Vertrieb
Der Vertrieb ist eine betriebliche Funktion in Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen für Kunden oder Endverbraucher verfügbar machen soll. Es handelt sich um das Element des Marketing-Mix, das in älteren Lehrbüchern als Distributionspolitik bezeichnet wurde. Nach aktuellem Marketingverständnis handelt es sich um Vertriebspolitik,[1] bei der die Umsetzung der Vertriebsstrategie und die effiziente Gestaltung des Vertriebsprozesses im Vordergrund stehen. Die verantwortlichen Personen im Vertrieb benötigen entsprechende Vertriebskompetenzen, die vor allem beim Investitionsgütermarketing bzw. bei der Vermarktung wissens- und technologieintensiver Produkte und Dienstleistungen von besonderer Bedeutung sind.
Evolutionspfad des Vertriebs
Durch eine Steigerung des Ausbildungs- und Wissensniveaus sowohl auf Konsumenten- als auch Verkäuferseite lässt sich ein Evolutionspfad des Vertriebs erkennen. Während beim „Power-Selling“ der schnelle Umsatzerfolg im Mittelpunkt steht, ist beim Verkaufen mit Methode ein Wandel des Verkäufers zum Marktmanager erforderlich. Beim Customer Relationship Management (CRM) richtet sich der Blick über die Vertriebsabteilung hinaus: Prozesse werden deutlich kundenorientierter strukturiert und durch Software und Datenbanken unterstützt.[2]
Prozess der Vertriebsplanung
Ausgangspunkt der Vertriebsplanung ist der Marketingplan, der die Rahmenbedingungen für alle weiteren Aktivitäten vorgibt. Nach Manfred Bruhn empfiehlt es sich, aufgrund des strategischen und langfristigen Charakters vertriebspolitischer Entscheidungen und der damit verbundenen hohen Kosten und Risiken, den Vertriebsprozess systematisch zu planen. Folgende Planungsphasen sollen dabei berücksichtigt werden:[3]
Analyse der Vertriebssituation
Die Vertriebsplanung beginnt in der Regel mit einer systematischen Analyse der wichtigsten (internen) Stärken und Schwächen sowie der zu erwartenden (externen) Chancen und Risiken (SWOT-Analyse). Dabei geht es um die möglichst objektive Darstellung der eigenen Position im Vergleich zum Wettbewerb als Grundlage für die Festlegung realistischer Vertriebsziele.
Festlegung der Vertriebsziele
Die Vertriebsziele leiten sich nicht nur von den Bedürfnissen der Endkunden und des Unternehmens ab, sondern sollten Absatzmittler (wie Groß- und Einzelhändler) und Absatzhelfer (wie Spediteure und Lagerhausbetriebe) sowie Mitbewerber einbeziehen. Unterschieden werden folgende Kategorien von Zielen:
- Ökonomisch orientierte Vertriebsziele, wie die Erhöhung der Absatzmengen, die Sicherstellung des Preisniveaus und die Senkung der Vertriebs- und Logistikkosten
- Ökologisch orientierte Vertriebsziele, wie die Steigerung der Energieeffizienz
- Logistisch orientierte Vertriebsziele, wie die Steigerung des Distributionsgrades, Senkung von Lieferzeiten und die Erhöhung der Lieferbereitschaft und -zuverlässigkeit
- Psychologisch orientierte Vertriebsziele, wie die Sicherstellung eines guten Vertriebsimages und die Erhaltung bzw. Verbesserung der Kooperationsbereitschaft des Handels
- Konkurrenzorientierte Vertriebsziele, wie die Verdrängung von Mitbewerbern
Entwicklung der Vertriebsstrategie
Die Vertriebsstrategie dient als Orientierungsrahmen für alle Vertriebsmaßnahmen. Hierzu zählen die Segmentierung der Endkunden und der Vertriebsorgane, wie der Absatzkanäle, Art und Zahl der Absatzmittler sowie die Gestaltung der Beziehungen zu diesen.
Bestimmung des Vertriebsbudgets
Hier wird der finanzielle Spielraum festgelegt, der beispielsweise für Provisionen für den Außendienst und für verkaufsfördernde Maßnahmen im Handel zur Verfügung steht.
Durchführung von Vertriebsmaßnahmen
Das Vertriebsdesign soll unter Einbeziehung von Strategie und Budget realisiert werden. Zu berücksichtigen sind die Fragen, wie die Absatzmittler an das Unternehmen gebunden werden sollen, welche Anreiz- und Vergütungssysteme eingesetzt werden und an welchen Standorten Lager zu errichten sind.
Vertriebskontrolle
Zum Abschluss der Planung ist zu überprüfen, ob und in welchem Maße die Vertriebsziele (nicht) erreicht wurden und welche Anpassungen notwendig sind. Diese Erfolgskontrolle erfordert die Festlegung geeigneter Kennzahlen.
Auswahl des Vertriebssystems
Bei der Auswahl des Vertriebssystems kann nach Bruhn oder Weis grundsätzlich der direkten und der indirekten Weg (vertikale Absatzkanalstruktur) unterschieden werden.[4][5]
Die wichtigsten Vertriebswege innerhalb der Distributionspolitik eines Unternehmens sind hierbei:
- Direktvertrieb
- Unternehmenseigene Verkaufsniederlassung
- Direktverkauf beim Kunden (durch Handelsvertreter oder Reisende)
- Telefonverkauf des Herstellers (nicht eines Händlers)
- E-Commerce des Herstellers (nicht eines Händlers)
- Kommissionsverkauf (die Ware bleibt Eigentum des Herstellers)
- Direktvermietung (direktes Leasing, Charter)
- Direkttausch
- Indirekter Vertrieb
- Handelsverkauf (Freie und Vertragshändler)
- Franchising (Franchise-Nehmer handeln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung)
- Indirekte Vermietung (indirektes Leasing)
- Indirekter Tausch (Bartering)
- Wiedervermarktung (Remarketing)
- Couponing
Beim direkten Vertrieb verkauft das Unternehmen unmittelbar an die Endabnehmer, also ohne den Einsatz unternehmensfremder Absatzorgane. Charakteristisch ist der direkte Kontakt zwischen dem Endkunden und dem Hersteller, der hierbei sämtliche Handelsfunktionen übernimmt. Die Umsetzung kann durch den Einsatz von eigenen Vertriebsmitarbeitern (Reisenden) oder durch unternehmenseigene Verkaufsstellen erfolgen. Auch im Rahmen des Direktmarketing kann der Vertrieb gestaltet werden, durch Direct Mails, Kataloge, Versandhandel, Packages oder das Telefonmarketing.
Die Vorteile des direkten Vertriebs liegen vor allem in der Sicherstellung der Beratungsqualität, der direkten und umfassenden Steuerung der Vertriebsaktivitäten und somit der direkten Einflussnahme auf den Endabnehmer. Nicht zuletzt bleibt die Handelsspanne beim Hersteller. Nachteilig sind der hohe Kapitalbedarf für das Vertriebssystem und ein möglicherweise geringerer Distributionsgrad. Eine wichtige Rolle spielt der Direktvertrieb in der Investitionsgüterindustrie und im Dienstleistungssektor (Banken, Versicherungen) sowie bei Unternehmen, die sich in Form des Haus-zu-Haus-Verkaufs von der Konkurrenz unterscheiden wollen (Amway, Avon, Tupperware, Vorwerk).
Indirekter Vertrieb liegt vor, wenn unternehmensfremde, rechtlich und wirtschaftlich selbständige Absatzmittler (Groß- und Einzelhändler) eingeschaltet werden. Die Vorteile liegen hier in der Erzielbarkeit hoher Distributionsgrade und der schnellen Expansionsmöglichkeiten, höherer Flexibilität sowie einer geringeren Kapitalbindung im Vertrieb. Nachteilig sind die starke Abhängigkeit von den Absatzmittlern und die geringe Distributionskontrolle. Hier sind häufig aufwändige Kooperationsstrategien und Anreizsysteme für die Absatzmittler notwendig, um den Vertriebserfolg zu sichern und die anfallende Handelsspanne zu decken. Nach Homburg/Krohmer[6] kann die Entscheidung zwischen direktem und indirektem Vertrieb mit Hilfe der Transaktionskostentheorie getroffen werden. Diese macht Aussagen über die günstigste Form der Abwicklung der Transaktionen in Abhängigkeit von deren Eigenschaften.
Auswahl der Absatzmittler bzw. der Vertriebsorgane
Innerhalb des Marketings wird Verkaufspolitik, also die Art des Verkaufs, auch als Distribution oder Vertrieb bezeichnet. Kundenorientierung und Kundenbindung sind hierbei Schlüsselbegriffe. Die mit der Akquisition (Kundengewinnung) beauftragten Verkäufer haben je nach ihrer Spezialisierung und handelsrechtlichen Stellung verschiedene Berufsbezeichnungen. Im Rahmen der Vertriebspolitik müssen sich Unternehmen entscheiden, welche Arten von Vertriebsorganen die Verkaufsaufgaben erfüllen sollen. Grundsätzlich sind unternehmenseigene und unternehmensfremde Vertriebsorgane einsetzbar.[7]
Weiterhin muss unterschieden werden nach Rechtsform der Zusammenarbeit und der organisatorischen Struktur im Vertrieb. So bestimmen sich, auch wenn sich Anbieter und Verkäufer formell nicht auf eine bestimmte Rechtsform in ihrer Zusammenarbeit beziehen oder keine schriftliche Vereinbarung treffen, die Rechte und Pflichten beider Seiten regelmäßig nach den tatsächlich vorherrschenden Konditionen und den hierzu üblichen Vergütungen. Ein so genannter freier Mitarbeiter, welcher ohne die Bestimmungen des Handelsvertreterrechtes scheinselbständig arbeitet oder nicht weiß, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstehen, sobald bestimmte Kriterien unselbständiger Tätigkeit vorliegen (Weisungsgebundenheit, Inanspruchnahme der Betriebsmittel des Anbieters oder organisatorische Einordnung in dessen Betriebsablauf), gilt im Nachhinein gegenüber den Sozialversicherungsträgern als leistungspflichtig. Franchise-Verträge und Maklervereinbarungen können, wie alle Rechtsverhältnisse, strittig ausgelegt werden, wenn keine klare Vereinbarung getroffen wird. Ein Rechtsgeschäft steht jedoch keinesfalls im rechtsfreien Raum, nur weil kein schriftlicher Vertrag geschlossen wurde.
Für die Festeinstellung kann der Unternehmer je nach Stellenbeschreibung mit Hilfe entsprechender Methoden der Eignungsdiagnostik entscheiden, ob der einzelne Verkäufer für die zu besetzende Position beziehungsweise im so genannten Bestellzentrum richtig positioniert ist. Die zu erwartende Verhandlungsgruppe im Einkaufszentrum des Kunden bestimmt dabei die Zusammensetzung des Teams im Industrieverkauf. Bei der Wahl des Vertriebsweges muss ein Unternehmen eine Reihe von Faktoren berücksichtigen. Erfahrungsgemäß überwiegen dabei die wirtschaftlichen Interessen des Anbieters gegenüber den Interessen der Mitarbeiter und Kunden. Eine solche Position wird dann gegebenenfalls umgekehrt, wenn der Verkäufer mit wichtigen Informationen über den Markt in die Verhandlung mit dem Anbieter eintritt und die Machbarkeit der Vorgaben aufgrund seiner Berufserfahrung und/oder seiner Kundenkontakte relativieren kann (zum Beispiel Daten zum Abnehmerverhalten in diesem speziellen Marktumfeld aufzeigt). Der „Verkauf“ der verkäuferischen Dienstleistung ist somit die plausibelste Arbeitsprobe für die Bewertung von Verkäufern in der Praxis.
Grundsätzliche Merkmale unternehmenseigener Verkaufsorgane sind deren feste Anstellung und damit einhergehend die Weisungsgebundenheit, die beide zu einer einfacheren Steuerung beitragen. Die bekannteste Form ist der Vertriebsmitarbeiter, dessen Aufgabe es ist, als Angestellter für das Unternehmen Geschäfte zu vermitteln und abzuschließen. Er wird in der Literatur häufig als Reisender bezeichnet.
Zu den unternehmensfremden Verkaufsorganen zählen beispielsweise die Handelsvertreter, die im Namen der von ihnen vertretenen Unternehmen Geschäfte abschließen, die Kommissionäre, die in eigenem Namen aber auf Rechnung des Herstellers handeln und die Makler, die fallweise mit Kauf- bzw. Verkaufsaufgaben beauftragt werden. In den meisten Fällen reduziert sich die Auswahl auf die Alternativen Reisender oder Handelsvertreter, da Kommissionäre und Makler zunehmend an Bedeutung verlieren. Trotz der Unterschiede in der rechtlichen Stellung haben Reisende und Handelsvertreter sehr ähnliche Aufgabenbereiche. Die Entscheidung bezieht sich primär auf die Frage, wer die Vertriebsaufgaben effektiver und effizienter lösen kann. Dabei sind u. a. folgende Kriterien zu berücksichtigen: entstehende Kosten und Umsätze, die Steuerbarkeit und Flexibilität des Einsatzes, die Möglichkeit der Gewinnung von Marktinformationen sowie die Risiken durch eine rechtliche Bindung.
Im Übrigen wird nach Bruhn die horizontale und vertikale Absatzkanalstruktur unterschieden.[8] Es gilt sowohl die Art der Absatzmittler, als auch deren Anzahl, unter sorgfältiger Berücksichtigung ihrer Vertriebskompetenzen zu bestimmen. In Abhängigkeit von der Art der Produkte sowie der jeweiligen Vertriebs- und Marketingstrategie sind die Strategien Universal-, Selektiv- und Exklusivvertrieb zu unterscheiden.[9]
Beim Universalvertrieb akzeptiert der Hersteller jeden Absatzmittler, der bereit ist, sein Leistungsprogramm anzubieten. Ziel ist die Überallerhältlichkeit der Produkte (Ubiquität), um einen hohen Distributionsgrad sicherzustellen. Die Strategie des Selektivvertriebs besteht darin, dass nur diejenigen Absatzmittler akzeptiert werden, die den Selektionskriterien des Vertriebs entsprechen. Kriterien für diese Auswahl könnenUmsatzbedeutung, Qualität von Beratung und Service, die Preispolitik sowie die Geschäftsgröße und -lage sein. Werden nicht nur qualitative, sondern auch quantitative Kriterien bei der Auswahl der Absatzmittler berücksichtigt ist es Exklusivvertrieb. Der Extremfall dieser Strategie ist der Alleinvertrieb, bei dem nur ein einziger Absatzmittler für ein bestimmtes Absatzgebiet die Vertriebsberechtigung erhält. Nach Homburg und Krohmer[10] liegt ein Vorteil des Exklusivvertriebs in der Möglichkeit, einen konsistenten Marktauftritt (Beratung der Kunden, äußere Anmutung der Vertriebspartner) zu gewährleisten. Für den Universalvertrieb spricht demgegenüber die umfassende Präsenz der Produkte; ein einheitlicher Marktauftritt kann wegen der Verschiedenartigkeit der Vertriebspartner nicht gewährleistet werden.
Angestellte Verkäufer
Der feste Verkäufer (es kann auch ein Reisender sein) ist mit einem Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB an seinen Arbeitgeber gebunden. Dementsprechend schuldet der Arbeitgeber ihm unabhängig vom Verkaufserfolg Lohn und Fürsorge, insbesondere Sozialversicherungsleistungen.
Selbständige Vermittler
Der Handelsvertreter ist selbständiger Kaufmann und Unternehmer, der auf Provisionsbasis Geschäfte vermittelt. Nach der gesetzlichen Definition in § 84 Abs. 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Handelsvertreter kann eine Personengesellschaft (OHG, KG) oder eine Kapitalgesellschaft (AG, GmbH) sein. Im Gegensatz zum angestellten Verkäufer kann er auch für mehrere Anbieter tätig werden (Mehrfirmenvertreter). Üblicherweise werden von Handelsvertretungen mehrere Unternehmen vertreten. Nach den Ergebnissen der CDH-Statistik 2010 beläuft sich die Anzahl der von Handelsvertretungen vertretenen Firmen im Durchschnitt auf 5,4.
Die Grundpflichten des Handelsvertreters sind in § 86 HGB gesetzlich festgeschrieben. Danach hat der Handelsvertreter die Pflicht, sich um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften zu bemühen, die Interessen des vertretenen Unternehmers wahrzunehmen und diesem die erforderlichen Nachrichten zu geben. Aus der Pflicht, die Interessen des vertretenen Unternehmers wahrzunehmen, leiten sich weitere Pflichten ab. Hierzu zählen beispielsweise die Pflicht zur Verschwiegenheit, das Konkurrenzverbot und die Pflicht zur Bonitätsprüfung. Im Handelsvertretervertrag werden die Rechte und Pflichten genauer geregelt. Allerdings ist die Gestaltung eines Handelsvertretervertrages oft schwierig.[11] Wenn das Vertragsverhältnis beendet wird, steht dem Handelsvertreter unter den Voraussetzungen des § 89b HGB ein Ausgleichsanspruch zu. Dieser ist ein Vergütungsanspruch für den von ihm geschaffenen und dem vertretenen Unternehmer nach Vertragsbeendigung überlassenen Kundenstamm. Eine moderne Sonderform ist die zeitlich begrenzte Beauftragung von Handelsvertreter-Organisationen in Form des Mietvertriebs (häufig durch Call-Center oder angegliederten Außendienst).
Anreizsysteme und Steuerung der Vertriebsorgane
Die Vertriebsorgane sind so einzusetzen, dass die Vertriebsziele erreicht werden.[12] Gegenstände der notwendigen Steuerungsmaßnahmen sind die Aufteilung der Verkaufsbezirke, die Planung der Verkaufsquoten und -routen, die Besuchshäufigkeiten sowie Maßnahmen für Schulung und Training des Außendienstes.
Nach Philip Kotler[13] müssen viele Verkäufer stetig ermutigt und mit besonderen Anreizen angehalten werden, ihr Bestes zu geben. Generell unterscheidet Bruhn zwischen materiellen und immateriellen Anreizen.[14] Materielle Anreize sind im Entlohnungssystem der Verkäufer enthalten. Häufig werden diese zusätzlich zu einem Fixum nach einem Provisionssystem entlohnt. Provisionen werden im einfachsten Fall als Prozentwert vom Umsatz oder Deckungsbeitrag berechnet. Komplexere Provisionssysteme mit Minimierung, Maximierung und/oder Staffelung sind durchaus üblich. Darüber hinaus kommen häufig Zielvereinbarungen oder Prämiensysteme zum Einsatz, innerhalb derer Geld- oder Sachprämien für besondere Verkaufsleistungen vergeben werden.
Zu den immateriellen Anreizen zählen Beförderungen, Belobigungen, Auszeichnungen sowie erweiterte Verantwortungs- und Arbeitsbereiche. Regelmäßige Verkäufertreffen gehören in diese Kategorie. Sie bieten Abwechslung und die Gelegenheit, Vorgesetzte und Kollegen in angenehmer Umgebung kennenzulernen und sich auszutauschen.[15] Zumeist empfiehlt sich eine Kombination verschiedener materieller und immaterieller Anreize, um den unterschiedlichen Wertesystemen der Mitarbeiter Rechnung zu tragen. Voraussetzung für die erfolgreiche Steuerung der Vertriebsorgane und die Wirksamkeit der Anreizsysteme ist die systematische Entwicklung der Vertriebskompetenzen aller Mitarbeiter im Vertrieb.
Nach Waldemar Pelz sind die nachfolgenden Fragen zu stellen, um wesentliche Erfolgsfaktoren von Anreizsystemen im Vertrieb zu identifizieren:[16]
- Wie zufrieden sind die Kunden mit den Leistungen der Vertriebsmitarbeiter (Kundenbefragung)?
- Haben die Mitarbeiter unmittelbaren Einfluss auf das Ergebnis, indem sie über die notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten verfügen?
- Werden durch das Anreizsystem die „richtigen“ Personen zum Vorbild gemacht und gefördert?
- Ist das Kennzahlensystem über alle Hierarchieebenen und Funktionen so widerspruchsfrei gestaltet, dass jeder erkennt, welchen Beitrag er zum Unternehmenserfolg leisten kann?
- Ist das System attraktiv für Mitarbeiter, die in der Zukunft benötigt werden?
- Verhalten sich die Mitarbeiter sowohl kunden- als auch abschlussorientiert?
- Wie stark sind die Führungs- und Umsetzungskompetenzen des Managements ausgeprägt (Mitarbeiterbefragung)?
Akquisition und Stimulierung der Vertriebssysteme
Die Kernfrage ist hier nach Auffassung Bruhns, inwieweit eine endabnehmer- oder absatzmittlergerichtete Strategie zu verfolgen ist:[17] Bei der endabnehmergerichteten (Pull-)Strategie werden primär die Konsumenten über den Einsatz von Vertriebs- und Kommunikationsinstrumenten angesprochen. Ziel ist die Erzeugung einer aktiven Nachfrage bzw. eines Nachfragesogs für die beworbenen Produkte. Somit dürften sich die Absatzmittler gezwungen sehen, die Produkte zur Befriedigung der Kundennachfrage zu listen. Die absatzmittlergerichtete (Push-)Strategie hat das Ziel, die Bereitschaft der Absatzmittler zu fördern, die eigenen Produkte aufzunehmen und zu unterstützen. Dies geschieht durch den Einsatz von Anreizen, wie der Verbesserung von Handelsspannen, der Gewährung von Rabatten, Boni und Finanzhilfen sowie der Übernahme von Serviceleistungen beim Absatzmittler. In der Praxis stellen sich die Push- und Pull-Strategien nicht als alternative Handlungsoptionen dar, so Meffert und Co-Autoren.[18] Vielmehr sind meistens Kombinationen von absatzmittler- und endverbrauchergerichteten Maßnahmen anzutreffen. Hier gilt es, das verfügbare Budget optimal auf Push- und Pull-Maßnahmen zu verteilen.
Zusammenarbeit mit anderen Fachabteilungen
Verkaufszyklus
Verkaufszyklus (engl. Sales Cycle) kann als das Organigramm eines Verkaufsprozesses verstanden werden. Dabei unterteilt er den Gesamtprozess des Verkaufens in kaufrelevante Phasen und bestimmt deren Tätigkeiten und organisatorische Zugehörigkeiten.
Die einfache Form eines Verkaufszykluses besteht aus vier Stufen:
- Engage: Identifikation neuer Kunden inklusive deren Bewertung und die Verkaufsanbahnung.
- Transact: Erstellung – gegebenenfalls individualisierter – Angebote, Vertragsabschluss.
- Fulfill: Erbringung der Leistung und Rechnungsstellung.
- Service: Erbringung der Dienstleistungen (nach Kauf) über alle Kommunikationskanäle.
Darüber hinaus ist häufig die Rede von einem achtstufigen Verkaufszyklus, der aus folgenden Phasen besteht:
- potenzielle Kunden (Leads) suchen
- Interessenten (Leads) ansprechen (Kontaktmanagement)
- Kunden verstehen und Chancen bewerten
- anbieten, überzeugen und gewinnen
- Kunden beliefern (Processing)
- Kunden nachbetreuen, qualifizieren und binden
- Kunden weiterentwickeln (Up- und Cross-Selling)
- Kunden eventuell zurückgewinnen
Presales
Presales (von lateinisch prae = „vor“ und englisch sales = „Vertrieb“, „Verkauf“) ist ein Begriff, für den sich in der einschlägigen Literatur bisher noch keine stichhaltige Definition etabliert hat.
In der Praxis ist es ein notwendigerweise unscharfer Begriff, der alle Aktivitäten zusammenfasst oder etikettiert, die im weiteren Sinne dem Vertrieb zugerechnet werden müssen, jedoch nicht von der Vertriebsabteilung erbracht werden, sondern in denen Fach- und Entwicklungsabteilungen dem Vertrieb zuarbeiten. Geprägt ist diese Zuarbeit dadurch, dass noch kein Auftrag eines Kunden vorliegt, Arbeitsaufwände deshalb nicht auftragsbezogen an den Kunden verrechnet werden können; Auftraggeber für Presales-Aufwände ist der eigene Vertrieb, der sich davon erhofft, dass es in der Folge zu einem Vertragsabschluss mit dem Kunden kommt.
Zuweilen werden zum Presales die Vorprojekte gezählt, die zwar von einem Kunden beauftragt und bezahlt werden, die oft nicht kostendeckend kalkuliert sind. Deren eigentlicher Zweck für den Auftragnehmer besteht darin, dadurch anschließend einen lukrativen Großauftrag zu gewinnen. Das Etikett Presales dient dann dazu, gegenüber dem Kosten-Controlling deutlich zu machen, dass eine Kosten-Nutzen-Betrachtung nur im Kontext mit dem Nachfolgeprojekt sinnvoll ist.
Eine solche Zuarbeit von Fachabteilungen an den Vertrieb tritt in der Regel auf
- bei stark beratungsintensiven Produkten oder Dienstleistungen
- wenn ein Produkt lediglich die Basis bildet, aus der für den Kunden maßgeschneiderte Lösungen entwickelt werden
- wenn Arbeitsprozesse des Kunden umfangreich angepasst werden müssen, um das Produkt effizient nutzen zu können
- wenn an einem komplexen Projekt verschiedene Fachabteilungen eines Unternehmens beteiligt sind. Der Vertriebsmitarbeiter ist dann der Ansprechpartner für den Kunden, der in seinem Unternehmen schon während der Vertriebsphase den Kontakt zu den Fachleuten vermittelt, die spezifische Fragen des Kunden beantworten können.
Typische Presales-Tätigkeiten umfassen unter anderem:
- Produktpräsentationen und Kundenberatung vor Ort sowie telefonisch
- Workshops und Seminare
- Online Produktdemos
- Telefonkonferenzen mit Einbindung internationaler Projektmitarbeiter
- Messeauftritte
- Klärung technischer Fragen, zum Beispiel zur Machbarkeit
- Erstellung von Mitbewerberanalysen
- Erstellung von Systemdesigns und Konzepten
- Erstellung von Kalkulationen und Kunden-Angeboten
- Unterstützung in der Erstellung von Sales-Strategien
- Unterstützung von Produktmanagement bei Produktinnovationen.
Postsales
Postsales (von lateinisch post = „nach“ und englisch sales = „Vertrieb“, „Verkauf“). Ähnlich, wie Presales ist Postsales ein unscharfer Sammelbegriff, der Aktivitäten zusammenfasst oder etikettiert, die nach dem Vertragsabschluss nicht der Vertragserfüllung dienen, sondern der Kundenpflege sowie der Vorbereitung und Erleichterung zukünftiger Vertragsabschlüsse. In der Regel bezeichnen sie, wie beim Presales, Aktivitäten, die nicht vom Vertrieb selbst erbracht werden, sondern von Fach- und Entwicklungsabteilungen in dessen Auftrag. Da Postsales-Aktivitäten der Vorbereitung zukünftiger Vertragsabschlüsse dienen, kann Postsales nicht klar von Presales abgegrenzt werden. Entscheidendes Merkmal ist lediglich, dass auf ein bestehendes Vertragsverhältnis aufgebaut wird.
Typische Ziele von Postsales-Aktivitäten sind:
- Verkauf von Wartungsverträgen oder Wartungsverträgen mit einem höheren Servicelevel
- Verkauf von ergänzenden Komponenten zu einem bereits verkauften Produkt oder Service
- Gegen Ende des Lebenszyklus eines Produktes sicherstellen, dass die Ersatzinvestition mit einem Produkt des eigenen Unternehmens erfolgt
- Bei veränderten Marktbedingungen angepasste Produkte oder Services verkaufen.
Die Hauptmotivation für den Vertrieb, geeignete Fachabteilungen in die Kundenpflege einzubeziehen besteht darin, dass es, insbesondere bei komplexen Inbetriebnahmen zwischen den Abteilungen von Kunde und Lieferant zu einer wesentlich engeren, längeren und vertrauensvolleren Zusammenarbeit kommt, als es zwischen der Vertriebsabteilung des Lieferanten und der Einkaufsabteilung des Kunden möglich ist.
Außeruniversitäre Weiterbildung
- Geprüfter Fachberater im Vertrieb – deutschlandweit anerkannter IHK-Abschluss (IHK-Weiterbildungsstufe I)
- Fachkaufmann für Vertrieb – europaweit anerkannter IHK-Abschluss (IHK-Weiterbildungsstufe II)
Verbände
- Bundesverband Deutscher Vertriebsfirmen e. V. (BDV)
- Bundesverband der Vertriebsmanager
- Bundesverband Direktvertrieb Deutschland e. V.[19]
- Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb e. V. (CDH)
Siehe auch
Literatur
- James K. Anderson u. a.: Business Market Management. Pearson 2009, ISBN 978-0-13-208996-8.
- Christian Belz: Verkaufskompetenz. Wien 2001, ISBN 3-7064-0574-1.
- Christian Brauner, Ralf Seidel, Jörg Wacha: Change Management im Vertrieb. Haufe Verlag, München 2012, ISBN 978-3-648-03037-0.
- Manfred Bruhn: Marketing, Grundlagen für Studium und Praxis. 8. Aufl. Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-8349-0352-5.
- Richard Geml, Hermann Lauer: Marketing- und Verkaufslexikon. 4. Aufl. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7910-2798-2.
- Günter Hofbauer, Claudia Hellwig: Professionelles Vertriebsmanagement. 2. Aufl. Erlangen 2009, ISBN 978-3-89578-328-9.
- Christian Homburg, Harley Krohmer: Marketingmanagement. 3. Aufl. Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8349-1656-3.
- Christian Homburg u. a.: Sales Excellence. 4. Aufl. Wiesbaden 2006, ISBN 3-8349-0015-X.
- Christian Homburg, Jan Wieseke: Handbuch Vertriebsmanagement. Gabler Verlag, Wiesbaden 2011.
- Michael D. Hutt, Thomas Speh: Business Marketing Management B2B. Cengage Learning, 2010, ISBN 978-0-324-58163-8.
- P. Kotler, K. Keller, F. Bliemel: Marketing Management. 12. Aufl. München 2007, ISBN 978-3-8273-7229-1.
- Pius Küng u. a.: Key Account Management. St. Gallen 2002, ISBN 3-907100-11-5.
- Heribert Meffert u. a.: Marketing. 10. Aufl. Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-409-69018-8.
- Waldemar Pelz: Strategisches und Operatives Marketing, Norderstedt 2004, ISBN 3-8334-0634-8.
- Heiko van Eckert: Praxishandbuch Vertrieb. Berlin 2005, ISBN 3-589-23681-7.
- Hans Christian Weis: Marketing. 14. Aufl. Leipzig 2007, ISBN 978-3-470-51374-4.
- Peter Winkelmann: Vertriebskonzeption und Vertriebssteuerung. 4. Aufl. München 2008, ISBN 978-3-8006-3538-2.
- Jürgen Witt: Prozessorientiertes Verkaufsmanagement. Wiesbaden 1996, ISBN 3-409-13567-7.
Weblinks
Einzelnachweise
- C. Homburg, H. Krohmer: Marketingmanagement. 3. Aufl. Wiesbaden 2009, S. 828 f.
- Peter Winkelmann: Vertriebskonzeption und Vertriebssteuerung - Die Instrumente des integrierten Kundenmanagements (CRM). 3. Aufl. München 2005, S. 173.
- Manfred Bruhn: Marketing. Grundlagen für Studium und Praxis. 8. Aufl. Wiesbaden 2007, S. 247–249.
- Hans Christian Weis: Marketing. 14. Auflage. Leipzig 2007, S. 372 ff.
- Waldemar Pelz: Strategisches und Operatives Marketing. Norderstedt 2004, S. 123 ff.
- C. Homburg, H. Krohmer: Marketingmanagement. 2. Auflage. Wiesbaden 2006, S. 873.
- Manfred Bruhn: Marketing. Grundlagen für Studium und Praxis. 8. Aufl. Wiesbaden 2007, S. 265 f.
- Manfred Bruhn: Marketing. Grundlagen für Studium und Praxis. 8. Aufl. Wiesbaden 2007, S. 259 f.
- siehe unter anderem: Heribert Meffert u. a.: Marketing. 10. Aufl. Wiesbaden 2008, S. 260 ff.
- C. Homburg, H. Krohmer: Marketingmanagement. 2. Aufl. Wiesbaden 2006, S. 879.
- cdh24.de: Handelsvertreterrecht: Die Grundzüge im Überblick
- Bruhn, Manfred: Marketing: Grundlagen für Studium und Praxis. 8. Auflage, Wiesbaden 2007, S. 268 f.
- Philip Kotler: Marketing Management. 12. Auflage, München 2007, S. 821
- Manfred Bruhn: Marketing, Grundlagen für Studium und Praxis. 8. Auflage, Wiesbaden 2007, S. 270 f.
- Philip Kotler: Marketing Management. 12. Auflage, München 2007, S. 823
- Waldemar Pelz: Anreizsysteme im Vertrieb: Keine Krücke für schlechte Führung. In: Sales Business 12/2009, S. 51
- Manfred Bruhn: Marketing, Grundlagen für Studium und Praxis. 8. Auflage, Wiesbaden 2007, S. 262 ff.
- Meffert, Burmann, Kirchgeorg: Marketing. 10. Auflage, Wiesbaden 2008, S. 594
- http://www.direktvertrieb.de/