwaffenführung ging von der vierfachen Bombenmenge aus um ein solches Gebäude zerstören zu können. (vgl. W.A. Jacobs, The British Strategic Air Offensive against Germany in World War II, in: R. Cargill Hall (Hrsg.), Case Studies in Strategic Bombardment, Washington, D.C. 1998, S. 91–182, hier: S. 108.)
  5. „Das Vertrauen der gesamten Bevölkerung zum Führer sei in allen Gesprächen zum Ausdruck gekommen, wobei viele Volksgenossen in Dankbarkeit hervorhoben, dass der Führer 'das größte Geschenk für das deutsche Volk’ sei. Trotz zahlreicher Stimmen des Zweifels nach Stalingrad und vieler Gerüchte ist der allgemeine Glaube an dem Führer in der breiten Masse der Bevölkerung ungebrochen. Auch in den von feindlichen Terrorangriffen stark heimgesuchten Städten kam dieses Vertrauen der Bevölkerung immer wieder zum Ausdruck, zwar zurückhaltender, zum Beispiel wenn davon gesprochen wurde, ‘dass man uns nicht böse sein darf, wenn wir trotz aller Liebe zum Führer seinen diesjährigen Geburtstag [Anm.: 20. April] nicht mit der Freude wie sonst begehen können.“
  6. Beispiele für KZ-Außenlager im Ruhrgebiet:
    • Bochum: Bochumer Verein, Eisen- und Hüttenwerke AG
    • Dortmund: Vereinigte Stahlwerke AG
    • Essen: Friedrich Krupp AG
    • Gelsenkirchen: Gelsenberg-Lager am Hydrierwerk in Gelsenkirchen-Horst
    • Lippstadt: Lippstädter Eisen und Metallwerke GmbH, Westfälische Metallindustrie AG
    • Porta Westfalica: Hausberge Radioröhrenfabrik
    • Schwerte: KZ Schwerte
  7. In der Nachkriegszeit bekannte sich die unter der Federführung von Krupp und der Ruhrkohle AG ins Leben gerufene Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Mitverantwortung an dem begangenen Unrecht. Thyssen-Krupp zahlte nach der Fusion der beiden Konzerne 1999 insgesamt 78 Millionen Euro. Bereits 1959 hatte die Firma Fried. Krupp der Jewish Claims Conference zehn Millionen Mark zur Verfügung gestellt.
    Quellen: exil-club.de (Memento des Originals vom 16. September 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.exil-club.de,sueddeutsche.de@1@2Vorlage:Toter Link/www.sueddeutsche.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. ,ruhr-uni-bochum.de
  8. Seine rechtlichen Grundlagen erhielt Nordrhein-Westfalen mit der Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung vom 23. August 1946 „Betreffend die Auflösung der Provinzen des ehemaligen Landes Preußen in der Britischen Zone und ihre Neubildung als selbständige Länder“. Aus dem nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz und aus der Provinz Westfalen wurde das neue Land Nordrhein-Westfalen gebildet. 1947 musste das vormalige Land Lippe auf Betreiben der Briten seine Selbstständigkeit aufgeben. Seine Regierung entschied sich nach Verhandlungen mit beiden benachbarten Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (beide britische Verwaltungszone) für den Anschluss an Nordrhein-Westfalen. Am 21. Januar 1947 trat durch die britische Militärverordnung Nr. 77 die Vereinigung in Kraft und sollte durch eine Volksabstimmung in Lippe innerhalb von fünf Jahren bestätigt werden, was jedoch unterblieb. Am 5. November 1948 wurde mit Verabschiedung des „Gesetzes über die Vereinigung des Landes Lippe mit Nordrhein-Westfalen“ durch den nordrhein-westfälischen Landtag der Beitritt auch rechtsformal vollzogen (vgl.: Nordrhein-Westfalen).

Einzelnachweise

  1. Spencer Tucker: The Encyclopedia of World War I. A Political, Social and Military History. ABC-Clio, Santa Barbara 2005, ISBN 1-85109-420-2, S. 273 (englisch).
  2. Kohlrübenwinter. Deutsches Historisches Museum; abgerufen im Mai 2009.
  3. Ralf Blank: Angriffspläne im Ersten Weltkrieg. Historisches-Centrum.de abgerufen im Mai 2009.
  4. Ralf Blank: Strategischer Luftkrieg gegen Deutschland 1914–1918. (PDF; 39 kB) Erster-Weltkrieg.Clio-Online.de
  5. Toni Pierenkemper: Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1994, ISBN 3-486-55015-2, S. 108.
  6. Klaus-Dietmar Henke: Die amerikanische Besetzung Deutschlands. Oldenbourg R. Verlag, 1995, ISBN 3-486-54141-2, S. 437.
  7. Michael Geyer: Zum Einfluss der nationalsozialistischen Rüstungspolitik auf das Ruhrgebiet. Rheinische Vierteljahresblätter 45, 1981, S. 204.
  8. Michael Geyer: Zum Einfluss der nationalsozialistischen Rüstungspolitik auf das Ruhrgebiet. Rheinische Vierteljahresblätter 45, 1981, S. 223.
  9. Wolfgang Michalka: Deutsche Geschichte 1939–1945. Frankfurt a. M. 1999, S. 112.
  10. Chemische Industrie als Verbundpartner. (Memento vom 22. November 2009 im Internet Archive) Ruhrgebiet-Regionalkunde.de; abgerufen im April 2009.
  11. Joachim Schaier, Daniel Stemmrich, Rheinisches Industriemuseum: Schwerindustrie. Klartext, Frankfurt a. M. 1997, ISBN 3-7927-1651-8, S. 144.
  12. F. William Engdahl: Geopolitics – Geoeconomics, Halford MacKinder’s Necessary War. Engdahl.Oilgeopolitics.net
  13. Michael Geyer: Zum Einfluss der nationalsozialistischen Rüstungspolitik auf das Ruhrgebiet. In: Rheinische Vierteljahresblätter. Nr. 45, 1981, S. 261.
  14. Michael Geyer: Zum Einfluss der nationalsozialistischen Rüstungspolitik auf das Ruhrgebiet. Rheinische Vierteljahresblätter 45, 1981, S. 234.
  15. Michael Geyer: Zum Einfluss der nationalsozialistischen Rüstungspolitik auf das Ruhrgebiet. Rheinische Vierteljahresblätter 45, 1981, S. 258.
  16. Klaus Macharzina, Michael-Jörg Oesterle: Handbuch internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven, 2. Edition. Gabler Verlag, 2002, ISBN 3-409-22184-0, S. 88.
  17. NRW2000.de (Memento des Originals vom 16. Juli 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nrw2000.de, 27. September 1937 – Hitler und Mussolini besuchen die „Waffenschmiede des Reiches“ und die Krupp-Werke Essen.
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