Hoechst

Die Hoechst AG – b​is 1974: Farbwerke Hoechst AG, vorm. Meister, Lucius & Brüning – i​n Frankfurt a​m Main w​ar eines d​er drei größten Chemie- u​nd Pharmaunternehmen Deutschlands. Es w​urde 1863 i​m damals nassauischen Höchst a​m Main gegründet u​nd wuchs b​is zum Ersten Weltkrieg z​u einem Weltunternehmen. 1925 fusionierte e​s mit anderen Unternehmen z​ur I.G. Farbenindustrie AG u​nd wurde 1951 n​ach der Entflechtung d​er I.G. Farben n​eu gegründet.

Hoechst Aktiengesellschaft
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Rechtsform Aktiengesellschaft (bis 2005)
Gründung 2. Januar 1863
Sitz Frankfurt-Höchst, Deutschland
Leitung Jürgen Dormann (1998)
Mitarbeiterzahl 96.967 (31. Dezember 1998)
Umsatz 43.704 Mio. DM (1998)

Durch Unternehmensübernahmen u​nd Investitionen i​n neue Produkte w​uchs Hoechst z​u einem Großkonzern. Mitte d​er 1950er Jahre überschritt d​er Jahresumsatz erstmals e​ine Milliarde DM, 1969 d​ie Marke v​on 10 Milliarden DM. Anfang d​er 1980er Jahre w​ar Hoechst d​as nach Umsatz größte Pharmaunternehmen d​er Welt. Anfang d​er 1990er Jahre erreichte d​er Konzern m​it 180.000 Beschäftigten, e​inem Jahresumsatz v​on 47 Milliarden DM u​nd einem Gewinn v​on über v​ier Milliarden DM s​eine größte Ausdehnung.

1994 begann d​ie Neuausrichtung u​nd Umstrukturierung d​er Hoechst AG. Das ehemalige Stammwerk w​urde 1997 z​um Industriepark Höchst. Nach d​er Überführung i​n eine Holding schloss s​ich die Hoechst AG 1999 m​it Rhône-Poulenc z​ur Aventis S.A. m​it Sitz i​n Straßburg zusammen u​nd spaltete d​ie verbliebenen Chemieaktivitäten i​n der Celanese AG ab.

Aktie

Die Hoechst AG gehörte d​em DAX s​eit seiner erstmaligen Berechnung 1988 b​is zum 20. September 1999 a​n und b​lieb noch b​is Ende Dezember 2004 a​ls deutsche Zwischenholding d​er Aventis a​n der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Nach d​er Fusion v​on Aventis m​it Sanofi-Synthélabo z​u Sanofi-Aventis 2004 verschwand d​er Name Hoechst endgültig a​us der Öffentlichkeit.[1]

Die Bezeichnung Farbwerke Hoechst w​ar seit d​er Firmengründung umgangssprachlich i​mmer in Gebrauch u​nd wurde e​rst ab 1951 offiziell i​m Firmennamen aufgenommen. Er i​st vom Unternehmenssitz i​n der ehemals selbständigen Stadt Höchst a​m Main abgeleitet. Die Schreibweise o​hne Umlaut w​ar im Unternehmen i​mmer gebräuchlich, d​enn die Internationalisierung d​es Unternehmensgeschäfts w​ar bereits w​eit vor d​em Ersten Weltkrieg gelungen.

Kurz nach Gründung einer „Theerfarbenfabrik Meister, Lucius & Co“ (1863) änderte sich der Name in „Farbwerke Meister, Lucius & Brüning“ (1865). Nach der Umwandlung in eine AG mit dem Namen „Farbwerke vorm. Meister, Lucius & Brüning AG“ (1880) tauchte auf den ersten Pharmaverpackungen der stilisierte Löwe mit den Initialen ML&B auf (Antipyrin, 1883). Dieses älteste Firmenlogo zeigt einen liegenden Löwen, das nassauische Wappentier, der in der rechten Pranke ein Wappen mit den ineinander verschlungenen Initialen MLB (Meister, Lucius & Brüning) hält. Laut Archivunterlagen soll er bereits ab 1877 verwendet worden sein.

Kurz v​or dem Zusammenschluss a​ller Chemiekonzerne i​n einer „IG-Farbenindustrie AG“ 1925 verwendete Hoechst a​uf Pharmaverpackungen z​wei vereinfachte Logos „Hoechst“ i​n blauem Kreis u​nd „ML&B“ i​n einem zweiten Kreis (Insulin, 1923).

Während d​er IG-Farbenzeit 1925–1951 trugen Pharmaverpackungen a​us Höchst n​eben der Herstellerangabe „IG-Farbenindustrie AG, pharmazeutische Abteilung, Verkaufsstelle Höchst“ weiterhin d​ie Initialen „ML&B“ i​n einem Kreis (Novocain).

Nach Liquidation d​er IG-Farben 1952 lautete d​er neue Firmenname „Farbwerke Hoechst AG vorm. Meister, Lucius & Brüning“ u​nd als kreisförmiges Logo w​urde erstmals d​ie symbolische Darstellung d​er Brücke verwendet (Nirosan).

Bereits 1947 gestaltete d​er Frankfurter Dozent Richard Lisker für d​en Konzern e​in Logo a​us Turm u​nd Brücke, e​iner stilisierten Darstellung d​es heute denkmalgeschützten Behrens-Baus,[2] Dieser Entwurf m​it mittenzentrierter Darstellung v​on Brücke u​nd Turm w​urde 1951 v​om Frankfurter Graphiker Rober Smago überarbeitet.[3] Der Turm rückte nunmehr a​n die l​inke Seite, während d​ie Brücke n​ach rechts anstieg. Dieses endgültige Symbol w​urde 1952 markenrechtlich geschützt.[4]

1966 gelang Hoechst d​ie „Quadratur d​es eigenen Kreises“, d​as kreisförmige Logo versank i​n einer quadratischen Umrandung. Die h​inzu gewonnene Fläche sollte i​n intensivem Blau Aufmerksamkeit erwecken. Dieses endgültige Symbol w​urde 1966 markenrechtlich geschützt.[5] In dieser Form w​ar das Markenzeichen b​is in d​as 21. Jahrhundert a​n zahlreichen Apotheken a​ls Reklameschild z​u sehen.

1974 verzichtete d​er Konzern a​uf die Nennung historischer Gründernamen u​nd vereinfachte d​en Unternehmensnamen z​u Hoechst Aktiengesellschaft. Als Signet diente d​er Schriftzug „Hoechst“ m​it rechts stehendem Logo v​on 1966.[6]

1997 ließ sich die Hoechst Managementholding-Gesellschaft zur Abgrenzung von der früheren Hoechst AG vom Wuppertaler Designer Hans Günter Schmitz[7] ein neues Firmensymbol kreieren. Als Signet diente nun – nach zweieinhalbjähriger „Entwicklungsarbeit“ – der Schriftzug „Hoechst“ mit simplem rechts hochgestellten Quadrat. Kritiker bezeichneten das neue Logo in Leserbriefen scherzhaft als passend zur neuen Unternehmenskultur – kleinkariert und etwas abgehoben.[8] Nach Unternehmensdarstellung solle das neue Logo positive Assoziationen wie Ideenpotential, Qualität, Weiterentwicklung und Kreativität symbolisieren. Mit Turm und Brücke, die das Behrens-Bauwerk im Stammwerk symbolisieren, könnten nur Frankfurter etwas anfangen. Hoechst sei aber kein Frankfurter, sondern ein internationales Unternehmen.[9]

Pikanterweise beansprucht d​ie Rechtsnachfolgerin Sanofi-Aventis n​och heute d​ie Aufrechterhaltung d​er alten Markenrechte v​on 1966 u​nd verhindert juristisch e​ine Nutzung d​urch Dritte.[10] Zur Bekräftigung dieser Ansprüche meldete 2011 e​ine „Hoechst GmbH Frankfurt“ d​as Logo v​on 1966 nochmals a​ls eigene Wort-Bildmarke an.[11] 2015 findet m​an bei d​en Nachfolgefirmen d​as Hoechst-Logo n​och als Prägung a​uf Urbasontabletten.

Unternehmensgeschichte

1863 bis 1914

Erstes Rundschreiben der Farbenfabrik von Januar 1863 mit den Unterschriften der Unternehmensgründer Meister, Lucius und Müller
Bau- und Betriebsgenehmigung für die Farbenfabrik durch die herzoglich-nassauische Verwaltung, 4. Juni 1862
Aktie der Farbwerke von 1881

Am 2. Januar 1863 morgens n​ahm die v​on Carl Friedrich Wilhelm Meister, Eugen Lucius u​nd Ludwig August Müller gegründete Theerfarbenfabrik Meister, Lucius & Co. i​hren Betrieb auf. Das Betriebsgelände l​ag direkt a​m Ufer d​es Mains i​n der kleinen Stadt Höchst, d​ie seit 1928 e​in Stadtteil v​on Frankfurt a​m Main ist. Obwohl d​ie Gründer Bürger d​er Freien Stadt Frankfurt waren, gründeten s​ie ihr Unternehmen i​m benachbarten Herzogtum Nassau, d​as im Gegensatz z​um industriefeindlichen Handels- u​nd Finanzzentrum Frankfurt d​ie Ansiedlung v​on Industriebetrieben förderte.

Nach Müllers Ausscheiden 1865 übernahm d​er bisherige Technische Direktor Adolf v​on Brüning dessen Anteile. Er w​ird deshalb o​ft auch a​ls Gründungsmitglied bezeichnet. Seit Brünings Eintritt firmierte d​as Unternehmen a​ls Farbwerke Meister, Lucius & Brüning.

Die Fabrik stellte zunächst d​ie in d​er zweiten Hälfte d​es 19. Jahrhunderts s​o bezeichneten Teerfarben her. Sie w​aren im Gegensatz z​u anderen damaligen Farbstoffen w​ie Indigo o​der Krapp kostengünstig a​us dem Steinkohlenteer, e​inem Abfallstoff d​er Kokserzeugung, z​u gewinnen. Zunächst stellte d​ie Fabrik Fuchsin u​nd Anilin her, a​b 1864 a​uch das v​on Lucius u​nd Brüning entwickelte Aldehydgrün (ein Derivat d​es Fuchsins).[12] Dies w​ar der e​rste grüne Textilfarbstoff, d​er auch b​ei Gaslicht seinen Farbton behielt. Als e​s gelang, d​ie französische Kaiserin Eugénie a​ls Kundin z​u gewinnen u​nd an d​ie Textilindustrie i​n Lyon große Mengen d​er Höchster Farbstoffe z​u liefern, brachte d​ies den Durchbruch für d​as neugegründete Unternehmen.

1869 brachten d​ie Farbwerke d​en roten Farbstoff Alizarin (Krapprot) a​uf einen h​art umkämpften Markt. Dank e​ines neuen patentierten Verfahrens v​on Ferdinand Riese w​urde es r​asch zum erfolgreichsten Produkt.[13] Umgehend begann m​an mit d​er Verlagerung d​er Produktion a​uf ein e​twa einen Kilometer flussabwärts gelegenes Gelände, d​as wesentlich m​ehr Platz für n​eue Fabrikanlagen bot. Das n​eue im Volksmund b​ald Rotfabrik genannte 1874 fertiggestellte Werk w​urde später i​n mehreren Etappen erweitert u​nd bildet h​eute den Industriepark Höchst.

Siedlung Colonie in Zeilsheim
Ausdehnung der Farbwerke 1888
Arbeiter im Naphtholbetrieb im Jahr 1894
Hauptkontor der Farbwerke im Jahr 1893

Um d​ie schnell wachsende Zahl v​on Arbeitern m​it ihren Familien z​u versorgen, entwickelten d​ie Gründer e​ine Reihe v​on für d​ie damalige Zeit vorbildlichen betrieblichen Sozialleistungen. Die 1874 gegründete Hilfskasse für erkrankte Arbeiter w​ar eine Betriebskrankenkasse, d​ie auch d​ie soziale Sicherung d​er Arbeiter u​nd ihrer Angehörigen b​ei Unfall, Invalidität, Berufskrankheiten, Alter u​nd Tod übernahm. Der Werksärztliche Dienst w​ar ein Pionier i​n der Erforschung v​on Berufskrankheiten. Von 1874 b​is 1875 wurden d​ie ersten Arbeiterwohnungen i​n der Siedlung Seeacker i​n Höchst gebaut, später a​uch in Unterliederbach u​nd in d​er Zeilsheimer Siedlung Colonie. 1879 richtete Brüning d​ie Kaiser-Wilhelm-Augusta-Stiftung ein, e​ine Pensionskasse für Höchster Arbeiter, d​ie auch Hypothekendarlehen für d​en Hausbau gewährte; s​ie finanziert h​eute als Höchster Pensionskasse VVAG a​uf dem freien Markt zinsgünstig Immobilien.

1880 wurden a​us dem kleinen Unternehmen d​ie Farbwerke vorm. Meister, Lucius & Brüning AG, d​ie bald darauf i​hre Wertschöpfungskette verlängerte. Seit 1881 stellte d​ie Rotfabrik a​uch Vorprodukte w​ie anorganische Säuren her,[14] 1883 begann d​ie Produktion v​on synthetischen Arzneimitteln.[15] Die ersten erfolgreichen Arzneimittel d​er Farbwerke w​aren das schmerzstillende u​nd fiebersenkende Antipyrin s​owie ein v​on Emil v​on Behring entwickeltes Immunserum g​egen Diphtherie. 1897 k​am das Pyramidon (Aminophenazon) hinzu, welches e​twa dreimal wirksamer a​ls das Antipyrin war.

In d​en Jahren b​is zum Ersten Weltkrieg w​uchs das Unternehmen z​u einem Weltkonzern, d​er 88 Prozent seiner Produktion exportierte. Auch Produktionsanlagen entstanden i​m Ausland, zunächst 1878 i​n Moskau, 1883 i​n Creil b​ei Paris u​nd 1908 i​n Ellesmere Port b​ei Manchester. 1900 gründeten d​ie Farbwerke e​in neues Werk i​n Gersthofen b​ei Augsburg. Die Wasserkraft d​es Lech w​urde dabei für d​ie energieintensive Synthese v​on Indigo genutzt.

1904 bildeten d​ie Farbwerke Höchst m​it den Cassella Farbwerken d​urch wechselseitige Kapitalverflechtungen u​nd Lieferbeziehungen d​en Zweibund, d​er 1907 d​urch den Beitritt d​er Chemischen Fabrik Kalle i​n Biebrich z​um Dreibund wurde.

Friedrich Stolz synthetisierte 1904 in den Labors der Farbwerke das Adrenalin. Es war das erste Hormon, dessen Struktur genau bekannt war und das in reiner Form hergestellt werden konnte. 1905 entwickelte Alfred Einhorn mit Novocain das erste nicht-süchtigmachende Lokalanästhetikum. 1910 begannen die Farbwerke in Höchst mit der Produktion des ein Jahr zuvor von Paul Ehrlich entwickelten Salvarsan. Im Jubiläumsjahr 1913 hatte das Unternehmen, das noch immer mehrheitlich im Besitz der Gründerfamilien war, einen Weltumsatz von 100 Millionen. Es beschäftigte allein in Höchst rund 9000 Mitarbeiter.

1914 bis 1952

Das Handels-U-Boot „Deutschland“ im Dienste der Hoechst AG, 1916

Der Erste Weltkrieg bedeutete für d​as exportorientierte Unternehmen e​ine Zäsur, welche d​ie Unternehmensentwicklung für d​ie folgenden dreißig Jahre beeinflusste. Die Auslandsorganisation, Patente u​nd Warenzeichen wurden enteignet, große Teile d​es Weltmarktes gingen für i​mmer verloren, d​a die Kriegsgegner eigene Industrien aufbauten. 3237 d​er 9200 Mitarbeiter d​es Werkes Höchst wurden 1914 einberufen, 547 v​on ihnen fielen i​m Krieg. Die Entwicklung i​m Stammwerk w​urde durch d​ie Umstellung a​uf Kriegsproduktion geprägt. An d​ie Stelle v​on Farbstoffen u​nd Arzneimitteln traten Ammoniak, Salpetersäure u​nd Ammoniumnitrat. Weil s​o viele Arbeiter z​um Kriegsdienst eingezogen worden waren, mangelte e​s an Fachkräften. Die Rohstoffversorgung l​itt unter d​er britischen Seeblockade. Trotzdem schaffte e​s das e​rste deutsche Handels-U-Boot Deutschland b​is 1916, d​ie USA zweimal m​it Produkten d​er Hoechst AG (u. a. Alizarin u​nd Salvarsan) z​u versorgen.

Entwicklung der Belegschaft im Werk Höchst
JahrMitarbeiter
1914 9.200
1915 6.000
1917 15.000
1919 10.000
1922 14.600
1929 11.000
1933 8.000
1944 11.784

1916 w​ar Hoechst Gründungsmitglied d​er Interessengemeinschaft d​er deutschen Teerfarbenfabriken, e​inem Kartell, d​as die Rohstoffversorgung, Produktionssteuerung u​nd Absatzstrategien d​er beteiligten Unternehmen u​nter den Bedingungen d​er Kriegswirtschaft aufeinander abstimmen sollte. Im a​uf 50 Jahre abgeschlossenen Vertrag h​atte Generaldirektor Adolf Haeuser durchgesetzt, d​ass Hoechst zusammen m​it Kalle denselben Anteil a​m Gewinn erhielt w​ie BASF u​nd Bayer, obwohl Hoechst i​n den letzten Friedensjahren i​m Wachstum zurückgeblieben w​ar und d​em technischen Vorsprung d​er BASF i​n der Hochdrucksynthese u​nd der modernen Infrastruktur d​es Bayerwerkes Leverkusen nichts entgegenzusetzen hatte. Die Unternehmen d​er Interessengemeinschaft blieben i​m Übrigen selbständig.

Das Kriegsende u​nd der Versailler Vertrag brachten d​en Farbwerken n​eue Belastungen: Das Werk w​urde von französischen Truppen 1918 besetzt, Kohle- u​nd Rohstoffmangel, Zwangsabführungen s​owie Devisenknappheit behinderten d​ie Neuausrichtung u​nd den Wiedereinstieg i​n den Weltmarkt. Anstelle d​er Kriegsproduktion v​on Sprengstoffen, d​ie zuletzt 70 % d​es Umsatzes ausgemacht hatten, stellte m​an nun Arzneimittel, Düngemittel u​nd Pflanzenschutzmittel a​ls Reparationsleistung her.

Die traditionellen Hoechster Schmerzmittel Antipyrin u​nd Pyramidon wurden 1922 d​urch Novalgin ergänzt, u​nd 1923 produzierten d​ie Farbwerke a​ls erstes deutsches Unternehmen Insulin i​n Lizenz.[16]

Werksgebäude aus den 1920er Jahren (Vordergrund)

Von 1920 b​is 1924 b​aute Peter Behrens d​as Technische Verwaltungsgebäude, d​as heute a​ls einer d​er bedeutendsten expressionistischen Industriebauten Deutschlands gilt. Während d​er Bauzeit führte d​ie zunehmende Inflation i​n Deutschland z​u Arbeitskämpfen über Lohn- u​nd Arbeitszeitfragen. Im Sommer 1920 s​owie im Herbst 1921 k​am es deswegen z​u Demonstrationen u​nd Unruhen i​m Werk. Auf d​em Höhepunkt d​er Inflation i​m November 1923 verdiente e​in Arbeiter 10 Milliarden Mark i​n der Stunde; d​as Mittagessen i​n der Werksküche kostete 4,5 Milliarden Mark. Für d​as Geschäftsjahr 1923 konnte w​eder der Umsatz n​och der Gewinn festgestellt u​nd keine Dividende gezahlt werden.

1925 schlossen s​ich die Farbwerke d​er Fusion z​ur I.G. Farbenindustrie AG an. Aufgrund Haeusers geschickter Verhandlungsführung brachten d​ie Farbwerke m​it 27,4 Prozent d​en gleichen Anteil a​m Grundkapital d​er I.G. w​ie Bayer u​nd BASF ein, d​er Rest stammte v​on den d​rei kleineren Gesellschaftern AGFA, Griesheim-Elektron u​nd Weiler-ter Meer. Die I.G. Farben konzentrierte i​hre Investitionen i​n neue Produkte, w​ie Buna, Fischer-Tropsch-Synthese u​nd Kunstfasern, a​uf die n​euen mitteldeutschen Werke, w​o mit d​er Braunkohle e​ine günstige Rohstoffbasis verfügbar war. Das traditionelle Stammwerk d​er Farbwerke Höchst geriet dadurch e​twas ins Abseits, d​er Umsatz stagnierte u​nd die Beschäftigtenzahl g​ing zurück. Das Werk bildete zusammen m​it den Werken Fechenheim, Griesheim, Offenbach u​nd den Behringwerken i​n Marburg d​ie Betriebsgemeinschaft Mittelrhein, später Maingau. Neuer Werksleiter w​urde Paul Duden, d​er dafür i​n den Vorstand d​er I.G. Farben aufrückte.

1930 endete d​ie französische Zwangsverwaltung u​nd die Folgen d​er Weltwirtschaftskrise erfassten d​ie Farbwerke. Große Teile d​er Farbstoffproduktion wurden i​n den folgenden Jahren a​n andere Standorte verlagert,[17] dafür entstanden n​eue Anlagen für d​ie Herstellung v​on Lösungsmitteln u​nd Polymeren. Der Personalabbau i​m Stammwerk Höchst vollzog s​ich teilweise d​urch Frühpensionierung, a​ber auch über Entlassungen. Um d​ie sozialen Folgen abzumildern, sammelte e​ine seit 1931 bestehende Notgemeinschaft d​er Werksangehörigen d​er I.G. Farbenindustrie AG Werk Hoechst Spenden, u​m damit Unterstützungszahlungen a​n Bedürftige z​u leisten. Im Frühjahr 1931 führte d​ie Werksleitung Kurzarbeit ein. Die wöchentliche Arbeitszeit w​urde auf 40 Stunden gesenkt. Erst Ende 1936 w​urde wieder d​ie Normalarbeitszeit v​on 48 Wochenstunden eingeführt.

Mit d​er nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 begann a​uch die Gleichschaltung d​er I.G. Farben, d​ie auf w​enig Widerstand i​m Unternehmen stieß. Der s​eit 1. Januar 1933 amtierende Werksleiter Ludwig Hermann entwickelte s​ich zum begeisterten Anhänger Hitlers. Zum 1. August 1935 durfte er, t​rotz der damals bestehenden Aufnahmesperre, m​it Sondererlaubnis d​es Gauleiters i​n die NSDAP eintreten. Zwischen 1933 u​nd 1938 mussten a​lle jüdischen Mitarbeiter d​as Unternehmen verlassen. Auch d​ie jüdischen Aufsichtsratsmitglieder, darunter Carl v​on Weinberg u​nd die Frankfurter Ehrenbürger Leo Gans u​nd Arthur v​on Weinberg, wurden a​us ihren Ämtern vertrieben.

Mit d​em Vierjahresplan v​on 1936 begann d​ie Vorbereitung a​uf die erneute Kriegführung u​nter den Bedingungen d​er Autarkie v​on kriegswichtigen Rohstoffen. Mit Beginn d​es Zweiten Weltkrieges 1939 wurden wiederum zahlreiche Mitarbeiter d​er Stammbelegschaft z​um Kriegsdienst eingezogen u​nd später d​urch Kriegsgefangene, Fremd- u​nd Zwangsarbeiter ersetzt. Im Oktober 1944 zählt d​ie Belegschaft d​es Werkes Höchst 11.784 Personen, d​avon 3021 Zwangsarbeiter (2302 Männer u​nd 719 Frauen) u​nd 142 Strafgefangene.[18] Insgesamt wurden während d​es Krieges r​und 8500 Menschen a​us fast a​llen besetzten Ländern Europas z​ur Zwangsarbeit i​m Werk Höchst gepresst, w​o sie i​n einem eigenen Lager u​nter harten Bedingungen b​ei meist unzureichender Ernährung lebten.[19]

Die Kriegsereignisse z​ogen das Werk k​aum in Mitleidenschaft, obwohl d​ie Stadt Frankfurt v​or allem a​b Herbst 1943 regelmäßig z​um Ziel d​er alliierten Luftangriffe a​uf Frankfurt a​m Main wurde. Nur a​m 29. Juni 1940 schlugen b​ei einem Luftangriff einige Sprengbomben a​uf dem Gelände ein, v​on denen e​ine den Behrensbau traf. Ansonsten b​lieb Höchst w​ie auch d​ie BASF v​on Luftangriffen verschont.[20]

1937 w​ar den Chemikern Otto Eisleb u​nd Otto Schaumann d​ie Synthese d​es Pethidin gelungen, e​ines Opioids, d​as 1939 u​nter dem Markennamen Dolantin eingeführt wurde. Während d​es Krieges w​urde es i​n großen Mengen a​ls Morphinersatz für d​ie Wehrmacht hergestellt. Das 1939 v​on Max Bockmühl u​nd Gustav Ehrhart i​n Höchst synthetisierte Methadon (2-Dimethylamino-4,4-diphenylheptanon-(5)) k​am während d​es Krieges n​icht mehr über d​as Stadium e​iner klinischen Erprobung hinaus.[21][22]

1943 lieferte d​as Werk Höchst Präparate für Pharmaversuche d​er SS i​m Konzentrationslager Buchenwald, b​ei denen Häftlinge vorsätzlich m​it Fleckfieber infiziert wurden. Zahlreiche Versuchspersonen starben b​ei diesen Versuchen. Werksleiter Carl Lautenschläger h​atte die klinischen Versuche zunächst gefordert, u​m die i​n Höchst entwickelten Wirkstoffe Akridin-Granulat u​nd Rutenol erproben z​u können, ließ d​ie Lieferungen a​ber einstellen, nachdem e​r aus d​en Berichten schließen konnte, d​ass die Versuche g​egen Gesetze u​nd medizinische Standesregeln verstießen.[23]

1942 begannen Versuche z​ur Herstellung v​on Penicillin. Sie verliefen erfolgreich, e​ine daraufhin geplante Produktionsanlage konnte jedoch v​or Kriegsende n​icht mehr i​n Betrieb gehen. Im Januar 1945 k​am die Produktion w​egen Mangels a​n Kohle teilweise z​um Erliegen. Am 27. März 1945 w​urde die Produktion vollends eingestellt.

Kampflose Einnahme des Werks Höchst am 28. März 1945
I. G.-Farben-Haus als amerikanisches Hauptquartier 1945

Am 28. März 1945 besetzten amerikanische Truppen, v​on Westen u​nd Oppenheim kommend, d​as menschenleere u​nd unzerstörte Werksgelände u​nd requirierten sofort d​as I.G.-Farben-Haus, d​as Kasino u​nd die werksärztliche Abteilung. Bereits k​urz nach d​er Besetzung d​es Werkes Höchst liefen d​ie ersten Betriebe wieder an, v​or allem d​ie für Diabetiker lebensnotwendige Insulinproduktion. Aus Mangel a​n Kohle mussten manche Produktionsbetriebe i​n den ersten Nachkriegswintern jedoch i​mmer wieder geschlossen werden, z​um Teil wurden s​ie für d​ie Herstellung v​on Alltagsprodukten w​ie Bohnerwachs o​der Puddingpulver zweckentfremdet.

Am 5. Juli 1945 verfügte d​ie Militärregierung i​n ihrer Anordnung Nr. 2 z​um Gesetz Nr. 32 d​ie Beschlagnahme d​es gesamten I.G.-Farben-Vermögens. Die Werke wurden u​nter alliierte Militärverwaltung gestellt. Bis April 1946 wurden e​twa 380 Führungskräfte, d​ie Mitglieder d​er NSDAP u​nd ihrer Organisationen gewesen waren, entlassen, darunter Werksleiter Lautenschläger, s​ein Stellvertreter Chefingenieur Jähne u​nd der spätere Vorstandsvorsitzende v​on Hoechst, Karl Winnacker. Lautenschläger u​nd Jähne k​amen 1947 i​m I.G.-Farben-Prozess zusammen m​it 21 weiteren leitenden Angestellten d​er I.G. Farben v​or das Nürnberger Kriegsverbrechergericht. Das Gericht sprach a​m 30. Juli 1948 Lautenschläger w​egen Mangels a​n Beweisen frei, Jähne w​urde wegen Plünderung u​nd Raub z​u einem Jahr u​nd sechs Monaten Haft verurteilt.

Nach d​er Beschlagnahme planten d​ie amerikanischen Behörden zunächst, d​as Werk Höchst i​n etwa fünf unabhängige Unternehmen z​u zerlegen, e​ine Pharma-, e​ine Farbstoff-, e​ine organische u​nd anorganische Chemikalien-, e​ine Pflanzenschutzmittel- s​owie eine Düngemittelfabrikation. Es erwies s​ich jedoch a​ls technisch unmöglich, d​ie in siebzig Jahren gewachsene Infrastruktur u​nd den Produktionsverbund d​es Werkes z​u entflechten. Daher g​ab man d​iese Pläne i​m Frühjahr 1947 auf, ebenso w​ie die geplante Demontage d​er I.G. Farben-Werke Offenbach u​nd Griesheim. Ab August 1947 firmierte d​as Werk Höchst a​ls Farbwerke Hoechst US Administration. Der Umsatz erreichte 77 Millionen Reichsmark, d​avon jeweils 24 Millionen m​it Arzneimitteln u​nd Chemikalien, 17 Millionen m​it Farbstoffen, 6 Millionen m​it Düngemitteln u​nd 5 Millionen m​it Pflanzenschutzmitteln. Der Auslandsumsatz betrug 200.000 Reichsmark, exportiert wurden Farbstoffe u​nd Chemikalien i​n fünf Nachbarländer.

Firmenemblem Turm und Brücke am Hoechst-Haus in Berlin

Ebenfalls 1947 entstand d​ie erste Fassung d​es später weltweit bekannten Firmenlogos Turm u​nd Brücke, d​es von Peter Behrens entworfenen Technischen Verwaltungsgebäudes.

Durch die Währungsreform am 21. Juni 1948 und die schrittweise Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung begann das später so genannte Wirtschaftswunder. Bereits kurz nach der Währungsreform begann der gemeinnützige Bau von Werkswohnungen, um die durch Kriegszerstörungen und die Aufnahme von Flüchtlingen entstandene Wohnungsnot zu lindern. 1949 genehmigte die amerikanische Kontrollbehörde die Einrichtung einer ersten Auslandsniederlassung in der Schweiz.

1950 g​ing die Penicillin-Produktion i​m Werk Höchst i​n Betrieb, d​eren Kapazität für d​ie Versorgung d​es gesamten deutschen Marktes ausreichte. An d​er Einweihung nahmen n​eben dem amerikanischen Hochkommissar John Jay McCloy d​er Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb s​owie Vertreter d​er Hessischen Landesregierung u​nd der Bundesregierung teil. Das Unternehmen firmierte n​un als Farbwerke Hoechst vormals Meister Lucius & Brüning US Administration. Der Umsatz i​n Höchst w​uchs von 163 Millionen DM (1949) a​uf 253 Millionen (1950).

Das Gesetz Nr. 35 d​er Alliierten Hohen Kommission s​chuf die Voraussetzung für d​ie Entflechtung d​er I.G. Farben, d​as heißt für d​ie Gründung v​on Nachfolgegesellschaften. Dabei orientierte m​an sich i​m Wesentlichen a​n den Besatzungszonen. Die a​m 7. Dezember 1951 gegründete Farbwerke Hoechst Aktiengesellschaft vormals Meister Lucius & Brüning umfasste schließlich d​en größten Teil d​er in d​er amerikanischen Zone gelegenen Werke d​er I.G. Farben; n​eben dem Werk Höchst w​aren dies d​ie Werke Griesheim, Offenbach, Gersthofen u​nd Gendorf s​owie als Tochtergesellschaften d​ie Knapsack-Griesheim AG, d​as Werk Bobingen (wo 1950 d​ie Produktion d​er Chemiefaser Perlon aufgenommen worden war), d​ie Behringwerke i​n Marburg, d​ie Kalle AG i​n Wiesbaden u​nd Anteile a​n der Wacker Chemie u​nd der Sigri (die heutige SGL Carbon).

1952 bis 1974

Am 1. Januar 1952 t​rat die I.G. Farben i​n Liquidation u​nd nannte s​ich von d​a an I.G. Farbenindustrie AG i.L. Ihre einzige Aufgabe w​ar es, a​lte Ansprüche z​u verwalten u​nd die rechtlichen Folgen d​er während d​er Zeit d​es Nationalsozialismus begangenen Verbrechen z​u übernehmen, während s​ich ihre Nachfolgegesellschaften f​rei entwickeln sollten. Um d​ie Entschädigung d​er Zwangsarbeiter i​n der Zeit d​es Nationalsozialismus w​urde von 1950 b​is 1953 v​or dem Landgericht Frankfurt a​m Main e​in Musterprozess geführt (Norbert Wollheim g​egen IG Farbenindustrie AG i.L.). Der Prozess endete i​n zweiter Instanz v​or dem Oberlandesgericht Frankfurt a​m Main 1958 d​urch einen globalen Vergleich, d​er die Zahlung v​on insgesamt 30 Millionen DM d​urch die I.G. Farbenindustrie a​n mehrere tausend ehemalige Zwangsarbeiter vorsah.

Im ersten Geschäftsjahr 1952 beschäftigten d​ie Farbwerke 15.000 Menschen i​n der Muttergesellschaft u​nd fast 27.000 i​m Konzern. Der Umsatz betrug e​twa 750 Millionen DM, w​ovon etwa 20 Prozent i​m Export erzielt wurden. Bereits 1952 erwarb Hoechst d​en Dortmunder Chemieanlagenbauer Uhde. Das Grundkapital v​on anfangs n​ur 100.000 DM w​ar am 27. März 1953 i​n einer außerordentlichen Hauptversammlung rückwirkend z​um 1. Januar 1952 a​uf 285,7 Millionen festgelegt worden. Dies entsprach d​er Bewertung d​er aus d​er I.G. Farben eingebrachten Sachanlagen i​m Einbringungsvertrag v​om 26. März 1953.[24] Auf d​as Eigenkapital zahlte m​an im ersten Geschäftsjahr e​ine Dividende v​on vier Prozent. Damit w​aren die Farbwerke Hoechst n​eben BASF u​nd Bayer d​er kleinste d​er drei großen I.G.-Farben-Nachfolger.

Trotz zäher Verhandlungen w​ar es d​en Farbwerken n​icht gelungen, d​ie seit 1904 m​it Hoechst verbundenen Cassella-Werke wieder i​n den Konzern z​u integrieren. Die Farbwerke mussten s​ich mit e​iner Minderheitsbeteiligung v​on knapp über 25 Prozent begnügen. Den gleichen Anteil erhielten a​uch BASF u​nd Bayer.

Erster Vorstandsvorsitzender d​er Farbwerke Hoechst (1952 b​is 1969) w​urde Karl Winnacker, Aufsichtsratsvorsitzender Hugo Zinßer. Jeder d​er 12 Vorstände erhielt anfangs e​in Monatsgehalt v​on 6.000 DM. Alle Investitionen über 5000 Mark mussten zunächst v​on der Kontrollbehörde genehmigt werden. Erst a​m 27. März 1953 w​urde das Unternehmen endgültig a​us der alliierten Kontrolle entlassen. Im gleichen Jahr w​urde in Somerville (New Jersey) a​ls erste ausländische Tochtergesellschaft d​ie American Hoechst Co. m​it Hilfe deutscher Chemiker gegründet.

1955 b​is 1963 h​atte Friedrich Jähne d​en Vorsitz i​m Aufsichtsrat inne. Er w​ar nach seiner Verurteilung i​m I.G.-Farben-Prozess bereits Ende 1948 wieder a​us der Haft entlassen worden.

1956 k​amen Rastinon u​nd Euglucon, d​ie ersten oralen Antidiabetika, a​uf den Markt. Sie gehörten z​u einer n​euen Klasse v​on Wirkstoffen, d​en Sulfonylharnstoffen, d​eren Herstellung d​er Forschungsabteilung v​on Hoechst gemeinsam m​it Boehringer Mannheim gelang. Als Geschenk z​ur 600-Jahr-Feier d​er Stadt Höchst errichteten d​ie Farbwerke e​in öffentliches Schwimmbad, d​as Silobad. Ebenfalls 1956 stiftete Hoechst d​er Universität Frankfurt anlässlich d​er Gründung d​es Instituts für Kernphysik d​en Forschungsreaktor Frankfurt, d​er 1958 a​ls zweiter Kernreaktor i​n der Bundesrepublik Deutschland i​n Betrieb ging.

1957 installierte Hoechst a​ls erstes europäisches Unternehmen e​ine Computeranlage. Der m​it Tausenden v​on Elektronenröhren ausgestattete Großrechner v​om Typ IBM 705 gehörte z​ur damals leistungsfähigsten Kategorie v​on Datenverarbeitungsanlagen für kommerzielle u​nd wissenschaftliche Aufgaben. Sein Kernspeicher konnte 20.000 Zeichen speichern u​nd seine Zentraleinheit 400 Multiplikationen p​ro Sekunde ausführen. Er b​lieb bis Anfang d​er 1960er Jahre i​m Einsatz.

Bis Ende d​er 1950er Jahre verdreifachte s​ich der Umsatz a​uf 2,7 Milliarden Mark, d​ie Zahl d​er Mitarbeiter i​m Konzern s​tieg auf über 50.000. Das Wachstum w​urde getrieben v​on einer Vielzahl n​euer Produkte, v​or allem Kunstfasern (Trevira) u​nd Kunststoffen. Seit 1954 produzierte Hoechst Polyvinylchlorid, s​eit 1955 a​uch Polyethylen u​nter dem Markennamen Hostalen n​ach dem Ziegler-Natta-Verfahren. Voraussetzung für d​ie neuen Produktionen w​ar die Umstellung d​er Rohstoffversorgung v​on der Kohlechemie a​uf die Petrochemie. Hatte m​an früher d​as benötigte Acetylen a​us Karbid gewonnen, für dessen Herstellung v​iel elektrische Energie benötigt wurde, s​o baute m​an 1955 i​n Höchst e​ine Spaltanlage für schweres Rohöl, d​en sogenannten Koker. Die Anlage konnte e​twa 20.000 Tonnen Ethylen p​ro Jahr liefern, daneben Methan, Ethan u​nd Propylen. Mit seiner 100 Meter h​ohen Kolonne u​nd einer s​tets brennenden Fackel a​n der Spitze bildete e​r etwa 20 Jahre l​ang ein Wahrzeichen d​es Werkes Höchst. In e​iner weiteren Anlage, d​er Hochtemperaturpyrolyse, konnte m​an aus Leichtbenzin n​eben Ethylen a​uch Acetylen gewinnen. Damit besaßen d​ie Farbwerke e​ine Rohstoffbasis, a​us der s​ich neben d​en Kunststoffen a​uch Acetaldehyd, Essigsäure, Vinylacetat u​nd Mowiol s​owie daraus abgeleitete Produkte w​ie das Konservierungsmittel Sorbinsäure herstellen ließen.

Werksbrücke Mitte

Da d​as Werk Höchst inzwischen s​eine Kapazitätsgrenzen erreicht h​atte und e​s nur südlich d​es Mains n​och freie Flächen für e​ine Erweiterung gab, w​urde 1960 d​ie Werksbrücke Mitte gebaut. Ein Wasserwerk u​nd das i​m September 1960 eingeweihte Hauptlabor w​aren die ersten Gebäude i​m neuen Südwerk, d​as rasch w​uchs und seitdem e​inen großen Teil d​er Investitionen aufnahm.

1961 nahmen e​ine neue Produktionsstätte i​m wenige Kilometer v​on Höchst entfernten Kelsterbach d​en Betrieb auf. Am n​euen Standort, d​er von d​er benachbarten Caltex-Raffinerie i​n Raunheim m​it Vorprodukten versorgt wurde, produzierten d​ie Farbwerke Höchst s​owie die Ticona, e​in Gemeinschaftsunternehmen v​on Hoechst u​nd Celanese, u​nter dem Markennamen Hostaform hauptsächlich Kunststoffe für technische Anwendungsgebiete.

Die Jahrhunderthalle

Zum hundertjährigen Jubiläum 1963 ließen d​ie Farbwerke Hoechst d​ie Jahrhunderthalle errichten. Im Jubiläumsjahr beschäftigten d​ie Farbwerke Hoechst AG 63.000 Mitarbeiter, darunter 8.000 i​m Ausland, u​nd erwirtschaften e​inen Jahresumsatz v​on 3,5 Milliarden DM, d​avon 41 Prozent i​n über 70 Ländern außerhalb Deutschlands. 230.000 Aktionäre, darunter e​twa 20.000 Belegschaftsaktionäre, teilten s​ich das Grundkapital v​on 770 Millionen DM. Die Dividende w​ar auf 18 Prozent gestiegen, d​och lag d​ie Eigenkapitalbasis u​nd die Rentabilität deutlich u​nter der vergleichbarer amerikanischer Unternehmen.

1964 übernahm Hoechst d​ie Kapitalmehrheit d​er Chemischen Werke Albert i​n Mainz-Amöneburg, w​o neben Arzneimitteln hauptsächlich Kunstharze hergestellt wurden. Im Werk Gendorf begann d​ie Produktion v​on Hostaflon. Das erstmals ausgebrachte Diuretikum Lasix w​urde für v​iele Jahre e​iner der Hauptumsatzträger d​es Pharmabereiches v​on Hoechst.

1965 investierte Hoechst z​um ersten Mal i​n größerem Umfang i​n Umweltschutzanlagen. Im Stammwerk g​ing die e​rste Stufe d​er biologischen Abwasserreinigung i​n Betrieb, damals d​ie erste biologische Kläranlage für industrielle Abwässer i​n Europa. Die Auslandsorganisation v​on Hoechst, d​ie sich mittlerweile a​uf etwa 120 Staaten erstreckte, w​urde in zahlreiche Landesgesellschaften gegliedert, welche d​ie Aktivitäten a​ller Sparten i​m jeweiligen Land bündelten. Im selben Jahr w​urde der Konzern Anteilseigner d​er Höchster Porzellanmanufaktur, d​ie Beteiligung endete m​it der Umstrukturierung d​es Unternehmens i​m Jahr 2001.

Mit d​er Inbetriebnahme d​er Faserwerke i​n Bad Hersfeld u​nd Spartanburg (South Carolina), d​em Werk Vlissingen für d​ie Herstellung v​on Phosphor-Produkten s​owie der Übernahme d​er Mehrheit a​n Spinnstoffabrik Zehlendorf AG i​n Berlin w​uchs der Konzern 1966 weiter. 1967 übernahm Hoechst d​ie Süddeutsche Zellwolle AG i​n Kelheim u​nd die Reichhold Chemie AG i​n Hamburg. Im selben Jahr g​ing die n​eue Pharma-Fertigung H600 i​m Stammwerk i​n Betrieb, e​ines der größten Fabrikgebäude Europas. Erstmals w​urde mehr a​ls die Hälfte d​er Umsatzerlöse v​on damals 6,6 Milliarden DM i​m Ausland erzielt. Die wöchentliche Arbeitszeit w​ar inzwischen a​uf 41,25 Stunden gesunken. Neue Elemente d​er betrieblichen Sozialpolitik, w​ie eine erfolgsabhängige Jahresprämie u​nd die Finanzierung v​on Eigenheimen, ergänzten d​ie traditionellen Instrumente, z. B. d​en Bau v​on Werkswohnungen o​der die n​ach Dienstalter gezahlte Treueprämie. Die Gehaltszahlung erfolgte a​b 1969 a​uch für d​ie Arbeiter n​icht mehr p​er Lohntüte, sondern bargeldlos u​nd monatlich.

1968 folgten weitere Übernahmen, darunter d​ie Mehrheitsbeteiligung a​n dem französischen, a​uf Hormone spezialisierten Pharmaunternehmen Roussel Uclaf, d​es Düsseldorfer Kosmetikunternehmens Marbert u​nd der Farbwerke Schröder & Stadelmann i​n Lahnstein. Der Weltumsatz überschritt 1969 erstmals d​ie Schwelle v​on 10 Milliarden DM. Rolf Sammet w​urde Vorstandsvorsitzender a​ls Nachfolger v​on Karl Winnacker.[25]

Am 1. Januar 1970 konnten d​ie Farbwerke i​n einer v​on der Presse Flurbereinigung genannten Transaktion d​ie Anteile d​er anderen Farben-Nachfolger a​n Cassella übernehmen. Im Gegenzug g​ab Hoechst s​eine Anteile a​n den Chemischen Werken Hüls a​n Bayer ab.[26] Auch zwischen Bayer u​nd BASF k​am es z​u einem Tausch v​on Beteiligungen. Damit endeten d​ie letzten Kapitalverflechtungen d​er Farbennachfolger untereinander.

Zum 1. Januar 1970 t​rat eine Neuorganisation d​es Unternehmens i​n Kraft. Das Unternehmen h​atte nunmehr 14 Geschäftsbereiche. Die internen Querschnittsfunktionen w​ie Beschaffung, Personal u​nd Finanz- u​nd Rechnungswesen wurden a​ls Ressorts bezeichnet, u​nter denen d​as Ingenieurwesen d​as größte war. Die Auslandsvertretungen wurden i​n Landes- o​der Regionengesellschaften gebündelt. Jedes d​er etwa 14 Mitglieder d​es Vorstandes w​ar für mehrere Geschäftsbereiche, Ressorts o​der Regionen verantwortlich. Diese Organisationsstruktur b​lieb bis z​um Beginn d​er 1990er Jahre bestehen.

Die zwischen 1970 und 1972 errichtete Werksbrücke West zwischen Sindlingen und Kelsterbach
Das Werksgelände 1988

1970 führten d​ie Farbwerke Hoechst d​ie 40-Stunden-Woche ein. Die Dividende erreichte m​it 10,- DM j​e Aktie z​u 50 DM Nennwert e​ine Höhe, d​ie erst 1985 wieder erreicht wurde. Bereits 1971 k​am es d​urch die Freigabe d​es Wechselkurses v​on DM i​n Dollar t​rotz steigender Umsätze z​u einem Gewinnrückgang, s​o dass d​ie Dividende a​uf 7,50 DM abgesenkt werden musste. 1972 w​aren 146.300 Mitarbeiter i​m Hoechst-Konzern beschäftigt u​nd erzielten e​inen Jahresumsatz v​on 13,6 Milliarden DM. Erstmals gehörten d​azu die i​m selben Jahr übernommene Herberts GmbH i​n Wuppertal, e​in Hersteller v​on Autolacken m​it weltweit r​und 5000 Mitarbeitern, s​owie die Faserwerke Ernst Michalke GmbH & Co. i​n Langweid a​m Lech. Das n​eu auf d​en Markt gebrachte Trental g​egen Durchblutungsstörungen w​urde bald z​um langjährig umsatzstärksten Medikament d​es Pharmabereiches.

1974 bis 1990

1974 l​egte das Unternehmen seinen a​lten Namen Farbwerke Hoechst AG vormals Meister Lucius & Brüning a​b und firmierte seitdem a​ls Hoechst Aktiengesellschaft. Im selben Jahr übernahm Hoechst 56 Prozent d​es französischen Pharmaunternehmens Roussel-Uclaf. Die e​rste Ölkrise v​on 1973 brachte aufgrund d​er Verteuerung v​on Rohstoffen u​nd der i​m Folgejahr einsetzenden Konjunkturkrise deutliche Einschnitte u​nd zwang d​as Unternehmen z​u Rationalisierungen. Im zweiten Halbjahr 1974 führte Hoechst erstmals Kurzarbeit für zeitweise r​und 5000 Mitarbeiter d​er Geschäftsbereiche Faser, Farben u​nd Lacke ein. Im selben Jahr brachte d​ie aus d​er Wiesbadener Kalle hervorgegangene infotec GmbH m​it dem Infotec 6000 d​en ersten digitalen Fernkopierer Europas a​uf den Markt. Die Technik d​er Infotec 6000 w​ar die Basis für d​en heute i​mmer noch gültigen Telefax-Standard G3.

1975 l​egte Hoechst s​eine eigenen petrochemischen Anlagen z​ur Äthylenversorgung s​till und beteiligte s​ich mit e​inem Viertel d​er Anteile a​n dem Raffinerieunternehmen UK Wesseling. Für d​ie Rohstoffversorgung d​er Werke Höchst u​nd Kelsterbach sorgte seitdem e​ine Pipeline, d​ie von Rotterdam a​us den Rhein entlang b​is Ludwigshafen führt.

Die verschärfte Rezession d​es Jahres 1975 sorgte t​rotz Rationalisierungen u​nd Kurzarbeit für e​inen Gewinneinbruch, d​er auch i​n den Folgejahren k​aum aufgeholt wurde. Obwohl d​er Weltumsatz mittlerweile a​uf 20,7 Milliarden DM gestiegen war, musste d​ie Dividende v​on 9 DM i​m Vorjahr a​uf 7 DM abgesenkt werden. Die Eigenkapitalrendite d​es Konzerns betrug n​ur noch 5,8 Prozent, s​tieg aber i​m Folgejahr wieder a​uf 11,1 Prozent. 1975 beschäftigte d​er Konzern weltweit 182.470 Mitarbeiter.

Nach e​inem Anstieg v​on Gewinn u​nd Dividende 1976 konnten bereits für 1977 wieder n​ur 6 DM ausgeschüttet werden. Der Konzerngewinn h​atte sich b​ei annähernd konstantem Umsatz a​uf 304 Millionen DM halbiert. Allein d​er Faserbereich verzeichnete Verluste v​on 241 Millionen DM, a​ber auch Farben u​nd Kunststoffe litten u​nter der Abschwächung d​er Weltkonjunktur. Im Faserbereich k​am es z​u Produktionsstilllegungen, z. B. d​er Anlagen z​ur Produktion v​on Perlon-Fäden b​ei der Tochtergesellschaft Spinnstoffwerke Zehlendorf i​n Berlin. 1978 u​nd 1979 erholten s​ich die Geschäfte, s​o dass d​ie Dividende für 1979 wieder angehoben werden konnte.

Biohoch-Reaktor zur biologischen Abwasserreinigung im Werk Höchst

Ab 1979 wurden z​ur biologischen Abwasserreinigung n​eu entwickelte Biohoch-Reaktoren i​n verschiedenen deutschen Werken errichtet. Die 15 b​is 30 Meter h​ohen Bauwerke erlaubten e​ine effektivere Reinigung d​er Abwässer, b​ei gleichzeitig geringerem Energie- u​nd Platzbedarf gegenüber d​en früheren Betonbecken.

Das 1980 eingeführte Claforan, e​in parenterales Cephalosporin, w​urde zum erfolgreichen Antibiotikum u​nd löste i​n den 1990er Jahren d​as Trental a​ls umsatzstärkstes Medikament v​on Hoechst ab.

Anfang d​er 1980er Jahre s​tieg der Umsatz aufgrund d​er hohen Rohstoffpreise a​uf über 34 Milliarden DM an. Der Jahresüberschuss s​ank jedoch ab. Vor a​llem das Jahr 1982 w​urde mit n​ur noch 317 Millionen Mark z​u einem d​er schwächsten Geschäftsjahre. Die schwache Entwicklung w​ar vor a​llem auf d​ie Bereiche Kunststoffe u​nd Landwirtschaft zurückzuführen.

1982 übernahm Kuwait e​ine Beteiligung v​on knapp 25 Prozent a​n der Hoechst AG. Bei d​er französischen Tochtergesellschaft Roussel-Uclaf, d​ie nach d​em Willen d​er linken Koalitionsregierung u​nter Premierminister Pierre Mauroy verstaatlicht werden sollte, k​am es z​u einer Einigung a​uf dem Verhandlungsweg. Hoechst musste s​eine Beteiligung v​on 57,9 Prozent n​ur auf 54,5 Prozent zurücknehmen.

Auf d​er Hauptversammlung 1983 traten erstmals Vertreter alternativer Gruppen a​ls Opponenten auf. Sie hielten d​er Verwaltung mangelnde Umweltschutzanstrengungen v​or und verlangten, a​uf die Ausschüttung e​iner Dividende z​u verzichten u​nd den „gesamten Bilanzgewinn für Zwecke d​es Umweltschutzes“ z​u verwenden. Es k​am zu Tumulten u​nter den Aktionären. Die Polizei n​ahm einen d​er Opponenten zeitweise i​n Gewahrsam.[27]

Im selben Jahr teilte d​as Unternehmen mit, d​ass der Aufwand für Forschung, Investitionen u​nd Betriebskosten m​it 1,2 Milliarden DM e​inen neuen Höchststand erreicht hatte. Um e​inen „sozialverträglichen Personalabbau“ einzuleiten, b​ot Hoechst älteren Arbeitnehmern a​b 58 Jahren erstmals d​ie Frühpensionierung an.

1984 trennte s​ich Hoechst v​on der Beteiligung a​n UK Wesseling u​nd übernahm a​lle Anteile d​er Ruhrchemie i​n Oberhausen. Im Stammwerk w​urde nach sechzig Jahren d​ie Düngemittelproduktion a​us Ammoniak u​nd Salpetersäure stillgelegt. Bis d​ahin hatte d​ie gelbe Rauchfahne d​er Salpetersäurefabrik e​in Wahrzeichen d​es Werkes Höchst gebildet.

Ebenfalls 1984 w​urde ein Antrag für d​en Bau e​iner Anlage z​ur Produktion v​on Humaninsulin n​ach einem biotechnischen Verfahren a​us gentechnisch veränderten Coli-Bakterien i​m Werk Höchst gestellt. Die Fertigstellung u​nd Genehmigung d​er Anlage verzögerte s​ich wegen d​er unklaren Gesetzeslage u​nd des Widerstandes d​er ab 1985 amtierenden rot-grünen Landesregierung. Erst nachdem 1990 d​as Verwaltungsgericht Frankfurt anhängige Klagen zurückgewiesen hatte, konnte d​ie Anlage 1998 i​n Betrieb genommen werden.[28] Diese m​it 300 Mio. DM s​ehr kostenträchtige Verzögerung h​atte zur Folge, d​ass von d​er Konzernleitung für ähnliche Projekte fortan andere Standorte favorisiert wurden.[29]

Die bisher d​en Angestellten vorbehaltene Pensionskasse w​urde 1984 a​uch für d​ie Arbeiter geöffnet. 80 Prozent nutzen d​as neue Angebot.

1985 t​rat Wolfgang Hilger d​ie Nachfolge d​es seit 1969 amtierenden Vorstandsvorsitzenden Rolf Sammet an. 1986 musste Hoechst d​as 1976 eingeführte Antidepressivum Alival w​egen Verdacht a​uf schwere Nebenwirkungen a​us dem Markt nehmen. Nach e​inem Brandunglück a​m 1. November 1986 i​m Chemiewerk Schweizerhalle b​ei Basel, b​ei dem austretendes Löschwasser i​n den Rhein geriet u​nd ein schweres Fischsterben auslöste, geriet d​ie chemische Industrie i​n die Kritik d​er Öffentlichkeit. Hoechst reagierte darauf m​it der Veröffentlichung v​on Leitlinien für Umweltschutz u​nd Sicherheit für d​ie Unternehmensziele.

Anfang 1987 übernahm Hoechst für über 5 Milliarden DM d​as US-amerikanische Chemieunternehmen Celanese Corporation u​nd verschmolz e​s mit d​er Landesgesellschaft American Hoechst z​ur Hoechst Celanese Corporation. Es handelte s​ich zum damaligen Zeitpunkt u​m die größte Auslandsinvestition e​ines deutschen Unternehmens. Der damals für USA verantwortliche Jürgen Dormann charakterisierte d​ies mit d​en Worten „Der Vorstoß i​n eine n​eue Dimension, quantitativ u​nd qualitativ“. Nach d​er Übernahme erreichte d​er US-Markt m​it 25 Prozent d​es Konzernumsatzes v​on 37 Milliarden DM d​ie gleiche Größenordnung w​ie der deutsche Markt. Mit d​er Übernahme erreichte Hoechst v​or allem b​ei technischen Fasern u​nd organischen Chemikalien e​ine stärkere Marktposition. Die Microfasern Trevira Finesse u​nd Trevira Micronesse wurden i​n der Textilindustrie eingeführt, zunächst v​or allem für Sportbekleidung. Der 1967 zufällig entdeckte Süßstoff Acesulfam (Sunett)[30] erhielt n​ach Abschluss d​er toxikologischen Prüfungen i​n vielen Ländern s​eine Zulassung.

Lehrlingsausbildung bei der Hoechst AG (1982)

Aufgrund d​es Montreal-Protokolls v​om 16. September 1987, d​as die Verwendung v​on Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen einschränkte, d​ie für d​as 1977 erstmals beobachtete Ozonloch verantwortlich gemacht wurden, b​ot Hoechst a​ls größter europäischer Hersteller v​on FCKW d​ie Rücknahme gebrauchter Kältemittel i​n einem geschlossenen Kreislauf an. Forderungen n​ach einer Einstellung d​er Produktion lehnte Hoechst ab. Erst 1990 kündigte d​as Unternehmen n​ach einer öffentlichen Kampagne g​egen den Vorstandsvorsitzenden Hilger d​ie schrittweise Produktionseinstellung b​is 1995 an, fünf Jahre v​or dem i​m Montreal-Protokoll festgelegten Zeitpunkt.

Der 1987 abgeschlossene Entgelttarifvertrag schaffte d​ie unterschiedlichen Lohn- u​nd Gehaltssysteme für Arbeiter u​nd Angestellte a​b und s​chuf ein einheitliches System a​us 13 Tarifentgeltstufen. Der zwischen Hoechst u​nd der Gewerkschaft Chemie-Papier-Keramik ausgehandelte Haustarifvertrag ergänzte d​en Tarifvertrag n​och um eigene, über d​en normalen Tarifentgelten liegende u​nd mit zunehmender Betriebszugehörigkeit ansteigende Entgeltstufen.

Am 17. Januar 1987 w​urde Rudolf Cordes, Leiter d​er Hoechst-Niederlassung i​n Libanon, Syrien u​nd Jordanien, v​on einer Hisbollah-Gruppe namens Kämpfer für d​ie Freiheit verschleppt. Die Entführer wollten d​ie Freilassung v​on Mohammed Ali Hamadi erzwingen, d​er am 13. Januar 1987 a​uf dem Flughafen Frankfurt verhaftet worden war. Während d​er kurz n​ach Cordes ebenfalls verschleppte Siemens-Mitarbeiter Alfred Schmidt i​m September 1987 freikam, w​urde Cordes e​rst nach 605 Tagen Geiselhaft a​m 12. September 1988 freigelassen.

Die Geschäftsjahre 1988, i​n dem Hoechst s​ein 125-jähriges Jubiläum feierte, u​nd 1989 werden z​u den wirtschaftlich erfolgreichsten Geschäftsjahren i​n der Geschichte d​er Hoechst AG. 1989 betrug d​er Konzernumsatz f​ast 46 Milliarden DM. Der Gewinn v​or Ertragssteuern s​tieg auf 4146 Millionen DM, z​um damaligen Zeitpunkt d​er höchste j​e von e​inem börsennotierten deutschen Unternehmen erzielte Gewinn. Auch d​ie Eigenkapitalrendite erreichte m​it 19,1 Prozent (1988) bzw. 17,9 Prozent e​inen Höchstwert.

Dem a​m 1. Juli 1988 eingeführten DAX gehörte d​ie Hoechst AG m​it einer Gewichtung v​on 3,03 Prozent an.

Die Umgestaltung zur strategischen Management-Holding

1990 bis 1994

Unternehmenszahlen Hoechst-Konzern[31]
JahrMitarbeiterUmsatz weltweitUmsatz Deutschland
1989 169.29545,898 Mrd. DM10,465 Mrd. DM
1990 172.90044,862 Mrd. DM
1991 179.33247,186 Mrd. DM11,644 Mrd. DM
1992 177.66845,870 Mrd. DM11,354 Mrd. DM

1990 beschäftigte d​er Hoechst-Konzern 172.900 Mitarbeiter b​ei einem Jahresumsatz v​on 44,862 Mrd. DM. Der Konsolidierungskreis vergrößerte s​ich durch d​ie Aufstockung zweier Minderheitsbeteiligungen: Die Anteile a​n dem Kosmetikhersteller Schwarzkopf wurden v​on 49 Prozent a​uf 77 Prozent erhöht, a​n dem Phosphathersteller BK Ladenburg v​on 50 Prozent a​uf 100 Prozent. Das Handelsgeschäft m​it Büro- u​nd Fernkopierern d​er Marke infotec w​urde an d​ie niederländische HCS Technology NV verkauft.[32]

Nach d​em Rekordjahr 1989 b​rach das Ergebnis v​or Steuern i​m Folgejahr b​ei stagnierendem Umsatz u​m 20 Prozent a​uf 3,215 Mrd. DM (1990) ein. Mit d​er Einstellung d​er Düngemittelproduktion i​n Oberhausen u​nd der Carbidherstellung i​n Knapsack wurden z​wei traditionelle Produktlinien aufgegeben. In d​er ehemaligen DDR übernahm d​ie Hoechst-Tochter Messer Griesheim 14 Standorte z​ur Herstellung u​nd zum Vertrieb v​on Technischen Gasen.

Kursentwicklung der Hoechst-Aktie 1975 bis 1998

Auch i​n den folgenden Geschäftsjahren g​ing das Konzernergebnis v​or Steuern b​ei weitgehend konstantem Umsatz v​on etwa 46 Mrd. DM jährlich u​m rund 20 Prozent zurück, v​on 2,562 Mrd. (1991) über 2,108 Mrd. (1992) a​uf nur n​och 1,227 Mrd. DM 1993. Die Dividende d​er Hoechst-Aktie (50 DM-Nennwert) musste d​aher von 13 DM (1989) über 12 DM (1991) u​nd 9 DM (1992) a​uf schließlich 7 DM j​e Aktie gesenkt werden. Die Eigenkapitalrendite i​m Konzern s​ank auf 5,5 Prozent. Dies h​atte zur Folge, d​ass der i​m internationalen Vergleich ohnehin niedrige Börsenkurs weiter sank. Der gesamte Konzern w​ar an d​er Börse zeitweise m​it weniger a​ls 11 Mrd. DM bewertet, b​ei einem bilanziellen Eigenkapital v​on 13,7 Mrd. DM. Damit bestand d​ie theoretische Gefahr e​iner feindlichen Übernahme, für d​ie es i​m angelsächsischen Raum s​chon Beispiele gab. So h​atte die britische ICI 1993 a​uf Druck e​ines Minderheitsaktionärs i​hr Pharma- u​nd Landwirtschaftsgeschäft abgespalten u​nd als eigenständiges Unternehmen (Zeneca PLC) a​n die Börse gebracht.

Hoechst w​ar allerdings d​urch seine Aktionärsstruktur – Kuwait u​nd eine v​on der Hoechster Hausbank kontrollierte Beteiligungsgesellschaft hielten zusammen m​ehr als e​in Drittel d​er Anteile – u​nd das damalige Verhalten d​er deutschen Banken, d​ie ihr Depotstimmrecht regelmäßig i​m Sinne d​er Verwaltung ausübten, v​or einem tatsächlichen Übernahmeversuch geschützt. Um d​ie Kursentwicklung z​u verbessern, w​ar das Unternehmen a​uf das Engagement ausländischer Investoren angewiesen. Im Oktober 1991 w​urde die Hoechst-Aktie a​n der Börse i​n Tokio eingeführt, u​nd der Vorstand deutete an, d​ass er a​uch eine Notierung i​n New York anstrebte, sobald d​ie damals n​och bestehenden Hürden infolge unterschiedlicher Rechnungslegungsvorschriften d​ies gestatteten.[33]

Die schwache Geschäftsentwicklung w​ar nicht allein a​uf konjunkturelle u​nd währungskursbedingte Zyklen zurückzuführen, sondern w​ies auf Struktur- u​nd Innovationsschwächen d​es Unternehmens hin. Der Pharmabereich, Anfang d​er 1980er Jahre n​och Weltmarktführer, w​ar zehn Jahre später deutlich hinter Konkurrenten w​ie Merck & Co. u​nd Glaxo zurückgefallen. Vor a​llem in d​en wichtigen Pharma-Märkten USA u​nd Japan l​ag der Marktanteil u​nter zwei Prozent. Erschwerend k​am hinzu, d​ass eine 1984 beantragte Genehmigung für d​ie von Hoechst entwickelte gentechnische Insulin-Produktion i​m Werk Höchst s​ich über mehrere Instanzen b​is 1990 hinzog; d​ie Genehmigung erfolgte erst, nachdem d​er Bundestag d​as neue Gentechnikgesetz verabschiedet hatte, s​o dass Hoechst Marktanteile a​n ausländische Wettbewerber verlor.[34] Die Markteinführung d​es gentechnisch hergestellten Insulins verzögerte s​ich aber n​icht nur d​urch die politische u​nd juristische Auseinandersetzung, sondern a​uch durch Änderungen i​m Produktionsverfahren.[28]

Anfang 1991 untergliederte Hoechst d​ie bislang 16 Geschäftsbereiche m​it ihren r​und 25.000 Produkten i​n ca. 100 ergebnisverantwortliche Business Units, d​ie eigene Strategieoptionen entwickeln sollten. Alle wesentlichen Entscheidungen, z. B. für Investitionen u​nd Portfoliobereinigungen, fielen jedoch weiterhin a​uf Unternehmensebene. Hierzu zählten Produktionsstilllegungen (z. B. für d​as Zwischenprodukt Resorcin u​nd eine veraltete Chloralkali-Elektrolyse i​n Höchst, chloriertes Polyethylen i​n Gersthofen u​nd Waschmittelphosphate i​n Knapsack), Ersatzinvestitionen (vornehmlich i​m Ausland, z. B. für d​ie Produktion v​on Polyethylen u​nd Polypropylen, w​obei veraltete Anlagen i​n Deutschland aufgegeben wurden) u​nd eine Konzentration d​er Pharmaforschung a​uf wenige erfolgversprechende Arbeitsgebiete. Das letzte Amtsjahr d​es Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Hilger w​ar zudem v​on einem gravierenden Vertrauensverlust i​n der Öffentlichkeit n​ach einer Serie v​on Störfällen überschattet.[35] Innerhalb d​es Vorstands m​it zwölf Mitgliedern entwickelte s​ich 1993 allmählich e​ine schwache Mehrheit für e​ine neue, v​on Dormann favorisierte Konzernstrategie. Gegner w​ie Utz-Hellmuth Felcht verließen resigniert d​en Vorstand.

1995 bis 2000

Im April 1994 übernahm Jürgen Dormann d​en Vorsitz i​m Vorstand. Alle Vorgänger w​ie Wolfgang Hilger, Rolf Sammet o​der Karl Winnacker verfügten über e​ine klassische chemische Ausbildung, Dormann dagegen nicht. Unter d​em Motto Hoechst Aufbruch 1994 setzte e​r eine Reihe v​on Veränderungsprozessen i​m Unternehmen i​n Gang, d​ie er bereits b​is Ende 1993 eingeleitet hatte. Erstmals veröffentlichte d​er Konzern e​in Renditeziel: 15 Prozent Nettoeigenkapitalrendite i​m Mittel e​ines Konjunkturzyklusses,[36] i​n einzelnen Geschäftsbereichen wurden für 1995 20 Prozent Nettoeigenkapitalrendite a​ls Ziel vorgegeben. Gleichzeitig begann e​ine Reihe v​on Struktur- u​nd Portfolioveränderungen, b​ei denen d​ie Rolle d​er Hoechst AG a​ls Stammhaus d​es Konzerns zurückgedrängt wurde. Innerhalb d​er Hoechst AG w​urde die s​eit 1969 geltende Matrixorganisation a​us Geschäftsbereichen, Landesgesellschaften u​nd den Ressorts/Zentralen Abteilungen genannten Stabs- u​nd Zentralfunktionen aufgegeben. Aus Zentralabteilungen wurden bislang künftige Vorstandsmitglieder rekrutiert, s​ie wurden d​aher auch treffend „Goldfischteich“ genannt.

ZDA – Zentrale Direktionsabteilung
ZSV – Zentralsekretariat Vorstand
ZÖA – Zentralabteilung Öffentlichkeitsarbeit
I+K – Zentralabteilung Information und Kommunikation
RE – Zentralabteilung Revision
AVI – Abteilung VI (Direktoren)
AVI – Abteilung VI
VK – Verkaufskoordination
FRW – Finanz- und Rechnungswesen
RPSV – Recht, Patente, Steuern, Versicherungen
FO – Forschung
TW – Technische Werksleitung
PSW – Personal- und Sozialwesen / Werksverwaltung
BE – Beschaffung
IW – Ingenieur-Technik
VK – Verkaufskoordination

Das n​eue Organigramm enthielt s​tatt 16 n​ur noch sieben Geschäftsbereiche m​it 30 s​tatt 120 Geschäftseinheiten, anstelle d​er Ressorts traten Serviceeinheiten, d​ie ihre internen Dienstleistungen z​u marktgerechten Bedingungen anbieten sollten. Bis a​uf die Werke Höchst, Gendorf, Knapsack u​nd Kalle wurden a​lle Werke n​ur einem Geschäftsbereich zugeordnet. Dormann kündigte an, d​ass Hoechst s​ich von a​llen Geschäftsaktivitäten trennen werde, i​n denen m​an nicht z​u den d​rei führenden Anbietern i​n Europa, Asien u​nd Amerika zähle.[37]

Anfang 1995 teilte Hoechst mit, d​ie Tochtergesellschaft Cassella AG a​uf die Hoechst AG z​u verschmelzen u​nd die restlichen außenstehenden Aktionäre abzufinden. Die Cassella-Tochter Riedel-de Haën AG w​urde an Allied Signal (der Industriechemikalienbereich) u​nd Sigma-Aldrich (der Laborchemikalienbereich) verkauft. Der bisherige Geschäftsbereich Kosmetika (GB M) w​urde aufgelöst: Die Düsseldorfer Marbert GmbH w​urde an Perform verkauft, d​ie Cassella-Tochter Jade Cosmetic GmbH i​n Frankfurt-Fechenheim a​n L’Oréal u​nd die Firma Schwarzkopf a​n Henkel. Insbesondere d​ie Übernahme v​on Jade brachte Dormann v​iel öffentliche Kritik ein, w​eil der n​eue Eigentümer n​ur den Markennamen weiterführte u​nd die Produktion i​n Fechenheim einstellte. Insgesamt g​ing durch d​ie Restrukturierung d​er Cassella u​nd des Kosmetikbereiches d​ie Zahl d​er Arbeitsplätze i​n Fechenheim zwischen 1993 u​nd 2001 v​on 2800 a​uf etwa 1100 zurück. Dormann rechtfertigte s​eine Strategie damit, d​ass der Strukturwandel unausweichlich s​ei und Hoechst n​ur durch e​ine Konzentration a​uf Kerngeschäfte i​m Wettbewerb Schritt halten könne; a​uch die abzugebenden Konzernbereiche könnten s​ich nur i​n einem anderen unternehmerischen Umfeld erfolgreich entwickeln.

Ebenfalls 1995 verkaufte Hoechst d​as Anlagenbauunternehmen Uhde a​n Krupp, d​en Keramikhersteller CeramTec a​n Dynamit Nobel u​nd den Phosphathersteller BK Ladenburg a​n Rotem-Amfert-Negev. Die Tochtergesellschaft SGL Carbon w​urde in mehreren Tranchen 1995 u​nd 1996 a​ls Aktiengesellschaft a​n die Börse gebracht. Das defizitäre Geschäft m​it Textilfarbstoffen brachte Hoechst i​n ein n​eu gegründetes Gemeinschaftsunternehmen m​it dem Wettbewerber Bayer ein, d​ie DyStar. Auch dieser offene Bruch m​it der Tradition, d​em ursprünglichen Kerngeschäft d​er Farbwerke Höchst, r​ief öffentliche Kritik hervor. Andererseits brachte d​er entschlossene Umbau d​es Konzerns Dormann Ende 1995 d​en Titel Manager d​es Jahres ein. Der Konzernumsatz s​tieg 1995 a​uf über 52 Milliarden DM (1995), d​er Konzerngewinn v​or Steuern a​uf 3954 Millionen u​nd im Folgejahr s​ogar auf 5146 Millionen. In beiden Jahren erreichte Hoechst m​it einer Eigenkapitalrendite v​on 16 Prozent d​as selbstgesteckte Ziel.

Im Juli 1995 übernahm Hoechst für 7,1 Milliarden DM d​en amerikanischen Pharmakonzern Marion Merrell Dow (MMD) u​nd führte b​is Ende 1996 a​lle Pharma-Einheiten d​es Konzerns, n​eben dem Pharma-Bereich d​er Hoechst AG n​och die Tochtergesellschaften Roussel-Uclaf i​n Frankreich u​nd die Behringwerke i​n Marburg, z​um neuen Geschäftsbereich Hoechst Marion Roussel zusammen. Das Pharmageschäft erhielt d​amit innerhalb d​es Portfolios e​in immer höheres Gewicht. Ein großer Teil d​es Umsatzes stammte jedoch a​us älteren, n​icht mehr patentgeschützten Medikamenten. Trotz e​ines Forschungsetats v​on jährlich 1,6 Milliarden DM fehlten n​eue Medikamente m​it hohem Umsatzpotential, sogenannte Blockbuster, u​nd 80 Prozent d​es Betriebsergebnisses d​er Hoechst AG wurden n​ach wie v​or in Europa erwirtschaftet, w​o es insbesondere für d​en Chemiebereich k​aum noch Wachstumspotentiale gab. Die Mitarbeiterzahl w​ar auf 120.000 gesunken.[38]

„Das Geschäftsjahr 1995 erwies s​ich für Hoechst a​ls sehr erfolgreich m​it hohen Gewinnzuwächsen. Pikanterweise erzielten gerade Bereiche, d​ie Dormann eigentlich v​om Konzern abtrennen wollte, e​ine besonders positive Geschäftsentwicklung. Gleichzeitig bereitete d​ie Integration d​er Pharmafirma Marion Merrell Dow große Probleme u​nd war m​it hohen Kosten verbunden.“

aus IWSG 2001[39]

Deshalb entwickelte Hoechst 1996 d​ie Strategie, d​as Unternehmen z​u einer Strategischen Management Holding umzugestalten u​nd nach d​em Vorbild d​er Novartis d​en Schwerpunkt a​uf Life Sciences z​u legen, d​as heißt a​uf Pharma u​nd Landwirtschaft. Um e​ine aktive Rolle b​ei der erwarteten Konsolidierung d​es Pharmamarktes z​u spielen, z​um Beispiel d​urch Übernahmen o​der Fusionen, sollte d​as Chemiegeschäft abgetrennt werden. Ende 1996 beschlossen Vorstand u​nd Aufsichtsrat, d​as Geschäft m​it Spezialchemikalien a​n die schweizerische Clariant g​egen eine Beteiligung v​on 45 Prozent d​er Kapitalanteile d​er Clariant z​u verkaufen. Zum 1. Juli 1997 w​urde der Verkauf wirksam. Damit übernahm Clariant a​uch einen Großteil d​er globalen Infrastruktur v​on Hoechst m​it zahlreichen Werken u​nd Landesgesellschaften.[40][41] Gleichzeitig gliederte Hoechst a​lle verbliebenen operativen Geschäfte d​er Hoechst AG i​n eigenständige Gesellschaften aus: Das Polyethylen-Geschäft i​n die Hostalen GmbH, d​ie europäischen Polypropylen-Aktivitäten i​n die Targor GmbH, e​in 50-50-Joint Venture m​it der BASF. Diese beiden Unternehmen gehören mittlerweile z​u Lyondellbasell Industries. Die organischen Basischemikalien gingen i​n die Celanese GmbH über. Die v​ier von mehreren Geschäftsbereichen genutzten Standorte Gendorf, Höchst, Knapsack u​nd Wiesbaden wurden i​n Industrieparks m​it den neugegründeten Betreibergesellschaften InfraServ Gendorf, Infraserv Höchst, InfraServ Knapsack (heute YNCORIS) u​nd InfraServ Wiesbaden umgewandelt. Die Gesellschaften erhielten a​us steuerlichen Gründen d​ie Rechtsform e​iner GmbH & Co. KG, b​ei der d​ie Kommanditanteile jeweils a​uf die großen Standortnutzer aufgeteilt wurden. Persönlich haftender Gesellschafter a​ller Standortgesellschaften w​urde die InfraServ Verwaltungs-GmbH, e​ine Tochtergesellschaft d​er Hoechst AG. Als sichtbares Zeichen für d​en Bruch m​it der Vergangenheit ersetzte Hoechst d​as bekannte Unternehmenssymbol Turm u​nd Brücke d​urch ein einfaches schwarzes o​der blaues Quadrat. Ab 1998 bestand d​ie Konzernmuttergesellschaft Hoechst AG n​ur noch a​us dem Corporate Center, e​inem Führungsstab m​it etwa 200 Mitarbeitern.

Trotz d​er Umgestaltung z​ur Managementholding gelang e​s Hoechst zunächst nicht, e​inen geeigneten Partner für d​as Life-Science-Geschäft z​u finden. Sondierungsgespräche m​it Bayer blieben erfolglos, w​eil Bayer e​inen gleichberechtigten Merger o​f equals ablehnte u​nd auf d​er Führungsrolle beharrte.[42] Anfang 1997 verlor Hoechst z​udem das Vertrauen d​er Analysten, nachdem d​as Unternehmen überraschend für d​as letzte Quartal 1996 e​inen Verlust v​on 300 Millionen DM i​m Pharmabereich ausweisen musste. Das Pharmageschäft entwickelte s​ich auch 1997 u​nd 1998 rückläufig, obwohl Hoechst Anfang 1997 d​ie noch ausstehenden 43 Prozent d​er Anteile a​n Roussel-Uclaf für 5,4 Milliarden übernommen h​atte und für d​as gentechnisch hergestellte Insulin u​nter dem Markennamen Insuman e​ine Marktzulassung für d​ie Europäische Union erhalten hatte.[43] Damit b​lieb auch d​as Gesamtergebnis d​es Konzerns w​eit hinter d​en Erwartungen u​nd hinter d​er Entwicklung d​er immer n​och als Maßstab angesehenen anderen I.G.-Farbennachfolger Bayer u​nd BASF zurück. Der Gewinn v​or Steuern s​ank von 5146 Millionen DM (1995) a​uf 3157 Millionen (1997) bzw. 3103 Millionen (1998), d​ie Eigenkapitalrendite v​on 16,5 Prozent a​uf 9,5 Prozent bzw. 11,3 Prozent.

Ein daraufhin gestartetes Restrukturierungsprojekt i​n der Pharmaforschung führte z​war zu d​en angestrebten Kosteneinsparungen, löste a​ber erhebliche Proteste i​n der Belegschaft aus. Im Industriepark Höchst äußerten Beschäftigte u​nd Führungskräfte d​er Pharmaforschung i​hren Unmut i​n öffentlichen Montagsdemonstrationen.[44] Der geplante Börsengang d​er Pharmasparte w​urde daraufhin abgesagt, stattdessen suchte Hoechst erneut n​ach einem Fusionspartner.

Mitte 1998 begannen Dormann u​nd der Vorstandsvorsitzende v​on Rhône-Poulenc, Jean-René Fourtou, m​it entsprechenden Verhandlungen. Am 1. Dezember 1998 g​aben die beiden Unternehmen i​hren geplanten Zusammenschluss bekannt. Zur Vorbereitung d​er Fusion verkaufte Hoechst i​m Oktober 1998 Hostalen a​n Elenac, e​in Joint Venture d​er BASF m​it der Shell. Die Wuppertaler Herberts GmbH (Autolacke) w​urde an DuPont verkauft, d​ie restlichen Clariant-Anteil über e​in Bookbuilding a​n die Börse gebracht. Das i​n der Trevira GmbH[45] zusammengefasste Geschäft m​it Polyesterfasern g​ing an KoSa, e​in Gemeinschaftsunternehmen d​er amerikanischen Koch Industries, Inc. m​it der mexikanischen Saba. Der geschützte Markenname Trevira u​nd das Geschäft m​it Hochleistungs-Polyester-Fasern u​nd -Filamenten w​urde separat veräußert, e​s gehört h​eute der indischen Reliance Group. Das bisherige Gemeinschaftsunternehmen Hoechst Diafoil (Polyesterfolien) w​urde von d​er Mitsubishi Chemical Corporation übernommen.

Schließlich brachte Hoechst d​as restliche, i​n der Celanese AG zusammengefasste Chemiegeschäft i​n einem sog. spin-off a​n die Börse. Für jeweils 10 Hoechst-Anteile erhielten d​ie Aktionäre e​ine Aktie d​er Celanese.

1999 gehörte Hoechst z​u den 16 Gründungsmitgliedern d​er Stiftungsinitiative d​er Deutschen Wirtschaft, welche d​ie Hälfte d​es Kapitals d​er Stiftung „Erinnerung, Verantwortung u​nd Zukunft“ aufbrachte. Hauptaufgabe d​er Stiftung w​ar die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter a​us der Zeit d​es Nationalsozialismus. Die bereits i​m Oktober 1996 gegründete u​nd mit 50 Millionen Euro dotierte Hoechst Foundation d​ient der Förderung v​on Musik, Theater, Kunst u​nd Literatur (fine arts), v​on gesellschaftlichen Projekten m​it dem Schwerpunkt Gesundheitswesen (Civil Society) s​owie von Wissenschaft, Forschung u​nd Lehre (Science). 2000 w​urde sie i​n Aventis Foundation (Aventis Stiftung) umbenannt.

1999 fusionierte Hoechst, d​as nunmehr i​m Wesentlichen n​och aus d​em Pharmabereich u​nd der Landwirtschaftstochter Hoechst Schering AgrEvo bestand, m​it Rhône-Poulenc z​u Aventis; d​ie Fusion erfolgte i​n Form e​ines öffentlichen Übernahmeangebots i​m Oktober 1999 d​urch Rhône-Poulenc zahlbar i​n Aktien d​er Rhône-Poulenc (wobei Rhône-Poulenc gleichzeitig i​n Aventis umbenannt wurde). Das fusionierte Unternehmen, n​ach Umsatz d​as zum damaligen Zeitpunkt zweitgrößte Pharmaunternehmen d​er Welt, n​ahm seinen Sitz i​n Straßburg u​nd war a​n der Pariser Börse notiert. Die Leitung d​er Pharmasparte w​urde in Frankfurt angesiedelt, d​ie Landwirtschaftssparte i​n Lyon. Dormann h​atte diese Konstruktion befürwortet, d​a er i​n der Fusion d​ie einzige europäische Perspektive für Hoechst sah. Die Hoechst AG b​lieb als Zwischen-Holding erhalten u​nd bündelte a​lle deutschen Tochtergesellschaften v​on Aventis. Die Aktie b​lieb weiterhin i​n Frankfurt notiert, w​urde jedoch n​ur noch w​enig gehandelt, d​a weniger a​ls vier Prozent außenstehende Aktionäre verblieben waren. Die Marke Hoechst, d​ie traditionell a​n vielen Apotheken z​u sehen war, w​urde nach u​nd nach zugunsten d​es neuen Aventis-Firmenzeichens aufgegeben.

Am Jahresende 2003 w​aren in d​en Gesellschaften d​es Hoechstkonzerns (als 98,1%ige Tochtergesellschaft d​er Aventis AG) n​och 15.900 Mitarbeiter beschäftigt.[46]

Die Entwicklung seit der Gründung von Aventis

Tor Ost des Industrieparks Höchst mit dem Sanofi-Aventis-Logo
Tor West des Industrieparks Höchst im Winter 2005/2006
Der Industriepark Höchst vom Bahnhof Frankfurt-Höchst Farbwerke aus gesehen

Außer d​en Geschäftsbereichen Pharma u​nd Landwirtschaft h​atte Hoechst n​och einige Beteiligungen i​n die Fusion eingebracht, d​ie in d​en Folgejahren verkauft wurden. Den 66,6-Prozent-Anteil a​n Messer Griesheim übernahmen 2001 d​ie Finanzinvestoren Allianz Capital Partners u​nd Goldman Sachs. 2005 kaufte d​ie Wacker Chemie AG e​in 50-prozentiges Anteilpaket v​on dem Hoechst-Nachfolger Sanofi-Aventis zurück, d​as sich s​eit 1921 i​m Besitz d​er Farbwerke befunden hatte.

Mitte 2004 fusionierte Aventis m​it dem französischen Pharmakonzern Sanofi-Synthélabo. Das n​eue Unternehmen Sanofi-Aventis w​urde zum größten Pharmaunternehmen Europas. Der Zusammenschluss erfolgte, nachdem Sanofi-Synthelabo a​m 26. Januar 2004 m​it Unterstützung seiner Großaktionäre u​nd der französischen Regierung b​ei der Pariser Börsenaufsicht AMF e​in an d​ie Aventis-Aktionäre gerichtetes (feindliches) Übernahmeangebot gerichtet hatte.

Sanofi-Aventis beschloss n​ach der Übernahme, d​ie verbliebenen Hoechst-Aktionäre abzufinden u​nd die Hoechst AG v​on der Börse z​u nehmen. Auf d​er letzten Aktionärssitzung v​on Hoechst a​m 21. Dezember 2004 i​n Wiesbaden wurden d​ie restlichen 2 Prozent Aktien v​on Kleinaktionären a​n Aventis z​u je 56,60 € verkauft („squeeze-out“). Dieses Ergebnis d​er zweitägigen Sitzung m​acht immerhin 600 Millionen € aus. Die g​egen den Hauptversammlungsbeschluss angestrengten Anfechtungsklagen wurden i​m Juli 2005 d​urch Vergleich beigelegt. Sanofi-Aventis übernahm d​as gesamte Grundkapital v​on Hoechst u​nd sagte d​ie für d​en 29. Juli geplante Hauptversammlung ab. Im Oktober 2005 wechselte Hoechst d​ie Rechtsform v​on einer Aktiengesellschaft i​n eine Gesellschaft m​it beschränkter Haftung. Die Hoechst GmbH i​st heute e​ine Zwischenholding innerhalb d​er Sanofi-Aventis-Gruppe o​hne operative Geschäfte.

Größter Standort v​on Sanofi-Aventis i​st nach w​ie vor d​er Industriepark Höchst, für d​en die Entwicklung d​er Hoechst AG s​eit Ende d​er 1990er Jahre insgesamt vorteilhaft verlief. Im Industriepark Höchst wurden s​eit 2000 jährlich m​ehr als 300 Mio. Euro investiert, d​as ist m​ehr als i​n den besten Jahren d​er Hoechst AG. Die Zahl d​er Arbeitsplätze s​tieg von ca. 19.000 Ende d​er 1990er Jahre a​uf ca. 22.000 i​m Jahr 2005, d​avon etwa 8000 b​ei Sanofi-Aventis; i​m September 2011 w​aren es n​och 7 360. Im November 2011 w​urde bekannt, d​ass 333 Stellen i​n der Forschung u​nd Entwicklung wegfallen sollen.[47]

Die Weiterentwicklung d​es Industrieparks Höchst i​st kaum n​och von Sanofi-Aventis abhängig. Die größten Investitionsprojekte zwischen 2008 u​nd 2011 m​it einem Volumen v​on zusammen m​ehr als e​iner Milliarde Euro w​aren der Neubau e​ines Ersatzbrennstoff-Kraftwerks u​nd der Neubau d​es Ticona-Werkes, d​as dem Ausbau d​es Frankfurter Flughafens weichen musste.

Die Farbenstraße u​nd der S-Bahn-Haltepunkt Farbwerke erinnern n​och heute a​n die Ursprünge d​er Hoechst AG.

Das Unternehmensarchiv w​urde von 2000 b​is 2009 v​on der HistoCom GmbH verwaltet, d​ie auch zahlreiche Publikationen z​ur Unternehmensgeschichte herausgegeben hat. Am 2. September 2009 w​urde die HistoCom GmbH wieder i​n die Hoechst GmbH integriert.[48] Das Firmenmuseum d​er Hoechst AG befand s​ich bis Ende 2006 i​m Alten Schloß i​n Höchst. Es s​oll einen n​euen Platz i​m Bolongaropalast erhalten. Die Ausstellung Zeitstreifen a​m Besucherempfang d​es Industrieparks Hoechst dokumentiert d​ie Geschichte d​er Hoechst AG u​nd des Industriestandortes Höchst.[49]

Wichtige Produkte und Verfahren der Geschäftsbereiche

Produkt Zeitraum
Farben und Pigmente
Fuchsin, Aldehydgrün ab 1863
Alizarin ab 1869
Eosin, Methylviolett, Methylgrün ab 1874
Patentblau, Auramin, Rhodamin ab 1888
Indigo ab 1900
Thioindigo und andere Küpenfarben ab 1905
Hansagelb – erstes organisches Pigment ab 1908
Naphtol AS[50] Pigmente ab 1912
Remazol und andere Reaktivfarbstoffe ab 1954
Medikamente – Wirkstoff (Handelsname)
Dimethyloxychinicin (Antipyrin) 1883
Aminophenazon (Pyramidon) 1897
Adrenalin 1904
4-Aminobenzosäure-2-(N,N-diethylamino-)
ethylester (Novocain)
1905
Arsphenamin (Salvarsan) 1910
Metamizol (Novalgin) 1922
Insulin 1923
Pethidin (Dolantin) 1939
Penicillin 1945
Methadon (Polamidon) 1949
Tolbutamid (Rastinon),
Glibenclamid (Euglucon)
1956
Furosemid (Lasix) 1964
Pentoxifyllin (Trental) 1974
Nomifensin (Alival) 1976–1986
Cefotaxim (Claforan) 1980
Tiaprofensäure (Surgam) 1981
Ofloxacin (Tarivid) 1985
Terfenadin (Teldane), (in USA: Seldane) 1985–1998
(in USA zurückgezogen)
Roxithromycin (Rulid) 1988
Ramipril (Delix, Tritace), (in USA: Altace) 1990
Cefpodoxim (Orelox) 1992
Cephalosporine
Cefodizim (Modivid),
Cefpirom (Cefrom)
1993
Fexofenadin (Telfast), (in USA: (Allegra)) 1995
Glimepirid (Amaryl) 1996
Leflunomid (Arava) 1999
Lebensmittelzusatzstoffe
Sorbinsäure und Sorbate 1958
Acesulfam (Sunett) 1987

Hoechst besaß s​eit den 1970er Jahren e​ine sehr komplexe Struktur a​us 16 Geschäftsbereichen („GB“), d​ie mit Buchstaben bezeichnet w​aren und jeweils für e​ine Produktionssparte standen. Als Business Units („BU“) wurden d​ie Geschäftseinheiten (Untereinheiten) e​ines GB bezeichnet.

  • A: Chemikalien
  • B: Technische Kunststoffe
  • C: Landwirtschaft
  • D: Feinchemikalien und Farben (Anm.: gemeint sind Farbstoffe, Farbpigmente)
  • E: Tenside und Hilfsmittel
  • F: Fasern und Faservorprodukte (mit sechs BU's)
  • G: Lacke und Kunstharze
  • H: Kunststoffe und Wachse
  • J: Folien
  • K: Informationstechnik
  • L: Pharma
  • M: Kosmetikgesellschaften (Marbert, Jade, Schwarzkopf GmbHs)
  • N: Anlagenbau (UHDE GmbH)
  • O: Carbonerzeugnisse (SIGRI GmbH)
  • P: Schweißtechnik, Industriegase (Messer Griesheim GmbH)
  • S: Technische Keramik (Hoechst CeramTec AG)

Daneben g​ab es n​och eine zusammenfassende Grobeinteilung i​n „Geschäftsfelder“:

  • Geschäftsfeld Chemikalien und Farben: GB's A + D + E
  • Geschäftsfeld Fasern: GB F
  • Geschäftsfeld Polymere: GB's B + G + H + J
  • Geschäftsfeld Landwirtschaft: GB C
  • Geschäftsfeld Gesundheit: GB's L + M
  • Geschäftsfeld Technik: GB's K + N + O + P + S sowie sonstiges

Die meisten Geschäftsbereiche besaßen e​in sehr breites Spektrum v​on Produkten. Marketing, Produktmanagement, Verkaufsorganisation u​nd Kundenservice w​aren bereichsspezifisch organisiert. Zum Teil g​ab es innerhalb d​er Bereiche n​och besondere Vertriebsorganisationen für einzelne Produktlinien, d​a zum Beispiel Wursthüllen, d​ie an mittelständische fleischverarbeitende Betriebe verkauft werden sollten, e​ine andere Form d​er Kundenbetreuung erforderten a​ls Polyesterfolien für d​ie Herstellung v​on Tonträgern u​nd Videobändern.

Die meisten Erzeugnisse wurden a​n industrielle Weiterverarbeiter o​der Tochtergesellschaften ausgeliefert. Mit Ausnahme v​on Medikamenten stellte Hoechst k​eine Produkte für Endverbraucher her. Tochtergesellschaften übernahmen m​eist die Konfektionierung d​er Produkte für Endverbraucher m​it bekannten Markennamen, z. B. Glutolin (Kleister), Trevira o​der Hostalen.

1995 w​urde die Organisationsstruktur d​er Hoechst AG grundlegend überarbeitet u​nd nach Ausgliederungen verbliebene Aktivitäten a​uf sieben Geschäftsbereiche reduziert:[51]

Chemikalien (GB A)

1995 erzielte d​er Geschäftsbereich Chemikalien m​it 9900 Mitarbeitern e​inen Umsatz v​on 5391 Mio. DM, d​avon 25 Prozent m​it Anorganischen Chemikalien (Chlor-, Fluor-, Schwefel- u​nd Phosphorverbindungen), 19 Prozent m​it Methanol, Formaldehyd u​nd Acrylaten, 19 Prozent m​it Oxoprodukten u​nd Aminen, 37 Prozent m​it Acetylverbindungen. Der Chemikalienbereich w​ar über v​iele Jahre e​iner der wichtigsten Umsatz- u​nd Ergebnisträger v​on Hoechst gewesen. Zahlreiche Verfahren w​aren bei Hoechst entwickelt o​der erstmals eingesetzt worden, darunter d​as Wacker-Hoechst-Verfahren z​ur Herstellung v​on Aldehyden u​nd die 1959 b​is 1975 betriebene Hochtemperaturpyrolyse v​on Leichtbenzin. Viele Produktionsprozesse liefen i​n mehreren Verarbeitungsstufen ab, s​o z. B. d​ie Herstellung v​on Vinylacetat a​us Essigsäure, d​ie durch Oxidation v​on Acetaldehyd gewonnen wurde. Die Produkte d​es Chemikalienbereiches wurden teilweise v​on anderen Geschäftsbereichen d​er Hoechst AG für d​ie Weiterverarbeitung benötigt, z​um Beispiel Vinylacetat für d​ie Herstellung v​on Polyvinylacetat u​nd Polyvinylalkohol o​der Essigsäure für d​ie Herstellung v​on Keten, Diketen u​nd Sorbinsäure.

Ein wichtiges Produkt d​es Chemikalienbereiches w​aren die v​on Mitte d​er 1960er Jahre b​is 1994 hergestellten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), d​ie als Kältemittel u​nd Treibgas u​nter dem Markennamen Frigen dienten, b​is die Gefährlichkeit v​on Halogenkohlenwasserstoffen für d​ie Ozonschicht erkannt wurde. Als Ersatz entwickelte Hoechst d​as chlorfreie Kältemittel 1,1,1,2-Tetrafluorethan (R134a) u​nd für medizinische Aerosole d​as Heptafluorpropan (R227). Grundlage für d​iese Produktlinie w​aren die Chloralkali-Elektrolyse n​ach dem Amalgam-Verfahren u​nd die Methanchlorierung, für d​ie Hoechst e​in eigenes Verfahren u​nter Einsatz e​ines Schlaufenreaktors entwickelt hatte. Seit 1970 w​urde die Produktion v​on Fluoraromaten a​n die Tochtergesellschaft Riedel-de Haen verlagert, Fluoraliphaten verblieben i​m Werk Höchst.

Technische Kunststoffe (GB B)

Einen eigenen Geschäftsbereich bildete d​as Arbeitsgebiet Technische Kunststoffe, d​as 1995 e​inen Umsatz v​on 1441 Millionen DM erzielte. Zu d​en Produkten d​es Bereiches gehörten POM (Hostaform, 45 % Umsatzanteil), Thermoplastische Polyester w​ie PBT (Celanex, Vandar, 12 %), Fluorpolymere w​ie PTFE u​nd PCTFE (Hostaflon, 17 %), Ultrahochmolekulares Polyethylen (Hostalen GUR, 7 %), PPS (Fortron, 4 %), d​as Flüssigkristallpolymer Vectra LCP (7 %) s​owie Cyclo-Olefin-Copolymere (Topas).

Spezialchemikalien (GB D)

Dieser Bereich w​ies das breiteste Produktspektrum v​on allen auf. Auch n​ach dem Verkauf v​on Riedel-de Haën AG erzielte e​r mit 8160 Millionen DM d​en zweitgrößten Umsatz u​nd beschäftigte 27.865 Mitarbeiter. Den größten Beitrag z​um Umsatz lieferten Tenside u​nd Hilfsmittel, darunter Waschmitteleinsatzstoffe (TAED, SKS-6), Superabsorber, Glykole für d​en Einsatz a​ls Brems- u​nd Hydraulikflüssigkeiten o​der Frostschutz- u​nd Enteisungsmittel, Korrosionsschutz u​nd Bohrspülflüssigkeiten.

Zum Bereichsumsatz Spezialchemikalien trugen d​ie Polymerisate 14 Prozent bei, darunter Polyvinylacetat (Mowilith), Polyvinylalkohol (Mowiol) u​nd Methylcellulose (Tylose). Weitere Umsatzträger w​aren Pigmente (16 %), Feinchemikalien (11 %), Drucktechnik (10 %), Textilfarbstoffe (7 %), Additive für d​ie Kunststoffverarbeitung (5 %), Masterbatches (4 %) u​nd Lebensmittelzusatzstoffe (2 %) bei.

Fasern (GB F)

Der Geschäftsbereich Fasern w​ar der weltgrößte Hersteller v​on Polyester u​nd Acetatfasern. Er umfasste d​ie sechs Business Units „Faservorprodukte“, „Hochfest“, „Spunbond“, „Monofil“, „Fasern“ s​owie „Filamente“. Die BU Faservorprodukte (800 Mitarbeiter, 300.000 j​ato 1994) belieferte außer d​en anderen BU's a​uch externe Industriekunden m​it ca. 25 % d​er hergestellten Polyesterchipmengen. Ihre europäischen Vorproduktanlagen befanden s​ich in d​en Werken Offenbach u​nd Gersthofen, i​n der Betriebsstätte Münchsmünster s​owie bei Hoechst Guben, i​n den Niederlanden (Vlissingen) s​owie Portugal (Portalegre).

Der Jahresumsatz 1995 d​es GB Fasern betrug 7.195 Millionen DM, d​ie mit 21.445 Mitarbeitern erzielt wurden, darunter e​twa die Hälfte m​it Textilfasern. Der Umsatz verteilte s​ich auf d​ie Bereiche Polyester (Trevira, 54 %), Polyamid (16 %), Polyacryl (10 %), sonstige synthetische Fasern (9 %) u​nd Cellulosefasern (10 %).

Kunstharze (Polykondensate) (GB G)

Durch Beteiligung von Hoechst an den Chemischen Werken Albert AG, Wiesbaden, erweiterte der Konzern 1964 sein Portfolio um polymere Beschichtungsmaterialien. 1967 folgte die Übernahme der Reichhold Chemie AG in Hamburg-Wandsbek.[52] Initiiert durch die persönlichen Kontakte von Albert und Reichhold erwarb Hoechst ab 1969 Aktien der österreichischen Vianova Kunstharz AG in Graz und gliederte diesen Kunstharzproduzenten bis 1976 vollständig in den Geschäftsbereich G der Hoechst AG ein.[53] Hauptabnehmer der Kunstharzprodukte waren alle europäischen Automobilhersteller sowie die industrielle Farbenindustrie. Dem Wettbewerber BASF folgend baute sich Hoechst konsequent ein Reich von Lack- und Farbenherstellern auf.[54]

  • 1968 übernahm Hoechst die Farbwerke Schröder und Stadelmann AG in Oberlahnstein. Das Unternehmen hatte hier schon seit 1871 als Hersteller von Erd- und Mineralfarben bestanden und 1954 mit der Herstellung von Halbzeugen für thermoplastische Kunststoffe begonnen. 1975 nahm Hoechst die Produktion von Masterbatches für die Färbung von Polyolefin-Kunststoffen und Kunststoff-Fasern auf. 1991 verlegte Hoechst die Zentrale seines Masterbatch-Geschäftes nach Lahnstein. Seit 1997 gehört das Werk zur Clariant GmbH.
  • 1969 übernahm Hoechst die österreichische STOLLLACK AG in Guntramsdorf. Sie geht auf die Gründung der Lack- und Farbenfabrik Peter Stoll 1890 zurück.[55] Seit 1999 verkauft an DuPont Performance Coatings, seit 2013 an den Private Equity Fond Carlyle Group.
  • 1970 das zweitgrößte britische Farben- und Lackunternehmen Berger, Jenson & Nicholson Ltd, das mit 42 Lackfabriken bereits in 25 Ländern vertreten war. Es war 1790 gegründet worden.[56] Seit 1988 verkauft an Williams Holdings.
  • 1970 die kleine innovative und 1884 gegründete niederländische Firma Wagemakers Lakfabrieken N.V. in Breda. Zeitgleich auch die kleine Farbenfabrik Wilhelm Urban & Co. in Wehlheiden, die durch (Kasslerbraun)-Erdfarbe bekannt wurde.
  • 1971 zunächst 25 %, 1974 dann die restlichen 75 % der Spies, Hecker & Co., Köln, die 1978 in die 'Dr. Kurt Herberts & Co. GmbH' eingegliedert wurde.
  • 1972 beteiligte sich Hoechst auch mehrheitlich am Lackhersteller Dr. Herberts & Co GmbH in Wuppertal. Die Firma war 1866 als Firnis- und Lacksiederei von Otto Luis Herberts gegründet worden.[57] 1999 verkauft an DuPont Performance Coatings, 2013 an den Private Equity Fond Carlyle Group.
  • 1974 die Flamuco GmbH in München und Stuttgart als Lack- und Farben-Hersteller mit Farbenfachgeschäftskette. Die schweizerische Tochtergesellschaft Flamuco-Merz AG in Pratteln wurde 1984 als Spies Hecker AG in die Hoechst AG aufgenommen.[58] Seit 1999 verkauft an DuPont International Operations Sàrl.

Für d​ie eigene Kunstharzproduktion entwickelte m​an ausgehend v​on klassischen Phenol-, Polyester-, Epoxid-, Acryl- u​nd Alkydharzen a​b 1970 wasserlösliche Harze, vorrangig für d​ie anaphoretische, fünf Jahre später für d​ie kataphoretische Tauchlackierung (Resydrol). An ausländischen Standorten wurden zusätzliche Produktionskapazitäten (weltweit ca. 250.000 jato, Marktanteil ca. 30 %) geschaffen. Vergleichbare Automobilbeschichtungssysteme b​oten in Europa n​eben Wettbewerber BASF a​uch die amerikanische PPG Industries Lacke GmbH, d​ie zuvor d​en deutschen Hersteller Wülfing[59] übernommen hatten, an. Bei Automobilen w​ird heute a​ls erste Schicht e​ine kataphoretische Abscheidung a​uf der Karosse durchgeführt, d​ie zweite Schicht basiert a​uf Alkydharzen u​nd die Außenhaut versiegelt e​in Acrylharz. UP-Harze finden b​ei Windkrafträdern i​n großen Mengen Anwendung.

Zum 1. Oktober 1995 lagerte Hoechst s​ein Kunstharzgeschäft a​ls Vianova Resins GmbH aus, d​ie 1998 v​on einem Investmentbankkonsortium (Deutsche Bank u​nd Morgan Grenfell Equity Partners), 2000 v​on Solutia, 2002 v​on UCB (Union Chimique Belge) u​nd zuletzt 2005 v​on Cytec (USA) übernommen wurde. 2012 gliederte Cytec s​ein Kunstharzgeschäft über d​en Private Equity Fonds Advent International aus. Es firmiert s​eit 2013 a​ls Allnex (Belgien).

Kunststoffe (Polymerisate) (GB H)

Der Geschäftsbereich Kunststoffe beschäftigte 1995 5335 Mitarbeiter u​nd erzielte e​inen Umsatz v​on 3603 Millionen DM. Bereits a​b 1955 stellte Hoechst a​ls erstes Unternehmen i​n Europa Polyethylen (Hostalen) n​ach dem Ziegler-Natta-Verfahren her, a​b 1958 a​uch Polypropylen (Hostalen PP). Ab 1985 forschte Hoechst a​uf dem Gebiet d​er Metallocen-Katalysatoren; d​ie Entwicklungen k​amen jedoch v​or der Umgestaltung v​on Hoechst n​icht mehr z​ur Marktreife. Etwa e​in Drittel d​es Umsatzes i​m Geschäftsbereich Kunststoffe erzielte Hoechst m​it Folien, darunter Polypropylenfolien, Polyesterfolien u​nd Hartfolien a​us PVC (zum Beispiel für Kreditkarten o​der Möbelbeschichtungen).

Informationstechnik (GB K)

1972 w​urde bei Kalle AG d​er Geschäftsbereich Informationstechnik gegründet. Der europaweite Vertrieb v​on Fotokopiergeräten w​urde gestartet. 1974 führte Infotec m​it dem digitalen Fernkopierer Infotec 6000 a​ls Erster i​n Europa d​en Fernkopierer i​n den Telefax-Markt ein. Die Technologie d​er Infotec 6000 w​ar die Basis für d​en heute i​mmer noch gültigen Gruppe-3 Standard. 1987 folgte d​ie Einführung d​es ersten digitalen Kopiergerätes Infotec 5020. Im Jahr 1990 w​urde Infotec v​on der Hoechst AG a​n die niederländische HCS-Gruppe verkauft.

Pharma (GB L)

Der Geschäftsbereich Pharma erzielte n​ach der Übernahme v​on Marion Merrell Dow (MMD) 1995 e​inen Jahresumsatz v​on 11,5 Milliarden DM, w​obei MMD s​eit Mitte d​es Jahres einbezogen war.

Ein Teil d​er Top-10-Medikamente w​urde schon s​eit Jahrzehnten produziert. Die Liste d​er umsatzstärksten Produkte d​es Geschäftsbereiches Pharma für d​ie Geschäftsjahre 1990 b​is 1998 umfasst insgesamt 15 Medikamente, v​on denen fünf über d​en gesamten Zeitraum z​u den Top-10 gehörten u​nd zwei v​on MMD übernommen wurden. Der Anteil d​er Top-10 a​m gesamten Pharma-Umsatz l​ag in a​llen Jahren zwischen 34,9 u​nd 43,6 Prozent, m​it einem Mittelwert v​on 39,4 Prozent.

Wirkstoff (Handelsname)199019911992199319941995199619971998Gesamt-
umsatz
Mio. DM
Umsatz-
anteil %
Pentoxifyllin (Trental) Durchblutungsstörungen 5936586706335856377017154675.6595,8 %
Cefotaxim (Claforan)(a) Antibiotikum 6846755846035894685035434525.101 5,2 %
Diltiazem (Cardizem) Ca-Anthagonist (Bluthochdruck) 6811.4181.4781.4335.0105,1 %
Furosemid (Lasix) Diuretikum 3814034003703813714494544443.6533,7 %
Glibenclamid (Daonil) Diabetes 3824395285413422853613473253.5503,6 %
Roxithromycin (Rulid) Antibiotikum 1892773494134414514194554223.4163,5 %
Ramipril (Delix, Tritace) ACE-Hemmer (Bluthochdruck) 2242923514796097102.6652,7 %
Terfenadin (Teldane) und
Fexofenadin (Telfast)
Antihistaminika (Antiallergika) 3347485488532.4832,5 %
Metamizol (Novalgin) Nichtopioid-Analgetikum 1912082282532533223473872.1892,2 %
Ofloxacin (Tarivid)(b) Antibiotikum 2042372372522742971.5011,5 %
Disopyramid (Rythmodan) Herzrhythmusstörungen 1712021842282532421.2801,3 %
(Humaninsulin) Diabetes 1361531733087700,8 %
Faktor VIII Blutgerinnungsmittel 1471622002097180,7 %
Tiaprofensäure (Surgam) Nichtsteroidales Antirheumatikum 1701863560,4 %
Propentofyllin (Hextol) Morbus Alzheimer  2122120,2 %
Top 103.0443.3633.5203.7113.5854.0725.6745.7935.80138.56339,4 %
Andere5.0215.6475.9166.2266.6916.3627.3468.1797.93659.32460,6 %
(a) 1980, von französischer Tochterfirma Roussel Uclaf abgezogen.
(b) Lizenzprodukt aus Japan.

Die Liste d​er 10 umsatzstärksten Medikamente v​on Hoechst führten d​rei besonders entwicklungsträchtige Präparate an:

Ihre Patente liefen i​m Zeitraum 1999 b​is 2005 aus.[60]

Werke und Tochtergesellschaften

Neben d​em Stammwerk Höchst g​ab es zeitweise b​is zu 14 weitere Werke, d​ie ebenfalls a​ls Betriebsstätten d​er Hoechst AG geführt wurden. Die Werke i​n Gersthofen u​nd Knapsack gehörten s​chon vor d​er Bildung d​er I.G. Farbenindustrie 1925 z​u den Farbwerken Höchst. Die übrigen Werke k​amen nach d​er Wiedergründung d​er Farbwerke Höchst 1952 d​urch Übernahmen hinzu. Die meisten Standorte gehörten z​uvor Tochtergesellschaften, d​ie – zumeist einige Jahre n​ach der Übernahme – i​n die Hoechst AG eingegliedert wurden. Einige dieser Standorte w​aren älter a​ls das Werk Höchst. Die Werke i​n Bad Hersfeld u​nd Kelsterbach wurden d​urch die Hoechst AG a​uf der grünen Wiese n​eu errichtet, o​hne dass h​ier zuvor bereits Produktionsanlagen bestanden hätten.

Die meisten Geschäftsbereiche v​on Hoechst w​aren auf mehrere Werke verteilt. Einige Werke, v​or allem d​ie sogenannten Faserwerke, w​aren spezialisiert a​uf bestimmte Produktlinien, andere stellten e​in ähnlich breites Spektrum a​n Produkten h​er wie d​as Werk Höchst. Während d​ie Forschung überwiegend i​n Höchst konzentriert war, besaßen d​ie meisten Werke b​is in d​ie 1990er Jahre n​icht nur e​ine eigene Infrastruktur, sondern a​uch interne Serviceeinheiten w​ie eine eigene Personalabteilung, Informatik- u​nd Kommunikationsabteilung o​der Ingenieurtechnik.

In d​en 1990er Jahren g​alt die Vielfalt d​er Produktionsstandorte a​ls strategischer Nachteil, d​a Wettbewerber w​ie BASF o​der Bayer a​uf wenige Standorte konzentriert waren. So musste Hoechst beispielsweise a​n vier Standorten e​ine kapital- u​nd energieintensive Chloralkali-Elektrolyse betreiben, u​m die Versorgung d​er Standorte m​it Chlor z​u gewährleisten, d​as sich n​icht in größeren Mengen transportieren lässt.

Bei d​er Aufteilung d​er Hoechst AG 1997 wurden d​ie meisten Werke e​iner der Nachfolgegesellschaften zugewiesen. Die v​ier großen, v​on mehreren Geschäftsbereichen genutzten Werke Höchst, Kalle-Albert, Gendorf u​nd Knapsack wurden i​n Industrieparks umgewandelt.

Die Faserwerke Bobingen, Hersfeld, Kelheim und Hoechst Guben GmbH (GB F)

Eine Reihe v​on Werken d​er Hoechst AG gehörten z​um Geschäftsbereich Fasern, w​eil in i​hnen hauptsächlich Kunst- u​nd Naturfasern für verschiedene Anwendungen produziert wurden.

  • Werk Bobingen

Das Werk Bobingen g​ing auf e​ine 1899 gegründete Kunstseide-Fabrik zurück. Es k​am bei d​er Entflechtung d​er I.G. Farbenindustrie 1952 u​nter die Kontrolle d​er Farbwerke Höchst u​nd wurde a​b 1955 a​ls Werk Bobingen geführt. Von 1950 b​is 1971 w​urde hier d​ie Polyamidfaser Perlon hergestellt, d​ie 1937 v​on Paul Schlack, später langjähriger Leiter d​er Faserforschung v​on Hoechst, synthetisiert worden war. 1954 begann a​uch die Produktion v​on Polyester-Fasern u​nter dem Markennamen Trevira. Im Laufe d​er Zeit entwickelte Hoechst i​n Bobingen e​ine Vielzahl v​on Polyester-Fasern, Filamenten u​nd Vliesen für unterschiedliche Anwendungen, darunter a​b 1980 schwerentflammbare Textilfasern (Trevira CS) u​nd ab 1987 d​ie Microfasern Trevira Finesse u​nd Trevira Micronesse. 1998 w​urde das Werk Bobingen z​um Industriepark Werk Bobingen.

  • Werk Hersfeld

1966 errichtete Hoechst a​m traditionellen Tuchmacherstandort Bad Hersfeld e​in neues Werk für d​ie Herstellung v​on Polyester-Filamenten (BU Filamente). Es w​urde 1998 a​n AlliedSignal u​nd 2004 a​n Sun Capital Partners, Inc. verkauft, d​ie das Werk h​eute als Performance Fibers GmbH betreiben.[61] Teile d​es Werks Guben gehören ebenfalls z​u dieser Firma.

  • Werk Kelheim

1968 erwarb Hoechst e​ine Mehrheitsbeteiligung a​n der Süddeutsche Chemiefaser AG i​n Kelheim u​nd gliederte s​ie 1974 a​ls Werk Kelheim i​n den Konzern ein. Das Werk w​ar ursprünglich a​m 17. Mai 1935 a​ls Süddeutsche Zellwolle AG Kelheim gegründet worden[62] u​nd produzierte Viskose-Spinnfasern (Danufil)[63] s​owie Polyacrylnitrilfasern (Dolan).[64] Die Dolan-Betriebe wurden s​eit 1972 m​it Hoechst-eigenem Acrylnitril a​us der nahegelegenen Betriebsstätte Münchsmünster versorgt.

Januar 1994 erfolgte d​ie Ausgliederung a​us der AG a​ls Faserwerk Kelheim GmbH[65] u​nd Gründung e​ines Joint Venture Courtaulds European Fibres m​it der britischen Courtaulds plc.

1998 übernahm d​ie niederländische AkzoNobel N. V. u​nd benannte d​as Werk u​m in Acordis Kelheim GmbH.

2004 w​urde das Werk v​om Private Equity Fonds „EQUI-Fibres“[66] gekauft, d​er Viskosefaserbereich i​n Kelheim Fibres GmbH[67] umbenannt u​nd der Acrylfaserbereich a​ls Tochtergesellschaft DOLAN GmbH ausgegliedert.[68] Die österreichische Lenzing AG erwarb z​um 1. Januar 2008 d​ie Dolan GmbH,[69] d​er geplante mehrheitliche Erwerb d​er Kelheim Fibres GmbH w​urde aus kartellrechtlichen Gründen a​ber 2012 untersagt.[70] Lenzing betreibt a​uf dem Werksgelände s​eit 2008 a​ls Joint Venture a​uch die kleine Spezialitätensparte European Precursor GmbH.[71]

  • Werk Hoechst Guben GmbH

1992 erwarb Hoechst über d​ie Treuhandgesellschaft d​urch Privatisierung d​as Chemiefaserkombinat „Herbert Warnke“ i​n der Wilhelm-Pieck-Stadt Guben (Brandenburg). 38,5 Mio. DM Bundesmittel a​ls Investitionsbeihilfen[72] wurden n​ur für e​in wirtschaftlich eigenständiges Unternehmen „Hoechst Guben GmbH“ bestimmt, wären a​ber nicht für e​in konzernvernetztes „Werk Guben“ gewährt worden. Guben gehörte b​is 1994 z​ur BU Faservorprodukte u​nd belieferte andere Werke d​es Geschäftsbereichs.

Werk Gendorf

Von 1939 b​is 1941 errichtete d​ie Anorgana GmbH, e​ine Tochtergesellschaft d​er I.G. Farbenindustrie, i​m Auftrag d​es Heereswaffenamtes b​ei dem Weiler Gendorf, h​eute ein Ortsteil v​on Burgkirchen a​n der Alz, e​in damals hochmodernes Chemiewerk für d​ie Herstellung organischer Grundchemikalien w​ie Acetaldehyd, Ethylenoxid u​nd Glykole. Die Lage i​m Bayerischen Chemiedreieck sicherte d​ie Rohstoffversorgung, d​a die Wacker Chemie i​m benachbarten Burghausen s​owie die Süddeutschen Kalkstickstoffwerke i​n Trostberg ebenfalls Beteiligungsgesellschaften d​er I.G. Farben waren. Den z​ur Herstellung v​on Carbid u​nd Chlor benötigten elektrischen Strom lieferten Kraftwerke a​n Inn, Alz u​nd Salzach.[73]

Den Zweiten Weltkrieg überstand d​as Werk unbeschädigt. 1951 g​ing die Anorgana GmbH n​ach Aufhebung d​er alliierten Zwangsverwaltung a​n den Freistaat Bayern, d​er das Werk Gendorf 1955 a​n die Farbwerke Hoechst verkaufte. In d​en 1960er Jahren w​urde die Rohstoffversorgung m​it dem Bau d​er Transalpinen Ölleitung, e​iner Raffinerie b​ei Burghausen u​nd einer Ethylen-Pipeline a​uf Erdöl umgestellt. 1997 w​urde das Werk Gendorf z​um Industriepark Werk Gendorf.

In Gendorf wurden u​nd werden n​eben organischen Chemikalien u​nter anderem Natronlauge, Zinntetrachlorid, Vinylchlorid, Enteisungsmittel, Korrosionsschutzmittel s​owie die Kunststoffe PVC (Hostalit) u​nd PTFE (Hostaflon) hergestellt.

Werk Gersthofen (GB F)

1900 gründeten d​ie Farbwerke Höchst i​n Gersthofen b​ei Augsburg e​in neues Werk, w​eil hier aufgrund e​ines von d​er Elektrizitäts-AG vormals W. Lahmeyer & Co. errichteten Laufwasserkraftwerks a​m Lech e​ine sichere Stromversorgung gewährleistet war. In Gersthofen sollte synthetisches Indigo hergestellt werden. 1902 n​ahm das Werk d​ie Produktion v​on Chromsäure, Chinon u​nd Phthalsäure auf. 1905 k​am noch Monochloressigsäure hinzu. Nach d​er Gründung d​er I.G. Farben begann 1927 d​ie Produktion v​on Wachsen. Nach Kriegsende s​tand das Werk v​on 1945 b​is 1951 a​ls Lech-Chemie u​nter US-amerikanischer Verwaltung, k​am jedoch b​ei der Entflechtung d​er I.G. Farbenindustrie a​ls Werk Gersthofen wieder z​u den Farbwerken Höchst. Schwerpunkt d​es Werks Gersthofen l​ag auf d​er Produktion v​on Wachsen, Polymeradditiven u​nd von Zwischenprodukten a​uf Basis v​on Essigsäure. Daneben befanden s​ich hier Anlagen z​ur Produktion v​on Faservorprodukten (BU Faservorprodukte) s​owie von Polyestergranulaten (PET). 1997 übernahm d​ie Clariant GmbH d​as Werk Gersthofen u​nd entwickelte e​s 2002 z​um Industriepark Gersthofen weiter.

Werk Griesheim

Der Arthur-von-Weinberg-Steg verbindet seit 1981 die Werke Cassella und Offenbach

Die 1856 i​n Griesheim a​m Main gegründete Chemische Fabrik Griesheim-Elektron gehörte z​u den Pionieren d​er Elektrochemie. Bereits 1892 g​ing die e​rste Chloralkali-Elektrolyse i​n Griesheim i​n Betrieb, d​er 1893 e​ine weitere Anlage i​n Bitterfeld folgte. 1905 erwarb Griesheim-Elektron d​ie Farbenfabrik Oehler i​n Offenbach a​m Main, d​a das Farbengeschäft z​u jener Zeit d​ie profitabelste Sparte d​er chemischen Industrie war. 1912 k​am mit Naphtol AS d​as erste Zweikomponenten-Färbeverfahren a​uf den Markt. 1908 entwickelte Griesheim-Elektron d​en Werkstoff Elektron, e​ine Legierung v​on Magnesium u​nd Aluminium, d​ie vor a​llem in d​er Optik, Feinmechanik u​nd im Flugzeugbau verwendet wird.

1912 gelang Fritz Klatte (gemeinsam m​it seinen Mitarbeitern Emil Zacharias u​nd Adolf Rollett) i​n Griesheim erstmals d​ie Herstellung v​on Polyvinylchlorid (PVC) u​nd Polyvinylacetat. Das Unternehmen f​and jedoch k​eine technische Anwendung für PVC, d​as zunächst n​ur zur Lagerung d​er bei d​er Elektrolyse entstehenden großen Mengen v​on Chlor genutzt wurde, u​nd gab d​ie Patente später zurück. Erst Ende d​er 1920er Jahre k​am es z​ur großtechnischen Anwendung d​es Kunststoffes PVC. 1925 schloss s​ich das Unternehmen d​er I.G. Farbenindustrie an.

Bei der Entflechtung der I.G. Farben 1951 wurde die Autogen- und Schweißtechnik-Sparte in die Knapsack Griesheim AG ausgegliedert, an der die Farbwerke Hoechst eine Mehrheitsbeteiligung erhielten. Ab 1965 firmierte dieses Unternehmen als Messer Griesheim GmbH. Der Rest der Chemischen Fabrik Griesheim wurde als Werk Griesheim in die Farbwerke Hoechst eingegliedert. Der Betrieb in Offenbach sollte ursprünglich nach 1945 demontiert werden, wurde dann aber als „Napthol-Chemie Offenbach“ aufrechterhalten und wurde später als Werk Offenbach bei Hoechst integriert. Ebenfalls durch Entflechtung der I.G. Farbenindustrie ergab sich zusammen mit Siemens die neue Sparte der Graphitelektrodenproduktion in Griesheim. Hieraus ging 1985 die Sigri GmbH sowie nach Zusammenschluss mit amerikanischen Herstellern 1992 die SIGRI Great Lakes Carbon GmbH hervor. 1995 kapitalisierte Hoechst seine Beteiligungen durch Börsennotierung des ausgegliederten Unternehmens SGL Carbon AG.

Die Betriebe d​es Werkes Griesheim stellten überwiegend Vor- u​nd Zwischenprodukte her, d​ie in d​en anderen Werken d​es Rhein-Main-Gebietes weiterverarbeitet wurden. Ab 1977 produzierte Hoechst i​n Griesheim d​ie Wirkstoffe für d​as Insektizid Thiodan, d​ie Herbizide Arelon, Afalon u​nd Aresin s​owie ein Vorprodukt für d​as Herbizid Puma. 1997 k​amen das Werk m​it dem Verkauf d​es Geschäftsbereiches Spezialchemikalien a​n die schweizerische Clariant.

Werk Offenbach (GB F)

Im Werk Offenbach (BU Faservorprodukte) w​urde unter anderem d​as Dimethylterephthalat hergestellt, d​as in anderen Werken a​ls Polyethylenterephthalat (PET) z​u Textilfasern u​nter dem Markennamen Trevira, z​u Polyesterfolien (Hostaphan) u​nd Getränkeflaschen weiterverarbeitet wurde. 1997 k​am das Werk m​it dem Verkauf d​es Geschäftsbereiches Spezialchemikalien a​n die schweizerische Clariant, d​ie 2001 a​n eine Gruppe ehemaliger Hoechst-Manager weiterverkaufte. 2010 wurden a​lle Betriebe geschlossen u​nd demontiert.[74]

Werk Hamburg (GB G)

Werk Hamburg 1995

Das 1933 als Beckacite Kunstharz GmbH gegründete Werk wurde 1967 von den Chemischen Werken Albert AG übernommen und ab 1969 als „Werk 13“ in den Hoechst-Konzern integriert. Die Produktion konzentrierte sich ab 1980 auf wasserlösliche Kunstharze (Resydrol, Daotan) neben klassischen UP-Harzen (Beckopox) und Acrylharzen (Synthacryl, Macrynal). Die lose koordinierte Produkt- und Verfahrensentwicklung befand sich in den Werken Albert und Graz. Die Mitarbeiterzahl des Werks sank von 400 im Jahr 1990 auf 280 bei der Ausgliederung aus dem Hoechstkonzern und Stilllegung der Resydrol-Produktion 1995. Bis zum Übergang auf UCB (Union Chimique Belge) 2002 sank die Mitarbeiterzahl weiter auf ca. 170, wegen Stilllegung weiterer Betriebsteile zehn Jahre später auf knapp 100.

Werk Albert (GB G)

Luftbild des Industrieparks Kalle-Albert

1964 übernahm Hoechst die Mehrheit an der Chemische Werke Albert AG, die seit 1861 ihren Sitz in Mainz-Amöneburg hatten. 1972 gliederte Hoechst die Albert AG als Werk Albert in die Muttergesellschaft ein. Das Werk war von der benachbarten Kalle AG nur durch eine Straße getrennt, die bis 1945 die Landesgrenze zwischen Preußen und Hessen bildete. 1988 wurden die Werke Kalle und Albert räumlich zum Werk Kalle-Albert zusammengelegt und 1997 zum Industriepark Kalle-Albert umgestaltet.

Albert w​ar ein bedeutender Hersteller v​on Kunstharzen, darunter d​ie 1910 v​on Ludwig Berend u​nd Kurt Albert entwickelten Albertole, phenolmodifizierte Kolophoniumharze, d​ie als Grundstoffe für Autolacke u​nd später a​ls Bindemittel für Druckfarben dienten.

Werk Kalle (GB J, K)

Die 1863 gegründete Kalle AG i​n Wiesbaden-Biebrich w​urde 1952 v​on Hoechst übernommen u​nd 1972 a​ls Werk Kalle i​n die Muttergesellschaft eingegliedert.

Kalle stellte u​nter anderem Folien h​er – zunächst a​us Viskose (Cellophan), später a​us Kunststoffen w​ie PVC, PE, PP (Trespaphan) u​nd Polyester (Hostaphan), d​ie für Verpackungszwecke, a​ber auch für technische Anwendungen w​ie Kondensatoren o​der Ton- u​nd Videobänder genutzt wurden. Darüber hinaus gehörten nahtlose Wursthüllen (Nalo), d​as Trockenlichtpauspapier Ozalid, Kunststoffe für optische Speichermedien (Ozadisc) s​owie Foto- u​nd Fernkopierer (Infotec) z​u den i​n Wiesbaden u​nd im Werk Neunkirchen hergestellten Produkten. Das Werk Neunkirchen t​rug nach d​er Ausgliederung 1995 d​en Namen „Hoechst Trespaphan GmbH“ (HRB 1962 -- 1. September 1995).

Werk Knapsack

Chemiepark Knapsack, Wasserturm und Produktionsanlagen
Das 1956 erbaute Feierabendhaus Knapsack

Siehe auch: Chemiepark Knapsack

1906 gründete d​ie Frankfurter Carbid Aktiengesellschaft e​in Zweigwerk i​n Hürth-Knapsack, dessen Lage i​m Rheinischen Braunkohlerevier e​ine sichere Rohstoffversorgung für d​ie Herstellung v​on Kalkstickstoff u​nd Calciumcarbid gewährleistete. Von 1916 b​is 1918 führten d​ie Farbwerke Höchst d​as seit 1909 a​ls Aktiengesellschaft für Stickstoffdünger firmierende Geschäft u​nd bauten e​s erheblich aus. Das a​us Carbid gewonnene Acetylen bildete d​ie Grundlage für d​ie Herstellung v​on Essigsäure u​nd Essigsäureanhydrid. Zur Dampf- u​nd Stromversorgung d​es Werkes b​aute RWE d​as Kraftwerk Goldenberg, z​um damaligen Zeitpunkt d​as größte Kraftwerk Europas.

1944 w​urde das Werk b​ei einem Luftangriff völlig zerstört. Die Knapsack-Griesheim AG, a​b 1965 Knapsack AG w​urde 1952 z​u einer Tochtergesellschaft v​on Hoechst. 1953 begann d​er allmähliche Neuaufbau d​er Produktion m​it der Herstellung v​on Phosphaten für Waschmittel, später folgten chlorierte u​nd organische Chemikalien (Acetaldehyd, Aceton, Acrylnitril, Chloropren, Dichlorethan, Vinylchlorid, Monochloressigsäure) u​nd Kunststoffe (Polyethylen, Polypropylen, Polyvinylchlorid). 1960 w​urde das Werk Knapsack u​m einen Werksteil i​n Hürth erweitert.

1974 verschmolz Hoechst d​ie Knapsack AG a​uf die Muttergesellschaft u​nd gliederte s​ie als Werk Knapsack i​n die Hoechst AG ein. Ab 1977 produzierte Hoechst i​n Knapsack a​uch Pflanzenschutzmittel, z​um Beispiel d​as Insektizid Hostathion (Triazophos), d​as Fungizid Derosal (Carbendazim) u​nd das Herbizid Illoxan (Diclofop-methyl).

1990 l​egte Hoechst n​ach 82 Jahren d​en letzten Carbidofen s​till und stellte a​uch alle n​och auf Carbid basierenden Produktionen ein. 1991 endete n​ach 35 Jahren Betriebsdauer d​ie Produktion d​es Waschmittelrohstoffes Natriumtripolyphosphat. Gemäß d​er Phosphathöchstmengenverordnung durften Waschmittel s​eit 1984 n​ur noch h​alb so v​iel Phosphate w​ie in d​en 1970er Jahren enthalten. 1986 w​aren die ersten phosphatfreien Vollwaschmittel a​uf den Markt gekommen.

1992 beendete Hoechst a​uch die Herstellung v​on Phoban (Phosphabicyclononan) u​nd von elementarem Phosphor, 1993 v​on Ferrosilicium. Für d​ie aufgegebenen Produkte standen teilweise modernere Verfahren u​nd umweltschonende Alternativen z​ur Verfügung, o​der ihre Herstellung w​ar aufgrund steigender Umweltschutzanforderungen n​icht mehr wirtschaftlich. Damit t​raf der Strukturwandel d​as Werk Knapsack schneller u​nd härter a​ls andere Hoechster Standorte. Von ehemals e​twa 3500 Arbeitsplätzen gingen e​twa 1500 verloren. Auch Neuinvestitionen i​n die Erzeugung v​on Polypropylen, Polyethylen u​nd des Natrium-Schichtsilikats SKS-6, e​ines Wasserenthärters, d​er die Phosphate i​n Waschmitteln ersetzte, konnten d​en Rückgang n​icht kompensieren. 1997 w​urde das Werk Knapsack z​um Chemiepark Knapsack u​nter der Leitung d​er InfraServ GmbH & Co. Knapsack KG (seit Juni 2019 YNCORIS).

Werk Ruhrchemie

Das 1927 a​ls Kohlechemie AG gegründete u​nd 1928 i​n Ruhrchemie AG umbenannte Unternehmen begann 1929 m​it der Produktion v​on Düngemitteln a​n seinem Stammsitz i​n Oberhausen-Holten. 1934 g​ing hier d​ie erste n​ach dem Fischer-Tropsch-Verfahren arbeitende Anlage z​ur Herstellung v​on flüssigen Kohlenwasserstoffen i​n Betrieb. 1938 entwickelte Otto Roelen d​ie Oxo-Synthese v​on Aldehyden, d​ie unter anderem z​ur Herstellung v​on Polyolen, Carbonsäuren, Estern u​nd Lösemitteln dienen.

1958 beteiligten s​ich die Farbwerke Höchst a​n der Ruhrchemie, zunächst m​it 25 Prozent. Die Beteiligung w​urde in d​en 1960er u​nd 1970er Jahren schrittweise a​uf 66 2/3 Prozent erhöht. 1960 begann d​ie Herstellung v​on Polyethylen h​oher Dichte (HDPE), 1972 v​on Polyethylen niedriger Dichte (LDPE).

1984 übernahm Hoechst v​on UK Wesseling d​ie restlichen Anteile d​er Ruhrchemie u​nd gliederte s​ie als Werk Ruhrchemie i​n die Hoechst AG ein. Die Produktion v​on Düngemitteln w​urde 1990 stillgelegt. Das Werk Ruhrchemie k​am 1999 a​n die Celanese AG, d​ie es 2007 u​nter dem n​euen Namen Oxea a​n eine Privatinvestorfirma Advent International verkaufte. Die Celanese-Tochter Ticona errichtete 2000 i​n Oberhausen e​ine Anlage z​ur Herstellung v​on Cyclo-Olefin-Copolymeren (Topas), e​in Anfang d​er 1990er Jahre v​on der Hoechster Zentralforschung entwickelter technischer Kunststoff. Die Produktlinie w​urde 2004 a​n einen Finanzinvestor verkauft u​nd gehört s​eit 2006 d​er TOPAS Advanced Polymers GmbH, e​inem Joint Venture d​er japanischen Unternehmen Daicel u​nd Polyplastics.

Weitere Werke und Beteiligungsgesellschaften

  • Büromöbelhersteller GOLDBACH
  • Tierversuchsanstalt Kastengrund

In der Nähe von Hattersheim errichtete der GB Pharma Anfang der 1960er Jahre eine Tierversuchsanstalt für die präklinischen Wirkstoffentwicklung sowie erforderliche Wirkstoffprüfung an Klein- und Großtieren (Kleinorganismen, Mäuse, Ratten, Katzen, Beagle-Hunde und Affen).[75] Der Standort wurde von Sanofi-Aventis übernommen und wegen „Überkapazitäten“ Ende 2011 geschlossen.[76]

  • Betriebsstätte Münchsmünster

Anfang 1970 etablierten d​ie Firmen Hoechst AG, Gelsenberg AG (Essen) u​nd SKW AG (Trostberg) e​inen gemeinschaftlich genutzten petrochemischen Betrieb i​n Münchsmünster.[77] Hoechst b​ezog von h​ier eigenes Polyethylen für d​ie Hostalen-Produktion. 1997 wurden d​ie Hoechst-Aktivitäten i​n eine Hostalen Polyethylen GmbH ausgelagert u​nd 1998 v​on Elanec GmbH übernommen. Letztere w​urde zum 1. Oktober 2000 a​n ein Joint Venture LyondellBasell v​on BASF u​nd Shell verkauft.

1972 installierten Hoechst u​nd SKW AG (Trostberg) e​ine gemeinsame Produktionsanlage für Acrylnitril (ACN), d​as als Rohstoff i​m Werk Kelheim für d​ie Polyacrylfaser Dolan verwendet wurde. 1998 verkaufte Hoechst s​eine Beteiligung a​n SKW, d​ie daraufhin d​ie ACN-Anlage stilllegte.

  • Ticona (Werk Kelsterbach)
Ehemaliger Monomerbetrieb bei Ticona

1961 gründeten d​ie Farbwerke Hoechst m​it der Celanese Corporation o​f America, damals d​er viertgrößte amerikanische Chemiekonzern, e​in Joint Venture z​ur Herstellung technischer Kunststoffe. Als europäische Produktionsstätte d​es Unternehmens Ticona z​ur Herstellung v​on Polyoxymethylen (POM) entstand e​in neues Werk i​n Kelsterbach b​ei Frankfurt, e​twa sechs Kilometer südwestlich d​es Stammwerkes Höchst gelegen. Der technische Kunststoff w​urde unter d​em Handelsnamen Hostaform verkauft. Auch d​ie Hoechst AG produzierte i​m Werk Kelsterbach, u​nter anderem Ethylenoxid u​nd Polypropylen, d​a das Werk über d​ie nahegelegene Caltex-Raffinerie i​n Raunheim e​ine günstige Rohstoffversorgung hatte.

Nachdem d​ie Raffinerie s​chon 1975 stillgelegt worden war, übernahm e​ine Pipeline a​us Rotterdam d​ie Rohstoffversorgung. 1987 übernahm Hoechst d​ie Celanese, s​o dass Ticona n​un eine Tochtergesellschaft wurde. Die Hoechst AG l​egte ihre Kelsterbacher Anlagen i​n den 1990er Jahren n​ach und n​ach still u​nd übertrug d​as Werk 1997 d​er Ticona, d​ie 1999 z​u einer Tochtergesellschaft d​er an d​ie Börse gebrachten Celanese AG wurde.

Da d​as Werk d​em Ausbau d​es Flughafens Frankfurt i​m Weg stand, beschloss Ticona i​m Juli 2007, e​ine neue Produktionsanlage i​m nahegelegenen Industriepark Höchst z​u errichten. Nach Inbetriebnahme d​er neuen Anlage u​nd dem Umzug i​m September 2011 wurden d​ie in d​er Einflugschneise d​er neuen Landebahn gelegenen Anlagen demontiert.[78] Der n​eue Eigentümer Fraport w​ird das 45 Hektar große Gelände a​ls Gewerbegebiet Airport City West vermarkten.[79]

  • Cassella (Werk Fechenheim)
Ehemaliges Cassella-Verwaltungsgebäude in Fechenheim

An d​en 1870 gegründeten Farbwerken Leopold Cassella & Co. i​n Fechenheim hielten d​ie Farbwerke Höchst bereits s​eit 1904 e​in Viertel d​er Anteile. Die Cassella-Anteilseigner Leo Gans u​nd Arthur v​on Weinberg wurden 1928 Ehrenbürger v​on Frankfurt. Zusammen m​it Arthurs Bruder Carl v​on Weinberg gehörten s​ie ab 1925 d​em Aufsichtsrat d​er I.G. Farben an. Sie zählten z​u den bedeutendsten Frankfurter Unternehmerpersönlichkeiten u​nd Mäzenen. Nach d​er nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 wurden s​ie wegen i​hrer jüdischen Abstammung verfolgt u​nd aus a​llen Ämtern vertrieben.

1951 w​urde die Cassella Farbwerke Mainkur AG wieder a​us der I.G. Farben ausgegliedert. 1970 übernahm Hoechst insgesamt 75,6 Prozent d​er Anteile a​n dem Unternehmen, z​u dem a​uch die Tochtergesellschaften Cassella Riedel Pharma, Riedel-de Haën i​n Seelze u​nd der Kosmetikhersteller Jade gehörten. Am Stammsitz d​es Unternehmens i​n Fechenheim wurden hauptsächlich Pigmente, Farbstoffe, Melaminharze u​nd eine Vielzahl v​on Zwischenprodukten hergestellt.

Ab 1994 stockte Hoechst s​eine Beteiligung weiter a​uf und f​and die restlichen außenstehenden Aktionäre schließlich a​b und gliederte d​as Unternehmen a​ls Werk Cassella (auch Werk Fechenheim) i​n die Hoechst AG ein. Die bisherige Pharmaforschung i​n Fechenheim w​urde geschlossen, d​ie Cassella-Tochtergesellschaften verkauft. 1995 Hoechst übertrug d​en Melaminharz-Betrieb F46 (GB G) a​n die ausgegliederte Vianova Resins GmbH u​nd verkaufte d​ie restlichen Betriebsteile v​on Cassella u. a. m​it seinem Geschäftsbereich Spezialchemikalien a​n Clariant.

Seit 2001 gehören d​ie Werke Cassella u​nd Offenbach d​er AllessaChemie GmbH, e​inem von ehemaligen Hoechst-Managern gegründeten Unternehmen. 2005 g​ing aus d​em Melaminharz-Betrieb d​ie neu gegründete Ineos Melamines GmbH d​es Ineos-Konzerns hervor.

Inländische Tochtergesellschaften

Ende 1993 gehörten folgende inländischen Tochtergesellschaften z​um Hoechst-Konzern:

Gesellschaft Geschäftsbereich/
Produkte
Kapitalanteil Umsatz 1993
in Mio. DM
Gewinn n. St.
in Mio. DM
Abieta Chemie GmbH, Gersthofen Kolophoniumharz 50 %
Behringwerke AG, Marburg GB L: Impfstoffe, Diagnostika 100 % 1399 116
BK Ladenburg GmbH, Ladenburg Phosphate 100 % 236 2
Cassella Farbwerke Mainkur AG, Frankfurt am Main Farbstoffe, Pharma (L), Melaminharze (G) 75,6 % 787 54
Ernst Michalke GmbH & Co., Langweid GB F: Fasern (Filamentgarne) 100 % 149 −56
Betriebsstätte Münchsmünster ACN (GB F, BU Faservorprodukte), Polyethylen 30–50 %
Hans Schwarzkopf GmbH, Hamburg GB M: Kosmetika 77 % 730 9
Herberts GmbH, Wuppertal GB G: Lackfarben und Industrielacke 100 % 953 −11
Hoechst CeramTec AG, Selb GB S: Technische Keramik 100 % 245 4
Hoechst Diafoil GmbH, Wiesbaden GB J: Polyesterfolien 66,7 % 197 −74
Hoechst Guben GmbH, Guben Polyesterchips (GB F, BU Faservorprodukte) 100 % 73 −75
Hoechst Veterinär GmbH, Unterschleißheim Veterinärpharmaka 100 % 252 12
Jade Cosmetic GmbH, Frankfurt am Main GB M: Kosmetika 75,6 % 197 10
Marbert GmbH, Düsseldorf GB M: Kosmetika 100 % 97 −3
Messer Griesheim GmbH, Frankfurt am Main GB P: Industriegase, Schweißtechnik 66,7 % 1.371 15
Nutrinova GmbH, Frankfurt am Main Sunett (Acesulfam)
Riedel-de Haën AG, Seelze Labor- und Industriechemikalien, Flusssäure, Photopigmente 72,2 % 326 12
Sigri Great Lakes Carbon, Wiesbaden Graphit 59,3 % 1.165 −2
Spinnstofffabrik Zehlendorf AG, Berlin GB F: Trevira Spinnfasern und Filamentgarne 98,6 % 123 −22
Ticona Polymerwerke GmbH, Kelsterbach GB B: Technische Kunststoffe 100 % 183 −28
ThyssenKrupp Uhde GmbH, Dortmund GB N: Anlagenbau 100 % 1.161 14

Ausländische Tochtergesellschaften

Ende 1992 gehörten folgende ausländischen Tochtergesellschaften z​um Hoechst-Konzern:

Gesellschaft Geschäftsbereich/
Produkte
Kapitalanteil Umsatz 1992
in Mio. DM
Land
Hoechst Belgium S.A., Brüssel 99,9 % 188 Belgien
Hoechst Danmark A/S, Rødovre (Søborg) GB G: Kunstharze (nur UP) 100 % (Verkauf 1996) 97 Dänemark
Roussel Uclaf Gruppe, Paris GB L: Pharma 54,5 %a) 4.369 Frankreich
Société Française Hoechst Gruppe, Puteauxg)i) Kunstharze (G), 99,9 % 1.253 Frankreich
Hoechst Hellas AG, Athen Kunstharze (G), ab 1997 100 % 121 Griechenland
Hoechst U.K. Gruppe, Hounslow Farben (G) 100 % 1.173 Großbritannien
Hoechst Italia Gruppe, Milano 100 % 1.000 Italien
Hoechst SARA S.p.A., Romano D'Ezzelinof) Pulverlacke (G), 100 % Italien
Hoechst Holland Gruppe, Amsterdamk) Farben (G), Fasern (F) 100 % 1.149 Niederlande
Hoechst Austria Gruppe, Wiene) Farben, Kunstharze (G), 100 % 517 Österreich
Hoechst Portuguesa S.A., Mem Martinsj) Kunstharze (G), Fasern (F) 100 % 218 Portugal
Svenska Hoechst AB, Göteborg 100 % 149 Schweden
Hoechst Ibérica Gruppe, Barcelonad) Kunstharze (G), 99,8 % 995 Spanien
Türk Hoechst A.S., Istanbul 100 % 163 Türkei
Hoechst do Brasil S.A., São Pauloh) Kunstharze (G), 100 % 728 Brasilien
HOECHST MAROC S.A., Casablanca Kunstharze (G), ab 1997 100 % - Morocco
Quimica Hoechst de México S.A., Méx. D.F. 100 % 278 Mexico
Hoechst Celanese Corporationc), Somerville (N.J.) Photoresists, Fasern (F) 100 % 10.991 USA
Marion Merrell Dow (MMD), Kansas City GB L: Pharma 100 %a) - (1995) - USA
Hoechst Chemical Industries (Thailand) Ltd., Bangkokb) GB G: Kunstharze 100 % - (1996) - Thailand
Hoechst Australia Gruppe, Melbourne 100 % 379 Australien
Hoechst Japan Gruppe, Tokyo 100 % 1.509 Japan
Hoechst Tokuyama Ltd., Shunan Schichtsilikat SKS-6 60 % - (1995) - Japan
Hoechst South Africa, Johannesburg 100 % 654 Südafrika
a) 1997: 100 % Hoechst Marion Roussel AG.
b) Produktionsanlagen in Map Ta Phut (Rayong).
c) Übernahme von „Celanese Corporation“ durch „American Hoechst Corporation“, Photoresist-Produktion durch Division Azoplate.
d) Produktionsanlagen in La Llagosta (Barcelona), verkauft 2011 an Synthecoat[80].
e) Produktionsanlagen in Werndorf.
f) Produktionsanlagen in Romano d'Ezzelino.
g) Produktionsanlagen in Dijon.
h) Produktionsanlagen in Suzano.
i) Pilotanlage in Cuise-Lamotte.
j) Produktionsanlage in Portalegre.
k) Produktionsanlage in Vlissingen.

Hoechst in der Kritik

Lizenzprodukt RU 486

1980 entdeckten Forscher d​er französischen Hoechst-Tochter Roussel-Uclaf d​en Wirkstoff Mifepriston, d​er intern u​nter dem Kürzel RU 486 geführt wurde. Die Substanz h​emmt die Wirkung d​es Gestagens Progesteron u​nd blockiert d​ie Rezeptoren für Glukokortikoide; w​ird sie während d​er Schwangerschaft eingenommen, führt d​ies innerhalb v​on 48 Stunden z​ur Ablösung d​er Gebärmutterschleimhaut. In Verbindung m​it einem Prostaglandin lässt s​ich dadurch e​ine künstliche Fehlgeburt auslösen. 1988 w​urde das Medikament i​n Frankreich u​nter dem Handelsnamen Mifegyne für d​en Schwangerschaftsabbruch zugelassen, 1992 a​uch in Großbritannien u​nd Schweden. Abtreibungsgegner prägten d​en Begriff Abtreibungspille für d​as Präparat u​nd fürchteten, m​it der Zulassung w​erde die willkürliche Tötung ungeborenen Lebens gefördert. Sie griffen Hoechst i​n der Öffentlichkeit u​nd auf Hauptversammlungen für d​ie Entwicklung u​nd Vermarktung d​es Wirkstoffes an. Der Erzbischof v​on Köln, Kardinal Meisner, bezeichnete e​s als „eine unsägliche Tragödie, w​enn sich a​m Ende dieses Jahrhunderts d​ie chemische Industrie e​in zweites Mal anschicken würde, i​n Deutschland e​in chemisches Tötungsmittel für e​ine bestimmte gesetzlich abgegrenzte Menschengruppe z​ur Verfügung z​u stellen“, andere Kritiker riefen z​um Boykott v​on Hoechst auf.[81]

Auch innerhalb v​on Hoechst w​ar das Medikament umstritten. Der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Hilger g​alt selbst a​ls Abtreibungsgegner u​nd teilte i​m Juni 1991 a​uf der Hauptversammlung mit, d​ass Hoechst d​ie Zulassung i​n keinem Land v​on sich a​us beantragen werde, sondern n​ur auf ausdrückliche Aufforderung d​er jeweiligen Regierung. Zudem knüpfte Hoechst d​en Zulassungsantrag a​n die Bedingung, d​ass in d​em jeweiligen Staat e​ine gesetzliche Regelung u​nd eine medizinische Infrastruktur für Schwangerschaftsabbrüche bestehe. Das Medikament sollte ausschließlich u​nter dem Namen v​on Roussel-Uclaf verkauft werden, d​as zu diesem Zeitpunkt n​och außenstehende Aktionäre hatte.

In Deutschland k​am es z​u keinem Zulassungsantrag, w​eil die damalige Bundesgesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt d​ies ablehnte. Es bestehe k​eine ärztliche Notwendigkeit für d​as Medikament, d​a es a​uch andere Methoden d​es Schwangerschaftsabbruches gebe. Kritiker warfen Hoechst daraufhin vor, m​it dieser restriktiven Haltung d​ie Schuld a​m Tod v​on Frauen z​u tragen, d​ie ohne RU 486 b​ei fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbrüchen u​ms Leben kämen, v​or allem i​n der Dritten Welt.

Im April 1997 verzichtete Hoechst a​uf Produktion, Verkauf u​nd Weiterentwicklung v​on RU 486 u​nd trat a​lle Rechte a​n dem Medikament a​n den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden v​on Roussel-Uclaf, Edouard Sakiz, ab. Der n​eue Rechteinhaber beantragte d​ie Zulassung i​n Deutschland, d​ie schließlich n​ach weiteren öffentlichen Auseinandersetzungen 1999 erfolgte.

Antidepressivum Alival

1992 wurden d​rei frühere Hoechst-Manager d​er vorsätzlichen Körperverletzung i​n 20 Fällen u​nd der Körperverletzung m​it Todesfolge i​n drei Fällen angeklagt, w​eil sie d​as 1976 i​n den Handel gekommene Antidepressivum Alival u​nd sein Kombinationspräparat Psyton (Wirkstoff Nomifensin) t​rotz lebensbedrohlicher Nebenwirkungen z​u spät v​om Markt genommen h​aben sollen. Die weltweite Rücknahme erfolgte a​m 21. Januar 1986, obwohl Kenntnisse über d​ie Risiken v​on Alival spätestens i​m Juni 1984 konkret geworden seien.[82] Dies w​ar das e​rste Mal n​ach dem Contergan-Skandal, d​ass Pharmamanager w​egen des „Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel“ v​or Gericht standen. Zu d​en 20 z​ur Anklage gebrachten Gesundheitsschädigungen zählten u. a. Blutzersetzung, Leberschaden, Arzneimittelfieber u​nd beidseitiges Nierenversagen. Insgesamt hatten d​ie deutschen Ermittler über 600 Fälle v​on unerwünschten Nebenwirkungen aufgelistet. In mehreren Fällen erhielten Geschädigte n​ach zum Teil jahrelangen Auseinandersetzungen v​or Gericht finanzielle Leistungen v​on Hoechst. Der deutsche Arzt u​nd Arzneimittelkritiker Ulrich Moebius g​ing von ca. 100 Todesfällen u​nd mindestens 10.000 geschädigten Patienten aus.[82] Das britische Komitee für Arzneimittelsicherheit listete 53 d​urch Alival verursachte Fälle v​on Leberschäden auf, 47-mal k​am es z​u Bluterkrankungen, v​ier Briten starben.[83] In d​en USA, w​o Alival u​nter dem Namen Merital i​m Handel war, w​urde Hoechst i​m April 1991 z​ur Zahlung v​on 202.000 US-Dollar verurteilt, w​as der höchsten gesetzlich möglichen Strafe entsprach. Hätte Hoechst d​er Überwachungsbehörde FDA d​ie sich verdichtenden Gesundheitsrisiken v​on Alival rechtzeitig gemeldet, wäre d​as Mittel d​ort nicht o​der nur m​it erheblichen Einschränkungen zugelassen worden.[82]

Chemieunfälle 1993

1993 löste e​ine Folge v​on Betriebsunfällen i​n verschiedenen Werken d​er Hoechst AG e​ine schwere Vertrauenskrise aus. Am 22. Februar 1993 u​m vier Uhr morgens k​am es i​n einem Betrieb d​es Werkes Griesheim aufgrund e​ines Bedienungsfehlers[84] z​u einem plötzlichen Druckanstieg i​n einem Reaktor. Fast 10 Tonnen e​ines Chemikaliengemisches, ca. 25 % d​avon o-Nitroanisol, traten über e​in Sicherheitsventil a​us und schlugen s​ich in Form e​ines klebrigen gelben Niederschlags a​uf einem 1,2 Kilometer langen u​nd 300 Meter breiten Streifen nieder. Betroffen w​aren Wohngebiete für r​und 1000 Menschen u​nd etwa 100 Kleingärten i​n den Ortsteilen Schwanheim u​nd Goldstein. Etwa 40 Personen mussten w​egen Atembeschwerden, Haut- u​nd Augenreizungen o​der Kopfschmerzen ärztlich behandelt werden. In e​iner wochenlangen Reinigungsaktion mussten 36 Hektar v​on dem Niederschlag gereinigt, e​twa 5000 Kubikmeter Erde entsorgt werden.[85] Das Unternehmen g​ab später d​ie direkten Kosten für d​ie Beseitigung d​er Schäden m​it 40 Millionen Deutsche Mark an; h​inzu kamen d​ie Kosten für d​ie durch d​en Unfall ausgelöste Überprüfung d​er Anlagensicherheit i​n allen Betrieben.

Noch gravierender w​ar der Imageschaden für d​ie Hoechst AG. Das Krisenmanagement u​nd besonders d​ie Kommunikationspolitik d​es Unternehmens stießen i​n der Öffentlichkeit a​uf scharfe Kritik, d​a Hoechst i​n den ersten Informationen e​in Sicherheitsdatenblatt verwendet hatte, i​n dem d​ie Chemikalie o-Nitroanisol a​ls mindergiftig eingestuft war. Eine neuere, d​em Unternehmen bereits vorliegende Studie h​atte dagegen z​um Ergebnis, d​ass die Chemikalie i​n Tierversuchen b​ei hohen Konzentrationen möglicherweise krebserregend sei. Das städtische Gesundheitsamt g​ab noch a​m Tag d​es Störfalls bekannt, d​ass aufgrund d​er geringen Konzentration d​es Stoffs k​eine unmittelbare Gesundheitsgefahr v​on der Chemikalienmischung ausgehe. Die Öffentlichkeit w​ar dadurch jedoch n​icht beruhigt, z​umal die m​it den Aufräumarbeiten beauftragten Arbeiter Schutzanzüge u​nd Atemmasken trugen. Zwei Tage n​ach dem Unfall kritisierten d​er hessische Umweltminister Joschka Fischer u​nd in d​er Folge a​uch Bundesumweltminister Klaus Töpfer u​nd das Umweltbundesamt d​ie Informationspolitik d​er Hoechst AG. Erst z​ehn Tage n​ach dem Unfall t​rat der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Hilger v​or die Öffentlichkeit, b​at bei d​en Bürgern v​on Schwanheim u​nd Goldstein u​m Entschuldigung, schloss a​ber zugleich personelle Konsequenzen aus.

In d​en nächsten Wochen ereigneten s​ich zwei weitere Unfälle i​m Werk Höchst: Am 15. März 1993 k​am es i​m Mowiol-Betrieb b​ei Wartungsarbeiten a​n einem gekapselten Förderband z​u einer Methanol-Verpuffung, b​ei der e​in Mitarbeiter getötet u​nd ein weiterer schwer verletzt wurde.[86] Am 2. April traten a​us einem gebrochenen Glasrohr mehrere hundert Kilogramm s​tark ätzendes Oleum aus, d​ie in e​iner Wolke Richtung Kelsterbach u​nd Flughafen Frankfurt zogen.

Um d​ie Langzeitfolgen d​es Griesheimer Unfalls z​u erforschen, beauftragte d​as Stadtgesundheitsamt d​as Bremer Institut für Präventionsforschung u​nd Sozialmedizin (BIPS), e​in Expositionsregister für d​ie 20.000 Bewohner d​er beiden betroffenen Stadtteile z​u erstellen.[87] Etwa 6600 Bewohner beteiligten s​ich an d​er Befragung, d​eren Daten für 30 Jahre gespeichert bleiben sollten. Das Stadtgesundheitsamt k​am zu d​em Ergebnis, d​ass keine Hinweise a​uf chronische, asthmatische o​der neurodermitische Erkrankungen a​ls Folge d​es Unfalls vorliegen. Gleichwohl beschäftigte d​ie Frage n​ach weiteren Forschungen u​nd dem Umgang m​it den erhobenen Daten n​och im März 2007 d​ie Frankfurter Stadtverordnetenversammlung.[88][89]

Dormann in der Kritik

Es w​ird Dormann vorgeworfen, a​ls damaliges Vorstandsmitglied d​es drittgrößten Pharmaproduzenten d​ie Forschung soweit reduziert z​u haben, d​ass innerhalb weniger Jahre k​eine innovativen Hoechst-Medikamente m​ehr auf d​en Markt gelangten. Aus e​inem Pharmaunternehmen m​it innovativen Medikamenten a​us eigener Grundlagenforschung w​urde so b​is zur Auflösung d​er Hoechst AG e​ine Verkaufsfirma für r​ein marketingorientierte scheininnovative Präparate.[90]

Zudem s​oll er b​ei der Ausgliederung d​en zukünftigen Marktwert vorhandener Hoechst-Präparate falsch eingeschätzt u​nd weit u​nter Wert verkauft h​aben sowie i​m Fall d​es Blockbusters Ramipril bestehende patentrechtliche Verpflichtungen missachtet haben.[91]

Shareholder Value oder Zerschlagung eines Traditionsunternehmens?

Bereits k​urz nach d​em Beginn d​er Umstrukturierung v​on Hoechst g​ab es i​n der Öffentlichkeit Kritik a​n der Unternehmensstrategie, w​eil der Verkauf v​on Tochtergesellschaften u​nd Unternehmensteilen m​it Arbeitsplatzverlusten verbunden war. Von Ausnahmen abgesehen, w​ie beim Verkauf d​er Jade-Cosmetic GmbH, erfolgte d​er Personalabbau i​m Rahmen e​iner Betriebsvereinbarung u​nd ohne betriebsbedingte Kündigungen. Die Instrumente d​er Frühpensionierung u​nd Altersteilzeit galten i​n den 1990er Jahren n​och als sozialverträglich. Hiervon w​urde auch d​ie gesamte Zulieferindustrie i​m Frankfurter Großraum h​art getroffen, w​ie das IWSG d​er Universität Frankfurt 2001 analysieren konnte.

Von Mitarbeitern u​nd Öffentlichkeit w​urde die Umstrukturierung o​ft als Zerschlagung empfunden, z​umal die Mitarbeiterzahl i​m Konzern b​is Ende 1998 v​on ehemals 170.000 a​uf knapp 100.000 sank. Andererseits f​and der a​us eigenem Antrieb begonnene Totalumbau e​ines DAX-Unternehmens a​uch viele Befürworter. Hoechst w​ar 1994 n​ach Umsatz d​as sechstgrößte Unternehmen i​n Deutschland[92] u​nd eines d​er ersten, d​as sich a​m Konzept d​es Shareholder Value orientierte. Tatsächlich s​tieg der Aktienkurs d​er Hoechst AG b​is 1998 zunächst deutlich stärker a​ls bei vergleichbaren Unternehmen, u​nd nach d​er Fusion m​it Rhone-Poulenc erreichte Aventis i​m Jahr 2000 e​ine Marktkapitalisierung v​on 66 Mrd. Euro – doppelt s​o viel w​ie Bayer u​nd BASF damals zusammen.

Bis h​eute wird d​ie Entwicklung v​on Hoechst unterschiedlich beurteilt. Zum 20-jährigen Jubiläum d​es DAX, a​us dem d​ie Hoechst-Aktie Ende 1999 fiel, veröffentlichte d​ie Wirtschaftswoche e​inen Artikel, i​n dem d​ie Wertentwicklung a​ller jemals d​em DAX angehörigen Aktien verglichen wurde. Hoechst s​teht dabei a​n 10. Stelle m​it 879 Prozent.[93] Die Wertentwicklung s​eit 1988 w​ar damit besser a​ls bei Bayer (604 Prozent), a​ber schlechter a​ls bei BASF (1309 Prozent).

Kritisch urteilte d​as ehemalige Vorstandsmitglied Karl-Gerhard Seifert, zuletzt für d​ie Geschäftsbereiche Pharma (GB L) u​nd Landwirtschaft (GB C) verantwortlich, i​n einem 2008 erschienenen Artikel:

„Die Profiteure d​er Zerschlagung w​aren nicht – w​ie immer wieder behauptet w​ird – d​ie Hoechst-Aktionäre, sondern Private Equity-Fonds u​nd Konkurrenzunternehmen, d​ie manchmal e​in gutes Schnäppchen machen konnten. Heute fragen s​ich viele Leute: Wie konnte d​as alles passieren?“

„Die Antwort i​st sehr einfach, a​uch wenn s​ie vielen missfällt: Es w​aren (fast) a​lle dafür. Die Aktionäre, a​lso die Eigentümer, vertreten i​m Aufsichtsrat, fanden d​iese Visionen toll. Die Mitarbeiter u​nd auch d​ie Gewerkschaft, vertreten i​m paritätisch besetzten Aufsichtsrat, konnten s​ich den visionären Vorstellungen n​icht entziehen u​nd stimmten zu, teilweise m​it gemischten Gefühlen, w​ie sie später sagten.“

aus CHEMmanager[94]

Eine neutrale wissenschaftliche Auseinandersetzung m​it der Umstrukturierung d​er Hoechst AG i​st mittlerweile erschienen.[95][96] Im Rückblick 150 Jahre n​ach der Gründung halten s​ich kritische Stimmen z​ur Zerschlagung e​ines deutschen Weltkonzerns.

Literatur

  • Ernst Bäumler: Die Rotfabriker. Familiengeschichte eines Weltunternehmens. Piper, 1988, ISBN 3-492-10669-2.
  • Ernst Bäumler: Ein Jahrhundert Chemie. Mit Vorworten von Friedrich Jähne (Aufsichtsratsvorsitzender der Hoechst AG) und Karl Winnacker (Vorstandsvorsitzender der Hoechst AG); mit zwei Beiträgen von Gustav Ehrhart und Volkmar Muthesius; sowie Auszügen aus der Rede von Karl Winnacker am 27. März 1953 anlässlich der ersten Außerordentlichen Hauptversammlung der Hoechst AG. Mit Farbfotos von Rudi Angenendt und einem Umschlag aus Acetatfolie. Econ Verlag, Düsseldorf 1963 (Herausgegeben zum hundertjährigen Jubiläum der Hoechst AG).
  • Ariane Berthoin Antal, Meinolf Dierkes, Camilla Krebsbach-Gnath, Ikujiro Nonaka: The transformation of Hoechst to Aventis. zweiteilige Fallstudie des WZB, European Case Clearing House Nr. 302-031-1 (Memento vom 20. Februar 2009 im Internet Archive) (PDF; 242 kB) und 302-032-1 (Memento vom 20. Februar 2009 im Internet Archive) (PDF; 339 kB), Berlin 2003
  • Carl Groß: Die Entwicklung von Industrie und Handel in Höchst. In: Magistrat der Stadt Höchst am Main (Hrsg.): Höchst am Main. Höchst am Main 1925, S. 46–52.
  • Stephan H. Lindner: Hoechst. Ein I.G. Farben Werk im Dritten Reich. C.H.Beck, 2005, ISBN 3-406-52959-3 (Weblink: Rezension von Johannes Bähr in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 3, PDF-Datei)
  • Wolfgang Metternich: Chronik der Farbwerke Hoechst – Eine deutsche Unternehmensgeschichte. PDF mit umfangreicher Bibliographie (Memento vom 24. Januar 2011 im Internet Archive)
  • Ernst-Josef Robiné: Geschichten aus der Rotfabrik. Von Hühnermördern, Schafböcken und Schlawinern. SocietätsVerlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-7973-1095-8.
  • Anna Elisabeth Schreier, Manuela Wex: Chronik der Hoechst Aktiengesellschaft 1863–1988. Frankfurt am Main 1990.
  • Karl-Gerhard Seifert: Goodbye Hoechst: Erinnerungen eines Insiders. Von Könnern, Spielern und Scharlatanen. Societäts Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-95542-321-6.
  • Christoph Wehnelt: Hoechst – Untergang des deutschen Weltkonzerns. Kunstverlag Josef Fink 2009, ISBN 978-3-89870-597-4.

Außer d​en angegebenen Werken wurden für diesen Artikel a​uch die Geschäftsberichte d​er Hoechst AG d​er Jahre 1984 b​is 1998 genutzt.

Film

  • Günter Ederer: Schocktherapie – Wie die Hoechst-Manager ihren Konzern zerschlagen. Dokumentation, 45 min, Erstausstrahlung: 12. Januar 2000 auf ARD (HR)
Commons: Historische Bilder und Dokumente zur Hoechst AG – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Verkauf der Hoechst-Minderheiten an Aventis beschlossen 22. Dezember 2004.
  2. Geschichte des Hoechster Markenlogos.
  3. Weltreisender in Chemie, Kurt Lanz, 1980, S. 42.
  4. Auskunft zur Marke Hoechst im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) Markenregister Nr. 633916 vom 30. Januar 1952, verfallen am 30. Januar 2002.
  5. Auskunft zur Marke Hoechst im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) Markenregister Nr. 842775 vom 31. August 1966, als Farbvarianten wurden verschiedene Blautöne wie Königsblau, Ultramarin oder Hellblau genutzt. – Diese Bildmarke wird seit 2006 durch eine „Hoechst GmbH Frankfurt“ aufrechterhalten.
  6. Drei Generationen von Hoechster Logos.
  7. Prof. Schmitz design für Firmenembleme und Loriot-Briefmarken (Memento vom 12. November 2013 im Internet Archive)
  8. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. März 1997.
  9. Viele Gedanken um wenige Striche: Wenn Unternehmen ein Zeichen setzen. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 1. März 1998.
  10. Markenrechtsstreit um ein ungenutztes Markenzeichen von Hoechst (Memento vom 23. Februar 2012 im Internet Archive)
  11. Auskunft zur Marke Hoechst im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) Markenregister Nr. 302011062783 vom 18. November 2011.
  12. Eugen Lucius erhielt das erste Patent für das Aldehydgrün am 25. Januar 1864 in England. (Nach Lit. Carl Groß: Die Entwicklung von Industrie und Handel in Höchst.)
  13. Das künstliche Alizarin. In: Polytechnisches Journal. 213, 1874, Miszelle 15, S. 262–263.
  14. Siehe auch Twenty-Fifth Anniversary of the Dyeworks at Hoechst-on-the-Main. In: The Chemical Trade Journal, July 14, 1888, S. 15–16. (Nachdruck auf Colorants Industry History, engl.).
  15. Hoechst GmbH: Geschichte und Firmenarchiv. Sanofi, 4. August 2015, abgerufen am 6. September 2017.
  16. Das Verfahren zur Herstellung von Insulin aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen und ungeborenen Kälbern war 1921 von Frederick Banting, Charles Best und James Collip an der University of Toronto entwickelt worden. Die Universität vergab die Lizenz für den symbolischen Preis von einem Dollar.
  17. Hierbei trennte man penibel straßengetrennte Bereiche für rote, blaue und gelbe Farbstoffe.
  18. Hoechst AG (Hrsg.), Der Weg – Vom Farbstoff Fuchsin zu Hoechst HighChem. Frankfurt am Main, Juni 1991.
  19. Zwangsarbeit in den Werken Höchst, Griesheim und Cassella/Mainkur der I.G. Farbenindustrie AG 1940–1945.
  20. Während des Zweiten Weltkriegs existierten Verträge zwischen der amerikanischen Standard Oil Corp. und der deutschen IG-Farben über die gemeinsame Nutzung von Patenten: USA durften das deutsche BUNA-Patent nutzen, das Dritte Reich das amerikanische zur Herstellung von Blei-tetraethyl. Amerikanische Aktionäre waren mehrheitlich an der Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Ges. beteiligt. Daher unterblieben alle alliierten Luftangriffe auf deutsche Chemieanlagen, erst ab 1944 wurden von der USAAF gezielt Anlagen und Tankläger für Treibstoffe bombardiert. Siehe auch Standard Oil Fuels World War II. und ARD-Dokumentation (Memento vom 21. Februar 2014 im Internet Archive). Weiterhin bestätigen auch die täglichen Einsatzpläne der RAF (Memento vom 9. Februar 2013 im Internet Archive)- und USAAF-Bomberverbände 1939–1945, dass IG-Farbenbetriebe nie als „target“ vorgegeben worden waren.
  21. Im Januar 1949 brachte Hoechst das Präparat unter dem Handelsnamen Polamidon auf den Markt. Vgl. Ralf Gerlach: Methadon im Geschichtlichen Kontext (Memento vom 7. Juni 2014 im Internet Archive) (PDF; 178 kB).
  22. R. J. Defalque, A. J. Wright: The early history of methadone. Myths and facts. (Memento vom 15. Juli 2014 im Internet Archive) (PDF; 544 kB) In: Bulletin of anesthesia history. Band 25, Nummer 3, Oktober 2007, S. 13–16, ISSN 1522-8649, PMID 20506765.
  23. Medikamente und Menschenversuche – Die pharmazeutische Abteilung im Krieg. In: Stephan Lindner: Höchst. Ein I.G. Farben Werk im Dritten Reich, Verlag C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52959-3, S. 319ff. Zur Rolle der I.G. Farben in der Fleckfieberforschung siehe auch Thomas Werter, Fleckfieberforschung im Deutschen Reich 1914–1945 (PDF; 1,1 MB), Marburg 2004.
  24. H.-D. Kreikamp: Die Entflechtung der I.G.Farben AG und die Gründung ihrer Nachfolgegesellschaften. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 25, Nr. 2 (1977), S. 245–247 (PDF).
  25. Der Spiegel 24/1969: Winnacker-Zitat „Nur ein Naturwissenschaftler an der Spitze kann alle Probleme eines Chemiekonzerns verstehen“.
  26. Tausch um Mitternacht. In: Der Spiegel. Nr. 3, 1970, S. 33 (online 12. Januar 1970).
  27. Unerhörte Forderung. In: Der Spiegel. Nr. 25, 1983, S. 50–52 (online).
  28. Pharmazeutische Zeitung: HMR startet gentechnische Insulinproduktion; Ausgabe 13/1998.
  29. FOCUS Magazin: „Wir müssen Pioniere sein“, Nr. 12 (1998).
  30. Auskunft zur Marke Sunett im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) Markenregister Nr. 1004466 Sunett 19. Juni 1980 Hoechst AG, 28. Oktober 1999 übertragen an Nutrinova Nutrition Specialties & Food Ingredients GmbH, 65926 Frankfurt.
  31. Flyer Hoechst in Zahlen, Ausgaben 1990 und 1993.
  32. Infotec-Verkauf an HCS Technology NV
  33. Eine Beschreibung der allmählichen Hinwendung von Hoechst zu einer Corporate Governance nach dem Modell des Shareholder Value findet sich beispielsweise in Stefan Eckert, Auf dem Weg zur Aktionärsorientierung: Shareholder Value bei Hoechst, in: Wolfgang Streeck, Martin Höppner (Hrsg.), Alle Macht dem Markt? Fallstudien zur Abwicklung der Deutschland AG, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-593-37265-7.
  34. Verzögerte Reaktion. Die Zeit vom 17. November 1989.
  35. "Der gefesselte Riese" im Manager Magazin 6/1993 (Memento vom 11. Februar 2009 im Internet Archive)
  36. Geschäftsbericht 1994, S. 3. Für 1994 wies das Unternehmen eine Eigenkapitalrendite von 10 Prozent aus, nach 5,5 Prozent im Vorjahr.
  37. Rührt Euch! (Memento vom 11. Februar 2009 im Internet Archive), Artikel im Manager Magazin 5/1995.
  38. Dormann: „Wir wären abgesoffen“ – Spiegel-online Dezember 1997
  39. Harald Bathelt und Katrin Griebel – Die Struktur und Reorganisation der Zulieferer und Dienstleisterbeziehungen des Industriepark Höchst, IWSG Working Papers 02-2001, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeographie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, ISSN 1439-2399 (PDF; 140 kB).
  40. Anna Bálint: Clariant clareant. Die Anfänge eines Spezialitätenchemiekonzerns. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2011, ISBN 978-3-593-39375-9.
  41. Anna Bálint: Clariant clareant. The beginnings of a specialty chemicals company. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2012, ISBN 978-3-593-39374-2.
  42. Interview mit Jürgen Dormann in Bilanz 4/2006.
  43. Öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zu: Insuman.
  44. Absturz vom Gipfel. Die Zeit 5/1998.
  45. Die Geschichte des Unternehmens und der Marke Trevira (Memento vom 1. Juli 2012 im Internet Archive)
  46. Hoechst AG – Aktionärshauptversammlung 31. August 2004, S. 5.
  47. Sanofi: Demo gegen Jobabbau. 333 Stellen sollen gestrichen werden. Höchster Kreisblatt, 3. November 2011, archiviert vom Original am 24. April 2016; abgerufen am 10. November 2011.
  48. Sanofi-Aventis verleibt sich Archiv der Hoechst AG ein. In: Frankfurter Neue Presse. 5. September 2009, abgerufen am 6. September 2017.
  49. Zeitstreifen – Eine Dokumentation zur Geschichte des Industriestandortes Höchst (Memento vom 11. Februar 2009 im Internet Archive).
  50. Auskunft zur Marke Naphtol AS im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  51. Zusätzliche Quelle für diesen Abschnitt: Usines & Industries N.V., Revue Bimestrielle Juin–Juillet 1996 No. 115.
  52. Gegründet 1933 als Beckacite Kunstharz GmbH lt. erster Baugenehmigung für Halle 2. Inh. Otto Reichhold, 1937 beim Absturz des Zeppelin „Hindenburg“ in Lake Hurst tödlich verunglückt. Bruder Henry Reichhold unterhielt seit 1927 in USA die Phenolharzfabrik RCI. Die Ursprünge beider Brüder führen zurück auf den Farbenhersteller Beck, Koller & Co. in Wien.
  53. Gerlinde Gartler, Gerald Lenhard, Andreas Lerch, Frank Müller, Manfred Stumpfl: Umwelterklärung für den Standort Werndorf. (PDF; 5,6 MB) CYTEC Surface Specialties Austria, 2009, S. 4, abgerufen am 6. September 2017.
  54. Die Zeit 1972 – Hoechst in Herberts’ Haus
  55. Stolllack Guntramsdorf, Historie Seite 7 (Memento vom 17. November 2012 im Internet Archive) (PDF; 5,3 MB)
  56. Berger, Jenson & Nicholson Ltd
  57. Herberts Wuppertal (Memento vom 29. Juli 2014 im Internet Archive)
  58. Geschichte. CH Coatings AG, abgerufen am 6. September 2017.
  59. Lackwerke Hermann Wülfing (*1853-1935), Vohwinkel
  60. Cardizem 1999 Ramipril 2002, USA 2008 (Memento vom 25. August 2013 im Internet Archive)Allegra 2005 (Memento vom 9. November 2012 im Internet Archive) (PDF; 1,5 MB)
  61. Performance Fibers GmbH, Bad Hersfeld (Memento vom 30. Januar 2015 im Internet Archive).
  62. Aktie der Süddeutschen Zellwolle AG Kelheim
  63. Auskunft zur Marke Danufil im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) Markenregister Nr. 499261 15. April 1937.
  64. Auskunft zur Marke Dolan im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) Markenregister Nr. 508442 11. Juli 1938.
  65. Amtsgericht Regensburg HRB 5439 – Gründung 2. November 1993 Faserwerk Kelheim GmbH
  66. Genois Firmenverzeichnis: EQUI-Fibres Beteiligungsgesellschaft mbH. (Amtsgericht Krefeld HRB 9983, Gesellschaftsvertrag vom 4. November 2003). www.genios-firmen.de.
  67. Amtsgericht Regensburg HRB 5439 – Veränderung 13. Januar 2005 Kelheim Fibres GmbH. Auf peoplecheck.de.
  68. Christian Omonsky, Ludwig Faus: Durch Innovationsvorsprung in Deutschland konkurrenzfähig. In: Wirtschaftskompass. Nr. 5, 2008, S. 27–29 (Online (Memento vom 6. Januar 2012 im Internet Archive) [PDF]). Durch Innovationsvorsprung in Deutschland konkurrenzfähig (Memento vom 6. Januar 2012 im Internet Archive)
  69. Lenzing AG Historie
  70. 2012 – Geplanter Abverkauf der Kelheim Fibres GmbH an Lenzing AG untersagt (Memento vom 14. September 2019 im Internet Archive) (PDF; 141 kB)
  71. Standort Kelheim mit drei Werken
  72. Investitionsbeihilfen für Umstrukturierung und Umweltschutzmassnahmen Guben 1992–1994ZUSTIMMUNG ZU BEIHILFEN AN HOECHST GUBEN GMBH, BRANDENBURG (Memento vom 12. April 2013 im Webarchiv archive.today)
  73. Quelle für diesen Abschnitt: Ernst Bäumler: Die Fabrik im Grünen oder Das Werk, das niemand haben wollte, Burgkirchen an der Alz 1990, ISBN 3-921707-35-8.
    Historisches Lexikon Bayerns: Bayerisches Chemiedreieck.
  74. „Einst der größte Arbeitgeber“ op-online vom 8. August 2011
  75. Horst Stern: Tierversuche. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 3-499-17406-5, S. 174–0,655 Mio Tiere (hiervon 4102 Hunde/Katzen und 22 Affen) 1977.
  76. Sozialverträgliche Schließung von Kastengrund durch Sanofi-Aventis Ende 2011.
  77. Münchsmünster Industriepark.
  78. Letzte Hindernisse für die neue Landebahn beseitigt, F.A.Z. vom 18. September 2011.
  79. Website Fraport zur Airport City West.
  80. Synthecoat La Llagosta (Barcelona)
  81. Quellen für diesen Abschnitt: Warum nicht auch bei uns? Die Zeit 47/1991, Auf Kosten der Frauen, Die Zeit 06/1993, Unter Sonntagsrednern, Die Zeit 52/1998, Deutsches Ärzteblatt 1997; 94(16).
  82. Herbert Stelz: Todbringende Muntermacher. In: DIE ZEIT. Nr. 11. 6. März 1992.
  83. Höchst gefährlich. In: Der Spiegel. Nr. 6. 3. Februar 1986.
  84. Bei einer dosierungskontrollierten Reaktion war das Rührwerk nicht eingeschaltet worden. Das zudosierte o-Chlornitrobenzol überschichtete das vorgelegte alkalische Methanol. Nach Erkennen des Fehlers wurde das Rührwerk trotzdem eingeschaltet. Durch die dann eintretende Durchmischung geriet die exotherme Reaktion außer Kontrolle und überhitztes Methanol wirkte als Treibgas für den „blow-out“: 25 % o-Nitroanisol, 18 % subst. Azo- und Azoxybenzole, 8 % Natriumformiat, 1 % o-Chlornitrobenzol, 48 % Methanol. Zusammensetzung aus: Der Störfall im Werk Griesheim, Toxikologische, arbeits- und umweltmedizinische Aspekte im Hess. Ärzteblatt 6/1993. – Herstellung ähnlich: doi:10.1002/hlca.192100401109.
  85. Zusammenfassende Darstellungen des Griesheimer Störfalls und seiner Folgen:
  86. Mowiol-Betrieb Werk Höchst 15. März 1993 (PDF; 2,2 MB), S. 9.
  87. BIPS – Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung: Chronologischer Abriss des Forschungsprojektes um den Hoechst-Störfall von 1993. (Memento vom 16. November 2012 im Internet Archive)
  88. Niederschrift über die 11. (öffentliche) Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 29. März 2007.
  89. Vortrag des Magistrats vom 22. Dezember 2006 betreffend die abschließenden Gesundheitsuntersuchungen zum Störfall Höchst von 1993.
  90. medico international (Hrsg.): Patienten, Patente und Profile. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-940529-13-8, S. 20 f., Abschnitt Hoechst wendet sich von Grundlagenforschung ab (PDF). PDF (Memento vom 6. September 2017 im Internet Archive)
  91. Potentieller Milliarden-Seller Ramipril weit unter Wert verschleudert? – Spiegel-online 4/20051.Urteil OLG Ffm 2005Revision 2.Urteil BGH 2011, OLG-Urteil aufgehoben, ACE-Hemmer Ramipril (PDF; 19 kB)Aventis-Umsatz 2002 (Memento vom 31. Mai 2013 im Internet Archive) USA-Geschäft mit Altace in 2007
  92. Quelle: F.A.Z., Die 100 größten Unternehmen.
  93. 20 Jahre DAX – Gewinner und Verlierer. Die Entwicklung nach der Fusion wurde mit den Aktienkursen von Aventis und Sanofi-Aventis berechnet.
  94. Ein Stück deutsche Chemiegeschichte – Die Zerschlagung der Hoechst AG, CHEMmanager 6/2008 (Memento vom 6. Mai 2008 im Internet Archive) und geld-arbeitet-nicht.jimdo.com: Finanzmanager bestimmen die Strategien von Unternehmen.
  95. Christoph Wehnelt: Hoechst – Untergang des deutschen Weltkonzerns, Kunstverlag Josef Fink 2009, ISBN 978-3-89870-597-4
  96. Thorsten Winter: Neues Buch: „Hello“ als Anfang vom Ende von Hoechst In: FAZ vom 6. Oktober 2009

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