Geheimtreffen vom 20. Februar 1933
Das Geheimtreffen vom 20. Februar 1933 war eine Zusammenkunft Adolf Hitlers nach der Machtergreifung mit 27 Industriellen in Hermann Görings Amtssitz im Reichstagspräsidentenpalais zur Finanzierung des Wahlkampfes der NSDAP bei den Reichstagswahlen vom 5. März 1933.
Auf diesem Treffen wurde für den laufenden Wahlkampf zur Reichstagswahl, mit der die NSDAP zusammen mit der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot die notwendige Zweidrittelmehrheit für das Ermächtigungsgesetz erreichen wollte und die sich als letzte Mehrparteien-Reichstagswahl des Deutschen Reichs erweisen sollte, ein Wahlfonds von drei Millionen Reichsmark für die NSDAP und die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot beschlossen, von denen etwa zwei Millionen nachweisbar als Zahlung eingegangen sind. 75 % der Summe gingen an die NSDAP. Zwei Wochen zuvor hatte Hitler eine Rede vor der Reichswehrführung gehalten.
Teilnehmer
Am Treffen nahmen die folgenden Wirtschaftsvertreter teil:[1]
- Hjalmar Schacht, ehemaliger und zukünftiger Reichsbankpräsident
- Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Vorsitzender des Präsidiums des Reichsverbandes der Deutschen Industrie
- Albert Vögler, erster Vorstandsvorsitzender der Vereinigte Stahlwerke AG
- Fritz Springorum, Hoesch AG
- Ernst Tengelmann[2], Vorstandsvorsitzender der Gelsenkirchener Bergwerks-AG
- August Rosterg, Generaldirektor der Wintershall AG
- Ernst Brandi, Vorsitzender des Bergbauvereins
- Karl Büren, Generaldirektor der Braunkohlen- und Brikett-Industrie AG, Vorstandsmitglied der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
- Günther Heubel, Generaldirektor der C. Th. Heye Braunkohlenwerke AG, Vorstandsmitglied der „Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“
- Georg von Schnitzler, Vorstandsmitglied der I.G. Farben
- Hugo Stinnes junior, Vorstandsmitglied des Reichsverband der Deutschen Industrie, Mitglied des Aufsichtsrats des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats
- Eduard Schulte, Generaldirektor Giesches Erben, Zink und Bergbaubetrieb, später Widerständler
- Fritz von Opel, Vorstandsmitglied der Adam Opel AG
- Ludwig von Winterfeld, Vorstandsmitglied der Siemens & Halske AG und Siemens-Schuckert-Werke AG
- Wolf-Dietrich von Witzleben, Leiter des Büros von Carl Friedrich von Siemens
- Wolfgang Reuter, Generaldirektor der Demag, Vorsitzender des Vereins Deutscher Maschinenbau-Anstalten, Präsidialmitglied des Reichsverbands der Deutschen Industrie
- Günther Quandt, Großindustrieller, aufgrund seiner Unterstützung des Regimes späterer Wehrwirtschaftsführer.
- August Diehn, Vorstandsmitglied der Wintershall AG
- Hans von und zu Löwenstein, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bergbauvereins
- Ludwig Grauert, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller
- Friedrich Flick[3]
- Kurt Schmitt[4], Vorstandsmitglied der Allianz AG
- August von Finck[5], war in zahlreichen Aufsichtsräten und Fachgremien
- Erich Fickler[6], Generaldirektor der Harpener Bergbau AG, Aufsichtsratsvorsitzender Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats, Vorstandsmitglied des RDI, Mitglied diverser Aufsichtsräte
- Paul Stein[7], Vorsitzender und Generalbevollmächtigter der Gewerkschaft Zeche Auguste Victoria in Marl-Hüls und Verwaltungsratsmitglied der I.G. Farben
- Herbert Kauert[8], Vorstandsmitglied der Gelsenkirchener Bergwerks-AG
Die Teilnehmer wurden durch Hermann Göring eingeladen. Nach dem Historiker Alfred Kube lud Göring bereits am 13. Februar 1933 Vertreter der deutschen Industrie zu sich, um den Boden für das Treffen vorzubereiten.[9] Wie ein überliefertes Telegramm an Krupp vom 16. Februar 1933 belegt, lud er Krupp für den 20. Februar 1933 um 18 Uhr in das Reichstagspräsidentenpalais ein. Als Zweck wurde angegeben, dass Hitler seine Politik erklären möchte.[10] Nach Aussage von Hjalmar Schacht hatte die Liste der Einzuladenden Göring mit seinem Adjutanten aufgestellt. Nach Schacht waren „fast sämtliche Männer der deutschen Industrie aus allen Branchen vertreten“ und ihm sei keiner bekannt, der der Einladung nicht gefolgt sei.[11]
In einem von Krupp, Ludwig Kastl und Jacob Herle unterzeichneten Schreiben vom 18. Februar an die Mitglieder des Präsidiums, des Vorstandes, des Hauptausschusses sowie der Fachgruppen informierte der Reichsverband der Deutschen Industrie seine führenden Mitglieder über das Treffen und kündigte an „mit aller Energie dafür einzutreten, dass die Wirtschaftspolitik der neuen Regierung den Lebensnotwendigkeiten und berechtigten Forderungen der Industrie Rechnung trägt“ sowie „keine Möglichkeit ungenutzt zu lassen, um unseren Standpunkt erfolgreich zu wahren“. Er erinnerte an die Pflicht seiner Mitglieder, sich „für die Gewinnung eines stabilen Regierungsfundaments und die Durchführung einer nationalen Sammlung und Konzentration aller aufbauenden Kräfte einzusetzen“, überließ aber die „praktischen Folgerungen aus diesem allgemeinen Grundsatz“ dem „Verantwortungsgefühl jedes einzelnen Industriellen“.[12]
Der eingeladene Paul Reusch nahm nicht teil; er gab an, auf Auslandsreise zu sein.[13] Carl Friedrich von Siemens hat die Einladung rundheraus abgelehnt.[14] Robert Bosch hat die Einladung in einem Brief an Wilhelm Keppler mit der Begründung, das Treffen, unter Beeinträchtigung seines Schlafes, nur noch mit dem Flugzeug rechtzeitig erreichen zu können, was er sich in seinem Alter nicht mehr zumuten könne, abgewiesen.[15]
Ablauf
Nach einem umfangreichen Bericht des Informanten Martin Blank an Paul Reusch[1] erschien am 20. Februar mit 15 Minuten Verspätung Hermann Göring in Begleitung von Walther Funk und hielt eine kurze Ansprache, in der er auf die Bedeutung des laufenden Wahlkampfes hinwies. Dann erschien Hitler in Begleitung seines Adjutanten Dr. Wagner,[16] schüttelte allen Versammelten die Hand und nahm am oberen Ende des Tisches Platz. Er bekannte sich in einer eineinhalbstündigen frei gehaltenen Rede zum Privateigentum, pries die Überlegenheit der Diktatur über die Demokratie und behauptete, die NSDAP wäre die einzige Rettung vor der kommunistischen Gefahr. Die Grundlage der NSDAP sei die völkische Idee und der Gedanke der Wehrhaftigkeit. Das Leben sei ein fortgesetzter Kampf, den nur ein wehrhaftes Volk bestehen könne und nur eine wehrhafte Nation könne eine blühende Wirtschaft haben.
In seiner Rede erklärte Hitler, die Demokratie sei Schuld am Aufkommen des Kommunismus. In einer in den persönlichen Akten von Krupp aufgefundenen Aufzeichnung seiner Rede heißt es:
„Wir stehen heute vor folgender Situation: Weimar hat uns eine bestimmte Verfassungsform aufoktroyiert, mit der man uns auf eine demokratische Basis gestellt hat. Damit ist uns aber keine leistungsfähige Regierungsgewalt beschert worden. Im Gegenteil, der Kommunismus mußte sich nach dem, wie ich eingangs die Demokratie kritisiert habe, immer tiefer in das Volk hineinbohren.“[17]
Dann erklärte Hitler, er brauche die gesamten Machtmittel des Staates, um den Kommunismus niederzuwerfen:
„Wir müssen erst die ganzen Machtmittel in die Hand bekommen, wenn wir die andere Seite ganz zu Boden werfen wollen. […] Wir müssen in Preußen [Anm.: zeitgleiche Landtagswahl] noch 10, im Reich noch 33 Mandate erringen. Das ist, wenn wir alle Kräfte einsetzen, nicht unmöglich. Dann beginnt erst die zweite Aktion gegen den Kommunismus.“[17]
Nach Hitlers Rede sprach Krupp den Dank der Beteiligten aus und hob besonders das Bekenntnis zum Privateigentum und zur Wehrhaftigkeit hervor. Danach verließ Hitler das Treffen. Göring hielt eine kurze Rede, in der er darauf hinwies, dass die Kassen der NSDAP leer seien, und bat die anwesenden Herren um Abhilfe. Das Kabinett habe einstimmig beschlossen, den Wahlkampf nicht aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Dann verließ Göring die Versammlung und Hjalmar Schacht ergriff das Wort. Nach Louis P. Lochner soll Schacht dabei geäußert haben: „Und nun, meine Herren, an die Kasse!“[18] Schacht forderte, drei Millionen Reichsmark aufzubringen. Als Schlüssel legte er fest:
- 1.000.000 Reichsmark – westliche Kohlen- und Eisenindustrie
- 500.000 Reichsmark – chemische Industrie
- 500.000 Reichsmark – Kalibergbau
- 500.000 Reichsmark – Braunkohle
- 100.000 Reichsmark – Automobilindustrie
- 100.000 Reichsmark – Maschinenbau
- 300.000 Reichsmark – Elektrotechnik
Blank vermerkt, dass 1 Million Reichsmark von der westlichen Kohlen- und Eisenindustrie, 100.000 Reichsmark für den Maschinenbau von Wolfgang Reuter und 100.000 Reichsmark von Siemens sofort zugesagt wurden. Für die 500.000 Reichsmark der chemischen Industrie habe noch keine Zusage gegeben werden können. Laut Fritz Springorum erklärten sich Vögler, Krupp, Fickler, Tengelmann, Löwenstein, Brandi und er bereit, die Sammlung der 1 Million Reichsmark zu versuchen, wobei dann aber „alle Leistungen abgegolten sein“ müssten.[6] Ursprünglich wollte Schacht die Verteilung der Spenden selbst übernehmen, aber auf Vorschlag von Springorum wurde der Verteilungsschlüssel 75 % NSDAP und 25 % Kampffront Schwarz-Weiß-Rot beschlossen.[1] Der Anteil der Schwerindustrie sollte nach üblichem Schlüssel zu 60 % von der Kohlenindustrie und zu 40 % von der Eisenindustrie aufgebracht werden.[6] Laut Georg von Schnitzler wurde auch die Deutsche Volkspartei, auf Vorschlag von Paul Stein, in den Wahlfonds aufgenommen[7]
Am nächsten Tag schrieb Fritz Springorum an Paul Reusch:
„In dieser Besprechung hat Herr Hitler eine Darstellung der politischen Entwicklung der letzten vierzehn Jahre gegeben und seine grundsätzliche Einstellung zu den politischen Geschehnissen, sowie zur Wirtschaft, Einzelpersönlichkeit und zum Privateigentum in einer Weise dargelegt, daß er wohl die restlose Zustimmung aller 27 Herren, die zugegen waren, erhalten hat.“[6]
Der Geschäftsführer des RDI Ludwig Kastl schrieb hingegen am 25. Februar 1933 an Krupp:
„Ich finde es eine große, um nicht zu sagen unerhörte Zumutung an die Industrie, in kürzester Frist 3 Millionen aufzubringen. Über den Verteilungsschlüssel (nur 20 % an den schwarz-weiß-roten Block) bin ich empört. Ich kann aber an der Sache nichts ändern. Nach den Wahlen wird man in dem Kreise der Teilnehmer noch einmal über die Sache sprechen müssen.“[19]
Spenden
Das Geld wurde auf das Sonderkonto „Nationale Treuhand, Dr. Hjalmar Schacht“ beim Bankhaus Delbrück Leo & Co eingezahlt. Das Geld wurde anschließend an Rudolf Heß und an den Franz-Eher-Verlag überwiesen. Der Rest wurde direkt an Alfred Hugenberg und in den Papen-Fonds gezahlt.
Eine in den I.G.-Farben-Prozess eingebrachte Liste von Einzahlungsbelegen und eine identische Komplettaufstellung aller Zahlungen für Hjalmar Schacht vom 5. April 1933 belegen Zahlungen auf das Sonderkonto in Höhe von 2.021.000 Reichsmark. Übergeht man gestaffelte Einzahlungen, dann waren bis zum Wahltag 1.660.000 Reichsmark, also über 95 % der letztendlich erreichten Endsumme eingetroffen. Einzelne Einzahler traten mehrfach in Aktion, so speziell der Bergbauverein mit seinem Rekord-Beitrag von insgesamt 600.000 Reichsmark. Insgesamt gab es 14 verschiedene Einzahler. Eine Zuordnung zu den Teilnehmern des Treffens ist nicht immer unmittelbar ersichtlich. In der Quelle des „Nürnberger Prozesses“ nicht gelistet ist eine Wahlkampf-Spende von Kurt Schmitt in Höhe von 10.000 Reichsmark.
Datum | Einzahler | Summe |
---|---|---|
23. Februar | Bergbauverein | 200.000 Reichsmark |
24. Februar | Karl Hermann (Chefsekretär des Kalisyndikats[21]) | 150.000 Reichsmark |
Automobil-Ausstellung, Berlin | 100.000 Reichsmark | |
25. Februar | Dir. A. Steinke (BUBIAG) | 200.000 Reichsmark |
Demag | 50.000 Reichsmark | |
27. Februar | Telefunken | 35.000 Reichsmark |
Osram | 40.000 Reichsmark | |
28. Februar | I.G. Farben | 400.000 Reichsmark |
1. März | Hjalmar Schacht | 125.000 Reichsmark |
3. März | Dir. Karl Lange, Maschinenindustrie (in zwei Einzelposten) | 50.000 Reichsmark |
Bergbauverein | 100.000 Reichsmark | |
Karl Hermann, Berlin Dessauer Str. | 150.000 Reichsmark | |
AEG | 60.000 Reichsmark | |
Zwischensumme am Wahltag | 1.660.000 Reichsmark | |
7. März | Fritz Springorum | 36.000 Reichsmark |
Accumulatorenfabrik AG, Berlin (Inhaber: Günther Quandt) | 25.000 Reichsmark | |
13. März | Bergbauverein | 300.000 Reichsmark |
Gesamt | 2.021.000 Reichsmark |
An den Papen-Fonds wurden laut einem Schriftwechsel im Nachlass Hugenberg zwischen Schacht und Hugenberg 162.500 Reichsmark gezahlt, davon 100.000 Reichsmark von den IG Farben, 35.000 Reichsmark von der westlichen Industrie und 27.500 Reichsmark von der westlichen Braunkohlenindustrie. Die Schwerindustrie überwies 215.000 Reichsmark direkt an Hugenberg. Die Kaliindustrie erklärte, dass sie nur 300.000 statt 400.000 gegeben habe, weil sie bereits der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot erheblich direkt gespendet habe. Schacht stellte fest, dass die Braunkohle die Kampffront überreichlich bedacht habe, ansonsten teils versagt habe.[19]
Friedrich Flick gab in einem Verhör am 14. Januar 1947 vor dem Nürnberger Militärgericht an, dass er und Albert Vögler weitere 100.000 Reichsmark an die DNVP gespendet haben, da sie „bei der Verteilung dieser Spenden zu kurz gekommen“ sei.[22]
In seinen Erinnerungen erwähnt Hjalmar Schacht kurz das Treffen und bestätigt, dass 3 Millionen Reichsmark gezahlt worden seien. Er weist darauf hin, dass von den 3 Millionen 600.000 Reichsmark nach der Wahl übrig geblieben seien.[23]
Vergleich mit anderen politischen Fonds
Das Kuratorium für den Wiederaufbau des deutschen Wirtschaftslebens brachte für die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung 1919 4,8 Millionen Mark auf. Für den Hindenburg-Wahlfonds zur Reichspräsidentenwahl 1932 stellte die deutsche Industrie, nach Aussage von Tilo von Wilmowsky, 12 Millionen Reichsmark zur Verfügung.[24]
Folgeentwicklungen
Über die Bedeutung dieser Wahlkampfspende für die NSDAP notierte am selben Tag Joseph Goebbels in seinem Tagebuch:
„Wir treiben für die Wahl eine ganz große Summe auf, die uns mit einem Schlage aller Geldsorgen enthebt. Ich alarmiere gleich den ganzen Propagandaapparat, und eine Stunde später schon knattern die Rotationsmaschinen. Jetzt werden wir auf Höchsttouren aufdrehen. Wenn keine außergewöhnliche Panne mehr unterläuft, dann haben wir bereits auf der ganzen Linie gewonnen.“[25]
In seinem Verhör vor dem Nürnberger Militärgericht gab Schacht an, dass man sowieso nur „das bisschen Treibholz, dass wie gesagt zwischen links und rechts ständig hin und herschwenkte“ mit Geld für Propaganda habe beeinflussen können.[26]
Die weiteren Umstände waren für die NSDAP dann günstig, so dass sie bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 deutliche Gewinne erzielen konnte, aber – für viele Beobachter überraschend – die absolute Mehrheit verfehlte. Den eigentlichen Abschluss fand diese durch das Treffen und die damit bewirkten Zahlungen zentral gestützte Entwicklung in der Machtergreifung durch Reichskanzler Hitler durch das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933, das seine Regierung dazu ermächtigte, ohne Zustimmung des Reichstags Gesetze erlassen zu können.
In einem Schreiben Krupps an Hitler vom 24. März 1933 begrüßte der Reichsverband der Deutschen Industrie das Wahlergebnis mit den Worten:
„Durch die Wahlen ist die Grundlage für ein stabiles Regierungs-Fundament geschaffen und es sind damit die Störungen beseitigt, die sich aus den ständigen politischen Schwankungen der Vergangenheit ergeben, und die wirtschaftliche Initiative stark gelähmt haben.“
und erklärte:
„der Reichsverband der Deutschen Industrie – als die wirtschaftspolitische Vertretung – wird alles tun, um der Reichsregierung bei ihrem schweren Werke zu helfen.“[27]
Bewertung in der Forschung
In der marxistischen Forschung, darunter Kurt Pätzold, gilt dieses Treffen als weiterer Beleg für die Finanzierung der NSDAP durch die Großindustrie.[28]
Nach der Historikerin Ulrike Hörster-Philipps reflektierte das Ausmaß der finanziellen Unterstützung, die prinzipielle Übereinstimmung „aller Banken und Konzerne“ mit den Zielvorstellungen der NSDAP. Und das Geld habe zusammen mit terroristischen Methoden entscheidend zum Wahlerfolg beigetragen.[29]
Dagegen weist der Historiker Henry Ashby Turner darauf hin, dass die Spenden der Unternehmer „kaum als freiwillig bezeichnet werden“ können und dass „sich die meisten der anwesenden Industriellen bei näherer Betrachtung als weniger bedeutende Persönlichkeiten der Industrie erwiesen“. Für ihn war es ein „ausgefeilter Trick“ Hitlers, die Industriellen einzuladen, um „ihnen in die Tasche zu greifen“, und er bezeichnet das Treffen als „Meilenstein: der erste bedeutende materielle Beitrag von Organisationen der Großindustrie für die nationalsozialistische Sache.“[30] Auch der britische Historiker Ian Kershaw wertet in seiner Hitler-Biographie, dass die Zahlung durch „politische Erpressung“ zustande gekommen sei.[31]
Der Historiker Karsten Heinz Schönbach widerspricht der Erpressungsthese Turners mit dem Verweis auf das oben erwähnte Schreiben des RDI, dessen Inhalt und „selbstbewusster Ton“ eindeutig anzeigen, dass die Industrie von Hitler „Rechenschaft über seine beabsichtigte Politik“ erwartete und sie ihre Haltung zu ihm davon abhängig machen werde.[32]
Für Peter Langer war die ganze „Crème der Industrie“ vertreten, sie sei aber von Schacht mit der Aufforderung, drei Millionen zu spenden, „regelrecht überfahren“ worden.[33]
Für den britischen Historiker Adam Tooze setzten sich die Anwesenden aus einer „eigenartig zusammengewürfelten Schar“ aus Industriekapitänen und „einer Reihe eindeutig zweitrangigen Akteuren“ zusammen. Er urteilt:
„Einmal ganz abgesehen von seinen Folgen, zählt dieses Treffen vom 20. Februar zu den berüchtigtsten Beispielen für die Bereitschaft des deutschen Großunternehmertums, Hitler bei der Aufstellung seines diktatorischen Regimes beizustehen. Die Beweise dafür sind nicht aus der Welt zu schaffen.“[34]
Für ihn waren „Krupp und Konsorten“ „willige Partner bei der Vernichtung des politischen Pluralismus in Deutschland“. Er schränkt aber ein, das Hitler die Zustimmung der Unternehmer gar nicht brauchte und dies auch wusste. Tooze weist darauf hin, dass Hitler in seiner Rede vor den Generälen am 3. Februar 1933 offen von territorialer Expansion sprach, was er in dieser Rede nicht tat.[35]
Nach Werner Abelshauser machte Hitler den Industriellen „klar, wer Ross und wer Reiter auf dem Ritt ins Dritte Reich sei“.[36]
Siehe auch
Belletristische Darstellung
- Éric Vuillard: Die Tagesordnung. Übers. Nicola Denis, Matthes & Seitz, Berlin 2018.
Einzelnachweise
- Aufzeichnung von Martin Blank für Paul Reusch gedruckt in: Dirk Stegmann: Zum Verhältnis von Großindustrie und Nationalsozialismus 1930–1933. Archiv für Sozialgeschichte, 13, Bonn-Bad Godesberg 1973, S. 477 ff. Friedrich Flick nannte Krupp, Albert Vögler, Ernst Tengelmann, Herr Löwenstein, Herr von Schnitzler, Herr Springorum und eventuell Generaldirektor Dr. Buehren als Teilnehmer. Verhör Flicks vor dem Nürnberger Militärgericht am 14. Januar 1947. Auszugsweise gedruckt in: Karsten Heinz Schönbach: Die Königsmacher – Hitler, die Großindustrie und der 20. Februar 1933. In: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung. 2/2018, S. 45.
- Blank nennt nur die Nachnamen. Turner schreibt, um welches Mitglied der Familie Tengelmann es sich handelt, ist unklar. (Henry Ashby Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Siedler, Berlin 1985, S. 531 Fußnote 81). Laut Stegmann handelt es sich um Ernst Tengelmann. (Dirk Stegmann: Zum Verhältnis von Großindustrie und Nationalsozialismus 1930–1933. Archiv für Sozialgeschichte, 13, Bonn-Bad Godesberg 1973, S. 478.) Friedrich Flick nannte in einem Verhör am 14. Januar 1947 vor dem Nürnberger Militärgericht Ernst Tengelmann als Teilnehmer. Schönbach, Königsmacher, S. 45.
- Aussage Flicks vor dem Nürnberger Militärgericht. Auszugsweise gedruckt in: Schönbach, Königsmacher, S. 45 f. phdn.org
- Vernehmung Kurt Schmitts am 8. Juli 1947. Gerald D. Feldman: Die Allianz und die Versicherungsgesellschaft 1933–1945. München 2001, S. 92.
- Vernehmung August Fincks am 22. September 1947. Feldman, Allianz, S. 92.
- Schreiben von Fritz Springorum an Paul Reusch vom 21. Februar 1931, gedruckt bei: Stegmann, S. 480 f.
- Georg von Schnitzler über Hitlers Appell an führende deutsche Industrielle am 20. Februar 1933 (eidesstattliche Erklärung, 10. November 1945). Abgerufen am 24. Mai 2008.
- Nürnberger Dokument PS-2828, Verhör Funk vom 4. Juni 1945. Gedruckt in: Office of the United States Chief of Counsel For Prosecution of Axis Criminality (Hrsg.): Nazi Conspiracy and Aggression. Washington 1946, Band 5, S. 495. loc.gov (PDF; 24 MB)
- Kube stützt sich dabei auf einen Tagebucheintrag von Erhard Milch. Siehe: Alfred Kube: Pour le Mérite und Hakenkreuz, Hermann Göring im Dritten Reich. München 1986, S. 120. (Tagebucheintrag vom 13. Feb, 1933, BA-MA, Nachlaß Milch N 179 / Nr. 36, Tagebuch 1933)
- Nürnberger Dokument D-201.
- Aussage Schacht vor dem Nürnberger Militärgericht am 21. Juli 1947. Auszugsweise gedruckt in: Schönbach, Königsmacher, S. 42.
- Krupp-Archiv Essen, FAH 4 E 208, Blatt 126–128. Zit. n. Schönbach, Königsmacher, S. 39.
- Henry Ashby Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Siedler, Berlin 1985, S. 393–396. Nach Peter Langer ist Reusch trotz Einladung am 14. Februar in den Winterurlaub nach Sils Maria gefahren. Die Reservierungsbestätigung für den Urlaub ging am 26. Januar ein. Peter Langer: Macht und Verantwortung. Der Ruhrbaron Paul Reusch. Essen 2012, S. 548 und 553.
- Adam Tooze: Ökonomie der Zerstörung, Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus. Siedler, München 2007, ISBN 978-3-88680-857-1, S. 134.
- Robert Bosch Archiv N11/73 gedruckt bei: Rolf Becker, Joachim Scholtyseck: Robert Bosch und die deutsch-französische Verständigung. Stuttgart o. J. (1996), S. 177. Vgl. Theodor Heuss: Robert Bosch, Leben und Leistung. Stuttgart 1948, S. 633.
- Turner verwechselt ihn mit Otto Wagener, Henry Ashby Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Siedler, Berlin 1985, S. 393. Petzold, der sich bei seiner Darstellung auf Turner stützt, übernimmt diesen Fehler. Ebenso Gustav Luntowski. Siehe: Gustav Luntowski: Hitler und die Herren an der Ruhr. Frankfurt am Main 2000, S. 91.
- Nürnberger Dokument D-203, gedruckt in Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg (Hrsg.): Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof (14. November 1945 bis 1. Oktober 1946). Nürnberg 1947, Band 35, S. 42 ff.; englischsprachige Version online verfügbar bei The Mazal Library: NMT, Volume VII, S. 557. (Dokument D-203 findet sich auf den S. 557–562), The Farben Case
- Louis P. Lochner: Die Mächtigen und der Tyrann. Darmstadt 1955, S. 172. Der Journalist Lochner, dessen Darstellung sich ansonsten nur auf Material aus dem Nürnberger Prozess stützt, gibt für diesen oft zitierten Satz keine Quelle an.
- Joachim Petzold: Franz von Papen, Ein deutsches Verhängnis, Berlin/München 1995, S. 172–174.
- Nürnberger Dokument NI-391; gedruckt in: Eberhard Czichon: Wer verhalf Hitler zur Macht. Köln 1967, S. 82 f.; (Czichon bezeichnet dieses Dokument irrtümlicherweise als NI 9550); englischsprachige Version online verfügbar bei The Mazal Library: NMT, Volume VII, S. 567. (Dokument NI-391 findet sich auf den S. 565–568), The Farben Case
- Verein Deutscher Chemiker: Die Chemische Fabrik. Band 8, Verlag Chemie 1935, S. 338.
- Verhör Auszugsweise gedruckt in: Schönbach, Königsmacher, S. 45 f.
- Hjalmar Schacht: 76 Jahre meines Lebens. Bad Wörishofen 1953, S. 380.
- Gottfried Treviranus: Das Ende von Weimar. Heinrich Brüning und seine Zeit. Düsseldorf 1968, S. 298.
- Elke Fröhlich: Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Sämtliche Fragmente. München / New York / London / Paris 1987, Teil 1, Band 2, S. 380.
- Schönbach, Königsmacher, S. 43.
- Dokument NI-904. Gedruckt bei: Czichon, S. 83.
- Kurt Pätzold, Manfred Weißbecker: Hakenkreuz und Totenkopf, Die Partei des Verbrechens. Berlin 1981, S. 213.
- Ulrike Hörster-Philipps: Großkapital, Weimarer Republik und Faschismus. In: Gerd Hardach (Hrsg.): Die Zerstörung der Weimarer Republik. Köln 1977, S. 119.
- Henry Ashby Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Siedler, Berlin 1985, S. 393–396.
- Ian Kershaw: Hitler 1889–1936. Stuttgart 1998, S. 567.
- Schönbach, Königsmacher, S. 22.
- Langer, Reusch, S. 552 f.
- Tooze, S. 129.
- Tooze, S. 129 ff.
- Werner Abelshauser: Ruhrkohle und Politik, Ernst Brandi 1875–1937. Essen 2009, S. 78.